Kirchen

EKD-Friedensbeauftragter gegen Waffenlieferungen an Ukraine




Friedrich Kramer
epd-bild/Matthias Rietschel
Der neue EKD-Friedensbeauftragte, Landesbischof Friedrich Kramer, unterstützt nachdrücklich die Position der Bundesregierung, keine Waffen an die Ukraine zu liefern und im Streit mit Russland diplomatische Lösungen zu suchen.

Weimar (epd). Der neue Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer, unterstützt nachdrücklich die Position der Bundesregierung, keine Waffen an die Ukraine zu liefern und im Streit mit Russland diplomatische Lösungen zu suchen. „Waffen können kein Teil der Lösung sein, sie würden eher zu einer Eskalation des Konfliktes führen“, sagte er der in Weimar erscheinenden Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“ (Ausgabe zum 6. Februar). Der 57-jährige Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hatte das Amt Ende Januar übernommen.

Kramer rief in dem Interview dazu auf, nicht auf die Kriegsrhetorik zu hören. Es müssten alle Aspekte des Konfliktes beachtet werden: „Dazu gehört es auch, die Sicherheitsinteressen Russlands nüchtern in den Blick zu nehmen.“

Frieden sei für ihn ein zentrales Thema in der Kirche. Die Sorge darum gehöre in den Mittelpunkt kirchlicher Arbeit. Als einen Schwerpunkt seiner Arbeit als EKD-Friedensbeauftragter nannte Kramer, „dafür zu ringen, dass Deutschland dem seit einem Jahr in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag beitritt“.

Der Bischof verwies auf die lange Tradition der Friedensarbeit evangelischer Christen in der DDR. Vor mehr als 30 Jahren hätten sie mit Friedensgebeten in überfüllten Kirchen gewaltfrei eine friedliche Revolution erreicht. „Die Mauer fiel, ohne Gewalt, der Kalte Krieg endete, die europäische Teilung konnte überwunden werden, Abrüstung wurde möglich. Die evangelischen Kirchen im damaligen DDR-Kirchenbund haben durch ihre friedensethische Arbeit viel dazu beigetragen“, erklärte der Bischof.

Die Ökumenische Versammlung 1989 in Dresden, die Friedensgebete, aber auch viele Beschlüsse der damaligen Synoden hätten deutlich den Frieden angemahnt. „Diese Tradition gerade der DDR-Kirchen ist ein großer Schatz, der nicht in Vergessenheit geraten darf“, sagte der frühere Bausoldat.

Kurz nach der friedlichen Revolution sei er gegen eine Übernahme des Militärseelsorgevertrages in den ostdeutschen Kirchen gewesen. Heute erkenne er in der Seelsorge an Soldatinnen und Soldaten eine selbstverständliche Aufgabe der Kirche, die den Menschen in ihrer Not beizustehen habe.



Käßmann: Kirchen können zwischen Russland und der Ukraine vermitteln



Berlin (epd). Angesichts der Kriegsgefahr zwischen Russland und der Ukraine ruft die Theologin Margot Käßmann die Kirchen zu Vermittlungsbemühungen auf. „Jetzt sollte die Stunde der Kirchen schlagen! Sie haben Einfluss auf die politisch Handelnden“, schreibt Käßmann in einer Kolumne für die „Bild am Sonntag“. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nannte den Vatikan als möglichen Ort für ein Krisentreffen der Präsidenten beider Länder.

Zwar seien die orthodoxen Kirchen in der Ukraine zerstritten, und die russisch-orthodoxe Kirche sei „nicht gerade als Vermittlerin berühmt“. Doch gebe es beim Thema Krieg und Frieden nichts zu deuteln. „Es geht um die eindeutige Botschaft Jesu: Frieden stiften, Feinde lieben!“, schreibt Käßmann.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski habe erklärt, der Vatikan könnte ein optimaler Ort für ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein, schreibt die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und fügt hinzu: „Also los, worauf wartet ihr?“



Kirche beschäftigt sich mit Rassismus in den eigenen Reihen



Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Berlin widmet sich in mehreren Veranstaltungen Rassismus und Islamfeindlichkeit in den eigenen Reihen. Ein Online-Werkstattgespräch „Kirche ohne Rassismus“ am 11. und 12. Februar richtet sich an hauptamtlich und und ehrenamtlich Tätige in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), wie die Landeskirche am 1. Februar in Berlin auf ihrer Interseite ankündigte. Dabei gehe es um eine rassismuskritische Perspektive innerhalb des eigenen Arbeitsfeldes oder Engagements. Veranstalter ist das Amt für kirchliche Dienste (AkD).

Die Evangelische Akademie zu Berlin lädt am 23. und 24. Februar sowie am 31. März zu einem dreiteiligen Online-Workshop zum Thema „Antimuslimischer Rassismus? Rassismus und Religion“ ein. Die Werkstattgespräche zu Islam- und Muslimfeindlichkeit richteten sich an Multiplikatoren in der Jugendarbeit, hieß es. Die Teilnehmenden seien eingeladen, „Fremd- und Selbstbilder zu reflektieren und eigene Privilegien und Positionierungen zu hinterfragen“.

Am 24. März veranstaltet die Evangelische Akademie in der Französischen Friedrichstadtkirche eine Fachtagung zur Frage, warum auch Kirchen eine rassismuskritische Perspektive brauchen. Dabei sollen die Ergebnisse einer Studie mit Fokus auf kirchlich gebundene Menschen diskutiert werden. In der Studie hat die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (SI EKD) islamfeindliche Einstellungsmuster junger Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren untersucht.



Ökonom Edenhofer fordert kirchliches Engagement beim Klimaschutz



Berlin (epd). Der Ökonom Ottmar Edenhofer fordert Engagement der Kirchen in Fragen des Klimaschutzes. Zwar sei es nicht ihre Aufgabe, sich mit technischen Details auseinanderzusetzen, „aber als ethische Aufgabe ist das natürlich eine Frage für die Kirchen“, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) dem Magazin „Zeitzeichen“ (Online). Die moralischen Motive von Menschen, die etwas zum Klimaschutz beitragen wollten, müssten mit richtigen Anreizen gestärkt werden. Während die Politik Institutionen für solche Anreize bauen müsse, könnten die evangelische Sozialethik sowie die katholische Soziallehre dabei eine wichtige Unterstützung leisten, erklärte Edenhofer.

Um den Klimawandel zu begrenzen, stelle sich zukünftig die Frage, was den Wohlstand im 21. Jahrhundert ausmache: „Da werden ganz andere Komponenten wichtig als im vergangenen Jahrhundert: Dienstleistungen, eine andere Mobilität, aber eben auch eine intakte Biosphäre, ein intaktes Klimasystem“, sagte Edenhofer, der Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist. „Immerwährendes Wachstum einer physikalischen Größe in einer endlichen Welt kann es nicht geben.“ Durch die richtigen Anreize müssten zum Beispiel klimaschädliche Produktionsverfahren und Konsumgewohnheiten zurückgedrängt werden.

Edenhofer ist Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sowie Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin. Außerdem ist er Professor für die Ökonomie und Politik des Klimawandels an der TU Berlin.



Auftritt bei Corona-Demonstration entzweit Pfarrverein



Erfurt (epd). Der umstrittene Auftritt des evangelischen Pfarrers Martin Michaelis bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen im südthüringischen Sonneberg Anfang Dezember schlägt weiter Wellen. Laut einem Bericht von MDR Thüringen vom Wochenende steht der Thüringer Pfarrverein e.V. vor einer Zerreißprobe in der Sache: Außerplanmäßige Vorstandswahlen seien wahrscheinlich. Der Quedlinburger Pfarrer Michaelis ist Vorsitzender des Pfarrvereins mit rund 600 Mitgliedern.

Der stellvertretende Vorsitzende des Berufsvereins Thüringer Pfarrer, Pfarrer Tillmann Boelter aus Saalburg-Ebersdorf, sagte MDR Thüringen, der Vorstand wolle schnellstmöglich zu einer Mitgliederversammlung einladen. Das habe der Vorstand mehrheitlich beschlossen. Michaelis selbst habe an der Vorstandssitzung nicht teilgenommen.

Michaelis sagte dem Sender, er halte die Kritikwelle für „völlig überzogen“. Den Auftritt selbst rechtfertigte er demnach unter Verweis auf Meinungs- und Verkündigungsfreiheit.

Michaelis hatte am 5. Dezember in Sonneberg bei einem Aufzug gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gepredigt. An dem Protestzug zu einer Grenzkapelle nahmen rund 1.000 Menschen teil, die überwiegend keine Schutzmasken trugen. Zum damaligen Zeitpunkt waren in Thüringen allenfalls ortsfeste Kundgebungen mit maximal 35 Teilnehmern erlaubt.

Auch der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, hatte Michaelis' Auftritt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) verurteilt. Der Auftritt stehe in krassem Widerspruch zum Beschluss der Landessynode „Impfen ist Nächstenliebe“.



Garnisonkirche: Oberbürgermeister fordert Sondersitzung




Mike Schubert
epd-bild/Christian Ditsch
Die Potsdamer Garnisonkirche sorgt erneut für Schlagzeilen: Nach der Kritik des Bundesrechnungshofs fordert der Potsdamer Oberbürgermeister eine Sondersitzung der Stiftungsgremien. Die Kritiker des Bauprojekts sehen sich bestätigt.

Potsdam (epd). Die Kritik des Bundesrechnungshofs an der Finanzierung des neuen Potsdamer Garnisonkirchturms hat erste Folgen: Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) habe in einer ersten Reaktion auf den Bericht den Kuratoriumsvorsitzenden und den Vorstand der Garnisonkirchenstiftung um die Einberufung einer zeitnahen Sondersitzung gebeten, teilte die Stadtverwaltung am 4. Februar in Potsdam mit. Der Bericht sei Schubert, der selbst Mitglied des Kuratoriums der Stiftung ist, am 3. Februar vom Vorstand übermittelt worden und zuvor im Kuratorium nicht bekannt gewesen.

Der am 3. Februar in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Bericht müsse umgehend mit Blick auf die Hinweise zur Arbeitsweise der Stiftung bewertet und daraus Schlussfolgerungen gezogen werden, betonte Schubert. Es sei „von immenser Wichtigkeit, dass nicht nur die im Raum stehenden förderrechtlichen Fragen geklärt werden, sondern alle im Bundesrechnungshofbericht aufgestellten Forderungen erfüllt und transparent gegenüber der Öffentlichkeit dargestellt werden“.

In dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs wird unter anderem kritisiert, dass die Finanzen der Stiftung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) nicht ausreichend geprüft worden seien und die Bundesförderung in zweistelliger Millionenhöhe eine rechtlich unzulässige Anschubfinanzierung sei. Zudem sei nicht vorgesehen, dass sich die Stiftung an entstehenden Mehrkosten beteiligt. Der Bund hat für den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms bislang mehr als 24 Millionen Euro Bundesmittel zugesagt.

Die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ betonte am 4. Februar, der Bundesrechnungshof habe offiziell bestätigt, was von Kritikern des Bauprojekts bereits seit Jahren angeprangert werde. Die staatliche Finanzierung, die den Baustart erst möglich gemacht habe, sei rechtswidrig. „Die Turmkopie ist ein Millionengrab“, erklärte die Initiative: „Der Turm hätte nie gebaut werden dürfen.“

Die neue Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, Claudia Roth (Grüne), sollte die Fördermittel für den Turmbau sofort einfrieren und die Vorgänge lückenlos aufklären, forderte die Bürgerinitiative. Weitere Bundesmittel dürften nicht ausgezahlt werden. Auch eine Rückforderung bereits ausgezahlter Fördermittel müsse erwogen werden. Mit Blick auf einen möglichen Verdacht auf Subventionsbetrug seitens der Stiftung müssten zudem rechtliche Schritte geprüft werden.

Vonseiten der kirchlichen Stiftungsaufsicht der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, die für die Garnisonkirchenstiftung zuständig ist, hieß es am Freitag auf Anfrage, die Landeskirche nehme die Prüfung der Zuwendungen für den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms durch den Bundesrechnungshof zur Kenntnis und gehe davon aus, dass die Fördermittel sachgerecht bewilligt wurden. Die Stiftung hatte bereits am Donnerstagabend eine ähnliche Erklärung abgegeben und betont, mit Blick auf die Geschichte der Garnisonkirche gebe es „mehr als gute Gründe“ für eine Förderung des „exponierten Lernortes preußischer, deutscher und europäischer Geschichte“.



Garnisonkirche: Kirchlicher Stiftung droht Strafanzeige



Die Kritik des Bundesrechnungshofs an der Finanzierung des Potsdamer Garnisonkirchturms zieht weiter Kreise. Die Bürgerinitiative der Gegner des Bauprojekts prüft eine Anzeige. Die Stiftung will Ende der Woche über die aufgeworfenen Fragen beraten.

Potsdam (epd). Nach der Kritik des Bundesrechnungshofs an der Finanzierung des neuen Potsdamer Garnisonkirchturms drohen der Trägerstiftung möglicherweise rechtliche Konsequenzen. Die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ prüfe eine Anzeige wegen Subventionsbetruges, sagte Sprecherin Sara Krieg am 7. Februar in Potsdam. Es stelle sich auf Grundlage des Prüfberichts des Bundesrechnungshofs die Frage, ob die Stiftung unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht habe und deshalb „Fördergelder unrechtmäßig ausgezahlt“ worden seien. Die Finanzen müssten offengelegt werden. Die Stiftung betonte am Montag erneut, sie gehe davon aus, dass die Bundesmittel ordnungsgemäß bewilligt wurden.

Es werde davon ausgegangen, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit Blick auf Fördergelder des Bundes die zuwendungsrechtlichen Vorschriften beachtet habe, das „ihr eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und dadurch den wiederholt bestätigten parlamentarischen Willen des Haushaltsgesetzgebers umgesetzt“ habe, erklärte die Stiftung auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Die Kulturbeauftragte der Bundesregierung hatte bereits angekündigt, die Bewilligung weiterer Fördermittel umfassend zu prüfen. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), selbst Mitglied des Stiftungskuratoriums, hatte um die Einberufung einer zeitnahen Sondersitzung des Kuratoriums gebeten. Die Stiftung erklärte auf epd-Anfrage, das Kuratorium werde sich bei einer Zusammenkunft zum Ende der Woche über die mit dem Prüfungsbericht zusammenhängenden Fragen austauschen und beraten.

Der Bericht des Bundesrechnungshofs war am Donnerstag öffentlich bekannt geworden. Darin wird unter anderem kritisiert, dass die Finanzen der Stiftung von BKM-Seite nicht ausreichend geprüft worden seien und die Bundesförderung eine rechtlich unzulässige Anschubfinanzierung sei. Der Bund hat für den auf rund 44 Millionen Euro veranschlagten Wiederaufbau des Garnisonkirchturms bislang mehr als 24 Millionen Euro zugesagt. Die evangelische Kirche hat insgesamt fünf Millionen Euro Kredite bewilligt.

Die Bürgerinitiative habe auf die Finanzierungs- und Zuwendungsproblematik „schon länger hingewiesen“ und sei von den Prüfergebnissen des Bundesrechnungshofs nicht überrascht, sagte Krieg. Evangelische Kirche, Stiftung und Stadt müssten nun Verantwortung übernehmen, die Stiftungsfinanzen offenlegen und den Sachverhalt aufklären. Sie alle hätten dazu beigetragen, dass in Potsdam eine „Förderruine ins Zentrum gebaut“ werde.

Die Potsdamer Garnisonkirche wurde 1735 fertiggestellt, 1945 bei einem Luftangriff weitgehend zerstört und 1968 abgerissen, der Turm wurde gesprengt. Der neue Garnisonkirchturm wird seit 2017 gebaut. Die evangelische Kirche will ihn für historische Aufklärung, Friedens- und Versöhnungsarbeit nutzen. Das gesamte Bauprojekt ist vor allem wegen der Geschichte der früheren preußischen Militärkirche unter anderem in der NS-Zeit umstritten, die Garnisonkirche gilt als Ort und Symbol antidemokratischer Kräfte. Hitler hielt dort 1933 bei der Inszenierung der Eröffnung des Reichstags eine Rede.



Garnisonkirche: Bundesrechnungshof kritisiert Förderzusagen



Potsdam (epd). Der Bundesrechnungshof hat Förderzusagen des Bundes für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche kritisiert. In einem am 3. Februar bekannt gewordenen Bericht werfen die Rechnungsprüfer der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) vor, bei der Vergabe von Fördermitteln die Gesamtfinanzierung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam als Bauherrin nicht ausreichend geprüft zu haben. Zudem liege eine zuwendungsrechtlich nicht gestattete Anfinanzierung des Projektes durch die BKM vor. Ferner beachte die BKM den Subsidiaritätsgrundsatz nicht und sehe nicht vor, dass sich die Stiftung an Mehrkosten beteiligt, kritisiert der Bundesrechnungshof.

Der Bund hatte für den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms 2017 zwölf Millionen Euro bereitgestellt. Weitere 8,25 Millionen Euro wurden im Juni 2021 bewilligt. Im Bundeshaushalt 2021 stehen zudem zusätzliche 4,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte, die BKM habe die Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshofs „zur Kenntnis genommen“. Wegen zwischenzeitlich eingetretener Mehrkosten bei dem Projekt seien weitere 4,5 Millionen Euro im Bundeshaushalt 2021 „etatisiert“ worden. Die BKM werde auf Basis der eingereichten Antrags- und Bauunterlagen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine weitere Bewilligung der 4,5 Millionen Euro „umfassend prüfen“, so der Sprecher.

Der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten und 1968 abgerissenen Garnisonkirchturms wird mit rund 40 Millionen Euro veranschlagt. Die Stiftung Garnisonkirche Potsdam erklärte, sei sei überzeugt davon, dass die BKM die zuwendungsrechtlichen Vorschriften beachtet hat.



Sanierungsarbeiten an Leipziger Taborkirche



Leipzig (epd). Der Westturm der Leipziger Taborkirche im Stadtteil Kleinzschocher soll bis zum Sommer für insgesamt 550.000 Euro saniert werden. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) habe die entsprechenden Bau- und Finanzierungsbeschlüsse auf den Weg gebracht, teilte die Stadtverwaltung am 2. Februar mit. Die evangelische Kirchengemeinde bringt demnach 130.000 Euro der Sanierungskosten selbst auf.

Die zwischen 1902 und 1904 nach dem Entwurf der Architekten Arwed Rossbach und Richard Lucht erbaute Taborkirche besitzt eine neoromanische, dreischiffige Basilika mit einer 52 Meter hohen Doppelturmanlage und ist damit einzigartig in Leipzig. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten am Westturm sind den Angaben der Stadtverwaltung zufolge Natur- und Betonwerksteinarbeiten sowie die Deckung des Dachs mit Kupfer geplant. Zudem sollen die Turmfassade verputzt und die Fenster teilweise neu verglast werden. Auch Tischlerarbeiten in der Glockenstube sowie eine Sanierung der Turmuhr sollen erfolgen.



Entscheidung zu Leipziger Kirchenstrukturreform dauert noch



Dresden (epd). Die Leipziger Kirchgemeinden St. Thomas und St. Nikolai müssen im Fall der umstrittenen Strukturreform weiter auf eine Klärung warten. Mit einer gerichtlichen Entscheidung sei wohl erst im Sommer zu rechnen, sagte Nikolaikirchenpfarrer Bernhard Stief am 3. Februar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bis dahin bleiben bisherige Strukturen bestehen.

Die beiden überregional bekannten und unterschiedlich geprägten Gemeinden sollten laut einem Bescheid des sächsischen Landeskirchenamtes vom 1. Januar 2022 an eine Strukturverbindung eingehen, ein sogenanntes Schwesterkirchverhältnis. Sitz des gemeinsamen Pfarramtes soll demnach St. Thomas werden, sie ist mit rund 4.700 Mitgliedern die zahlenmäßig stärkere der beiden Gemeinden. Die Nikolaikirchgemeinde mit rund 2.600 Mitgliedern würde damit ihre Eigenständigkeit verlieren.

Beide Gemeinden hatten vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht getrennt voneinander geklagt. Laut Stief haben sie die Klagen nun zunächst ausführlich begründet. Sie hoffen, dass der Bescheid komplett zurückgenommen wird und „alles auf Anfang gestellt wird“, sagte Stief.

Wann eine endgültige Entscheidung getroffen wird, ist offen. Sachsens evangelischer Landesbischof, Tobias Bilz, hatte aber bereits Anfang des Jahres in einem epd-Gespräch angekündigt: „Die gerichtliche Klärung braucht seine Zeit.“ Einen detaillierten Zeitplan gebe es nicht.

Die Leipziger Thomaskirche ist ein Zentrum der evangelischen Kirchenmusik und Heimstätte des berühmten Thomanerchores. Die Nikolaikirche ist einer der bekanntesten Orte der friedlichen Revolution von 1989.



Heidelberg trauert: "Ihr seid nicht allein"




Gedenkfeier in der Peterskirche
epd-bild/Philipp Rothe/Universität Heidelberg
Die Stadt Heidelberg und die Universität halten bei einer gemeinsamen Gedenkfeier in der Universitätskirche inne und trauern um die Opfer des Amoklaufs in einem Hörsaal. Auch in der Nähe des Tatorts legen Studierende Kerzen und Blumen ab.

Heidelberg (epd). Es war eine bewegende Trauerfeier: Mit Kerzen und weißen Rosen haben trauernde Studierende der Opfer des Amoklaufs in Heidelberg gedacht. Vertreter von Hochschule, Politik und Religionsgemeinschaften hielten am 31. Januar gemeinsam inne und zeigten Zusammenhalt bei einem Gottesdienst in der Peterskirche. Um 12.24 Uhr stoppte für einen Augenblick auch das Leben der ganzen Stadt. Es war der Moment, als eine Woche zuvor die ersten Notrufe eingegangen waren.

Am 24. Januar hatte ein 18-jähriger Student in einem Biologie-Hörsaal der Universität eine 23-jährige Studentin erschossen und drei weitere Menschen verletzt. Danach tötete er sich selbst. Das Motiv für den Angriff ist nach Angaben der Polizei weiterhin unklar.

„Aus unserer Mitte heraus“

Die ganze Universität sei durch den grausamen Anschlag getroffen worden, „jede Lehrveranstaltung, jeden von uns hätte es treffen können“, sagte Bernhard Eitel, Rektor der Universität, in seinem Gedenkwort. Der „Anschlag aus unserer Mitte heraus“ löse heftige Emotionen aus.

Doch selten sei deutlicher geworden, was Universität bedeute: „Wir stehen zusammen, wir bleiben weltoffen, wir ziehen uns nicht in ein vermeintlich sicheres Schneckenhaus zurück“, sagte Eitel. Es seien hunderte Beileidsbekundungen aus aller Welt eingegangen. Weltweit schauten die Menschen auf Heidelberg. „Es muss weitergehen. Wir verarbeiten das zusammen.“ Niemand bleibe allen.

Universitätsprediger Helmut Schwier sagte in seiner Predigt, nach der brutalen Gewalttat sei auch die Seele der Universität verwundet. Er rief die Menschen zum Zusammenhalt auf. „Wir halten Tränen und Schmerz gemeinsam aus“, sagte er.

Thomas Strobl, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg (CDU), sagte, Misstrauen dürfe nicht die Antwort auf diese Tat sein. Die Universität müsse ein offener Ort der lebendigen Wissenschaft und der Begegnung junger Menschen bleiben.

Cornelius-Bundschuh: Auf Gottes Kraft vertrauen

Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Jochen Cornelius-Bundschuh, sagte, in Schrecken und der Angst dürfe man auf Gottes Kraft vertrauen. Gemeinsam mit Stephan Burger, Erzbischof der Erzdiözese Freiburg, sowie Vertretern der jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaft zündete eine Kerze für die Opfer an.

Gedenken und Anteilnahme auch unweit des Tatorts im Neuenheimer Feld auf dem Uni-Campus: Dort legten am Montag Studierende wieder Blumen ab und zündeten Kerzen an. „Jesus lehrt Friede, Liebe, Hoffnung“ ist mit Kreide auf die Straße vor dem Blumenmeer geschrieben. Immer wieder halten Passenten inne. Ihre Gedanken sind bei der getöteten Studentin.

„Wir wollen gemeinsam trauern“, sagen zwei Studentinnen, die mit Kerzen gekommen sind. Auch die medizinische Fachangestellte Katja Wolpert, die in der Nähe an der Uni-Klinik arbeitet, fühlt mit. Sie war gerade draußen, als vor einer Woche die Nachricht von dem Amoklauf die Runde machte.

Kerzen auch für den Täter

Schützen hätte sie sich nicht können - ebenso wenig wie die Studentinnen und Studenten, die zum Tatzeitpunkt unweit des Tatorts im Botanischen Garten Kaffee tranken. „Im Nachhinein möchte man meinen, ein dumpfes Geräusch gehört zu haben“, sagt einer von ihnen, der vor einer Woche dort war. Bewusst habe er jedoch nichts mitbekommen von der Tragödie, die sich in Gebäude 360 abspielte.

Etwas weiter Richtung Botanischer Garten stehen auch Kerzen. Sie gelten dem Täter, der sich an dieser Stelle selbst tötete. Die Entfernungen zur Mensa, dem Café Botanik sind kurz.

Fassungslos und tief bewegt verfolgen viele Studierende die Übertragung der Trauerfeier aus der Peterskirche auf der Großleinwand oder dem eigenen Tablet. Wo sonst lebhaftes Treiben herrscht, ist heute Stille.

Von Susanne Lohse und Christine Süß-Demuth (epd)


Hunderte bei Gedenkfeier für getötete Polizisten in Kusel




Ökumenischer Gottesdienst in Kusel
epd-bild/Andrea Enderlein

Kusel (epd). Mehrere hundert Menschen haben an einer ökumenischen Gedenkfeier für die beiden am 31. Januar in Rheinland-Pfalz getöteten Polizisten teilgenommen. Während am Abend des 3. Februar in der Stadtkirche in Kusel 120 Menschen Platz fanden, verfolgten nach Schätzungen des Ordnungsamtes weitere 500 die Übertragung des Gottesdienstes auf dem Marktplatz. „Wir sind nicht allein mit unseren Gefühlen“, rief der Kuseler evangelische Dekan Lars Stetzenbach den Trauernden im Gebet zu.

Es gebe ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung, der Trauer Ausdruck zu verleihen, sagte der Theologe. Die beiden Polizisten, eine 24-Jährige und ihr 29-jähriger Kollege, waren am frühen Montagmorgen bei einer Verkehrskontrolle bei Ulmet im Landkreis Kusel auf offener Straße erschossen worden. Sie hatten einen Lieferwagen kontrolliert, auf dessen Ladefläche tote Wildtiere lagen. Die Ermittler gehen davon aus, dass mit den Polizistenmorden Jagdwilderei vertuscht werden sollte. Zwei Tatverdächtige wurden im saarländischen Sulzbach festgenommen und sind in Untersuchungshaft.

„Sind füreinander da“

„Die Lebenslichter von Yasmin und Alexander sind brutal erloschen“, sagte Stetzenbach, während zwei Kerzen am Altar gelöscht wurden. „Alle, die am Montag den Boden unter den Füßen verloren haben, sollen spüren, dass wir hier eine Gemeinschaft sind. Wir sind Menschen, die miteinander leben, leiden und trauern, und die füreinander da sind.“ Im Gottesdienst und vor der Kirche entzündeten Teilnehmer der Gedenkfeier Kerzen neu, die den Wunsch nach Wärme und Helligkeit symbolisierten.



Landeskirchen wollen zum Friedensdiskurs im Nahost-Konflikt beitragen



Speyer (epd). Die fünf evangelischen Landeskirchen an Rhein und Ruhr wollen mit einem gemeinsamen Positionspapier zur Versöhnung im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern beitragen. Der Text mit dem Titel „Israel - Palästina - Leitgedanken und Thesen“ wolle Leitgedanken für einen konstruktiven Diskurs entwickeln, teilten die Kirchen am 1. Februar mit.

Hintergrund der Veröffentlichung sind die aktuellen Debatten über wachsenden Antisemitismus sowie die kontroversen Auseinandersetzungen in Deutschland und innerhalb der weltweiten Kirchengemeinschaft über den Nahostkonflikt. Gemeinsame Verfasser sind die evangelischen Kirchen der Pfalz, von Hessen-Nassau, Baden, dem Rheinland und von Westfalen.

Der Text betont die besondere Verbundenheit der christlichen Kirchen mit dem Judentum und dem Staat Israel und unterstützt zugleich das Streben der Palästinenser nach staatlicher Souveränität. Einen umfassenden Waren-Boykott wegen der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten lehnen die Kirchen ab. Zudem dürfe Religion nicht zur Legitimierung von politischen Machtansprüchen missbraucht werden. „Versöhnung wird nur möglich sein über ein gegenseitiges Anteilnehmen und -geben an den je eigenen Perspektiven und den je anderen Narrativen“, heißt es in dem Papier.

Kurschus: Stärke liegt in differenzierter Betrachtung

Vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte mit dem jüdischen Volk gebe es für die christliche Kirche die Verpflichtung, die aktuelle Situation im Nahen Osten ausgewogen, differenziert und empathisch zu betrachten, sagte die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst. Das Papier solle auch der Meinungsbildung und Verständigung in den interreligiösen Foren der Landeskirchen dienen.

„Die Stärke der 'Leitgedanken' liegt in ihrer differenzierten Betrachtung, die alle Beteiligten im Blick behält“, sagte die westfälische Präses Annette Kurschus, die auch Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Das Positionspapier ermutigt nach den Worten des badischen Landesbischofs Jochen Cornelius-Bundschuh dazu, im Nahost-Konflikt „Ambivalenzen auszuhalten, aber auch Schritte in Richtung auf eine gemeinsame Sicherheit, auf eine Stärkung der Menschenrechte und hin zum Frieden zu wagen“.



Meyns: EKD für staatliche Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch




Christoph Meyns
epd-bild/Jens Schulze

Braunschweig (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) befürwortet eine staatliche Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. „Daran würden wir uns selbstverständlich beteiligen“, sagte der Sprecher des Beauftragtenrats der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, Landesbischof Christoph Meyns, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dies sei eine große Chance, sexualisierte Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem anzugehen und aufzuarbeiten.

Der Staat sei dann in einer zentralen Rolle, die Fälle sexualisierter Gewalt in allen Institutionen und Lebensbereichen wie den Kirchen, aber auch dem Sport, den Schulen, Jugendeinrichtungen, bei der Kinderbetreuung und in den Familien aufzuklären. Es sei jedoch fraglich, ob der Staat eine solche Rolle übernehmen wolle und wie die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen zu schaffen seien, sagte der Bischof der braunschweigischen Landeskirche. In jedem Fall gelte: „Die Politik wird uns die Verantwortung für die Aufarbeitung nicht abnehmen.“

Studie über problematische Strukturen

Der Forschungsverbund „ForuM“, der auf Initiative der EKD Fälle von sexualisierter Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie wissenschaftlich aufarbeite, wird Meyns zufolge Erkenntnisse über problematische Strukturen vorlegen. „Wir wollen wissen, was sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche ermöglicht hat“, sagte Meyns. Diese Faktoren seien vermutlich andere als in der katholischen Kirche.

Darüber hinaus starteten die evangelischen Landeskirchen gerade mit Planungen für Aufarbeitungskommissionen. In den ersten Jahren nach der Aufdeckung der ersten Missbrauchsfälle 2010 sei es vor allem um Prävention gegangen. „Seit 2018 wird aber auch verstärkt der Bereich der Aufarbeitung in den Blick genommen“, so Meyns.

„Ein Marathon“

Eine diesbezügliche Vereinbarung der EKD mit dem Unabhängigen Beauftragten des Bundes für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs über Standards der Aufarbeitung sei weitgehend vorbereitet. Aber es müssten noch wichtige Details geklärt werden, vor allem im Blick auf die Beteiligung der Betroffenen. Bis eine tragfähige Struktur geschaffen sei, werde es noch ein gewisser Weg sein: „Betroffenenbeteiligung ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ Die ursprünglichen Mitglieder des im vergangenen Frühjahr wegen Konflikten ausgesetzten Betroffenenbeirats seien aber auch aktuell eingeladen, sich bei wichtigen Entscheidungen zu beteiligen.

Anders als in der katholischen Kirche, die hierarchischer strukturiert sei, seien in der evangelischen Kirche gewählte Gremien für alle Entscheidungen zuständig. Diese demokratische Vielfalt unterstütze die Aufarbeitung, sei manchmal aber auch hinderlich, wenn es um klare Verantwortung gehe, gestand der Bischof ein: „Da droht die Gefahr, dass Verantwortung diffundiert und am Ende niemand mehr verantwortlich ist. Das dürfen wir nicht zulassen.“

epd-Gespräch: Martina Schwager


Bischof Feige betont Willen zur Aufklärung von Missbrauchsfällen



Das Bistum Magdeburg hat neue Zahlen zu Missbrauchsfällen vorgelegt. Seit der sogenannten MHG-Studie sind weitere Priester und Laien als Täter bekannt geworden.

Magdeburg (epd). Im Bistum Magdeburg sind weitere Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt geworden. Seit der sogenannten MHG-Studie von 2018 sind fünf weitere Priester als Täter sowie fünf weitere Betroffene gefunden worden, insgesamt gibt es somit 23 Betroffene im Bistum, wie Bischof Gerhard Feige am 2. Februar vor Pressevertretern sagte. Hinzu kämen zehn Täter, die als Laien in verschiedenen Einrichtungen des Bistums tätig waren sowie elf Betroffene. Keiner der fünf Priester ist nach Angaben des Bistums mehr am Leben.

Die MHG-Studie hatte sich auch mit 677 Akten des Bistums Magdeburg im Zeitraum 1946 bis 2014 befasst. Dabei wurden acht beschuldigte Priester ermittelt.

Bischof Feige zeigte sich bestürzt über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Zugleich stellte er eine vor wenigen Monaten initiierte Kommission zur Aufarbeitung solcher Fälle in seinem Bistum vor. Das Leiden der Betroffenen könne nicht rückgängig gemacht werden, sagte der Bischof. Aber er sehe sich „und die gesamte Bistumsleitung in der Verantwortung, Strukturen und Rahmenbedingungen, die den Missbrauch begünstigen, zu erkennen und Maßnahmen zur Veränderung einzuhalten“.

Feige betonte, dass das Bistum Magdeburg mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen nicht erst jetzt beginne, sondern sich dieser Herausforderung bereits seit zwei Jahrzehnten stelle: Verdachtsfälle seien bereits früh sehr ernst genommen und verschiedene Maßnahmen der unabhängigen Aufarbeitung bis hin zur Prävention unternommen worden. Seit Herbst 2021 bestehe die von ihm initiierte Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs auf Bistumsebene. Dem Gremium gehören drei externe Experten und eine vom Katholikentag vorgeschlagene Person sowie eine Person aus dem Forschungsbereich einer staatlichen Hochschule an. Kommissionvorsitzender ist der Psychologe Wolfgang Stein.

Trotz intensiver Suche sei es noch nicht gelungen, zwei Betroffene aus dem katholischen Umfeld zu finden, die in der Kommission mitarbeiten wollten. Der Kommissionvorsitzende Stein sagte, dass das Gremium noch am Anfang seiner Arbeit stehe. Aufgabe sei, „die Vergangenheit im Hinblick auf sexualisierte Gewalt mit weiteren Fachleuten aufzuarbeiten.“ Die Kommission ist für drei Jahre berufen.



Bischof Kramer entschuldigt sich bei queerer Gemeinschaft



Der Queer-History-Month erinnert im Februar an die Geschichte schwuler, lesbischer und anderer Gemeinschaften mit unorthodoxen sexuellen Orientierungen. Die EKM nutzt die Gelegenheit zur Entschuldigung für das diesen Menschen angetane Unrecht.

Erfurt (epd). Im Rahmen eines Internet-Gottesdienstes bekennt sich die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) zu ihrem Teil des Unrechts, das Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität in der Vergangenheit erfahren haben. Landesbischof Friedrich Kramer entschuldigt sich stellvertretend „für all das Leid, das seitens der Kirche bis heute mit verursacht und toleriert wurde“, teilte die EKM am 31. Januar in Erfurt mit.

Das Schuldeingeständnis gegenüber der sogenannten queeren Gemeinschaft sei Teil eines aufgezeichneten Gottesdienstes der EKM-OnlineKirche im Rahmen des weltweiten Queer-History-Month, erläuterte eine Kirchensprecherin. Unter dem Motto „Vielfalt und Glaube“ werbe Kramer für Umkehr und Erneuerung.

Die Landeskirche gehe zwar offen mit Betroffenen um, sagt Onlinepfarrerin Jennifer Scherf, die laut EKM mit Frau und Kind in Leipzig lebt und damit selbst zur queeren Gemeinschaft gehört. „Ich bin dankbar, in einer Kirche arbeiten zu können, die sich schon seit Jahren stark macht für die Rechte aller Menschen“, so Scherf. Die Richtlinien der EKM und auch der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seien diesbezüglich sehr klar.

Dennoch gebe es Landeskirchen und überall auch Gemeinden, Christinnen und Christen, die diese Offenheit nicht lebten. Den Internet-Gottesdienst auf Abruf sieht sie auch als Statement der Dankbarkeit dafür, dass das Thema queere Gemeinschaft heute kein Tabu-Thema mehr in der Kirche sei.

„Wir glauben an eine vielfältige Schöpfung, die sich nicht nur an der ,Norm‘ orientiert“, beschreibt Onlinepfarrerin Jennifer Scherf die Position der OnlineKirche. „In Gottes wunderbarer Welt ist Platz für alle Menschen, unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung, ihrem Familienbild oder sonst einer Ausprägung ihres Seins. Solange Frieden und Liebe unser Sein und Miteinander bestimmen, ist Segen drin, da sind wir uns sicher“, betonte sie.

Das Schuldbekenntnis beginne Kramer mit dem Satz: „Ich bekenne für unsere Kirche, wir haben uns schuldig gemacht, indem wir die Vielfalt der göttlichen Schöpfung nicht wahrgenommen und wertgeschätzt haben, sondern sie abgewertet haben“. Er entschuldige sich für das Beitragen und das Schweigen zu Ausgrenzung, Diskriminierung, Leid, Verfolgung bis hin zu Verletzung und Ermordung in der Vergangenheit.

„Wir sind Liebe, Anerkennung und Respekt schuldig geblieben und dies tut uns leid. Es tut mir leid“, zitierte die EKM den Bischof. Für alles, was er gesagt und getan habe, was verletzend gewesen sei, dafür bitte er um Vergebung. Kramers Auftritt ende mit den Worten „Lasst es uns besser machen. Dazu helfe uns Gott.“

Der Begriff „queer“ wird heute positiv als Selbstbezeichnung von und für Menschen gebraucht, die ihre Identität als außerhalbr gesellschaftlicher Normen, etwa als lesbisch, schwul, bisexuell, trans und intersexuell ansehen. Außerdem gilt er als Überbegriff für diejenigen, die nicht in die gängigen geschlechtlichen Normen passen. Der Queer-History-Month findet in vielen Ländern im Februar in Erinnerung an das Streben nach Teilhabe statt.



Konservative Christen gegen CSD-Sponsoring durch Diakonie-Einrichtung



München/Nürnberg (epd). Ende Januar hat die Rummelsberger Diakonie bekanntgegeben, Sponsor für den Christopher Street Day (CSD) in Nürnberg zu werden - nun will der theologisch konservative Arbeitskreis Bekennender Christen in Bayern (ABC), dass die Diakonie ihr Sponsoring zurücknimmt. Man bewerte die Unterstützung als „Zweckentfremdung kirchlich-diakonischer Mittel“, teilte der ABC am 6. Februar mit. Es sei „nicht erkennbar“, was das mit dem Auftrag der Diakonie zu tun habe.

Beim CSD werde mit Geldern der Diakonie „Sexualität öffentlich zur Schau gestellt“. Sexualität werde in einer Form gezeigt, „die auch aus Sicht vieler homosexuell empfindender Menschen ein problematisches und verzerrtes Bild“ darstelle. ABC-Vorsitzender Till Roth, Dekan in Lohr am Main, erläuterte: „Die Förderung widerspricht zudem dem Bemühen der Kirchenleitung, die verschiedenen Positionen zum Thema Homosexualität innerhalb der evangelischen Kirche zu respektieren.“

Der ABC bekräftigte zudem seine Haltung, dass man der Bibel „keine Begründung der öffentlichen Segnung oder Trauung von Paaren gleichen Geschlechts entnehmen“ könne sowie, dass es „keine biblischen Aussagen gibt, die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen - im Gegenteil“. Vor diesem Hintergrund bewertet der ABC das Vorgehen der Rummelsberger Diakonie „für kontraproduktiv für das gedeihliche Miteinander“ innerhalb der Landeskirche. Im Arbeitskreis Bekennender Christen in Bayern haben sich nach eigenen Angaben Verantwortliche aus rund 20 kirchlichen Gemeinschaften, Verbänden und Werken zusammengeschlossen.

„Jeder Mensch ist Gottes Geschöpf“

Die Rummelsberger Diakonie hatte ihr Engagement damit begründet, ein Zeichen für mehr Vielfalt, Toleranz und Menschenwürde setzen zu wollen: „Jeder Mensch, egal welcher geschlechtlichen Identität er sich zuordnet, ist Gottes Geschöpf.“

Der CSD findet in Nürnberg vom 21. Juli bis 7. August statt. Zum Abschluss sind Demonstrationen durch die Innenstadt geplant. Die Rummelsberger wollen daran mit einem Wagen teilnehmen und einen Infostand bei der Abschlusskundgebung organisieren. Die Bezeichnung Christopher Street Day geht auf einen Aufstand von Homosexuellen in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969 zurück. Seit 1979 gibt es auch in Deutschland vielerorts Veranstaltungen, die daran erinnern.



Katholische Kirche in Deutschland strebt Erneuerung an




Bischof Bätzing im Gespräch mit Demonstranten vor der Frankfurter Messe
epd-bild/Peter Jülich
Bei der Vollversammlung des Reformdialogs Synodaler Weg haben sich Bischöfe und Zentralkomitee der Katholiken auf weitere Reformschritte verständigt. Frauen sollen gestärkt, das Arbeitsrecht geändert und mehr Partizipation möglich werden.

Frankfurt a.M. (epd). Katholische Laien und Bischöfe in Deutschland wollen die Vertrauenskrise in ihrer Kirche mit weitreichenden Reformen überwinden. Bei dreitägigen Beratungen im Rahmen des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg in Frankfurt am Main verständigten sich die Delegierten darauf, dass einige Neuerungen wie eine stärkere Beteiligung der Gläubigen an Bischofswahlen schon zeitnah umgesetzt werden sollen. Die Kirchenbasis formulierte deutliche Erwartungen an die leitenden Geistlichen.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte, man dürfe nicht erwarten, dass die Weltkirche Probleme löst, die man selbst vor Ort in die Hand nehmen müsse. Besonders die Frauenrechte in der Kirche seien ihr ein Anliegen. „Menschenrechte in der Kirche sind erst dann Realität, wenn es Gerechtigkeit für alle Geschlechter gibt“, sagte Stetter-Karp nach dem Abschluss der Beratungen am 5. Februar und fügte hinzu: „Wir geben uns nicht mit Häppchen zufrieden.“

„Hat geliefert“

„Die Versammlung hat geliefert“, sagte die ZdK-Präsidentin angesichts von Beschlüssen zu sogenannten Handlungstexten unter anderem zur Öffnung von katholischen Weiheämtern für Frauen und zu Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. Doch wenn wichtige Texte bei der nächsten Synodalversammlung nicht final beschlossen würden, könne das umfassende Reformwerk, das sich das ZdK zusammen mit den Bischöfen vorgenommen habe, nicht gelingen.

Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ beklagte „die immer noch bestehenden Widerstände in Teilen der Deutschen Bischofskonferenz“. Sie forderte die Bischöfe auf, schnell verbindlich zu erklären, dass keine arbeitsrechtlichen Diskriminierungen von Personen aufgrund ihrer persönlichen Lebensführung mehr vorgenommen werden. Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) drängten nach den Beratungen zum Handeln.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte am 5. Februar, die von Beschäftigten zu erwartende Loyalität werde „auf ein Mindestmaß“ begrenzt. „Die persönliche Lebensführung bleibt außen vor.“

Der Limburger Bischof nannte die dritte Synodalversammlung einen großen Erfolg und zugleich einen Zwischenschritt. „Wir wollen, dass Frauen in der Kirche aufgrund ihrer gleichen Würde Zugang zu Diensten und sakramentalen Ämter erhalten“, sagte Bätzing. Der Synodale Weg habe gute Argumente für eine Öffnung vorgelegt. Wer Frauen auch weiterhin vom sakramentalen Dienst ausschließen wolle, müsse bessere Argumente finden.

Er glaube grundsätzlich an eine Verständigung mit dem Vatikan, aber „sicher nicht in allen Punkten und nicht als Automatismus“, sagte Bätzing. Niemand dürfe glauben, dass es in einer so wesentlichen Frage wie der Öffnung von Weiheämtern für Frauen eine schnelle Lösung geben könne. Aber die Weltkirche sei mehr als Rom. Die Themen, die der Synodale Weg verhandele, seien auch für die katholische Kirche in anderen Ländern drängend.

Mahnung aus Rom

Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, hatte die deutschen Bischöfe bei der Versammlung ermahnt, bei ihren Reformbemühungen nicht die Einheit mit Rom aus den Augen zu verlieren. Papst Franziskus liege Synodalität sehr am Herzen. Die synodale Kirche verlange die Teilnahme aller, dürfe jedoch nicht mit Parlamentarismus gleichgesetzt werden, sondern sei eine Gabe des Heiligen Geistes und auf das Wort Gottes ausgerichtet.

Die 230 Delegierten des Synodalen Wegs hatten seit dem 3. Februar bei ihrer dritten Vollversammlung insbesondere über Konsequenzen aus den Fällen sexualisierter Gewalt und der damit verbundenen Vertrauenskrise diskutiert. Das ZdK hatte den Reformdialog zusammen mit der Bischofskonferenz 2019 ins Leben gerufen. Die fünfte und abschließende Synodalversammlung ist für 2023 geplant.



Latzel: Suizid-Begleitung keine Aufgabe kirchlicher Einrichtungen




Thorsten Latzel
epd-bild/Hans-Jürgen Bauer

Bonn (epd). Die Begleitung von assistiertem Suizid am Lebensende ist nach den Worten des rheinischen Präses Thorsten Latzel keine Aufgabe evangelischer Einrichtungen. Für diesen Fall müssten Gesellschaft und Staat Möglichkeiten der Beratung und Assistenz schaffen, sagte Latzel am 2. Februar in einer Online-Veranstaltung der Evangelischen Akademie im Rheinland. „Da sollte nicht der Erwartungsdruck des Staates an uns sein, dass wir das als Service-Angebot haben.“

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie trat hingegen bei der gleichen Veranstaltung dafür ein, Verfahren zu etablieren, um sterbenskranke Menschen mit Suizid-Wunsch begleiten zu können. Es brauche ein professionelles Vorgehen mit kompetenten Beratungsteams, um den wahren Wunsch eines Menschen herauszufinden, sagte Lilie. „Das halte ich für eine Aufgabe von Kirche und Diakonie.“

„Tragen nicht aktiv dazu bei“

Hintergrund der Debatte über den assistierten Suizid ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das im Februar 2020 das Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ aufgehoben hatte. Die Karlsruher Richter begründeten die Entscheidung mit dem Selbstbestimmungsrecht. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben schließt demnach auch eine mögliche Hilfe Dritter ein. Der Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs muss nun neu gefasst werden.

„Wir stehen für den Schutz und die Begleitung menschlichen Lebens bis zum Ende“, betonte Latzel. In Grenzfällen müsse zwar respektiert werden, wenn Menschen sich für die Beendigung ihres Lebens entschieden. Sie müssten diakonische Einrichtungen deshalb auch nicht verlassen. „Wir respektieren den Wunsch, aber wir tragen nicht aktiv dazu bei“, betonte Latzel.

Auch für die Diakonie habe der Lebensschutz Vorrang, stellte Lilie klar. Dazu müsse es einen flächendeckenden Ausbau der Suizidprävention geben. Dennoch werde es immer einzelne Menschen geben, die sich trotz guter palliativer Versorgung am Lebensende für einen Suizid entschieden.



Büdenbender: Geschlechtergerechtigkeit war nie ein Selbstläufer



Berlin (epd). Zum Auftakt der bundesweiten Pilgeraktion „Gender-Pilgern“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat „First Lady“ Elke Büdenbender ein gesellschaftliches Umdenken gefordert. „Geschlechtergerechtigkeit war leider nie ein Selbstläufer“, sagte die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Februar bei der online übertragenen Eröffnungsveranstaltung in Berlin. Sie verwies auf die historische gesellschaftliche „Schieflage“ mit „öffentlich-männlichen und nicht-öffentlich-weiblichen“ Sphären. Auch wenn sich seither viel getan habe, zeige gerade die Corona-Pandemie deutlich, dass Frauen die Belastungen in der nicht-öffentlichen Sphäre zum überwiegenden Teil nach wie vor alleine stemmten. „Alle müssen umdenken“, forderte sie.

Die Juristin wies auch auf die Gewalt gegen Frauen hin. Die digitale Welt sei hierbei ein Verstärker. Dies führe dazu, dass sich Frauen in den sozialen Medien weniger äußerten und sich zurückzögen. Dabei seien die sozialen Medien heute ein wesentlicher Bestandteil politischer Diskussion „und wenn Frauen sich zurückziehen, verschwinden sie“.

Die EKD will mit der Aktion auf fehlende Geschlechtergerechtigkeit aufmerksam machen. Zielpunkt ist die 8. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe vom 31. August bis 8. September. Der Weltkirchenrat hatte seine Mitgliedskirchen zu „Pilgerwegen der Gerechtigkeit und des Friedens“ aufgerufen. Kernstück der Initiative bilden den Angaben zufolge neun regionale Pilgeretappen zwischen Mai und September 2022.

„Vielfalt anerkennen“

Dabei stünden bei „Go for Gender Justice“ drei Themenbereiche im Mittelpunkt: „Arbeit, Macht und Einfluss fair teilen“, „Abwertung und Gewalt überwinden“ und „Vielfalt anerkennen“. Beteiligt sind mit regionalen Pilgeretappen die Landeskirchen Baden, Kurhessen-Waldeck, Mitteldeutschland, Norddeutschland, Pfalz, Rheinland, Sachsen, Westfalen und Württemberg.

Trägerin von „Go für Gender Justice“ ist die Konferenz der Gender-Referate und Gleichstellungsstellen in den evangelischen Landeskirchen, für die das Referat für Chancengerechtigkeit der EKD die Geschäftsführung innehat. Die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber hielt die Andacht und nannte als Etappen des Pilgerwegs unter anderem das Hambacher Schloss als Wiege der Demokratie, das Hoffnungshaus im Rotlichtviertel in Stuttgart sowie Synagogen, Moscheen und Kirchen. Die Pilgernden stärkten sich dort gegenseitig durch Begegnungen.



Kirchen widmen "Woche für das Leben" dem Thema Demenz



Bonn, Hannover (epd). Die beiden großen Kirchen wollen in diesem Jahr mit der ökumenischen „Woche für das Leben“ Anfang Mai auf das Thema Demenz aufmerksam machen. Wie die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am 1. Februar mitteilten, steht die Woche vom 30. April bis 7. Mai unter dem Motto „Mittendrin. Leben mit Demenz“. Immer mehr Menschen seien von Demenz betroffen, sie seien wertvolle Glieder der Gesellschaft und sollten spüren können, dass ihr Leben schützenswert ist, hieß es.

Im Vorwort zum Themenheft schreiben der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, und die EKD-Ratsvorsitzende, Annette Kurschus, wer unter Demenz leide oder Betroffene im Kreis der Familie begleite, erfahre die Unverfügbarkeit und Verletzlichkeit des Lebens. Es werde sichtbar, dass die Kontrolle über das eigene Leben natürliche Grenzen habe. „Es kann dann entlastend und tröstlich sein zu wissen, dass die Würde des Menschen tiefer gründet und unverlierbar ist.“

Der zentrale Auftakt der Woche für das Leben findet den Angaben zufolge am 30. April in der Leipziger Nikolaikirche statt. Der ökumenische Gottesdienst mit der EKD-Ratsvorsitzenden Kurschus, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, dem sächsischen Landesbischof Tobias Bilz und dem Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, werde live im MDR-Fernsehen übertragen.

Die Woche für das Leben findet zum 27. Mal statt. Die Aktion will Menschen in Kirche und Gesellschaft für die Würde des menschlichen Lebens sensibilisieren.



Stadt finanziert Bauarbeiten am Evangelischen Schulzentrum



Leipzig (epd). Die Stadt Leipzig fördert erstmals eine Schule in freier Trägerschaft. Finanziert würden Baumaßnahmen am Evangelischen Schulzentrum, teilte die Stadtverwaltung in Leipzig mit. Ein entsprechender Fördermittelbescheid in Höhe von 606.420 Euro sei am 3. Februar übergeben worden. Das Geld soll für die brandschutztechnische Sanierung und die Modernisierung des Schulbaus eingesetzt werden. Das Ausreichen weiterer Mittel für Bauarbeiten an der 1991 gegründeten evangelische Schule werde geprüft.

Eine Förderung freier Träger ist nach einem Beschluss des Stadtrates vom Mai 2020 ausschließlich für investive Baumaßnahmen und die Schaffung neuer Schulplätze möglich. Aktuell liegen im Fördertopf der Stadt weitere rund 2,4 Millionen Euro bereit, wie es hieß. Zudem stehe für das laufende Jahr 2022 noch eine Million zur Verfügung. Die Stadt ruft daher freie Schulträger auf, Förderanträge zu stellen - vor allem um dem steigenden Bedarf an Schulplätzen zu decken.

Am Evangelischen Schulzentrum in Leipzig mit Grundschule, Oberschule und Gymnasium lernen derzeit mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche. Träger ist der Evangelisch-Lutherische Kirchenbezirk Leipzig.



Brandenburgs Dorfkirche des Monats Februar steht in Karwesee



Fehrbellin (epd). Brandenburgs Dorfkirche des Monats Februar steht in Karwesee bei Fehrbellin im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Die Kirche, ein lang gestreckter, rechteckiger Fachwerksaal aus dem Jahr 1756, muss nach Angaben des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg vom 31. Januar nach 25 Jahren erneut und umfassend saniert werden. Bei der Sanierung in den 1990er Jahren sei ein falscher Putzträger verwendet worden. Eine erste Kostenschätzung gehe von etwa 60.000 Euro aus.

Der im Zweiten Weltkrieg beschädigte Kirchturm war zwischen 1949 und 1950 instandgesetzt worden. Für weitere Sanierungsarbeiten jedoch fehlte in der DDR das Geld, so dass die Kirche nach und nach verfiel. Nach einer bauaufsichtlichen Sperrung des maroden Kirchengebäudes im Jahr 1974 wurde bereits über einen Abbruch nachgedacht.

Nach der Wiedervereinigung wurde das Gotteshaus von 1991 bis 1995 umfassend saniert und wieder für Gottesdienste in dem Fehrbelliner Ortsteil genutzt. Anfang 2021 wurde die Karweseer Kirche allerdings wieder gesperrt, nachdem zwei große Putzschollen von der Decke gefallen waren. Es stellte sich heraus, dass bei der Sanierung ein falscher Putzträger verwendet worden war. Nun müssten die Bereiche, die damals erneuert wurden, wieder entfernt, eine entsprechende Rohrgeflechtmatte aufgebracht und anschließend neuer Putz und neue Farbe aufgebracht werden, hieß es.



Klosterkirche Altfriedland ist Kirche des Monats der KiBa-Stiftung



Hannover/Wriezen (epd). Die frühgotische Klosterkirche im brandenburgischen Altfriedland bei Wriezen ist Kirche des Monats Februar der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland. Die 2018 begonnene rund eine Million Euro teure Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks solle in diesem Jahr abgeschlossen werden, teilte die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegründete KiBa-Stiftung am 1. Februar in Hannover mit.

Derzeit würden im letzten Bauabschnitt die südliche Fassade und die Westgiebelseite einschließlich der Fenster für rund 180.000 Euro saniert, hieß es. Die Stiftung fördere den Bauabschnitt mit 10.000 Euro.

Die historische Kirche war den Angaben zufolge einst Teil einer Klosteranlage, zu deren Besitz zeitweise zehn Dörfer, 20 Einzelgüter und acht Seen zählten. Das direkt am Ufer des Klostersees gelegene Ensemble zähle zu den architekturhistorisch bedeutsamsten mittelalterlichen Klosterbauten der Region und ziehe jährlich viele Besucherinnen und Besucher an, hieß es.

Das Bauwerk ist den Angaben zufolge zusammen mit der übrigen Anlage um 1230 entstanden. Nach Einführung der Reformation wurde das Nonnenkloster um 1540 aufgehoben, die Kirche verfiel. Knapp 200 Jahre später wurde sie wiederhergestellt. Der erste evangelische Gottesdienst wurde dort nach Stiftungsangaben am Neujahrstag 1734 gefeiert. Der barocke Innenraum verfüge unter anderem über ein bemaltes hölzernes Gewölbe, hieß es weiter.



Stadt Leipzig will Theologen Friedrich Magirius ehren



Leipzig (epd). Der evangelische Theologe und frühere Leipziger Stadtpräsident Friedrich Magirius soll Ehrenbürger der Stadt Leipzig werden. Insbesondere sein Engagement im Versöhnungsprozess mit Osteuropa, sein interkonfessionelles Wirken sowie seine Leistungen für den Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in Leipzig nach 1989 sollen gewürdigt werden, wie die Stadt am 1. Februar mitteilte. Der Stadtrat will im Februar über den Vorschlag entscheiden.

Der heute 91-jährige Magerius studierte Theologie in Berlin und Greifswald und leitete von 1974 bis 1982 die Aktion Sühnezeichen in der DDR. 1982 wurde er Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche und zugleich Superintendent des Kirchenbezirkes Leipzig Ost. Als Moderator des Runden Tisches und Stadtpräsident von Leipzig von 1990 bis 1994 übernahm Magirius nach Angaben der Stadt zudem politische Verantwortung in einer Zeit des politischen Umbruchs und gestaltete die neuen, demokratischen Strukturen in der Stadtgesellschaft mit. Magirius wurde 1930 in Dresden geboren.

Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde ist die höchste Auszeichnung der Stadt Leipzig. Seit 1832 hat die Stadt Leipzig 88 Ehrenbürger ernannt, sechs von ihnen wurde nach 1990 die Würde wieder aberkannt.



Gustav-Adolf-Werk unterstützt Frauenprojekte in Portugal



Leipzig (epd). Das evangelische Gustav-Adolf-Werk (GAW) will in diesem Jahr unter anderem die Sozialdiakonie und Frauenprojekte in Portugal unterstützen. Dafür sollen im Rahmen des Jahresprojektes der Frauenarbeit im GAW 105.000 Euro gesammelt werden, teilte das evangelische Diasporawerk am 4. Februar in Leipzig mit. Projektpartnerin sei die Evangelisch-Presbyterianische Kirche in Portugal.

Die Evangelisch-Presbyterianische Kirche in Portugal zählt den Angaben zufolge lediglich rund 2.000 Mitglieder. Vier Fünftel von ihnen seien Frauen. Die Kirche unterhalte zwei Sozialzentren: Die Küche im Sozialzentrum Cova Gala biete ärmeren Menschen kostenlose Mahlzeiten, versorge den eigenen Kindergarten und den Pflegedienst mit Essen auf Rädern. Die Frauenarbeit des GAW will zwei Modernisierungsmaßnahmen in diesem kirchlichen Sozialzentrum unterstützen, hieß es weiter.

Inge Rühl, Vorsitzende der Frauenarbeit im GAW, betonte, Ziel sei es, Frauen und sozial Benachteiligte in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, „durch Begegnung, konkrete Hilfsangebote und wo nötig durch Therapien“. Pfarrerin Sandra Reis, Präsidentin der Evangelisch-Presbyterianischen Kirche in Portugal, sagte: „Wenn sich Menschen am Rande der Gesellschaft gehört, gesehen und anerkannt fühlen, kann es ihr Leben ändern.“



Erzbischof von Luxemburg erhält Abraham-Geiger-Preis 2022



Berlin (epd). Der katholische Kardinal und Erzbischof von Luxemburg, Jean Claude Hollerich, ist mit dem Abraham-Geiger-Preis 2022 ausgezeichnet worden. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung des Potsdamer Rabbinerseminars Abraham-Geiger-Kolleg sollte am 31. Januar in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Anwesenheit von Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) überreicht werden, teilte das Kolleg in Berlin mit. Die Auszeichnung würdigt Persönlichkeiten, die sich um den Pluralismus verdient gemacht haben und sich für Offenheit, Mut, Toleranz und Gedankenfreiheit einsetzen.

Die Laudatio sollte Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa per Video halten. Zu der Preisverleihung wurden überdies die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sowie die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), erwartet.

Der Preis wurde erstmals vor 22 Jahren verliehen und erinnert an den Vordenker des liberalen Judentums, Rabbiner Abraham Geiger (1810-1874). Bisherige Preisträger waren unter anderem Regisseur Christian Stückl, der israelische Schriftsteller Amos Oz, Prinz Hassan bin Talal von Jordanien und 2015 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Hollerich ist Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft COMECE. In einer pluralistischen Gesellschaft bräuchten künftige Geistliche die Begegnung mit den anderen Religionen, betonte der Kardinal: „Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, Freunde zu werden, miteinander und voneinander zu lernen, und uns selbst treu zu bleiben.“




Soziales

Arbeitsgericht bestätigt Kündigung von Oberlinhaus-Pflegekraft




Potsdamer Oberlinhaus
epd-bild/Rolf Zöllner
Vier Morde und ein Mordversuch: Die Gewalttaten Ende April 2021 im Potsdamer Oberlinhaus haben das Land erschüttert. Nach der Verurteilung im Strafverfahren hat das Arbeitsgericht nun die Kündigung der Pflegekraft bestätigt, die die Morde verübt hatte.

Potsdam (epd). Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Kündigung der wegen Mordes an vier Schwerstbehinderten im Oberlinhaus verurteilten Pflegekraft bestätigt. Die Klage der 52-Jährigen gegen ihre fristlose Kündigung sowie ihre Schadenersatzforderungen gegen das evangelische Sozialunternehmen als Arbeitgeber wurden am 1. Februar vom Gericht abgewiesen. Die schwerwiegende Pflichtverletzung, Menschen, die man pflegt, zu töten, rechtfertige die Kündigung auch im Fall verminderter Schuldfähigkeit, sagte die Vorsitzende Richterin Birgit Fohrmann bei der Verkündung der Entscheidung am Dienstag in Potsdam. (Az.: 7 Ca 642/21)

Es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, die Menschen zu schützen, die sie getötet hat, betonte Fohrmann. Der Kündigung stünden auch keine formalen Gründe entgegen. Für Schadenersatzforderungen gegen das Oberlinhaus gebe es keine Anspruchsgrundlage. Die Kosten des Verfahrens müsse die Klägerin tragen, sagte Fohrmann. Die Vorsitzende Richterin hatte am Dienstag bereits in der Verhandlung vor der Urteilsverkündung deutlich gemacht, dass nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der bislang vorliegenden Anträge und Fakten „ein Kündigungsgrund wohl unzweifelhaft gegeben“ sei.

Das Oberlinhaus hatte der langjährigen Pflegekraft kurz nach den am 28. April verübten Morden unter anderem verhaltens- und personenbedingt fristlos gekündigt. Dem Gewaltverbrechen fielen zwei Frauen und zwei Männer zum Opfer, die wegen schwerster Behinderungen in einer Einrichtung des diakonischen Unternehmens lebten. Eine weitere Frau überlebte schwer verletzt. Die Täterin wurde im Strafverfahren wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung als eingeschränkt schuldfähig eingestuft und im Dezember unter anderem wegen Mordes zu 15 Jahren Haft und Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt.

Ihr Anwalt Henry Timm hatte vor dem Arbeitsgericht beantragt, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung in Höhe von mindestens gut 44.000 Euro zu bestätigen oder im Fall einer Ablehnung des Antrags gut 22.000 Euro Schadenersatz oder Schmerzensgeld an seine Mandantin zu zahlen. Die frühere Pflegekraft halte sich weiter für zur Tatzeit schuldunfähig. Der Arbeitgeber habe zudem seine Fürsorgepflicht ihr gegenüber verletzt, sagte er zur Begründung. Der Anwalt nahm zwar an der Gerichtsverhandlung teil, war aber bei der Urteilsverkündung nicht mehr vor Ort.

„Wir hatten stets vollstes Vertrauen in die Rechtsprechung der Gerichte“, erklärte das Oberlinhaus nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts am Dienstag: „Nunmehr können wir gemeinsam mit den Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohnern die Verarbeitung und Aufarbeitung fortsetzen und uns mit ganzer Kraft unseren täglichen Aufgaben widmen.“

Im März will das Arbeitsgericht über die Kündigung der Leiterin der Wohneinrichtung verhandeln. Im Mordprozess vor dem Landgericht hatte es unter anderem kritische Berichte über die Arbeitsbedingungen dort gegeben. Das Oberlinhaus hat der Heimleiterin vor der fristlosen Kündigung im Dezember nach Gerichtsangaben zunächst andere Arbeitsmöglichkeiten angeboten. Die Klägerin hat dies abgelehnt.



Oberlinhaus-Vorstand fordert Verbesserungen in Behindertenhilfe



Potsdam (epd). In der Behindertenhilfe sind nach Einschätzung des Potsdamer Oberlinhauses grundlegende Veränderungen nötig. Das Gewaltverbrechen vom vergangenen April mit vier Toten und der Gerichtsprozess dazu hätten auch Probleme in der Eingliederungshilfe für Behinderte in den Blick gerückt, die das evangelische Sozialunternehmen nicht alleine lösen könne, sagte der theologische Oberlinhaus-Vorstand Matthias Fichtmüller der Berliner Wochenzeitung „Die Kirche“ (Ausgabe vom 6. Februar): „Deshalb muss sich etwas ändern, nicht nur im Oberlinhaus, sondern im gesamten System der Eingliederungshilfe.“

Die Arbeitsbedingungen in der Assistenz von Menschen mit Behinderung müssten verbessert werden, sagte Fichtmüller. Es müssten zudem Strategien entwickelt werden, um das Berufsbild des Heilerziehungspflegers in der Behindertenhilfe aufzuwerten und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die vom Oberlinhaus geplante Expertenkommission solle dazu einen Analyseprozess anstoßen und grundsätzliche Standards in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen untersuchen.

„Beleuchtet werden soll vor allem der bundesweit bestehende Handlungsbedarf, zum Beispiel welcher Personalschlüssel tatsächlich anzusetzen wäre, um die Betreuungssituation von Menschen mit schweren Behinderungen in Wohneinrichtungen zu verbessern“, sagte Fichtmüller. Zudem müsse geprüft werden, das Schulgeld und andere Ausbildungsgebühren in der Heilerziehungspflege abzuschaffen und Auszubildenden einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung zu garantieren.



Studie: Sprachbarrieren häufig Ursache für Impfskepsis



Gesundheitswissenschaftlerinnen fordern gezielte Aufklärung in Migrantengruppen zum Thema Impfen. Die Herkunft der Menschen sei indes nicht entscheidend für ihre Impfbereitschaft.

Berlin (epd). Der Migrationshintergrund von Menschen spielt laut einer aktuellen Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) für die Impfbereitschaft nur eine untergeordnete Rolle. Das Herkunftsland sei nicht entscheidend für die Impfbereitschaft. Vielmehr treffe dies auf sozioökonomische Merkmale wie Bildung, Einkommen, das Alter und Sprachbarrieren zu, sagte die Gesundheitswissenschaftlerin Elisa Wulkotte vom Robert Koch-Institut am 3. Februar in Berlin. Hinzu kämen Diskriminierungserfahrungen im Gesundheits- und Pflegebereich, etwa wegen des Aussehens, des Akzents oder wegen Verständnisproblemen.

Für das Covid 19-Monitoring (Covimo) des Robert Koch-Instituts wird die Bevölkerung Deutschlands regelmäßig zu Themen rund um die Covid-19-Impfung befragt. Für die am Donnerstag veröffentlichte neunte Erhebung wurden 1.000 Menschen mit und 1.000 Menschen ohne Einwanderungsgeschichte interviewt.

Von den Menschen mit Migrationsgeschichte gaben demnach etwa 84 Prozent an, mindestens einmal geimpft zu sein. Die Impfquote für die Bevölkerungsgruppe ohne Migrationsgeschichte lag bei etwa 92 Prozent. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen lag in beiden Gruppen die Impfquote mit knapp 93 Prozent gleich hoch. Am wenigsten waren in beiden Gruppen die 30- bis 39-Jährigen geimpft.

Sprachbarrieren könnten dabei einen Großteil der Impfquoten-Unterschiede erklären, sagte Wulkotte: „Je besser die Deutschkenntnisse eingeschätzt werden, umso höher ist die Impfquote.“ So gaben von den Befragten mit Deutsch als Muttersprache oder sehr guten Deutschkenntnissen etwa 92 Prozent an, mindestens einmal geimpft zu sein. Bei den Befragten mit mittelmäßigen Deutschkenntnissen lag die Quote bei 83 Prozent, bei denen mit sehr schlechten Deutschkenntnissen bei 75 Prozent.

Die durchschnittliche Impfbereitschaft der Befragten mit Migrationsgeschichte war dabei signifikant höher als in der Gruppe ohne Migrationsgeschichte, sagte Wulkotte. Zugleich waren Falschinformationen beispielsweise zu den angeblichen Langzeitfolgen der Impfung mit Unfruchtbarkeit und Impotenz unter den Befragten mit Migrationshintergrund stärker verbreitet.

Die Bielefelder Gesundheitswissenschaftlerin Doris Schaeffer forderte deshalb mehr zielgruppenspezifische Aufklärung. „Wir müssen viel mehr mehrsprachige Informationen bereitstellen auf Flyern, Plakaten oder in den sozialen Medien“, sagte die Professorin für Gesundheitswissenschaften.

Da es hierzulande zu wenig seriöse Informationsangebote in anderen Sprachen gebe, landeten viele bei der Suche auf Internetseiten ihrer Herkunftsländer. Hinzu komme bei Arztbesuchen die Schwierigkeit, die Fachbegriffe zu verstehen - ein Problem, was nicht nur Nicht-Muttersprachler haben, sagte Schaeffer.

Dass es anders geht, habe Bremen vorgemacht, sagte die Professorin. Die Hansestadt hat eine Impfquote von 87 Prozent, die höchste bundesweit. Um dies zu erreichen, habe die Gesundheitsverwaltung die Leute da abgeholt, wo sie sind, sagte der Leiter der Bremer Impfzentren, Kay Bultmann. Beispielsweise mit mehrsprachigen mobilen Impfteams an Tafel-Ausgabestellen sowie in Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften.



Wirtschaftsinstitut fordert mehr Sprachkurse für Flüchtlinge



Berlin (epd). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) fordert einen Ausbau von Sprachkursen für Geflüchtete. Diese verbesserten ihre Deutschkenntnisse mehr über Sprachkurse als über Alltagskontakte. Dies sei das Ergebnis einer Studie über den Spracherwerb von Geflüchteten und anderen Neuzugewanderten, die das DIW am 2. Februar in Berlin veröffentlichte.

„Der Spracherwerb ist eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration“, betonte Studienautorin Cornelia Kristen von der Universität Bamberg. Besonders Kursangebote, die Geflüchtete in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft wahrnehmen, spielten eine wichtige Rolle bei ihrer frühen Integration. „Die mittel- und langfristigen Erträge dieser Investitionen - wie eine schnellere Kontaktaufnahme zur Mehrheitsbevölkerung oder ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt - dürften die entstandenen Kosten bei weitem aufwiegen“, so die Studienautorin.

Über Lerngelegenheiten verbesserten sich die Sprachkenntnisse deutlich, bei den Geflüchteten geschehe dies stärker über gesteuerte Lerngelegenheiten wie in Sprachkursen als über Alltagskontakte. Viele Geflüchtete lebten am Anfang in Sammelunterkünften und hätten wenig Kontakt zu Personen, die deutsch sprechen. „Das ergibt zunächst weniger Lerngelegenheiten. Umgekehrt nehmen sie aber häufiger an Sprachkursen teil als andere Zugewanderte“, betonte die Studienautorin. Rund 73 Prozent der Geflüchteten besuchten einen Sprachkurs, etwa die Hälfte aller Geflüchteten schließe diesen mit einem Zertifikat ab.



Trabert: Politikern ist Ausmaß der Armut in Deutschland nicht bewusst




Gerhard Trabert
epd-bild/Kristina Schäfer

Mainz (epd). Ein Großteil der politischen Amtsträger in Deutschland hat nach Überzeugung des Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl, Gerhard Trabert, keinen Bezug mehr zum Lebensalltag armer Menschen. „Ich habe den Eindruck, dass vielen Politikern die Dimension des Problems in unserer Gesellschaft nicht bewusst ist“, sagte der von der Linken nominierte parteilose Mainzer Sozialmediziner in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele seien überzeugt davon, dass es in Deutschland „nur relative Armut“ gebe und sich beispielsweise nicht alle Menschen Urlaubsreisen leisten könnten. Tatsächlich sei die Situation viel gravierender.

Von Armut betroffene Männer hätten in Deutschland nur die mittlere Lebenserwartung eines Nordafrikaners, sagte Trabert: „30 Prozent erreichen nicht einmal das 65. Lebensjahr.“ Langzeitarbeitslose Männer hätten zudem eine um das Zwanzigfache erhöhte Suizidquote. Der Kampf gegen Armut müsse in Deutschland daher so wie die Klimakrise zum „Querschnittsthema“ für alle Ressorts der Regierung werden. Wenn beispielsweise über einen Anstieg der Lebensmittelpreise geredet werde, um nachhaltige Formen von Landwirtschaft zu unterstützen, müssten auch diejenigen im Blick bleiben, die schon heute nicht mehr wüssten, wie sie über die Runden kommen.

„Sie wollen arbeiten“

Der 65-jährige Hochschullehrer und Arzt, der in Mainz seit über 25 Jahren mit dem Verein „Armut und Gesundheit“ Wohnungslose und Menschen ohne Krankenversicherung medizinisch versorgt, bedauerte, dass sozial Benachteiligte von der Politik nicht ernst genommen würden. Die meisten Betroffenen hätten daher längst resigniert.

Unterstellungen, die meisten Armen seien faul, machten ihn betroffen, weil er das Gegenteil erlebe. „Sie wollen arbeiten, sie wollen fair entlohnt werden, und sie wollen eine sinnvolle Tätigkeit“, sagte der Mediziner. „Wenn sie das Gefühl haben, sie stecken in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die keinen Sinn macht, sind sie vielleicht nicht so motiviert. Das wäre ich auch nicht.“

Für den aufgrund der klaren Mehrheitsverhältnisse praktisch ausgeschlossenen Fall, dass er anstelle von Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden würde, versprach Trabert, den Kontakt zu Menschen am Rand der Gesellschaft nicht abbrechen lassen. In jedem Fall würde er auch als Staatsoberhaupt wieder auf einem Flüchtlingshilfe-Schiff im Mittelmeer mitfahren.

epd-Gespräch: Karsten Packeiser


Wohlfahrtsmarken 2022 zeigen das "Rumpelstilzchen"




Finanzminister Lindner, Bundespräsident Steinmeier und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie (v.l.) bei der Übergabe der Marken
epd-bild/Rolf Zöllner
Die Briefmarken mit den zusätzlichen Centbeträgen werden seit mehr als 70 Jahren zugunsten der Freien Wohlfahrtspflege herausgegeben.

Berlin (epd). Das „Rumpelstilzchen“ aus dem berühmten Märchen der Brüder Grimm ziert in diesem Jahr die Wohlfahrtsmarken. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) übergab am 31. Januar in Berlin die Sonderpostwertzeichen an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die drei Briefmarken sind seit 3. Februar bei der Deutschen Post erhältlich. Sie zeigen das Rumpelstilzchen beim Spinnen von Stroh zu Gold, beim Singen und Frohlocken im Wald und mit erschrockenem Blick im königlichen Schloss, weil sein geheim gehaltener Name bekannt geworden ist.

Die Wohlfahrtsmarken mit den zusätzlichen Centbeträgen werden seit mehr als 70 Jahren zugunsten der Freien Wohlfahrtspflege herausgegeben. Zum Dachverband der Wohlfahrtspflege gehören unter anderem die AWO, das Deutsche Rote Kreuz und die kirchlichen Organisationen Diakonie und Caritas. Die Serie mit Grimms Märchen wurde 2014 gestartet.



Ein Stück Eigenständigkeit für Clara und Benedikt




Clara, Pfleger Adil, Benedikt und die Pädagogin Felicia (v.l.) in der Löwenherz-WG
epd-bild/Jens Schulze
Clara und Benedikt sind schwerstbehindert, ihre Lebenszeit ist durch eine Krankheit begrenzt. Ihre Eltern haben sie mehr als 20 Jahre lang umsorgt. Seit einem Jahr leben sie in einer bundesweit einmaligen WG - gemeinsam mit Nichtbehinderten.

Hannover, Syke (epd). Felicia Balzer (24) rückt ihren Stuhl nahe an Benedikts Rolli heran. Mit sanftem Druck legt die Heilpädagogin seine Hand auf ihre. Der Tisch im Wohn-Esszimmer liegt voller Papiere, Bunt- und Klebestifte. „Na Benedikt, komm, jetzt schreiben wir Denise einen Brief“, fordert sie den 23-Jährigen auf. Aufrecht angeschnallt sitzt der junge Mann in seinem Spezialgefährt. Seinen freundlich-warmen Blick richtet er starr geradeaus. Gemeinsam drücken sie den Stift auf das Papier, schreiben in langsamen Schwüngen: „Liebe Denise“. Sie ist Benedikts Freundin. Als eine Sprachnachricht von ihr ertönt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht.

Dass sie einander Stimme, Hand, Gedanken oder Ideen leihen, ist Alltag in dieser besonderen WG in Hannover-Anderten. Drei schwerstmehrfachbehinderte junge Menschen mit einer lebensbegrenzenden Erkrankung - Benedikt, Clara und Christian - und zwei nichtbehinderte junge Menschen - David und Anna - leben unter einem Dach. Die einen im Erdgeschoss, die anderen im Obergeschoss. Ein offenes Treppenhaus mit Galerie verbindet die Ebenen. Rund um die Uhr kümmern sich Pflegekräfte um die behinderten Bewohner. Tagsüber leiten die beiden Pädagoginnen Felicia Balzer und Doreen Eicke gemeinsame Aktivitäten an.

„Ein möglichst eigenständiges Leben führen“

David (23) stört der Trubel nicht, der in der WG manchmal herrscht. Am liebsten geht er mit Benedikt und Pfleger Adil spazieren. „Und ich mag es, wenn wir alle zusammen hier am großen Tisch essen oder spielen“, sagt David und lächelt schüchtern. Der junge Kubaner lebt erst seit anderthalb Jahren in Deutschland. Vor vier Monaten hat er eine Lehre zur Fachkraft für Büromanagement begonnen. Für ihn ist die WG eine Chance, neue Leute kennenzulernen. „Ich glaube aber auch, dass es mich zu einem besseren Menschen macht, zum Leben von Menschen mit Behinderung etwas beizutragen.“

Die WG ist ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt des Kinder- und Jugendhospizes „Löwenherz“ in Syke bei Bremen. „Wir fanden den Gedanken sinnvoll, dass auch schwerstbehinderte junge Erwachsene, die in der Kommunikation und in der Bewegung stark eingeschränkt sind, ein möglichst eigenständiges Leben führen“, sagt dessen Leiterin Gaby Letzing. Familien, die mit ihren kranken Kindern immer wieder in ihrem Haus zu Gast seien, hätten den Wunsch an sie herangetragen.

50.000 Kinder und Jugenliche mit lebensverkürzender Erkrankung

Etwa 50.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leben mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Viele sind schwerstbehindert, sterben im Kinder- oder Jugendalter. Weil sich die medizinische Versorgung stetig verbessert, erreichen aber immer mehr das Erwachsenenalter. Es sei normal, dass erwachsene Kinder irgendwann zu Hause ausziehen, sagt Matthias Akkermann. Seine Tochter Clara (21) lebt seit fast einem Jahr in der damals neu gegründeten WG. „Es ist toll zu sehen, dass sie in der Löwenherz-WG in ihrem Rahmen eigenständig leben kann.“

Dennoch bleiben die Eltern zumindest zu Beginn die Experten für ihre Kinder. „Clara kann nicht wirklich entscheiden und sagen, was sie will“, sagt Mutter Almut Akkermann. Die Fachkräfte müssten Mimik und Gestik deuten lernen und sich einfühlen. Die Eltern der behinderten Kinder haben das Konzept gemeinsam mit dem Kinderhospiz und dem Pflegedienst „krank und klein“ aus Sulingen entwickelt. Sie tauschen sich regelmäßig mit Pflegekräften und Pädagoginnen aus.

Die behinderten WG-Bewohner sollen in den Alltag so gut es geht einbezogen werden, findet Claras Vater. „Clara braucht Anregungen, sonst macht sie die Augen zu.“ Die Pflegekräfte gehen mit den Bewohnern einkaufen, spazieren, hören Musik. Die Pädagoginnen organisieren Aktivitäten für alle - Backen, Kinobesuch, Harry-Potter-Abend, Biergarten-Ausflug.

„Plötzlich Freiheit“

Doch nicht nur für Clara, auch für die übrigen Akkermanns hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. „Wir haben plötzlich eine unglaubliche Freiheit. Meine Frau und ich können abends mal gemeinsam ausgehen“, schwärmt Matthias Akkermann. „Allein dass wir nach 21 Jahren durchschlafen können, ist schon toll“, ergänzt seine Frau. „Und wir genießen es ganz besonders, wenn wir Clara am Wochenende besuchen oder sie mit uns in den Urlaub fährt.“

Unterdessen sitzt Clara mit den anderen am großen WG-Esstisch. David faltet einen Papierschwan und zeigt ihn ihr. Sie sitzt ihm gegenüber in ihrem Rollstuhl und dreht ganz sachte den Kopf. Ihre Hände zucken. Dass mit Clara, Benedikt und Christian irgendwann auch das Thema Abschiednehmen und Sterben die noch junge Gemeinschaft erreichen wird, stört David nicht. Das sei normal, sagt er: „Ich möchte versuchen, ihnen das Leben einfacher zu machen und sie zu begleiten.“

Von Martina Schwager (epd)


Gericht: Kein Zugang zu Betäubungsmittel für Selbsttötung



Schwerkranke Menschen haben keinen Anspruch auf ein Betäubungsmittel des Bundesarzneimittelinstituts zur Selbsttötung. Ob und wie dieses künftig ermöglicht werden kann, müsse der Gesetzgeber entscheiden, erklärte das OVG in Nordrhein-Westfalen.

Münster (epd). Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen hat die Klage von drei schwer erkrankten Menschen abgelehnt, die den Zugang zu einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels verlangt hatten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn sei nicht verpflichtet, für eine Selbsttötung den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu erlauben, urteilte das Gericht in Münster am 2. Februar nach mündlicher Verhandlung. (AZ: 9 A 146/21, 9 A 147/21, 9 A 148/21) Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte die Entscheidung.

Einem Erwerb von Natrium-Pentobarbital in einer tödlichen Dosis stehe das Betäubungsmittelgesetz entgegen, erklärte das Oberverwaltungsgericht. Zwar sei es zweifelhaft, ob dieses im Betäubungsmittelgesetz enthaltene generelle Verbot mit dem Grundgesetz vereinbar sei, führte Richterin Gudrun Dahme aus. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei ein solches Verbot jedoch kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 das Verbot von „geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung“ aufgehoben habe. Ärzte könnten zudem nach entsprechender Abänderung der Berufsordnungen ebenfalls entsprechende Medikamente verschreiben.

Revision möglich

Geklagt hatten zwei Männer aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sowie eine Frau aus Baden-Württemberg, die an schweren Krankheiten wie Multipler Sklerose, Parkinson und Krebs litten. Die gegen die Ablehnung der Arzneimittelbehörde erhobenen Klagen hatte das Verwaltungsgericht Köln im Jahr 2020 abgewiesen. Weil das Bundesinstitut seinen Sitz in Nordrhein-Westfalen hat, verhandelte das Oberverwaltungsgericht Münster über die Klage.

Einer der Kläger, ein an Parkinson erkrankter Mann aus Ramstein, ließ durch seinen Anwalt mitteilen, dass für ihn nur das Mittel Natrium-Pentobarbital infrage komme, weil es die beste Möglichkeit sei. Er habe auch nicht vor, die Hilfe der Palliativmedizin in Anspruch zu nehmen, er wolle sich im engsten Familienkreise selbstverantwortlich suizidieren. Dessen Anwalt, der Präsident der deutschen Gesellschaft für Sterbehilfe (DGHS), Robert Roßbruch, erklärte, dass es noch immer schwer sei, Ärzte zu finden, die bereit wären, Suizidwillige auf ihrem Weg zu begleiten.

Das OVG Münster räumte die Möglichkeit einer Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Ein solcher Schritt koste jedoch Zeit, erklärte Roßbruch: „Zeit, die meine Mandanten nicht haben“. Er habe das Verfahren mit sieben Klägern angefangen, davon seien jetzt noch drei übrig. Eine der Klägerinnen, die an Krebs erkrankt ist, konnte laut der Richterin nicht mehr an der Verhandlung teilnehmen, weil sie im Sterben liege.

Verfassungsgericht urteilte vor zwei Jahren

Die Stiftung Patientenschutz erklärte, es sei gut, dass der Gesetzgeber nicht gezwungen werden könne, das klare Verbot der Abgabe von Tötungsmitteln aufzuweichen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sei somit nicht verpflichtet, die Ausgabe von Suizidpräparaten zu genehmigen, sagte Vorstand Eugen Brysch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Schließlich sei mit dem Aufheben des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch das Bundesverfassungsgericht eine neue Lage entstanden. Im Lichte dieser Entwicklung sollte sich der Bundestag bei einer möglichen Änderung der Gesetzgebung nicht der Eile, sondern der Qualität verpflichten, mahnte Brysch.

Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ aufgehoben. Die Karlsruher Richter begründeten die Entscheidung mit dem Selbstbestimmungsrecht. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben schließt demnach auch eine mögliche Hilfe Dritter ein. Der Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs muss nun neu gefasst werden.



Verband: Überlastung der Lehrkräfte wird zum Risiko für Schulen



Berlin (epd). Nach zwei Jahren Corona-Pandemie schlägt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Alarm. Die anhaltende Überlastung von Lehrkräften werde zu einem Risiko, nicht nur für die Betroffenen, auch für die Zukunft funktionierender Schulen, warnte der Verband am 31. Januar in Berlin. Die Überlastung bereits vor Corona und der enorme Mehraufwand in der Pandemie machten die Lehrkräfte zunehmend krank, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann: „Leider war das zu erwarten, was wir nun Schwarz auf Weiß vorliegen haben, wenn auch nicht in diesem Ausmaß.“

Laut einer forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes unter 1.300 Schulleitungen zur Berufszufriedenheit von Lehrkräften gab demnach die Hälfte an, dass es in den vergangenen Jahren vermehrt zu langfristigen Ausfällen wegen psychischer oder physischer Erkrankungen im Kollegium gekommen sei. Bei der letzten Befragung dieser Art im Jahr 2019, waren es rund ein Drittel (36 Prozent).

60 Prozent der Schulleitungen gaben zudem an, dass das jeweilige Kultusministerium die Schulen bei der Gesunderhaltung der Lehrkräfte nicht ausreichend unterstützt. Nur etwa ein Viertel der Befragten (23 Prozent) sprach von ausreichenden Möglichkeiten.

Auch die eigenen Mittel zur Gesunderhaltung des Kollegiums schätzen 68 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter als nicht gut ein (2019: 58 Prozent). Auch hier hält nur ein Viertel (24 Prozent) die Möglichkeiten für ausreichend. Noch schlechter schneiden die Grundschulen sowie Haupt-, Gesamt- und Realschulen mit 71 und 72 Prozent ab. Die repräsentative Berufszufriedenheitsumfrage unter Schulleitungen wird seit 2018 vom VBE erhoben.



Telefonberatung für SED- und Stasi-Opfer in Brandenburg



Potsdam (epd). Das Beratungsteam der Brandenburgischen Aufarbeitungsbeauftragten lädt interessierte Bürgerinnen und Bürger am kommenden Dienstag zu einer telefonischen Beratung zu den Themen Einsicht in die Stasi-Unterlagen und SED-Unrecht ein. Das Angebot richte sich an Menschen, die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR politisch verfolgt wurden, die in Spezialkinderheimen und Jugendwerkhöfen untergebracht waren oder die Einsicht in ihre Stasi-Akten beantragen möchten, teilte das Büro der Aufarbeitungsbeauftragten am 2. Februar in Potsdam mit. Die kostenfreie Beratung von 10 bis 18 Uhr gelte auch für Angehörige.

Vermittelt würden unter anderem psychosoziale Beratungs- und Hilfsangebote. Darüber hinaus werde über Möglichkeiten der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden und die Antragstellung als nahe Angehörige von Verstorbenen informiert. Für Betroffene, die in der DDR in Spezialkinderheimen, Jugendwerkhöfen, Durchgangs- und Sonderheimen untergebracht waren sowie für Opfer von Zersetzungsmaßnahmen des Staatssicherheitsdienstes der DDR seien seit November 2019 die Rehabilitierungsmöglichkeiten deutlich verbessert, hieß es.




Gesellschaft

Dresden plant geteilte Menschenkette auf zentralen Plätzen




Dresdner Menschenkette 2020
epd-bild/Matthias Schumann
Dresden erinnert jährlich mit einem Gedenktag an Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg und an die Zerstörung der Stadt im Februar 1945. Trotz Corona-Pandemie sind zahlreiche Angebote geplant. Doch es gilt, Abstand zu halten.

Dresden (epd). Die Menschenkette zum Dresdner Kriegsgedenktag wird sich coronabedingt erstmals auf zwei Plätzen formieren. Sie sei am 13. Februar in der Innenstadt auf dem Altmarkt und dem Neumarkt geplant, sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am 2. Februar in Dresden. Die Teilnehmenden sollen sich im Abstand von eineinhalb Metern aufstellen und dabei die Kreuzkirche und die Frauenkirche umschließen.

Wegen der Corona-Pandemie sollen sie sich nicht wie sonst an den Händen halten, sondern sie würden durch gelbe Abstandsbänder getrennt. Das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes ist erforderlich. Ob die geteilte Menschenkette für kurze Zeit zusammengeführt werden kann, wird laut Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) noch geprüft. Vor dem Aufstellen auf den beiden zentralen Plätzen wird in die Dresdner Kreuzkirche zu einer Auftaktveranstaltung eingeladen.

Der Gedenktag am 13. Februar steht in diesem Jahr unter dem Motto „Erinnern für eine Zukunft des friedlichen Miteinanders in Vielfalt“. Dazu sind unter anderem Konzerte, Gedenkwege und Vorträge geplant sowie Kunstprojekte im öffentlichen Raum. Hilbert versprach ein breites Gedenken der Zivilgesellschaft. Am Abend ist ein ökumenischer Gottesdienst in der Kreuzkirche geplant.

Die Stiftung Frauenkirche Dresden will unter anderem an den stillen Kerzenzug erinnern, der vor 40 Jahren am 13. Februar erstmals von der Kreuzkirche zur damaligen Ruine der Frauenkirche führte. Inmitten der DDR-Diktatur hatten damals Tausende, vor allem junge Menschen, ihre Opposition zu Aufrüstung und ihren Willen zum Frieden zum Ausdruck gebracht. In einem Gottesdienst in der wiederaufgebauten Frauenkirche soll daran erinnert werden.

„Erinnern, um für die Zukunft zu lernen“, das sei die Botschaft der Frauenkirche in den Tagen rund um den 13. Februar, erklärte die Stiftung. „Die Zerstörung Dresdens ist der Ausgangspunkt, aber nicht der alleinige Inhalt dieses Gedenktages“, sagte Frauenkirchenpfarrer Markus Engelhardt. Das Schicksal der Elbestadt stehe beispielhaft für viele Orte, „an denen Menschen einander Schreckliches antun, aber auch über tiefe Gräben hinweg neu zueinander finden“.

Um und in der Frauenkirche wird für den 13. Februar zum Gedenken eingeladen. Vor der Kirche können Kerzen abgestellt werden. Es werde Raum sein für Gespräche und Begegnungen, aber auch für schweigendes Erinnern, hieß es. Die Fördergesellschaft der Frauenkirche lädt zu einem Gedenkweg ein. Er führt von der Neuen Synagoge an ausgewählte Orte wie die Gedenkstätte auf dem Altmarkt, die Trümmerfrau vor dem Rathaus und die Frauenkirche.

Eingeladen wird außerdem von der Initiative „Herz statt Hetze“ zum zwölften Mahngang „Täterspuren“. Er steht unter dem Thema „Rollenbilder im Nationalsozialismus“ und führt an sechs Orte, die exemplarisch für Täterinnen und Täter in der NS-Zeit stehen. Wie stets in den Vorjahren läuten auch 2022 in der gesamten Stadt 21.45 Uhr die Kirchenglocken - zum Zeitpunkt des ersten Luftangriffs auf Dresden 1945. Dresdnerinnen und Dresdner umschließen seit 2010 jeweils am 13. Februar symbolisch die historische Altstadt mit einer Menschenkette.



Mehrere Tausend bei Corona-Aufzügen in Ostdeutschland



In zahlreichen ostdeutschen Städten sind am 31. Januar erneut Gegner und Befürworter der Corona-Maßnahmen auf die Straße gegangen. In Berlin sank die Zahl der Teilnehmer im Vergleich zum 24. Januar.

Berlin (epd). Mehrere Tausend Menschen sind am 31. Januar in zahlreichen ostdeutschen Städten wieder gegen die Corona-Schutzmaßnahmen und gegen eine Impfpflicht auf die Straße gegangen. In einzelnen Städten formierten sich auch Gegenproteste. Allein in Thüringen zählte die Polizei mehr als mehr als 24.000 „Maßnahmenkritiker“, aber auch Gegendemonstranten, bei insgesamt 86 Versammlungen. Auch in Sachsen und in Sachsen-Anhalt kamen in zahlreichen Städten insgesamt mehrere Tausend Menschen zusammen. Viele Demonstranten hielten sich laut Polizei nicht an das Abstandsgebot und trugen keine Mund-Nasen-Bedeckung. Polizeiliche Anweisungen seien nicht beachtet worden, hieß es etwa aus Thüringen. Bei Durchbruchversuchen an Polizeisperren setzten Polizisten vereinzelt Pfefferspray ein. Es kam zu zahlreichen Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

In Thüringen wurden die meisten Teilnehmer in Gera mit rund 3.500 Personen und in Saalfeld mit etwa 2.000 Teilnehmern bei illegalen Aufzügen gezählt, wie die Landespolizeidirektion Thüringen mitteilte. In Jena gab es mit etwa 200 Menschen die teilnehmerstärkste Gegenveranstaltung. Thüringenweit gab es neben 22 Platzverweisen gegen 25 Personen Strafanzeigen. Zudem wurden 213 Ordnungswidrigkeitenanzeigen aufgenommen. Einsatzkräfte wurden nicht verletzt.

In Sachsen-Anhalt versammelten sich in Halle an der Saale an einem Aufzug von Corona-Kritikern bis zu 3.500 Menschen. Zugleich fand auf dem Marktplatz der Stadt ein Gedenken an die Verstorbenen der Pandemie statt, an dem sich etwa 370 Personen beteiligten, so die Polizeiinspektion Halle. Corona-Proteste fanden auch in Naumburg mit etwa 1.000 Personen sowie in Magdeburg, Weißenfels, Zeitz, Teuchern und Lützen statt. In Zeitz erlitt laut Polizei ein Versammlungsteilnehmer offenbar einen medizinischen Notfall. Er wurde reanimiert und kam in ein Krankenhaus.

In Sachsen setzten in mehreren Städten Hunderte Menschen ein Zeichen gegen Corona-Leugner und gewalttätige Proteste. Auf Bannern warben sie für Solidarität und ein friedliches Miteinander. Auf dem Leipziger Augustusplatz versammelten sie sich unter dem Motto „Haltung zeigen“. Auch in Leipzig-Gohlis gingen Demonstranten gegen die Vereinnahmung der Straßen und Plätze durch Verschwörungstheoretiker und Impfgegner auf die Straße.

In Dresden zogen mehrere hundert Anhänger der „Querdenken“-Bewegung durch die Innenstadt. An mehreren Stellen im Stadtgebiet versammelten sich Gegendemonstranten. Gegner der Corona-Maßnahmen demonstrierten auch etwa in Markkleeberg, Freiberg, Plauen, Meerane und Zwickau. Laut Angaben der Polizei Sachsen auf Twitter setzte sich ein Autokorso von Dresden nach Freital in Bewegung. In Bautzen beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 3.000 Menschen an Corona-Protesten. Zudem gab es in weiteren ostsächsischen Städten Kundgebungen gegen die Corona-Politik. In Chemnitz kamen laut Beobachtern rund 1.500 Gegner staatlicher Maßnahmen zu Protesten zusammen. In Meißen bei Dresden zogen etwa 1.000 Demonstranten vor das Landratsamt.

In Cottbus gab es nach Angaben der Polizeidirektion Süd eine angemeldete Versammlung unter dem Motto: „Einigkeit und Recht und Freiheit“ mit 800 Teilnehmern. Der Aufforderung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, sei die Mehrheit der Demonstranten nicht gefolgt, hieß es.

In Berlin gabe es laut Polizei insgesamt fünf Versammlungen gegen die Maßnahmen. An den beiden größten Versammlungen am Alexanderplatz und in Alt-Tegel habe die Teilnehmerzahl zeitweise im unteren vierstelligen Bereich gelegen. Die Versammlungen verliefen laut Polizei weitgehend störungsfrei. Im Vergleich zu den Demonstrationen der vorangegangenen Woche habe die Teilnehmerzahl abgenommen.



Innenminister verteidigt Polizeivorgehen bei Corona-Demonstrationen



Erfurt (epd). Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hat das Vorgehen der Polizei bei Corona-Demonstrationen verteidigt und auf die Belastungssituation der Beamten hingewiesen. MDR Thüringen sagte der Minister am 4. Februar, die Polizei seit sei Wochen im Dauereinsatz. Dies führe zu zunehmendem Stress für Polizistinnen und Polizisten. Dennoch müsse das Gebot der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen geachtet werden, fügte der SPD-Politiker hinzu.

Bei den Einsätzen werde versucht, besonders gewaltbereite Demonstrantinnen und Demonstranten zu isolieren. Dabei werde die Polizei nicht von sich aus aggressiv, sagte der thüringische Innenminister. Wenn eine Versammlung aufgelöst werde, sei es nicht möglich, trotzdem eine Versammlung abzuhalten. Dann müsse die Polizei gegebenenfalls einen Aufzug aufhalten. Maier zeigte sich in dem MDR-Interview überzeugt, dass die Polizei trotz gestiegener Aggressivität nicht härter gegen Demonstranten vorgeht.

Dimension und Häufigkeit der Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen seien am Anfang neu gewesen, räumte Maier ein. Deshalb habe es Unsicherheit im Umgang mit diesen Protesten gegeben. Im Laufe der Zeit sei dann erkennbar geworden, dass sich Demonstranten nicht an die Regeln hielten. Daraufhin hätten die Versammlungsbehörden einen strikteren Kurs gefahren und auch Versammlungen aufgelöst.

Nach Maiers Angaben wurden in den vergangenen Wochen und Monaten viele Polizistinnen und Polizisten verletzt, zum Teil gravierend mit Frakturen, Bisswunden oder Hämatomen. Auch Knalltraumata seien aufgetreten, weil die Polizei mit Pyrotechnik beworfen wurde.



Corona-Proteste: Gefahr der Radikalisierung sehr groß



Berlin (epd). Der Berliner Politikwissenschaftler Swen Hutter hält eine anhaltende Entfremdung vom Staat durch Teile der Corona-Kritiker für denkbar. Es müsse mit einer gewalttätigen Radikalisierung gerechnet werden, sagte Hutter, der am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) stellvertretender Direktor des Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung ist. Bereits im März 2021 hatte Hutter mit Kollegen und Kolleginnen die Studie „Alles Covidioten? Politische Potenziale des Corona-Protests in Deutschland“ vorgelegt. Im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht er über die Entwicklung der vergangenen Monate.

epd: Sie beobachten mit Ihrem Team bereits seit mehr als einem Jahr die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Dazu machten Sie unter anderem Online-Befragungen mit mehr als 5.000 Teilnehmern und sogenannte Protestereignisanalysen. Was hat sich im vergangenen Jahr verändert?

Hutter: Wichtig ist zunächst festzustellen, dass schon Ende 2020 rund ein Drittel der Befragten, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen würden, dem radikalen rechten Rand angehörten. Das heißt, diese Menschen verorten sich selbst rechts im politischen Spektrum und würden auch AfD wählen. Auf der anderen Seite fühlt sich ein noch größerer Teil der Menschen, die die Corona-Proteste unterstützen, keiner Partei zugehörig, und würde auch nicht die AfD wählen. Es gibt also eine Spaltung in der Bewegung: Zum einen dieser rechtsextreme Rand und zum anderen die Menschen, die sich zwar selbst in der politischen Mitte sehen, aber sich nicht im politischen System repräsentiert fühlen. Was die beiden Teile eint, ist ein extrem großes Misstrauen gegenüber der Politik, aber auch gegenüber anderen Autoritäten, seien es die Medien oder die Wissenschaft. Und der Hang zu Verschwörungstheorien ist ihnen gemeinsam. Diese beiden Faktoren haben sich in den vergangenen beiden Jahren verstärkt. Die Folge ist auch eine Stärkung des rechten Randes im Mobilisierungspotenzial der Bewegung.

epd: Warum gehen denn die Menschen auf die Straße? Corona ist doch offenbar nur ein Auslöser, wenn wir etwa an die fremdenfeindliche „Pegida“-Bewegung denken, die bereits seit Ende 2014 mobilisierte.

Hutter: Innerhalb des aktuellen Corona-Protestes gibt es eben diese verschiedenen Gruppierungen. Das sind zum einen die Menschen, die schon länger an staatlichen Institutionen zweifeln, ihnen distanziert gegenüber stehen, Vollzugdefizite sehen. Und dann gibt es Protestpotenziale, die sich erst innerhalb dieser Krise aufgebaut haben. Das sind Menschen, die mit den gesundheitspolitischen Maßnahmen nicht einverstanden sind, sich aber über die Zeit wegbewegt haben von der einfachen Kritik an den Maßnahmen hin zu einer wirklich großen Distanz zum politischen Betrieb und den Institutionen.

epd: Sie sagen, diese Menschen fühlen sich im politischen System nicht repräsentiert. Ist die AfD nicht Sprachrohr dieser Menschen in den Parlamenten?

Hutter: Das stimmt. Die AfD hat ja auch von der Geflüchteten-Krise 2015 profitiert. Aber nochmal: Von den Menschen, die tatsächlich zu den Demonstrationen und sogenannten Spaziergängen gehen, sehen sich nicht alle durch die AfD repräsentiert. Denen ist die Partei zu rechtslastig.

epd: Welches Weltbild haben denn diese Menschen, wenn sie offenbar eine „rechtslastige“ Politik ablehnen?

Hutter: Es gibt eben auch Menschen, die antidemokratische Einstellungen haben, die sich nicht so leicht links oder rechts verorten lassen. Der Verfassungsschutz spricht im Zusammenhang mit den Corona-Protesten von Angriffen gegen die Verfassung, die nicht unbedingt den klassischen Extremismen zuzuordnen sind. Dennoch ist klar, dass diese Proteste ein starkes rechtsextremes Gedankengut transportieren. Und gerade in Ostdeutschland treten Rechtsextremisten bei den Protesten immer wieder dominant auf.

epd: Haben Sie ein Beispiel für einen dieser neuen Extremismen?

Hutter: Es gibt etwa im künstlerischen Milieu und anderen Bereichen Personen, die sich über die Zeit deutlich von der herrschenden Meinung abgegrenzt haben und sich wirklich im Widerstand gegen diese Maßnahmen fühlen. Sie sprechen dann von „Corona-Diktatur“. Möglicherweise sind sie bei der Ausübung ihres Berufes behindert worden oder sie haben andere, teils sehr unterschiedliche Gründe. Die von diesen Personen unterstützen Verschwörungserzählungen sind dabei oft sehr widersprüchlich, manche führen ins Rechtsextreme hinein. Auf jeden Fall lassen sie sich nicht mehr so einfach einordnen und im Links-Rechts-Schema auf den Punkt bringen.

epd: Wird diese gesellschaftliche Spaltung nach Corona wieder überwunden, das Protestpotenzial sich auflösen?

Hutter: Teile davon werden verschwinden. Aber viele, die wirklich in diesem Widerstand sehr weit gegangen sind, die persönliche Anfeindungen und Verluste an sozialen Beziehungen in Kauf genommen haben, sind nicht so leicht zurückzuholen. Was aber eher verschwinden wird, wenn wir aus dieser Pandemie herauskommen und die staatlichen Maßnahmen aufgehoben sind, scheint mir die Allianz mit der extremen Rechten. Denn dann ist das verbindende Element an diesem Protest - die Kritik an den Maßnahmen - verschwunden. Ich bin also skeptisch, dass das rechtsextreme Potenzial langfristig durch die Corona-Proteste gestärkt wird.

epd: Wird die AfD davon profitieren?

Hutter: Für eine Partei wird es sehr schwer sein, dieses doch sehr heterogene Protestpotenzial insgesamt zu mobilisieren. Das sieht man etwa in Italien, wo sich aktuell fünf Parteien um die Impfgegner bemühen. Das ist anders als noch vor ein paar Jahren mit der Flüchtlingskrise.

epd: Sie sagen, dass das rechtsextreme Potenzial langfristig durch die Corona-Proteste vermutlich nicht gestärkt werde, andererseits aber Menschen, die sich heute selbst „im Widerstand“ sehen, nicht so leicht „zurückzuholen“ sind. Für wie groß halten Sie denn die Gefahr der Radikalisierung von Gegnern der Corona-Maßnahmen?

Hutter: Die Gefahr ist sehr groß und über die Zeit noch größer geworden. Das gilt insbesondere für das Gewaltpotenzial - auf Demonstrationen, gegenüber Amtsträgern oder durch Anschläge. Denn dazu braucht es nicht Viele, da reichen Einzelne aus. Nach der Radikalisierung im Diskurs, der fehlenden Gesprächsfähigkeit, sind wir jetzt in der kritischen Phase, wo sich zeigen wird, ob sich die Gewalt Bahn brechen wird.

epd-Gespräch: Lukas Philippi


Auswärtiges Amt kritisiert Israel-Bericht von Amnesty



Das Auswärtige Amt hat sich ablehnend zum Apartheid-Vorwurf gegen Israel in einem neuen Bericht von Amnesty International geäußert. Der Vorwurf, Verbrechen der Apartheid begangen zu haben, sei eine sehr gravierende und weitreichende Anschuldigung.

Berlin (epd). Das Auswärtige Amt hat sich ablehnend zu dem Apartheid-Vorwurf gegen Israel in einem neuen Bericht von Amnesty International geäußert. Bei dem derzeitigen besorgniserregenden Anstieg von Antisemitismus in Europa trage auch jeder, der sich für Menschenrechte einsetze, die Verantwortung, „diesem nicht unfreiwillig Vorschub zu leisten“, sagte ein Ministeriumssprecher am 2. Februar in Berlin. Und weiter: „Begriffe wie Apartheid ebenso wie eine einseitige Fokussierung der Kritik auf Israel lehnen wir ab. Für eine Lösung des Nahostkonflikts ist das nicht hilfreich.“

Der Vorwurf, Verbrechen der Apartheid begangen zu haben, sei eine sehr gravierende und weitreichende Anschuldigung. „Wir machen uns diesen Vorwurf ausdrücklich nicht zu eigen und wir halten auch die Verwendung des Begriffs für kontraproduktiv“, sagte der Sprecher. Er fügte zugleich hinzu, dass Deutschland die Lage der Menschenrechte beobachte und kritische Vorfälle auch öffentlich thematisiere.

Amnesty International wirft in dem Bericht den israelischen Behörden vor, die Palästinenser systematisch zu diskriminieren und geht der Frage nach, inwieweit das einem System der Apartheid entspricht. Amnesty Deutschland veröffentlichte auf der eigenen Webseite einen Kommentar „in eigener Sache“ und hob hervor, dass aus der deutschen Geschichte für die deutsche Amnesty-Sektion eine besondere Verantwortung erwachse. Um der Gefahr der Instrumentalisierung oder Missinterpretationen des Berichts entgegenzuwirken, werde die deutsche Sektion zu diesem Bericht keine Aktivitäten planen.



Jüdische Organisationen kritisieren Amnesty-Bericht als antisemitisch



Berlin (epd). Jüdische Organisationen kritisieren einen Bericht von Amnesty International über Israel als antisemitisch. Dabei kam es am 1. Februar auch zu Protesten vor einer Amnesty-Vertretung in Berlin. Der von der Amnesty-Zentrale in London veröffentlichte Bericht markiere einen Tiefpunkt in der Delegitimierung Israels, erklärte der Zentralrat der Juden. Israel werde pauschal seit seiner Gründung als Apartheid-System eingestuft, der palästinensische Terror werde völlig außer Acht gelassen.

Das American Jewish Committee erklärte, der Bericht habe sich „unerklärlicherweise auf ein Ziel konzentriert: Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren“. Die jüdisch-deutsche Werteinitiative kritisierte, der Bericht bediene sich einer antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr. Israel werde ein „Verbrechen gegen die Menschheit“ vorgeworfen, eine Terminologie, die stark durch die Nürnberger Prozesse geprägt wurde.

Von der deutschen Amnesty-Sektion forderten die Organisationen, sich deutlich zu distanzieren: „Wer am Holocaust-Gedenktag in den Sozialen Netzwerken 'Nie wieder' fordert, darf nicht eine Woche später einen antisemitischen Bericht in seinem Namen mittragen.“

Amnesty Deutschland erklärte auf Anfrage, Berichte und menschenrechtliche Positionen lägen in der Hoheit des Internationalen Sekretariats. Aus der deutschen Geschichte erwachse für die deutsche Amnesty-Sektion eine besondere Verantwortung. Um der Gefahr der Instrumentalisierung oder Missinterpretationen des Berichts entgegen zu wirken, werde die deutsche Sektion zu diesem Bericht keine Aktivitäten planen und durchführen.



Synagogen-Gemeinde: Zurückbekommen, was wir verloren haben



Magdeburg (epd). In Magdeburg soll spätestens im Mai mit dem Bau einer Synagoge begonnen werden, die den in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 zerstörten Vorgängerbau ersetzen soll. Damit wird aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Magdeburger Synagogen-Gemeinde, Wadim Laiter, eine Lücke geschlossen. Vorbehalten gegen den Synagogenbau stehe eine Mehrheit von Befürwortern gegenüber, sagte Laiter dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Herr Laiter, für wie gefährlich halten Sie Proteste gegen die Pläne für den Synagogen-Bau?

Laiter: Es gibt immer Kräfte, die Synagogen nicht wünschen. Dass der Antisemitismus nicht ausgelöscht ist, ist unbestritten. Das wird auch so bleiben. Wir sehen als viel wichtiger an, dass es viele Stimmen gegen diese Stimmen gibt. Die Mehrheit ist dafür, dass die Synagoge gebaut wird, auf der politischen, religiösen und auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Das ist das, was zählt.

epd: Kann die Synagoge zur Eindämmung des Antisemitismus beitragen?

Laiter: Ich hoffe, dass wir einen entsprechenden Schutz der Stadt bekommen. Falls es zu massiven Angriffen auf Juden kommt, dann haben Juden in Deutschland nichts mehr zu suchen. Die Landesregierung setzt sich für das Zusammenleben ein. Wir müssen zurückbekommen, was wir verloren haben. Solange die Synagoge nicht steht, können wir lange darüber reden, dass die Beziehung zwischen Juden und Nicht-Juden besser geworden ist. Der Bau ist eher ein Akt der Bestätigung der Etablierung jüdischen Lebens in Magdeburg, in Sachsen-Anhalt und in Deutschland überhaupt.

epd: Wie erleben Sie Antisemitismus in Ihrem Umfeld?

Laiter: Unverändert. Ab und zu kommt es zu Angriffen, es gibt Drohbriefe. Damit beschäftigt sich unsere Kriminalpolizei mit Erfolg oder ohne. Es ist eher ein latenter Antisemitismus, Meinungsäußerungen die ab und zu zu hören sind, abgesehen vom Attentat in Halle. Wir stehen unter permanentem Schutz der Polizei.

epd-Gespräch: Bettina Gabbe


Berlins Kultursenator gegen Umbenennung von Luther-Straßen



Berlin (epd). In der Debatte um Straßenumbenennungen wegen antisemitischer Bezüge hat sich Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gegen eine Tilgung von Martin-Luther-Straße oder Richard-Wagner-Platz ausgesprochen. Der „Berliner Morgenpost“ (6. Februar) sagte der Linken-Politiker, in der Diskussion müsse die Frage beantwortet werden, „welche dieser Menschen für uns in der Gegenwart noch eine Relevanz“ habe. Lederer fügte hinzu: „Das ist bei Wagner mit Sicherheit sein kompositorisches Schaffen und bei Martin Luther seine Wirkung als einer der Väter der Reformation. Das kann man nicht einfach tilgen.“

Hintergrund der Debatte ist eine Studie im Auftrag des Berliner Antisemitismusbeauftragten Samuel Salzborn. Demnach haben 290 Straßen- und Platznamen in Berlin problematische, antisemitische Bezüge und sollten deshalb teilweise umbenannt werden. Dazu gehören auch die Martin-Luther-Straße und der Pastor-Niemöller-Platz.

Der Berliner Kultursenator bezeichnete die Debatte als wichtig. Sie ermögliche historisches Lernen. Er fügte hinzu: „Es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten, Persönlichkeiten in ihrer Widersprüchlichkeit ernst zu nehmen.“ Das müsse nicht unbedingt mit einer Umbenennung einhergehen, sondern könne auch mit einer Kontextualisierung geschehen. „Ich bin kein Freund davon, die Geschichte aus der Stadt zu tilgen“, sagte Lederer: „Aber es gibt Namen, wo die Umbenennung die richtige Konsequenz ist.“ Als Beispiel nannte er etwa Heinrich von Treitschke (1834-1896), der „ein antisemitischer Einpeitscher“ gewesen sei.



Justizsenatorin: Generelles Verbot religiöser Symbole schwierig



Berlin (epd). Berlins neue Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hat sich skeptisch zu einem generellen Verbot religiöser Symbole im öffentlichen Dienst geäußert. Dem „Tagesspiegel“ (5. Februar) sagte die frühere Professorin für Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin, das entsprechende Neutralitätsgesetz werde in der Öffentlichkeit „als Kopftuchverbot rezipiert“. Daran zeige sich, dass in der Umsetzung „spezifische religiöse Symbole aus dem öffentlichen Bild zurückgedrängt werden“.

Die Linken-Politikerin fügte hinzu: „Die Diskriminierung bestimmter Religionen ist aber nicht unter dem Label der Neutralität zu rechtfertigen.“ Sie wolle sich dafür einsetzen, „dass die Neutralität auch dadurch sichergestellt ist, dass es seinen diskriminierungsfreien Zugang zur Beamtenlaufbahn auch in Justiz und Schule gibt“.

Berlin wartet in der Frage des Neutralitätsgesetzes auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Die frühere Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte dem Gericht das bestehende Kopftuchverbot für Berliner Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen vorgelegt.

In seinem Koalitionsvertrag hatte sich der neue rot-grün-rote Berliner Senat darauf verständigt, das umstrittene Berliner Neutralitätsgesetz von 2005 gegebenenfalls an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Das Berliner Landesgesetz sieht unter anderem ein generelles Kopftuchverbot für Angestellte bei Gericht, im Justizvollzug, bei der Polizei sowie für Lehrerinnen in allgemeinbildenden Schulen vor.



Debatte um Richteramt für AfD-Politiker nimmt Fahrt auf



In der Causa Jens Maier wächst der Druck auf die sächsischen Behörden. Das Internationale Auschwitz Komitee findet die Vorstellung, dass der rechtsextreme AfD-Politiker ins Richteramt zurückkehrt, "schlichtweg unvorstellbar und unerträglich".

Berlin/Dresden (epd). Im Falle der bevorstehenden Rückkehr des früheren Dresdner AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier auf einen Richterposten wächst der Druck auf die sächsischen Behörden. Das Internationale Auschwitz Komitee forderte am Wochenende, dass für den vom Verfassungsschutz als Rechtsextremisten eingeordneten Maier ein angemessener Platz gefunden wird, der „ihn von der rechtsprechenden Justiz fernhält“. Die Grüne Jugend Sachsen sprach sich für eine Richteranklage gegen Maier aus, für die es im Landtag allerdings eine Zweidrittelmehrheit braucht.

Maiers Amt als Richter am Dresdner Landgericht ruht seit 2017, weil er für die AfD im Bundestag saß. Nachdem er dieses Mandat bei der Wahl 2021 verlor, stellte Maier einen Antrag auf Rückkehr in den sächsischen Justizdienst. Laut Dresdner Justizministerium hat er das Recht auf Rückkehr auf einen vergleichbaren Posten. Der 59-Jährige hatte in der Vergangenheit mehrfach mit rechtsextremen Aussagen auf sich aufmerksam gemacht.

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, betonte am Samstag, für Holocaust-Überlebende und Verfolgte des Naziregimes sei die Vorstellung, „dass ein solcher Mensch als Richter im Namen des deutschen Volkes Urteile fällen sollte, schlichtweg unvorstellbar und unerträglich.“ Das Komitee verwies auf Maiers Denunzierung der deutschen Erinnerungskultur als „Schuldkult“.

Maier habe sich „als bekennender rechtsextremer Hetzer ins Gedächtnis der Überlebenden des Holocaust eingeschrieben“, sagte Heubner. Er fügte hinzu: „Dass sich Maier nach seiner Abwahl aus dem Deutschen Bundestag erneut als Richter von dem Staat bezahlen lassen möchte, den er und seinesgleichen verachten und zerstören wollen, ist ein deutliches Zeichen seines politischen und menschlichen Charakters.“

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte in der zurückliegenden Woche in einem Podcast der „Sächsischen Zeitung“ betont, keine Handhabe gegen eine Rückkehr Maiers in den Justizdienst zu haben. Möglich sei aber ein Disziplinarverfahren durch den künftigen direkten Dienstvorgesetzten. Die Linke hatte eine Richteranklage vor dem Bundesverfassungsgericht ins Spiel gebracht und Zustimmung für die nötige Zweidrittelmehrheit im Landtag signalisiert.

Für eine solche Lösung sprach sich am Wochenende auch die Grüne Jugend Sachsen aus. Landessprecherin Ella Hanewald nannte diese Möglichkeit „deutlich effizienter“ als ein Disziplinarverfahren. Denn dafür müsste Maier erst einmal den Richterdienst antreten.

Im Falle einer Richteranklage nach Zweidrittelmehrheit im Landtag „würde direkt das Bundesverfassungsgericht entscheiden, was die erste und einzige Instanz im Rechtsstreit ist“, sagte Hanewald. Sie unterstrich: „Mit Jens Maier will ein Nazi in den Richterdienst zurückkehren, ein Mensch, der den Holocaust relativiert und dem rechtsextremen Flügel der AfD angehört. Das gilt es mit allen möglichen Mitteln zu verhindern!“



Fall Maier: Justizministerin sieht keinen Ermessensspielraum



Dresden (epd). Im Fall der bevorstehenden Rückkehr des früheren Dresdner AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier auf einen Richterposten hat das Justizministerium nach eigenen Angaben keine Handhabe. Es gebe laut Abgeordnetengesetz ein Recht auf Rückkehr, da habe die oberste Dienstbehörde keinen Ermessenspielraum, sagte Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) im Podcast „Politik in Sachsen“, ohne namentlich auf Maier Bezug zu nehmen.

„Ich kann nicht eingreifen. Wenn wir das tun könnten, dann würden wir es tun“, sagte die Ministerin. „Aber die Gefahr, dass wir damit ein Disziplinarverfahren gefährden und es dann nicht mehr möglich ist, ist einfach an der Stelle zu hoch“, betonte sie im Politik-Podcast mit Saechsische.de. Maiers Rückkehr wird Mitte März erwartet. Er wird vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingeordnet. Sein Amt als Richter am Dresdner Landgericht hatte seit 2017 geruht, weil er für die AfD im Bundestag saß.

Sachsen steht in der Kritik, rechtliche Möglichkeiten im konkreten Fall nicht auszuschöpfen. Die sächsische Linke hatte dem Freistaat fehlende Konsequenz vorgeworfen.

Grundsätzlich gebe es zwei Möglichkeiten, gegen Richter vorzugehen, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, sagte Justizministerin Meier. Das Disziplinarverfahren, wofür der direkte Dienstvorgesetzte zuständig ist, und eine sogenannte Richteranklage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dafür brauche es eine Zweidrittelmehrheit des Landtags. Es wäre laut Meier bundesweit die erste Anklage dieser Art. Im Falle des Dienstvorgesetzten vertraue sie auf das Vorgehen des Gerichtspräsidenten, sagte Meier.



Linksfraktion: Jens Maier darf nie wieder Recht sprechen



Dresden (epd). Im Fall des früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier, der ins Richteramt zurückkehren will, warnt die sächsische Linke vor fehlender Konsequenz. Maier sei ein Rechtsextremist und dürfe nie wieder Recht sprechen, erklärte der Vorsitzende der sächsischen Linksfraktion, Rico Gebhardt, am 2. Februar in Dresden. Er gehöre dem völkisch-nationalistischen Flügel der AfD an, der trotz formaler Auflösung im April 2020 fortbestehe und aktiv sei.

Gebhardt appellierte an die Koalitionspartner CDU, Grüne und SPD, im Landtag einen Antrag zu stellen, damit das Bundesverfassungsgericht über den Fall entscheiden kann. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Plenum werde nicht an der Linksfraktion scheitern. Die Unabhängigkeit der sächsischen Justiz müsse gesichert werden. Maiers Amt als Richter am Dresdner Landgericht hatte seit 2017 geruht, weil er für die AfD im Bundestag saß.

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in einem Gastbeitrag zu dem Fall geäußert - ohne Maier namentlich zu nennen. Der Rechtsstaat sei gehalten, „beim Umgang mit Gegnern der Verfassung, vor allem auch möglichen Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen“, bestehende Handlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Die Ministerin benannte das Mittel der Richteranklage.

Verstoße ein Richter gegen die Verfassung, bekämpfe er gar die freiheitliche demokratische Grundordnung, könne er durchs Bundesverfassungsgericht auf Antrag von Bundes- oder Landtag in den Ruhestand versetzt werden, schrieb Meier. Dieses Instrument sei aber noch nie angewendet worden.



Gutachten fordert Disziplinarverfahren gegen AfD-Beamte



Über die Verfassungstreue von AfD-Mitgliedern wird gestritten. Prominentes Beispiel ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jens Maier, der in Sachsen wieder ins Richteramt zurück will.

Berlin (epd). Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat für verbeamtete AfD-Mitglieder disziplinarrechtliche Maßnahmen gefordert. In einem am 3. Februar in Berlin vorgestellten Rechtsgutachten heißt es, „ein Eintreten für die AfD ist mit der verfassungsrechtlichen Treuepflicht von Beamtinnen und Beamten unvereinbar“. Dies gelte für Parteimitglieder wie für Nicht-Mitglieder, die sich für die rassistischen und rechtsextremen Positionen der Partei einsetzten.

Vorgesetzte müssten dann disziplinarrechtliche Konsequenzen ziehen, sagte der Autor der Studie, Hendrik Cremer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Menschenrechte. Die fortgeschrittene Radikalisierung der AfD als Gesamtpartei mache dies erforderlich, betonte der Jurist.

Dabei sei es unerheblich, dass die Partei nicht verboten sei. Ausschlaggebend sei, dass sich die AfD durch rassistische und rechtsextreme Positionen auszeichne und sich damit gegen die in Artikel 1, Absatz 1, des Grundgesetzes verankerte Menschenwürde und die unabdingbaren Grundlagen der Menschenrechte wende. Zugleich räumte Cremer ein, dass seine Rechtsauffassung bislang wenig vertreten werde, er mit dem Gutachten aber eine „Lücke schließen“ wolle.

Im Falle disziplinarrechtlicher Maßnahmen gegen Beamte müsse natürlich eine Einzelfallprüfung erfolgen, so der Jurist weiter. Dabei müssten Parteimitglieder zu ihrer Entlastung aber darlegen, das sie sich „für einen anderen Kurs“ der AfD eingesetzt hätten. Die „verfassungsrechtliche Treuepflicht“ und das damit verbundene Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unter anderem im Grundgesetz sowie in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder geregelt.

Cremer betonte, rassistische und rechtsextreme Positionen seien fester Bestandteil des AfD-Programms und von Äußerungen von AfD-Führungspersonen und Mandatsträgern. Unter anderem würden Muslime als Gefahr angesehen und ein Rentenkonzept ausschließlich für deutsche Staatsangehörige propagiert. Cremer sieht darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde und gegen das Diskriminierungsverbot. Auch Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung der Ziele der Partei würde befürwortet. Die 58 Seiten umfassende Publikation mit dem Titel „Rassistische und rechtsextreme Positionierungen im Dienste des Staates?“ wendet sich den Angaben zufolge an Entscheidungsträger in Behörden.

Zum Fall des ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier, der in Sachsen ins Richteramt zurückkehren will, sagte Cremer, es gebe durchaus Möglichkeiten, gegen Maier vorzugehen. Wenn sich Richter verfassungsfeindlich positionierten, sei die Grenze erreicht, „wo sie nicht mehr tragbar sind“. Jetzt gehe es zunächst um die Zuständigkeiten, wer gegen ihn vorgehe.

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte erklärt, dass sie keine Handhabe gegen eine Rückkehr habe. Für ein Disziplinarverfahren gegen Maier wäre der direkte Dienstvorgesetzte zuständig. Auch eine Richteranklage vor dem Bundesverfassungsgericht ist möglich. Maier wird vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingeordnet. Sein Amt als Richter hatte seit 2017 geruht, weil er für die AfD im Bundestag saß.



Bundesstiftung Aufarbeitung fördert Protestforschung



Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur fördert im kommenden Jahr auch Projekte zur Erforschung von Protesten gegen Diktaturen auf internationaler Ebene. Zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in der DDR sollen 2023 und 2024 Projekte unterstützt werden.

Berlin (epd). Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur fördert im kommenden Jahr auch Projekte zur Erforschung von Protesten gegen Diktaturen auf internationaler Ebene. Zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in der DDR sollen 2023 und 2024 Projekte unterstützt werden, die an unterschiedliche Formen von Protest, Aufbegehren und Aufständen gegen autoritäre Herrschaft und Diktaturen erinnern, teilte die Stiftung am 31. Januar in Berlin mit.

Der neue Förderschwerpunkt solle das Thema national wie auch im internationalen Vergleich in den Blick nehmen. Es gehe um verschiedene Formen des Widerstands gegen die kommunistischen Diktaturen nach 1945 wie etwa den Volksaufstand 1953 in der DDR, die ungarische Revolution 1956, den „Prager Frühling“ 1968 oder die Solidarnosc-Bewegung in Polen 1980. Zudem böten Aufbegehren und Proteste gegen Militärdiktaturen in Lateinamerika , Portugal, Griechenland oder Spanien einen thematischen Ansatz sowie die Erhebungen im ehemaligen Ostblock 1989/91, in China 1989 oder die Aufstände der jüngeren Vergangenheit, wie der „Arabische Frühling“.

Es gehe darum zu vermitteln, mit wie viel Mut und Zivilcourage Menschen sich zu allen Zeiten für Freiheit und gegen Unterdrückungsmechanismen eingesetzt haben, sagte Stiftungsdirektorin Anna Kaminsky. Anträge für 2023 können bei einer Fördersumme ab 50.000 Euro bis zum 30. Juni 2022 oder bei einer Fördersumme unter 50.000 Euro bis zum 31. August 2022 eingereicht werden. In diesem Jahr fördert die Bundesstiftung nach eigenen Angaben bundesweit 106 Projekte zur Diktaturaufarbeitung mit insgesamt 2,31 Millionen Euro.



Neue Webseite erinnert an Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg



Potsdam (epd). Eine neue Internetseite mit dem Titel „Kein schöner Land“ erinnert an die 23 Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg seit 1990. Sechs weitere aufgeführte Fälle sind laut dem Potsdamer Verein Opferperspektive sogenannte Verdachtsfälle, bei denen Indizien darauf hinweisen, dass die Täter eine rechte, rassistische oder sozialdarwinistische Einstellung hatten. Die Internetseite sei ein Beitrag für das Erinnern an die Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg und an ihre Geschichten, sagte die Geschäftsführerin der Opferperspektive, Judith Porath, am 31. Januar in Potsdam.

Zugleich soll die Seite ermutigen, sich mit der tödlichen Dimension rechter Gewalt aktiv auseinanderzusetzen - in Bildungseinrichtungen, in Rathäusern oder Kirchengemeinden. „Wir alle sind gefragt, dem Vergessen und Verdrängen eine lebendige Erinnerungskultur entgegenzusetzen“, sagte Porath.

Das Projekt „Kein schöner Land“ umfasst laut Porath neben der Webseite auch eine gleichnamige Ausstellung. Die Dokumentation kann kostenfrei bei der Opferperspektive ausgeliehen werden. Außerdem stelle der Verein Lernmaterialien für den pädagogisch begleiteten Ausstellungsbesuch durch Schulklassen kostenfrei zur Verfügung.

Die Seite ging am Montag anlässlich des 25. Jahrestags des Angriffs auf Phan Van Toan online. Er war den Angaben zufolge am 31. Januar 1997 in Fredersdorf bei Berlin von einem Täter ins Koma geschlagen worden und starb drei Monate später an den Folgen der Gewalttat.



Barrierefreie Webseite zu Euthanasie-Verbrechen der Nazis



Brandenburg an der Havel/Oranienburg (epd). Eine neue Internetseite „Geschichte inklusiv“ bietet erstmals Informationen über die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen in einfacher Sprache und mit leichter Navigation. Die barrierefreie Webseite wird am 10. Februar freigeschaltet, kündigte die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde am 2. Februar in Brandenburg an der Havel an.

Die Gedenkstätte reagiere damit auf den hohen gesellschaftlichen Nachholbedarf im Bereich der digitalen Teilhabe, erklärte Gedenkstättenleiterin Sylvia de Pasquale. Das gelte auch für die historische Bildung und das inklusive Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Das 49.000 Euro teure Projekt sei in enger Zusammenarbeit mit den Guides mit Lernschwierigkeiten der Gedenkstätte entstanden.

Laut Gedenkstätte ermöglicht geschichte-inklusiv-sbg.de mithilfe von eigens produzierten Videos, historischen Fotografien und Dokumenten sowie Texten in einfacher Sprache, die man sich auch vorlesen lassen kann, vielfältige Zugänge zu komplexen historischen Sachverhalten und rege zur Reflexion der eigenen Position an. Ausgehend von Brandenburg an der Havel, werde die Geschichte einer Tötungsanstalt beispielhaft erzählt.

In Brandenburg an der Havel betrieben die Nazis eine von insgesamt sechs Tötungsanstalten der Aktion T4, bei der mehr als 70.000 geistig und körperlich behinderte Menschen in Deutschland ermordet wurden. Zwischen Februar und Oktober 1940 ermordete dort das Personal über 9.000 Anstaltspatientinnen und -patienten mit Giftgas. Seit 2012 ist die frühere Tötungsanstalt eine Gedenkstätte.



Thüringer Bündnis fordert Aufnahme afghanischer Flüchtlinge



Erfurt (epd). Thüringer Flüchtlingsorganisationen und Flüchtlingsprojekte haben sich für die zügige Umsetzung eines Landesaufnahmeprogrammes für Menschen aus Afghanistan ausgesprochen. Insbesondere die CDU, ohne die bei den komplizierten Mehrheitsverhältnissen kein Haushalt verabschiedet werden kann, müsse ihre Blockadehaltung überwinden, heißt es in einer am 2. Februar in Erfurt veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Unterzeichner sind der Flüchtlingsrat Thüringen, der Move-Verein, das Instituts für Berufsbildung und Sozialmanagement, die Seebrücke Erfurt und Jena sowie der Verein Thüringer Flüchtlingspaten.

Das Schreiben bezieht sich auf Medienberichte, nach denen bei den Verhandlungen zum Thüringer Haushalt die Mittel für ein geplantes Landesaufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Afghanistan auf Druck der CDU und in Einigung mit Linken, SPD und Grünen gestrichen worden sei. Der Freistaat hatte ein solches Programm bereits in Aussicht gestellt, war im Herbst vergangenen Jahres aber vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gestoppt worden.

Die Landesregierung und alle demokratischen Parteien im Landtag sollten sich für die Ermöglichung und zügige Umsetzung eines derartigen Programms einsetzen, erklärten die Organisationen. Dabei dürften sich frühere Fehler mit hohen Hürden und nahezu unerfüllbaren Anforderungen an das verfügbare Einkommen der Antragsteller und Antragstellerinnen für den Nachzug nicht wiederholen, hieß es.



Dating in der Corona-Pandemie: Bist du geimpft?




Der Nachweis einer Impfung macht sich gut im Dating-Portal.
epd-bild/Peter Jülich
Auch wenn das Corona-Virus zur Beschränkung der Kontakte zwingt, sind Nutzer von Dating-Plattformen weiterhin auf der Suche nach der großen Liebe. Die Pandemie stellt sie dabei jedoch vor neue Fragen - beispielsweise die nach dem Impfstatus.

Frankfurt a.M. (epd). Die Dating-App bimmelt - eine Nachricht: „Ich würde dich gerne mal persönlich kennenlernen. Hast du Lust?“ Vor rund zwei Jahren, bevor die Corona-Pandemie in Deutschland Einzug hielt, stellten sich für einen Single nun wohl zwei Fragen: Wann und Wo? Durch die Pandemie hat sich das Kennenlernen über das Internet jedoch verändert. Nutzerinnen und Nutzer von Dating-Plattformen geben nun nicht nur ihr Alter, ihren ungefähren Wohnort und ihre Interessen an, viele von ihnen teilen in ihrem Profil zusätzlich ihren Impfstatus. So soll Verlieben während der Pandemie sicherer gemacht werden.

„Ich bin geimpft“ ist beispielsweise auf dem Profil vieler Nutzerinnen und Nutzer der Dating-Plattform Bumble zu lesen. Singles, die ihren Impfstatus offenlegten, seien erfolgreicher als jene, die dies nicht täten, erklärten die Betreibenden der Plattform. Durch die Angabe von „Covid-19 Dating-Präferenzen“, also detaillierten Informationen dazu, wie er oder sie daten möchte, soll das Kennenlernen unter den Einschränkungen der Pandemie erleichtert werden.

„Zu den Auswahlmöglichkeiten zählt, ob man sich nur im Freien verabreden will oder offen für Verabredungen in geschlossenen Räumen ist.“ Darüber hinaus sei es möglich, seinem Gegenüber mitzuteilen, ob man sich an überfüllten Orten wohlfühle und welche Erwartungen man beispielsweise im Hinblick auf das Tragen von Masken habe.

Neue Angebote für das Kennenlernen auf Distanz

Auch Rüdiger Standhardt machte sich mitten in der Pandemie auf die Suche nach einer neuen Liebe. Der 59-Jährige lernte seine heutige Partnerin im November über die Plattform Parship kennen. „Ich habe ihr Profil ganz zufällig gesehen und war sofort begeistert“, schwärmt er. Nicht lange habe es gedauert, bis sich der in Hessen lebende Bonner auf den Weg nach Königswinter machte, um sie persönlich zu treffen. „Noch auf der Autofahrt dorthin habe ich einen guten Freund angerufen und ihm gesagt, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass das mit dieser Frau was wird.“ Die Kontaktbeschränkungen seien für die beiden kein Thema gewesen. „Ich bin geimpft, deshalb habe ich keine Angst.“

Wie eine Umfrage der Partnerböse Gleichklang.de ergab, legen geimpfte Nutzerinnen und Nutzer schon vor dem ersten Kennenlernen Wert darauf, dass ihr Date ebenfalls geimpft ist. Unter Impfverweigerern sei das Bild hingegen geteilt: Etwa die Hälfte der Befragten möchte, dass der Dating-Partner ebenfalls ungeimpft ist. Den übrigen Verweigerern ist der Impfstatus der Umfrage zufolge egal.

Für jene, die aufgrund der möglichen Ansteckungsgefahr lieber auf persönlichen Kontakt verzichten, aber dennoch ihre Suche nach der Liebe fortsetzen wollen, haben viele Online-Dating-Plattformen seit Beginn der Pandemie neue Angebote geschaffen. Sie sollen ein Kennenlernen auf Distanz ermöglichen: „Dazu zählen Features für virtuelle Treffen, etwa das Video-Date, welches wir gleich zu Beginn der Pandemie im April 2020 eingeführt haben“, erklären die Betreiber von Parship und ElitePartner. Das Angebot werde sehr gut angenommen. Auf den Plattformen seien vereinzelt Nutzungszeiten von bis zu fünf, in manchen Fällen sogar acht Stunden zu verzeichnen. „Zusätzlich geben wir im Ratgeber-Bereich auf unseren Webseiten Inspiration und Hilfestellung, um Kontakte möglichst risikoarm zu gestalten.“

Erstes Date lieber draußen

Auch auf Tinder treffen sich Suchende seit der Pandemie häufiger virtuell. Deutlich mehr Singles gäben in ihren Profilbeschreibungen an, auch über Videoanrufe daten zu wollen, erklärt das Unternehmen. Gleiches gelte für die Angabe des Impfstatus: Schon seit Beginn der Pandemie habe Tinder einen starken Anstieg der Erwähnungen „Impfstoff“ und „Antikörper“ erlebt, da die Mitglieder ihren Biografie-Status nutzten, um ihre positiven Testergebnisse und Impfstoff-Bestätigungen zu posten.

Es sei vor allem die junge Generation im Alter bis Mitte 20, die sogenannte Generation Z, der es wichtig sei, ihre Impfbereitschaft auch beim Online-Dating klar zu kommunizieren. Junge Singles wollten Begegnungen im Leben außerhalb des Internets wieder sicher möglich machen, so die Einschätzung der Plattformbetreiber. „Bei einer Befragung zum Thema 'erstes Date' zeigte sich, dass 86 Prozent der Tinder-Member sich mit ihrem Date lieber draußen treffen wollen, anstatt sich zu Hause zu verabreden.“

Auch Standhardt verabredete sich mit seiner heutigen Partnerin zunächst auf dem Bildschirm seines Computers. Spätestens ab ihrem persönlichen Treffen in Königswinter sei es dann um ihn geschehen gewesen: „Ich bin mir sicher, dass sie und ich noch einen langen gemeinsamen Weg vor uns haben.“ Er hat sie also trotz der Corona-Pandemie gefunden: seine große Liebe.

Von Inga Jahn (epd)


Mehr Rechtsextremisten in Sachsen besitzen legal Waffen



Dresden (epd). In Sachsen ist nach Angaben des Innenministeriums die Zahl der Rechtsextremisten und Reichsbürger gestiegen, die legal eine Waffe besitzen. Demnach hatten im vergangenen Jahr 104 Personen der rechtsextremistischen Szene sowie 14 sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter eine waffenrechtliche Erlaubnis vorzuweisen. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der sächsischen Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz hervor, die am 2. Februar in Dresden verbreitet wurde. 2020 zählte das Innenministerium 106 sächsische Rechtsextremisten und Reichsbürger mit einer Waffenerlaubnis.

2021 seien 59 Personen auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit überprüft worden, hieß es. In etwa der Hälfte dieser Fälle seien scharfe Waffen eingezogen und teils freiwillig abgegeben worden. Bei derzeit 38 Personen müssten waffenrechtliche Erlaubnisse noch geklärt werden.

Ein Grund für das jüngste Plus sei eine seit langem bekannte Kontrolllücke, hieß es. Die kommunalen Waffenbehörden seien bei der Prüfung auf das Landesamt für Verfassungsschutz angewiesen. Von dort würden aber wegen des Quellenschutzes Erkenntnisse nicht mitgeteilt. Dadurch könnten Personen permanent durchs Raster fallen.

Aktuell seien zwei Fälle von kampfsportorientierten Rechtsextremisten bekannt, die Schießübungen mit halbautomatischen Waffen absolvierten, hieß es. Die Gesamtzahl in Sachsen registrierter Schusswaffen schätzt die Landesregierung auf rund 200.000. Eine Zahl der Besitzerinnen und Besitzer gebe es nicht. Grund dafür seien Umstellungen im Nationalen Waffenregister.



Weniger politisch motivierte Straftaten an sächsischen Schulen



Dresden (epd). Die Zahl politischer motivierter Straftaten an sächsischen Schulen ist leicht gesunken. Das geht aus der Antwort des Kultusministeriums auf eine Kleine Anfrage der sächsischen Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz hervor, die am 3. Februar in Dresden verbreitet wurde. Im Jahre 2021 wurden demnach insgesamt 53 Straftaten registriert. In allen Fällen wurden auch Ermittlungsverfahren eingeleitet. 2020 gab es 77 Fälle.

Laut Köditz handelt es sich überwiegend um sogenannte Propagandadelikte wie Volksverhetzungen oder das Verwenden verbotener Symbole. Dahinter würden sich erfahrungsgemäß NS-Insignien und Neonazi-Parolen verbergen, die auch immer wieder an Grundschulgebäuden auftauchten.

Darüber hinaus meldeten im vergangenen Jahr sächsische Schulleitungen weitere 91 sogenannte „besondere Vorkommnisse zum Extremismus“. Dabei handele es sich beispielsweise um einschlägige Inhalte in Klassenchats, aber auch um einen Rassismus-Vorwurf gegen eine Lehrkraft. Mehrere Schulen erhielten den Angaben zufolge E-Mails, in denen der Holocaust geleugnet wird.

Die Gesamtzahl dieser Vorkommnisse sei 2021 im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen. Das könne aber auch auf eine zunehmende Sensibilisierung zurückgeführt werden. Einige Vorfälle, die das Kultusministerium auflistet, haben zudem einen Bezug zur Corona-Pandemie. Dabei verschaffen sich Unbefugte zum Teil Zugang auf Schulgelände und sogar Kita-Gelände.



Weitere Verdachtsfälle von Rechtsextremismus bei sächsischer Polizei



Dresden (epd). Bei der sächsischen Polizei sind sieben weitere Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus sowie zur sogenannten verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates bekannt geworden. Das teilte das sächsische Innenministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz mit. Demnach sollen unter anderem einzelne Bedienstete der Polizei mehrfach Asylsuchende oder Homosexuelle diskriminiert und beleidigt haben.

Hinzu kämen einschlägige Äußerungen zur Pandemie-Eindämmung, die teils mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wurden. Aufgeführt wird auch ein Fall, bei dem ein Beamter aus dem Bereich der Polizeidirektion Zwickau der passiven Teilnahme an einer Körperverletzung gegen eine ausländische Person beschuldigt wird. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz habe gegen den Beschuldigten inzwischen Anklage wegen des Vorwurfs der unterlassenen Hilfeleistung, der Körperverletzung durch Unterlassen und der versuchten Strafvereitelung erhoben.

Ein Beamter des Landeskriminalamts soll den Angaben zufolge als Teilnehmer einer illegalen Corona-Protestaktion einen eingesetzten Kollegen tätlich angegriffen haben. Der Beschuldigte dürfe seinen Dienst seither nicht mehr verrichten, bei der Staatsanwaltschaft Dresden liefen Ermittlungen.

Das Innenministerium habe erstmals vor zwei Jahren auf Anfragen hin detailliert Auskunft zu einschlägigen Vorfällen gegeben, erklärte Köditz. Gemeinsam mit den bislang bekannten Daten gebe es inzwischen 56 Fälle.



Kamenzer Oberbürgermeister irritiert mit Rede vor Impfgegnern



Kamenz (epd). Im Landkreis Bautzen hat ein weiterer Lokalpolitiker mit einer Rede vor Impfgegnern für Irritationen gesorgt. Vor dem Kamenzer Rathaus rief der dortige Oberbürgermeister, Roland Dantz (parteilos), die Demonstranten dazu auf, standhaft zu bleiben und ihre Haltung nicht aufzugeben. Ein Video mit einem Teil seiner Rede wurde beim Kurznachrichtendienst Twitter geteilt. Die Linken-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Caren Lay kritisierte das Vorgehen von Dantz als „ein gefährliches Spiel“.

Es sei „gefährlich, sich den rechten Kräften auf der Straße zu beugen“, twitterte Lay: „Man bestärkt die laute Minderheit und lässt die Mehrheit im Stich, die ich impfen lässt und an die Regeln hält.“ Da verwundere es auch nicht, „dass die Impfquoten im Landkreis Bautzen so niedrig, aber rechtes Gedankengut so weit verbreitet ist“, twitterte die Linken-Politikerin. Zur Corona-Demonstration in Kamenz hatten offenbar die AfD und die rechtsextremen „Freien Sachsen“ aufgerufen.

„Es geht um die Frage, ob man sich impfen lässt oder eben nicht“, sagte Dantz in seiner Rede. Es gelte, miteinander ins Gespräch kommen und die Probleme friedlich zu lösen. Zugleich forderte er, „dass Schluss damit gemacht wird, dass man jene, die wie Sie sich montags hier versammeln, wie in der Vergangenheit zu oft geschehen, diffamiert, mit Nazis gleichsetzt und vom Grunde her diskriminiert“.

Erst vor einer Woche hatte der Vize-Landrat Udo Witschas (CDU) auf einer Demonstration von Gegnern staatlicher Corona-Maßnahmen angekündigt, die Impflicht im Kreis Bautzen nicht umzusetzen. Die Landesregierung hatte ihn dafür scharf kritisiert.



Leipziger Uniklinikum erstattet Anzeige gegen Demonstranten



Leipzig (epd). Nachdem am 29. Januar dutzende Teilnehmende eines Corona-Protestzuges das Gelände des Universitätsklinikums in Leipzig gestürmt haben, will die Hochschule Anzeige erstatten. Ein Krankenhaus dürfe nicht zu einem Ort aggressiver Demonstrationen werden, bestätigte eine Sprecherin des Universitätsklinikums Leipzig am 2. Februar dem Evangelischen Pressedienst (epd) entsprechende Medienberichte. Es seien zudem Gespräche mit dem Leipziger Polizeipräsidenten geplant. Geklärt werden soll dabei auch, wie das Klinikum in Zukunft besser vor derartigen Übergriffen geschützt werden kann.

Etwa 60 Gegner der Corona-Politik hatten eine Polizeikette am Leipziger Uniklinikum durchbrochen und waren durch ein Tor auf das Klinikgelände gelaufen. Beobachtern zufolge wollten Demonstranten auf diese Weise einem Polizeikessel entkommen. Dabei war es laut Polizeiangaben auch zu einem tätlichen Angriff gegen Beamte gekommen.

Die Polizei habe die Identitäten von 55 Menschen festgestellt, teilte eine Sprecherin der Polizeidirektion Leipzig dem epd mit. Gegen sie werde in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft beim Dezernat Staatsschutz ermittelt. Es bestehe der Verdacht des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung, Beleidigung und der Verstöße gegen das Waffengesetz und das Versammlungsgesetz. Zudem wurden Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eingeleitet.



Zentralrat schließt Deutsche Muslimische Gemeinschaft aus



Köln/Berlin (epd). Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) ausgeschlossen. Bei der digitalen Vertreterversammlung erreichte der Antrag über den Ausschluss die erforderliche Zweidrittelmehrheit, wie der Zentralrat am 31. Januar in Köln mitteilte. Die Mitgliedschaft der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft ruhte bereits seit Dezember 2019.

Der Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2018 hatte die Deutsche Muslimische Gemeinschaft als eine der Muslimbruderschaft nahe stehende Organisation eingestuft, die eine langfristige Änderung der Gesellschaft verfolge. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte bereits im Jahr 2015 geschrieben, dass aufgrund personeller und inhaltlicher Verbindungen viele Beobachter den Verband als deutschen Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft sehen, also einer islamistischen Bewegung, die auch in Europa aktiv ist. Die Muslimbruderschaft gilt als Organisation, die einen islamischen Gottesstaat auf der Grundlage der Scharia anstrebt.

Unter ihrem damaligen Namen „Islamische Gemeinschaft Deutschland“ (IGD) war die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) Gründungsmitglied des ZMD und über diesen auch an den Koordinationsrat der Muslime angegliedert. Der Namenswechsel war 2018 erfolgt.



Initiative kauft fast 50 Gefangene frei



Berlin (epd). Die Initiative Freiheitsfonds zur Entkriminalisierung von Schwarzfahren hat in Berlin bisher 47 Gefangene freigekauft. Diese Zahl nannte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) im Interview mit dem „Tagesspiegel“ (5. Februar). Die Betreffenden seien aus einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen Erschleichens von Leistungen ausgelöst worden.

Die Initiative Freiheitsfonds setzt sich für die Entkriminalisierung von Schwarzfahren ein. Der Verzicht auf Ersatzfreiheitsstrafen würde dem Staat auch immense Kosten sparen, argumentiert Gründer Arne Semsrott. Das Geld für den Freikauf kommt über Spenden zusammen. Die Geldstrafen reichten in der Regel pro Person von etwa 200 bis 3.000 Euro, heißt es auf der Homepage der Initiative.

Auch Justizsenatorin Kreck setzt sich dafür ein, Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Es werde schon viel getan, damit Menschen, die nicht zahlen können oder wollen, nicht in Haft landen: „Da müssen wir jetzt noch mal genau schauen, wo wir noch besser werden können“, sagte Kreck.

Wer ohne Ticket Bahn oder Bus fährt und das ihm auferlegte Bußgeld wiederholt nicht zahlt, kann wegen „Erschleichen von Leistungen“ zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe verurteilt werden. Betroffen sind laut der Initiative davon überwiegend arbeitslose Menschen sowie Menschen ohne festen Wohnsitz und mit Suizidgefährdung. Der 1935 von den Nazis eingeführte Straftatbestand müsse gekippt werden und zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden, fordert die Initiative.




Entwicklung & Umwelt

Habeck Kurswechsel bei Patentfrage vorgeworfen




Robert Habeck
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Mehrere Hilfsorganisationen werfen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einen Kurswechsel bei der Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe vor. Mehr als 100 Staaten wollen bei der Welthandelsorganisation erreichen, dass der Patentschutz zeitweise ausgesetzt wird.

Berlin (epd). Mehrere Hilfsorganisationen werfen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Kurswechsel bei der Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe vor. Sie seien enttäuscht, dass Habeck „in so einer wichtigen Frage seine Meinung ändert, kurz nachdem er der verantwortliche Minister wurde“, sagte die Expertin für Impfstoffverteilung bei „Ärzte ohne Grenzen“, Meike Schwarz, am 3. Februar in Berlin.

Im Mai 2021 hatte der Grünen-Politiker sich gegenüber dem „Spiegel“ für eine zeitweise Aufhebung des Rechts auf geistiges Eigentum für Corona-Vakzine ausgesprochen. Ende Januar distanzierte er sich jedoch als Wirtschaftsminister von dieser Position.

Mehr als 100 Staaten wollen bei der Welthandelsorganisation (WTO) erreichen, dass der Patentschutz für Corona-Impfstoffe zeitweise ausgesetzt wird. Sie argumentieren, dass dadurch die Produktion ausgeweitet und arme Länder mit mehr Impfstoffen versorgt werden könnten. Anders als beispielsweise die USA hält die Bundesregierung am Patentschutz fest.

Patentschutz verschärfe Abhängigkeit ärmerer Länder

Entgegen früherer Äußerungen sprach sich auch Habeck Ende Januar gegen eine zeitweise Aussetzung aus. Das würde bei einer Versorgung armer Länder mit mRNA-Impfstoffen nicht helfen, weil der Aufbau von Produktionskapazitäten zu lange brauche, sagte er. Stattdessen warb Habeck beispielsweise für eine Abgabe von Vakzinen zum Selbstkostenpreis.

In einem an den Wirtschaftsminister gerichteten Brief argumentieren die 20 Hilfsorganisationen, dass der Patentschutz die Monopolstellung weniger Pharmaunternehmen aufrechterhalte und die Abhängigkeit ärmerer Länder verschärfe. In Asien, Lateinamerika und Afrika gebe es 120 Hersteller, die für einen Technologietransfer und die Herstellung von mRNA-Impfstoffen in Frage kämen. „Die technologischen und personellen Voraussetzungen sind vorhanden“, allein der Wille der Hersteller Biontech und Moderna fehle, heißt es in dem unter anderem von Oxfam Deutschland, „Brot für die Welt“ und Amnesty International unterzeichneten Brief.

Zurzeit werden arme Länder unter anderem über die Initiative Covax mit Corona-Vakzinen versorgt. Allerdings bleibt die von der Weltgesundheitsorganisation und der Impfallianz Gavi mitgetragene Initiative mit bisher rund 1,1 Milliarden ausgelieferten Dosen hinter ihren Zielen zurück. Bis Ende 2021 hatte Covax das Ziel von zwei Milliarden Dosen ausgerufen.



Myanmar: Neue Anklage wegen Korruption gegen Suu Kyi



Frankfurt a.M./Naypyidaw (epd). Die Militärjunta in Myanmar hat eine weitere Anklage gegen Aung San Suu Kyi wegen Korruption erhoben. Wie der Sender „Radio Free Asia“ am 4. Februar unter Berufung auf Militärkreise berichtete, handelt es sich demnach um den elften Fall von Korruptionsvorwürfen gegen die gestürzte De-Facto-Regierungschefin. Dabei gehe es um eine Schenkung in Höhe von 550.000 US-Dollar (etwa 480.000 Euro) an eine Stiftung, die nach ihrer Mutter Daw Khin Kyi benannt wurde.

Ende Januar hatte das Militärregime Suu Kyi wegen Wahlbetrugs angeklagt. In weiteren Verfahren muss sie sich unter anderem wegen Verrats von Staatsgeheimnissen verantworten. Insgesamt laufen mindestens 17 Klagen gegen die Friedensnobelpreisträgerin, die ihr bei Höchststrafe bis zu 200 Jahre Haft einbringen könnten. Am 1. Februar 2021 stürzte das Militär die Regierung Suu Kyis. Seitdem versinkt das Land in Chaos und Gewalt.

Bericht: Suu Kyi zu krank für Verhandlung

Angesichts eines Berichts des Nachrichtenportals „Irrawaddy“ über Suu Kyis Gesundheitszustand zeigte sich die Parlamentariergruppe für Menschenrechte der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean) alarmiert: Es sei eine Angelegenheit von internationaler Besorgnis, dass die 76-Jährige Berichten vom 3. Februar zufolge zu krank gewesen sei, um an ihrer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, heißt es in einer Erklärung. Das passiere bereits zum zweiten Mal. Suu Kyi sei dabei nur eine von etwa 9.000 politischen Gefangenen in Myanmar und seit mehr als einem Jahr ohne triftigen Grund inhaftiert.

Am 10. Januar war Suu Kyi wegen des illegalen Imports und Besitzes von Funkgeräten sowie eines Verstoßes gegen Corona-Auflagen zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Es war das zweite Urteil gegen sie binnen kurzer Zeit. Bereits Anfang Dezember war die Politikerin wegen der Verletzung von Corona-Vorschriften sowie der Anstiftung zum Aufruhr zunächst zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wenig später hatte Juntachef Min Aung Hlaing das Strafmaß halbiert.

Die Armee hatte den Putsch mit Wahlbetrug begründet, ohne Beweise vorzulegen. Suu Kyis Partei „Nationale Liga für Demokratie“ hatte die Abstimmung vom November 2020 klar gewonnen, die Partei der Militärs war unterlegen. Laut der Hilfsorganisation für politische Gefangene AAPP wurden seit dem Putsch etwa 1.513 Menschen bei Protesten getötet und mehr als 11.900 Personen verhaftet. Die meisten sitzen bis heute hinter Gittern.



Baerbock äußert Zweifel an Mali-Einsatz




Soldaten der Bundeswehr in Mali (2016)
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Berlin (epd). Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat deutliche Zweifel an der Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes im westafrikanischen Krisenland Mali geäußert. „Angesichts der jüngsten Schritte der malischen Regierung müssen wir uns ehrlich fragen, ob die Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Engagements weiter gegeben sind. Unser Einsatz ist kein Selbstzweck“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (3. Februar).

Die Militärregierung in Mali hatte am 31. Januar den französischen Botschafter ausgewiesen und dies mit „feindseligen Äußerungen“ aus der Regierung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich begründet. Baerbock sagte, man stehe mit den internationalen Partnern und der Europäischen Union, insbesondere Frankreich, in enger Abstimmung dazu, wie das Engagement vor Ort weiter gestaltet werde. Sie wies auf die langfristigen Ziele in Mali hin, also „Sicherheit für die Menschen und Stabilität sowie Entwicklung für das Land“. Diese könne es aber nur durch Reformen und die Rückkehr zur Demokratie geben.

Verlängerung des Mandats steht an

Die seit Jahren anhaltende politische Krise in dem Land verschärft sich seit einem Putsch 2020 immer weiter. Zwar wurde zunächst eine Übergangsregierung aus Zivilisten und Angehörigen der Armee gebildet, die jedoch bei einem weiteren Putsch abgesetzt wurde. Nach der Verschiebung von für Februar angesetzten Wahlen und Berichten über die Präsenz russischer Söldner wächst der internationale Druck.

Die Bundeswehrmandate für die Beteiligung an der EU-Mission EUTM und am UN-Blauhelmeinsatz müssen bis Ende Mai verlängert werden. Laut Verteidigungsministerium wird es zunehmend schwierig, die für den Einsatz gesetzten Ziele zu erreichen. Konkrete Abzugsplanungen gebe es aber noch nicht, sagte ein Sprecher.



Brugger: Deutschland hat Verantwortung für Ortskräfte in Mali



Berlin (epd). Deutschland muss bei den internationalen Gesprächen über das weitere Vorgehen in Mali nach Worten der Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger auch die eigenen Ortskräfte im Blick behalten. „Es gehört zu den Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz, dass ein Abzug gewisse Dynamiken mit auslösen oder verstärken kann. Diese schwierigen Fragen müssen immer sehr sorgfältig in alle Entscheidungen mit einbezogen werden“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

Sie fügte hinzu, „wir haben für den Schutz der Menschen, die mit der Internationalen Gemeinschaft, aber auch gerade mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und der Bundeswehr arbeiten, eine Verantwortung, der wir gerecht werden müssen.“ Das Thema spiele bei den politischen Beratungen in diesen Wochen eine große Rolle, betonte die Parlamentarierin.

In Mali waren mit Stand November rund 300 Ortskräfte in Entwicklungsprojekten für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und 57 Ortskräfte für die Bundeswehr tätig.

„Permanente Provokationen“

Brugger beklagte mit Blick auf die aktuellen Spannungen „permanente Provokationen vonseiten der malischen Übergangsregierung und der Militärjunta, die an verschiedensten Stellen den gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union vereinbarten Fahrplan“ verlasse. „Wenn es zu keiner Umkehr kommt, kann es kein einfaches Weiter-so bei den Mandaten geben.“ Nach der Absage der Wahlen über die Konflikte rund um die Militärmissionen sei zuletzt die Ausweisung des französischen Botschafters ein „erneuter sehr schwerer Affront“ gewesen. „Man hat den Eindruck, die Militärjunta wendet sich immer mehr von Demokratie und der internationalen Gemeinschaft ab.“ Das sei alarmierend.

Wie der beendete Einsatz in Afghanistan führe nun auch der Einsatz in Mali vor Augen, dass auch die größte Anstrengung nur erfolgreich sein könne, wenn die politischen Akteure in dem Land diese nicht immer wieder zu ihrem eigenen Vorteil infrage stellten oder gar sabotierten. „Das ist eine sehr bittere Erkenntnis.“ Brugger, die Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, betonte mit Blick auf dschihadistische Milizen, dass auch solche terroristischen Gruppen immer mehr Zulauf erhielten, solange die Konflikte im Land nicht gelöst würden.

Russische Söldner in Mali

Erschwert werde das zudem durch die russischen Söldner und Truppen in Mali. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die russische Präsenz dem Ziel folgt, die Zukunft der Menschen in Mali auf eine positive Art und Weise zu beeinflussen, sondern darauf ausgerichtet ist, eiskalt russische geostrategische Interessen voranzutreiben.“

Die seit Jahren anhaltende politische Krise in Mali verschärft sich seit einem Putsch 2020 immer weiter. Die Bundeswehrmandate für die Beteiligung an der EU-Mission EUTM und am UN-Blauhelmeinsatz müssen bis Ende Mai verlängert werden.

epd-Gespräch: Mey Dudin


Immer mehr tödliche Lungenentzündungen bei Kindern in Afghanistan



Berlin/Kabul (epd). Inmitten der wachsenden Not in Afghanistan erkranken laut internationalen Helfern immer mehr Kinder an lebensgefährlichen Lungenentzündungen. Schon vor der Krise seien solche Infektionen für jeden fünften Todesfall bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich gewesen, erklärte die Hilfsorganisation „Save the Children“ am 31. Januar in Berlin. Jetzt stiegen die Zahlen immer mehr an.

„Die Fälle von Lungenentzündung nehmen jeden Tag zu und die Zahl der Patienten hat sich in den letzten Monaten verdoppelt oder sogar verdreifacht“, berichtete der Teamleiter einer mobilen „Save the Children“-Klinik in Afghanistan. „Es ist viel schlimmer als letztes Jahr. Manchmal warten Hunderte Mütter und Kinder auf uns.“ Den Familien fehle das Geld für Essen oder um zu heizen, erklärte er. „Für unterernährte Kinder ohne Schutz vor Kälte kann eine Lungenentzündung sehr schnell tödlich sein.“

Allein im Dezember seien 135 Kinder im Norden Afghanistans in einem einzigen Krankenhaus oder auf dem Weg dahin gestorben, die meisten von ihnen an einer Lungenentzündung oder schwerer Unterernährung, teilte die Kinderhilfsorganisation unter Berufung auf einen dortigen Mediziner mit. Hätten die unterernährten Mädchen und Jungen medizinisch versorgt werden können, hätten sie eine Überlebenschance gehabt.

Seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban im August hat sich humanitäre Lage in Afghanistan weiter verschärft. Nach UN-Schätzung sind mehr als 1,1 Millionen afghanische Mädchen und Jungen von schwerer, lebensbedrohlicher Mangelernährung bedroht.



Streit um "nachhaltige" Atomkraft und Erdgas




Das mittlerweile stillgelegte Atomkraftwerk Philippsburg (2011)
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Der politische Streit um die Nutzung von Atomkraft und Erdgas kocht in Europa wieder hoch. Anlass ist die sogenannte Taxonomie der EU, zu der die EU-Kommission am 1. Februar eine Verordnung vorlegte.

Brüssel (epd). Der politische Streit um die Nutzung von Atomkraft und Erdgas kocht in Europa wieder hoch. Anlass ist die sogenannte Taxonomie der EU, zu der die EU-Kommission am 1. Februar eine Verordnung vorlegte. Der Evangelische Pressedienst (epd) erklärt die wichtigsten Punkte.

Was heißt Taxonomie?

Das Wort stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus taxis für Ordnung und nomos für Gesetz zusammen. Der Duden definiert Taxonomie als „Einordnung in ein bestimmtes System“. Gebräuchlich ist es demnach insbesondere in der Sprachwissenschaft und der Biologie.

Worum geht es bei der EU-Taxonomie?

Um die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig. Das betrifft vieles, etwa Energieerzeugung, Forstwirtschaft, Stahlherstellung, Wasserversorgung, Verkehr und Bauen. Es werden jeweils Kriterien festgelegt, inwiefern Tätigkeiten nachhaltig sind. Letztlich geht es um ihre Finanzierung.

Was soll die Taxonomie erreichen?

Ihr Zweck ist, „den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können“, wie es in der Taxonomie-Verordnung heißt. Geld soll dann statt in umweltschädliche Projekte dahin fließen, wo es der Nachhaltigkeit dient, etwa in erneuerbare Energien, Recycling oder eine umweltfreundlichere Schifffahrt.

Welche Gesetze und Pläne gibt es?

Grundstein ist die EU-Verordnung „über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ vom Juni 2020. Auf ihr baut eine delegierte Verordnung der EU-Kommission vom Juni 2021 auf. Sie legt Kriterien für Nachhaltigkeit mit Blick aufs Klima fest. Am Mittwoch von der Kommission politisch verabschiedet worden ist eine ergänzende delegierte Verordnung. Sie betrifft die in der Klima-Verordnung ausgesparten Energiequellen Atomkraft und Erdgas. Bei einer delegierten Verordnung können die Mitgliedsstaaten und das Parlament Einwände erheben, sie müssen aber nicht ausdrücklich zustimmen.

Was steht im neuen Text?

Atomkraft und Erdgas können als nachhaltig eingestuft werden, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für die Einstufung gibt es Bedingungen, darunter Emissionsgrenzwerte und bei der Atomkraft detaillierte Pläne für ein ab 2050 betriebsbereites Endlager für hochradioaktiven Müll. Außerdem muss das Prinzip eingehalten werden, dass die Tätigkeiten keinen beträchtlichen Schaden an anderen Umweltzielen anrichten, darunter etwa der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Welche Kritik gibt es?

Umweltschützer kritisieren die Einstufung als Greenwashing, also als irreführende Darstellung von Atomkraft und Erdgas als umweltfreundlich. Es wird auch gesagt, dass das die Glaubwürdigkeit der gesamten Taxonomie untergrabe. Der Verein kommunaler Unternehmen (VKU) hingegen kritisierte die Nachhaltigkeitskriterien beim Gas als zu restriktiv. Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber sieht in dem Vorschlag einen „planwirtschaftlichen Ansatz der Kommission“, der „krachend gescheitert“ sei.

Wie positioniert sich Deutschland?

Die Bundesregierung hat die Pläne zur Atomkraft ausdrücklich zurückgewiesen. Beim Gas unterscheiden sich die Positionen von FDP und SPD sowie den Grünen leicht. Alle drei Koalitionspartner halten Gaskraftwerke als Brückentechnologie für unverzichtbar. Die Grünen finden die Einstufung als grünes Investment aber unnötig. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) will, dass Deutschland die Taxonomie-Verordnung ablehnt. Wie das Votum ausfällt, ließ SPD-Kanzler Olaf Scholz bisher offen.

Was passiert nun?

Die EU-Staaten und das Europaparlament können den Text bis zu sechs Monate prüfen und Einwände erheben, sonst gilt er ab dem 1. Januar 2023. Für Einwände sind bestimmte Mehrheiten nötig.

Von Phillipp Saure und Bettina Markmeyer (epd)


Geothermie kann über ein Viertel des Wärmebedarfs decken



Potsdam (epd). Mehr als ein Viertel des jährlichen deutschen Wärmebedarfes kann nach Einschätzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern künftig durch Geothermie abgedeckt werden. Voraussetzung seien klare Ausbauziele in Städten und Gemeinden, großflächige, geologische Erkundungen, Investitionen in Schlüsseltechnologien und ein Fachkräfteaufbau, heißt es in einer am 2. Februar in Potsdam vorgestellten gemeinsamen sogenannten Roadmap von Deutschem GeoForschungsZentrum GFZ und Fraunhofer-Instituten.

Der Wärmesektor mache 56 Prozent des nationalen Energiebedarfs aus. Lediglich 15 Prozent der Wärme stammten derzeit aus regenerativen Quellen. Ohne Geothermie werde eine Dekarbonisierung des Wärmesektors nicht möglich sein. Die natürlichen Wärmepotenziale im Untergrund seien hierfür in den meisten urbanen Räumen vorhanden.

Mit der Förderung von geothermalem Wasser zwischen 15 und 180 Grad Celsius in Tiefenlagen zwischen 400 und 5.000 Metern könnten theoretisch rund 300 Terawattstunden jährlich abgedeckt werden. Das entspreche rund einem Viertel des Gesamtwärmebedarfs Deutschlands. 2020 lieferten bundesweit 42 Geothermie-Anlagen 359 Megawatt installierte Wärmeleistung und 45 Megawatt elektrische Leistung. Ein Terawatt entspricht 1.000.000 Megawatt oder einer Milliarde Kilowatt.

Geothermale Wässer seien Jahres- und Tageszeiten-unabhängig verfügbar und ließen sich insbesondere für Nah-, und Fernwärme und sogar für Niedrigtemperaturprozesse in der Industrie nutzen, so die Wissenschaftler. Die Technologie sei ausgereift und komme seit Jahrzehnten in vielen europäischen Städten zur Anwendung, etwa in Paris und München.



Klimaklagen gegen Bundesländer gescheitert



Karlsruhe (epd). Die Bundesländer müssen keine eigenen Klimaschutzgesetze mit konkreten Vorgaben zur Einhaltung des noch verbleibenden CO2-Budgets verabschieden. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 1. Februar veröffentlichten Beschluss. Es sei nicht bekannt, wie viel Treibhausgase jedes Bundesland noch verursachen dürfe, um insbesondere künftige Generationen vor Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte infolge des Klimawandels zu schützen, hieß es zur Begründung. Damit scheiterten die Verfassungsbeschwerden mehrerer Kinder und junger Erwachsener. (AZ: 1 BvR 1565/21 u. a.)

Im März hatte das Bundesverfassungsgericht Teile des Bundesklimaschutzgesetzes für verfassungswidrig erklärt, weil es die Hauptlast zur Begrenzung der Erderwärmung vor allem der jüngeren Generation aufbürde. Die Richter bemängelten, dass das Klimaschutzgesetz konkrete Regeln zur Verringerung der Treibhausgasemissionen nur bis zum Jahr 2030 und nicht auch für Zeiträume danach getroffen hat.

Daraufhin beschloss die damalige große Koalition ein neues Gesetz, in dem die Etappenziele zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes erhöht wurden. Die bislang für 2050 angepeilte Klimaneutralität soll nun schon 2045 und damit fünf Jahre eher erreicht werden.

Im aktuellen Streit wollten die Beschwerdeführer, dass auch die Bundesländer in eigenen Landesklimaschutzgesetzen sofort konkrete Vorgaben zur Treibhausgasverringerung festschreiben. Die Verfassungsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg.



Berlin beruft Klima-Bürgerrat ein



Das Land Berlin will Entscheidungen über Maßnahmen für eine Klima-Wende auf eine breite Basis stellen. 100 Bürgerinnen und Bürger aus allen Gesellschaftsschichten sollen bis Juni in einem Klima-Rat Empfehlungen erarbeiten.

Berlin (epd). Das Land Berlin hat das Auswahlverfahren für einen Bürgerrat zu Klimafragen gestartet. Daran sollen auch Menschen beteiligt werden, „die sich noch nie mit dem Thema befasst haben“, sagte die Berliner Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am 3. Februar bei der Vorstellung des Projekts. „Ich lade alle angeschriebenen Berlinerinnen und Berliner herzlich ein, sich für die Teilnahme zu bewerben. Je mehr mitmachen wollen, desto besser bildet das Gremium unsere Stadt ab und desto intensiver können die Debatten geführt werden“, fügte die Senatorin hinzu.

Sie sei gespannt auf den Prozess, auf die Debatten im Rat und besonders auf die konkreten Empfehlungen, mit denen sich die politisch Verantwortlichen „sehr sorgfältig beschäftigen werden“. Überdies hoffe sie auf eine „Entpolarisierung“ der Debatte, sagte Jarasch.

Der Rat soll bis zum Sommer konkrete Empfehlungen für die Klimaschutzpolitik des Landes erarbeiten. Ihm werden 100 Menschen ab 16 Jahren angehören. Am Donnerstag seien 2.800 Briefe mit der Bitte um Teilnahme an per Los ausgewählte Berlinerinnen und Berliner geschickt worden.

Aufgabe der beteiligten Wissenschaftler sei es, die Folgen möglicher Entscheidungen aufzuzeigen, sagte Ortwin Renn vom Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung, das den Prozess begleitet. „Wissenschaft kann nicht sagen, was wünschenswert ist. Es gibt keine Lösung die bei allen Kriterien toll abschneidet“, sagte der Klimaforscher.

Um die Repräsentativität des Gremiums zu gewährleisten, sollen gerade auch Menschen erreicht werden, die sich sonst kaum in Beteiligungsverfahren engagieren. Die Zusammensetzung des Gremiums werde die Berliner Bevölkerung möglichst genau widerspiegeln, wie eine Art „Mini-Berlin“, sagte die Projektleiterin des Forschungs- und Beratungsinstituts Nexus, Christine von Blanckenburg. Daher würden nach erfolgten Rücksendungen aus allen Interessierten per Algorithmus 100 Personen ausgewählt, die nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Wohnbezirk und Migrationserfahrung die Bevölkerung der Hauptstadt am besten repräsentieren.

Die erste Sitzung des Rats ist für Ende April geplant und wird auch online zu verfolgen sein. Der Rat soll insgesamt neun Mal tagen, Themen sind insbesondere die Bereiche Mobilität, Gebäude und Energie. Ergebnisse werden für Ende Juni erwartet.

Der Verein Mehr Demokratie begrüßte die Ankündigung des Senats, einen Klima-Bürgerrat für Berlin einzusetzen. "Wir freuen uns, dass der Senat beim Schlüsselthema Klima auf die Stadtgesellschaft setzt” sagte der Landesvorstandssprecher von Mehr Demokratie für Berlin und Brandenburg, Oliver Wiedmann.

Da die Empfehlungen des Bürgerrats keine Verbindlichkeit hätten, sei es wichtig, den Umgang mit den Entscheidungen des Gremiums zu regeln, mahnte der Verein. Die Empfehlungen könnten im neu gebildeten Klimaausschuss des Senats und in den zuständigen Ausschüssen des Abgeordnetenhauses beraten sowie Vertreter des Klima-Bürgerrats angehört werden. Wünschenswert sei zudem eine Stellungnahme des Senats zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen sechs Monate nach Abschluss der Beratungen des Klima-Bürgerrats.



Weitere Autobahnblockaden durch Klimaaktivisten



Die Aktionen sind umstritten. Doch die Klimaaktivisten der Initiative "Aufstand der letzten Generation" machen weiter. In Berlin kam es wieder zu zeitweiligen Verkehrsbehinderungen.

Berlin (epd). Mit Sitzblockaden auf der Stadtautobahn in Berlin haben am 4. Februar erneut Klimaaktivisten für ein Essen-Retten-Gesetz demonstriert. Dabei kam es im nordwestlichen Abschnitt der A 100 zu Verkehrsbeeinträchtigungen. Einer Polizeisprecherin zufolge wurden an vier unterschiedlichen Orten insgesamt 33 Demonstrierende in vorübergehenden Gewahrsam genommen.

Aktionen der Initiative „Aufstand der letzten Generation“ waren am 4. Februar auch für andere Städte, etwa in München, Hamburg und Frankfurt am Main angekündigt. Bereits in der vergangenen Woche war es in mehreren deutschen Städten zu zeitweiligen Straßenblockaden gekommen.

Die Klimaaktivistinnen und -aktivisten fordern unter anderem, dass große Supermärkte dazu verpflichtet werden, noch genießbares Essen zu spenden. Damit solle ein Beitrag zur Agrarwende, gegen den Welthunger und gegen den CO2-Ausstoß bei der Lebensmittelproduktion geleistet werden.

Mögliche Behinderungen von Rettungsfahrzeugen und Krankenwagen durch die Blockierer konnte die Berliner Feuerwehr am 4. Februar nicht bestätigen. Ein Sprecher sagte auf Anfrage lediglich, jeder Stau auf der Stadttautobahn könne zu Behinderungen von Einsatzfahrzeugen führen.

Zuvor hatte sich ein Mitarbeiter der Feuerwehr-Pressestelle in mehreren privaten Tweets zu den Blockaden geäußert. Unter anderem hieß es darin: „Durch Spontandemo ist das Notfallzentrum Virchow Klinikum nicht über die Autobahn erreichbar. Für alle Rettungsfahrzeuge erhebliche Behinderungen und längere Anfahrtzeiten! Ihr wollt Essen retten, gefährdet aber Menschenleben!“

Aktivistinnen und Aktivisten hatten am Morgen gegen acht Uhr damit begonnen, Autobahnauffahrten sowie einen Autobahnabschnitt zu blockieren. Vereinzelt klebten sie sich dazu an den Asphalt. Insgesamt seien neun der 33 Demonstrierenden mit der Fahrbahn verklebt gewesen, hieß es von der Polizei. Aktionen fanden unter anderem an der Seestraße und am Jakob-Kaiser-Platz statt. Dort standen Demonstranten laut Polizei auf den Fahrbahnen in beide Fahrtrichtungen.

Die Initiative „Aufstand der letzten Generation“ sieht sich laut Selbstdarstellung als „letzte Generation, die die unumkehrbare Vernichtung unserer Lebensgrundlagen und damit unserer Zivilisation stoppen kann“.



Wissenschaft vermutet mehr als 73.000 Baumarten auf der Welt



Potsdam (epd). Neue Schätzungen gehen von mehr als 73.000 Arten an Bäumen weltweit aus. Das sind 14 Prozent mehr als bisher angenommen, teilte das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) am 31. Januar in Potsdam mit. 9.000 davon müssten noch entdeckt werden und davon fast die Hälfte (40 Prozent) wahrscheinlich in Südamerika.

Laut den Forscherinnen und Forschern kommen etwa 43 Prozent aller Baumarten der Erde in Südamerika vor, gefolgt von Eurasien (22 Prozent), Afrika (16 Prozent), Nordamerika (15 Prozent) und Ozeanien (elf Prozent). Allerdings seien die neuen Schätzwerte mit Ungenauigkeiten verbunden, hieß es. Für die Schätzungen haben demnach Forschende aus aller Welt ihre Daten zusammengetragen und nach biologischen, kontinentalen und globalen Aspekten ausgewertet.

Nicht nur ein Drittel der bislang bekannten, auch die meisten unentdeckten Arten seien selten, nur auf bestimmten Kontinenten verbreitet und tropisch oder subtropisch, hieß es. Die Schätzung der Anzahl der Baumarten sei von grundlegender Bedeutung für unser Verständnis vom Funktionieren von Ökosystemen und für die Optimierung und Priorisierung von Waldschutzmaßnahmen auf der ganzen Welt, erklärte Martin Herold, Leiter der beteiligten GFZ-Sektion „Fernerkundung und Geoinformatik“ .

Wie viele Arten die Erde bevölkern, sei eine der grundlegendsten Fragen der Ökologie, sagte Herold. Sie sei noch immer ungelöst, selbst bei bislang gut untersuchten Lebensformen wie Bäumen. Die Federführung des Forschungsprojektes lag an Universitäten in den USA und Italien.



Organisationen fordern weniger Antibiotika in Tierhaltung



Berlin (epd). Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat gemeinsam mit Germanwatch und einer Ärzteinitiative strengere Vorgaben für den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung gefordert. Der Antibiotikaeinsatz in der industriellen Tierhaltung müsse wirksam minimiert werden. Dafür brauche es konkrete Reduktionsziele, heißt es in einer am 31. Januar in Berlin veröffentlichten Stellungnahme. Anlass sei ein entsprechendes Eckpunktepapier von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), das lediglich ein „Weiter so“ bekannter Maßnahmen der alten Bundesregierung darstelle.

„Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, Antibiotika in der industriellen Tierhaltung deutlich zu reduzieren“, betonte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. Imke Lührs von der Ärzteinitiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“ verwies auf die negativen Auswirkungen von Antibiotika in Tierfleisch und Lebensmitteln auf den Menschen: „In Europa sterben jährlich über 30.000 Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern.“

Reinhild Benning, Agrar-Expertin der Umwelthilfe, kritisierte den unkontrollierten Einsatz der Antibiotika: „Solange Tierärzte und -halter nur angeben müssen, wie oft sie Antibiotika verabreichen, aber nicht in welcher Dosis, wird sich der Antibiotikaeinsatz nicht weiter reduzieren.“ Die in dem neuen Eckpunktepapier vorgeschlagenen Maßnahmen basierten auf einer lückenhaften Dokumentationspflicht, die bereits 2020 versagt habe. „In Deutschland werden je Kilogramm Tiergewicht doppelt so viele Antibiotika verbraucht wie in Dänemark“, so Benning.



Brandenburgs Jägerinnen und Jäger erlegten über 90.000 Wildschweine



Berlin, Michendorf (epd). Brandenburgs Jägerinnen und Jäger haben im Jagdjahr 2020/2021 (1. April 2020 bis 31. März 2021) 90.306 Wildschweine geschossen. Damit stehen sie bundesweit auf Platz zwei nach Mecklenburg-Vorpommern mit 106.803 Wildschweinen, wie der Deutsche Jagdverband am 31. Januar in Berlin mitteilte. Inklusive Sachsen (37.069) habe die Jägerschaft in den drei von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) betroffenen Ländern mehr als ein Drittel aller deutschlandweit geschossenen Wildschweine erlegt. Bundesweit brachten die Jäger insgesamt 687.581 Wildschweine zur Strecke und erzielten damit laut Deutschem Jagdverband das dritthöchste Jagdergebnis seit knapp 100 Jahren.

Laut Landesjagdverband Brandenburg wurden die meisten Wildschweine in der Uckermark erlegt (13.014 Tiere) gefolgt vom Landkreis Potsdam-Mittelmark mit 7.203 und Oberhavel mit 7.171 Schwarzkitteln. Die sogenannte Verwaltungsjagd des Landes habe mit insgesamt 8.405 Stück Schwarzwild lediglich einen Anteil von 9,31 Prozent an der Gesamtbilanz. Die Zahlen belegten, dass die Jägerinnen und Jäger einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest leisteten, erklärte der Präsident des Landesjagdverbandes, Dirk-Henner Wellershoff, in Michendorf.

Bereits jetzt sei ein Rückgang der Schwarzwildbestände spürbar. Die Ausbreitung des ASP-Virus von Tier zu Tier werde durch reduzierte Wildschweinbestände erschwert. Wellersdorf forderte einen Abbau von bürokratischen Hürden und eine deutliche Erhöhung der behördlichen Annahmestellen für Blutproben im Rahmen des ASP-Monitorings.



Thüringen gibt Millionen für Schutz von Gewässern aus



Erfurt (epd). Thüringen legt ein zweites Landesprogramm für den Schutz seiner Flüsse, Bäche und Seen auf. Dafür würden nach einem Beschluss der Landesregierung für die Jahre 2022 bis 2027 insgesamt 847 Millionen Euro - davon 366 Millionen aus der Landeskasse - zur Verfügung gestellt, kündigte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) am 1. Februar nach einer Sitzung des Kabinetts in Erfurt an. Zusammen mit den Programmen für Niedrig- sowie Hochwasser werde damit etwa jeder dritte Euro aus dem Haushalt des Umweltressorts für den Gewässerschutz ausgegeben.

Der Löwenanteil der Landesmittel fließt nach Siegesmunds Angaben mit 190 Millionen Euro in etwa 500 Maßnahmen zum Neu- bzw. Ausbau von Kläranlagen und Ortsnetzen. Damit könnte der Anschlussgrad an die Abwasserversorgung von derzeit 82 Prozent auf 90 Prozent erhöht werden.

Mit Hilfe von rund 1.400 Vorhaben soll die Durchgängigkeit der Fließgewässer durch die Entfernung von Wehren und den Bau von Fischtreppen verbessert werden. 460 Maßnahmen dienten zudem der Wiederherstellung natürlicher Strukturen wie Flussschleifen oder dem Rückbau von Uferbefestigungen. Dafür seien rund 160 Millionen Euro vorgesehen. Kooperationen mit den Landwirten mit dem Ziel niedrigerer Schadstoffeinträge kosteten weitere 16 Millionen Euro.

„Wir wollen Barrieren für Fische beseitigen, natürliche Flusslandschaften wiederherstellen und Schadstoffe verringern. Sauberes Wasser ist die Grundlage für das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen. Deshalb werden wir die blauen Lebensadern unserer Landschaften besser schützen“, fasste Siegesmund die Ziele des Landesprogramms zusammen.




Medien & Kultur

Facebook muss Künast Auskunft über Hetzer geben




Renate Künast (2015 beim Kirchentag in Stuttgart)
epd-bild/Thomas Lohnes
Die Grünen-Politikerin Renate Künast wollte sich auf Facebook nicht länger beleidigen lassen und beschritt den Klageweg. Jetzt gab ihr das Bundesverfassungsgericht recht. Das Kammergericht Berlin muss sich erneut mit den Beleidigungen befassen.

Karlsruhe (epd). Die Grünen-Politikerin Renate Künast kann von Facebook in vollem Umfang Auskunft über Nutzer verlangen, die herabsetzende Kommentare über sie veröffentlichten. Politikerinnen und Politiker müssten sich auch in einer öffentlichen Debatte eine auf die Person abzielende öffentliche Verächtlichmachung oder Hetze nicht gefallen lassen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 2. Februar veröffentlichten Beschluss. Damit gaben die Richter der Verfassungsbeschwerde von Künast statt. Zuvor hatten Berliner Gerichte nur in einem Teil der von der Politikerin monierten Fälle strafrechtlich relevante Beleidigungen gesehen. (AZ: 1 BvR 1073/20) Künast äußerte sich erfreut über das Votum der Verfassungsrichter.

Hintergrund des Rechtsstreits war eine Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus 1986 zum Thema Gewalt gegen Kinder in Familien. Ein Abgeordneter hatte damals eine Parlamentarierin gefragt, wie sie zu einem Antrag der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufzuheben. Künast hatte daraufhin dazwischengerufen, „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist“.

Der rechtsextreme Netz-Aktivist Sven Liebich hatte dies Jahre später auf seiner Facebook-Seite aufgegriffen und den Kopf von Künast in sprechender Pose um ein Zitat ergänzt: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz o. k. Ist mal gut jetzt.“ Unter dem Beitrag gab es zahlreiche herabsetzende Kommentare über die Politikerin.

Künast verlangte daraufhin von Facebook die Profildaten der Beleidiger. Der Konzern lehnte unter Verweis auf die Meinungsfreiheit ab. Das Landgericht Berlin wertete 2019 zunächst ebenfalls alle Kommentare als Meinungsfreiheit. Erst in zwei weiteren Verfahren befanden Land- und Kammergericht, dass zwölf von 22 beanstandeten Posts als strafbare Beleidigung anzusehen seien.

Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass auch die übrigen Kommentare Künasts Persönlichkeitsrecht verletzten. Zwar müssten Politikerinnen und Politiker scharfe Kritik durchaus hinnehmen, aber nicht jede „ins Persönliche gehende Beschimpfung“. „Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz der Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist“, hieß es in der Begründung. Das Kammergericht Berlin muss nun neu über den Fall verhandeln.

Künast twitterte, dies sei ein „guter Tag für die Demokratie“. Gemeinsam mit der Beratungsstelle HateAid, die das Verfahren finanzierte, erklärte sie, mit der Entscheidung seien die Fachgerichte künftig verpflichtet, konkrete Abwägungen im Einzelfall vorzunehmen. Sie werde zudem Auswirkungen für viele Menschen haben, die sich engagierten und Hate Speech teils organisiert ausgesetzt seien. Künast erklärte, sie rechne nach dem Votum aus Karlsruhe generell mit mehr Zurückhaltung auf Facebook, Twitter und anderen Kanälen: „Das ist ein Stück Rechtsgeschichte im digitalen Zeitalter“, sagte sie.



Deutsche-Welle-Verbot belastet deutsch-russische Beziehungen




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Die Bundesregierung verurteilt das von Russland verhängte Sendeverbot für die Deutsche Welle scharf. Das Büro des deutschen Auslandssenders in Moskau musste schließen.

Berlin (epd). Nach dem russischen Sendeverbot für die Deutsche Welle (DW) hat die Bundesregierung die Entscheidung als „völlig unbegründet“ verurteilt. Die „rein politisch motivierte Reaktion“ widerspreche der Pressefreiheit, erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am 4. Februar in Berlin. Das Auswärtige Amt sieht durch das DW-Verbot „eine erneute Belastung der deutsch-russischen Beziehungen“, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sprach von einem „Anschlag auf die Pressefreiheit“.

Das russische Außenministerium hatte am 3. Februar ein Sendeverbot für die DW in Russland verhängt, als Reaktion auf die „unfreundlichen Aktionen der BRD“ gegen den deutschsprachigen russischen Sender Russia Today (RT DE). Zudem kündigte das Ministerium Sanktionen gegen „Vertreter deutscher staatlicher und öffentlicher Strukturen an, die an der Einschränkung der Ausstrahlung von RT beteiligt sind“. Zuvor hatte die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten dem Sender RT DE wegen fehlender Lizenz die Ausstrahlung in Deutschland untersagt.

„Ausdruck einer großen Krise“

Vize-Regierungssprecher Büchner sagte, dass die Maßnahmen als Gegenreaktion auf die Entscheidung der ZAK dargestellt würden, sei „weder rechtlich noch inhaltlich nachvollziehbar“. Die Bundesregierung nehme in keiner Weise Einfluss auf die Entscheidung der Landesmedienanstalten, RT DE stehe es frei zu klagen. Auch sei die journalistische Arbeit von RT DE nicht eingeschränkt worden. Die Bundesregierung appellierte an die russische Seite, „die lizenzrechtlichen Probleme des Senders nicht für eine Beschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit zu missbrauchen“.

Eine Sprecherin von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wies den Vergleich zwischen der DW und RT DE zurück. Die DW und ihre Journalisten arbeiteten als unabhängige Medienanstalt, auf Grundlage der geltenden Gesetze und mit entsprechender Zulassung. RT DE dagegen sende im Moment ohne Lizenz und habe keine Zulassung beantragt, obwohl die Verbreitung des Rundfunkprogramms zulassungspflichtig sei. Auf das Verfahren könne und dürfe die Bundesregierung keinen Einfluss nehmen.

Die für Medien zuständige Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte im ARD-„Morgenmagazin“, Moskaus Entscheidung sei „Ausdruck einer großen Krise“ in den deutsch-russischen Beziehungen. Sie kündigte an, das Gespräch mit der russischen Kulturministerin Olga Ljubimowa zu suchen.

Unterdessen berichtete die DW selbst, ihr Büro in Moskau sei am Morgen des 4. Februar geschlossen worden, die DW-Journalisten sollten im Lauf des Tages ihre Akkreditierungen abgeben. Intendant Peter Limbourg bekräftigte im Deutschlandfunk, sein Haus werde alles daran setzen, die russische Bevölkerung auch künftig zu erreichen.



Verbreitung des russischen Fernsehprogramms RT DE untersagt



Berlin (epd). Die Landesmedienanstalten haben die Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE in Deutschland untersagt. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht begründete die Entscheidung nach Angaben der Medienanstalten vom 2. Februar damit, dass keine dafür erforderliche medienrechtliche Zulassung vorliege.

Das Programm RT DE sei ein zulassungspflichtiges Rundfunkprogramm, für das gemäß Medienstaatsvertrag eine Zulassung weder erteilt noch beantragt wurde, erklärten die Landesmedienanstalten in Berlin. Die Veranstaltung und Verbreitung des TV-Programms über Live-Stream im Internet, über die Mobile- und Smart-TV-App „RT News“ und über den Satelliten sei daher einzustellen. Die Veranstalterin von RT DE könne sich auf keine andere europarechtlich legitime Erlaubnis berufen.

Die RT DE Productions GmbH mit Sitz in Berlin veranstaltet laut Medienanstalten seit Dezember 2021 das Fernsehprogramm RT DE in eigener inhaltlicher Verantwortung. Das deutschsprachige, journalistisch-redaktionell gestaltete Programm richtet sich mit den Themenschwerpunkten Nachrichten, Dokumentation und Unterhaltung an ein deutsches Fernsehpublikum.

Am 17. Dezember 2021 leitete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) als örtlich zuständige Medienaufsicht ein medienrechtliches Verfahren ein, in dem die RT DE Productions als verantwortliches Unternehmen um Stellungnahme gebeten wurde. Da es sich um ein bundesweit verbreitetes Rundfunkprogramm handele, obliege die Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten, hieß es.



Journalistenorganisationen fordern Freilassung von Julian Assange



Wegen der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan drohen dem Wikileaks-Gründer Julian Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft. Journalistenorganisationen sprechen von einem Präzedenzfall und warnen vor den Folgen.

Berlin (epd). Journalistenorganisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fordern die Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz appellierten sie am 31. Januar in Berlin an die deutsche und die österreichische Bundesregierung sowie den Schweizer Bundesrat, sich in London und Washington für eine Freilassung des Gründers der Enthüllungsplattform Wikileaks einzusetzen und ihm in Deutschland, Österreich oder der Schweiz politisches Asyl zu gewähren.

Assange hatte ab 2010 Kriegsverbrechen der USA im Irak und Afghanistan öffentlich gemacht. Seit April 2019 ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London inhaftiert, wo er auf die Entscheidung wartet, ob er von Großbritannien an die USA ausgeliefert wird. Dort drohen ihm wegen seiner journalistischen Arbeit 175 Jahre Haft.

Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, forderte von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), bei seinem Besuch in Washington US-Präsident Joe Biden zu einer Einstellung des Verfahrens zu drängen. Die Koalition habe sich auf eine wertebasierte Außenpolitik verständigt, dazu gehöre auch die Verteidigung der Pressefreiheit, sagte Mihr.

„Julian Assange verdient keine Strafe sondern Dankbarkeit und Solidarität“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Frank Überall. Überall und die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Monique Hofmann, warnten vor einem verheerenden Signal an Journalisten und Whistleblower weltweit. „Es ist ungeheuerlich, dass ein demokratischer Staat einen Menschen verfolgt, der Missstände öffentlich macht“, sagte Hofmann.

„Immer häufiger arbeiten Reporter und Reporterinnen in internationalen Kooperationen, immer häufiger geht es um die Veröffentlichung großer Datenpakete“, sagte der Geschäftsführer des Netzwerks Recherche, Günter Bartsch. Missstände aufzudecken sei zentrale Aufgabe der Medien. Eine Auslieferung und Verurteilung von Assange wäre eine reale Gefahr für die Pressefreiheit - auch für deutsche Journalistinnen und Journalisten, warnte Bartsch.

Der weltweit vernetzte investigative Journalismus gefalle den Geheimdiensten nicht, erklärte der frühere Präsident des Österreichischen Journalistenclubs, Fred Turnheim. Bei dem Verfahren gegen Assange gehe es vor allem darum, diesen Journalismus zu schwächen. „Assange freizulassen, bedeutet Pressefreiheit anzuerkennen und zu beschützen“, betonte deshalb Pierre Ruetschi, Geschäftsführer des Club Suisse de la Presse/Geneva Press Club.

In einer Videobotschaft schlug der Investigativjournalist und Schriftsteller Günter Wallraff Assange und den in Russland inhaftierten russischen Kremlkritiker Alexej Nawalny für den Friedennobelpreis vor. Beide stünden für Aufklärung, der eine im Westen, der andere im Osten, sagte Wallraff, der bereits im Februar 2020 einen überparteilichen Aufruf zur Freilassung von Assange initiiert hatte. Auch Wallraff warnte, mit Assange solle ein Präzendenzfall für den Aufdeckungsjournalismus insgesamt geschaffen werden.



Anzeigenblätter-Verband distanziert sich von einseitigen Berichten



Erfurt (epd). Der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BDVA) distanziert sich von Gratis- Zeitungen, die Misstrauen gegen Regierungen, Medien und Wissenschaftler schürten sowie falsche Informationen verbreiteten. Er beobachte „mit großer Sorge, wie einseitige Berichterstattung den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ bedrohe, sagte BDVA-Hauptgeschäftsführer Jörg Eggers MDR Thüringen.

In seiner Kritik bezog er sich laut MDR unter anderem auf das Gratis-Blatt „Neues Gera“ aus dem Verlag Dr. Frank. Dazu sagte der Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, dem Sender: „Das Blatt wie auch andere solche Blätter dienen zur analogen Kommunikation von neuen Rechten, Rechtsextremisten und deren Umfeld in die Mitte der Gesellschaft. Dafür dienen also nicht nur Telegram und Internet, sondern auch die kostenlose Zeitung im Briefkasten.“

Ähnlich hatte sich Kramer nach MDR-Angaben bereits im Dezember über die „Südthüringer Rundschau“ aus dem Kurierverlag geäußert. Solche Lokalblätter mit hoher Auflage und dieses insbesondere würden von der Querdenken-Szene und bekannten Extremisten benutzt, um ihr Gift unters Volk zu bringen.

Der Branchenverband BDVA vertritt nach eigenen Angaben drei Viertel der Anzeigenblätter in Deutschland. Dazu gehören 181 Verlage mit insgesamt 635 Titeln und einer Wochenauflage von knapp 49 Millionen Exemplaren. Die von Hauptgeschäftsführer Jörg Eggers kritisierten Verlage zählen laut MDR nicht zu den Verbandsmitgliedern.



Komplette Überwachung außerhalb der Spiele-Blase



Schon seit Jahren wird es immer enger für die Pressefreiheit in China. Zu den Olympischen Winterspielen 2022 ist klar: Die Lage ist verheerend.

Frankfurt a.M. (epd). Es steht schlimm um die Pressefreiheit in China. Das zeigt unter anderem eine Liste der „One Free Press Coalition“. Die globale Initiative aus über 30 Medien und Medienunternehmen führt dort monatlich die zehn drängendsten Fälle an Ungerechtigkeiten gegen Journalisten, Blogger und Autoren auf. Alle zehn Plätze des Januar-Rankings sind mit Medienschaffenden aus China belegt. Vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking wirft das erneut ein Schlaglicht auf die sich seit Jahren drastisch verschlechternde Lage.

Auf der Liste finden sich prominente Namen wie der des inhaftierten Hongkonger Medienunternehmers und pro-demokratischen Aktivisten Jimmy Lai. Dahinter folgt die ebenfalls im Gefängnis sitzende Bürgerjournalistin Zhang Zhan. Sie hatte kritisch über den staatlichen Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus in Wuhan berichtet und war Ende 2020 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Wegen eines Hungerstreiks ist ihr Gesundheitszustand lebensbedrohlich. Genannt wird auch der uigurische Autor, Blogger und Gelehrte Ilham Tohti. Der unter Vorwürfen des Separatismus Verurteilte sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab.

„Meer der Unterdrückung“

Nach Einschätzung des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz in New York haben sich die damals vor der Sommerolympiade 2008 abgegebenen Versprechen für mehr Pressefreiheit als wertlos erwiesen. Zu den Spielen 2022 existierten sie gar nicht erst. Der Radius für Berichterstatter sei auf das Olympische Dorf beschränkt. Innerhalb dieser „Blase der Spiele“ habe man ihnen jedoch freien Zugang zum Internet und zu sozialen Medien versprochen, der überall sonst in China verweigert werde.

Allerdings stelle sich die Frage, ob China und das Internationale Olympische Komitee diese Blase in Chinas „riesigem Meer der Unterdrückung“ aufrechterhalten können. Laut einem Bericht des CPJ vom Dezember erreichte die Zahl der weltweit inhaftierten Reporter mit 293 einen neuen Höchststand - allein in China gibt es 50 von der Organisation dokumentierte Fälle. Auf der Rangliste zur weltweiten Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ belegt China Platz 177 von 180 Ländern. Die Journalistenorganisation spricht von mindestens 128 inhaftierten Medienschaffenden.

Der von der kommunistischen Führung zunächst unter dem Mantel gehaltene Ausbruch von Covid-19 vor über zwei Jahren hat auch die Arbeitsbedingungen ausländischer Reporterinnen und Reporter weiter verschlimmert: Die Staatsmacht habe alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt, darunter zur Eindämmung des Coronavirus eingeführte Überwachungssysteme, um Journalisten zu schikanieren, einzuschüchtern oder auszuweisen, erklärte der Klub der Auslandskorrespondenten (FCCC) schon im März 2021.

Zwei Drittel der ausländischen Berichterstatter bei Arbeit behindert

Laut einem neuen veröffentlichten FCCC-Bericht gaben nun 62 Prozent der ausländischen Korrespondentinnen und Korrespondenten an, mindestens einmal von der Polizei oder anderen Beamten behindert worden zu sein. Nach Besuchen in der Region Xinjiang, wo die Internierung von Hunderttausenden Angehörigen der muslimischen Uiguren-Minderheit für einen internationalen Aufschrei sorgte, sagten gar 88 Prozent, sie seien sichtbar verfolgt worden. Mehr als ein Viertel der Befragten gab an, ihre Quellen seien mehr als einmal von der Polizei belästigt, inhaftiert oder vorgeladen worden.

Vor den Olympischen Winterspielen kritisierte die Vereinigung „mangelnde Transparenz und Klarheit“: Das ausländische Pressekorps sei kontinuierlich in seiner Berichterstattung über die Vorbereitungen behindert worden. So sei die Teilnahme an Routineveranstaltungen sowie der Besuch von Sportstätten verweigert worden.

Warnung vor chinesischer Olympia-App

Kritiker befürchten weitere Zugriffe: Kürzlich warnten ausländische Experten vor Mängeln der chinesischen Olympia-App „My2022“. Athletinnen und Athleten, Funktionäre sowie Gäste mussten diese 14 Tage vor Einreise herunterladen. Wegen einer „simplen, aber verheerenden Schwachstelle“ könnten bei Anwendung persönliche Daten abgefangen werden, teilte die auf Cybersicherheit spezialisierte interdisziplinäre Forschungsstelle „Citizen Lab“ an der kanadischen Universität Toronto mit. In der App machte „Citizen Lab“ auch eine bislang nicht aktivierte Liste mit in China „illegalen“ Begriffen aus. Darunter sind Schlagworte wie „Tiananmen“, „Uiguren“ oder „Dalai Lama“.

Olympia-Teilnehmenden wurde geraten, keine privaten Handys oder Laptops mitzubringen. Stattdessen solle man speziell für die Reise ausgewähltes „Wegwerf“-Equipment und vorübergehende Mail-Accounts nutzen. Unter anderem warnte das CPJ: „Gehen Sie davon aus, dass alles, was Sie online tun, überwacht wird.“

Von Nicola Glass (epd)


Neuer MDR-Rundfunkrat nimmt Arbeit auf



Leipzig (epd). Der neu zusammengesetzte MDR-Rundfunkrat hat seine Arbeit aufgenommen. Das Aufsichtsgremium kam am 31. Januar zu Beginn seiner sechsten Amtsperiode wegen der anhaltenden Corona-Pandemie per Videokonferenz zur konstituierenden Tagung zusammen, sagte die amtierende Vorsitzende Gabriele Schade in Leipzig.

Der MDR-Rundfunkrat habe sich darauf verständigt, dass bei der Zusammensetzung seiner Ausschüsse und bei der Wahl der Vorsitzpositionen maximal ein Drittel der Plätze von Mitgliedern eingenommen werden soll, die der staatlichen Seite zuzurechnen seien. Damit beachte das Gremium die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die an vielen Stellen Eingang in den neuen MDR-Staatsvertrag gefunden hätten.

Angesichts mehrerer noch nicht besetzter Plätze aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sollen die Zusammensetzung der Ausschüsse und die Wahlen zum Vorsitz des MDR-Rundfunkrats in der März-Sitzung vorgenommen werden. Bis dahin führe sie weiter die Geschäfte, kündigte Schade an.

Als nächstes wird das Gremium nach ihren Angaben eine Einigung darüber erzielen müssen, welche Organisationen Personen auf die aktuell noch umstrittenen Plätze im Rundfunkrat entsenden dürfen. Dies sei im 2021 novellierten MDR-Staatsvertrag so geregelt. Konkret betreffe dies je zwei Sitze für Arbeitnehmerverbände aus Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie einen Sitz für die Kulturverbände aus Sachsen.

Insgesamt gehören dem neuen Rundfunkrat 50 Mitglieder an. Seine Aufgabe ist es darüber zu wachen, dass die Dreiländeranstalt ihren staatsvertraglichen Auftrag erfüllt. Eine Amtszeit beträgt sechs Jahre.



Private Lokalfernsehsender starten "SACHSEN eins"



Dresden (epd). In Sachsen haben acht private Lokalfernsehsender ein gemeinsames 24-Stunden-Programm gestartet. Über einen Satellitenkanal sendet seit 1. Februar „SACHSEN eins“. Dafür seien Inhalte aus acht privaten Lokalfernsehangeboten zusammengeschlossen worden, teilte die Sächsische Satellitenkanal GmbH in Dresden mit. Die technische Verbreitung wurde durch die Sächsische Landesmedienanstalt gefördert.

Beiträge sollen aus allen Teilen Sachsens kommen, etwa aus den Städten Dresden, Chemnitz und Leipzig, aber auch aus dem Vogtland, dem Erzgebirge und der Lausitz sowie aus der Region um Meißen. Mit der Ausstrahlung via Satellit erreiche „SACHSEN eins“ eine hohe Reichweite, hieß es. Ziel dieses Projektes sei, den Zugang zu lokalem Fernsehprogramm sachsenweit zu ermöglichen. Den Angaben zufolge hatten bisher 40 Prozent der sächsischen Haushalte keine Möglichkeit, Regionalfernsehen zu empfangen.

Unter dem Titel „SACHSEN aktuell“ sollte am 1. Februar ein neues Nachrichtenmagazin beginnen. Es erscheint werktags 20 Uhr und soll das Fernsehpublikum mit tagesaktuellen Nachrichten aus Sachsen versorgen. Zwischen 16 und 20 Uhr verbreiten die Lokalfernsehveranstalter ihre regionalen Inhalte. Das Mantelprogramm werde gemeinsam gestaltet und bediene verschiedene Interessen der Fernsehzuschauer, hieß es.



Linksextreme Tageszeitung "junge Welt" wird 75



Berlin (epd). Die linksextreme Tageszeitung „junge Welt“ begeht ihr 75-jähriges Bestehen. Das in Berlin herausgegebene Blatt war erstmals am 12. Februar 1947 erschienen. Zu DDR-Zeiten gehörte das Zentralorgan der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) zusammen mit dem „Neuen Deutschland“ zu den auflagenstärksten Tageszeitungen überhaupt. Heute hat die „junge Welt“ nach Angaben des Verlages 8. Mai GmbH noch eine verkaufte Auflage von täglich 19.800 Exemplaren. Der Verfassungsschutz stuft die Zeitung als linksextremistisch ein.

Aus Anlass des 75. Jahrestages der Erstherausgabe bringt die Zeitung am kommenden Mittwoch (9.2.) eine zwölfseitige Beilage heraus, teilte der Verlag mit. Diese werfe Schlaglichter auf verschiedene Aspekte der wechselvollen Geschichte der Zeitung.

Nach der Wende war das Blatt 1991 von der Treuhandanstalt verkauft worden. Seit 1995 erscheint die „junge Welt“ im Verlag 8. Mai GmbH. Dieser gehört seit Ende der neunziger Jahre mehrheitlich einer Genossenschaft.

Im Verfassungsschutzbericht 2020 wird die „kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung“ als das „bedeutendste und (...) auflagenstärkste Medium im Linksextremismus“ bezeichnet. Die Zeitung sei „mehr als ein Informationsmedium“. Sie wirke auch als politischer Faktor. Einzelne Redaktionsmitglieder seien dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.



taz-Vorstand stellt sich neu auf



Berlin (epd). Der langjährige Geschäftsführer der „tageszeitung“ (taz), Andreas Bull, geht Ende Januar in den Ruhestand. Bull habe die Zeitung über 30 Jahre lang gemeinsam mit dem bereits Ende 2019 ausgeschiedenen Karl-Heinz Ruch als Geschäftsführer geführt, teilte der „taz“-Verlag am 31. Januar in Berlin mit. Den beiden sei zu verdanken, dass die „tageszeitung“ heute auf der Basis einer starken Genossenschaft mit fast 22.000 Mitgliedern eine gute wirtschaftliche Grundlage und eine Strategie für die Zukunft im digitalen Zeitalter hat.

Bereits im Februar 2019 war Andreas Marggraf in die Geschäftsführung der „taz“ aufgenommen worden, im Juni 2020 wurde die Geschäftsführung weiter durch Aline Lüllmann verstärkt. Mit dem Ausscheiden von Andreas Bull aus der Geschäftsführung der „tageszeitung“ finde nun auch ein Wechsel im Vorstand der Genossenschaft statt. Lüllmann rücke für Bull als geschäftsführendes Vorstandsmitglied in den Vorstand der „taz“-Genossenschaft auf.

Gemeinsam mit der Chefredaktion und dem gewählten Vorstand verantworteten Lüllmann und Marggraf insbesondere den Entwicklungsprozess, der die taz auf den Tag vorbereite, an dem sie aus finanziellen und logistischen Gründen nicht mehr täglich gedruckt erscheinen kann, hieß es weiter. Sie werde weiter als digitale Tageszeitung in der App, als gedruckte Wochenendausgabe und online eine wichtige Stimme in der deutschen Medienlandschaft bleiben.



"Er sollte sich Bildermacher nennen"




Gerhard Richter
epd-bild/Rolf Zöllner
Dresden feiert Gerhard Richter. Zum 90. Geburtstag präsentieren die Staatlichen Kunstsammlungen eine sehr persönliche Schau. Der Maler hat sie selbst konzipiert.

Dresden (epd). Farbquadrate werden in Glasscheiben gebrochen oder in einem Spiegel wiederholt. Gedruckte Streifen auf Papier ziehen sich über die gesamte Wand. Mittendrin ein Selbstporträt des Jubilars Gerhard Richter. Zum seinem 90. Geburtstag hat der berühmte Maler sich und seiner Heimatstadt Dresden ein Geschenk gemacht: Eine sehr persönliche Ausstellung mit Porträts seiner Familie und Werken, die ihm besonders wichtig sind. Von Samstag an sind bis zum 1. Mai im Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) 40 Arbeiten aus Richters eigenem Besitz und aus der von ihm gegründeten Stiftung zu sehen.

In drei Räumen präsentiert die Dresdner Schau „Gerhard Richter. Portraits. Glas. Abstraktionen“ auch Landschaftsbilder, abstrakte Werke, eines seiner berühmten Streifenbilder und die Installation „9 Stehende Scheiben“. Zu sehen ist das „Abstrakte Bild“ von 2017 mit der Werknummer 952-4, das letzte dieser Art in Richters Schaffen. Der Maler hatte 2020 erklärt: „Bilder kommen, glaube ich, nicht mehr. Irgendwann ist eben Ende. Das ist nicht so schlimm.“

Es sei eine präzise, feine und bescheidene Ausstellung, die den Kern seines Werkes vorstellt, sagte SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann. Im Zentrum der Schau in drei Räumen stehe das Selbstporträt, eine Leihgabe aus dem Museum of Modern Art in New York. In räumlicher Nähe, aber nicht unmittelbar daneben sind die Familienbilder aufgereiht, die seine dritte Ehefrau Sabine und seine Kinder zeigen.

Richter gilt als einer der einflussreichsten zeitgenössischen Künstler. Seine Werke sind in Museen weltweit vertreten. Er habe die Geburtstagsausstellung selbst konzipiert, sagte der Leiter des Dresdner Gerhard Richter Archivs, Dietmar Elger. Auch die Anordnung der Werke. Die Kunstsammlungen hätten auch andere Hängungen probiert, aber Richters Version sei am Ende doch die Beste gewesen. Er habe eben ein Gefühl für den Raum.

Gerhard Richter wurde am 9. Februar 1932 in Dresden geboren und studierte zunächst an der dortigen Hochschule für Bildende Künste. Nach seiner Flucht in die Bundesrepublik 1961 absolvierte er ein zweites Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und lehrte dort von 1971 bis 1994 als Professor für Malerei. Richter lebt heute in Köln.

Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) wollte am Abend gemeinsam mit SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann die Ausstellung eröffnen. Auch Richters Ehefrau Sabine Moritz und seine Kinder waren angekündigt.

„Gerhard Richter ist ein Ausnahmekünstler von Weltrang“, würdigte Klepsch den Jubilar vorab. Er sei „untrennbar mit Sachsen und mit Dresden verbunden“. Die starke Verbundenheit mit seiner Heimatstadt habe er unter anderem nach der Hochwasserkatastrophe im August 2002 gezeigt. Zur Unterstützung der Kunstsammlungen spendete Richter damals das Gemälde „Fels (694)“.

„Er sollte sich nicht Maler nennen, sondern Bildermacher“, sagte der Richter-Biograf und -Experte Elger über das vielseitige, experimentelle Schaffen des Gegenwartskünstlers. Zugleich bestätigte er, dass Richter sein malerisches Werk vollendet habe, er zeichne jetzt viel. Aber: „Man weiß nie, wie es kommt“.

Die Ausstellung „Gerhard Richter. Portraits. Glas. Abstraktionen“ ist im Dresdner Albertinum vom 5. Februar bis 1. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen.

Von Katharina Rögner (epd)


Dresdner Musikfestspiele locken mit vielfältigem Programm



Nach zwei Jahren Pandemie setzen die Dresdner Musikfestspiele ab Mai voll auf Präsenz. Geboten wird ein abwechslungsreiches Programm. Ein Schwerpunkt ist wieder die "Cellomania" mit weltberühmten Interpreten.

Dresden (epd). Die Dresdner Musikfestspiele setzen in diesem Jahr komplett auf Präsenzkonzerte und präsentieren ab 11. Mai für vier Wochen zahlreiche, auch ungewöhnliche Ensembles. Unter dem Motto „Zauber“ stehen bis zum 10. Juni 66 Konzerte in 24 Spielstätten auf dem Programm, wie der Intendant der Musikfestspiele, Jan Vogler, am 2. Februar in Dresden erklärte.

Wegen der Corona-Pandemie müsse mit einem verringerten Platzangebot in einzelnen Spielstätten gerechnet werden, hieß es weiter. Auf im Internet gestreamte Live-Konzerte soll zum jetzigen Zeitpunkt verzichtet werden. Der Festspieletat liegt in diesem Jahr den Angaben zufolge bei rund 4,5 Millionen Euro.

Eröffnet werde das Festival mit einer multimedialen Neuinszenierung der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) unter der Regie des US-Amerikaners Roman Coppola („Mozart in the Jungle“), sagte Vogler. Das Dresdner Festspielorchester unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi wird dazu auf historischen Instrumenten der Zeit spielen.

Als weiteren Höhepunkt bezeichnete Vogler die zweite Auflage von „Cellomania“, zu dem rund 40 Cellisten und Cellistinnen aller Sparten für 19 Konzerte nach Dresden eingeladen wurden. Zu diesem „Festival im Festival“ werden weltberühmte Interpreten wie Mischa Maisky, Sol Gabetta und die Band Apocalyptica erwartet.

Das London Philharmonic Orchestra präsentiert das diesjährige Auftragswerk des Festivals des Komponisten Thomas Adès, der auch als Dirigent neben der Uraufführung seiner Suite nach der Oper „The Tempest“ sein Werk „In Seven Days“ für Klavier und Orchester am Pult leiten wird. Solist ist der isländische Pianist Víkingur Ólafsson. Geplant ist auch ein Auftritt des Orchesters der Mailänder Scala unter der Leitung von Riccardo Chailly mit dem Geiger Ray Chen als Solisten. Die Wiener Philharmoniker unter Andris Nelsons, das Chamber Orchestra of Europe unter Simon Rattle mit der Sopranistin Magdalena Kožená und dem Tenor Andrew Staples sowie das Budapest Festival Orchester unter Iván Fischer stehen ebenso auf dem Festivalplan. Jenseits der klassischen Musik präsentieren sich unter anderem der amerikanische Singer-Songwriter Raul Midón, der britische Jazz-, Funk- und HipHop-Künstler Kamaal Williams und die mehrfache „Grammy“-Gewinnerin Angélique Kidjo.

Vogler betonte, „die Bedeutung von Kunst und Kultur ist allen Künstlern, aber auch dem Publikum, gerade jetzt existenziell bewusst“. Annekatrin Klepsch, Kultur- und Tourismusbürgermeisterin Dresdens, verwies auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt, die auch bei den Festspielen zur Anwendung käme. So ist es Ziel der Intendanz, die CO2-Bilanz der an- und abreisenden Musiker und Ensembles wie auch der Besucher zu reduzieren. Unter anderem werde in Kooperation mit dem Festivalsponsor Volkswagen verstärkt auf E-Mobilität gesetzt, sagte Ulrike Jessel, Verwaltungsdirektorin und stellvertretende Intendantin.



Chemnitzer Kunstsammlungen starten mit Bauhaus und Moderne



Chemnitz (epd). Die Chemnitzer Kunstsammlungen präsentieren im Frühjahr eine Ausstellung mit Bildern des Expressionismus. Unter dem Titel „Brücke und Blauer Reiter“ seien vom 27. März an Meisterwerke der klassischen Moderne zu sehen, teilten die Kunstsammlungen am 3. Februar mit. Im Mittelpunkt stehen Hauptwerke der beiden wegweisenden Künstlergruppen „Brücke“ und „Blauer Reiter“, darunter Bilder von Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc und Wassily Kandinsky. Die Arbeiten spiegelten den Willen zu Freiheit und Aufbruch.

Die Ausstellung, die bis zum 26. Juni in Chemnitz gezeigt wird, ist eine Kooperation des Buchheim Museums im bayerischen Bernried, des Von der Heydt-Museums in Wuppertal und der Kunstsammlungen. Die „Brücke“ gilt als einer der Wegbereiter des Expressionismus in Deutschland. Der „Blaue Reiter“ schloss sich 1911 in München zusammen.

Bereits von Sonntag an (6. Februar) widmet sich eine Retrospektive im Museum Gunzenhauser dem Bauhaus-Künstler Max Peiffer Watenphul (1896-1976). Zu sehen sind bis zum 15. Mai Bilder des Italien-Liebhabers und promovierten Juristen, der an der Folkwangschule in Essen lehrte.

Im Sommer ehren die Kunstsammlungen im Hauptgebäude am Theaterplatz Leben und Werk des Chemnitzer Künstlers Michael Morgner. Anlass ist dessen 80. Geburtstag. Zudem ist im Jahresprogramm im November eine Ausstellung zur Fotografie in Tschechien zwischen 1948 und 1968 geplant.

Zu den Kunstsammlungen Chemnitz gehören neben dem Ausstellungsgebäude am Theaterplatz das Museum Gunzenhauser, das Schloßbergmuseum, das Henry van de Velde Museum und das Carlfriedrich Claus Archiv.



Sächsische Theater engagieren sich für Impfkampagne



Dresden (epd). Immer mehr sächsische Theater und Orchester werben für das Impfen gegen das Coronavirus. An der Kampagne „Impfen schützt auch die Kultur“ seien inzwischen 18 Theater im Freistaat beteiligt, teilte das Kulturministerium am 4. Februar in Dresden mit. Mit Bannern, Appellen und Impfaktionen werben sie für dieses Anliegen.

Die Oper Leipzig, das Theater Chemnitz, die Sächsischen Staatstheater und das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen haben außerdem laut Ministerium ihre Foyers als Impfzentren zur Verfügung gestellt. Das Gerhart-Hauptmann Theater Görlitz-Zittau bot in einem Livestream den Bürgerinnen und Bürgern eine Impfsprechstunde an.

„Theater ist eine direkte Kunst, die man gemeinsam erleben sollte. Vor und auf der Bühne“, erklärte der Vorsitzende des Landesverbands Sachsen im Deutschen Bühnenverein, Lutz Hillmann. Um wieder uneingeschränkt arbeiten zu können, vor vollen Häusern und für ein Publikum brauche es eine hohe Impfquote. Andere europäische Länder würden zeigen, wie es geht.

Auch wenn der Lockdown beendet sei und Theater und Orchester unter großen Einschränkungen wieder spielen dürften, seien Häuser von einem normalen Spielbetrieb noch weit entfernt, erklärte Hillmann. Die Impfquote in Sachsen lag am Freitag laut Gesundheitsministerium bei 62,9.



23 Millionen Euro für Leipzigs Festivallandschaft



Leipzig (epd). Die Festivallandschaft in Leipzig soll mit Millioneninvestitionen weiterentwickelt werden. Das Vorhaben soll mit Fördermitteln in Höhe von 21 Millionen Euro vom Bund und dem Land Sachsen umgesetzt werden, wie die Stadtverwaltung am 1. Februar in Leipzig mitteilte. Die Stadt selbst will das Projekt „Internationale Festivallandschaft Freie Szene Leipzig“ mit 2,1 Millionen Euro bezuschussen. Der Stadtrat soll im März über einen entsprechenden Grundsatzbeschluss entscheiden.

Der angestrebte Grundsatzbeschluss sei eine konsequente Fortschreibung der Entwicklung Leipziger Festivallandschaft und soll den Fokus auf freie Festivals wie Dok Leipzig, Literarischer Herbst, Jazztage oder Kammermusikfestival - Conspirito legen, wie die Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke sagte: „Die Freie Szene spielt für das kulturelle Leben unserer Stadt eine zentrale Rolle.“

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth (Grüne), und das sächsische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Tourismus haben den Angaben zufolge jeweils Mittel in Höhe von 10,5 Millionen Euro in Aussicht gestellt. „Die geplanten Investitionen werden dazu beitragen, Leipzig als national und international anerkannte, weltoffene Kulturstadt weiter zu etablieren“, so Kulturbürgermeisterin Jennicke.



Jahresprogramm der Franckeschen Stiftungen




Franckeschen Stiftungen in Halle
epd-bild/Steffen Schellhorn
Das Jahresprogramm der Franckeschen Stiftungen zu Halle steht unter dem Motto "Ganz im Affekt". Aus verschiedenen Perspektiven soll hinterfragt werden, wie viele Emotionen der gesellschaftliche Zusammenhalt verträgt, welche Rolle Gefühle in Politik und Medien spielen und was letztlich glücklich macht.

Halle (epd). Die Franckeschen Stiftungen zu Halle stellen ihr Jahresprogramm 2022 unter das Motto „Ganz im Affekt“. Aus verschiedenen Perspektiven solle hinterfragt werden, wie viele Emotionen der gesellschaftliche Zusammenhalt verträgt, welche Rolle Gefühle in Politik und Medien spielen und was letztlich glücklich macht, erklärte die Stiftung am 3. Februar in Halle. Zu den erwarteten Gästen zählen die Grünen-Politikerin Renate Künast, die Journalistin Dunja Hayali, die Liedermacherin Dota Kehr und der Publizist Hans Ulrich Gumbrecht.

Insgesamt würden vier Ausstellungen vorbereitet. Herzstück sei „Die Macht der Emotionen“ vom 19. März bis zum 5. Februar 2023. Als „interaktiver Gefühls-Parcours“ stehe die Relevanz von Emotionen im Mittelpunkt. Die Kabinettausstellung in der Historischen Bibliothek „Fromme Gefühle in Text und Bild in alten Büchern“ vom 21. April bis 6. November verorte das Jahresthema in der Stiftungsgeschichte.

Über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kämen zum sechsten Internationalen Kongress für Pietismusforschung Ende August zusammen. Die Franckeschen Stiftungen bereiteten auch 2022 einen zweiten Antrag zur Aufnahme in das Unesco-Welterbe vor. Höhepunkt werde dabei im Oktober eine internationale Tagung zu frühneuzeitlichen Schularchitekturen und Bildungsräumen sein.

Die Franckeschen Stiftungen wurden 1698 als pietistisches Sozial- und Bildungswerk von August Hermann Francke (1663-1727) gegründet. Heute beherbergen sie eine Vielzahl kultureller, wissenschaftlicher, pädagogischer und sozialer Einrichtungen, wie die Kulturstiftung des Bundes.



Drittgrößte Pfeife bei Cage-Orgel-Projekt verstummt




Orgel in der Burchardikirche (Archivfoto)
epd-bild / Frank Drechsler
Bei dem auf 639 Jahre ausgelegten Orgelstück des US-amerikanischen Avantgardekünstlers John Cage in Halberstadt ist ein weiterer Klangwechsel vollzogen worden. Nach 15 Monaten verstummte bei dem Vorhaben das "Gis".

Halberstadt (epd). Bei dem auf 639 Jahre ausgelegten Orgelstück des US-amerikanischen Avantgardekünstlers John Cage (1912-1992) im sachsen-anhaltischen Halberstadt ist am 5. Februar ein weiterer Klangwechsel vollzogen worden. Nach 15 Monaten verstummte bei dem Vorhaben „ORGAN2/ASLSP“ (As Slow aS Possible) das „Gis“. Während die drittgrößte Pfeife der Orgel in der Halberstädter Buchardikirche damit nun schweigt, werden die sechs anderen Töne weitergespielt.

Im 21. Jahr des weltweit einmaligen Projektes wurde damit nach Angaben der John-Cage-Orgel-Stiftung der 15. Klangwechsel vollzogen. Die Orgeltöne werden durch einen elektrisch betriebenen Blasebalg Tag und Nacht gehalten. Finanziert wird das auch international beachtete Projekt laut Stiftung über Spenden und Eigenmittel.

Die romanische Burchardikirche, um 1050 errichtet, ist eine der ältesten Kirchen in der Harzstadt. 1810 wurde sie nach den Angaben der Stiftung säkularisiert und diente 190 Jahre lang als Scheune, Lagerschuppen, Schnapsbrennerei und Schweinestall. Eigens für das John Cage-Projekt wurde sie saniert.

Für Halberstadt sei der Klangwechsel ein wunderbarer Moment, sagte Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Kommunalpolitiker war bei dem minimalistischen Spektakel vor Ort dabei.

Das Spendenaufkommen für das Projekt ist laut Stiftung rückläufig. In der Frage einer zukünftigen institutionellen Förderung habe es bisher keine Bewegung gegeben. Insofern sei die aktuelle Situation hinsichtlich der Weiterführung des Projektes „eher beunruhigend“, hieß es von der Stiftung.



Millionen für mittelalterliche Kaiserpfalz Memleben



Memleben (epd). Das Gelände der ehemaligen Kaiserpfalz in Memleben im Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt) soll schon bald barrierefrei erkundet werden können. Das Land fördere zusammen mit dem Bund das Vorhaben mit 4,08 Millionen Euro, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am 4. Februar bei einem Besuch der historischen Stätte unweit der Landesgrenze zu Thüringen. Seine Blütezeit mit reichsweiter Bedeutung erlebte die Pfalz während der Herrschaft der sächsischen Könige Heinrich I. „der Vogler“ (876-936) und Otto I. „der Große“ (912-973), die auch beide in Memleben starben.

Beim Umbau sollen auch Räumlichkeiten für Schulklassen entstehen, die zur Erweiterung der museumspädagogischen Angebote dienen. Darüber hinaus werde ein Aufzug errichtet und der bereits existierende Seminarraum für die Wintermonate nutzbar gemacht, hieß es aus der Staatskanzlei.

Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich den Angaben zufolge auf 4,3 Millionen Euro. Bund und Land stemmten mit 95 Prozent den Löwenanteil der Ausgaben. Die Umsetzung soll bis 2024 abgeschlossen sein.

Haseloff dankte der Stiftung Kloster und Kaiserpfalz Memleben für ihr Engagement. Sie mache sich nicht nur um das kulturelle Erbe des Burgenlandkreises verdient, sondern auch um die strukturelle Entwicklung der ganzen Region.

Landrat Götz Ulrich (CDU) hob Memleben als Sterbe- und Memorialort der Ottonischen Herrscher im Mittelalter und damit als einen wichtigen Ort der deutschen Geschichte hervor. „Mit der Förderung können wir diese Geschichte und das mittelalterliche Klosterleben den Schülerinnen und Schülern noch besser vermitteln“, erklärte er.



Sorbisches Zejler-Kocor-Jahr feierlich eröffnet



Bautzen (epd). Die Lausitzer Sorben ehren den Dichter Handrij Zejler (1804-1872) und den Komponisten Korla Awgust Kocor (1822-1904) in diesem Jahr mit rund 30 Veranstaltungen. Am 1. Februar wurde im ostsächsischen Lohsa das Zejler-Kocor-Jahr eröffnet, wie der sorbische Dachverband Domowina in Bautzen mitteilte. Anlass ist der 150. Todestag des evangelischen sorbischen Pfarrers Zejler und der 200. Geburtstag von Kocor.

Das Festjahr soll an das Wirken und kulturelle Erbe der beiden Sorben erinnern, die freundschaftlich verbunden waren. Das gemeinsame Werk, das Lied „Schöne Lausitz“, erreichte des Rang einer sorbischen Hymne. Höhepunkt des Festjahres ist am 29. Oktober ein Konzert in Bautzen mit mehr als 300 Sängerinnen und Sängern aus der Lausitz.



Käthe-Kollwitz-Haus bekommt Mittel aus DDR-Parteivermögen



Moritzburg (epd). Das Käthe-Kollwitz-Haus im sächsischen Moritzburg erhält 100.000 Euro aus dem ehemaligen DDR-Parteivermögen. Das Geld soll in Sanierungs- und Umbaumaßnahmen fließen, wie das Museum am 1. Februar in Moritzburg mitteilte. So sei etwa das Haus bisher nicht barrierefrei. Die Künstlerin und Grafikerin Käthe Kollwitz (1867-1945) hatte in dem Gebäude nahe des Moritzburger Schlosses ihre letzten Lebensmonate verbracht. Sie kam im Sommer 1944 auf Initiative des Prinzen Ernst Heinrich von Sachsen (1896-1971) nach Moritzburg bei Dresden. Der Prinz, ein Verehrer ihrer Kunst, richtete für sie zwei Räume im sogenannten Rüdenhof ein. Kollwitz lebte dort bis zu ihrem Tod am 22. April 1945.

Die Mittel kommen aus dem Vermögen ehemaliger Parteien und Massenorganisationen der DDR (PMO), das auf die ostdeutschen Bundesländer verteilt wird. Vorgabe ist dabei, das Geld für Maßnahmen der wirtschaftlichen Umstrukturierung oder für investive oder investitionsfördernde Maßnahmen im sozialen und kulturellen Bereich einzusetzen.

Der kulturpolitische Sprecher der sächsischen SPD-Fraktion, Frank Richter, begrüßte die Zuwendung für das Käthe-Kollwitz-Haus. Damit werden „viel ehrenamtliches Engagement, Beharrlichkeit und jahrelange Bemühungen gewürdigt und honoriert“, erklärte er. Richter setzt sich seit Jahren für das Museum ein.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hatte bei einem Besuch in Moritzburg 2021 angeregt, das Hau in das Blaubuch der kulturellen Gedächtnisorte aufzunehmen. Vor einiger Zeit stand der Erhalt des Museums noch auf der Kippe.



Brandenburgs Landeskunstmuseum plant 21 Ausstellungen



Cottbus (epd). Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst plant in diesem Jahr 21 neue Ausstellungen an den Standorten Cottbus und Frankfurt an der Oder. Auftakt des Ausstellungsjahres ist eine Präsentation von Werken des Leipziger Malers Sebastian Burger im Packhof Frankfurt an der Oder. Sie wird am Sonntag eröffnet, teilte das Museum am 3. Februar in Cottbus mit. Zwei Wochen später folgt im Cottbusser Dieselkraftwerk eine Doppelausstellung mit Fotografien von Robin Hinsch und Andréas Lang zu Industrie und Deindustrialisierung außerhalb Europas.

In weiteren Ausstellungen werden unter anderem Fotografien von den 70er Jahren bis zur Gegenwart zum Thema „Dorfleben“ gezeigt und Arbeiten des französischen Fotografen Willy Ronis präsentiert, der den Angaben zufolge neben Henri Cartier-Bresson und Robert Doisneau zu den prominentesten Vertretern der „humanistischen Fotografie“ zählt. Im Mittelpunkt stehe dort einer der ersten künstlerischen Blicke von außen auf das Leben in der DDR. Zum Jahresende ist eine Ausstellung mit Arbeiten der US-amerikanischen Fotografin Ruth Orkin geplant, die als Pionierin der Fotografie mit weiblichem Blick gelte und sich in den 40er und 50er Jahren einen internationalen Namen gemacht habe.

Im Mittelpunkt des Programms stehen den Angaben zufolge die Sammlungsbestände, die sich aus Kunst aus der DDR sowie nachfolgenden künstlerischen Traditionslinien zusammensetzen. 2021 hätten trotz coronabedingter Schließzeiten rund 12.000 Besucher die insgesamt 16 Ausstellungen gesehen, knapp ein Drittel der durchschnittlichen Besuchszahlen vorabgegangener Jahre, hieß es.



Bonner Museum August Macke Haus zeigt "Begegnungen"




August Macke: "Stillleben Hyazinthenteppich" (1911)
epd-bild/David Ertl/Museum August Macke Haus
Der Expressionist war ein Netzwerker der avantgardistischen Kunstszene vor dem Ersten Weltkrieg. Seinen "Begegnungen" spürt nun eine Schau nach, die auch Werke Heckels und Mackes einzigem Meisterschüler zeigt.

Bonn (epd). August Macke als Netzwerker, Familienmensch und Freund steht im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung. Unter dem Titel „August Macke - Begegnungen“ spürt die Schau im Bonner Museum August Macke Haus wichtigen Verbindungen und Freundschaften des Malers im Rheinland nach. Zu sehen sind bis zum 16. Oktober Werke Mackes und einiger Wegbegleiter aus dem Kreis der rheinischen Expressionisten.

Ein Großteil der Arbeiten sind Dauerleihgaben oder Schenkungen aus den vergangenen Jahren, die das Museum erstmals präsentiert. Darunter sind Gemälde, Zeichnungen, Grafiken sowie Holz- und Textilarbeiten.

Gute Kontakte förderten Karriere

Macke (1887-1914) gilt als einer der populärsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts und als wichtiger Netzwerker der avantgardistischen Kunstszene vor dem Ersten Weltkrieg. Seine kurze, aber erfolgreiche künstlerische Karriere verdankte er unter anderem guten Kontakten zur Avantgarde sowie Förderern. Die Schau richtet den Blick auch auf weniger bekannte Kontakte Mackes wie etwa die Freundschaft zu dem späteren Vorsteher der Bonner jüdischen Gemeinde, Arthur Samuel. Erstmals in den Fokus genommen wird der Bonner Mäzen Alfred Heinrich Schütte, der Mackes Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie finanzierte.

Neben den Arbeiten Mackes sind unter anderem Werke von Hans Thuar, Erich Heckel, Heinrich Nauen, Marie von Malachowski, Fifi Kreutzer und Helmuth Macke zu sehen. August Mackes erster und einziger Meisterschüler, Paul Adolf Seehaus, wird mit einer Reihe von Werken präsentiert, darunter bislang unbekannte Arbeiten.



Steinmeier würdigt Museum Folkwang zum 100-Jährigen




Jubiläumsschau im Museum Folkwang mit Paul Gaugins "Kleine Bretoninnen vor dem Meer" (1889) und Vincent van Goghs "Portrait Armand Roulin" (1888)
epd-bild/Udo Gottschalk
Moderne Kunst für alle zugänglich machen: Diese Idee verfolgte der Gründer des Museums Folkwang. Für Bundespräsident Steinmeier ist das international renommierte Museum auch heute beispielgebend.

Essen (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Museum Folkwang zu dessen 100-jährigem Bestehen als Kulturschatz mit Vorbildcharakter gewürdigt. Seit seiner Gründung in Hagen 1902 und der Überführung ins Ruhrgebiet 1922 habe es sich zu einem „der bedeutendsten Museen moderner Kunst Deutschlands, ja Europas“ entwickelt, sagte Steinmeier am 5. Februar bei einem Festakt mit mehr als 600 Gästen in der Essener Philharmonie.

Kunst ermögliche es den Menschen, nicht nur zu sehen, was ist, sondern auch, was sein könnte. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte an, die Region solle bis 2030 zur modernen „Künstlermetropole Ruhr“ werden, die viele junge Kunstschaffende anzieht.

Steinmeier lobte die Qualität der Sammlung von Museumsgründer Karl Ernst Osthaus (1874-1921) mit Werken von Renoir, van Gogh und Monet sowie das Engagement von Förderern aus Wirtschaft und Gesellschaft und des Folkwang-Museumsvereins als Miteigentümer. „Vieles hier in Essen kann auch für andere Orte in unserem Land als nachahmenswertes Beispiel dienen“, betonte der Bundespräsident mit Blick auf den 2010 zum Kulturhauptstadtjahr fertiggestellten Erweiterungsbau. „Wenn man aus Berlin kommt, ist das allein schon Grund zum Staunen.“

Einzigartig sei auch die Tatsache, dass die Stadt Essen getreu dem Motto des Gründers, soziale Grenzen zu überwinden und Kunst für alle zu zeigen, keinen Eintritt verlange: „Sie weiß offenbar, was sie hier für einen Schatz hat.“ Kulturelle Teilhabe müsse für alle Menschen möglich und erlebbar sein.

Freier Eintritt

Ministerpräsident Wüst bezeichnete es als typisch für Nordrhein-Westfalen, dass Kunst und Kultur nicht nur ein Privileg weniger, sondern für alle zugänglich seien. Durch den freien Eintritt im Museum Folkwang habe sich die Besucherzahl von Kindern und Jugendlichen verfünffacht, „hoffentlich aus allen Teilen der Stadt“. Das reichhaltige Kunst- und Kulturangebot der Region mit den Ruhrfestspielen und der Ruhrtriennale etwa habe dazu beigetragen, „das Ruhrgebiet zu wandeln, auch in der Außensicht“.

Die Weiterentwicklung der Folkwang-Idee bezeichnete auch der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) als Anliegen. Das Museum Folkwang sei ein „Alleinstellungsmerkmal“ der Stadt Essen und seine 100-jährige Historie eine Erfolgsgeschichte, auf die viele Menschen im Ruhrgebiet stolz seien: „Es ist eins der ganz großen Aushängeschilder für unsere Stadt und die ganze Region.“

In einem historischen Abriss bezeichnete Museumsdirektor Peter Gorschlüter die Kunst als „Spiegel unserer selbst und als Fenster zur Welt“. Das Museum wolle ein Ort der Begegnung unterschiedlicher Kulturen, Generationen und Sprachen sein, aber es müsse auch weiblicher werden. Nach bisher zehn männlichen Direktoren hoffe er auf eine Frau als Nachfolgerin.

„Renoir, Monet, Gauguin - Bilder einer fließenden Welt“

Das Museum Folkwang wurde von Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus 1902 in dessen Geburtsstadt Hagen als erstes deutsches Museum für die Kunst der Moderne gegründet, die er einer breiten Bevölkerung zugänglich machen wollte. Nach seinem Tod wurde die Sammlung 1922 mit dem städtischen Kunstmuseum Essen fusioniert und zum neuen Museum Folkwang vereint.

Zum 100. Geburtstag öffnete am Sonntag die Jubiläumsausstellung „Renoir, Monet, Gauguin - Bilder einer fließenden Welt“, die bis zum 15. Mai zu sehen ist. Sie vereint rund 120 Meisterwerke des Spät-Impressionismus aus der Folkwang-Sammlung und von dem japanischen Sammler Kojiro Matsukata (1866-1950) aus dem National Museum of Western Art in Tokio.



Förderpreis zum Thema Generationen ausgeschrieben



Dresden (epd). In Sachsen wird in diesem Jahr zum vierten Mal der Förderpreis für Kunst und Demografie „KunstZeitAlter“ vergeben. Er widme sich 2022 dem Thema Generationen, wie das sächsische Kulturministerium am 1. Februar in Dresden mitteilte. Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro soll in ein konkretes Vorhaben fließen. Mit der Auszeichnung werde zugleich ein Zeichen für das gesellschaftliche Miteinander und das verantwortliche Füreinander der Generationen während und nach der Corona-Pandemie gesetzt. Sie wolle den Blick auf demografische Herausforderungen lenken, hieß es.

Ausgeschrieben wird der Förderpreis vom sächsischen Wissenschafts- und Kulturministerium zusammen mit dem Landesverband Soziokultur Sachsen e.V. und der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung. Vergeben wird er seit 2016 im Abstand von zwei Jahren. Die Verleihung 2022 findet im Herbst statt.

Der Preis ermutige zu Vorhaben, die mit künstlerischen Mitteln den generationen- und bevölkerungsübergreifenden Dialog in Sachsen befördern und das kulturelle Miteinander wiederaufleben lassen, erklärte Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) als Schirmherrin. Dabei solle es um die Wiederbelebung des kulturellen Miteinanders, gleichberechtigte Teilhabe sowie die gemeinsame Gestaltung von gesellschaftlichen Herausforderungen gehen.

In diesem Sinne würden Konzepte gesucht, die Menschen unterschiedlicher Alters- und Bevölkerungsgruppen in Austausch bringen, diese aktiv beteiligen, Debatten anregen und in das Gemeinwesen hineinwirken.



Stefanie Oswalt wird Stadtschreiberin von Rheinsberg



Rheinsberg (epd). Die Hörfunkjournalistin und Publizistin Stefanie Oswalt wird 55. Stadtschreiberin von Rheinsberg (Brandenburg). Sie werde in der zweiten Februarwoche ihr Domizil im Marstall des Rheinsberger Schlosses beziehen, teilte das Kurt Tucholsky Literaturmuseum am 1. Februar in Rheinsberg mit. Die 1967 in Emekuku in Nigeria geborene und in Köln aufgewachsene Oswalt ist nach Angaben des Museums in Rheinsberg keine Unbekannte. In den 1990er Jahren habe sie als junge Wissenschaftlerin an mehreren Projekten des Museums mitgewirkt. Unter anderem ist sie Mitherausgeberin und -Autorin des Buches „Juden in Rheinsberg“ von 2005.

Stefanie Oswalt studierte Geschichte und Germanistik in Köln, München und London. 1993 kam sie nach Potsdam ans Moses-Mendelssohn-Zentrum für Europäisch-Jüdische Studien. Dort promovierte sie bei Julius Schoeps in Jüdischen Studien mit einer Arbeit über Siegfried-Jacobsohn, den Gründer und Herausgeber der „Weltbühne“ und Mentor Kurt Tucholskys. Ihre Vorgängerin als 54. Rheinsberger Stadtschreiberin war von August bis Dezember 2021 die Dichterin, Sängerin und Performerin AnniKa von Trier.

Als Stadtschreiberin wolle Oswalt sich mit dem Leben der Berliner Journalistin und Schriftstellerin Herta Zerna (1907-1988) auseinandersetzen, hieß es. Die Widerstandskämpferin hatte in der NS-Zeit Juden und Deserteure versteckt, darunter den späteren Regierenden Bürgermeister von Berlin, Otto Suhr, und dessen jüdische Ehefrau Susanne in ihrem Haus im Rheinsberger Ortsteil Kagar. Zerna starb 1988 vereinsamt und unbeachtet von der Öffentlichkeit in Berlin-Zehlendorf.



Klavier-Spende für Beirut



Berlin (epd). Anderthalb Jahre nach der verheerenden Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut gibt es Hoffnung für das zerstörte Nationale Konservatorium. Der Wiener Verein „Artists for Children“ unterstützt durch die deutsche Carl-Bechstein-Stiftung mit sechs neuen Flügeln und zehn Klavieren die zentrale Ausbildungsstätte für Musikerinnen und Musiker im Libanon. Die Spende hat einen Gesamtwert von 300.000 Euro, wie die Bechstein-Stiftung am 3. Februar in Berlin mitteilte. Es gehe darum, vor Ort sowohl den Musikunterricht als auch die Konzerttätigkeit wieder aufnehmen zu können.

Das Nationale Konservatorium ermöglicht den Angaben zufolge kostenlosen Musikunterricht für 6.000 Kinder und Jugendliche an verschiedenen Standorten im ganzen Land. Zugleich sei es Sitz des Philharmonischen Orchesters des Libanons mit 90 Profimusikerinnen und -musikern. Insgesamt sei das Konservatorium ein Stützpfeiler des libanesischen Kulturlebens. Allerdings fehlten weiterhin zahlreiche Instrumente sowie die finanziellen Mittel, adäquaten Ersatz zu beschaffen.

Musik sei für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von unschätzbarem Wert und helfe besonders auch bei der Bewältigung von Traumata wie der Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020, teilte die Stiftung weiter mit. Weite Teile der Stadt seien in Schutt und Asche gelegt worden. Unter anderem seien 250 Schulen, darunter das Nationale Konservatorium, schwer beschädigt oder zerstört worden. Der Transport des Konzertflügels, der fünf Stutzflügel und zehn Klaviere nach Beirut erfolgte per Schiff und per Flugzeug.



"Boostern" ist "Anglizismus des Jahres"



Berlin (epd). Das Wort „boostern“ ist zum „Anglizismus des Jahres 2021“ gekürt worden. Eine Jury um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität würdigte das Verb als deutsche Eigenkreation, die den englischen Substantiven „booster-shot“ und „booster“ („Verstärker-Impfung“) entlehnt wurde. Überzeugt hat die Jury zudem die Schnelligkeit, mit der das Wort seit Oktober die Lücke im Wortschatz gefüllt und die Leichtigkeit, mit der es im Deutschen seinen Platz gefunden habe.

„Boostern“ habe dabei einfach das grammatische Verhalten des in seiner Bedeutung verwandten Verbs impfen übernommen, erklärte die Initiative „Anglizismen des Jahres“ am 1. Februar in Berlin: „So, wir mit einem Impfstoff gegen eine Krankheit geimpft werden, werden wir auch mit einem Impfstoff gegen Corona geboostert.“ Von der im Deutschen bereits vorhandenen Formulierung „eine Auffrischungsimpfung geben/erhalten“ unterscheide sich „boostern“: Es beziehe sich speziell auf Corona-Impfungen.

Auf der Shortlist standen laut der Initiative auch die Wörter „Long Covid“, „QR-Code“, „woke“ für Menschen, die auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen und „cringe“ für Fremdschämen. Auch in der Publikumsabstimmung landete „boostern“ mit 613 abgegebenen Stimmen auf Platz eins, gefolgt von „cringe“ mit 179 und „Doom-Scrolling“ für das endlose Konsumieren von schlechten Nachrichten mit 122 Stimmen.

Die „Anglizismus des Jahres“ werden seit 2010 jährlich gekürt und würdigen den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes. Sieger im Vorjahr war das Wort „Lockdown“.



Dresdner Musikfestspiele trauern um Gründungsintendanten



Dresden (epd). Die Dresdner Musikfestspiele trauern um ihren Gründungsintendanten Winfried Höntsch. Der Professor sei bereits am 30. Januar im Alter von 91 Jahren verstorben, teilte die Festivalleitung am 6. Februar in Dresden mit. Als Intendant leitete und prägte Höntsch das Dresdner Musikfestival 13 Jahre lang, von der Gründung im Jahre 1978 bis 1991. Er wirkte darüber hinaus lange im Freundeskreis der Musikfestspiele mit, hieß es.

Höntsch wurde 1930 in Dresden geboren. Nach dem Studium der Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ arbeitete er zunächst in der Musikabteilung des DDR-Kulturministeriums, bevor er 1962 als erster Dramaturg am Staatstheater Dresden in seine Heimatstadt zurückkehrte. Im Jahre 1968 übernahm er den Angaben zufolge die künstlerische Direktion des Kulturpalasts.

Der jetzige Musikfestspiel-Intendant Jan Vogler äußerte großen Respekt vor der Lebensleistung von Höntsch. Ihm und seinem Team sei es schon in den Gründungsjahren gelungen, „eine hohe Dynamik“ für die Dresdner Musikfestspiele zu erzeugen.

Die Dresdner Musikfestspiele sind eines der größten und renommiertesten Klassik-Festivals in Europa. Nach zwei Jahren Pandemie soll die Konzertreihe in diesem Jahr wieder in Präsenz stattfinden. Vom 11. Mai bis 10. Juni stehen 66 Konzerte in 24 Spielstätten auf dem Programm.



Kleist-Museum Frankfurt an der Oder hat neue Direktorin



Frankfurt an der Oder (epd). Die Stiftungsmanagerin und Lektorin Anke Pätsch ist neue Direktorin des Kleist-Museums in Frankfurt an der Oder. Die 51-jährige gebürtige Potsdamerin habe ihr neues Amt zum Monatsbeginn angetreten, teilte das Museum am 1. Februar mit. Zuvor war sie als Mitglied der Geschäftsleitung im Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin tätig. Pätsch folgt auf die Historikerin Hannah Lotte Lund, die das Museum von 2016 bis 2021 geleitet hatte.

Die neue Museumsdirektorin sei vom Stiftungsrat der Stiftung Kleist-Museum nach dem Votum einer Auswahlkommission einstimmig als geschäftsführende Vorständin der Landesstiftung berufen worden, hieß es weiter. Der Kommission gehörten unter anderem Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Landes Brandenburg und der Stadt Frankfurt an der Oder an.

Ziel der neuen Direktorin sei, die Bekanntheit der Stiftung und des Museums national sowie international zu steigern, hieß es weiter. So wolle sie neue Formate finden und bewährte wie die Kleist-Festtage und die Frankfurter Buntbücher weiterentwickeln. Kernaufgaben der Stiftung blieben Forschung, Sammlung und kulturelle Bildung, betonte Pätsch. Die neue Museumsdirektorin hat Germanistik, Osteuropa- und Editionswissenschaft in Leipzig, Berlin, Potsdam, Sankt-Petersburg und Prag studiert.

Das Kleist-Museum ist den Angaben zufolge das weltweit einzige Museum zu Leben und Werk des in Frankfurt an der Oder geborenen Dichters Heinrich von Kleist (1777-1811). Ende Februar soll eine neue Sonderausstellung zum Thema „Bühnenwelten“ eröffnet werden.



Filme der Woche



Tod auf dem Nil

Zum zweiten Mal macht sich Kenneth Branagh an eine Neuverfilmung der Agatha-Christie-Krimis und schlüpft selbst in die Rolle des belgisch-britischen Meisterdetektivs Hercule Poirot. Bei „Tod auf dem Nil“ sieht dieser sich mit dem Mord auf einem Luxusdampfer konfrontiert, welcher die Flitterwochen eines reichen Ehepaares jäh zerstört. So entwickelt sich die herausfordernde Suche nach dem Mörder unter den Gästen, wobei Branagh mit einer illustren Besetzung (u.a. Annette Bening, Gal Gadot) aufwartet und dem Klassiker neuen Schwung verleiht, ohne dessen Charme zu verlieren.

Tod auf dem Nil (USA 2020). R: Kenneth Branagh. B: Michael Green (nach einem Roman von Agatha Christie). Mit Kenneth Branagh, Gal Gadot, Annette Bening, Russell Brand, Danny Hughes. Länge: 127 Min.

Mahendra Highway

Der weltberühmte Mahendra Highway führt einmal quer durch Nepal, entlang an unterschiedlichsten Naturwundern bis hin zum Himalaya und dem Mount Everest. Dabei ist er auch Schauplatz zahlreicher Kulturstätten und Pilgerorte. Regisseur André Hörmann versucht sich an einem dokumentarischen Roadmovie, wobei dem bedeutungsschweren Film ein wenig die Vielschichtigkeit fehlt. So werden vor allem gigantische Landschaftsaufnahmen gezeigt und verschiedene Zeremonien und Bräuche der Bevölkerung präsentiert.

Mahendra Highway (Deutschland 2021). R: André Hörmann. Sprecher und Voice Over: Tom Vogt, Isabelle Höpfner, Helena Wolfram, Michael Pink. Länge: 85 Min.

Was geschah mit Bus 670?

Zentral-Mexiko: Der Teenager Jesús hat sich mit dem Bus 670 in Richtung USA aufgemacht und verschwindet spurlos. Jesús Mutter Magdalena (Mercedes Hernández) gibt die Hoffnung auf ein Überleben nicht auf und macht sich auf die Suche, hinein ins Niemandsland von Nord-Mexiko, einem der gefährlichsten Orte der Welt. Konsequent behält der Film die Perspektive Magdalenas und lässt die Zuschauer so in quälendem Unwissen. Daraus ergibt sich ein erschütterndes Drama um das Schicksal illegaler Migranten und ihrer Angehörigen, die bei der Suche nach einem besseren Leben mit Chaos und Gewalt konfrontiert sind.

Was geschah mit Bus 670? (Mexiko/Spanien 2020). R: Fernanda Valadez. B: Astrid Rondero, Fernanda Valadez. Mit Mercedes Hernández, David Illescas, Juan Jesús Varela. Länge: 97 Min.

Moonfall

Der „Master of Disaster“ hat wieder zugeschlagen. Im neuen Film von Roland Emmerich rast ein aus der Bahn geratener Mond auf die Erde zu - für die es eigentlich nach dem Aufprall keine Überlebenschance gibt. Doch ein kleines Team, ein gescheiterter Ex-Astronaut, eine NASA-Spezialistin und ein Wissenschaftsnerd, fliegen mit überaltertem Fluggerät ins All, um es zu richten. Man kennt die Ingredienzen aus vielen Katastrophenfilmen, aber Emmerich lässt es im All und auf der Erde richtig krachen. Alles jenseits der Wahrscheinlichkeit und mit hohem Trash-Faktor.

Moonfall (USA/Kanada/China/Großbritannien 2021). R: Roland Emmerich. B: Spenser Cohen, Roland Emmerich, Harald Kloser. Mit Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Donald Sutherland, Michael Peña. Länge: 120 Min.

www.epd-film.de