Potsdam (epd). Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Kündigung der wegen Mordes an vier Schwerstbehinderten im Oberlinhaus verurteilten Pflegekraft bestätigt. Die Klage der 52-Jährigen gegen ihre fristlose Kündigung sowie ihre Schadenersatzforderungen gegen das evangelische Sozialunternehmen als Arbeitgeber wurden am 1. Februar vom Gericht abgewiesen. Die schwerwiegende Pflichtverletzung, Menschen, die man pflegt, zu töten, rechtfertige die Kündigung auch im Fall verminderter Schuldfähigkeit, sagte die Vorsitzende Richterin Birgit Fohrmann bei der Verkündung der Entscheidung am Dienstag in Potsdam. (Az.: 7 Ca 642/21)
Es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, die Menschen zu schützen, die sie getötet hat, betonte Fohrmann. Der Kündigung stünden auch keine formalen Gründe entgegen. Für Schadenersatzforderungen gegen das Oberlinhaus gebe es keine Anspruchsgrundlage. Die Kosten des Verfahrens müsse die Klägerin tragen, sagte Fohrmann. Die Vorsitzende Richterin hatte am Dienstag bereits in der Verhandlung vor der Urteilsverkündung deutlich gemacht, dass nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der bislang vorliegenden Anträge und Fakten „ein Kündigungsgrund wohl unzweifelhaft gegeben“ sei.
Das Oberlinhaus hatte der langjährigen Pflegekraft kurz nach den am 28. April verübten Morden unter anderem verhaltens- und personenbedingt fristlos gekündigt. Dem Gewaltverbrechen fielen zwei Frauen und zwei Männer zum Opfer, die wegen schwerster Behinderungen in einer Einrichtung des diakonischen Unternehmens lebten. Eine weitere Frau überlebte schwer verletzt. Die Täterin wurde im Strafverfahren wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung als eingeschränkt schuldfähig eingestuft und im Dezember unter anderem wegen Mordes zu 15 Jahren Haft und Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt.
Ihr Anwalt Henry Timm hatte vor dem Arbeitsgericht beantragt, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung in Höhe von mindestens gut 44.000 Euro zu bestätigen oder im Fall einer Ablehnung des Antrags gut 22.000 Euro Schadenersatz oder Schmerzensgeld an seine Mandantin zu zahlen. Die frühere Pflegekraft halte sich weiter für zur Tatzeit schuldunfähig. Der Arbeitgeber habe zudem seine Fürsorgepflicht ihr gegenüber verletzt, sagte er zur Begründung. Der Anwalt nahm zwar an der Gerichtsverhandlung teil, war aber bei der Urteilsverkündung nicht mehr vor Ort.
„Wir hatten stets vollstes Vertrauen in die Rechtsprechung der Gerichte“, erklärte das Oberlinhaus nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts am Dienstag: „Nunmehr können wir gemeinsam mit den Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohnern die Verarbeitung und Aufarbeitung fortsetzen und uns mit ganzer Kraft unseren täglichen Aufgaben widmen.“
Im März will das Arbeitsgericht über die Kündigung der Leiterin der Wohneinrichtung verhandeln. Im Mordprozess vor dem Landgericht hatte es unter anderem kritische Berichte über die Arbeitsbedingungen dort gegeben. Das Oberlinhaus hat der Heimleiterin vor der fristlosen Kündigung im Dezember nach Gerichtsangaben zunächst andere Arbeitsmöglichkeiten angeboten. Die Klägerin hat dies abgelehnt.