Frankfurt a.M. (epd). Es steht schlimm um die Pressefreiheit in China. Das zeigt unter anderem eine Liste der „One Free Press Coalition“. Die globale Initiative aus über 30 Medien und Medienunternehmen führt dort monatlich die zehn drängendsten Fälle an Ungerechtigkeiten gegen Journalisten, Blogger und Autoren auf. Alle zehn Plätze des Januar-Rankings sind mit Medienschaffenden aus China belegt. Vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking wirft das erneut ein Schlaglicht auf die sich seit Jahren drastisch verschlechternde Lage.

Auf der Liste finden sich prominente Namen wie der des inhaftierten Hongkonger Medienunternehmers und pro-demokratischen Aktivisten Jimmy Lai. Dahinter folgt die ebenfalls im Gefängnis sitzende Bürgerjournalistin Zhang Zhan. Sie hatte kritisch über den staatlichen Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus in Wuhan berichtet und war Ende 2020 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Wegen eines Hungerstreiks ist ihr Gesundheitszustand lebensbedrohlich. Genannt wird auch der uigurische Autor, Blogger und Gelehrte Ilham Tohti. Der unter Vorwürfen des Separatismus Verurteilte sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab.

„Meer der Unterdrückung“

Nach Einschätzung des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz in New York haben sich die damals vor der Sommerolympiade 2008 abgegebenen Versprechen für mehr Pressefreiheit als wertlos erwiesen. Zu den Spielen 2022 existierten sie gar nicht erst. Der Radius für Berichterstatter sei auf das Olympische Dorf beschränkt. Innerhalb dieser „Blase der Spiele“ habe man ihnen jedoch freien Zugang zum Internet und zu sozialen Medien versprochen, der überall sonst in China verweigert werde.

Allerdings stelle sich die Frage, ob China und das Internationale Olympische Komitee diese Blase in Chinas „riesigem Meer der Unterdrückung“ aufrechterhalten können. Laut einem Bericht des CPJ vom Dezember erreichte die Zahl der weltweit inhaftierten Reporter mit 293 einen neuen Höchststand - allein in China gibt es 50 von der Organisation dokumentierte Fälle. Auf der Rangliste zur weltweiten Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ belegt China Platz 177 von 180 Ländern. Die Journalistenorganisation spricht von mindestens 128 inhaftierten Medienschaffenden.

Der von der kommunistischen Führung zunächst unter dem Mantel gehaltene Ausbruch von Covid-19 vor über zwei Jahren hat auch die Arbeitsbedingungen ausländischer Reporterinnen und Reporter weiter verschlimmert: Die Staatsmacht habe alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt, darunter zur Eindämmung des Coronavirus eingeführte Überwachungssysteme, um Journalisten zu schikanieren, einzuschüchtern oder auszuweisen, erklärte der Klub der Auslandskorrespondenten (FCCC) schon im März 2021.

Zwei Drittel der ausländischen Berichterstatter bei Arbeit behindert

Laut einem neuen veröffentlichten FCCC-Bericht gaben nun 62 Prozent der ausländischen Korrespondentinnen und Korrespondenten an, mindestens einmal von der Polizei oder anderen Beamten behindert worden zu sein. Nach Besuchen in der Region Xinjiang, wo die Internierung von Hunderttausenden Angehörigen der muslimischen Uiguren-Minderheit für einen internationalen Aufschrei sorgte, sagten gar 88 Prozent, sie seien sichtbar verfolgt worden. Mehr als ein Viertel der Befragten gab an, ihre Quellen seien mehr als einmal von der Polizei belästigt, inhaftiert oder vorgeladen worden.

Vor den Olympischen Winterspielen kritisierte die Vereinigung „mangelnde Transparenz und Klarheit“: Das ausländische Pressekorps sei kontinuierlich in seiner Berichterstattung über die Vorbereitungen behindert worden. So sei die Teilnahme an Routineveranstaltungen sowie der Besuch von Sportstätten verweigert worden.

Warnung vor chinesischer Olympia-App

Kritiker befürchten weitere Zugriffe: Kürzlich warnten ausländische Experten vor Mängeln der chinesischen Olympia-App „My2022“. Athletinnen und Athleten, Funktionäre sowie Gäste mussten diese 14 Tage vor Einreise herunterladen. Wegen einer „simplen, aber verheerenden Schwachstelle“ könnten bei Anwendung persönliche Daten abgefangen werden, teilte die auf Cybersicherheit spezialisierte interdisziplinäre Forschungsstelle „Citizen Lab“ an der kanadischen Universität Toronto mit. In der App machte „Citizen Lab“ auch eine bislang nicht aktivierte Liste mit in China „illegalen“ Begriffen aus. Darunter sind Schlagworte wie „Tiananmen“, „Uiguren“ oder „Dalai Lama“.

Olympia-Teilnehmenden wurde geraten, keine privaten Handys oder Laptops mitzubringen. Stattdessen solle man speziell für die Reise ausgewähltes „Wegwerf“-Equipment und vorübergehende Mail-Accounts nutzen. Unter anderem warnte das CPJ: „Gehen Sie davon aus, dass alles, was Sie online tun, überwacht wird.“