Brüssel (epd). Der politische Streit um die Nutzung von Atomkraft und Erdgas kocht in Europa wieder hoch. Anlass ist die sogenannte Taxonomie der EU, zu der die EU-Kommission am 1. Februar eine Verordnung vorlegte. Der Evangelische Pressedienst (epd) erklärt die wichtigsten Punkte.
Was heißt Taxonomie?
Das Wort stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus taxis für Ordnung und nomos für Gesetz zusammen. Der Duden definiert Taxonomie als „Einordnung in ein bestimmtes System“. Gebräuchlich ist es demnach insbesondere in der Sprachwissenschaft und der Biologie.
Worum geht es bei der EU-Taxonomie?
Um die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig. Das betrifft vieles, etwa Energieerzeugung, Forstwirtschaft, Stahlherstellung, Wasserversorgung, Verkehr und Bauen. Es werden jeweils Kriterien festgelegt, inwiefern Tätigkeiten nachhaltig sind. Letztlich geht es um ihre Finanzierung.
Was soll die Taxonomie erreichen?
Ihr Zweck ist, „den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können“, wie es in der Taxonomie-Verordnung heißt. Geld soll dann statt in umweltschädliche Projekte dahin fließen, wo es der Nachhaltigkeit dient, etwa in erneuerbare Energien, Recycling oder eine umweltfreundlichere Schifffahrt.
Welche Gesetze und Pläne gibt es?
Grundstein ist die EU-Verordnung „über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ vom Juni 2020. Auf ihr baut eine delegierte Verordnung der EU-Kommission vom Juni 2021 auf. Sie legt Kriterien für Nachhaltigkeit mit Blick aufs Klima fest. Am Mittwoch von der Kommission politisch verabschiedet worden ist eine ergänzende delegierte Verordnung. Sie betrifft die in der Klima-Verordnung ausgesparten Energiequellen Atomkraft und Erdgas. Bei einer delegierten Verordnung können die Mitgliedsstaaten und das Parlament Einwände erheben, sie müssen aber nicht ausdrücklich zustimmen.
Was steht im neuen Text?
Atomkraft und Erdgas können als nachhaltig eingestuft werden, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für die Einstufung gibt es Bedingungen, darunter Emissionsgrenzwerte und bei der Atomkraft detaillierte Pläne für ein ab 2050 betriebsbereites Endlager für hochradioaktiven Müll. Außerdem muss das Prinzip eingehalten werden, dass die Tätigkeiten keinen beträchtlichen Schaden an anderen Umweltzielen anrichten, darunter etwa der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Welche Kritik gibt es?
Umweltschützer kritisieren die Einstufung als Greenwashing, also als irreführende Darstellung von Atomkraft und Erdgas als umweltfreundlich. Es wird auch gesagt, dass das die Glaubwürdigkeit der gesamten Taxonomie untergrabe. Der Verein kommunaler Unternehmen (VKU) hingegen kritisierte die Nachhaltigkeitskriterien beim Gas als zu restriktiv. Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber sieht in dem Vorschlag einen „planwirtschaftlichen Ansatz der Kommission“, der „krachend gescheitert“ sei.
Wie positioniert sich Deutschland?
Die Bundesregierung hat die Pläne zur Atomkraft ausdrücklich zurückgewiesen. Beim Gas unterscheiden sich die Positionen von FDP und SPD sowie den Grünen leicht. Alle drei Koalitionspartner halten Gaskraftwerke als Brückentechnologie für unverzichtbar. Die Grünen finden die Einstufung als grünes Investment aber unnötig. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) will, dass Deutschland die Taxonomie-Verordnung ablehnt. Wie das Votum ausfällt, ließ SPD-Kanzler Olaf Scholz bisher offen.
Was passiert nun?
Die EU-Staaten und das Europaparlament können den Text bis zu sechs Monate prüfen und Einwände erheben, sonst gilt er ab dem 1. Januar 2023. Für Einwände sind bestimmte Mehrheiten nötig.