Berlin (epd). Der Berliner Propst Christian Stäblein hat sich als erster der drei Kandidaten für die kommende Bischofswahl in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in einem Gottesdienst vorgestellt. Der 51-jährige Theologe rief in dem Gottesdienst am Sonntag in der Berliner Marienkirche zum Engagement gegen Antisemitismus auf. Ein "Aufflammen von Judenfeindschaft" dürfe nicht hingenommen werden, sagte Stäblein. Am 27. Januar wurde weltweit der Holocaust-Gedenktag zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 begangen.
In seiner Predigt plädierte Stäblein für Gottvertrauen, Offenheit und einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft. "Gott ist nicht der Gott einer Identitätsbewegung", sagte Stäblein. Das Gottesverständnis der Kirche stehe nicht für das Verharren in Traditionen und Gewohnheiten, sondern immer auch für einen Aufbruch ins Neue. Dies müsse auch in "Zeiten zunehmender Verrohung" im Bewusstsein bleiben.
Kirche müsse "in der Welt und für die Welt" präsent sein und "mit anderen für andere" handeln, betonte der Theologe. Dazu gehöre auch, politische Positionen zu vertreten, solange sie nicht parteipolitisch sind. Die Kirche müsse zudem nach neuen Orten kirchlicher Präsenz in der Gesellschaft suchen, die die klassischen Kirchengemeinden ergänzen.
Christian Stäblein stammt aus Niedersachsen und ist seit August 2015 Propst der Landeskirche. Zwei weitere Bischofskandidaten stellen sich in den kommenden Wochen vor, am 10. Februar die Theologin Heidrun Dörken aus Frankfurt am Main und am 24. Februar der Hildesheimer Theologe und Kirchenmusiker Jochen Arnold. An die rund einstündigen Gottesdienste schließen sich jeweils ein etwa 20-minütiger Vortrag der Kandidierenden zum Thema "Erkennbar Kirche sein" sowie Diskussionen an. Gottesdienste und Vorträge sind öffentlich.
Die zehnjährige Amtszeit von Bischof Markus Dröge endet Mitte November. Über die Nachfolge wollen die 114 Mitglieder des Kirchenparlaments bei ihrer Frühjahrstagung Anfang April in Berlin entscheiden. Der Bischof oder die Bischöfin hat zugleich den Vorsitz der Kirchenleitung inne und vertritt die Landeskirche in der Öffentlichkeit und in der Ökumene mit anderen Kirchen. Zu den Aufgaben der leitenden Geistlichen zählt unter anderem, Theologinnen und Theologen für den Pfarrdienst zu ordinieren. Die Landeskirche hat gut 900.000 Mitglieder.
Stäblein wurde 1967 in Bad Pyrmont geboren, ist in Hannover aufgewachsen und hat evangelische Theologie, Judaistik und Philosophie in Göttingen, Berlin und Jerusalem studiert. An der Universität Göttingen wurde er 2002 mit einer Arbeit über "Das jüdische Gegenüber in der evangelischen Predigtlehre nach 1945" promoviert. Nach der Übernahme verschiedener Pfarrstellen war er ab 2008 Studiendirektor des Predigerseminars der Hannoverschen Landeskirche im Kloster Loccum.
Als Propst hat Christian Stäblein die theologische Leitung im Konsistorium der Landeskirche inne, er ist dort zuständig für theologische Grundsatzfragen und leitet die Abteilung "Theologie und Kirchliches Leben". Er wirkt den Angaben zufolge in einer Vielzahl von Gremien in der Landeskirche mit. Der Theologe ist verheiratet und hat vier Kinder.
Dresden (epd). Vertreter sächsischer Kirchgemeinden haben am 26. Januar in Dresden gegen die laufende Strukturreform der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens demonstriert. An den Protesten vor der Dresdner Dreikönigskirche beteiligten sich rund 30 Menschen. Dort tagte die Landessynode zur Wahl des neuen Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes.
Die Initiative "Zurück auf Los" fordert, die Reform auszusetzen und am "Runden Tisch" mit den Gemeinden zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Wie der Sprecher der Gruppe, Friedhelm Zühlke aus Lichtenau im Landkreis Mittelsachsen betonte, seien die Gemeinden bereit mitzuarbeiten, sie wollten sich aber nicht bevormunden lassen.
Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing stellte sich spontan den Fragen der Demonstranten. "Wir können nicht so kleinteilig aufgestellt bleiben wie bisher", verteidigte der Bischof die Strukturreform. Die Landessynode habe das Gesetz dazu nach einem langen Diskussionsprozess beschlossen. Darin seien auch Vorschläge aus den Kirchgemeinden eingeflossen. Das gelte es zu akzeptieren.
"Wir können nicht noch mal bei Null anfangen", sagte Rentzing. Jedoch könne "an der einen oder anderen Stelle über eine Schärfung nachgedacht werden". Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens hatte angesichts sinkender Mitgliederzahlen vor knapp einem Jahr eine weitreichende Strukturreform beschlossen.
Die Demonstranten hatten vor dem Portal der Dreikönigskirche symbolisch eine Mauer aus Pappkartons mit der Aufschrift "Die Kirche braucht den Runden Tisch" aufgebaut. "Wir würden gern reden. Wir brauchen das Gefühl, dass wir erwünscht sind", sagte Zühlke.
Die Initiative befürchtet nach eigenen Angaben den Verlust der individuellen Prägung und Tradition von Kirchgemeinden. Die Reform bedeute "eine Einschränkung der Eigenständigkeit der Ortsgemeinden" und verschiebe Verantwortlichkeiten von der Ortsebene hin zu "anonymen Großregionen", hieß es.
Ein Gesetz zur regionalen Zusammenarbeit schreibt größere Struktur- und Organisationseinheiten in den Regionen vor. Kirchgemeinden sollen spätestens ab 2021 stärker zusammenrücken, Ressourcen bündeln und rechtlich tragfähige neue Zusammenschlüsse bilden. In vielen Regionen ist der Prozess bereits angelaufen.
Die sächsische Landeskirche rechnet in den kommenden 20 Jahren mit einem massiven Mitgliederschwund von derzeit knapp 700.000 Kirchenmitgliedern auf nur noch rund 416.000 Protestanten. In Sachsen gehören rund 75 Prozent der Bevölkerung keiner Kirche an.
Dresden (epd). Der Braunschweiger Oberlandeskirchenrat Hans-Peter Vollbach wird neuer Präsident des sächsischen Landeskirchenamtes. Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens wählte den 47-jährigen Juristen am 26. Januar im dritten Wahlgang mit denkbar knapper Mehrheit ins Amt. Vollbach erhielt 38 der insgesamt 75 abgegebenen Stimmen. Auf den 45-jährigen Mitbewerber Friedrich Nollau von der Verbundnetz Gas AG in Leipzig entfielen 37 Stimmen. Stimmenthaltungen gab es keine.
Wann der gebürtige Sachse Vollbach sein neues Amt antritt, ist noch offen. Sein Vorgänger im Präsidentenamt, Johannes Kimme, geht zum 31. Juli in den Ruhestand. Zwei weitere Kandidaten, die 46-jährige Dresdner Oberlandeskirchenrätin Jördis Bürger und der 52-jährige Stephan Gerstenberg, Referatsleiter im sächsischen Finanzministerium, traten nach den ersten Wahlgängen nicht mehr an.
Unmittelbar nach der Wahl bedankte sich Vollbach bei der Synode für das Vertrauen. Es sei sich - nicht zuletzt wegen des knappen Ergebnisses - bewusst, welche Verantwortung auf ihm laste, sagte er: "Ich will im Ringen um die Kirche überzeugen." Der Jurist war als Kandidat für das Präsidentenamt von der sächsischen Kirchenleitung vorgeschlagen worden.
Vollbach studierte Rechtswissenschaften in Leipzig und Jena. Er war bereits zwischen 2004 und 2006 Referent im Landeskirchenamt in Dresden. Als Jurist vertritt der Präsident des Landeskirchenamtes die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens rechtlich nach außen. Seine Amtszeit dauert höchstens zwölf Jahre.
Dresden (epd). Der künftige Präsident des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, der Braunschweiger Oberlandeskirchenrat Hans-Peter Vollbach, stammt aus Sachsen. Von 1987 bis 1991 studierte er zunächst an der Leipziger Hochschule für Musik Violoncello und schloss die Ausbildung als Diplom-Orchestermusiker ab. Danach war er ein Jahr als Cellist am Landestheater Altenburg tätig.
Vollbach, der nach eigenen Angaben gern Theaterintendant geworden wäre, studierte dann Rechtswissenschaften in Leipzig und Jena. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen im Jahr 2000 absolvierte er ein Rechtsreferendariat in Erfurt, nach dem zweiten Examen arbeitete er in einer Weimarer Rechtsanwaltskanzlei. 2003 wechselte er nach Gardelegen zur Provinzial-Sächsischen Genossenschaft des Johanniterordens. Als Justiziar war er dort mit der Erstellung betriebswirtschaftlicher Standortanalysen befasst.
Vollbach wurde 1971 im erzgebirgischen Bad Schlema geboren. Er war bereits zwischen 2004 und 2006 als Referent für Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrecht im sächsischen Landeskirchenamt in Dresden tätig. Danach wechselte er ans Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig. Dort ist der 47-Jährige seither Leiter der Rechtsabteilung und Mitglied der Kirchenleitung.
Von 2009 bis 2011 absolvierte Vollbach außerdem ein betriebswirtschaftliches Masterstudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er ist Mitglied in drei Aufsichtsräten und im Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Für das Präsidentenamt wurde er von der sächsischen Kirchenleitung vorgeschlagen. Vollbach ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Berlin (epd). Die Berliner Flüchtlingskirche hat ein neues Leitungsteam. Mit einem Gottesdienst in der Kreuzberger St. Simeonkirche wurden am 22. Januar Pfarrerin Ulrike Wohlrab (46) und die Kunsthistorikerin Leslie Frey (45) als diakonische Leitung in ihre Ämter eingeführt. Beide sind bereits seit Ende 2018 dort tätig. In der Flüchtlingskirche werden unter anderem Rechts- und Asylberatung, Deutsch- und Alphabetisierungskurse sowie Gesundheitssprechstunden angeboten. Die Trägerschaft hat das Diakonische Werk Berlin Stadtmitte übernommen.
Diakoniechefin Monika Lüke betonte zur Amtseinführung, "die Flüchtlingskirche hat drei Jahre nach ihrer Gründung eine wichtige Funktion für Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens". Frey und Wohlrab verkörperten dies mit ihren jeweiligen Biografien. Frey bringe Erfahrung als Vernetzerin im Kulturbereich und in der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt mit, so Lüke weiter. Wohlrab habe neun Jahre als Pfarrerin in Jerusalem an der Schnittstelle zwischen den Religionen gearbeitet.
Dagmar Apel, landeskirchliche Pfarrerin für Migration und Integration, erklärte im Gottesdienst, für die Arbeit in der Flüchtlingskirche würden interkulturelle und interreligiöse Kompetenz, Erfahrungen mit Konfliktmanagement, Engagement, Ruhe, Gelassenheit und Hingabe benötigt. Frey betonte, Ziel sei es, "auch durch kulturelle Veranstaltungen Alt- und Neuberlinerinnen und -berliner zu relevanten gesellschaftlichen Themen zusammenzubringen". Frey hatte zuvor unter anderem als Projektmanagerin für zeitgenössische Kunstausstellungen und selbstständige Galeristin gearbeitet sowie einen Catering-Service mit Geflüchteten gegründet.
Wohlrab betonte, ihr sie "die Verbindung von Glaube und Alltag in interreligiöser Hinsicht sehr wichtig. Die besondere Spiritualität dieses Ortes weiter zu entwickeln, liegt mir am Herzen." Sie ist seit zwei Jahren Pfarrerin der Evangelischen Studierendengemeinde Berlin.
Zu den Kooperationspartnern der Flüchtlingskirche zählen der Verein Asyl in der Kirche, der Evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte und das Berliner Missionswerk. Die spirituellen Angebote der Flüchtlingskirche richten sich an Menschen aller Konfessionen und Religionen.
Berlin (epd). Eine Berliner Kirchengemeinde wehrt sich gegen Kritik am Kirchenasyl für einen 23-jährigen Afghanen. Der Fall sei "eingehend geprüft" worden, erklärte am 21. Januar die Berliner Kirchengemeinde, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) bekannt ist. Die Gemeinde will nicht genannt werden, weil dies den Grundsätzen des Kirchenasyls widersprechen würde. In Rheinland-Pfalz hatte der 23-Jährige laut Medienberichten für Schlagzeilen gesorgt, weil er sich zunächst als Mitglied der Taliban ausgegeben hatte.
"Der Asylsuchende ist von einem deutschen Gericht vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausdrücklich freigesprochen worden. Es gibt laut Gerichtsurteil keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen potenziellen Gefährder handelt", erklärte die Gemeinde dem epd in Berlin. Nach der Begegnung mit dem jungen Mann und Personen, die ihn kennen, sei man zu der Entscheidung gekommen, ihn ins Kirchenasyl aufzunehmen.
Trotz des Freispruchs drohe dem jungen Mann die Abschiebung. "Wir sehen ihn deshalb als einen schutzbedürftigen Menschen, der sich trotz schwieriger Bedingungen bereits sehr gut integriert", so die Kirchengemeinde. Und weiter: "Wir können vor dem Hintergrund von Attentaten und Terror verstehen, dass Menschen Angst haben. Daher haben wir die Geschichte des jungen Mannes genau geprüft und folgen der Einschätzung des Gerichts."
Wegen seiner Aussage in Rheinland-Pfalz, früher Mitglieder der Taliban gewesen zu sein, war er im Februar 2017 festgenommen worden. Ihm wurde unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Während des Strafprozesses hatte der junge Mann seine Aussage widerrufen. Mangels anderer Beweise wurde er im Dezember 2017 vom Oberlandesgericht Koblenz freigesprochen.
Nach mehreren gescheiterten Abschiebungsversuchen soll der junge Mann laut Medienberichten zudem zwischenzeitlich in Frankreich untergetaucht gewesen sein. Anfang Januar war bekannt geworden, dass der Afghane mittlerweile in Berlin im Kirchenasyl ist. Zuerst hatte der "Trierische Volksfreund" darüber berichtet. Der Asylantrag des Flüchtlings werde nun erneut vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geprüft, hieß es.
Potsdam (epd). Die Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag und die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz haben mit Blick auf die Landtagswahl im September zu einer fairen und sachlichen Auseinandersetzung aufgerufen. Nach einem Meinungsaustausch von Spitzenvertretern beider Seiten sagte der evangelische Bischof Markus Dröge am 21. Januar in Potsdam, die Kirche werbe für eine offene, sachorientierte Diskussionskultur und trete rechtsextremen und populistischen Parolen entschieden entgegen. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, das Anwachsen des Rechtsextremismus und die Verrohung der politischen Auseinandersetzung werde auch von seiner Partei mit Sorge betrachtet: "Diesen Tendenzen gilt es in den bevorstehenden Diskussionen im Wahljahr 2019 durch Einstehen für unsere freiheitlichen Werte, für Demokratie und Pluralität gegenzuhalten", fügte er hinzu.
Weitere Themen des Meinungsaustausches waren den Angaben zufolge der Strukturwandel in der Lausitz, die Rolle der Kirche für das Leben im ländlichen Raum, staatliche und freie Trägerschaften von Schulen anderer Einrichtungen und die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren.
Bischof Dröge versicherte, seine Kirche stehe an der Seite der Menschen Brandenburgs: "Wir sind an vielen Orten auch dort erreichbar, wo es weder ein Lebensmittelgeschäft, noch eine Schule oder einen Arzt mehr gibt." Die Kirche trete für möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in den Dörfern und Städten sowie soziale Gerechtigkeit ein.
Grünen-Fraktionschef Vogel sagte: "Uns eint, dass wir zu ernsthafter Klimaschutzpolitik und zum Ausstieg aus der Braunkohle keine Alternative sehen, weil wir unsere Erde nur so vor einem Klimakollaps mit unumkehrbaren Schäden für Mensch und Natur bewahren können." Mit der evangelischen Kirche sei man gemeinsam der Auffassung, dass der Ausstieg nur zusammen mit den vom Strukturwandel betroffenen Menschen gestaltet werden könne.
Berlin (epd). Christen aller Konfessionen haben die Kirchen zum Einsatz gegen eine Spaltung der Gesellschaft aufgerufen. "Wir alle spüren, dass wir an einem entscheidenden Wendepunkt der Geschichte stehen, bei dem es darauf ankommt, dass der gesellschaftliche Wandel nicht von denen gestaltet wird, die mit Angstmache oder Hetze ihre Macht ausbauen und das Land spalten wollen", sagte der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, am 24. Januar im Berliner Dom. Anlass war der zentrale Gottesdienst zur weltweiten Gebetswoche für die Einheit der Christen.
Im Anschluss an den Gottesdienst wurde der Metropolit der Griechisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Augoustinos, für sein ökumenisches Lebenswerk geehrt. Die Laudatio hielt Altbundespräsident Christian Wulff. Der Gottesdienst im Berliner Dom wurde gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und dem Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg gefeiert.
Die Kirchen hätten den Auftrag, die "unverbrüchlich gegebene Einheit wieder sichtbarer werden zu lassen", sagte Bischof Wiesemann in seiner Predigt weiter. Er verwies darauf, dass es maßgeblich Christen gewesen seien, "die nach dem Krieg eine soziale Antwort auf den Kapitalismus entwickelten, die mit ihren Kerzen das diktatorische System der DDR zu Fall gebracht haben, die sich engagiert haben für die Versöhnung in Europa und für die grundlegenden Werte, auf die unsere Demokratie aufbaut", betonte der Theologe.
Bei der anschließenden Verleihung des Ehrenpreises für sein ökumenisches Lebenswerk an Metropolit Augoustinos würdigte Altbundespräsident Wulf den aus Kreta stammenden Theologen als Integrator, Brückenbauer und "Diplomaten der Ökumene". "Ihr Leben ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnt, sich beharrlich für Verständigung einzusetzen." Andere Gruppen von Zugewanderten sollten von diesen Erfahrungen lernen, sagte Wulff in seiner Laudatio.
Durch das Wirken des Metropoliten werde deutlich, "dass Ökumene weit über den Zusammenhang der christlichen Konfessionen hinausgeht und auf das Zusammenwirken in unserer Gesellschaft auswirkt". Wulff ermutigte daher dazu, den ökumenischen Dialog auch über gegensätzliche Positionen noch tiefer zu führen. In der heutigen Gesellschaft brauche es Menschen wie Augoustinos, "die mit Beharrlichkeit, Gelassenheit und Klugheit an der Einheit in Vielfalt arbeiten".
Der 80-jährige Metropolit Augoustinos war von 1964 bis 1972 Pfarrer in West-Berlin, betreute aber auch die orthodoxen Griechen im Ostteil der Stadt. Bis 1976 hielt er zudem Vorlesungen über orthodoxe Theologie an der Freien Universität Berlin. 1972 wurde er zum Vikarbischof der Metropolie von Deutschland gewählt. Von 1973 bis 1979 war er in der Nachfolge des verstorbenen evangelischen Bischofs Kurt Scharf Vorsitzender des Ökumenischen Rates Berlin. 1978 wurde er erstmals zum stellvertretenden Vorsitzenden der ACK gewählt.
Die seit mehr als 100 Jahren bestehende Gebetswoche wurde in diesem Jahr vom 18. bis 25. Januar von Christen aller Konfessionen begangen. Dazu fanden unter anderem zahlreiche Gottesdienste und Begegnungen statt. Der internationale liturgische Entwurf wurde in diesem Jahr von Christen aus Indonesien erarbeitet und stand unter dem Leitwort "Gerechtigkeit, Gerechtigkeit - ihr sollst du nachjagen". Der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen und der Ökumenische Rat der Kirchen verantworten die Gebetswoche gemeinsam. In Deutschland wird sie von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) getragen.
Leipzig (epd). Die Spendenaktion zur Sanierung und Erweiterung des Geläuts der Leipziger Nikolaikirche von drei auf acht Glocken ist erfolgreich beendet worden. In Zusammenarbeit mit der Sparkasse Leipzig und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung seien insgesamt rund 410.000 Euro zusammengekommen, sagte Nikolaikirchen-Pfarrer Bernhard Stief am 21. Januar.
Die Spenden von Privatleuten, Unternehmern und Vereinen beliefen sich demnach auf insgesamt gut 138.000 Euro. Gemäß der Aktion "Aus 1 mach 3" gaben Stiftung und Sparkasse pro gespendetem Euro bis zu der Summe von 136.000 Euro jeweils zwei weitere Euro hinzu. Stief dankte allen Spendern aus Leipzig, Deutschland und darüber hinaus. "Dass wir das innerhalb eines reichlichen Jahres schaffen, war kaum zu erwarten", betonte er.
Das Projekt unter der Schirmherrschaft von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck sieht unter anderem den Guss sechs neuer Glocken vor, darunter den der großen "Osanna", die 1917 verloren gegangen war. Von den bisher drei Glocken werden demnach zwei saniert und wieder eingehängt. Die dritte Glocke wird laut Stief klanglich nicht mehr in das neue Geläut passen und soll eine neue Heimat bekommen. Weiter ist geplant, die zwei Glockenstühle zu sanieren und teilweise neu zu errichten, wie es weiter hieß.
Die Gesamtkosten für die Arbeiten belaufen sich demnach auf rund 600.000 Euro. Neben den privaten Spenden gaben die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens 60.000 Euro und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 25.000 Euro dazu. Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Leipzig, Harald Langenfeld, würdigte das große bürgerschaftliche Engagement der insgesamt 314 Spender. Die Aktion sei auch ein Wagnis gewesen, betonte er.
Die Arbeiten beginnen den Angaben nach Mitte Februar, voraussichtlich Ende März werden die Glocken den Turm verlassen. Zur Weihe der neuen Glocken sind am letzten Juni-Wochenende unter anderem ein Festumzug und mehrere Gottesdienste geplant. Laut Stief sollen die Glocken vom 28. Juni an für zwei Tage auf dem Nikolaikirchhof stehen und der Bevölkerung zugänglich sein. Der Glockenaufzug soll am 30. Juni erfolgen.
Im Juli und August werden den Angaben nach die neue Antriebstechnik und die Steuerung der acht Glocken installiert. Es sei ein Puffer von rund sechs Wochen eingeplant worden, hieß es weiter. Erstmals planmäßig läuten sollen die Glocken dann nach einzelnen Probeläufen zum Friedensgebet anlässlich des 30. Jahrestags der entscheidenden Leipziger Montagsdemonstration gegen das DDR-Regime vom 9. Oktober 1989. In der Zeit ohne Glocken werde der kirchliche Posaunenchor regelmäßig vom Turm herunter musizieren, hieß es weiter.
Der Geschäftsführer der Sparkassenstiftung, Friedrich-Wilhelm von Rauch, bezeichnete die Nikolaikirche als einen "Ort ganz besonderen Nachdenkens", als "Ort von größter Freude" und von "singulärer Bedeutung" für die deutsche Geschichte. Es sei daher "beinahe eine Ehre" für die Stiftung, "dass wir hier mitmachen können", erklärte er.
Von der Nikolaikirche aus waren am 9. Oktober 1989 mehr als 70.000 Menschen über den Innenstadtring gezogen, um friedlich gegen die DDR-Führung zu protestieren. Das Ereignis gilt als wichtige Wegmarke der friedlichen Revolution; wenige Wochen später fiel die Mauer.
Hannover (epd). Evangelische Kirchgemeinden, die ihre historischen Orgel instand setzen wollen, können sich ab sofort für eine Unterstützung durch die Stiftung Orgelklang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bewerben. Bis zum 30. Juni 2019 laufe die Frist zur Beantragung von Fördergeldern für die Jahre 2020 und 2021, teilte die EKD am 24. Januar in Hannover mit. Seit 2010 hat sie nach eigenen Angaben 173 Förderzusagen über insgesamt 1,3 Millionen Euro gegeben. Die Mittel für die Instrumente stammten aus Spenden sowie aus Erträgen des Stiftungskapitals, hieß es.
Allein im vergangenen Jahr habe die Stiftung die Sanierung von 14 Orgeln unterstützt und dazu mehr als 64.000 Euro zur Verfügung gestellt. Dabei wurden allein auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) fünf Königinnen der Instrumente zu "Orgeln des Monats" erklärt. So unterstützte die Stiftung in Sachsen-Anhalt die Kirchgemeinden in Großjena und Schönburg mit je 4.000 Euro. In Thüringen konnten sich Christen und Musikliebhaber in Schlotheim (6.000 Euro), Arnsgereuth (4.000 Euro) und Görsbach (7.000 Euro) über Zuwendungen freuen. Damit flossen 39 Prozent der finanziellen Mittel der Stiftung in die beiden Bundesländer.
Gefördert werden durch die Stiftung "Maßnahmen zur sachgerechten technischen und klanglichen Wiederherstellung von historischen Orgeln einschließlich ihrer Gehäuse". Der Neubau von Instrumenten oder neue künstlerische Gestaltungen würden nicht unterstützt, hieß es von der EKD.
Dresden (epd). In der Dresdner Neustadt können ab sofort nicht mehr gebrauchte Dinge in einen "Tauschschrank" abgelegt werden. In den etwa zwei mal zwei Meter großen Schrank vor der Martin-Luther-Kirche dürften etwa nicht mehr benötigte Kleidung, Bücher oder Spielsachen gelegt werden, teilte der evangelisch-lutherische Pfarrer Eckehard Möller am 22. Januar in Dresden mit. Alles, was zum Wegwerfen zu schade sei, werde zum Tausch oder einfach zur Mitnahme angeboten.
Es sei der erste legale "Tauschschrank" im Stadtteil und werde vom Stadtbezirksamt Neustadt gefördert, hieß es. Bisher gab es an dem einen oder anderen Ort im Stadtteil ähnliche Aktionen, allerdings nicht immer offiziell und geduldet. Die städtisch genehmigte Variante wird den Angaben zufolge von einer Privatperson betreut.
Der von der Stadt genehmigte Schrank soll die Umwelt schonen und Müll reduzieren, aber auch Werte erhalten. Die soziale Aktion beginnt zunächst mit einem Probelauf.
Bad Blankenburg (epd). Die Deutsche Evangelische Allianz fordert einen Abschiebestopp für christliche Flüchtlinge in Staaten, die Christen verfolgen. Die Außenpolitik Deutschlands müsse das Thema Religionsfreiheit zu einem Hauptthema in den politischen Kontakten machen, erklärte die biblisch-orientierte Glaubensbewegung mit Sitz im thüringischen Bad Blankenburg anlässlich des in der vergangenen Woche veröffentlichten "Weltverfolgungsindex" von Open Doors. Die Verfolgung von Christen sei "eine nicht hinnehmbare Menschenrechtsverletzung, die thematisiert werden muss, auch im Bereich zwischenstaatlicher Hilfen".
Das christliche Hilfswerk Open Doors hatte in seiner neuen Negativ-Rangliste unter anderem eine zunehmende Unterdrückung von Christen in China angeprangert. Wie in den Vorjahren belegt Nordkorea den ersten Platz, gefolgt von Afghanistan, Somalia und Libyen. Der jährlich veröffentlichte "Weltverfolgungsindex" soll seit mehr als 15 Jahren betroffenen Christen und Konvertiten zum christlichen Glauben eine Stimme geben. Open Doors ist nach eigenen Angaben in fast 80 Ländern aktiv. Der deutsche Zweig ist als Verein organisiert und wird vor allem von Freikirchen unterstützt.
"Wir danken Open Doors für die immense Forschungsarbeit weltweit, die unter oft sehr schwierigen Bedingungen Fakten erhebt und bewertet. Fakten und Statistiken sind aber unverzichtbar für eine gute Grundlage des Handels", betonte Ekkehart Vetter, der Erste Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz. Der "Weltverfolgungsindex" müsse deshalb auf den Tisch aller mit Ausländerfragen befassten Behörden und ihrer Beamten, Staatsanwälte und Richter, hieß es weiter.
Es sei "katastrophal, dass Verfolgung nicht auf Einzelfälle beschränkt ist, sondern Massen von Menschen und ganze Gesellschaften erfasst und um der Konzentration willen hierfür sogar eine Rankingliste nötig ist, so als ginge es um einen Wettbewerb", kommentierte Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz.
Die Allianz fordert Christen dazu auf, das Gebet für verfolgte Glaubensgeschwister zu verstärken: "Die Verfolgung findet leider täglich statt. Dann sollten wir als Christen in der Freiheit auch täglich diese vor Gott tragen." Die Evangelische Allianz hatte sich 1846 als weltweiter Verbund in London konstituiert.
Bad Blankenburg (epd). Die Deutsche Evangelische Allianz wirbt für eine Wiederbelebung des Gebets. Mit neuen und ungewohnten Angeboten an ungewöhnlichen Orten "gewinnt man auch neue Leute, die mitbeten", erklärte am Dienstag Ekkehart Vetter, der Erste Vorsitzende der biblisch-orientierten Glaubensbewegung mit Sitz im thüringischen Bad Blankenburg zum Abschluss der Internationalen Allianz-Gebetswoche in Deutschland und Europa. Beispiele seien Jugendgebetsabende, ein Gebetsflashmob und kontemplatives Gebet etwa in einem Bauwagen. Dazu kämen immer häufiger Gebetsversammlungen außerhalb der Kirchen wie in Krankenhäusern, Rathäusern und Senioreneinrichtungen.
Allianz-Generalsekretär Hartmut Steeb sagte, wenn Menschen fragen würden "Was bringt beten?", antworte er: "Sehr viel, weil Gott Wunder tun kann. Aber das Gebet hat auch eine innere Wirkung: Wer miteinander betet, tut sich schwerer, sich anschließend miteinander zu streiten."
Die Internationale Gebetswoche fand vom 13. bis 20. Januar zum 173. Mal statt. Für dieses Jahr hatte die spanische und portugiesische Evangelische Allianz die Textvorlagen erarbeitet. Dabei stand die Einheit in Freundschaft, Familie, Ehe und Gemeinde im Zentrum. Die Allianzgebetswoche wird in mehr als 25 Ländern Europas sowie in Ländern anderer Kontinente begangen. In Deutschland hatten sich den Angaben zufolge etwa 300.000 Christen in mehr als 1.000 Orten aus den unterschiedlichen Kirchen und Gemeinden an der Aktion beteiligt.
Die Deutsche Evangelische Allianz umfasst rund 1.100 Ortsgruppen sowie 340 überregionale Werke und Verbände mit mehr als einer Million evangelikaler Christen aus Landes- und Freikirchen. Auch diakonische Einrichtungen, humanitäre Aktionen sowie gesellschaftspolitische Initiativen gehören zur Arbeit der Evangelischen Allianz.
Hannover, Magdeburg (epd). Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen befürworten ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. "Es ist notwendig, dass konkrete Schritte unternommen werden, um den Klimazielen näherzukommen", sagte Landesbischof Ralf Meister als Ratsvorsitzender der Kirchen-Konföderation am 24. Januar in Hannover. "Auch kleine Schritte helfen."
Die Kirchen unterstützen damit eine Petition für ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen, die die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland zu Beginn der Fastenzeit am 6. März beim Bundestag einreichen will. Als erste hatte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" in ihrer Online-Ausgabe am Donnerstag darüber berichtet.
Umwelt- und Klimaschutz gehe alle an, betonte Meister. Auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung könne dazu einen Beitrag leisten. Vor einigen Tagen hatte die Verkehrskommission der Bundesregierung vorgeschlagen, mit Tempo 130 als Höchstgrenze den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen zu begrenzen.
Die hannoversche Landeskirche, die größte Mitgliedskirche der Konföderation, hatte im Herbst 2015 ein Klimaschutz-Konzept beschlossen. Ziel ist es, die CO2-Emmissionen deutlich zu reduzieren. Für Kirchengemeinden und Einrichtungen würden dabei Klimaschutzkonzepte entwickelt, sagte Meister.
Klimaschutzmanager starteten Projekte zur Förderung des Radfahrens und der E-Mobilität. "Wir investieren in Energieeinsparung in Gebäuden und befähigen Ehrenamtliche zum Energiemanagement", betonte der Bischof. Die Kirchen seien herausgefordert, noch viel stärker als bisher ihren Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen zu liefern.
Oldenburg (epd). Mit einem feierlichen Gottesdienst ist der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit am 23. Januar in sein neues Amt eingeführt worden. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, segnete den 48-jährigen Theologen vor rund 800 Besuchern in der voll besetzten St. Lambertikirche ein. Anschließend legte er ihm das Bischofskreuz als Zeichen seines neuen Amtes um.
Ein Bischof müsse Orientierung geben, als Brückenbauer zwischen Menschen in der Gesellschaft wirken und die Kirche zusammenhalten, sagte Bedford-Strohm. Dafür bringe Adomeit "biografisch und geografisch die besten Vorausstetzungen mit". Adomeit wurde in Stuttgart geboren, in Augsburg getauft und in Fulda konfirmiert. In der Landeskirche Hessen-Nassau legte er sein Erstes Theologisches Examen ab, und später wurde er in Oldenburg Pastor.
Zu Beginn des Gottesdienstes war der neue Bischof gemeinsam mit mehr als 100 Pastorinnen und Pastoren der oldenburgischen Kirche und nahezu allen 60 Mitgliedern des Kirchenparlamentes, der Synode, unter festlichen Bläserklängen in die Kirche eingezogen. Adomeit war im September 2018 von der Synode gewählt worden.
In seiner Predigt betonte Adomeit, dass Christen auch politische Verantwortung übernehmen müssten: "Ein christliches Leben wird immer nach außen in die Welt strahlen." Dies bedeute, dass Christen ihre Stimme etwa gegen die Abschottung gegenüber Flüchtlingen, die zu niedrigen Pflegeentgelte oder gegen Gewalt als politische Lösung in Konflikten erheben müssten.
Christsein zeige sich konkret in den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen, unterstrich der Bischof. "Flagge zeigen, den Mund auftun, ja, das müssen wir." Es sei nicht hinnehmbar, wenn bestimmte Kräfte "unser Land, unser Miteinander, unsere demokratische Erfolgsgeschichte, unser friedliches Miteinander in Europa mit Parolen schlechtreden und kaputt machen".
Für die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen gratulierte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister dem neuen Bischof. "Gerade in den Zeiten, in denen wir Risse und manche tiefe Spaltungen innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen Ländern sehen, wird deutlich, wie wichtig der Zusammenhalt der Kirchen ist", sagte er. Dem schloss sich der Bischof des katholischen Bistums Münster, Felix Genn, an. Wenn die Stimme der Kirchen von der Gesellschaft nicht mehr automatisch nachgefragt werde, "müssen wir unsere Stimme möglichst gemeinsam erheben", betonte Genn.
Die Präsidentin der oldenburgischen Synode, Sabine Blütchen, zitierte aus der oldenburgischen Kirchenordnung: "Es ist die Aufgabe unseres Bischofs, darüber zu wachen, dass das Wort der Kirche vor Volk und Staat laut wird." Außerdem müsse der Bischof die schwierigen Prozesse in der Kirche angesichts des demografischen Wandels und der langfristig sinkenden Kirchensteuern begleiten.
Blütchen schenkte Adomeit ein Winkelmaß, das Attribut des Apostels Thomas. Sie wünschte ihm stets ein gutes Maß beim Abwägen von Argumenten und Meinungen. Die Gratulation der niedersächsischen Landesregierung überbrachte Staatssekretär Stefan von der Beck.
Berlin, Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßt die Einigung von Bund und Ländern im Konflikt um die Rückzahlung von Sozialleistungen für syrische Flüchtlinge. Er sei erleichtert, dass endlich eine Lösung für das Problem der Verpflichtungserklärungen gefunden worden sei, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD in Berlin, Prälat Martin Dutzmann, am 25. Januar. Der niedersächsische Flüchtlingsrat sieht die politische Einigung jedoch skeptisch.
Dutzmann zeigte sich erleichtert, dass Bund und Länder für die Rückforderungen an die Bürgen aufkommen wollen. "Bund und Länder erkennen das persönliche, auch finanzielle Engagement vieler Menschen für Geflüchtete an und beenden eine lange Zeit der Ungewissheit", betonte der Theologe.
"Grundsätzlich sind wir erleichtert, dass es zu einer Einigung gekommen ist, allerdings bleiben viele Fragen offen", sagte Geschäftsführer Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat am Freitag dem epd. "Das, was wir bisher wissen, heißt leider nicht, dass alle Verfahren mit einem Federstreich beendet sein werden."
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte am 24. Januar in Berlin erklärt, Bund und Länder hätten sich auf eine Lösung verständigt. Er werde die Jobcenter anweisen, von den Rückforderungen abzusehen, sagte Heil. Wer vor dem Jahr 2016 rechtlich falsch beraten worden sei oder für wen die Rückforderung eine besondere Härte darstelle, müsse nicht zahlen. Nach Worten des Ministers übernehmen Bund und Länder die Kosten anteilig. Eine genaue Summe nannte er aber nicht.
Gerade die Formulierungen Heils, wonach derjenige nicht zahlen müsse, der "rechtlich falsch beraten worden sei" oder für den die Rückforderung "eine besondere Härte" darstelle, seien empfindliche Einschränkungen, die Raum für Interpretationen ließen, kritisierte Weber: "Es ist auch weiterhin eine Einzelfallprüfung angesagt, und die Flüchtlingsbürgen müssen sich weiter Sorgen machen."
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Donnerstag zwar angekündigt, zu einer Erstattungspflicht durch die Bürgen werde es jetzt grundsätzlich nicht mehr kommen. Weber wollte diese Sicht aber nicht uneingeschränkt teilen. Es sei genauso gut denkbar, dass die Ausländerbehörde in Einzelfällen argumentieren werde, sie habe ausreichend über die unterschiedliche Rechtsauffassung von Bund und Land Niedersachsen hinsichtlich der Dauer der Zahlungsverpflichtungen aufgeklärt.
Auch andere Initiativen von Flüchtlingsbürgen haben die Einigung zurückhaltend aufgenommen. So sei nur von den Forderungen der Jobcenter die Rede, nicht aber von den Ansprüchen der kommunalen Sozialämter an Flüchtlingsbürgen, sagte Rüdiger Höcker vom Kirchenkreis Minden. Diese machten aber ein Viertel aller Bürgschaften aus, erklärte Christian Osterhaus vom Koordinationskreis Bonner Bürginnen und Bürgen. Unklar sei auch, ob Bürgen die bereits gezahlt hätten, ihr Geld zurückbekommen, und was aus den zum Teil hohen Anwalts- und Gerichtskosten werde. Osterhaus und Höcker verlangten außerdem eine Präzisierung Heils hinsichtlich des Stichtages für den Verzicht auf Rückforderungen.
Bundesweit hatten Jobcenter von Flüchtlingsbürgen mindestens 21 Millionen Euro an Sozialleistungen zurückgefordert. Viele Betroffene wehrten sich gerichtlich.
Berlin (epd). Vertreter der Bildungsarbeit der evangelischen Kirche fordern eine stärkere Berücksichtigung religiöser Hintergründe für eine gelingende Integration in den Schulen. Religion spiele derzeit in der Bildung eine zu geringe Rolle, anderseits würden viele Lehrer durch zugewanderte Schüler damit konfrontiert, sagte die Vorsitzende der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Bildung, Annette Scheunpflug, am 25. Januar in Berlin. Die Bamberger Pädagogik-Professorin gehört zu den Autoren des EKD-Papiers "Religiöse Bildung in der migrationssensiblen Schule", das Lehrer dazu ermuntern will, die Religion stärker zu berücksichtigen und den Austausch zu fördern.
Scheunpflug sagte, andere Religionen als das Christentum würden schon lange im Unterricht thematisiert. Der Unterschied sei, dass die, über die man früher gesprochen habe, "nun neben einem sitzen". Lehrer müssten den Dialog über religiöse Praxis fördern, um Toleranz zu üben, argumentierte sie. Vielen Stereotypen könne so entgegengewirkt werden. Insbesondere Migrantenkinder fühlten sich dadurch auch ernster genommen.
Schulleiter und Lehrer evangelischer Schulen wollten am 25. Januar in Berlin zu einer Tagung zusammenkommen, um über das Thema zu beraten. Die Freiburger Gymnasiallehrerin Kathrin Wassmer berichtete, an ihrer Schule, an der inzwischen viele Muslime und Jesiden lernten, seien Jesidinnen entsetzt aus dem Unterricht gerannt, als der Islam thematisiert werden sollte. Der stellvertretende Schulleiter eines evangelischen Gymnasiums in Nordhorn berichtete von Konflikten an seiner Stelle wegen antisemitischer, frauenfeindlicher oder homophober Vorfälle.
Scheunpflug betonte, dies sei eine Aufgabe für alle Schulen und Lehrer. Sie sieht das Papier mit Thesen für stärkere religiöse Rücksichtnahme aber auch als Forderung "nach innen" an den konfessionellen Religionsunterricht. Insbesondere Lehrer im konfessionellen Religionsunterricht der Kirchen müssten sich auch als "Anwaltschaft" für andere Religionen begreifen. Langfristig müsse es für diese Integrationsaufgabe auch mehr Ausstattung und Personal geben, sagte sie. Auch mit bestehenden Ressourcen könne aber viel erreicht werden. Nach Angaben der EKD ist in diesem Jahr ein Treffen zwischen Kirchen und Kultusministerkonferenz geplant, bei dem es auch um dieses Thema gehen soll.
Dortmund (epd). Der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund sucht noch 8.000 Privatunterkünfte. Dazu starteten die Veranstalter am 24. Januar eine Kampagne unter dem Motto "Noch Platz im Revier". Kirchentagspräsident Hans Leyendecker sagte zum Auftakt, Gastfreundschaft sei ein wichtiger Teil der Großveranstaltung. Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, hob hervor, dass es nun darauf ankomme, sich als guter Gastgeber zu erweisen.
Für die Unterkünfte kommen nach Angaben der Veranstalter neben Dortmund weitere umliegende Städte in Betracht: Unna, Lünen, Bochum, Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen, Hagen, Herne, Kamen, Schwerte und Witten. Von der Unterkunft aus sollte der Veranstaltungsort in rund 50 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein.
Zum Kirchentag, der vom 19. bis 23. Juni in Dortmund stattfindet, erwarten die Veranstalter rund 100.000 Gäste. Nach den jetzigen Planungen sollen rund 40.000 Besucher in Sporthallen untergebracht werden, etwa 20.000 in Hotels und auf Campingplätzen. Bei 32.000 Gästen gehen die Veranstalter davon aus, dass sie bei Verwandten oder Bekannten ein Quartier finden oder von ihrem Wohnort aus zum Kirchentag pendeln.
Für die gesuchten Privatunterkünfte sind keine eigenen Gästezimmer erforderlich, wie die Generalsekretärin des Kirchentags, Julia Helmke, hervorhob. "Ein Bett, ein Sofa oder eine Liege sowie ein kleines Frühstück am Morgen reichen vollkommen aus", sagte Helmke. Quartiere werden für verschiedene Zielgruppen gesucht: Gäste ab einem Alter von 35 Jahren, Menschen mit Behinderung, Mitwirkende des Kirchentags und internationale Besucher. Helmke betonte zudem, dass sich zwischen Gastgebern und Gästen schon sehr häufig dauerhafte Kontakte oder bleibende Freundschaften entwickelt hätten. Helmke rief dazu auf, die Herzen und die Türen zu öffnen. Gelebte Gastfreundschaft gehöre zu dem fünftägigen Fest des Glaubens unmittelbar dazu.
Nach Worten der leitenden Theologin Kurschus und des Kirchentagspräsidenten Leyendecker hat nun die heiße Phase der Vorbereitungen für die Veranstaltung begonnen. Inzwischen sei auch das Programm nahezu komplett festgelegt. Es gebe nur noch wenige Felder, die noch offen seien, sagte Leyendecker. Er lobte das "ungewöhnlich große Engagement von vielen Leuten, den Kirchentag vorzubereiten und zu organisieren". Präses Kurschus stellte ein Wir-Gefühl heraus, das sich in der Landeskirche für den Kirchentag entwickelt habe. Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) sagte, er erwarte eine große Zahl von Besuchern, denen man die Stadt zeigen und vorstellen könne.
Das Protestantentreffen ist alle zwei Jahre in einer anderen Stadt zu Gast. Der diesjährige Kirchentag steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen".
Dortmund (epd). Der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund stellt sich auf Besucher mit Behinderungen ein. "Alle sollen einfach dabei sein können", teilte das Kirchentagsbüro am 23. Januar mit. Rund 500 ehrenamtliche Mitarbeiter seien während der Großveranstaltung vom 19. bis 23. Juni für Barrierefreiheit und Inklusion im Einsatz. Sie bieten unter anderem im "Zentrum Kirchentag Barrierefrei" und an den Infopunkten Informationen und Beratung an.
Am Hauptbahnhof soll es Umsteigehilfen bei der An- und Abreise geben. Für Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen können, bietet der Kirchentag einen Fahrdienst an, wer Unterstützung beim Weg von einer Veranstaltung zur nächsten braucht, kann einen Begleitdienst in Anspruch nehmen. Außerdem gibt es einen Rollstuhlverleih.
Insgesamt seien rund 90 Prozent der 2.000 Veranstaltungen barrierefrei, hieß es. Veranstaltungsorte, die nicht oder nur eingeschränkt barrierefrei seien, seien in der Tagungsmappe, der Programmdatenbank und der Kirchentags-App gekennzeichnet. Mehr als 50 Veranstaltungen werden den Angaben zufolge von Gebärdendolmetschern begleitet.
Im Mai soll die Broschüre "Kirchentag Barrierefrei - Wichtige Hinweise für Ihre Teilnahme" mit Informationen über alle Serviceangebote erscheinen. Außerdem soll es zur Vorbereitung auf den Kirchentag auch noch einen Video-Clip in Deutscher Gebärdensprache, Informationen im "Daisy"-Format für blinde Teilnehmer, Materialien in Großdruck und Punktschrift sowie Publikationen in Leichter Sprache geben.
Zum Kirchentag in Dortmund erwarten die Veranstalter rund 100.000 Dauerteilnehmer. Das Protestantentreffen ist alle zwei Jahre in einer anderen Stadt zu Gast. Der diesjährige Kirchentag steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen".
Frankfurt a.M. (epd). Die Empörung in der Netzgemeinde ist immer noch groß, seit der Berliner Altbischof Wolfgang Huber vor der Twitter-Falle warnte: Seiner Meinung nach verhindert Twitter Begegnung zwischen Menschen. Kirche aber solle ein Ort sein, an dem sich Menschen begegnen. Der Widerspruch von Twitter-Nutzern, die sich für die digitale Kirche interessieren, ist groß.
"So viele tolle Menschen habe ich gerade durch Twitter kennengelernt - und später auch persönlich getroffen", erwidert etwa eine Theologin und Bloggerin unter dem Tweet des ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. Tweet und Reaktionen werfen Fragen auf: Welche Formen christlicher Gemeinschaft gibt es im Netz? Sind sie - im theologischen Sinne - eigenständige Gemeinden?
Auf die Frage, ob es eine digitale Gemeinde gibt, hat die junge Theologin Hanna Jacobs (30) eine klare Antwort: "Ja." Aber natürlich komme es darauf an, wie man Gemeinde definiere. "Wenn man nach den Aussagen Jesu im Matthäusevangelium geht, entsteht Gemeinde da, wo zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind", sagt Jacobs, die für das alternative Gemeindeprojekt raumschiff.ruhr in Essen arbeitet. Das Internet sprenge die klassische Definition der Ortsgemeinde. Seelsorge, Verkündigung, Gemeinschaft - dies alles seien Dinge, die auch online funktionieren. Schwieriger sei es mit den Sakramenten.
Deswegen möchte sich die Theologin Birgit Mattausch nicht auf ein klares "Ja" festlegen. "Unsere Sakramente Taufe und Abendmahl werden in Kohlenstoffform gereicht. Das wird online schwierig." Aber dafür könne sich in Zukunft auch noch eine Lösung finden lassen. Dass die Netzgemeinde im Hinblick auf die Bedeutung von Kirchenhierarchien anders funktioniere, könne man an den Reaktionen auf Hubers Tweet sehen. "In der digitalen Gemeinschaft zählt, sich zu öffnen, bereit zu sein, etwas zu teilen und sich beraten zu lassen - darauf kommt es an und nicht auf die Stellung in der Kirche", sagt die 43-Jährige. In sozialen Netzwerken passierten Dinge, die in Ortsgemeinden weniger vorkämen. "In welcher Gemeinde vor Ort treffen sich Leute jeden Tag, um zu beten?", sagt Mattausch, die als Referentin am Evangelischen Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik in Hildesheim arbeitet.
Damit meint Mattausch digitale Formate wie die Twomplet. Jeden Abend um 21 Uhr feiert eine Twittergemeinschaft Abendandacht (lateinisch Komplet). Einer betet vor, die anderen können nach Belieben Fürbitten oder Gebete einbringen. Seit 2014 gibt es die Twomplet. Die Theologin und Pfarrerin Kerstin Söderblom (55) hat damit selbst gute Erfahrungen gemacht. "Ich habe bei Twomplet selbst schon durch das Netz Trost und Seelsorge erfahren", sagt sie. "So eine Erfahrung ist, was Interaktion und Zwiesprache mit einer Gemeinschaft und mit Gott betrifft, nicht weniger intensiv als in einem analogen Gottesdienst." Natürlich gebe es im Digitalen Grenzen. Aber digitale Communitys könnten auch milieubezogene oder orts- und zeitbezogene Grenzen überwinden und seien dadurch barrierefrei. Söderblom wünscht sich in dieser Hinsicht noch mehr landeskirchliches Engagement.
Dass auch Landeskirchen in Sachen digitale Kirche einen Treffer landen können, zeigt die neue App "XRCS" ("Exercise"). Sie erhielt kurz nach der Veröffentlichung unter dem Hashtag #digitaleKirche auf Twitter viel positives Feedback. Entwickelt wurde sie im Auftrag der Landeskirche Hannover. Die ersten 30 Tage befinden sich Nutzer im sogenannten Inspirationsmodus. Täglich erhalten sie drei Fragen, die sie zum Innehalten und Nachdenken anregen sollen. "Was hast du heute übersehen?" oder "Wann warst du das letzte Mal glücklich?", lauten die kurzen Impulse. Danach kann man mit dem Exerzitien-Modus weitermachen. Die App sei klug gemacht, sagt Mattausch. Sie überzeuge durch ihr schlichtes, aber farbenfrohes Design und die inhaltliche Tiefe der Fragen. "Ich könnte mir vorstellen, die App Menschen zu empfehlen, die sich nicht als Christen bezeichnen", sagt sie.
Menschen auf ihrem Glaubensweg zu begleiten und Leuten zu begegnen, die bislang wenig mit der Kirche in Kontakt waren, ist das Ziel von Gunnar Engel (31). Der Pastor leitet eine Gemeinde in Schleswig-Holstein und betreibt als Hobby seit einem halben Jahr einen Youtube-Kanal. Er hat bereits 1.300 Abonnenten, was für einen christlichen Account ziemlich erfolgreich ist. Jede Woche veröffentlicht er ein Video. Er macht Themenvideos zur Taufe oder zum Bibelstudium, dreht einen Video-Blog oder räumt in "Frag den Pastor"-Videos mit Klischees über Religion und den Pfarrberuf auf.
Aber auch der Youtube-Pastor hat Zweifel, ob es eine reine Netzgemeinde geben kann. "Ich glaube, gemeinsames Beten oder Bibelarbeit ist kein Problem", sagt er. "Beim Gottesdienst würde mir etwas fehlen. Die Netzgemeinde ist ein Zusatz, aber kein Ersatz. Die Nähe und die Begegnung würden mir fehlen."
Tübingen/München (epd). Nach Ansicht des evangelischen Theologen Jürgen Moltmann (Tübingen) hat sich die Theologie an der Universität von der Praxis losgelöst. Viele Dozenten an der Universität waren oft noch nie selbst in einer Kirchengemeinde tätig, sagte der emeritierte Theologieprofessor für Systematik und Sozialethik am 22. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei wäre Gemeindeerfahrung für die Dozenten wünschenswert. Denn die Studenten, die in den Seminaren und Hörsälen sitzen, wollten meist Pfarrer werden und müssten auf die Praxis in der Gemeinde vorbereitet werden.
In seinem neuen Buch "Christliche Erneuerungen in schwierigen Zeiten" (Claudius-Verlag, München) kritisiert Moltmann eine "Dialoginflation". "Wir leben in einer Post-Wahrheitsära. Das zeigen auch die Fake-News und die Talkshows, in denen es nicht um ein Ringen um Wahrheit geht, sondern darum, möglichst viel Redezeit zu bekommen", sagte er dem epd. Viele seiner jüngeren Kollegen führten mit allen Dialog, um die Gemeinschaft zu fördern, aber nicht die Wahrheit. "Doch warum geht nicht Wahrheit und Gemeinschaft zusammen?" Streit könne produktiv sein - wenn er sich in gesitteten Bahnen abspielt und sich nicht in Beleidigungen äußert.
Mit Blick auf die Ökumene wird laut Moltmann die Frage des gemeinsamen Abendmahls wesentlich bleiben. Er schlägt vor, erst einmal gemeinsam an einem Tisch zusammenzukommen, das Abendmahl zu feiern und dann anschließend über die Theorie des Abendmahls zu reden: "Dann könnte sich zeigen, dass es gar keine Hindernisse mehr gibt, auch in Zukunft gemeinsam Brot und Wein zu teilen."
Der 92-Jährige prangerte auch die Fälle von sexuellem Missbrauch in den Kirchen an. Bereits seit 20 Jahren habe er auf die Opfer hingewiesen und keiner habe das aufgenommen. Die Gnadenlehre der christlichen Kirchen und die Rechtfertigungslehre der reformatorischen Kirchen sei zu täterorientiert: "Die Sünder sollen Buße tun und gerechtfertigt werden und die Opfer der Sünde sind nicht im Blick." Doch es müsse beides geben: Die Befreiung der Unterdrückten, Missbrauchten und Marginalisierten ebenso wie die Befreiung der Unterdrücker, Herren und Mächtigen, so der Theologe, dessen "Theologie der Hoffnung" international beachtet wurde.
Rom, Panama-Stadt (epd). Zum ersten Mal wird Portugal einen Weltjugendtag ausrichten: Das Großereignis findet 2022 in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon statt, wie der Vatikan am 27. Januar nach Abschluss des diesjährigen Großereignisses in Panama mitteilte. Papst Franziskus hatte zuvor eine Freiluftmesse mit mehreren Hunderttausend jungen Menschen gefeiert. In seiner Predigt auf dem "Campo San Juan Pablo II" rief er die Jugendlichen dazu auf, christliche Ideale nicht in der Zukunft zu sehen, sondern in der Gegenwart umzusetzen. Im Mittelpunkt müsse barmherzige Liebe stehen, "die nicht auf ideale oder vollkommene Situationen für ihre Offenbarung wartet".
Christen müssten sich "die Hände schmutzig machen", rief der Papst den Jugendlichen zum Abschluss seines fünftägigen Aufenthalts in Panama zu. Dabei forderte er auf zu Risikobereitschaft anstatt eines Lebens für eine "hygienisch gut verpackte und folgenlose Zukunft, die gut aufgebaut und in der alles gewährleistet und gut abgesichert ist".
Der Vorsitzende der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stefan Oster, betonte, für die 2.300 deutschen Teilnehmer sei der Weltjugendtag ein überwältigendes Erlebnis gewesen. Dabei hätten sie in Panama "auch die Schattenseiten zu sehen bekommen oder wollten sie bewusst kennenlernen".
Der von Papst Johannes Paul II. ins Leben gerufene Weltjugendtag findet jährlich in den einzelnen Diözesen statt. Etwa alle drei Jahre lädt der Papst zum internationalen Weltjugendtag in ein anderes Land ein. Franziskus besuchte bislang die Weltjugendtage von Rio de Janeiro (2013) und Krakau (2016).
Während Spanien bereits zweimal einen Weltjugendtag veranstaltete, ging das Nachbarland Portugal bisher leer aus. In Deutschland gab es 2005 in Köln einen Weltjugendtag, zu dem der damals neu gewählte deutsche Papst Benedikt XVI. anreiste.
Speyer, London (epd). Der Pfarrer der deutschsprachigen evangelischen Auslandsgemeinden in London-Ost, Bernd Rapp, hat an die Kirchen in Großbritannien und Deutschland mit Blick auf den geplanten Brexit appelliert, ihre Partnerschaften zu vertiefen. "Wir müssen verstärkt aufeinander zugehen und den Austausch der Menschen fördern", sagte der Theologe am 25. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Speyer. Rapp arbeitet seit 2016 im Pfarramt London-Ost der Evangelischen Synode deutscher Sprache in Großbritannien. Deren drei Kirchengemeinden zählen rund 300 meist deutschstämmige Mitglieder.
Die Reaktionen auf den geplanten Austritt der Briten aus der EU seien bei seinen Gemeindemitgliedern sehr unterschiedlich, sagte Rapp, der zuvor Gemeindepfarrer an der Johanneskirche in Pirmasens war. Manche zeigten sich uninteressiert, weil sie mittlerweile die britische Staatsbürgerschaft hätten. Andere säßen auf gepackten Koffern. Seine Gemeinde unterstütze Gemeindemitglieder dabei, einen "Settled Status" zu erhalten - eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung nach fünfjährigem Aufenthalt für den Fall, dass Großbritannien die EU ohne Einigung verlässt.
Groß sei die Unsicherheit der Menschen in Großbritannien. Keiner wisse, wohin es ab Ende März mit dem Land gehen werde, sagte Rapp, der im schottischen Edinburgh studierte und in Cambridge sein Kontaktstudium machte. Das Land sei tief gespalten zwischen Befürwortern und Gegnern eines Brexits. Er selbst bedauere die Brexit-Entscheidung der britischen Regierung sehr, sagte Rapp. Die Menschen seien von den Politikern schlicht belogen und über die möglichen Folgen eines EU-Austritts im Unklaren gelassen worden. Das politische Projekt zeige, "was passiert, wenn man Populisten das Feld überlässt".
Die kirchlichen Partnerschaften, etwa zwischen der pfälzischen Landeskirche und der United Reformed Church (URC), würden durch einen Brexit sogar gestärkt werden, glaubt Rapp. Die Christen in Deutschland und Großbritannien würden dann deutlicher erkennen, wie wichtig es sei, gemeinsam über nationale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten.
Rapp hat einen berühmten Vorgänger: Der Theologe und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer war von 1933 bis 1935 Pfarrer in Sydenham/Forest Hill, das zu Rapps Pfarramt gehört.
Bremen (epd). "Augen auf, ansprechen - wir müssen stärker hinschauen, wie es ihnen geht", sagte der kirchliche Sozialexperte am 24. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Einfach fragen: Kann ich Ihnen helfen?" In Hannover war am 21. Januar ein obdachloser Mann nach einer eisigen Nacht auf der Straße gestorben. Die Polizei vermutet, dass Unterkühlung zum Tod des Mannes führte.
Obdachlose seien durch das jahrelange Leben auf der Straße gesundheitlich häufig in einer schlechten Verfassung, sagte Meyer. "Bei diesen Temperaturen werden sie oft noch kränker." Wenn dann noch Alkohol im Spiel sei, steige die Gefahr, bei Minusgraden zu erfrieren. Deshalb seien jetzt in Bremen auch verstärkt Johanniter und die Innere Mission unterwegs, um an Treffpunkten und Schlafplätzen Obdachloser nach dem Rechten zu sehen. In der Stadt gibt es Schätzungen zufolge zwischen 500 und 600 Menschen, die auf der Straße leben.
Trotz der Kälte und der damit verbundenen Lebensgefahr wollten einige von ihnen aber keine Notunterkunft aufsuchen, führte Meyer aus. "Wenn der Eindruck da ist, da gefährdet sich ein Mensch selbst, wäre es gut, die Polizei zu verständigen", riet der Theologe. Er warnte auch davor, Obdachlose aus dem Citybereich an die Ränder der Innenstadt zu verdrängen: "Da geraten sie aus dem Blick."
Obwohl es laut Sozialbehörde in der Stadt genügend Notunterkünfte in Einrichtungen und Billighotels gibt, rief Meyer dazu auf, noch mehr Plätze zu schaffen. Das könne beispielsweise in leerstehenden ehemaligen Flüchtlingsunterkünften geschehen, schlug der Diakoniepastor vor und warnte: "Je kälter es wird, desto lebensbedrohlicher wird die Situation."
Frankfurt a.M. (epd). Bundesweit sind am 26. Januar Tausende Menschen für eine ersatzlose Streichung des Straftrechtsparagrafen 219a auf die Straße gegangen. Die Veranstalter vom "Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung" zählten bis zu 6.000 Teilnehmer in mehr als 30 Städten. "219a muss endlich abgeschafft werden, das sieht auch die Mehrheit in der Politik so, aber sie handelt nicht danach", sagte die Ärztin Kristina Hänel auf einer Kundgebung in Gießen. Dort versammelten sich rund 400 Menschen, um gegen den Paragrafen zu protestieren, der Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellt.
Der bundesweite Aktionstag trug den Titel "Jetzt erst recht! Körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sind nicht verhandelbar". Das im Dezember 2018 nach einem Jahr Verhandlungen präsentierte Eckpunktepapier der Bundesregierung zur "Verbesserung der Information und Versorgung in Schwangerschaftskonflikten" trage zur zusätzlichen Stigmatisierung und Tabuisierung bei, kritisierte das Bündnis.
Die Verurteilung der Gießener Allgemeinmedizinerin Hänel zu eine Geldstrafe auf Grundlage des Paragrafen 219a hatte vor mehr als einem Jahr eine breite Debatte entfacht. Die Ärztin hatte auf der Internetseite ihrer Praxis darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.
Es gebe keinen Grund, den Frauen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche vorzuenthalten, betonte Hänel bei der Kundgebung in Gießen. "Wir Frauen wissen sehr gut, ob wir Mutter werden wollen oder nicht, wie lange unsere Kräfte reichen." Die Ärztin forderte einen sicheren Zugang zu den Informationen, Zugang zu Verhütungsmitteln und ein Recht auf "reproduktive Selbstbestimmung".
Die Bundesregierung will demnächst ihren Gesetzentwurf konkretisieren, nach dem der Paragraf geändert werden soll. Laut dem im vergangenen Dezember vorgestellten Kompromissvorschlag sollen künftig staatliche Stellen damit beauftragt werden, Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, welche Ärzte und medizinischen Einrichtungen Abtreibungen vornehmen. Kritiker lehnen den Gesetzentwurf ab und warnen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen die Situationen von Ärzten und Schwangeren sowie Beratungsstellen weiter verschlechterten.
In Berlin beteiligten sich am bundesweiten Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung und die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen nach Veranstalterangaben rund 700 Menschen, in Hamburg wurden rund 400 Teilnehmer gezählt. In Berlin, Hamburg und Gießen fanden demnach die größten Kundgebungen statt. Aktionen gab es unter anderem auch in München, Bremen, Frankfurt am Main und Dresden.
In Karlsruhe distanzierte sich die Diakonie von einer Kundgebung gegen Paragraf 219a. Der Wohlfahrtsverband lehne die Veranstaltung sowie die dahinterstehenden Ziele ab, sagte Diakoniedirektor Wolfgang Stoll den "Badischen Neuesten Nachrichten", nachdem das Hilfswerk irrtümlich auf der Rednerliste aufgetaucht war. Als Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche in Karlsruhe setze sich die Diakonie für den Schutz des Lebens ein, so Stoll.
Bundesweite Demonstrationen gegen den Paragrafen 219a hatte es auch schon am 19. Dezember gegeben.
Berlin (epd). Am bundesweiten Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung und die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen haben sich in Berlin mehrere hundert Menschen beteiligt. An der Kundgebung gegen den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs hätten am 26. Januar rund 700 Menschen teilgenommen, hieß es im Anschluss an die Demonstration am Samstag bei den Veranstaltern vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Nach Polizeiangaben waren 500 Teilnehmer angekündigt.
Zu dem bundesweiten Aktionstag unter dem Titel "Jetzt erst recht! Körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sind nicht verhandelbar" war zu Kundgebungen in mehr als 30 Städten aufgerufen worden. Das im Dezember 2018 nach einem Jahr Verhandlungen präsentierte Eckpunktepapier der Bundesregierung zur "Verbesserung der Information und Versorgung in Schwangerschaftskonflikten" trage zur zusätzlichen Stigmatisierung und Tabuisierung bei, kritisierte das Bündnis.
Das Papier gebe die Stimmen christlicher Fundamentalisten und radikaler Lebensschützer wieder und greife auch das angebliche "Post-Abortion-Syndrome" als Argument auf, das mehrfach wissenschaftlich widerlegt worden sei, betonte das Bündnis. Frauen berichteten häufig in Beratungen, dass sie die Zeit nach einem Abbruch als sehr belastend erleben, weil das gesellschaftliche Klima sie stigmatisiere und kriminalisiere, betonte die Psychologin Konstanze Haase vom Familienplanungszentrum Balance. Dies sei jedoch nicht mit dem sogenannten "Post-Abortion-Syndrome" gleichzusetzen, wie von den Abtreibungsgegnern oft propagiert werde.
Das Papier der Bundesregierung gehe an den tatsächlichen Bedürfnissen betroffener Frauen und an der realen Informations- und Versorgungslücke vorbei, hieß es weiter. Ärzte würden weiterhin von Strafverfolgung bedroht. Statt Frauen zu bevormunden und Ärzte zu illegalisieren, müsse ein Zeichen für die sexuellen und reproduktiven Rechte gesetzt werden.
Erfurt (epd). In Thüringen droht sich die Pflegesituation zu verschärfen. Etwa 6.000 der 80.000 Männer und Frauen im Land, die gegenwärtig Angehörige betreuen, stehen nach einer Schätzung der Barmer kurz davor oder haben sich bereits dazu entschieden, die Pflege aufzugeben. Eine Ursache dafür sei der höhere Krankenstand der Pflegenden, sagte die Landesgeschäftsführerin der Krankenkasse, Birgit Dziuk, am 24. Januar in Erfurt. Laut Barmer-Pflegereport leiden pflegende Angehörige insbesondere unter Rückenbeschwerden, psychischen Belastungsstörungen und Schlafmangel.
Dabei seien die pflegenden Angehörigen ein unverzichtbarer Pfeiler des gesamten Betreuungssystems. Mehr als drei Viertel (75,3 Prozent) der Pflegebedürftigen würden im Freistaat zu Hause und 24,7 Prozent in Heimen betreut. Angehörige machten in Thüringen damit den größten Pflegedienst aus, so Dziuk. Mit ihrer Motivation aus Liebe und Pflichtbewusstsein leisteten sie zwar einen unschätzbaren Dienst an der Gesellschaft, "oftmals kommen die eigenen Bedürfnisse dabei aber zu kurz und sie werden selbst krank", sagte Dziuk.
Laut Barmer pflegt etwa die Hälfte der Betroffenen in Deutschland einen Partner; bei 28 Prozent seien es Vater, Mutter oder sogar beide Eltern. Dabei hätten mit 40 Prozent der Helfenden viele schon ein Alter von 60 Jahren oder mehr erreicht. Wegen ihres Alters oder der Belastung durch die Pflege gingen zwei Drittel keiner Erwerbstätigkeit nach. Etwa jeder vierte pflegende Angehörige habe seine Arbeit zudem wegen der zusätzlichen Belastung verkürzt oder ganz aufgegeben, ermittelte die Krankenkasse.
Weil es ohne Angehörige nicht gehe, müssten sie bei der Pflege und darüber hinaus frühzeitig unterstützt, umfassend beraten und von überflüssiger Bürokratie entlastet werden, forderte die Thüringer Chefin der Barmer. Dafür brauche es vor allem mehr Transparenz über die bestehenden Angebote. Der Pflegereport mache deutlich, dass sich rund 40 Prozent der pflegenden Angehörigen bessere Informationen darüber verlangten, wo sie Hilfe bekommen könnten. Etwa die Hälfte wünsche sich eine bessere Aufklärung über die gewährten Leistungen und Hilfsmöglichkeiten.
In den vergangenen Jahren habe sich auf diesem Gebiet viel bewegt, versicherte Dziuk. Sie verwies dabei unter anderem auf die Beauftragung einer Kurzzeitpflege nach einem Krankenhausaufenthalt oder Zuschüsse bis zu 4.000 Euro für Arbeiten, die das Lebensumfeld der Pflegebedürftigen verbesserten. Das erleichtere auch den Angehörigen das Leben. Wenig bekannt sei die sogenannte Verhinderungspflege. Sie erlaube, für eine Zeit der Erholung - sei es nun ein Kinobesuch oder eine Urlaubsreise - die Dienste eines professionellen Pflegedienstes in Anspruch zu nehmen.
Damit der Spagat zwischen Pflege und Beruf besser gelingen kann, bietet die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung inzwischen Unternehmen die Möglichkeit, Mitarbeiter zu qualifizieren. Mehr als 100 solcher "Betrieblicher Pflegelotsen" verteilt auf derzeit 74 Unternehmen gibt es nach ihren Angaben mittlerweile in Thüringen.
Die Zahl der Pflegebedürftigen ist im Zuge gesetzlicher Veränderungen in Thüringen im vergangen Jahr deutlich angestiegen. Zum Stichtag 15. Dezember 2017 zählten laut Landesamt für Statistik 115.620 Männer und Frauen im Freistaat zu dieser Gruppe - 21.340 oder 22,6 Prozent mehr als Ende 2015. Hintergrund des Anstiegs sei das Inkrafttreten des zweiten Pflegestärkungsgesetzes: Menschen mit körperlicher, kognitiver oder psychischer Beeinträchtigung erhielten nun gestaffelt nach fünf Schweregraden Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, hieß es.
Dresden (epd). Die sächsische Enquete-Kommission zur Zukunft der Pflege hat eine finanzielle Absicherung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen angemahnt. Konkret sei von der Landesregierung unter anderem zu überprüfen, ob ein Pflegewohngeld unterstützend eingeführt werden könne, sagte der Kommissionsvorsitzende Oliver Wehner (CDU) am 23. Januar bei der Vorstellung des Abschlussberichtes im Dresdner Landtag. Auch die Übernahme von Eigenanteilen bei stationärer Pflege seien denkbar. Sachsens Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU) sagte zu, die Vorschläge "genauestens" zu prüfen.
Sachsens Diakonie-Direktor Dietrich Bauer begrüßte den Vorschlag zur Einführung eines Wohngelds für Pflegebedürftige. Das sei "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte er in einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung" (Mittwoch). Die Menschen, die gepflegt werden müssen, kämen inzwischen an den Rand dessen, was sie sich leisten könnten.
Wehner betonte, generell müsste vom Land der Investitionsbedarf ermittelt werden, um finanzielle Risiken von Pflegebedürftigen und ihren pflegenden Angehörigen zumindest abzumildern. Zwei Drittel aller mehr als 200.000 Pflegebedürftigen in Sachsen werden der Kommission zufolge von ihren Angehörigen betreut, etwa ein Drittel in Pflegeheimen.
"Die Angehörigen sind das Rückgrat des Pflegesystems, das gestärkt werden muss", sagte die stellvertretende Kommissionsvorsitzende, Susanne Schaper (Linke). Sie müssten von der Gesellschaft viel mehr Beratung, Unterstützung und Anerkennung erfahren. Zu prüfen seien Ersatzleistungen für pflegende Angehörige, damit diese nicht ein Armutsrisiko eingehen. Ältere Menschen, die zu Hause von ihrer Familie gepflegt werden, können maximal monatlich rund 900 Euro erhalten. Aktuell beziehen Schaper zufolge gut 40 Prozent der Bedürftigen Pflegegeld.
Die Linken-Abgeordnete verwies darauf, das Pflegebedürftige gerade im Osten jahrelang unter dem Mindestlohn gearbeitet hätten und daher zu wenig Geld für die Finanzierung der Pflege zur Verfügung hätten. Allein der Eigenanteil an einem Pflegeplatz in Heimen beträgt den Angaben zufolge zwischen 1.300 und 1.600 Euro.
Die Enquete-Kommission "Sicherstellung der Versorgung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege älterer Menschen im Freistaat Sachsen" war Ende 2015 auf Beschluss des sächsischen Landtags eingesetzt worden. Im Abschlussbericht werden auf rund 400 Seiten zahlreiche Daten und Fakten zur Pflege in Sachsen vorgelegt. Zudem werden Handlungsempfehlungen gegeben.
Gesundheitsministerin Klepsch betonte, es müssten mehr Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten in den Kommunen gefunden werden. Der Bericht sei eine "gute Grundlage, um die Pflege in Sachsen weiterzuentwickeln". Zur Überprüfung der Vorschläge müssten alle Partner wie etwa der Bund, die Kommunen und die Pflegekassen einbezogen werden.
Zur Empfehlung, den Investitionsbedarf zur Verringerung finanzieller Risiken für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu prüfen, sagte Klepsch: "Wir müssen uns grundsätzlich die Frage stellen, wie wir die Kosten für die stationäre Pflege künftig aufbringen." Die Bundesregierung habe den Beitrag zur Pflegeversicherung erhöht, das sei ein erster Schritt.
Die sächsische Pflege-Kommission hatte in ihrer dreijährigen Tätigkeit 70 Sachverständige angehört und 36 Stellungsnahmen eingeholt. Dem parlamentarischen Gremium gehörten 25 Mitglieder an. Der sächsische Landtag will sich voraussichtlich am 31. Januar mit dem Abschlussbericht befassen.
Sachsen ist Klepsch zufolge das Bundesland mit dem dritthöchsten Altersdurchschnitt. In einigen Regionen beträgt das Durchschnittsalter mehr als 48 Jahre.
Dresden (epd). Sachsens Diakonie-Direktor Dietrich Bauer hat sich für die Einführung eines Wohngelds für Pflegebedürftige ausgesprochen. "Wohnraum ist eine Grundbedingung für Existenz", sagte Bauer der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung" (23. Januar). Von daher sei ein Wohngeld für die Betroffenen "ein Schritt in die richtige Richtung".
Weil immer mehr Leistungen möglich seien, werde Pflege immer teurer, sagte Bauer weiter. Dadurch bestehe die Gefahr, dass das, was für jeden Einzelnen im Topf sei, nicht mehr ausreiche, fügte er hinzu und betonte: "Die Menschen, die gepflegt werden müssen, kommen an den Rand dessen, was sie sich leisten können."
Eine Enquete-Kommission des sächsischen Landtags zur Zukunft der Pflege sollte am Mittwoch nach drei Jahren Arbeit ihren Abschlussbericht an den Landtagspräsidenten übergeben. Darin schlagen die Kommissionsmitglieder laut "Sächsischer Zeitung" die Einführung eines Pflege-Wohngelds vor.
Die Diakonie betreibt in Sachsen nach eigenen Angaben mehr als 1.800 Einrichtungen, Dienste und Beratungsstellen, darunter auch 113 Alten- und Pflegeheime. Der evangelische Wohlfahrtsverband beschäftigt im Freistaat mehr als 22.000 Mitarbeiter. Auch zahlreiche Freiwillige arbeiten für die Diakonie.
Magdeburg (epd). Mit der Reform der Pflegeberufe soll auch die Zahl der Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt deutlich wachsen. Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sagte am 22. Januar in Magdeburg: "Pflegeberufe müssen attraktiver werden." Die Reform werde dazu beitragen. Der jetzt anstehende Umbau des Systems solle genutzt werden, die Zahl der Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt schrittweise um mehr als ein Viertel auf 4.500 zu erhöhen, so Grimm-Benne. Derzeit gibt es in Sachsen-Anhalt 450 ausbildende Einrichtungen und 65 Pflegeschulen mit rund 3.500 Schülern.
Es müsse gelingen, viele junge Menschen für die neue Ausbildung zu gewinnen, damit der Pflegebedarf auch in den kommenden Jahren gedeckt werden könne, sagte die Ministerin. Die angeschobene Reform sei komplex, aber ein wichtiger Schritt, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Der Stand der Vorbereitungen in Sachsen-Anhalt war am Dienstag auch Thema einer Beratung des Kabinetts. Grimm-Benne sprach davon, dass man trotz schwieriger Rahmenbedingungen in kurzer Zeit schon ein gutes Stück vorangekommen sei.
Der Bund will die bisherigen Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in einer neuen generalistischen Ausbildung zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann ab 2020 zusammenfassen. Damit wird auf die demografische Entwicklung und drohenden Fachkräftemangel reagiert.
Frankfurt a.M. (epd). Irgendwann hat Sascha Nuhn es aufgegeben, auf große Familienfeiern zu gehen. Seine Verwandten können ihn einfach nicht verstehen, sagt der 41-Jährige. Nuhn wurde als gehörloses Kind von hörenden Eltern geboren, in seiner Familie kann niemand außer ihm die Gebärdensprache. "Mit zwölf, dreizehn Jahren saß ich auf den Feiern alleine in der Ecke und habe Gameboy gespielt", sagt er. Gehörlose fühlten sich oft nicht dazugehörig, sowohl im privaten als auch im beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld.
In Deutschland leben nach Angaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes 80.000 Gehörlose und 140.000 hörbehinderte Menschen, die im Alltag auf Gebärdensprach-Dolmetscher angewiesen sind. Gehörlosigkeit werde in 15 Prozent der Fälle vererbt. In den meisten Fällen entsteht sie laut Gehörlosen-Bund durch Erkrankungen, Medikamentenschädigung oder Probleme während der Geburt.
Bei Sascha Nuhn wurde die Behinderung im Alter von zwei Jahren entdeckt. Seine Eltern schickten ihn zum Logopäden, er sollte sprechen lernen. Auch in speziellen Förderschulen sei der Fokus lange auf das Erlernen der deutschen Sprache und das Trainieren des Restgehörs gesetzt worden, sagt der Frankfurter, der sich beim Hessischen Verband für Gehörlose und hörbehinderte Menschen engagiert. "Die Gehörlosenpädagogik in Deutschland wurde von Hörenden entwickelt", erklärt er. Das Ziel sei eine Anpassung der Kinder an die hörende Gesellschaft gewesen.
Noch heute ist es nach Angaben des Goethe-Instituts keine Selbstverständlichkeit, dass taube Kinder in Gebärden unterrichtet werden. Die Schüler müssten dann von den Lippen ablesen. "Das ist nicht nur extrem anstrengend, sondern auch ungenau", sagt Nuhn. Selbst erfahrene Lippenleser erkennen nur etwa 30 Prozent des Gesprochenen eindeutig, die restlichen 70 Prozent müssen erraten werden.
Durch diese Kommunikationsbarriere gingen Inhalte verloren, sagt Nuhn. Dazu hätten viele Gehörlose eine Lese-Rechtschreibschwäche, weil sich die Grammatik der Gebärdensprache so grundlegend von der der deutschen Schriftsprache unterscheidet. In Deutschland schafften nur wenige Taube einen Realschulabschluss. Im Ausland sei das anders: In den USA gebe es in Washington beispielweise eine Universität für Gehörlose mit rund 40 Bachelorprogrammen.
Nach der Schule haben es Taube laut Nuhn, der als einziger Gehörloser deutschlandweit in einem Stadtparlament sitzt, schwer, einen Ausbildungsplatz und eine gute Anstellung zu finden. "Ein Großteil arbeitet in Berufen, in denen Kommunikation nicht so wichtig ist", sagt er. Vielen Gehörlosen fehle im Bewerbungsgespräch das Selbstvertrauen, Arbeitgebern die Erfahrung.
Grundsätzlich stünden Gehörlosen nach Angaben der Integrationsämter viele Berufsbilder offen - unter den richtigen Voraussetzungen. Dazu gehörten unter anderem günstige Lichtverhältnisse, um das Lippenlesen zu erleichtern und technische Arbeitshilfen wie optische Signale an Maschinen. Genaue Zahlen zur Arbeitslosigkeit unter Gehörlosen gibt es der Agentur für Arbeit zufolge nicht. Schwerbehinderte seien aber generell häufiger arbeitslos als Menschen ohne Beeinträchtigung.
Privat sei es für Menschen mit Hörbehinderung ebenso schwierig, etwas Neues zu lernen, sagt Nuhn. So seien nur wenige Museen für Gehörlose barrierefrei. Zeitungs- und Zeitschriftenartikel seien für Gehörlose aufgrund der weit verbreiteten Lese-Rechtschreibschwäche nur schwer verständlich. "Viele lesen die 'Bild', weil sie einfach geschrieben ist und Schlagwörter markiert werden." Auch die Untertitel im Fernsehen seien in der in Deutschland üblichen Blockform nicht ideal, insbesondere bei Live-Übertragungen.
Nuhn fordert, dass mehr Informationen in Gebärdensprachvideos übersetzt und mehr Fernsehübertragungen live gedolmetscht werden. Zudem müssten Hörende schon im Kindergarten und in der Schule für den Umgang mit Gehörlosen sensibilisiert werden. "Wenn beide Seiten offen an ein Gespräch herangehen, kann der Austausch zwischen Hörenden und Gehörlosen gut funktionieren."
Frankfurt a.M. (epd). Seit Jahrhunderten herrscht ein Methodenstreit in der Gehörlosenpädagogik: Sollen taube Kinder in der Lautsprache oder der Gebärdensprache unterrichtet werden? Ironischerweise wurde dieser Streit lange hauptsächlich zwischen Hörenden geführt. Ursprung des Konflikts sind die Unterschiede zwischen der vom Abbé de l’Epée entwickelten gebärdensprachlich orientierten "französischen Methode" und der lautsprachlich ausgerichteten "deutschen Methode" von Samuel Heinicke.
Lange glaubten die Menschen nach Angaben des Gehörlosenverbandes Hamburg, Gehörlose seien bildungsunfähig. "Wer nicht hören und nicht sprechen kann, kann auch nicht denken", soll der Philosoph Aristoteles gesagt haben. Im 16. Jahrhundert wurden trotz dieser Vorurteile erste Ansätze für den Unterricht von Gehörlosen entwickelt. Erste Fingeralphabete und Gebärden waren zuvor bereits von Mönchen entwickelt worden, die ein Schweigegelübde abgelegt hatten.
Lange wurden gehörlose Kinder hauptsächlich von Hauslehrern unterrichtet, der Unterricht war also wohlhabenden Familien vorbehalten. Im 18. Jahrhundert wurden die ersten Gehörlosenschulen in Europa eröffnet. 1760 gründete der Abbé de l’Epée, ein französischer Theologe und Anwalt, in Paris die erste dieser Schulen in Europa. 18 Jahre später eröffnete der Pädagoge Samuel Heinicke in Leipzig das "Chursächsische Institut für Stumme und andere mit Sprachgebrechen behaftete Personen".
Während de l’Epée aus natürlichen Gesten und grammatischen Zeichen die erste französische Gebärdensprache entwickelte, betrachtete Heinicke Gebärden als minderwertiges Hilfsmittel. Stattdessen setzte er den Fokus auf das Lernen der richtigen Aussprache der Lautsprache. Dies nahm viel Zeit in Anspruch, der Inhalt musste auf das Nötigste beschränkt werden. Die französischen Schüler erwarben hingegen mit Hilfe von Gebärden und dem Fingeralphabet mehr Wissen, konnten sich aber schlechter mit Hörenden verständigen.
Schon de l’Epée und Heinicke stritten in Briefen um die richtige Methode. Über die Jahre haben beide Lager verschiedene Argumente für die von ihnen bevorzugte Methode gesammelt. Die lautsprachliche Methode sei die einzige Möglichkeit, gehörlose Kinder zur Sprache zu bringen und in die hörende Welt zu integrieren, sagen die einen. Die Gebärdensprache sei besser für den Erwerb von Wissen und die Vermittlung sozialer Normen, sagen die anderen. Darüber hinaus seien Gebärden hilfreich beim Erlernen der Laut- und Schriftsprache.
Eine entscheidende Wende gab es nach Angaben des Instituts für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser beim Mailänder Kongress von 1880: Bei diesem zweiten internationalen Kongress der Gehörlosenlehrer erlangten die Verfechter der lautsprachlichen Methode einen Sieg. Über ein Jahrhundert lang wurden Gebärden aus dem Gehörlosenunterricht verbannt. Gehörlose waren nicht zum Kongress eingeladen.
Inzwischen wurden verschiedene Konzepte entwickelt, die beide Ansätze vereinen. Ein Beispiel sind lautsprachbegleitende Gebärden, die parallel zur Lautsprache verwendet werden und bei denen, anders als bei der Gebärdensprache, die Grammatik der gesprochenen Sprache beibehalten wird. Ein anderes Konzept ist die bilinguale Methode, wie vom Weltverband der Gehörlosen beschrieben: Hierbei wird die Gebärdensprache als Erstsprache und die Lautsprache als Zweitsprache unterrichtet. Gehörlose Kinder sollen sich so in beiden Welten zurechtfinden können - in der Welt der Tauben und der Welt der Hörenden.
Erfurt (epd). Urlaubsansprüche sind nach dem Tod des Arbeitnehmers generell vererblich. Die Erben dürften eine Abgeltung für den nicht genommenen Urlaub verlangen, urteilte am 22. Januar das Bundesarbeitsgericht. Die Erfurter Richter setzten damit eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg um. (AZ: 9 AZR 45/16)
Im konkreten Fall ging es um einen Mitarbeiter der Stadt Wuppertal. Als der Mann am 20. Dezember 2010 starb, verlangte die Witwe als Erbin von der Stadt eine Urlaubsabgeltung für den von ihrem Mann noch nicht genommenen Urlaub. Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst standen ihm 30 Urlaubstage zu. Da er schwerbehindert war, hatte er noch Anspruch auf zwei weitere Tage Zusatzurlaub. Die Stadt Wuppertal verweigerte jedoch die Zahlung.
Das Bundesarbeitsgericht hatte nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12. Juni 2014 (AZ: C-118/13) seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass Urlaubsansprüche vererbt werden können, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor dem Tod beendet wurde. Im konkreten Fall sollte dies aber nicht gelten, da der Arbeitnehmer noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses gestorben war. In diesem Fall seien die Urlaubsansprüche untergegangen. Das Bundesarbeitsgericht legte aber den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor.
Dieser urteilte am 6. November 2018, dass Urlaubsansprüche nach EU-Recht generell und damit auch bei einem Tod im laufenden Beschäftigungsverhältnis vererblich sind (AZ: C-569/16 und C-570/16). Gegenteiliges deutsches Recht sei nicht anwendbar, die Erben deutscher Arbeitnehmer könnten sich hier unmittelbar auf das EU-Recht berufen. Der Urlaubsanspruch sei ein Vermögensanspruch, der "durch den Tod des Arbeitnehmers nicht rückwirkend entzogen werden" könne. Erben könnten hierfür eine Abgeltung verlangen.
Dem folgte nun das Bundesarbeitsgericht. Der nicht genommene Urlaub sei als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse. Die Erben könnten dabei nicht nur die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, sondern auch für den darüber hinausgehenden tariflichen Urlaub sowie den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen beanspruchen. Im konkreten Fall stehe der Witwe eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.857,75 Euro brutto zu.
Erfurt (epd). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Rechte von befristet beschäftigten Arbeitnehmern gestärkt. Arbeitgeber dürfen auch nach einer achtjährigen Pause einen Beschäftigten nicht erneut ohne sachlichen Grund nur auf Zeit einstellen, wie das BAG am 23. Januar in Erfurt urteilte. (AZ: 7 AZR 733/16). Dies verstoße gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz, erklärten die Richter. Sie klärten damit erstmals nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 zum Verbot von Kettenbefristungen (AZ: 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14), bis wann vorausgegangene Beschäftigungen berücksichtigt werden müssen.
Nach den gesetzlichen Regelungen dürfen Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund bis zu einer Gesamtdauer von höchstens zwei Jahren befristet werden. Danach ist eine sachgrundlose Befristung unwirksam, wenn der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber bereits zuvor beschäftigt war. 2011 hatte das BAG hierzu entschieden, dass nach Ablauf von drei Jahren doch noch ein befristetes Beschäftigungsverhältnis ohne sachlichen Grund wieder möglich sein muss, da sonst ein unzumutbares Hindernis für Neueinstellungen bestehe.
Die vom BAG entwickelte Dreijahresfrist hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings gekippt. Eine erneute Befristung ohne sachlichen Grund könne nur ausnahmsweise begründet sein, entschieden die Verfassungsrichter.
Im konkreten Fall war ein Beschäftigter eines Automobilherstellers in Baden-Württemberg zunächst eineinhalb Jahre als Facharbeiter tätig. Acht Jahre später wurde der Mann ohne sachlichen Grund erneut mit einem Zeitvertrag eingestellt. Der Arbeitnehmer verlangte eine Festeinstellung, da die sachgrundlose Befristung wegen seiner Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber vor acht Jahren unwirksam sei.
Das BAG urteilte nun, dass das Verbot einer sachgrundlosen Befristung zwar nicht greift, wenn die Beschäftigung "sehr lange" zurückliegt. Acht Jahre seien danach aber nicht "sehr lang", erklärten die Richter. Der Kläger habe Anspruch auf eine unbefristete Einstellung.
Berlin/Hamburg (epd). Mit einem Festakt ist am 25. Januar in Hamburg die "Immanuel Albertinen Diakonie" gegründet worden. Anfang des Jahres hatten sich die Berliner Immanuel Diakonie und das Albertinen-Diakoniewerk aus Hamburg mit insgesamt 6.700 Beschäftigten zusammengeschlossen. Gemeinsam könnten beide Partner ihr Tätigkeitsfeld erweitern und Schwerpunkte etwa in der Herzmedizin ausbauen, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor rund 400 Gästen im Albertinen Krankenhaus. Es sei zudem ein Gewinn, dass der Konzernsitz in Hamburg bleibe. In Berlin ist am 27. Januar eine zweite Feier geplant.
Die Fusion war im Juni 2018 beschlossen worden. Die neue freikirchliche "Immanuel Albertinen Diakonie" ist in sieben Bundesländern tätig. Das Umsatzvolumen wird auf 540 Millionen Euro beziffert. Betrieben werden unter anderem Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Angebote in der Sucht- und Behindertenhilfe sowie in der Kinder- und Jugendhilfe.
Die Hamburger Diakonie hat nach den Worten von Landespastor Dirk Ahrens gute Erfahrungen mit der Albertinen Diakonie in der gemeinsamen Stärkung des diakonischen Profils gemacht. Er freue sich auf die neue Zusammenarbeit. Die menschliche Zuwendung zu Patienten, Bewohnern und ihren Angehörigen mache den Charakter der Diakonie aus und präge die Atmosphäre, erklärte der Generalsekretär des Bundes Evangelisch Freikirchlicher Gemeinden, Pastor Christoph Stiba.
Geschäftsführer Udo Schmidt (Berlin) betonte die gemeinsame Wertebasis der beiden neuen Partner. "Wer sich über die Werte einig ist, hat ein starkes gemeinsames Fundament, auf dem sich alles Weitere aufbauen lässt", sagte Schmidt. In dem neuen Unternehmen hätten sich zwei finanziell gesunde Diakoniewerke zusammengetan, sagte der gleichberechtigte Geschäftsführer Matthias Scheller (Hamburg). Dies eröffne die Chance, die Zukunft auch weiterhin selbstbestimmt gestalten zu können. Gleichzeitig biete sich hier eine mögliche Heimat für weitere Träger. Aufsichtsratsvorsitzender ist Manfred Radtke (Hamburg), sein Stellvertreter Jürgen Ross (Berlin).
Die "Immanuel Albertinen Diakonie" betreibt fünf Krankenhäuser und eine Reha-Klinik in Hamburg, Berlin und Brandenburg. Schwerpunkte sind unter anderem die Herz- und Gefäßmedizin, Geburts- und Altersmedizin, die Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates, Psychiatrie und Psychotherapie, Rheumatologie sowie Tumormedizin. Sie betreibt zudem Einrichtungen der Altenhilfe, Hospizdienste und Medizinische Versorgungszentren. Hinzu kommen die Betreuung von Menschen mit Behinderungen, Angebote in der Suchtkrankenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und psychosoziale Beratung. Mit einer Pflegeschule, einer Fortbildungsakademie und der Trägerschaft für eine Hochschulausbildung ist das Unternehmen auch in der Aus- und Weiterbildung tätig.
Berlin/Hamburg (epd). Mit einem Festgottesdienst ist am 27. Januar in Berlin die Gründung der "Immanuel Albertinen Diakonie" gefeiert worden. Anfang des Jahres hatten sich die Berliner Immanuel Diakonie und das Albertinen-Diakoniewerk aus Hamburg mit insgesamt 6.700 Beschäftigten zusammengeschlossen. Der Festgottesdienst fand im Gemeindezentrum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Berlin-Schöneberg statt. Bereits am Freitag war die Fusion mit einem Festakt im Hamburg besiegelt worden.
Der Zusammenschluss der beiden Diakoniewerke war im Juni 2018 beschlossen worden. Die neue freikirchliche "Immanuel Albertinen Diakonie" ist in mehreren Bundesländern tätig. Das Umsatzvolumen wird auf 540 Millionen Euro beziffert. Betrieben werden unter anderem Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Angebote in der Sucht- und Behindertenhilfe sowie in der Kinder- und Jugendhilfe. Hauptsitz des neuen Diakoniekonzerns ist Hamburg.
Die "Immanuel Albertinen Diakonie" betreibt fünf Krankenhäuser und eine Reha-Klinik in Hamburg, Berlin und Brandenburg. Schwerpunkte sind unter anderem die Herz- und Gefäßmedizin, Geburts- und Altersmedizin, die Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates, Psychiatrie und Psychotherapie, Rheumatologie sowie Tumormedizin. Sie betreibt zudem Einrichtungen der Altenhilfe, Hospizdienste und Medizinische Versorgungszentren. Hinzu kommen die Betreuung von Menschen mit Behinderungen, Angebote in der Suchtkrankenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und psychosoziale Beratung. Mit einer Pflegeschule, einer Fortbildungsakademie und der Trägerschaft für eine Hochschulausbildung ist das Unternehmen auch in der Aus- und Weiterbildung tätig.
Frankfurt a.M. (epd). Seit Jahren rätseln Forscher über ein Phänomen: Warum werden viele Menschen - im weltweiten Durchschnitt - glücklicher, wenn sie älter werden? Einigen Studien zufolge erreicht die Zufriedenheit im Leben mit etwa Mitte 40 ihren Tiefpunkt. Mit rund 50 steigt das Level wieder an. "Die Generation 50plus ist gar nicht auf dem Abstellgleis, sondern auf der Startrampe", so beschreibt es die Lebenshilfe-Autorin Andrea Micus ("Die Glückskurve des Lebens")
Die Gründe? Zum einen nehme bei vielen Menschen in ihren 50ern der Stress langsam ab und die emotionale Kontrolle zu, erklärt der US-amerikanische Autor Jonathan Rauch ("Happiness Curve - Why Life Gets Better After 50) - vorausgesetzt, die Menschen sind gesund, haben ein gutes soziales Umfeld und finanzielle Sicherheit.
Allerdings glauben nicht alle Forscher an das Modell einer solchen U-förmigen Glückskurve. Wenn überhaupt, gelte dies wohl eher in wohlhabenden Nationen, führen die Kritiker an. In Ländern der früheren Sowjetunion oder in Osteuropa zum Beispiel sei das Wohlbefinden statistisch betrachtet in der Jugend deutlich geringer als im Westen - um dann im Alter stetig abzunehmen.
Mit dem Wandel der Alterspyramide ist weltweit das wissenschaftliche Interesse daran gewachsen, was das Altern eigentlich mit uns macht, ob und wie es unser Denken, unser Gedächtnis, unsere Persönlichkeit verändert, wie die Wiener Entwicklungspsychologin Judith Glück ("Weisheit - Die 5 Prinzipien des gelingenden Lebens") schreibt. Das vorherrschende Bild des Alterns war lange Zeit negativ bestimmt. Dies ändere sich jetzt spürbar.
Zwar lassen Fähigkeiten wie Sehvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit und die Gedächtnisleistung nach. Aber in anderen Bereichen "können bis weit ins Alter hinein positive Entwicklungsprozesse stattfinden", erklärt die Psychologin Glück: Viele Menschen erlebten "ihr Erwachsenenalter als eine Zeit des Lernens aus dem Leben selbst: Wir werden gelassener; wir lernen uns zu erlauben, was uns guttut; wir entwickeln in unseren Beziehungen das optimale Gleichgewicht aus Autonomie und Nähe."
Dankbarkeit, Loslassen und die Integration der eigenen Schattenseiten sind nach Ansicht des Psychologen Hans Gerhard Behringer die besten Begleiter für die späteren Jahre. "Die Kunst des Älterwerdens lässt sich erlernen", sagt der Autor ("Wie das Leben weise macht - Eine Spiritualität des Älterwerdens") dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Behringer empfiehlt, sich möglichst früh eine Lebenshaltung der Gelassenheit und Achtsamkeit anzueignen. Dies seien gute Begleiter auf dem Weg in die zweite Lebenshälfte und darüber hinaus. Vor allem die Dankbarkeit sei die "Medizin des Älterwerdens", betont Behringer. Daher solle man sich täglich fragen: "Habe ich meine Medizin schon eingenommen?"
"Dankbarkeit ist gesund", unterstreicht auch der US-Experte Rauch: "Studien zufolge steigert Dankbarkeit eine optimistische Grundstimmung, Glück und körperliches Wohlbefinden." Dankbarkeit gegenüber dem Leben könne Arztbesuche und Schlaflosigkeit reduzieren: "Wäre Dankbarkeit eine Pille, jeder Arzt würde sie verschreiben."
Eine Gesellschaft sei nur glücklich, wenn sie das Alter ehre, betont der Kölner Psychiater und Theologe Manfred Lütz. "Der Jugendkult macht unglücklich", sagt der Bestseller-Autor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Um glücklich zu leben, müsse man die späteren Jahre positiv sehen, rät der Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln, der auch der Päpstlichen Akademie für das Leben angehört.
Den seit Jahrzehnten anhaltenden Jugendkult gibt es Lütz zufolge vor allem deswegen, "weil er wirtschaftlich hochinteressant ist". Denn so könne man zahllose Mittelchen verkaufen, um jünger auszusehen als man eigentlich ist. Jeder aber wisse, dass das eine Anleitung zum Unglücklichsein sei: "Denn natürlich ist nur eine Gesellschaft, die das Alter ehrt, eine glückliche Gesellschaft. In einer Gesellschaft, die nur die Jugend ehrt, würden schon 16-Jährige in eine dunkle Zukunft blicken."
Lütz: "Wenn man sich nämlich von der Werbung einreden lässt, dass das Alter ja nur Mühe ist, dann wird es später auch mühsam. Dann produziert man eine unglückliche Gesellschaft, denn wir werden ja alle immer älter." Für ein gutes Älterwerden rät der Psychiater einfach: "Vor allem sollte man nicht dauernd rumjammern."
Erfurt (epd). Die Thüringer CDU fordert eine beschleunigte Zulassung von Ärzten und Pflegepersonal aus dem Ausland. Das sei Thema eines Antrags, den die Union auf die Tagesordnung der Landtagsberatung in der kommenden Woche gesetzt habe, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Christoph Zippel, am 25. Januar in Erfurt. Er begründete den parlamentarischen Vorstoß mit gehäuften Beschwerden aus Thüringer Kliniken und Kommunen sowie von Bürgern, die zu schleppend erfolgende Kenntnis- und Sprachprüfungen bemängelten.
An die Ausbildung und die Kenntnis des medizinischen Personals würden zu Recht hohe Anforderungen gestellt. Diese Standards gelte es zu wahren. Doch etwaige bürokratische Hürden müssten angegangen werden, hieß es. Sonst führe das aus Sicht der Union zu berechtigtem Unmut bei den dringend gesuchten Fachkräften sowie bei Krankenhäusern und Patienten.
Die rot-rot-grüne Landesregierung fordert die CDU auf, mit einer Bundesratsinitiative dafür zu sorgen, dass eine einmal erteilte Berufserlaubnis bundesweit ihre Gültigkeit behalte. "Dass beim Wechsel in ein anderes Bundesland das ganze Anerkennungsprocedere noch einmal durchlaufen werden muss, ist bei aller Liebe zum Föderalismus nicht zu erklären", kritisierte Zippel.
Eberswalde/Potsdam (epd). In Brandenburg wird wegen eines weiteren Pharma-Skandals um Krebsmedikamente ermittelt. Das Landeskriminalamt Eberswalde habe im Zuge der Ermittlungen gegen einen 43-jährigen deutschen Geschäftsführer eines Pharma-Großhändlers in Baden-Württemberg Wohnungen und Firmensitze in Baden-Württemberg, Ungarn und der Schweiz durchsucht, teilte das Polizeipräsidium am 25. Januar in Potsdam mit. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung für Patienten in Brandenburg durch die Medikamente sei bisher nicht festgestellt worden. Der Fall steht nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) nicht im Zusammenhang mit dem Lunapharm-Skandal um den Handel mit gestohlenen Krebsmedikamenten.
Hintergrund des europaweiten Medikamentenhandels seien die Forderungen der Krankenkassen an die Großhändler, zur Kostensenkung auch Medikamente anzukaufen, die für Märkte in anderen europäischen Staaten bestimmt waren, betonte das Polizeipräsidium. Die Preisspannen in den verschiedenen Ländern der Europäischen Gemeinschaft seien sehr hoch. Importierte Medikamente sind deshalb oft billiger als für den deutschen Markt produzierte Arzneimittel.
Im aktuellen Fall ermittle die Staatsanwaltschaft Cottbus wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und gewerbsmäßigen Betrugs, hieß es weiter. Unter Beteiligung weiterer in- und ausländischer Behörden, darunter der Schweizer Arzneimittelaufsicht, seien insgesamt sieben Objekte durchsucht worden. Dabei seien umfangreiche Unterlagen und elektronische Daten sichergestellt worden. Im Zuge der Durchsuchungen sei auch der 37-jährige Geschäftsführer eines ungarischen Pharmaunternehmens als Beschuldigter vernommen worden.
Der deutsche Geschäftsführer des Pharma-Großhändlers in Baden-Württemberg stehe unter Verdacht, seit Frühjahr 2018 gefälschte onkologische Arzneimittel in den Verkehr gebracht zu haben, hieß es weiter. Gefälscht worden seien zumindest unter anderem Verpackung und Beipackzettel der Medikamente, die deshalb nicht hätten verkauft werden dürfen. In Bezug auf die Wirkstoffeigenschaften bestünden nach Auskunft des pharmazeutischen Unternehmens des Originalpräparats keine signifikanten Unterschiede zum Original. Es sei deshalb unklar, ob diese auch gefälscht seien.
Die Manipulationen bei den Krebsmedikamenten seien einem brandenburgischen Pharma-Großhändler aufgefallen, hieß es weiter. Dieser habe daraufhin die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG), informiert. Das LAVG habe "umgehend gefahrenabwehrrechtliche Überprüfungen veranlasst und im Ergebnis den Vertrieb des Arzneimittels dieser Charge in Deutschland und in Europa insgesamt gestoppt".
Magdeburg (epd). Die sogenannten Sinnesberatungsstellen in Sachsen-Anhalt erhalten in diesem Jahr deutlich mehr Zuschüsse vom Land. Die Fördermittel für die Anlaufstellen, die die gesellschaftliche Teilhabe von blinden, sehbehinderten sowie gehörlosen und schwerhörigen Menschen im Land verbessern sollen, werden ab diesem Jahr mehr als verdoppelt - von 352.600 Euro auf 748.400 Euro, wie das Sozialministerium am 21. Januar in Magdeburg mitteilte.
"Inklusion ist nicht nur eine gute Idee, sondern ein Menschenrecht. Inklusion bedeutet, dass kein Mensch ausgeschlossen, ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden darf", sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Die Beratungsstellen mit Standorten in Magdeburg, Halle, Dessau, Stendal, Halberstadt und Wittenberg helfen bei Problemen im Alltag, zum Beispiel im Umgang mit Sozialleistungsträgern. Zudem werden der Umgang mit technischen Hilfsmitteln geschult oder Veranstaltungen organisiert.
Die Beratungsstellen finanzieren sich den Angaben zufolge zu 85 Prozent durch freiwillige Förderleistungen des Landes und zu 15 Prozent durch Leistungen vom Integrationsamt sowie durch Spenden und Eigenmittel. Das Land Sachsen-Anhalt gewährt dabei Zuwendungen zu Personal- und Sachausgaben und zur Finanzierung von Honorar- und Fahrtkosten für die im Einzelfall notwendige Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetscherleistungen.
Magdeburg (epd). Die Hilfsangebote für psychisch kranke Menschen müssen einer Studie zufolge in Sachsen-Anhalt besser vernetzt werden. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt sei von psychischen Erkrankungen betroffen, teilte das Sozialministerium am 23. Januar in Magdeburg mit. Die Studie, die im Auftrag des Landes von der Kölner Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich erstellt wurde, empfiehlt unter anderem mehr Vernetzung und Kooperation. Die Angebotsstruktur sei regional sehr unterschiedlich entwickelt und es gebe wenig kommunale niedrigschwellige Angebote, heißt es.
Ein Schwerpunkt sollte laut Studie dabei auf die Versorgung betroffener Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener gelegt werden. "Das heißt zum Beispiel, die Schnittstellen zwischen Erziehungs- und Jugendhilfe, Schule und therapeutischem System zu verbessern", sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Die Studie zeige, dass Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie fehlten. Landesweit seien nur 20 niedergelassene Ärzte tätig, in fünf Landkreisen gebe es gar keine Niederlassung. "Darum kommt es auch zu stationären Behandlungen, wo diese vermeidbar wären", so Grimm-Benne.
Zudem werden auch mehr Begegnungsstätten für psychisch Kranke und familienübergreifende Konzepte gefordert. Es fehle beispielsweise an Hilfen für Kinder von psychisch kranken Menschen. Grimm-Benne sagte, die Ergebnisse der Studie würden helfen, die Situation der Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu verbessern. Einige Forderungen sollen über das Psychiatriegesetz umgesetzt werden, das in diesem Jahr novelliert wird.
Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) haben sich zum Holocaust-Gedenktag für neue Wege im Umgang mit der deutschen Geschichte ausgesprochen. Merkel betonte, dass es künftig vor allem darauf ankommen werde "Gedenken neu zu gestalten", weil es immer weniger Zeitzeugen gebe. Verschiedene Formen des Gedenkens, wie die Förderung von Gedenkstätten, aber auch private Initiativen, wie die sogenannten Stolpersteine, würden "in Zukunft an Bedeutung gewinnen", sagte die Bundeskanzlerin in ihrem am 26. Januar veröffentlichten Video-Podcast.
Merkel forderte zu einem entschiedenen Vorgehen gegen Antisemitismus und menschenfeindliche Hetze auf. Jeder Einzelne in der Gesellschaft habe die Aufgabe, "null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn" zu zeigen.
Maas schrieb in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag": "Unsere Erinnerungskultur bröckelt, sie steht unter Druck von extremen Rechten." Für junge Menschen sei die Pogromnacht sehr weit entfernt. "Das verändert das Gedenken, schafft mehr Distanz", so Maas. Nötig seien neue Ansätze, um historische Erfahrungen für die Gegenwart zu nutzen. "Unsere Geschichte muss von einem Erinnerungs- noch stärker zu einem Erkenntnisprojekt werden", schrieb der Außenminister.
Auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) rief dazu auf, die Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht wachzuhalten. Dazu gehöre auch eine Gedenkstunde im Bundestag für die homosexuellen NS-Opfer, erklärte der Verband am Sonntag in Berlin. Der Bundestag soll nach dem Willen einer Initiative beim offiziellen Holocaust-Gedenken am 27. Januar 2021 besonders an homosexuelle NS-Opfer erinnern. Das fordert ein Bündnis aus Homosexuellenaktivisten, Historikern, Vertretern von Holocaustüberlebenden und anderen Gruppen. Der LSVD hatte für Sonntag zu einem stillen Gedenken am Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeladen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rief anlässlich des Holocaust-Gedenktages ebenfalls zu einer lebendigen Erinnerungskultur auf. "Wir dürfen nicht vergessen, was damals in unserem Land Menschen anderen Menschen angetan haben", erklärte der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag in Hannover.
Bei einem Gedenken am zentralen Sinti- und Roma-Mahnmal gegenüber des Berliner Reichstagsgebäudes erinnerten Vertreter aus Politik und Gesellschaft an die rund 500.000 von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der für Europa zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), kritisierten die andauernde Diskriminierung der ethnischen Minderheit in Deutschland und Europa und das geringe Wissen in der breiten Bevölkerung über den Völkermord.
Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) rief bei einer Gedenkstunde im Sächsischen Landtag in Dresden zur Wachsamkeit und Verteidigung der demokratischen Werte an jedem Tag auf. "Auch heute sind wir alle gefragt, laut und konsequent zu widersprechen, wenn wir Hass und Hetze, Rassismus, Antisemitismus begegnen – in unserem Umfeld, auf der Straße oder in den sozialen Medien", sagte Kretschmer.
Bei einer Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen wurde die neue Ausstellung "Im Reich der Nummern. Wo die Männer keine Namen haben" über die Geschichte von Haft und Exil der Novemberpogrom-Gefangenen im KZ Sachsenhausen eröffnet. Im Mittelpunkt stehen zwölf Schicksale von Häftlingen.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach im Deutschlandfunk von Angriffen auf die Erinnerungskultur durch die AfD. Wenn Thüringens AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" fordere, löse das einen sogenannten Schuldabwehrmechanismus aus und eine Schlussstrichmentalität, die an den Grundfesten der Demokratie rüttle, sagte Klein. Die AfD vertrete "viele antisemitische Positionen".
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch Soldaten der Rote Armee im Jahr 1945. Er wird seit 1996 in Deutschland und seit 2005 international als Gedenktag begangen.
Krakau (epd). Der Boden ist noch mit Schnee bedeckt. Zwischen den Haftblöcken aus rotem Ziegelstein im ehemaligen Konzentrationslager stehen christliche, muslimische und jüdische Jugendliche und beten gemeinsam. "Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen", beginnt die 20-jährige Muslima Aya. Als ihre Stimme zu stocken beginnt, legt der jüdische Nachbar mit einer Kippa tröstend seinen Arm auf die Schulter der jungen Frau mit dem Kopftuch.
Im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz in Polen bei Krakau würdigen Juden, Christen und Muslime die Opfer - gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Das Gedenken am internationalen Holocaust-Gedenktag ist der Höhepunkt der viertägigen Reise der 24 jungen Juden, Christen und Muslime aus Bielefeld, Köln, Unna und Essen. Eingeladen dazu hatten die Union progressiver Juden und die nordrhein-westfälische Staatskanzlei.
Zuvor hatten eine Muslima und ein Christ der Gruppe einen Kranz vor die Gedenkstätte der "schwarzen Wand" gestellt. Laschet verharrte schweigend vor dem Kranz gemeinsam mit jüdischen Vertretern sowie Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) und der neuen NRW-Antisemitismusbeauftragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). An der "schwarzen Wand" hatten sich KZ-Häftlinge aufstellen müssen, bevor sie von deutschen Soldaten erschossen wurden.
Bei dem gemeinsamen Rundgang zuvor waren Räume zu sehen mit Bergen von geschorenem Haar von vergasten Juden oder Kinderschuhen ermordeter Kinder. Unter den jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren gibt es immer wieder Tränen. Sie nehmen sich in den Arm und spenden untereinander Trost. Auch Laschet ist sichtlich bewegt, etwa als er aus dem Zellentrakt kommt, in dem Insassen auf ihren Tod warten mussten.
An diesem Ort, wo Juden, Polen, Sinti und Roma zu Tausenden ermordet wurden, hätten junge Menschen dreier Weltreligionen zusammen gebetet, würdigt Laschet. Die Botschaft von einem solchen Ort müsse sein, dass sich so etwas nie wieder wiederholen dürfe. Antisemitismus und Ausgrenzung müssten früh und entschlossen bekämpft werden.
Auch die jungen Juden, Christen und Muslime sind überzeugt davon, dass Auschwitz eine Verpflichtung sei, nicht nur für die älteren Generationen. Begonnen habe der Holocaust nicht erst durch die Vernichtung der Juden, sagt der 19-jährige jüdische Student Moritz aus Bielefeld, sondern durch vorherige Stigmatisierung und Ausgrenzung. Wichtig sei daher Wachsamkeit, wenn Menschengruppen gegeneinander ausgespielt würden.
Hätten die Menschen aus Auschwitz gelernt, dürften "es so etwas wie Ausgrenzung und Rassismus nicht mehr geben", erklärt die muslimische Studentin Aya. "Es reicht nicht, passiv etwas zu verurteilen, sondern man muss sich aktiv gegen Ungerechtigkeiten einsetzen", ist die 20-Jährige überzeugt. Auch wenn Diskriminierung und Ausgrenzung einen nicht selbst beträfen, gingen sie jeden an. Jeder müsse aktiv dagegen angehen.
Für die Jüdin Sima ist es beunruhigend, dass sich etwa beim Thema Flüchtlingspolitik auch immer wieder Fremdenhass zeige oder Neonazis auf Demonstrationen den Völkermord relativierten. Zugleich findet sie es aber hoffnungsvoll, dass es mehr Menschen gibt, die dagegen aktiv werden, wie sie erzählt.
"Unsere Reise macht deutlich, dass Juden, Christen und Muslime zusammenleben können", sagt der Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland, Walter Homolka. "Wir wünschen uns, dass wir uns über die Vergangenheit Deutschlands konkret vor einem solchen Ort auseinandersetzen - in der Hoffnung, dass wir an einer besseren, friedlicheren Welt bauen können", erklärt die Generalsekretärin der Union progressiver Juden in Deutschland, Irith Michelsohn.
Die gemeinsamen Gottesdienste und das gemeinsam Gedenken sind für die 20-jährige Jüdin Sima wichtig gewesen. "Für mich war es sehr bewegend, als Jüdin, als wir alle zusammen den Gottesdienst gemacht haben." Hitler habe alle Juden vernichten wollen. Juden, Christen und Muslime stünden an diesem Ort dafür, dass die Mission Hitlers gescheitert sei.
Berlin (epd). Zum Holocaust-Gedenktag hat der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) dazu aufgerufen, die Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht wachzuhalten. Dazu gehöre auch eine Gedenkstunde im Bundestag für die homosexuellen NS-Opfer, erklärte der Verband am 27. Januar in Berlin. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) müsse seinen Widerstand gegen die Gedenkstunde am 27. Januar 2021 aufgeben. Der Verband hatte für Sonntag zu einem stillen Gedenken am Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeladen.
Der 74. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 sei ein Tag der Erinnerung an die Millionen Menschen, "die im nationalsozialistischen Deutschland unermessliches Leid erfuhren und ermordet wurden", erklärte der Verband: "Auch die Lebenswelten von Schwulen und Lesben wurden durch diese Verbrechen zerstört." Zehntausende schwuler Männer seien zu Gefängnis oder Zuchthaus verurteilt und mehrere tausend Männer wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt worden, die meisten von ihnen hätten die Lager nicht überlebt.
Auch lesbische Frauen seien in Lagern und Gefängnissen des NS-Regimes inhaftiert, gefoltert, missbraucht und ermordet worden, betonte der Verband weiter. All dies sei geschehen, weil sie wie Juden, Sinti und Roma und viele andere nicht in die menschenfeindliche Ideologie der Nationalsozialisten gepasst hätten.
"Wenn heute wieder Ideologien der Ungleichwertigkeit in Länderparlamente einziehen und die Grenze des Sagbaren auch im Bundestag nach rechts verschoben wird, müssen wir mutig und deutlich widersprechen und diese Ideologien demaskieren", erklärte der LSVD. Daher sei es wichtig und notwendig, dass auch der Deutsche Bundestag 2021 der Würdigung der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus Raum gebe und ihrer gedenke.
Damit könne der Bundestag auch ein deutliches Zeichen gegen die heutige Verfolgung und Entrechtung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in vielen Teilen dieser Welt setzen, betonte der LSVD. ein Beispiel dafür seien erschütternde Berichte über eine neue Verfolgungswelle in Tschetschenien.
Berlin (epd). Vertreter von Politik und Gesellschaft haben am 27. Januar an die 500.000 von den Nazis ermordeten Sinti und Roma erinnert. Bei einem Gedenken anlässlich des Holocaust-Gedenktages am zentralen Sinti- und Roma-Mahnmal gegenüber dem Berliner Reichstagsgebäudes kritisierten Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der für Europa zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD) die andauernde Diskriminierung der ethnischen Minderheit in Deutschland und Europa und das geringe Wissen in der breiten Bevölkerung über den Völkermord.
Denkmäler wie das zentrale Mahnmal seien nicht genug, sagte Lederer. Unerlässlich seien Aufklärung und Information. "Wir haben Gedenkrituale aber im Alltag werden Sinti und Roma weiterhin diskriminiert", kritisierte der Linken-Politiker. Dazu gehöre auch eine pauschalisierte Migrationspolitik gegenüber Vertretern der Minderheit aus anderen Ländern, die in Deutschland Zuflucht suchen.
Roth forderte einen anderen Umgang mit der Bevölkerungsgruppe. Gebraucht würden "positive Geschichten und Vorbilder". "Sinti und Roma müssen zum selbstverständlichen Teil der Gesellschaft werden - in Kultur, Politik und Medien", sagte der Staatsminister. Auch müsse viel stärker herausgehoben werden, was "uns Sinti und Roma über die Jahrhunderte geschenkt haben in Literatur, Musik oder Kunst".
"Wir sind keine Außenseiter und keine Exoten", betonte auch der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Mathäus Weiß: "Unsere Menschen in den Konzentrationslagern waren ganz normale deutsche Staatsbürger."
Das zentrale Mahnmal für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma im Berliner Tiergarten war im Oktober 2012 eingeweiht worden. Seit 1995 sind Sinti und Roma ebenso wie Dänen, Sorben und Friesen in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt. Neben Deutsch ist "Romanes" ihre zweite Muttersprache.
In Deutschland wird der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar seit 1996 begangen. 2005 wurde der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Sowjetarmee von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt.
Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine größere Anerkennung des Einflusses der Sinti und Roma auf die europäische Kultur gefordert. Es gebe in Europa und Deutschland "eine oft bewusst oder unbewusst übersehene, vernachlässigte, ja verdrängte oder sogar unterdrückte Kultur", sagte Steinmeier laut Redemanuskript bei einem Kulturabend der Roma, Sinti und Jenischen am 22. Januar im Berliner Schloss Bellevue. Gerade dort, "am Sitz des Staatoberhauptes unseres Landes" sollte diese Kultur sichtbar gewürdigt werden. Mit dem Abend wolle er ein deutliches und längst überfälliges Zeichen setzen, sagte Steinmeier.
Der Bundespräsident hatte zu dem Abend Autoren, Musiker und eine bildende Künstlerin eingeladen. Er erinnerte an die Verfolgung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Eine halbe Million Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet. Steinmeier mahnte, in vielen Teilen Europas würden heute neu Ressentiments gegen Minderheiten, besonders auch gegen Sinti und Roma, geschürt und für politische Zwecke instrumentalisiert. In Italien hatte etwa die rechtspopulistische Lega für Empörung gesorgt mit der Ankündigung einer "Roma-Zählung" mit dem Wunsch, Vertreter der Minderheit ohne Aufenthaltsstatus auszuweisen.
Am Donnerstag soll in Berlin das Online-Archiv romarchive.eu mit Beiträgen zur Kulturgeschichte der Sinti und Roma veröffentlicht werden. Vom 24. bis 27. Januar veranstaltet die Berliner Akademie der Künste dazu ein interdisziplinäres Festival. Steinmeier sagte, er hoffe, dass dadurch ein Beitrag geleistet werden, "dass nach 600 Jahren der Fremdrepräsentation Kunst und Kultur von Sinti und Roma als integraler Bestandteil der europäischen Kulturgeschichte anerkannt" würden.
Berlin (epd). Die Kultur der Sinti und Roma wird künftig online in einem eigenen Archiv präsentiert. Es gehe darum, den großen kulturellen Reichtum der Sinti und Roma und deren Einfluss auf die europäische Kulturgeschichte sichtbar zu machen, sagten die Initiatorinnen Isabel Raabe und Franziska Sauerbrey am 23. Januar in Berlin an. Die dreisprachige Homepage romarchive.eu präsentiert knapp 5.000 Objekte.
Gefördert wurde der Aufbau des Archivs seit 2015 von der Kulturstiftung des Bundes mit insgesamt 3,7 Millionen Euro. Zum Start veranstaltet die Berliner Akademie der Künste von Donnerstag bis Sonntag ein interdisziplinäres Festival mit Ausstellungen, Diskussionsrunden und Konzerten.
Der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagte bei der Präsentation, das Archiv-Projekt habe "historische Bedeutung". Es werde den Roma-Minderheiten helfen, in ihren jeweiligen Heimatländern auf ihre wichtigen Beiträge zur Kultur und Geschichte aufmerksam zu machen. "Wir leben in einem demokratischen Europa und das gibt uns die Chance, auf Missstände und zugleich auf unsere lange Geschichte hinzuweisen und sie aufzuarbeiten", sagte Rose. Auch die künstlerische Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers, lobte das Ergebnis der jahrelangen Recherchen.
Am Aufbau von "RomArchive" waren den Angaben zufolge europaweit rund 150 Menschen in 15 Ländern beteiligt. Dabei sei der Inhalt "in allen entscheidenden Positionen" von Angehörigen der Minderheit gestaltet worden, hieß es. Es habe auch einzelne Künstler gegeben, die nicht als "Roma-Künstler" in dem Archiv auftauchen wollten und deshalb ihre Mitarbeit zunächst verweigerten.
Neben einer umfangreichen Sammlung von internationaler Kunst aus allen Gattungen stellt "RomArchive" auch zeitgeschichtliche Dokumente und wissenschaftliche Abhandlungen zur Verfügung. Dabei geht es um Film, Bildende Kunst, Theater und Drama, Tanz, Musik und Literatur. Auch Material zur Bilderpolitik, Selbstzeugnisse im Zusammenhang mit der Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus sowie wissenschaftliches Material zur Bürgerrechtsbewegung ist abrufbar.
Die Homepage ist auf Deutsch, Englisch und Romanes aufrufbar. Berücksichtigt wurden deutsche Sinti ebenso wie etwa spanische Gitanos, osteuropäische Roma und sogenannte Romani Traveller aus Großbritannien.
Künftig wird das "RomArchive" verantwortet vom European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC) in Berlin. Die Bundeszentrale für politische Bildung übernimmt für die kommenden fünf Jahre die redaktionelle Betreuung. Unterstützung kam auch vom Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut. Im Februar und März sind weitere Launch-Veranstaltungen zum Online-Archiv in Budapest und Bukarest geplant.
Erstmals gebe es mit dem Archiv eine online zugängliche und verlässliche Wissensquelle, "die Stereotypen und Vorurteilen mit Fakten begegnet", teilte die Akademie der Künste mit. Das viertägige Festival anlässlich der Veröffentlichung der Archiv-Website soll den Reichtum und die Vielseitigkeit der europäischen Kulturproduktion von Sinti und Roma zeigen.
ERIAC-Direktorin Timea Junghaus, die den Archivbereich Bildende Kunst als Kuratorin verantwortete, betonte, "wir müssen anfangen, die Geschichte der Sinti und Roma mit eigenen Stimmen zu schreiben". Das Archiv biete nun die Chance, die Kunst und das Wissen über Roma "in die eigenen Hände zu nehmen", sagte die ungarische Kunsthistorikerin. Beiratsvorsitzende Nicoleta Bitu vom Demokratischen Bund der Rumänischen Roma unterstrich, "man kann den Rassismus nicht bekämpfen, ohne sich auf Geschichte und Kunst zu beziehen".
Berlin (epd). Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat zum Holocaust-Gedenktag vor den Feinden der Demokratie gewarnt. Es gäbe in der Gesellschaft und in den Parlamenten wieder Kräfte, "die den Holocaust relativieren und die das Holocaust-Mahnmal im Herzen der deutschen Hauptstadt schmähen", erklärte Müller am 25. Januar in Berlin. "Diese Leute formulieren geschickt am Rand des Zulässigen, und sie lassen oft das Gerede vom ‚Man wird doch noch sagen dürfen‘ folgen", ergänzte der SPD-Politiker. Damit verstießen diese Menschen gegen den Grundkonsens der Einordnung des Holocaust als singuläres Verbrechen.
Müller bezeichnete diese politische Entwicklung als alarmierend. Der Rechtsstaat müsse deshalb "alle seine Mittel einsetzen, den Gegnern unserer freiheitlichen Demokratie, Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und Antisemiten entschieden entgegenzutreten". Nicht nur der Fall der rechtsextremistischen Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) und der noch nicht zu Ende gebrachten Aufarbeitung mache dies deutlich.
Müller unterstrich, "Freiheit und Demokratie müssen durch unseren Staat und durch eine wachsame und engagierte Zivilgesellschaft immer wieder von neuem verteidigt werden". Nur die freiheitliche Demokratie sei der Garant dafür, dass alle Menschen sich frei entfalten und ihr eigenes Leben können.
Der Regierende Bürgermeister sagte weiter, das nationalsozialistische Deutschland habe "in historisch beispielloser Weise Menschen ausgegrenzt und vernichtet". Daran immer wieder zu erinnern, "ist unsere Pflicht den nachfolgenden Generationen gegenüber".
Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, kurz Holocaust-Gedenktag, wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt. An diesem Tag war 1945 das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von sowjetischen Truppen befreit worden. Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" aus. Seit 2006 wird er weltweit begangen. Der Deutsche Bundestag wird in diesem Jahr am 31. Januar der Opfer des Nationalsozialismus mit einer Veranstaltung mit dem israelischen Historiker Saul Friedländer gedenken.
Potsdam (epd). Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dazu aufgerufen, die Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen wachzuhalten. Eine Lehre aus der deutschen Geschichte müsse auch sein, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus entschieden entgegenzutreten, erklärte Woidke am 25. Januar in Potsdam.
"Rechtspopulisten wollen unsere Gesellschaft spalten, sie säen Hass und grenzen andere Menschen aufgrund von Herkunft oder Religion aus", sagte Woidke: "Wir sollten nie vergessen, wohin das führen kann." Auschwitz sei das Symbol für Massenmord und ideologische Vernichtung, betonte der Ministerpräsident: "Daraus müssen wir heute mehr denn je unsere Lehren ziehen."
Brandenburgs Landesregierung gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus in drei zentralen Veranstaltungen. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) will am Sonntag an der Gedenkveranstaltung des Landtags und der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg teilnehmen. Bei der Gedenkveranstaltung wird an die mehr als 6.300 jüdischen Männer erinnert, die nach dem Novemberpogrom 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt wurden.
Kulturministerin Martina Münch (SPD) will am Holocaust-Gedenktag an einer Gedenkveranstaltung in der neuen Cottbusser Synagoge teilnehmen. Ministerpräsident Woidke nimmt am kommenden Donnerstag an der Gedenkstunde des Bundestages teil.
In Brandenburg sind am Sonntag in verschiedenen Gedenkstätten und an zahlreichen Orten Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus geplant. Am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz von der Roten Armee befreit. In Deutschland ist der 27. Januar seit 1996 bundesweiter gesetzlicher Gedenktag. 2005 wurde der Tag von den Vereinten Nationen zum internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt.
Erfurt (epd). Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramalow (Linke) hat am 25. Januar die Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gewürdigt. Ihnen zu gedenken gehöre zu den moralischen Pflichten unserer freiheitlichen Gesellschaft, sagte der Linken-Politiker in einer Gedenkstunde des Thüringer Landtags für die Opfer des Nationalsozialismus. Zu dem Gedenken anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar hatte Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten eingeladen.
Die Gedenkrede hielt der Historiker Götz Aly. Überschattet wurde die Veranstaltung im Beisein von Überlebenden des Konzentrationslagers (KZ) Buchenwald von einem Brief der Gedenkstätte, in dem ihr Chef Volkhard Knigge die Thüringer AfD-Abgeordneten zu unerwünschten Personen auf dem Ettersberg erklärt.
Die Erkenntnis, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei, sondern erkämpft, verteidigt und fortentwickelt werden müsse, sollte Leitfaden für das Handeln von Politik und Zivilgesellschaft sein, sagte Ramelow. Das Bekenntnis zur Demokratie habe seine Entsprechung in der entschiedenen Absage an jede Form des Geschichtsrevisionismus, des Rassismus und der Diskriminierung von Minderheiten.
Landtagspräsidentin Diezel sagte, "wir verurteilen jede Form des Antisemitismus und werden als demokratische Gesellschaft jedem entgegentreten, der daran Zweifel aufkommen lässt". Das ergebe sich aus den Grundsätzen der Humanität, die im Grundgesetz und der Thüringer Verfassung des Freistaats verankert seien - "ganz besonders aber auch aus unserer historischen Verantwortung". Es könne und werde keinen Schlussstrich unter die Erinnerung an sechs Millionen Opfer des Holocaust geben, so die CDU-Politikerin.
Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt. An diesem Tag war 1945 das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden. Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" aus. Seit 2006 wird er weltweit begangen.
Erfurt (epd). Mit einer Kranzniederlegung auf dem Appellplatz des früheren KZ Buchenwald bei Weimar hat Thüringen am 25. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. "Wir trauern hier mit den Überlebenden, nicht mit denen, die versuchen, die Erinnerung zu verwischen", sagte der Sprecher der Stiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora, Rikola-Gunnar Lüttgenau, in einer kurzen Ansprache. Er spielte damit auf die Thüringer AfD-Landtagsabgeordneten an, die am Donnerstag von der Gedenkstätte zu unerwünschten Personen erklärt worden waren.
In einem von Gedenkstättenchef Volkhard Knigge unterzeichneten Brief an die AfD-Fraktion hieß es, man wolle die Parlamentarier darüber informieren, "dass Sie als Vertreter Ihrer Partei bei der Kranzniederlegung zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus auf dem ehemaligen Appellplatz des Konzentrationslagers Buchenwald nicht willkommen sind". Damit hat die Gedenkstätte das seit 2017 bestehende Hausverbot für Thüringens AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke faktisch auf die anderen sechs AfD-Landtagsabgeordneten ausgeweitet.
In dem Brief, der am Donnerstag im Thüringer Landtag einging, bezieht sich Knigge direkt auf Höckes Dresdner Rede vor zwei Jahren, in der dieser die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen als "dämliche Bewältigungspolitik" diffamiert und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert habe. Höcke halte bis heute an seiner Haltung fest, so Knigge. Auch aus der Fraktion sei keinerlei Distanzierung von seinen Positionen bekanntgeworden. Deshalb könne konstatiert werden, "wer sich innerhalb der AfD nicht glaubhaft gegen solche Positionen und das damit verbundene verharmlosende, relativierende Geschichtsbild wendet, unterstützt sie", so der Gedenkstättendirektor.
Zudem werde inzwischen Höckes innerparteiliches Netzwerk "Der Flügel" vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "extremistische Bestrebung" beobachtet.
Die AfD reagierte mit Unverständnis auf die Ausladung. Man habe über die Jahre gezeigt, dass Partei und Fraktion ein aufrichtiges und nicht politisch instrumentalisiertes Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ein wichtiges Anliegen sei, erklärte Stefan Möller, der gemeinsam mit Höcke den Thüringer Landesverband anführt. "Herr Knigge ist jedoch seinen politischen Freund-Feind-Kategorien derart verhaftet, dass er nicht einmal an einem derart wichtigen Gedenktag Brücken bauen kann", so Möller.
Bereits am Vormittag hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) die Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gewürdigt. Ihrer zu gedenken, gehöre zu den moralischen Pflichten unserer freiheitlichen Gesellschaft, sagte der Linken-Politiker in einer Gedenkstunde des Thüringer Landtags im Beisein der Überlebenden des KZ Buchenwald Eva Pusztai, Günter Pappenheim und Heinrich Rotmensch. Die Gedenkrede hielt der Historiker Götz Aly.
Anlass der Veranstaltungen ist der Internationale Holocaust-Gedenktag am Sonntag. Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt. An diesem Tag war 1945 das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden. Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust aus. Seit 2006 wird er weltweit begangen.
Oranienburg (epd). Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen und der brandenburgische Landtag haben zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier standen in diesem Jahr die mehr als 6.300 jüdischen Männer, die nach dem Novemberpogrom 1938 in das KZ Sachsenhausen verschleppt wurden, teilte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in Oranienburg mit. Mindestens 64 von ihnen überlebten die Haft nicht.
Bei der Gedenkfeier in Sachsenhausen wurde auch die neue Ausstellung "Im Reich der Nummern. Wo die Männer keine Namen haben" über die Geschichte von Haft und Exil der Novemberpogrom-Gefangenen im KZ Sachsenhausen eröffnet. Im Mittelpunkt stehen zwölf Schicksale von Häftlingen.
Bei den in der Ausstellung präsentierten Interviews mit Kindern und Enkeln der NS-Verfolgten sowie Fotos und Dokumenten handele es sich um neues, in Deutschland erstmals gezeigtes Material, das in den USA, Großbritannien und Israel aufgezeichnet oder gesammelt wurde, betonte die Stiftung. In der Ausstellung würden auch die Häftlinge des Novemberpogroms in den Blick genommen, die die Haft im KZ Sachsenhausen nicht überlebten.
Andere Häftlinge seien zwar entlassen worden, hätten jedoch nicht emigrieren können und seien später in Ghettos und Vernichtungslager deportiert und ermordet worden, hieß es weiter. Zum Teil seien auch Häftlinge, die in Frankreich oder den Niederlanden Zuflucht fanden, ab 1940 erneut in die Gewalt der Deutschen geraten und ebenfalls dem Holocaust zum Opfer gefallen.
Auch an zahlreichen anderen Orten wurde am 74. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. In Brandenburg wurde unter anderem zu Gedenkveranstaltungen in Brandenburg an der Havel, in der Todesmarsch-Gedenkstätte im Belower Wald bei Wittstock, in Potsdam, Frankfurt an der Oder, Eberswalde und Cottbus eingeladen.
Saarbrücken/Oranienburg (epd). Zum Holocaust-Gedenktag hat der frühere Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, auf neue Herausforderungen für die Erinnerungskultur hingewiesen. Mit dem "allmählichen Erlöschen der Erlebnisgeneration und dem absehbaren Ende der Zeitzeugenschaft" werde aus Zeitgeschichte Geschichte, sagte der Historiker am 27. Januar bei einer Gedenkveranstaltung im saarländischen Landtag in Saarbrücken. Die emotionale Kraft und Eindrücklichkeit in der Darstellung ihrer subjektiven Geschichte durch Überlebende des NS-Terrors sei jedoch unersetzbar.
"Die Zeitzeugen, vor allem aus dem Kreis der Opfer der NS-Verbrechen, waren in der Lage durch ihre Präsenz und ihre eindrucksvollen Berichte, eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu schlagen", betonte Morsch. Diese Brücke lasse sich nicht länger aufrechterhalten. Dadurch ändere sich auch die persönliche Auseinandersetzung.
Neuere Untersuchen ließen vermuten, dass mit zeitlichem Abstand unkritische Übernahmen von Rechtfertigungserzählungen der Großeltern und Urgroßeltern immer noch wirksam seien, sagte Morsch, der bis Ende Mai 2018 die Gedenkstättenstiftung in Oranienburg geleitet hat. "Immer schon klafften Familiengedächtnis und erlernte Geschichte auseinander", sagte der Historiker. Diese Kluft sei nicht kleiner, sondern eher noch größer geworden.
Die allgemeine Anerkennung und Verurteilung der zahlreichen nationalsozialistischen Verbrechen gehöre zwar zum allgemein akzeptierten Geschichtsverständnis, betonte Morsch. Gleichzeitig werde aber die Zustimmung oder Beteiligung eigener Familienmitglieder abgestritten oder zumindest tabuisiert.
Der Historiker plädierte zudem für eine Weiterbildungspflicht zum Jahrhundert der Extreme für möglichst alle Angestellten und Beamten des Staates, insbesondere in Bildungseinrichtungen, Justiz, Polizei, Verwaltung und Bundeswehr. Morsch bezeichnete es aber auch als mutmachend, dass über Initiativen, wie etwa die Verlegung und Pflege von Stolpersteinen, die zivilgesellschaftliche Erinnerungskultur in anderen Formen lebendig bleiben könne.
"Die Erinnerungskultur muss sich zunehmend auch aus ihrer einseitigen Fixierung auf die Nationalgeschichte lösen", sagte Morsch: "Das gebietet bereits der zunehmende Bevölkerungsanteil von Menschen mit migrantischem Hintergrund." Sie seien nur zu erreichen, wenn es gelinge, "auch an ihre tradierten Erinnerungskulturen anzuknüpfen".
Warschau (epd). Am 27. Januar, dem "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust", wird Aleksandra Leliwa-Koptynska einen Kranz vor dem Ghetto-Denkmal in Warschau niederlegen. Weltweit wird an diesem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee gedacht. Leliwa-Koptynska ist Rentnerin und Vorsitzende der Vereinigung "Kinder des Holocausts", die die Interessen der jüngsten Generation von Überlebenden vertritt. Sie überlebten den Krieg zumeist getarnt als polnisch-katholische Kinder.
"Direkt betrifft uns dieses Datum nicht, es ist ein symbolischer Jahrestag für das Ende der Vernichtung", sagt Leliwa-Koptynska. Die frühere Atomphysikerin wurde 1937 geboren. Lange wusste sie nicht, dass sie jüdische Wurzeln hat - es ist das Schicksal vieler der etwa 600 Vereinsmitglieder und oft der Grund für ihr Überleben. Ihre Familie konnte nach dem Einmarsch der Deutschen rasch gut gefälschte Papiere organisieren und musste so nicht in das isolierte "Ghetto für Juden", sondern konnte auf der sogenannten "arischen Seite" Warschaus bleiben.
Leliwa-Koptynskas Vater war Katholik, er starb 1944 durch eine Straftat. Sowohl der ältere Bruder als auch die jüdische Mutter verheimlichten ihr bis zu deren Tod die jüdische Herkunft. Im kommunistischen Polen war Diversität nicht gefragt. Gewissheit bekam Leliwa-Koptynska erst durch hartnäckiges Nachforschen Mitte der 1990er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt gab es die "Kinder des Holocausts" bereits: Die Vereinigung wurde 1991 von dem ehemaligen Widerstandskämpfer Jakub Gutenbaum in der polnischen Hauptstadt gegründet.
Im Vordergrund standen für den Verein anfangs die Suche nach Juden, die den Holocaust als Kinder überlebt hatten, sowie deren finanzielle Versorgung. Später kam die Betreuung von "Gerechten unter den Völkern" hinzu, den nichtjüdische Polen, die Juden während des Zweiten Weltkriegs vor dem Tod retteten. Heute kümmert sich der Verein hauptsächlich darum, die Lebensgeschichten seiner Mitglieder zu erzählen. Mitglieder treten in polnischen Schulen auf und erzählen ihre Geschichten. Die ehemalige Vereinsvorsitzende Johanna Sobolewska-Pyz tourt gerade mit einer Ausstellung "Meine jüdischen Eltern, meine polnischen Eltern" durch Deutschland. Derzeit ist die Schau in Magdeburg zu sehen.
Die 1939 geborene Sobolewska-Pyz wurde aus dem Ghetto geschmuggelt, sie wuchs bei polnischen Ersatzeltern auf. Ihre jüdische Eltern wussten, dass sie selbst nicht überleben werden. 14 weitere ähnliche Schicksale werden in der Ausstellung gezeigt. Bei ihren internen Treffen beschäftigen sich die Vereinsmitglieder vor allem mit dem Problem der "Identität" - ein "höllisch kompliziertes Thema", wie es Leliwa-Koptynska ausdrückt: "Bei den 'Kindern des Holocausts' sind wir unter uns und müssen niemandem etwas erklären."
Etwa 40 ältere Menschen kommen zu den monatlichen Sitzungen im Versammlungsraum des "Weißen Hauses", einem 200 Jahre alten Gebäude, das der jüdischen Gemeinde in Warschau gehört. Auf den Klappstühlen sitzen überwiegend Frauen - Jungen waren aufgrund ihrer Beschneidung leicht als Juden zu identifizieren und hatten so während der deutschen Okkupation weniger Überlebenschancen. Nur einer der Männer trägt eine Kippa. Die Mitglieder erzählen, wie sie ihre jüdische Identität entdeckten: "Unsere Eltern, wenn sie in Jiddisch sprachen, erklärten uns, dies sei Französisch", sagt eine Teilnehmerin. Doch irgendwann ließ sich diese Lüge nicht mehr halten.
Neuerdings werden auch Politiker zum Gespräch eingeladen. Ansonsten sieht sich die Organisation als unpolitisch. Als die polnische Regierung aber das sogenannte "Holocaust-Gesetz" erlassen wollen, stieß das bei dem Verein auf Kritik: Das Gesetz sah vor, jegliche Äußerungen über eine kollektive Mitverantwortung von Polen an den Verbrechen der deutschen Besatzer zu verbieten. Noch in diesem Jahr will der Verein eine Website erstellen. Das "Verzeichnis der Erinnerung" soll die Schicksale der einzelnen Mitglieder sammeln - damit ihre Geschichten von den nächsten Generationen nicht vergessen werden.
Bergen-Belsen (epd). Die Historikerin und Medienexpertin Diana Gring sieht die Produktion und die Verwendung dreidimensionaler "Hologramme" von Holocaust-Überlebenden äußerst kritisch. Die Angst davor, in wenigen Jahren ohne Zeitzeugen in der Erinnerungskultur auskommen zu müssen, dürfe nicht zu Inszenierungen führen, die eine authentische Begegnung nur vorgaukelten, sagte die Kuratorin der niedersächsischen KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen bei Celle dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die amerikanische Shoah Foundation der Universität in Los Angeles arbeitet seit einigen Jahren mit Hologrammen von Holocaust-Überlebenden. Dafür werden Zeitzeugen bei der Beantwortung Hunderter Fragen zu ihrem Schicksal von bis zu 50 Kameras gefilmt. Später werden die Aufnahmen zu einem zwei- oder dreidimensionalen Hologramm des Zeitzeugen zusammengestellt. Auf eine Bühne projiziert, kann es spontane Fragen von Betrachtern beantworten. Diesen scheint es, als sitze der Überlebende tatsächlich vor ihnen. In den USA arbeiten bereits einige Museen mit solchen Hologrammen. In Deutschland werden sie kontrovers diskutiert.
Gring sagte, der Respekt vor dem immensen Leid der Überlebenden gebiete es, mit deren Erzählungen sensibel umzugehen. "Man sollte sich nicht von der Wahrheit entfernen und versuchen, diese Menschen künstlich am Leben zu halten", erklärte sie. Sie fürchte, solche Projekte böten Raum für Manipulationen und spielten somit Holocaust-Leugnern in die Hände. Überlebende, die sich darauf einließen, könnten die Folgen möglicherweise noch gar nicht abschätzen.
Die Kuratorin und ihre Kollegen haben in den vergangenen 20 Jahren mehr als 450 Interviews mit Überlebenden des Konzentrationslagers Bergen-Belsen geführt und aufgezeichnet. "Das sind historische Quellen, die in den historischen Kontext eingeordnet werden müssen", sagte Gring. Bewusst hätten sie die Filme nicht in Internet-Portale eingestellt.
Natürlich arbeite auch ihre Gedenkstätte mit Multimedia-Präsentationen und digitaler Technik, um das Interesse besonders der jungen Menschen zu wecken. Aber das dürfe nicht unreflektiert geschehen, forderte die Historikern: "Bildungseinrichtungen, Gedenkstätten und Schulen müssen sich ethisch-moralische Standards setzen, anstatt das technisch Mögliche bis ins Letzte auszureizen."
Gring äußerte darüber hinaus Zweifel, "dass sich Nähe erzeugen lässt, wenn man eine Begegnung nur vortäuscht". Die Filmaufnahmen der Zeitzeugen-Interviews hingegen seien ein "großer Schatz" tatsächlicher authentischer Dokumente.
Weimar (epd). Das Interesse an einem Besuch der Thüringer Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora bleibt weiter hoch und wächst sogar. Mit geschätzt weit über 500.000 Besuchern allein im ehemaligen KZ Buchenwald liege man inzwischen "sowohl was die Kapazitäten des Personals und der Räume, als auch die des historischen Ortes betrifft, an der Grenze dessen, was möglich ist", sagte der Kommunikationschef der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Rikola-Gunnar Lüttgenau, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Weimar. Genaue Zahlen sollen nach seinen Angaben bis Ende des Monats vorliegen.
Eine Umfrage des epd zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar hatte steigende Besucherzahlen in fast allen deutschen KZ-Gedenkstätten ergeben. So gingen Hochrechnungen für Dachau bei München von mehr als 900.000 Besuchern aus, in Sachsenhausen bei Berlin wurde ein Zuwachs auf über 700.000 Gäste prognostiziert. Während im niedersächsischen Bergen-Belsen bei 250.000 Besuchern von "stabilen Zahlen" die Rede war, geht man im brandenburgischen Frauen-KZ Ravensbrück von einem leichten Rückgang auf 110.000 Gäste aus. Insgesamt sollen 2018 mehr als 2,5 Millionen Menschen die ehemaligen Konzentrationslager besucht haben, ergab die Umfrage.
Dabei greife ein Blick allein auf die Zahlen zu kurz, hieß es seitens der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Daher stehe man auch Pflichtbesuchen von Schülern skeptisch gegenüber. "Es sind nicht die verordneten, sondern die gut vorbereiteten Besuche, die eine nachhaltige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und gegenwärtigen Ausgrenzungsprozessen befördern", sagte Lüttgenau. Es wäre aus seiner Sicht dennoch nur begrüßenswert, wenn an diesen elementaren außerschulischen Lernorten innerhalb der häufig eng gesteckten Lehrpläne mehr Zeit und Raum für die Schüler zu bekommen wäre.
Die Erfahrung, auch mit den Pflichtbesuchen in der Zeit der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte der DDR, sei: "Das Mittel gelungener historischer Bildung ist nicht der moralische Zeigefinger, sondern das forschende Lernen, in dem die Schüler ihre eigene Fragen mit dem historischen Ort verknüpfen können", so der Stiftungssprecher. Ein reflektierendes Geschichtsbewusstsein könne man nicht verordnen; es entstehe im Dialog, in der intensiven Vor- und Nachbereitung eines Gedenkstättenbesuches, fügte Lüttgenau hinzu.
Das KZ auf dem Ettersberg bei Weimar wurde 1937 errichtet. Bis zu seiner Befreiung am 11. April 1945 waren hier fast 280.000 Menschen inhaftiert. Die SS zwang die Häftlinge zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. Mehr als 56.000 Menschen starben.
Magdeburg/Halberstadt (epd). Auf dem städtischen Friedhof von Halberstadt (Sachsen-Anhalt) ist am 27. Januar eine neu angelegte Begräbnisstätte für 121 Opfer des Nationalsozialismus eingeweiht worden. Die zumeist aus Polen und Italien stammenden Opfer waren zwischen Februar und April 1945 als Gefangene in einer Turnhalle am Reichsbahnausbesserungswerk Halberstadt unter unmenschlichen Bedingungen interniert und starben nach Angaben des Magdeburger Innenministeriums an Entkräftung, Auszehrung oder Tuberkulose.
An der Einweihung der Begräbnisstätte anlässlich des Holocaust-Gedenktages nahmen den Angaben zufolge unter anderem die Botschafter Polens und Italiens, Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) und Angehörigen der Opfer teil. Stahlknecht bezeichnete die Grabanlage als ein Ort der Trauer und ein Ort des Gedenkens für alle Opfer des Nationalsozialismus, denen im Namen des deutschen Volkes furchtbares Unrecht zugefügt worden sei. An diesem Ort könne man erkennen, wohin es führe, wenn die Demokratie beseitigt und die Menschen- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten werden, erklärte der Minister.
Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die Opfer 1945 zunächst in Halberstadt begraben. 1953 wurden die sterblichen Überreste dann exhumiert, eingeäschert und in zwei großen Urnen beigesetzt. Die Grabstelle und die Geschichte gerieten in Vergessenheit.
Ein Angehöriger eines der polnischen Opfer machte 2015 auf die Geschichte der vergessenen Grabstelle aufmerksam. Auf Anregung des Innenministeriums wurde Begräbnisstätte daraufhin neu gestaltet und die Opfer namentlich bekannt gemacht. Demnach handelt es sich um 71 polnische, 42 italienische und acht NS-Opfer unbekannter Nationalität. Die Finanzierung erfolgte aus Mitteln des Bundes.
Torgau (epd). Im nordsächsischen Torgau ist am 25. Januar der Opfer der Wehrmachtsjustiz gedacht worden. Sachsens Kunst- und Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) betonte in ihrer Gedenkrede die Bedeutung des Erinnerns an die Gräuel der NS-Zeit. "Das Gedenken und auch die oft schmerzhaften und langwierigen Versöhnungsprozesse sind ein wesentlicher Pfeiler unserer heutigen europäischen Friedensarchitektur", sagte Stange, die auch Vorsitzende des Rates der Stiftung Sächsische Gedenkstätten ist, laut Vorab-Mitteilung. Der zentrale, bundesweite Gedenktag für die der Opfer des Nationalsozialismus, auch Holocaust-Gedenktag genannt, findet am Sonntag statt.
Stange erklärte, Europa bewahre die Erinnerung an die Diktaturen des 20. Jahrhunderts und dieses Wissen sei "ein steter Ansporn, das friedliche Miteinander in Europa zu stärken und für die Zukunft zu sichern". Gedenkkultur und das aufgeklärte Geschichtsbewusstsein im vereinten Europa seien ein schützenswertes Kulturerbe, das auch 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs aktiv gelebt werden wolle. "Wir müssen entschieden jeder Form des Antisemitismus und des Rassismus entgegentreten und uns gegen jeden Versuch wehren, unsere den demokratischen Werten verpflichtete Erinnerungskultur zu verunglimpfen", betonte die Ministerin.
Nach der Veranstaltung am früheren Torgauer Wehrmachtsgefängnis Fort Zinna war ein Empfang im Dokumentations- und Informationszentrum DIZ Torgau geplant. Dort sollte auch ein Ausstellungsprojekt eines Torgauer Gymnasiums über einen Häftling des einstigen Gefängnisses präsentiert werden. Das Projekt sei in Zusammenarbeit mit dem DIZ und der Offizierschule des Heeres in Dresden entstanden, hieß es.
Torgau war während des Zweiten Weltkriegs den Angaben zufolge ein Zentrum der Wehrmachtsjustiz. Das Fort Zinna war zwischen 1939 und 1945 das größte Gefängnis der Wehrmacht im Deutschen Reich. Nach dem Umzug des Reichskriegsgerichts von Berlin nach Torgau im August 1943 fanden hier auch Verhandlungen des obersten Gerichts der Wehrmacht statt. Zahlreiche deutsche und ausländische Soldaten und Zivilisten wurden hier inhaftiert, verurteilt und zum Teil auch hingerichtet.
Magdeburg (epd). Gedenkstättenbesuche für Schulklassen in Sachsen-Anhalt werden weiter gefördert. Die Fahrkosten werden ab diesem Jahr dauerhaft zu 100 Prozent finanziert, wie die Landeszentrale für politische Bildung am 25. Januar in Magdeburg mitteilte. Die Landeszentrale setze dabei ihre Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten des Landes Sachsen-Anhalt fort. Künftig sollen für die Fahrtkosten per Bus oder Bahn zu den Gedenkstätten im Land insgesamt 50.000 Euro jährlich für die Schulen zur Verfügung stehen.
"Gedenkstättenfahrten sind ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur und ein Beitrag gegen die zunehmende Geschichtsvergessenheit", sagte der Direktor der Landeszentrale, Maik Reichel. Junge Menschen könnten an diesen Orten etwas über die deutsche Geschichte lernen und "über die Wirkung und unsere Verantwortung bis heute erfahren". In den Gedenkstätten könnten sich die Schüler an authentischen Schauplätzen über die Verbrechen der Nazizeit und das Unrecht zu DDR-Zeiten informieren, fügte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Kai Langer, hinzu. In diesem Jahr werde insbesondere an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren und die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren erinnert.
Erstmals kooperierten Landeszentrale und Gedenkstättenstiftung im Jahr 2014, um die Förderung von Gedenkstättenfahrten für Schulklassen in Sachsen-Anhalt zu ermöglichen. 2015, 2017 und 2018 konnte die Förderung der Fahrten weitergeführt werden. In den vergangenen vier Jahren machten den Angaben zufolge fast 400 Schulen davon Gebrauch. Gefördert wurden die Gedenkstättenfahrten mit einer Gesamtsumme von fast 200.000 Euro. Fahrten zu Gedenkstätten in anderen Ländern werden über andere Kooperationen ebenfalls unterstützt.
Die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, eine selbstständige staatliche Stiftung öffentlichen Rechts, betreut insgesamt sieben Gedenkstätten: die Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin, die Gedenkstätte für Opfer der NS-Euthanasie Bernburg, die Gedenkstätte für die Opfer des KZ Langenstein-Zwieberge, die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen, die Gedenkstätte Roter Ochse in Halle, die Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg und die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn mit dem Grenzdenkmal in Hötensleben. Allein die fünf Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Sachsen-Anhalt zählten im vergangenen Jahr rund 50.000 Besucher.
Mainz (epd). Evangelische Theologie- und Jurastudenten sind nach den Worten des Mainzer Historikers Martin Göllnitz die eifrigsten Unterstützer der Nationalsozialisten gewesen. Evangelische Theologie- und Jurastudenten hätten am meisten nationalsozialistisch gewählt, sagte der Mainzer Historiker Martin Göllnitz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Unterstützer des Nationalsozialismus an den Hochschulen seien überwiegend männlich gewesen und hätten überdurchschnittlich häufig aus auslandsdeutschen Gebieten wie dem Sudetenland oder Südtirol gestammt. Der Historiker untersuchte am Beispiel der Universität Kiel, was Studenten zu Unterstützern der Nazis machte.
Göllnitz sieht Gründe vor allem in fehlenden Berufschancen. Während der Weltwirtschaftskrise habe "so etwas wie ein akademisches Prekariat" existiert. Es wurde mehr Nachwuchs ausgebildet als es freie Stellen gab, vor allem bei den Juristen. "Auf eine freie Stelle kamen bei ihnen rund fünf Anwärter", sagte Göllnitz. Und diese hätten die Konkurrenz ausländischer, jüdischer und weiblicher Studierender gefürchtet. "Es ging also wesentlich um Ängste, den eigenen Lebensstandard nicht sichern oder ausbauen zu können", erläuterte er.
Bei den evangelischen Theologiestudenten seien die Ursachen für deren Neigung zum Nationalsozialismus nicht ganz klar, sagte der Historiker. Ihre Unterstützung für die Nazis habe wohl mit der Propaganda zu tun, die auch vonseiten Pfarrern und Predigern kam. Katholiken hingegen hätten sich deutlich reservierter verhalten.
In seinen Forschungen erkennt Göllnitz Parallelen zu heute. "Was bei Akademikern immer wieder zu beobachten ist, sind diese Abstiegsängste", sagte er. Die AfD habe als Professorenpartei begonnen, die vor den Gefahren des Euro warnte. Heute seien Muslime und Flüchtlinge allgemein ihre Hauptthemen.
Wenn man sich "Pegida"-Veranstaltungen oder AfD-Mitgliederversammlungen anschaue, stelle man fest, dass es nicht die Perspektivlosen und Abgehängten seien, die da mitmachen, sagte Göllnitz: "Die waren es in den 1920er und 1930er Jahren auch nicht. Es war damals und ist heute die Mittelschicht." Diese Schicht fürchte um das, was sie sich erarbeitet habe und mache dann Gruppen, die sie als potenzielle Gefahr sehe, für einen vermeintlichen, letztlich nur gefühlten ökonomischen Verlust verantwortlich.
Gleichwohl sieht Göllnitz deutliche Unterschiede zu heute, vor allem was das Gewaltniveau und die Entschlossenheit des rechtsextremen Nachwuchses an den Hochschulen betrifft. Die nationalsozialistischen Studenten hätten mit Hetzjagden und körperlichen Angriffen den Staatsorganen zeigen wollen, dass sie nicht zu stoppen seien. Die studentischen Hochschulgruppen der Zwischenkriegszeit hätten sich niemals selbst aufgelöst, nur weil staatliche Organe sie beobachtet hätten, so wie das heute die Junge Alternative in Niedersachsen getan habe, analysierte er.
Erfurt (epd). Die Ermittlungen gegen einstige SS-Wachleute des KZ Buchenwald kommen nach einem Bericht des MDR nur schleppend voran. Die Staatsanwaltschaft Erfurt habe 2017 zehn Verfahren wegen möglicher Beihilfe zum Mord von der Zentralstelle in Ludwigsburg übernommen. Drei der verdächtigten Männer seien inzwischen gestorben, meldete MDR Thüringen. Auch die anderen über 90 Jahre alten Tatverdächtigen seien nicht vernommen worden, hieß es unter Verweis auf die Erfurter Ermittlungsbehörde.
Es handele sich in allen Fällen um einstige KZ-Aufseher mit niedrigem Dienstgrad. Diese SS-Leute hätten zwischen 1944 und 1945 ihren Dienst in Buchenwald versehen und lebten heute im Bundesgebiet. Ein weiteres Verfahren in Thüringen gegen einen einstigen Wachmann von Auschwitz habe die Staatsanwaltschaft Gera an die bayerische Justiz abgegeben. Nach Angaben der Münchner Staatsanwaltschaft soll der Mann inzwischen ebenfalls verstorben sein, so der MDR.
Ein ähnliches Bild ergebe sich bei den Ermittlungen gegen Wächterinnen des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück in Brandenburg. So habe die Staatsanwaltschaft Neuruppin seit 2017 acht Verfahren geführt. Der Behörde zufolge seien drei verdächtigte Frauen seither verstorben, eine ist verhandlungsunfähig. In den vier offenen Verfahren habe man die Tatverdächtigen noch nicht zum Vorwurf befragt, hieß es.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem Sender, die Benennung der Täter sei "unverzichtbar". Das sei neben der juristischen Aufarbeitung auch eine Frage der politischen Aufklärung. Die Antwort auf die Frage, warum damals so viele mitgemacht hätten, helfe heute "in unserem Engagement zur Verteidigung und Festigung der Demokratie".
Im Jahr 2016 hatte der Bundesgerichtshof die Verurteilung des einstigen SS-Mannes und Auschwitz-Buchhalters Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord bestätigt. Seitdem gilt in der deutschen Rechtsprechung, dass Wachleute sowohl von Vernichtungs- als auch von Konzentrationslagern verurteilt werden können, wenn in ihrer Dienstzeit systematisch Menschen umgebracht wurden. Eine unmittelbare Beteiligung an Tötungen muss nicht mehr nachgewiesen werden.
Berlin (epd). Drei Jahre nach der großen Fluchtbewegung des Jahres 2015 ist die Zahl der Asylanträge in Deutschland weiter gesunken. Das geht aus Statistiken des Bundesinnenministeriums für 2018 hervor, die Minister Horst Seehofer (CSU) am 23. Januar in Berlin vorstellte. Demnach wurden im vergangenen Jahr 161.931 Erstanträge und 23.922 Folgeanträge gestellt - insgesamt 16,5 Prozent weniger als 2017. Die Politik habe das Zuwanderungsgeschehen zunehmend in den Griff bekommen, "Ordnung geschaffen", betonte Seehofer. Er will sich nun verstärkt dem Thema Abschiebungen zuwenden.
In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD vor etwa einem Jahr eine Obergrenze für die Zuwanderung von Flüchtlingen vereinbart, die auf jährlich 180.000 bis 220.000 festgelegt wurde. Seehofer äußerte sich erfreut darüber, dass die Nettozuwanderung deutlich unter diesem Korridor liege. Auch bei der Gesamtzahl der Asylanträge - also zuzüglich der Folgeanträge - ist ein starker Rückgang sichtbar: Während die Zahl jetzt bei 185.853 lag, betrug sie 2017 noch und 223.000. Im Jahr zuvor war der Wert auf über 700.000 geklettert, weil damals noch viele der 2015 angekommenen Flüchtlinge ihren Antrag einreichten.
Nun will Seehofer rechtliche Regelungen voranbringen, um Abschiebungen und Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern leichter zu machen. Ein erstes "sehr gutes Gespräch" habe es zwischen den zuständigen Fachleuten bereits gegeben, sagte er. Es gebe eine Akzeptanz, dass gesetzliche Regelungen nötig seien und nicht lediglich Vollzugsverbesserungen.
Zuletzt hatte der CSU-Politiker in einem Zeitungsinterview vorgeschlagen, jene, die abgeschoben werden sollen, in Gewahrsam zu nehmen, damit sie zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht verschwunden seien. Er versicherte nun: "Wir haben nicht vor, Straftäter mit Menschen zusammenzulegen, die abgeschoben werden." Allerdings fügte er hinzu: Es sei keine Zusammenlegung, "wenn man einen eigenen Trakt dafür hat".
Eine Täuschung der Behörden müsse ferner Sanktionen nach sich ziehen, forderte er zugleich. Etwa so, dass Sozialleistungen eingeschränkt würden oder eine Umstellung auf Sachleistungen erfolge. Dieses Thema werde er ebenfalls weiterverfolgen.
Gesprächsbereit zeigte sich Seehofer in Bezug auf das im vergangenen Jahr nicht ausgeschöpfte Kontingent für den Familiennachzug zu subsidiär geschützten Flüchtlingen. Vorhanden waren 5.000 Plätze - mit Inkrafttreten einer Neuregelung für subsidiär geschützte Flüchtlinge ab August 1.000 pro Monat. Doch wurden laut Innenministerium in dieser Gruppe lediglich 3.260 Anträge auf Familiennachzug bewilligt. Deshalb gibt es Forderungen, die restlichen Plätze auf dieses Jahr zu übertragen.
Hier sei er "nicht ganz verschlossen", sagte der Minister. Allerdings müsse man schauen, ob man sich an anderer Stelle in der Migrationspolitik ebenfalls verständigen könne. Politik bestehe nun mal aus Interessenausgleich. Subsidiär Schutzberechtigt sind Menschen, die oftmals nicht als politisch Verfolgte im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden, sondern nur den untergeordneten Status zum Schutz vor Bürgerkrieg in ihrem Land erhalten. Betroffen sind vor allem Syrer.
Wenig optimistisch äußerte sich Seehofer zu den Bemühungen, ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu schaffen. Er glaube nicht, dass dies in absehbarer Zeit komme. "Es wäre bitter notwendig, aber wir sind weit davon entfernt."
Weltweit sind nach Zahlen der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht als je zuvor seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Ende 2017 waren rund 68,5 Millionen erfasst. Die meisten von ihnen, etwa 40 Millionen Menschen, sind Binnenflüchtlinge. Von denen, die über die Grenze fliehen, sucht ein großer Teil Schutz in Nachbarländern.
Berlin (epd). Das Klima entspannt sich wieder: Die Mehrheit der Bevölkerung steht der Integration von Zuwanderern positiv oder zumindest neutral gegenüber. Das ist die zentrale Botschaft der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick und Madlen Preuß, die am 24. Januar in Berlin ihre jüngste Studie vorstellten. Nach den Zuwanderungsjahren 2015 und 2016 hat demnach in der Bevölkerung eine positive Haltung zu Vielfalt und gesellschaftlichem Wandel wieder zugenommen.
Nur ein kleiner Teil der Deutschen wolle unter sich bleiben, so die Autoren der Studie "Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit - ZuGleich 2018". Eine stärkere Willkommenskultur wünschen sich 37 Prozent der Befragten - das sind knapp zehn Prozent mehr als 2016 auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsandrangs. Neutral äußerten sich 32 Prozent. 31 Prozent lehnten eine stärkere Willkommenskultur ab - knapp fünf Prozent weniger als 2016.
Damit näherten sich die Werte 2018 wieder denen von 2014 an, sagte Studienautor Zick. Er forderte die Politik auf, "mehr Integration zu wagen". Gruppen und Politiker, die sich dafür starkmachen, könnten sich auf eine Mehrheit der Bevölkerung stützen, sagten Zick und Preuß. Das gelte auch, so Zick, wo es lokal zu Konflikten komme. Das werde immer wieder passieren. Spannungen müssten ausgehalten und gelöst werden. Man dürfe es nicht den Populisten überlassen, unumgängliche Konflikte bei der Integration als Beweis dafür anzuführen, dass Einwanderung nicht funktioniere, argumentierte Zick.
Die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft kann man sich erwerben, meinen bis zu 90 Prozent der Befragten: Wer die Sprache lerne, Gesetze achte, sich in Deutschland zu Hause fühle, berufstätig sei und die gesellschaftlichen Werte schätze, gehöre dazu, meint eine klare Mehrheit.
Ein anderes Bild ergab sich für die Forscher allerdings bei Fragen danach, was Neuankömmlingen an Bewegungsspielraum zugestanden wird. Zwar sagt eine deutliche Mehrheit, Zuwanderer sollten die gleichen Rechte haben wie alle anderen auch - doch nahm von 2014 bis 2018 der Anteil der Menschen deutlich zu, die meinen, die "Neuen" sollten sich erst mal hinten anstellen und mit weniger zufrieden geben als die Alteingesessenen. Personen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden sich der Studie zufolge in ihren Einstellungen kaum. Flüchtlinge und Asylbewerber wurden nicht befragt.
In Deutschland hat laut Statistischem Bundesamt rund jeder Vierte einen Migrationshintergrund, das sind 19,3 Millionen Menschen. Mehr als die Hälfte haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Als Migrationshintergrund gilt ein im Ausland geborenes Elternteil, die eigene Zuwanderung oder eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Studie "ZuGleich" des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld wird von der Stiftung Mercator gefördert und erhebt alle zwei Jahre in repräsentativen Umfragen, wie Bürgerinnen und Bürger zur Willkommenskultur stehen, welche Kriterien sie für die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft anlegen und wie sie sich das Zusammenleben künftig vorstellen. Für die dritte Erhebung wurden Mitte vergangenen Jahres 2.009 Personen telefonisch befragt.
Die Grünen sehen sich durch die Ergebnisse der Forscher bestätigt. Die Sprecherin für Integrationspolitik der Bundestagsfraktion, Filiz Polat, erklärte, die Mehrheit der Bevölkerung lasse sich von einer spaltenden Minderheit nicht anstecken.
Berlin (epd). "Ärzte ohne Grenzen" hat den Rücktransport von Bootsflüchtlingen vom Mittelmeer nach Libyen als völkerrechtswidrig kritisiert. In zwei Tagen hätten Handelsschiffe 250 Flüchtlinge nach Libyen zurückgebracht, wo sie in überfüllte Internierungslager in den Städten Misrata und Choms gesperrt worden seien, erklärte die Nothilfeorganisation am 23. Januar in Berlin. Ein Team von "Ärzte ohne Grenzen" habe am Montag in Choms zehn dieser Menschen wegen akuter Gesundheitsprobleme in ein Krankenhaus überwiesen. Ein 15 Jahre alter Junge sei trotzdem gestorben.
Die EU unterstütze mit der Finanzierung der libyschen Küstenwache und der Behinderung von Rettungsschiffen die systematischen Rückführungen von aufgegriffenen Flüchtlingen in eine Konfliktregion. "Menschen nach Libyen zurückbringen zu lassen, ist inhuman", sagte Florian Westphal, Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen" in Deutschland. "Die EU-Staaten inklusive Deutschlands zwingen Männer, Frauen und Kinder zurück in einen Kreislauf von Missbrauch und Gewalt."
Die Bundesregierung ignoriere den jüngsten UN-Bericht über die furchtbaren Zustände in Libyen. Statt für ausreichend Seenotrettung zu sorgen, ziehe sich die Bundesregierung sogar aus der EU-Operation "Sophia" zurück, die zuletzt ohnehin kaum noch Menschen gerettet habe. Westphal: "Europa lässt Schutzsuchende ertrinken und zwingt die Überlebenden in akute Gefahr." In den Lagern um Misrata und Choms befänden sich 930 Menschen, darunter Schwangere, Kleinkinder und Babys.
Die Gefangenen hätten keine Möglichkeit, aus den Zellen heraus ans Tageslicht zu kommen. Sie erhielten kaum sauberes Wasser und Nahrung. Einige der kürzlich zurückgebrachten Menschen litten an Mangelernährung, Unterkühlung oder schwerem Durchfall. Mehrere berichteten, dass sie vor ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, bereits wochen- oder monatelang von Menschenhändlern gefangen gehalten und systematisch missbraucht und gefoltert worden seien.
Zudem gerieten den Angaben zufolge bei den jüngsten Kämpfen im Süden von Tripolis erneut Flüchtlinge und Migranten in einem offiziellen Internierungslager in die Schusslinie. Bei den Kämpfen wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 14 Menschen getötet und 58 verletzt. Zivilisten waren zeitweise in der Kampfzone eingeschlossen, darunter etwa 228 Geflüchtete und Migranten in einem Internierungslager.
Erfurt (epd). Der Entwurf der CDU für ein Landesintegrationsgesetzes hat in Thüringen unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. "Es ist gut und richtig, die Rahmenbedingungen für Integration auch auf Landesebene verbindlich zu verankern", erklärte die Landesbeauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge, Mirjam Kruppa, am 23. Januar in Erfurt. Inhaltlich bleibe aber die Initiative der größten Thüringer Oppositionspartei hinter den Zielen der rot-rot-grünen Landesregierung zurück, so Kruppa. Für die Grünen bezeichnete die Landtagsabgeordnete Astrid Rothe-Beinlich den CDU-Entwurf "eine integrationspolitische Nullnummer".
Der am Mittwoch präsentierte Entwurf der CDU-Landtagsfraktion sieht im Kern individuelle Vereinbarungen zwischen den Schutzsuchenden und den Ausländerbehörden vor. Bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele insbesondere bei der Sprach- aber auch der Wertevermittlung sollen Sanktionen greifen, sagte CDU-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring. Denkbar seien verpflichtende Schulungen zu Kultur, Religionsfreiheit und Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Gastland bis hin zu Geldstrafen und Leistungskürzungen. "Wer sich nicht ausweisen kann und etwa einen Abgleich seiner Fingerabdrücke in europäischen Datenbanken verweigert, soll keine Landeshilfen mehr erhalten", betonte Mohring.
Das Gesetz richte sich an alle, die eine längerfristige Bleibeperspektive hätten. Das schließe alle Flüchtlinge mit Schutzstatus sowie Asylsuchende ein, die nur über eine Duldung verfügten. Der Gesetzentwurf werde jetzt der Landtagsverwaltung zugeleitet und soll in der kommenden Woche im Plenum beraten werden, kündigte die CDU-Fraktion an.
Die Landesregierung hat aus Sicht von Kruppa in den vergangenen Jahren mit ihrem Thüringer Integrationskonzept bereits klare Leitlinien und Ziele in den diversen Handlungsfeldern definiert und konkrete Maßnahmen umgesetzt. Die CDU greife einige davon auf und bestätige insofern die gute Arbeit von Rot-Rot-Grün. So befinde sich der von der Union geforderte zweijährige Zuwanderungs- und Integrationsbericht bereits in Arbeit. "Er wird im September 2019 veröffentlicht", versprach die Landesbeauftragte.
Inhaltlich bleibe der CDU-Entwurf jedoch an vielen Stellen hinter den Zielen der Landesregierung zurück. Insbesondere, da er sich ausschließlich an Zugewanderte mit sogenannter guter Bleibeperspektive richte. "Dadurch wird ein Teil der hier lebenden Zugewanderten von jeglichen Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen", kritisierte Kruppa. Darüber hinaus bleibe fraglich, was die CDU-Fraktion unter dem im Entwurf geforderten "regeltreuen Verhalten", den "Werten und Normen der abendländischen Kultur" und den "in der heimischen Bevölkerung vorherrschenden Umgangsformen, Sitten und Gebräuchen" verstehe, kritisierte sie.
Die Verfassung, die Gesetze und auch die Freiheitsrechte würden für alle Menschen, die hier lebten, gleichermaßen gelten. Eine besondere "Regeltreue" für Zugewanderte zu fordern, die über das Einhalten der Rechtsordnung hinausgeht, ist aus Sicht der Beauftragten nicht integrationsfördernd.
Rothe-Beinlich erklärte, der Gesetzentwurf "offenbare sehr deutlich eine postkoloniale Sichtweise der CDU auf Menschen mit Migrationshintergrund, die in Thüringen leben". Es sei bezeichnend, dass die Union Migranten grundsätzlich als Menschen begreife, die nur vorübergehend in Thüringen lebten. Die CDU habe kaum Respekt vor der jeweiligen Herkunftskultur. Es gehe der Partei mehr um Assimilierung, als um Integration, so die Grünen-Politikerin.
Erfurt (epd). Einen Tag nach seiner Vorstellung ist der CDU-Entwurf für ein Landesintegrationsgesetz vom Thüringer Flüchtlingsrat scharf kritisiert worden. Gegen jede vernünftige Vorstellung von Integration beharre die Thüringer Union auf Sondergesetze, Repressionen und Strafen von bis zu 50.000 Euro, bemängelte die Hilfsorganisation am 24. Januar in Erfurt. Zudem sei das Papier nahezu wortgleich vom bayerischen Integrationsgesetz der CSU abgeschrieben, so der Flüchtlingsrat.
Die Forderungen nach Sanktionen gingen dabei viel weiter als das bestehende Instrumentarium des Bundes wie das Asylbewerberleistungsgesetz. Die Thüringer CDU wolle sich mit der bayrischen Vorlage profilieren, in der bereits keinerlei Rücksicht auf die Expertise von Wissenschaft und Migrantenorganisationen genommen werde, sagte Martin M. Arnold vom Flüchtlingsrat. In Anbetracht des bereits vorhandenen Thüringer Integrationskonzeptes sei der Gesetzesentwurf handwerklich schlecht und überflüssig.
Voll von rhetorischem Populismus greife das CDU-Gesetz scheinbar gezielt die Floskeln flüchtlingsfeindlicher Debatten auf. Im dritten Jahr in Folge würden die Zahlen ankommender Flüchtlinge stark sinken, zudem habe sich die Bundesregierung auf eine Obergrenze geeinigt. Dennoch sei im Papier der Thüringer CDU von einem "Massenzustrom" die Rede. Dem gegenüber stünde die "abendländische Leitkultur", die als Maßstab und Ziel von Integration scheinbar eine "Pflicht zum Deutschen" postuliert, so Arnold.
Dass sich hier stark nach rechts geneigt werde, wundere nicht, "ist doch Fraktionschef Mike Mohring als Teil des Bundesparteivorstandes der CDU maßgeblich mitverantwortlich für die verpasste Integrationspolitik sowie die Zustimmung zu Seehofers ausgrenzender Flüchtlingspolitik", hieß es vom Flüchtlingsrat abschließend.
Berlin/Hamburg (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt auf die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland. Die sei genauso wie die Gleichberechtigung der Frauen "eine herausragende Aufgabe von Politik", sagte Merkel der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" (24. Januar). Sie äußerte Verständnis für Wut und Unzufriedenheit in Ostdeutschland: "Ich finde es nicht so verwunderlich, dass es in Ostdeutschland Frustrationen gibt." Das Land sei vielleicht nie so versöhnt gewesen, "wie man dachte".
Hoffnungen, die Angleichung werde schnell gehen, "sind in einigen Bereichen zerstoben", erklärte Merkel. Viele Ostdeutsche hätten lange akzeptiert, weniger zu verdienen, auch seien sie noch immer in vielen Führungspositionen unterrepräsentiert, fügte Merkel hinzu. "Die DDR-Gesellschaft war nun einmal ganz und gar anders aufgebaut als die alte Bundesrepublik, und das wird in den alten Bundesländern bis heute zu wenig verstanden", so die in Hamburg geborene aber in Ostdeutschland aufgewachsene CDU-Politikerin.
Zur heutigen Situation in Ostdeutschland erklärte sie: "Die Erbschaften sind geringer, die Steuereinnahmen auch, die Menschen können zu wenig Vermögen aufbauen. Ältere Menschen sehen ihre Kinder wegziehen, die Enkel wachsen woanders auf." Deshalb würden die Leute ungeduldig und fragten, wie lange dies noch dauern solle.
Auch, dass die Wut im Osten sich oft gegen sie persönlich richte, überrasche sie nicht: "Das ist nicht paradox", sagt Merkel. "Das begann schon mit der Euro- und Finanzkrise und hat sich dann durch die vielen Flüchtlinge, die zu uns kamen, noch einmal verstärkt." Damals habe es sich um eine humanitäre Notsituation gehandelt. "Es hat mich aber nicht verwundert, dass sich viele Menschen in den neuen Ländern mit einer solchen Entscheidung noch etwas schwerer taten als die in den alten Ländern. Es gab in der DDR zu wenig Erfahrung mit anderen Kulturen", so die 64-Jährige.
Zum Frauenbild in der ehemaligen DDR sagte Merkel, auch dort habe es eine wirkliche Gleichberechtigung nie gegeben: "Dass nie ein Vollmitglied des Politbüros weiblich war, dass es keine Kombinatsleiterin gab, das zeigte doch, dass dort, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen wurden, Männer saßen." Sicherlich habe es eine pragmatischere Einstellung zu technischen Berufen gegeben, aber das habe auch mit der staatlichen Lenkung zu tun gehabt. "Ob all die Frauen aus freien Stücken Ingenieurtechnik und Zerspaner studiert oder gelernt hätten? Da bin ich mir nicht sicher. Das lag doch eher am Fachkräftemangel und an der überhaupt mangelnden Effizienz der DDR-Wirtschaft", so die Bundeskanzlerin.
Natürlich sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der DDR sehr viel selbstverständlicher gewesen, so Merkel. "Aber wenn man hinter die Kulissen geschaut hat, wurde schnell klar, dass die Erziehungs- und Hausarbeit sehr stark an den Frauen hängen blieb. Kombinatsdirektoren und Politbüro-Mitglieder waren eben Männer, und das waren natürlich auch die prägenden Rollenmodelle. Da war die DDR nicht vorbildlich, finde ich", sagte die Kanzlerin.
Berlin (epd). Der Internationale Frauentag am 8. März ist neuer gesetzlicher Feiertag in Berlin. Ein entsprechender gemeinsamer Antrag der rot-rot-grünen Regierungsfraktionen wurde am 24. Januar im Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, Linke und Grüne mehrheitlich angenommen. Damit werden die Berliner bereits am 8. März dieses Jahres erstmals arbeitsfrei haben.
Zudem wird in der Bundeshauptstadt der 8. Mai 2020 einmalig ein Feiertag sein. Anlass ist der 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945. Weiterhin wurden der 8. Mai und der 17. Juni als Tag des DDR-Volksaufstandes von 1953 in die Liste der Gedenk- und Trauertage Berlins aufgenommen.
Auf Antrag der CDU wurde über den neuen Feiertag per namentlicher Abstimmung entschieden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Stefan Evers, kritisierte die Feiertagsentscheidung als "zutiefst reaktionär". Mit dem Frauentag als Feiertag stehe Berlin in einer Reihe mit Ländern wie Nordkorea, Vietnam, China und Kambodscha. Die CDU hatte für einen anlassbezogenen jährlichen zusätzlichen Feiertag plädiert, beispielsweise zum 9. November 2019 zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Die AfD sprach sich für den Reformationstag als Feiertag aus.
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Anja Kofbinger, erklärte, die Koalitionsfraktionen hätten sich gegen den Reformationstag entschieden, weil es ein religionsunabhängiger Feiertag für alle Berliner sein sollte. Mit dem 8. März würden zumindest einmal im Jahr alle Menschen daran erinnert, dass Frauen immer noch nicht gleichberechtigt sind. Für sie sei der Tag ein "politisches Highlight".
Erfurt (epd). Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt die Einführung eines zusätzlichen Feiertages in Thüringen. "Wir begrüßen den Gesetzentwurf der drei Regierungsfraktionen, den Weltkindertag am 20. September zum gesetzlichen Feiertag zu erklären", sagte Michael Rudolph, der Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen, am 23. Januar in Frankfurt/Main. Damit werde nicht nur den Rechten von Kindern mehr Aufmerksamkeit geschenkt und auf das große Problem der Kinderarmut aufmerksam gemacht, auch mit Blick auf die zunehmende Entgrenzung zwischen Arbeits- und Lebenszeit sei die Schaffung dieses Feiertages ein wichtiges Signal, fügte er hinzu.
Ein zusätzlicher Feiertag für die Thüringer Beschäftigten ist aus DGB-Sicht nur gerecht. Mit derzeit zehn gesetzlichen Feiertagen befinde sich der Freistaat im Vergleich zu anderen Bundesländern am unteren Ende. 2017 hätten die Thüringer durchschnittlich 76 Stunden mehr als im Bundesmittel gearbeitet - also fast zwei Wochen. "Der zusätzliche Feiertag ist also durch die Beschäftigten bereits mehrfach bezahlt", so Rudolph. Es wäre nur konsequent, wenn die Landesregierung die Einführung weiterer Feiertage in Betracht ziehen würde.
Der Thüringer Landtag hatte den Weg zu einem zusätzlichen Feiertag im September 2018 geebnet. Mit den Stimmen der rot-rot-grünen Koalition wurde das entsprechende Gesetz nach der ersten Lesung in die Ausschüsse überwiesen. Im Moment befindet es sich in der Anhörungsphase.
Brüssel (epd). Antisemitismus ist in den Augen jedes zweiten EU-Bürgers ein Problem in seinem Land. In Deutschland halten sogar zwei Drittel der Menschen Antisemitismus für ein Problem hierzulande, wie aus einer am 22. Januar von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlichten Umfrage hervorgeht. 43 Prozent hielten Antisemitismus europaweit und 29 Prozent in Deutschland nicht für ein Problem.
In Schweden hielten im EU-Vergleich die meisten Menschen Antisemitismus für ein Problem bei sich, nämlich 81 Prozent. Am wenigsten waren es der Umfrage zufolge mit sechs Prozent in Estland. Das Bewusstsein schärfen offenbar auch persönliche Beziehungen. 64 Prozent der Befragten mit jüdischen Bekannten und Freunden, aber auch 59 Prozent derer mit muslimischen Bekannten und Freunden, sahen demnach Antisemitismus als Problem in ihrem Land an.
Nach Meinung der Mehrheit hat Antisemitismus in den vergangenen fünf Jahren im jeweiligen Land nicht zugenommen. 39 Prozent gingen im Schnitt von einem Gleichbleiben aus, zehn Prozent von einer Abnahme und 36 von einer Zunahme. In Deutschland hielten hingegen 61 Prozent der Befragten Antisemitismus für schlimmer als fünf Jahre zuvor. Bei der Umfrage in den 28 EU-Staaten wurden im Dezember 2018 rund 27.500 Menschen befragt, etwa 1.500 davon in Deutschland.
Gefragt wurde auch nach den Ausprägungen und Orten von Antisemitismus. Rund die Hälfte der EU-Bürger gab an, physische Angriffe, Leugnung des Holocaust, Feindseligkeit und Drohungen in der Öffentlichkeit, Graffiti oder Vandalismus an jüdischen Einrichtungen, die Schändung von Friedhöfen und Antisemitismus im Internet seien ein Problem in ihrem Land. Jeweils gut 40 Prozent machten Antisemitismus an Schulen und Hochschulen, in den Medien und im politischen Leben in ihrem Land aus.
Über jüdisches Leben und die Geschichte der Juden sind die EU-Einwohner nach Meinung der meisten Befragten nicht gut informiert. 68 Prozent antworteten, dass ihrer Meinung nach ihre Mitbürger hierüber nicht gut Bescheid wüssten. In Deutschland antworteten sogar 74 Prozent in diesem Sinne. EU-weit meinten zudem 54 Prozent der Befragten, dass Konflikte im Mittleren Osten einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Juden hierzulande hätten, 35 Prozent glaubten dies nicht.
In einer im Dezember veröffentlichten Umfrage der EU-Grundrechteagentur hatten sich vor kurzem Juden selbst über den Antisemitismus geäußert. Dabei sahen neun von zehn Befragten den Antisemitismus in Europa wieder im Ansteigen begriffen, wie die EU-Kommission am Dienstag erklärte. Es gebe also einen deutlichen Unterschied in der Wahrnehmung des Problems, urteilte die Kommission. Justizkommissarin Vera Jourova erklärte, Europa müsse wachsam sein. Sie selbst und die EU-Kommission seien entschlossen, "eine Zukunft für das jüdische Volk auf diesem Kontinent sicherzustellen - um des jüdischen Volkes und um Europas willen", betonte Jourova kurz vor dem Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar.
Erfurt (epd). Die rot-rot-grüne Landesregierung hat den Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), zum Beauftragten für jüdisches Leben in Thüringen und die Bekämpfung des Antisemitismus berufen. Er werde in seiner zusätzlichen Funktion künftig die Aktivitäten der Landesregierung zur Unterstützung jüdischen Lebens in Thüringen koordinieren, sagte Vize-Regierungssprecherin Marion Wermann nach einer Kabinettssitzung am 22. Januar in Erfurt.
Zu seinen Aufgaben zähle auch, das Vorgehen des Landes gegen Antisemitismus und Rassismus zwischen den Ministerien abzustimmen. Mit der Berufung Hoffs wolle Rot-Rot-Grün zudem über das Gewähren des spezifischen Schutzanliegens hinaus auch ein Zeichen "gegen die Verrohung des Umgangs miteinander innerhalb der Gesellschaft setzen", so Wermann.
Der Entscheidung, einen Antisemitismus-Beauftragten einzusetzen, sei ein intensiver Erörterungsprozess vorausgegangen. Wermann verwies dabei auch auf eine Kabinettsitzung im November 2018, an der neben dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, auch der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, und die Chefs der Stiftungen Ettersberg, Jörg Ganzenmüller, und Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, als Gäste teilgenommen hatten.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte zunächst die Einführung eines Landesbeauftragten abgelehnt. Er begründete seine Sicht damit, dass sich die Landesregierung bereits seit Jahren in besonderer Weise für die Bekämpfung des Antisemitismus - etwa auf Basis der Erhebungen des Thüringen-Monitors und mit vielfältigen Festlegungen im Koalitionsvertrag in fast allen Ressortbereichen - engagiere.
Derweil ist Antisemitismus in den Augen jedes zweiten EU-Bürgers ein Problem in seinem Land. In Deutschland halten sogar zwei Drittel der Menschen Antisemitismus für ein Problem, geht aus einer am Dienstag von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlichten Umfrage hervor. 61 Prozent der befragten Bundesbürger schätzten dabei den Grad des Antisemitismus in Deutschland als schlimmer als vor fünf Jahren ein. Bei der Umfrage in den 28 EU-Staaten wurden im Dezember 2018 rund 27.500 Menschen befragt, etwa 1.500 davon in Deutschland.
Leipzig (epd). Sachsen hat ab sofort sieben Antidiskriminierungsberater. Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) überreichte ihnen nach Ministeriumsangaben zum Abschluss ihrer Ausbildung am 24. Januar in Leipzig ihre Zertifikate. "Gemeinsam arbeiten wir an dem Ziel für Sachsen, eine Kultur zu etablieren, in der alle mit Respekt behandelt werden, in der Vielfalt gelebt werden kann und diese Vielfalt auch wertgeschätzt wird", erklärte die Ministerin. Sachsen sei eines der wenigen Bundesländer, die die Ausbildung derartiger Berater unterstütze, fügte sie hinzu.
Die Beraterinnen und Berater sind den Angaben zufolge künftig in Chemnitz, Leipzig und den angrenzenden Landkreisen für die Betreuung von Menschen zuständig, die Diskriminierung erfahren haben. Dabei könne es sich um Herabwürdigungen wegen des Alters, des Geschlechts, der Herkunft oder Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Identität handeln, hieß es. Eine weitere Aufgabe der Berater ist es demnach, Vernetzungen und Kooperationen mit weiteren wichtigen Akteuren voranzutreiben.
Iris Fischer-Bacher vom Antidiskriminierungsbüro Leipzig sagte, die erfolgreiche Ausbildung der Berater sei "ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer flächendeckenden qualifizierten Antidiskriminierungsberatung" im Freistaat. Die Auszubildenden hätten sich in den vergangenen zwölf Monaten unter anderem mit psychosozialen, rechtlichen und politischen Inhalten auseinandergesetzt, fügte sie hinzu.
Die Antidiskriminierungsberatung ist den Angaben zufolge Teil des Modellprojekts "Strukturen der Antidiskriminierungsberatung in Sachsen". Das Projekt läuft noch bis Ende 2020, Köppings Ministerium fördert es mit rund 1,7 Millionen Euro. Die Ausbildung der Antidiskriminierungsberater war demnach Ende Januar 2017 durch einen Beschluss des sächsischen Kabinetts im Rahmen einer Strategie zum Schutz vor Diskriminierung und zur Förderung der Vielfalt in Sachsen auf den Weg gebracht worden.
Hannover/Halle (epd). Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat AfD-Kandidaten im Polizeidienst aufgefordert, auf Distanz zum rechtsnationalen "Flügel" um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu gehen. "Jeder Beamte schwört auf die Verfassung. Dieser Eid verpflichtet, sich an Regeln zu halten", sagte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (22. Januar). Der Eid vertrage sich nicht mit Zweifeln des Verfassungsschutzes am rechtsnationalen "Flügel" um Höcke, fügte er hinzu.
Malchows Sicht teilt auch Thüringens GdP-Chef Kai Christ. Der Austausch mit Parteien sei für Gewerkschaften nichts Ungewöhnliches. Zwischen der GdP und der AfD im Land fänden aber seit zwei Jahren keine Gespräche mehr statt, sagte er MDR Aktuell in Halle/Saale. Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz sich die Partei jetzt genauer anschaue und damit der Idee des Landesamtes in Thüringen folge, zeige dies, dass die AfD keine rein demokratische Partei sei.
Christ sprach gegenüber dem Nachrichtensender von mindestens einem Mitglied der GdP, der im Landesvorstand der AfD sitze. Man habe einen Ausschluss aus der Gewerkschaft geprüft, das Vorhaben aber aus rechtlichen Gründen verworfen. Die GdP versuche aber, dass die AfD-Mitglieder in keine Gewerkschaftsfunktionen kommen, um nicht in dieser Funktion als AfD oder mit der AfD zu kommunizieren. Ihm bereite die relativ hohe Anzahl an Polizeibeamten auf der Landesliste der AfD Sorgen, so der Gewerkschafter.
Innenminister Georg Maier (SPD) sieht das ein wenig anders. Wenn Wahlergebnisse für die AfD 20 Prozent plus x lauteten, sei natürlich auch die Polizei betroffen. Gerade Polizisten seien jeden Tag mit gesellschaftlichen Problemen konfrontiert, sagte Maier. Dass Thüringer Polizeibeamte sich in der AfD engagierten, finde er persönlich aber nicht gut, sagte der SPD-Politiker.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte den "Flügel" wie die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" vor einer Woche offiziell zum Verdachtsfall erklärt. Seitdem kann der Inlandsgeheimdienst auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln gegen beide vorgehen. In Thüringen stehen fünf Polizisten als Kandidaten auf der 38-köpfigen AfD-Landesliste, vier von ihnen könnten laut aktuellen Umfragen mit einem Einzug in das Landesparlament rechnen. Höcke ist Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 27. Oktober.
Leipzig (epd). In Osteuropa wächst laut Forschungen des Leibniz-Instituts für Länderkunde an der Universität Leipzig die Ablehnung gegenüber dem Islam. "Es wird immer wieder sichtbar, dass dort die Islamfeindlichkeit besonders hoch ist, wo kaum oder sogar gar keine Muslime leben", sagte der Soziologe Alexander Yendell am 24. Januar in Leipzig. Das gelte ganz besonders stark für Osteuropa, fügte er hinzu.
Zudem sei es erschreckend, welche Ausmaße die Islamfeindlichkeit annehme, sagte der Forscher weiter. So trügen etwa in Polen rechtskonservative Klerikale massiv zur Ablehnung der muslimischen Religion bei. In Tschechien würden Muslime "selbst in Schlagersongs" abgewertet. Zudem sei "die angebliche Bedrohung durch den Islam in osteuropäischen Ländern zum Teil zum Wahlkampfthema geworden", sagte der Forscher.
Yendell ist nach Angaben der Universität Herausgeber der neu erschienenen Publikation "Islamophobie in Osteuropa verstehen und erklären". Darin beschreiben diverse Wissenschaftler das Phänomen der Ablehnung des muslimischen Glaubens als "Islamophobie ohne Muslime", wie es hieß. "Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass Islamfeindlichkeit in Osteuropa zunimmt und es Parallelen zu Westeuropa gibt", erklärte Yendell.
Der Forschungsbedarf zu dem Thema sei jedoch noch immens, betonte der Wissenschaftler. Es sei wichtig, dass Forscher aus Ost und West "gemeinsam daran arbeiten und voneinander lernen", sagte Yendell. So gebe es zwar im anglo-amerikanischen Raum eine breite soziologische und sozialpsychologische Vorurteilsforschung. Diese sei jedoch "nicht unbedingt über die Grenzen Nordamerikas und Westeuropas hinaus bekannt", sagte der Forscher. Umgekehrt herrsche ein Defizit in Bezug auf die Forschungslage in Osteuropa, erklärte er weiter.
Dresden (epd). Links- und Rechtsextremisten in Sachsen setzen nach Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes immer mehr auf die Wirkung von Musik. Sowohl Links- als auch Rechtsextremisten nutzten das Medium intensiv zur Vermittlung ihrer politischen Positionen, sagte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen, Gordian Meyer-Plath. So könnten gerade Heranwachsende in ihrer Suche nach Orientierung über extremistische Musik unversehens in die Szene geraten.
Der Verfassungsschutz listet 27 rechtsextremistische Bands und drei Liedermacher auf. Bei den linksextremistischen Bands stehen zwölf im Visier der Verfassungsschützer sowie ein Konzertveranstalter. Etliche der Bands und Gruppen seien in den vergangenen Jahren hinzugekommen.
Das rechtsextremistische Liedgut sei "häufig mit klar erkennbaren rassistischen, gewaltverherrlichenden und volksverhetzenden Formulierungen durchzogen", hieß es weiter. Daher hätten rechtsextremistische Musikveranstaltungen eher einen szeneinternen Adressatenkreis. Sie seien Ausdruck einer Rückbesinnung der Szene auf eigene Themen. Das stärke den Zusammenhalt der Szene.
Als Beispiele nannte Meyer-Plath die beiden rechtsextremen Festivals "Schild und Schwert" 2018 im ostsächsischen Ostritz. Auch in diesem Jahr plant die Szene vor Ort zwei weitere Festivals, das nächste im Juni.
Ähnlich wie im Rechtsextremismus existiere auch im Linksextremismus eine Musikszene, die sich aus einer Reihe von Interpreten, Veranstaltern und Szenelokalen zusammensetze. Jedoch hätten Musikveranstaltungen, bei denen linksextremistische Interpreten auftreten, "einen grundsätzlich anderen Charakter".
Obwohl in den Texten oft zur Gewalt gegen den politischen Gegner oder Polizisten aufgerufen und gegen den demokratischen Rechtsstaat agitiert werde, müssten linksextremistische Musikgruppen weniger mit gesellschaftlicher Ausgrenzung rechnen, sagte Meyer-Plath. Häufig würden Musikveranstaltungen mit Beteiligung von Linksextremisten in öffentlichen Einrichtungen oder als große Musikfestivals unter freiem Himmel stattfinden.
Dresden (epd). Der Leipziger Rabbiner Zsolt Balla ist neuer Landesrabbiner von Sachsen. Der gebürtige Ungar ist zum 1. Januar in das Amt berufen worden, wie die Jüdische Gemeinde in Dresden am 25. Januar mitteilte. Mit dem 39-Jährigen bekomme das Judentum in Sachsen einen "repräsentativen und fachlich hochgebildeten religiösen Vertreter auf Bundes- und internationaler Ebene", hieß es. Seine Hauptaufgabe sei die Koordinierung der jüdischen Gemeinden in Chemnitz, Dresden und Leipzig.
Zudem solle er die jüdische Jugendarbeit sowie den interreligiösen und interkulturellen Dialog voranbringen - letzteres auch im Hinblick auf die Bekämpfung jeder Art von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Balla folgt auf Rabbiner Alexander Nachama, der im September zur Jüdischen Landesgemeinde Thüringen wechselte.
Der 1979 in Budapest geborene Balla ist seit zehn Jahren als Rabbiner in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig tätig. Unter seiner religiösen Leitung habe diese Gemeinde einen wichtigen Konsolidierungsprozess durchlaufen, hieß es.
Seine religiöse Bildung erhielt Balla den Angaben zufolge in Budapest, Jerusalem, New York, London und Berlin. In rabbinischen Kreisen genieße der Rabbiner eine hohe Autorität, hieß es. Er sei eines von drei Präsidiumsmitgliedern der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands. Im Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland habe er einen guten Ruf als argumentativer und überzeugender Vermittler und Experte in Fragen des Judentums.
Erfurt/Belgrad (epd). Thüringen ehrt den Holocaust-Überlebenden Ivan Ivanji zu seinem 90. Geburtstag mit dem Verdienstorden des Landes. Dazu reist Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Wochenende nach Serbien, teilte die Staatskanzlei am 24. Januar in Erfurt mit. Neben der Würdigung von Ivanji am Samstag im Belgrader Pressezentrum sei am Sonntag zudem Ramelows Teilnahme an einer Kranzniederlegung anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Staro Sajmiste geplant.
Dazu würden von serbischer Seite neben Staatspräsident Aleksandar Vucic auch der stellvertretende Parlamentspräsident Veroljub Arsic sowie Isak Asiel, der Rabbiner von Belgrad, Robert Sabados, der Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, und Dalibor Nakic, der Vorsitzende des Roma-Nationalrats, erwartet. Von deutscher Seite sind nach Angaben der Staatskanzlei außer Ramelow unter anderem Botschafter Thomas Schieb und der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, dazu eingeladen.
Der Thüringer Verdienstorden sei Ausdruck größten Respekts und tiefer Dankbarkeit für ein reiches Lebenswerk, würdigte Ramelow den Jubilar bereits vorab. "Wir ehren ihn für sein Jahrzehnte währendes Engagement, die Verbrechen der Schoah aufzuarbeiten und die Erinnerung an die Opfer lebendig zu halten. Wir würdigen Ivan Ivanji gleichermaßen als politisch engagierten und mit der Gedenkstätte Buchenwald eng verbundenen Zeitzeugen, als verehrten Schriftsteller und kritischen Beobachter der gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa", sagte der Ministerpräsident.
Ivanji war erst 15 Jahre alt, als er am 27. Mai 1944 nach Auschwitz verschleppt wurde. Als Häftling mit der Nummer 58116 war er dann im Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg eingesperrt. Von dort gelangte er in die KZ-Außenlager Magdeburg, Niederorschel und schließlich Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt. Nach dem Krieg studierte er an der Belgrader Universität Architektur und Germanistik, arbeitete als Lehrer, Theaterintendant, Dolmetscher für Josip Broz Tito, als jugoslawischer Kulturattaché in Bonn und war viele Jahre Generalsekretär des jugoslawischen Schriftstellerverbandes.
Der Verdienstorden des Freistaats Thüringen als höchste Auszeichnung des Landes wird seit dem Jahr 2000 vergeben. Die Zahl der lebenden Ordensinhaber ist auf 300 Personen begrenzt. Zu ihnen zählen unter anderem Altbischof Roland Hoffmann, die frühere Intendantin des Weimarer Kunstfestes Nike Wagner und Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Gunda Niemann-Stirnemann.
Dresden (epd). Im Streit um eine verweigerte Seniorprofessur hat der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt den Vorwurf einer zu großen Nähe zur AfD entschieden zurückgewiesen. In Gutachten und Vorträgen habe er der Partei unter anderem geraten, sich von Rassismus und Antisemiten zu trennen und von Extremismus fernzuhalten, sagte Patzelt der Dresdner "Sächsischen Zeitung" (22. Januar) und erklärte: "Was ist daran vorwerfbar?". Weiter sprach der Forscher von einer "Verleumdungskampagne" und nannte die Vorwürfe gegen sich "dummdreist".
Den Vorwurf, Politik und Wissenschaft zu sehr miteinander zu vermengen, bezeichnete Patzelt als absurd. "In der Politikwissenschaft kommen nun einmal Politik und Wissenschaft zusammen", sagte er der Zeitung. Ein Politikwissenschaftler beschäftige sich in Forschung, Vorträgen und Gutachten mit nichts anderem, erklärte Patzelt und fügte hinzu: "Dass die öffentlichen Aussagen eines medial ziemlich präsenten Politikwissenschaftlers dann auch im politischen Diskurs Einfluss haben, ist ganz unvermeidlich."
Am Wochenende war bekanntgeworden, dass die Technische Universität (TU) Dresden Patzelt nach dessen altersbedingtem Ausscheiden im März eine Weiterbeschäftigung als Seniorprofessor verweigert. Zur Begründung hat der zuständige Fakultätsrat laut TU angeführt, Patzelt habe Politik und Wissenschaft "derart vermischt (...), dass dem Ruf der TUD und der Fakultät dadurch geschadet wurde". Eine Seniorprofessur ermöglicht es einer Universität, Professoren weiter in Forschung und Lehre einzubinden, auch wenn sich diese beamtenrechtlich bereits im Ruhestand befinden oder emeritiert sind.
Patzelt hat unter anderem zur AfD und zu der fremdenfeindlichen Dresdner "Pegida"-Bewegung geforscht. Kritiker warfen ihm immer wieder eine zu große Nähe zu seinem Untersuchungsgegenstand vor. Zuletzt wurde bekannt, dass Patzelt am Programm der sächsischen CDU für die Landtagswahl im Herbst mitschreibt und in der Vergangenheit offenbar gegen üppige Honorare Gutachten für die AfD-Landtagsfraktion erstellt hat.
Washington (epd). Angela Davis, das war Anfang der 70er Jahre die junge, militante Frau mit der großen Afro-Frisur, die in den USA in Untersuchungshaft saß. Das FBI zählte sie zu den zehn gefährlichsten Verbrechern des Landes. Gesucht wurde sie mit einem Steckbrief, in dem es hieß, sie sei vermutlich bewaffnet: Davis habe im August 1970 Schusswaffen für eine versuchte Gefangenenbefreiung besorgt, bei der vier Menschen ums Leben kamen.
Ein falscher Vorwurf, wie sich herausstellte: Im Juni 1972 wurde Davis freigesprochen, nach beinahe eineinhalb Jahren Untersuchungshaft. Dem war eine weltweite Kampagne vorausgegangen. "Freiheit für Angela Davis und alle politischen Gefangenen" - Anfang der 70er Jahre war dies einer der bekanntesten Slogans von Linken und Kriegsgegnern.
Heute ist die Philosophin emeritierte Professorin der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Politisch links ist sie noch immer, spricht und schreibt viel über Frauenrechte. Und immer wieder prangert sie das US-Gefängniswesen an. Am 26. Januar wird Angela Yvonne Davis 75. Ihr berühmter Afro ist grau geworden.
Auf der ganzen Welt hatten sich Aktivisten während ihrer Haft 1971-72 für sie eingesetzt. In der DDR war die Kampagne Staatssache gewesen, und offenbar auch ein Anliegen für viele Menschen. "Eine Million Rosen für Angela" hieß eine Solidaritätsaktion - Postkarten mit Rosenbildern sollen sich zu Hunderttausenden in Davis' Gefängnis gestapelt haben. Und Die "Rolling Stones" haben 1972 ein Lied zum Fall Davis geschrieben: "Sweet Black Angel".
"Entreißt Angela Nixons Kerker", schrieb die "Junge Welt", die Zeitung der FDJ. Die DDR sei "fest im Griff der Angela-Mania", spottete das US-Wochenmagazin "Time". Staatschef Erich Honecker empfing die Genossin bald nach ihrem Freispruch. Auf Fotos sieht man ihn lächelnd neben Davis, die ihn mit ihrem Haar um einen halben Kopf überragt.
Angela Davis faszinierte als Symbolfigur der Anti-Vietnamkriegsaktivisten, der Bürgerrechtler und der Black-Power-Bewegung: eine attraktive, intellektuelle junge Afroamerikanerin. An der Sorbonne in Paris hat sie französische Literatur studiert, in Frankfurt am Main studierte sie bei Theodor Adorno und Jürgen Habermas. In den USA war sie schließlich 1968 der Kommunistischen Partei beigetreten.
Sie sei Kommunistin geworden, erklärte Davis, weil sie überzeugt sei, der "einzige wahre Weg zur Befreiung Schwarzer" führe durch die Zerstörung des kapitalistischen Systems. Immer wieder berief sie sich später auf ihren Mentor, den Philosophen Herbert Marcuse (1898-1979). Er habe ihr gezeigt, dass man Akademiker und Aktivist zugleich sein könne.
Bei den US-Präsidentschaftswahlen 1980 und 1984, gewonnen vom Republikaner Ronald Reagan, trat Davis als kommunistische Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin an. 1980 erreichten sie und KP-Präsidentschaftskandidat Gus Hall 0,05 Prozent, 1984 0,04 Prozent der Stimmen.
Geboren und aufgewachsen ist Davis in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama, ganz im Süden der USA. In den 50er und 60er Jahren war dieses Städtchen als "Bombingham" bekannt: Der Ku-Klux-Klan wütete gegen afroamerikanische Familien. In Birmingham ereignete sich eines der schlimmsten Gewaltverbrechen zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung: Im September 1963 ging in einer Baptistenkirche eine Bombe hoch, gelegt von weißen Rassisten. Vier Mädchen starben, das jüngste elf, das älteste 14 Jahre alt. Angela Davis war damals 19.
Eine Kontroverse gab es in Birmingham kurz vor Davis' 75. Geburtstag um ihr Engagement zur Palästinenserfrage: Das Birminghamer Bürgerrechtsinstitut machte Anfang Januar seine Entscheidung rückgängig, Angela Davis mit einem Preis zu ehren. Nach Angaben von Bürgermeister Randall Woodfin habe es gegen die geplante Auszeichnung Proteste aus der örtlichen jüdischen Community und von einigen ihrer Mitstreiter gegeben. Denn Davis gilt als Befürworterin der BDS-Kampagne zum Boykott Israels. Bürgermeister Woodfin hat das Bürgerrechtsinstitut zum Dialog aufgefordert.
Mit dem Altern kommt die Aktivistin offenbar zurecht: Das Alt-Sein sei gar nicht so schlecht, sagte Angela Davis kürzlich im Rundfunkprogramm "Democracy Now". Hoffnung machten ihr engagierte junge Menschen, die das Konzept von Freiheit ausdehnten. Das Hinterfragen der Norm der binären Geschlechtsidentität hat "uns erlaubt zu sehen, dass alles hinterfragt werden kann".
Die Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten sei "wunderbar" gewesen, urteilte sie einmal. Obama habe Hoffnung repräsentiert. Und Donald Trump? Seine Präsidentschaft sei das Produkt einer politischen Krise im Zweiparteiensystem, sagte sie im vergangenen Jahr in einem Interview. Und gab sich zuversichtlich: Amerika werde diesen Präsidenten überleben. Trump werde einmal eine Art Fußnote der Geschichte sein.
Osnabrück (epd). Positive Bezeichnungen wie "Gute-Kita-Gesetz" behindern nach Ansicht des FDP-Politikers Otto Fricke eine offene und faire Debatte. Wer die konkreten Gesetzesinhalte hinterfrage, sei durch solche werblichen Betitelungen automatisch dem Vorwurf ausgesetzt, er sei beispielsweise gegen gute Kitas, sagte Fricke der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (21. Januar). Die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich hält solche Bezeichnungen hingegen für "durchaus üblich".
Empfehlungen des Bundesjustizministeriums sähen vor, dass die Überschriften von Gesetzen und Rechtsvorschriften "redlich" und damit sachlich zu formulieren seien, sagte Fricke: "Durch die vom tatsächlichen Namen abweichende und in der Bezeichnung enthaltende normative Wertung unterläuft die Bundesregierung diesen Grundsatz."
Die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks (SPD) aus dem Bundesfamilienministerium wies dem Zeitungsbericht zufolge bei der Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage der FDP-Fraktion darauf hin, dass es jeweils auch einen "rechtsförmlich korrekten" Namen der Gesetze gebe. Dieser sei von der Darstellung eines Gesetzes in der Öffentlichkeit zu trennen. Die rechtskonforme Bezeichnung des "Gute-Kita-Gesetzes" lautet "Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung".
"Bei den Kurzformen für solche Gesetzesvorschläge kann es je nach Position unterschiedliche Formen geben", sagte die Linguistin Janich von der Technischen Universität Darmstadt. Befürworter versuchten, eine positiv konnotierte Form zu wählen, Gegner hingegen eine negativ konnotierte. Beides sei durchaus üblich und nicht überraschend in der politischen Kommunikation. Diese sei auch sonst durch positiv besetzte Fahnenwörter und negativ besetzte Stigmawörter geprägt.
Der vollständige Name eines Gesetzes und die Kurzbezeichnung seien aus pragmatischen Gründen nicht zu vergleichen. Die Vollform sei nur für schriftsprachlich geführte Debatten oder Stellungnahmen geeignet. Eine Bezeichnung wie "Kinderbetreuungs-Gesetz" sei allerdings neutraler und würde eine Diskussion vielleicht erleichtern. "Doch egal wie man es nennt, stehen sowohl Befürworter als auch Gegner des Gesetzes in der Pflicht, ihr Pro und Contra sachlich, also mit Argumenten zu begründen", unterstrich die Wissenschaftlerin.
Brüssel, Luxemburg (epd). Eine Feiertagsregelung, die Arbeitnehmer bestimmter Religionsgruppen bevorzugt, ist nicht rechtens. Dass nur Protestanten und Altkatholiken in den Genuss eines bezahlten Feiertages am Karfreitag oder eines Extra-Lohnes kommen, verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 22. Januar in Luxemburg zu einem Fall aus Österreich. (AZ: C-193/17)
Im überwiegend katholischen Österreich ist der Karfreitag nur für Angehörige der evangelischen Kirchen des Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein bezahlter Feiertag. Damit soll der für sie besonders hohen Bedeutung des Tages Rechnung getragen werden, wie der EuGH rekapitulierte. Falls sie doch arbeiten, haben sie Anspruch auf einen Extra-Lohn.
Gegen diese Regelung wandte sich ein Beschäftigter einer österreichischen Detektei, der keiner jener vier Kirchen angehört. Er wollte den Feiertagszuschlag für den Karfreitag 2015 von seinem Arbeitgeber vor österreichischen Gerichten einklagen, erläuterte der EuGH. Der EuGH gab dem Mann nun Recht. Die österreichische Regelung stelle eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion dar, hieß es in einer Mitteilung.
Das Gericht wies in der Begründung unter anderem darauf hin, dass ein Arbeitnehmer allein durch die formale Angehörigkeit zu jenen vier Kirchen in den Genuss des Feiertages komme. Es sei nicht notwendig, dass er an dem Tag auch tatsächlich "eine bestimmte religiöse Pflicht erfüllen muss". Vielmehr stehe ihm frei, den Tag "nach seinem Belieben" zum Beispiel zu Erholung und Freizeit zu nutzen.
Zur Wahrung der Religionsfreiheit sei ein solcher freier Tag nicht nötig. Denn der Religionsfreiheit werde in Österreich für Angehörige anderer Konfession auf andere Weise Rechnung getragen, argumentierte der EuGH. Es bestehe nämlich eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dieser müsse Beschäftigten unter bestimmten Umständen erlauben, sich für die Dauer bestimmter religiöser Riten von der Arbeit zu entfernen.
Solange Österreich die Regelung nicht geändert habe, müssen private Arbeitgeber nun auf Anfrage auch Arbeitnehmern anderer Konfession für Karfreitag einen Feiertag gewähren, folgerten die Luxemburger Richter. Wenn der Arbeitgeber dies verweigere, müsse er auch ihnen den Feiertagszuschlag zahlen.
Frankfurt a.M. (epd). In Dutzenden Ländern werden Leprakranke und auch geheilte Patienten nach Zahlen der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) noch immer per Gesetz stigmatisiert. "Es gibt keine Erkrankung auf der Welt, für die es so viele Gesetze gibt wie für Lepra", erklärte DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm zum Welt-Lepra-Tag am 27. Januar. "Doch sie richten sich gegen die Betroffenen und dienen nicht ihrem Schutz."
Aktuell gebe es in 38 Ländern insgesamt 179 Gesetze, die von Lepra Betroffene diskriminierten. Damit einher gehen laut Hilfswerk Ablehnung und soziale Ausgrenzung. Erkrankte scheuten sich deshalb auch oft, ärztliche Hilfe aufzusuchen oder anzunehmen. Und damit wiederum würden eine frühe Diagnose und Behandlung behindert. Dadurch schließlich steige das Risiko für die typischen Verstümmelungen und eine Übertragung auf Angehörige, warnt die DAHW vor einem Teufelskreis.
In manchen Ländern halte sich der Irrglaube, dass Lepra erblich ist, erklärte das Hilfswerk mit Sitz in Würzburg. In anderen werde angenommen, dass Lepra übertragen werde, wenn man einen Betroffenen auf der Straße überholt. Selbst wenn die Infektion längst bezwungen ist, würden ehemalige Leprakranke oft weiter ausgegrenzt - nicht zuletzt, weil sie aufgrund ihrer Behinderungen erkennbar sind. Das bedeute, dass sie vielfach nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen oder keiner geregelten Arbeit nachgehen könnten. "Wenn wir das Leid der Betroffenen endlich beenden wollen, müssen wir die soziale und strukturelle Diskriminierung beenden", betonte Kömm.
Noch immer werden weltweit mehr als 200.000 Neuerkrankungen pro Jahr erfasst. Für die Übertragung der Bakterien ist laut Experten längerer und enger Kontakt mit einem Leprakranken nötig. Lepra ist heilbar, aber bleibt die Krankheit zu lange unbehandelt, kann sie zu lebenslangen sichtbaren Verstümmelungen und Behinderungen führen. Weltweit leiden rund vier Millionen Menschen unter Behinderungen aufgrund einer früheren Lepra-Erkrankung.
Berlin, Caracas (epd). Venezuelas Regierung hat die Forderung mehrerer EU-Staaten nach baldigen Neuwahlen als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen. "Niemand wird uns Fristen setzen und uns sagen, wann wir zu wählen haben", sagte Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza im UN-Sicherheitsrat, wie die Zeitung "El Universal" am 27. Januar berichtete. Er nannte den Appell von Frankreich, Spanien, Deutschland und Großbritannien "fast kindisch". Die vier EU-Staaten hatten Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro zuvor ein Ultimatum von acht Tagen gesetzt, um Neuwahlen abzuhalten. Ansonsten würden sie Parlamentspräsident Juan Guaidó als Interimsstaatschef anerkennen.
Unterdessen schwindet auch der Rückhalt für Maduro beim Militär. Der Militärattaché an der venezolanischen Botschaft in Washington, Oberst José Luis Silva, sagte sich von Maduro los und versicherte Guaidó seine Unterstützung. "Er ist der einzige rechtmäßige Präsident", sagte Silva dem TV-Sender CNN. Er stehe zu dessen Plan, nach dem die unrechtmäßige Aneignung der Macht beendet und der Übergang zu einer neuen Regierung begonnen werden müsse. Es müsse freie und transparente Wahlen für alle Venezolaner geben.
Guaidó dankte Silva via Twitter für seine Entscheidung und rief alle Militärangehörigen auf, sich in den Dienst der Verfassung zu stellen und dem Willen des venezolanischen Volkes zu folgen. Es ist das erste Mal, dass ein ranghoher Militär dem selbst ernannten Interimspräsidenten seine Unterstützung zusagt. Bislang konnte sich Maduro auf den Rückhalt der Streitkräfte verlassen, die mit zahlreichen Privilegien ausgestattet sind.
Guaidó begrüßte in einer Ansprache vor seinen Anhängern den zunehmenden internationalen Druck auf Maduro und nannte die Fristsetzung der EU-Staaten "sehr positiv". Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte zuvor mit "weiteren Maßnahmen" der Europäischen Union gedroht, sollten in dem südamerikanischen Krisenstaat in den kommenden Tagen keine Neuwahlen ausgerufen werden. "Die EU fordert dringend freie, transparente und glaubwürdige Präsidentschaftswahlen im Einklang mit internationalen demokratischen Standards und der venezolanischen Verfassung", hieß es in einer Erklärung.
Im Streit über die Ausweisung der US-Diplomaten aus Venezuela rückte die Regierung von ihrem am Sonntag auslaufenden 72-Stunden-Ultimatum ab. Stattdessen solle nun über Interessenvertretungen in den jeweiligen Hauptstädten verhandelt werden, teilte das venezolanische Außenministerium mit. Diese könnten konsularische Dienste anbieten. Falls binnen 30 Tagen keine Lösung erreicht werde, würden die US-Diplomaten ausgewiesen. Die USA hatten bereits einen Großteil ihres Personals zurückbeordert, in der Botschaft verblieb lediglich eine Notbesetzung.
Die USA, Kanada und viele lateinamerikanische Länder hatten Oppositionsführer Guaidó als legitimen Staatschef umgehend nach dessen Selbsternennung am 23. Januar anerkannt. Maduro hatte den USA daraufhin vorgeworfen, einen Putsch anzuzetteln und den sofortigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen verfügt.
Trotz Protesten im In- und Ausland hatte sich Maduro Anfang Januar für eine zweite Amtszeit vereidigen lassen, die bis 2025 dauert. Die Wahlen vom 20. Mai 2018 waren nach Überzeugung der internationalen Gemeinschaft nicht demokratisch. Maduro hatte zudem das Parlament entmachtet, in dem die Opposition die Mehrheit stellt.
Berlin, Münster (epd). Menschenrechtler haben die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens in Münster wegen Verbrechen in der früheren deutsch-chilenischen Sektensiedlung Colonia Dignidad kritisiert. Allem Anschein nach habe die Staatsanwaltschaft keine eigenen Ermittlungsschritte unternommen, erklärte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika am 23. Januar in Berlin. Zeugen seien nicht gehört und Menschenrechtsanwälte nicht befragt worden.
Die Staatsanwaltschaft Münster hatte das Verfahren gegen einen heute 72 Jahre alten Mann aus Gronau eingestellt, der in der Siedlung im Süden Chiles gelebt hatte. Ihm wurde vorgeworfen, in den 70er Jahren an der Ermordung von mindestens zwei Gegnern des Pinochet-Regimes beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft erklärte, ein Tatverdacht der Beihilfe zum Mord lasse sich nicht begründen. Beihilfe zu Totschlag wäre nach mehr als 40 Jahren verjährt. Nach Angaben chilenischer Behörden seien keine sterblichen Überreste von Vermissten gefunden worden.
Opfer-Anwältin Petra Isabel Schlagenhauf sprach von einem weiteren Versagen der deutschen Justiz im Umgang mit der Colonia Dignidad. Die Exekution Dutzender Menschen sei durch mehrere Zeugenaussagen belegt. Die Leichen dieser Menschen seien in Massengräbern verscharrt und nach Jahren wieder ausgegraben worden. Zeugen, die zu diesen Vorgängen hätten aussagen können, seien nicht vernommen worden.
Auch die Menschenrechtsorganisation ECCHR, die Anzeige gegen den Mann aus Gronau gestellt hatte, kritisierte, dass die deutsche Justiz keine der vielen benannten Zeugen vernommen hat. Die Folterungen und das Verschwindenlassen von Gegnern der Diktatur in der Siedlung drohe nun endgültig im Verborgenen zu bleiben, erklärte der ECCHR-Jurist Reinhard Schüller in Berlin.
Die von dem inzwischen verstorbenen Deutschen Paul Schäfer 1961 gegründete Colonia Dignidad diente unter der Pinochet-Diktatur (1973-1990) als Folterlager. Aber auch die rund 300 Bewohner erlitten Misshandlungen, mussten Zwangsarbeit leisten, wurden geschlagen und mit Medikamenten ruhiggestellt. Kinder wurden sexuell missbraucht. In Chile wurde die Führungsriege inzwischen zu Haftstrafen verurteilt. Heute heißt die Siedlung Villa Baviera und hat rund 100 Bewohner.
In Deutschland wurde noch kein Täter zur Rechenschaft gezogen. Der in Chile wegen Beihilfe zu Vergewaltigung verurteilte Sekten-Arzt Hartmut Hopp, der sich nach Deutschland abgesetzt hat, muss nicht ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Düsseldorf befand, dass das chilenische Urteil nicht ausreiche, um in Deutschland eine Strafbarkeit zu begründen.
Frankfurt a.M., Kinshasa (epd). Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Kongo 1960 ist ein Machtwechsel friedlich abgelaufen: Der neue Präsident Félix Tshisekedi hat am 24. Januar in der Hauptstadt Kinshasa den Amtseid abgelegt. Der Oppositionspolitiker löst Joseph Kabila ab, der der die Regierung 2001 nach der Ermordung seines Vaters Laurent Kabila übernahm und das Land zunehmend autoritär regierte. Tausende von Tshisekedis Anhängern feierten die Amtseinführung, doch Teile der Opposition wollen das Ergebnis nicht anerkennen.
Kabila überreichte während der Zeremonie das Staatswappen und die Flagge als Symbole der Macht an seinen Nachfolger. Nach dem Umbinden der Schärpe umarmten sich die Rivalen und Tshisekedi erhob seine Hand kurz zu einem Victory-Zeichen. Für den 55-Jährigen ist dies ein besonderer Sieg: Sein Vater Étienne Tshisekedi litt als Oppositionsführer jahrelang unter dem Repressionssystem Kabilas. 2011 trat er gegen Kabila an, unterlag jedoch in einer von Manipulationsvorwürfen geprägten Wahl. Er starb 2017.
Nun ist Félix Tshisekedi Präsident des riesigen zentralafrikanischen Landes. In seiner ersten Rede im Amt äußerte er seine Anerkennung für den Vater und dessen jahrelangem Einsatz für die Demokratie. Die Menge jubelte. Der Kongo stehe vor einer neuen Ära, sagte Tshisekedi weiter. Das Land werde unter seiner Führung nicht von Spaltung und Hass gekennzeichnet sein.
Die Amtseinführung bedeutet das vorläufige Ende eines jahrelangen Streits um das höchste Staatsamt. Kabilas Amtszeit lief offiziell bereits Ende 2016 ab. Da er laut Verfassung nicht erneut antreten durfte, verschleppte er die Wahl immer wieder. Schließlich fand die Abstimmung am 30. Dezember statt, und Kabila schickte seinen Vertrauten und früheren Innenminister Ramazani Shadary ins Rennen, der jedoch abgeschlagen auf den dritten Platz kam. Proteste ließ Kabila mit Gewalt niederschlagen.
Die Wahlkommission erklärte den Oppositionspolitiker Tshisekedi mit 38,5 Prozent der Stimmen zum Sieger, obwohl es starke Zweifel am Verlauf der Abstimmung und dem Ergebnis gab. Unter anderem äußerten die Afrikanische Union und die katholische Kirche Bedenken gegen das offizielle Ergebnis. Der demnach zweitplatzierte Kandidat eines anderen Oppositionsbündnis, Martin Fayulu, lehnte das Resultat ebenfalls ab und klagte erfolglos vor dem Verfassungsgericht. Am Wochenende erklärte er sich selbst zum rechtmäßigen Präsidenten. Fayulu wirft Tshisekedi vor, mit Kabila einen Deal geschlossen zu haben.
Eine wichtige Aufgabe des neuen Präsidenten wird daher sein, die aufgeheizte Stimmung im Land zu beruhigen. Zweifel über die Gültigkeit des Ergebnisses hatten in vielen Städten des Kongo gewaltsame Proteste und Unruhen ausgelöst. Mindestens elf Menschen wurden dabei getötet. Hinzu kommen die große Armut und die weitverbreitete Korruption, die unter der Herrschaft Kabilas selbst für den Kongo gewaltige Ausmaße angenommen hat. Beides waren zentrale Themen in Tshisekedis Wahlkampf.
In mehreren Regionen des Landes herrscht zudem blutige Gewalt, wie im Osten, wo Milizen und die Armee um die Macht und die Kontrolle über die reichen Rohstoffvorkommen kämpfen. Wegen der Unsicherheit und der grassierenden Ebola-Epidemie konnten die Bürger dort nicht an der Wahl des Präsidenten, des Parlaments und der Regionalregierungen teilnehmen. Die Abstimmung soll im März nachgeholt werden. Der Präsident wurde ohne ihre 1,2 Millionen stimmen gewählt.
Frankfurt a.M., Manila (epd). Nach dem verheerenden Bombenanschlag auf eine katholische Kirche im Süden der Philippinen hat die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) die Tat für sich reklamiert. Das meldete die auf Terrorismus-Themen spezialisierte Webseite "Site Intelligence Group" am 27. Januar. Bei zwei Explosionen in und vor der Kathedrale der Stadt Jolo in der Provinz Sulu waren mindestens 20 Menschen getötet und 111 weitere verletzt worden. Anschließend riegelten Sicherheitskräfte die Provinz ab, wie die Onlineausgabe der Zeitung "Philippine Daily Inquirer" berichtete.
Muslimische Extremisten kämpfen in der Region seit Jahrzehnten gegen die Zentralregierung in Manila und für einen eigenen Staat. Zu ihnen gehört auch die Terrorgruppe Abu Sayyaf, die für Entführungen, Enthauptungen und Attentate berüchtigt ist. Zuletzt hatte die Abu Sayyaf ihre Treue zum IS bekundet. Ein Sprecher von Präsident Rodrigo Duterte betonte, die Attentäter würden erbarmungslos verfolgt. Auch Kirchenvertreter verurteilten die Anschläge scharf und äußerten tiefes Entsetzen, darunter Papst Franziskus.
Der Anschlag ereignete sich nur zwei Tage nach Bekanntgabe der Ergebnisse eines Referendums für eine erweiterte Autonomie der Region. Im Zuge der Volksabstimmung vor einer Woche hatte sich eine klare Mehrheit der Befragten auf der vorwiegend von Muslimen bewohnten südphilippinischen Inselgruppe Mindanao für ein Autonomiegesetz ausgesprochen. Die Provinz Sulu gehört allerdings zu denjenigen Gebieten, in denen die Bevölkerung mehrheitlich dagegen votiert hatte.
Das Referendum war Ergebnis eines langwierigen Friedensprozesses zwischen der Regierung und den Rebellen der "Moro Islamischen Befreiungsfront" (MILF), der 2014 in einem Abkommen mündete. Kleinere und radikale Gruppierungen hatten jedoch erklärt, den Friedenspakt nicht anzuerkennen. Im Mai 2017 hatten Mitglieder der Abu Sayyaf sowie einer anderen extremistischen Gruppe, die sich zum IS bekennt, die Stadt Marawi überfallen. Das damals verhängte Kriegsrecht wurde mittlerweile bis Ende dieses Jahres zu verlängert.
Davos, Genf (epd). UN-Generalsekretär António Guterres hat von der Staatengemeinschaft einen härteren Kampf gegen den Klimawandel verlangt. Die Erderwärmung sei das größte Risiko für die Menschheit und die Weltwirtschaft, sagte Guterres am 24. Januar in Davos. Die Welt verliere das Rennen gegen die steigenden Temperaturen. Die Staaten müssten die nötige Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Öl konsequent einleiten und auf erneuerbare Energiequellen setzen, forderte Guterres auf dem Weltwirtschaftsforum. Doch es mangele am nötigen Willen bei den politisch Verantwortlichen, kritisierte Guterres.
Gleichzeitig lobte der UN-Generalsekretär das Resultat der Klima-Konferenz von Kattowitz. In der polnischen Stadt hatten sich im Dezember mehr als 190 Staaten auf ein Regelbuch zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens geeinigt. Kernstück sind Transparenzregeln für die nationalen Klimaschutz-Anstrengungen.
Guterres sagte auf dem Weltwirtschaftsforum weiter, dass der Klimawandel bestehende globale Probleme verschärfe. Als Beispiel nannte er die Staaten der Sahel-Zone in Afrika, die besonders unter der Erderwärmung litten. Die steigenden Temperaturen behinderten dort die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die Sahelzone erstreckt sich über Länder wie Mali, Niger und Sudan.
Ferner kritisierte der UN-Generalsekretär, dass noch immer Zweifel am Klimawandel und seinen verheerenden Folgen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürmen bestünden. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 setzt das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.
Das Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums mit mehr als 3.000 Spitzenvertretern aus Politik und Unternehmen, darunter etwa 60 Staats- und Regierungschefs, dauert noch bis Freitag. Das Thema lautet "Globalisierung 4.0: Im Zeitalter der vierten industriellen Revolution eine neue globale Architektur schaffen". Auf der Agenda stehen Handelsbarrieren, bewaffnete Konflikte, Flüchtlinge und Managementfragen.
Berlin (epd). Als Beitrag zum Klimaschutz soll Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen. Darauf verständigte sich die Kohlekommission der Bundesregierung, die ihren Abschlussbericht am 26. Januar in Berlin vorstellte. Ob auch ein früherer Ausstieg bis 2035 möglich sein könnte, soll nach Vorstellung der Kommission 2032 überprüft werden, sagte der frühere CDU-Politiker Ronald Pofalla, einer der vier Vorsitzenden der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", bei der Präsentation des Berichts. Der Strukturwandel in den betroffenen Regionen soll mit Finanzhilfen in Höhe von 40 Milliarden Euro flankiert werden.
Die Bundesregierung zeigte sich mit den Empfehlungen der Kohlekommission zufrieden. "Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auch die Klimaschutzziele der Bundesregierung für das Jahr 2030 würden erreicht. Altmaier kündigte an, die Bundesregierung werde die Vorschläge "sorgfältig und konstruktiv prüfen".
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte den Kompromiss zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 ebenfalls. "Es ist definitiv eine gute Nachricht, dass die Kommission zum Strukturwandel eine Einigung erzielt hat", sagte er der FAS. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, sie rechne damit, dass der Kohleausstieg keine negativen Auswirkungen auf die Strompreisentwicklung und die Beschäftigung in den betroffenen Regionen haben wird.
Auch die in der Kohlekommission vertretenen Umweltverbände bewerteten die Empfehlungen weitgehend positiv. "Der Einstieg in den Ausstieg ist geschafft", sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert. Der Bericht der Kohlekommission sei ein "mutmachendes Signal" für die Klimaschutzbewegung, sagte der Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger. Zugleich müssten noch weitere "gewaltige Hürden" überwunden werden. Das Ziel, einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 festzuschreiben, sei nicht erreicht worden.
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser erklärte, bis zu fünf Kraftwerksblöcke müssten nun in den kommenden Jahren vom Netz genommen werden. Betroffen sei ausschließlich Westdeutschland. Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme neuer Kraftwerke würden ausgeschlossen und neue Tagebaue verboten.
Die Grünen kritisierten, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, brauche es mehr als der jetzige Kompromiss vorsehe. Der "Einstieg in den Ausstieg" aus der Braunkohle und der Erhalt des Hambacher Waldes seien Verhandlungserfolge der Umweltvertreter in der Kommission, betonten Parteichefin Annalena Baerbock und Fraktionschef Anton Hofreiter gemeinsam. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping kritisierte, die Vorschläge der Kohlekommission trügen "deutlich die Handschrift der Kohle-Lobby".
Doch auch die ostdeutschen Energieunternehmen Leag und Mibrag sehen die Ausstiegspläne kritisch. Sollte das Datum Ende 2038 von der Bundesregierung bestätigt werden, würde dies das bis über das Jahr 2040 hinausreichende eigene Revierkonzept infrage stellen, betonte das Unternehmen Leag in Cottbus. Die Ausstiegspläne seien "ein harter Schlag für die Region", erklärte das in Sachsen und Sachsen-Anhalt aktive Energieunternehmen Mibrag in Zeitz.
Der Energiekonzern RWE kritisierte die Vorschläge der Kohlekommission ebenfalls. Das empfohlene Abschlussdatum sei deutlich zu früh, sagte der Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz in Essen. Zudem kritisierte RWE den Wunsch der Kommission, den Hambacher Forst zu erhalten. Das Unternehmen gehe davon aus, dass die Politik das Gespräch zu diesem Thema suchen werde.
Insgesamt 27 der 28 stimmberechtigten Mitglieder hatten dem mehr als 300 Seiten Abschlussbericht der Kohlekommission zugestimmt. Als einziges Mitglied lehnte nach Angaben der Umweltgruppe Cottbus Hannelore Wodtke von der Gruppe der Lausitzer Tagebaubetroffenen das Dokument ab.
Berlin/Potsdam (epd). Vor der entscheidenden Sitzung der Kohlekommission wächst der Druck auf das Gremium. Vertreter von Kirche, Politik und Wissenschaft richteten am 24. Januar Forderungen an das Gremium, das ein Konzept für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung vorlegen soll. Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission will am 25. Januar in Berlin zusammenkommen, um sich auf einen Abschlussbericht mit Empfehlungen an die Politik zu verständigen.
Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge warnte die Kohlekommission vor falschen Kompromissen. Sollte das Gremium in seinem Abschlusspapier kein klares Ausstiegsszenario nennen, würden die Erwartungen der Kirche und vor allem der Menschen vor Ort nicht erfüllt, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin: "Wir wissen, dass die Unsicherheit für die Menschen katastrophal ist." Die Kirche erwarte deshalb "ein klares Ergebnis im Abschlusspapier der Kommission".
Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach (SPD) forderte den Bund auf, schnell Maßnahmen für den Strukturwandel in den Braunkohleregionen umzusetzen. Ein Maßnahmengesetz zur Umsetzung der Empfehlungen der Kommission müsse "noch vor der Sommerpause in den parlamentarischen Prozess kommen", sagte Steinbach dem epd in Potsdam. Die Menschen vor Ort seien "der Absichtserklärungen müde" und wollten nun "Taten sehen".
Das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung warnte vor einem schnellen Ausstieg aus der Braunkohle und empfahl zugleich Preise für klimaschädliche Emissionen einzuführen.
Umweltpolitisch spreche vieles für einen schnellen Ausstieg, energiepolitisch spreche einiges dagegen, erklärte das Institut am Donnerstag in München. Ein schneller Ausstieg berge erhebliche Risiken für die Energieversorgung und wäre auch "klimapolitisch kurzsichtig", weil dann moderne Braunkohle-Kraftwerke in Ostdeutschland abgeschaltet würden und die Versorgung stattdessen über veraltete Anlagen in Polen oder Tschechien gesichert werden müsse.
Der Ausstieg aus der Braunkohle sei "nur für die Lausitz ein größeres Problem", weil in den anderen deutschen Revieren "in zumutbarer Entfernung leistungsfähige Städte mit ausreichend Ersatz-Arbeitsplätzen" zur Verfügung stünden, hieß es beim ifo-Institut. Ein Sonderprogramm für die Lausitz wäre deshalb "sicherlich sinnvoll".
Mit Unterstützung durch Bundesmittel könnten in der Lausitz gut bezahlte neue Arbeitsplätze entstehen, sagte Steinbach dem epd: "Wir warten sehnsüchtig sowohl auf das Sofortmaßnahmenpaket als auch auf das zu schaffende Gesetz, damit diese Mittel des Bundes dann auch regelmäßig und rechtsverbindlich fließen." Etwa 45 Prozent der Bundesmittel für den Braunkohleausstieg seien für den brandenburgischen Teil der Lausitz vorgesehen.
Der Lausitz müssten für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung "sehr klare und verbindliche Zusagen gemacht werden", sagte Bischof Dröge. Nötig seien Sozialpläne für die in der Kohle Beschäftigten, der Ausbau der Infrastruktur, die Unterstützung von Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie die Ansiedlung von Bundesbehörden.
"Wir fänden es gut, wenn ein Lausitz-Fonds aufgelegt wird, damit auch die Zivilgesellschaft unterstützt wird, aktiv zu werden", betonte Dröge. Brandenburgs Wirtschaftsminister begrüßte den Vorschlag. "Ich fände so etwas gut", sagte Steinbach: "Das kann ein ergänzendes Element der Strukturentwicklung sein", so der Wirtschaftsminister.
Berlin (epd). Mehrere Tausend Schüler haben am 25. Januar in Berlin für mehr Klimaschutz demonstriert. Sie versammelten sich auf einem Platz vor dem Bundeswirtschaftsministerium, wo zeitgleich die Kohlekommission zu ihrer möglicherweise abschließenden Sitzung zusammengekommen war. Anschließend zog die Schülerdemonstration zum Bundeskanzleramt. Beobachter sprachen von rund 5.000 Teilnehmern. Die Aktion ist Teil der internationalen Bewegung "Fridays For Future" - "Freitage für die Zukunft".
Die Proteste gehen auf die junge schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zurück, die jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament in Stockholm für eine bessere Klimapolitik demonstriert anstatt zur Schule zu gehen. Bereits vor Wochenfrist beteiligten sich den Organisatoren zufolge in Deutschland mehr als 25.000 Schüler an Protest-Aktionen. Bei dem Berliner Schülerstreik für das Klima war auf Plakaten unter anderem zu lesen: "Werte sind gut, Taten sind besser", "Geld kann man nicht essen", "Kohlestopp sonst Klimaflop" und "System Change, not Climate Change".
Berlin, Frankfurt a.M. (epd). Woche für Woche inspiriert die schwedische Schülerin und Klimaaktivistin Greta Thunberg andere junge Menschen, sich für mehr Klimaschutz einzusetzen. Drei Wochen lang bestreikte sie ab dem 20. August 2018 ihre Schule, inzwischen demonstriert die 16-Jährige immer freitags vor dem schwedischen Reichstagsgebäude in Stockholm.
Über die Zeit haben sich Thunbergs Protest zahlreiche Schülerinnen und Schüler unter anderem in Belgien, Frankreich, Finnland, Dänemark und Deutschland angeschlossen: "Fridays for Future" heißt die Bewegung, die nach eigenen Angaben allein in Deutschland 100 Ortsgruppen hat.
Thunberg erlangte durch ihren Einsatz für den Klimaschutz internationale Bekanntheit: Das US-amerikanische "Time Magazine" wählte sie zu einem der einflussreichsten Teenager 2018. Auf Twitter hat die junge Frau mit Asperger-Syndrom knapp 100.000 Follower, ihren Instagram-Account haben über 140.000 Menschen abonniert.
Im Alltag versucht Thunberg, so umweltschonend wie möglich zu leben. So isst sie zum Beispiel vegan und fliegt nicht. Zur UN-Klimakonferenz in Kattowitz, wo sie eine Rede im Plenarsaal des Gipfels hielt, fuhr sie mit einem Elektroauto. Für ihre Rede beim Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums reiste sie mit dem Zug ins schweizerische Davos - über 30 Stunden lang.
Halle (epd). Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hat sich gegen die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Demonstrationen während der Schulzeit ausgesprochen. "Heute ist es der Klimaschutz, morgen die Angst vor dem Wolf, übermorgen der Weltfrieden. Wir werden immer Anlässe finden, wo man sich politisch artikuliert. Schulpflicht sei Schulpflicht und sollte auch eingehalten werden", sagte Tullner dem Nachrichtenradio "MDR Aktuell" am 25. Januar in Halle.
Tullner sagte weiter: "Wir wollen unsere Schüler und Schülerinnen zu selbstbewussten, politisch gebildeten Menschen befähigen." Demonstrationen sollten aber auf den Nachmittag gelegt werden. Da sei genug Zeit. Ob Schüler dafür sanktioniert werden, dass sie für den Klimaschutz demonstrieren anstatt zum Unterricht zu gehen, liege in der Hand der Schulen, so der Minister.
Hintergrund ist eine Demonstration in Berlin für mehr Klimaschutz, an der sich am 25. Januar mehrere Tausend Schüler beteiligten, darunter auch Schüler aus Sachsen-Anhalt. Wie viele Schüler sich insgesamt aus dem Bundesland daran beteiligten war dem Bildungsministerium in Magdeburg zunächst nicht bekannt. Die Schulen seien zuvor aber auf die Schulpflicht hingewiesen worden, hieß es.
Die Demonstranten versammelten sich am Freitag auf einem Platz vor dem Bundeswirtschaftsministerium, wo zeitgleich die Kohlekommission zu ihrer möglicherweise abschließenden Sitzung zusammengekommen ist. Die Aktion ist Teil der internationalen Bewegung "Fridays For Future" - "Freitage für die Zukunft".
Die Proteste gehen auf die junge schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zurück, die jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament in Stockholm für eine bessere Klimapolitik demonstriert anstatt zur Schule zu gehen. Bereits am vergangenen Freitag beteiligten sich den Organisatoren zufolge in Deutschland mehr als 25.000 Schüler an Protest-Aktionen.
Potsdam (epd). In der Debatte über den Braunkohleausstieg erwartet Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach (SPD) nach dem Abschlussbericht der Kohlekommission schnelle Maßnahmen durch den Bund. Ein Maßnahmengesetz zur Umsetzung der Empfehlungen der Kommission müsse "noch vor der Sommerpause in den parlamentarischen Prozess kommen", sagte Steinbach dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Potsdam. Die Kohlekommission will am Freitag zur entscheidenden Sitzung für einen Abschlussbericht mit Empfehlungen zum Braunkohleausstieg zusammenkommen.
"Die Menschen sind der Absichtserklärungen müde geworden", sagte Steinbach: "Sie wollen Taten sehen." Dies setze jedoch voraus, dass die gesetzlichen Grundlagen dafür "so schnell wie möglich geschaffen" werden. "Das ist der Schlüsselprozess", betonte der Minister, der vor seinem Regierungsamt Präsident der Technischen Universität Berlin (TU) und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) war.
Mit Unterstützung durch Bundesmittel könnten in der Lausitz gut bezahlte neue Arbeitsplätze unter anderem im Maschinenbau, der Elektrotechnik, der chemischen und pharmazeutischen Industrie entstehen, sagte Steinbach. Der Investitionsbedarf für konkrete Projekt werde derzeit ermittelt, betonte der Minister: "Und wir warten sehnsüchtig sowohl auf das Sofortmaßnahmenpaket als auch auf das zu schaffende Gesetz, damit diese Mittel des Bundes dann auch regelmäßig und rechtsverbindlich fließen."
Etwa 45 Prozent der Bundesmittel für den Braunkohleausstieg seien für den brandenburgischen Teil der Lausitz vorgesehen, sagte Steinbach. Neben dem Sofortprogramm von 150 Millionen Euro, das ab April umgesetzt werden solle, müssten dann mit der neuen Haushaltsaufstellung für 2020 "vom Bund die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit es ohne zeitlichen Bruch weitergehen kann".
In der Lausitz seien inzwischen für zwei große Projekte Machbarkeitsstudien auf den Weg gebracht worden, sagte Steinbach. Dabei gehe es zum einen um Digitalisierung und das sogenannte Internet der Dinge und zum anderen um den Erhalt der Lausitz als Energieregion. In den Bundeshaushalt für 2019 seien bereits zwei zusätzliche Forschungsinstitute in Cottbus aufgenommen worden.
Das Bundesumweltministerium habe zudem zugesagt, dass ein Bundeskompetenzzentrum für die Behandlung von Problemen energieintensiver Industrien nach Cottbus kommen werde. Dafür seien im Bundeshaushalt zwei Millionen Euro veranschlagt, sagte Steinbach: "Das ist dann der Grundstein für die erste neue Bundesinstitution in der Lausitz."
Der Wirtschaftsminister begrüßte zugleich Vorschläge aus kirchlichen und anderen Kreisen zur Einrichtung eines Fonds zur Beteiligung der Zivilgesellschaft an Zukunftskonzeptionen für die Lausitz. "Ich fände so etwas gut", sagte Steinbach: "Das kann ein ergänzendes Element der Strukturentwicklung sein."
Dessau-Roßlau (epd). Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind 2017 geringfügig gesunken. Insgesamt seien 906,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen worden, teilte das Umweltbundesamt (UBA) am 21. Januar in Dessau-Roßlau mit. Das sind 4,4 Millionen Tonnen beziehungsweise 0,5 Prozent weniger als 2016 und 27,5 Prozent weniger im Vergleich mit 1990. Diese Ergebnisse habe die Behörde jetzt an die Europäische Kommission übermittelt.
UBA-Präsidentin Maria Krautzberger wies darauf hin, dass bis 2030 die Emissionen gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden müssten, bis 2040 um 70 Prozent. "Aber vor allem der Verkehrssektor bewegt sich weiterhin in die falsche Richtung. Die Emissionen sind erneut gestiegen und liegen nun schon zwei Prozent über den Emissionen des Jahres 1990. Immer mehr Fahrzeuge, immer mehr Güter auf der Straße und immer größere und schwerere Autos führen natürlich auch zu steigenden Emissionen." Hier müsse endlich etwas passieren, so Krautzberger.
Insgesamt emittierte der Verkehrssektor 2017 den Angaben zufolge fast 168 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Den größten Anteil daran habe mit über 96 Prozent der Straßenverkehr, dessen Emissionen 2017 um 2,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente anstiegen. Die deutlichsten Minderungen erreichte mit 19,5 Millionen Tonnen die Energiewirtschaft. Die Emissionen sanken, unter anderem durch den verringerten Einsatz von Steinkohle, infolge gestiegener Nutzung erneuerbarer Energieträger, auf 313 Millionen Tonnen. In der Landwirtschaft sanken die Treibhausgasemissionen leicht auf 66 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.
Mit 88 Prozent dominierte laut Umweltbundesamt auch 2017 Kohlendioxid (CO2) die Treibhausgasemissionen, größtenteils aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Die übrigen Emissionen verteilen sich auf Methan (CH4) mit 6,1 Prozent und Lachgas (N2O) mit 4,2 Prozent. Eine Prognose für die Treibhausgasemissionen 2018 soll im März 2019 vorgelegt werden.
Köln (epd). In Nordrhein-Westfalen droht rund zwei Drittel der noch laufenden Braunkohlekraftwerke bis 2030 die Abschaltung. Das sei der aktuelle Diskussionsstand in der sogenannten Kohlekommission des Bundes, berichtete der WDR am 24. Januar. Danach wären nur noch drei relativ moderne Kraftwerke in Betrieb. Die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" will am Freitag zur entscheidenden Sitzung in Berlin für einen Abschlussbericht mit Empfehlungen zum Braunkohleausstieg zusammenkommen.
Von den jetzt noch rund zehn Gigawatt Braunkohle-Kraftwerksleistung im Rheinischen Revier würden dem Sender zufolge bis 2030 rund sieben Gigawatt vom Netz gehen. Auch deutschlandweit sollen die Zahlen deutlich verringert werden: Stein- und Braunkohlekraftwerke hätten zurzeit eine Gesamtleistung von 46 Gigawatt. Bis 2030 sollen den Plänen nach davon nur noch 18 Gigawatt übrig bleiben.
Der vorzeitige Ausstieg aus der Kohleverstromung werde durch wegfallende Arbeitsplätze, Löhne oder Steuern Kosten von bundesweit 62 Milliarden Euro verursachen, berichtete der WDR unter Berufung auf eine Studie zum Wertschöpfungsverlust des Essener RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Diese Zahl spiegle sich auch in den Forderung der Kohleländer nach Strukturhilfen des Bundes wider.
Erfurt (epd). In Thüringen sind im vergangenen Jahr 552 E-Autos für den Verkehr zugelassen worden - das ist eins von 125 zugelassenen Fahrzeugen. Mit 0,8 Prozent liege das Land bei den rein batteriebetriebenen Fahrzeugen damit im Bundesdurchschnitt, teilte das Umweltministerium in Erfurt am 21. Januar mit. Unter den insgesamt 66.913 Neuzulassungen waren 1.848 Hybrid-Fahrzeuge - ein Anteil von 2,8 Prozent.
Auf eine Ladesäule kämen inzwischen in Thüringen statistisch 5,1 rein batteriebetriebene Fahrzeuge. Neben den bis Jahresende öffentlich geförderten 250 Stationen der Energieversorger seien in Hotels, Parkhäusern oder Autowerkstätten etwa weitere 150 Stationen am Netz. Seit Start der Ausbauoffensive zu Jahresbeginn 2017 entstanden nach Angaben des Ministeriums damit 210 neue Ladesäulen. Vor zwei Jahren habe es dagegen lediglich 40 öffentliche Angebote zum Stromtanken gegeben.
"Das Interesse an E-Autos ist deutlich gestiegen", sagte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne). Eine bundesweit einmalige Kooperation von 32 Thüringer Energieversorgern will in den kommenden zwei Jahren ein flächendeckendes Ladenetz für Thüringen aufbauen. Der Verbund habe sich dabei bereits auf ein gemeinsames Zugangs- und Bezahlsystem verständigt. Für E-Fahrer bedeute das: Einmal anmelden und überall aufladen, hieß es aus dem Umweltministerium.
Das Ministerium sieht das Klima als großen Gewinner der Investitionen. Bei einem Bestand von 8.200 Fahrzeugen im Jahr 2020 könnten bei einer Kilometerlaufleistung von rund 13.000 Kilometern über 16.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden, errechnete die Landesbehörde.
Freiberg/Dresden (epd). Der etwa 40 Zentimeter große Kriegsgott wird vom 24. Januar an zunächst im mittelsächsischen Freiberg präsentiert. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte am 23. Januar bei der feierlichen Übergabe im Bergbaumuseum der Stadt: "Es ist ein großartiger Erfolg, dass es uns mit beherztem Eingreifen gemeinsam gelungen ist, diese wertvolle Kleinbronze an ihren Bestimmungsort nach Sachsen zurückzuholen."
Die Figur sollte 2018 vom Londoner Auktionshaus Sotheby's versteigert werden. Das hatte Proteste in der Kunstwelt ausgelöst. Der Bund, das Land Sachsen und mehrere Stifter erwarben das Kunstwerk für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart. Es soll sich um einen Millionenbetrag handeln.
Das überwältigende gemeinschaftliche Engagement sei ein klares Bekenntnis zur Kultur und Ausdruck eines schlagkräftigen "kooperativen Föderalismus" in Deutschland, sagte Grütters. Der "Mars" stammt aus dem ältesten Bestand des Dresdner Sammlungen und gelangte 1587 als persönliches Geschenk von Giambologna an Kurfürst Christian I. von Sachsen in die Elbestadt. Nach Stationen in zwei weiteren sächsischen Städten wird die Figur in Dresden wieder dauerhaft zu sehen sein.
Die Statuette war 1924 im Zuge der Fürstenabfindungen nach der Novemberrevolution über die Herrscherfamilie der Wettiner in den Kunsthandel gelangt. Sie kam zunächst in Privatbesitz und wurde 1983 schließlich der Bayer AG geschenkt. Für den Ankauf 2018 hatte Grütters aus ihrem Etat kurzfristig eine Million Euro bereitgestellt.
Leipzig (epd). Auf einer Blüte sitzen und eine 25 Meter große Biene beobachten, wie sie eine extrem vergrößerte Kamillenblüte bestäubt und Nektar sammelt - seit 26. Januar sehen die Besucher in Leipzigs Panometer die Natur aus der Perspektive eines Insekts. Das 360-Grad-Panorama "Carolas Garten - Eine Rückkehr ins Paradies" zeigt die Schönheit der Flora und Fauna als das Himmelreich auf Erden.
Mit diesem wundervollen Mikrokosmos auf 3.500 Quadratmetern Leinwand thematisiert Yadegar Asisi zugleich die großen Fragen des Lebens: Wer sind wir und woher kommen wir? Welche Dinge sind wirklich wichtig im Leben eines Menschen?
Für den in Sachsen aufgewachsenen und in Berlin lebenden Künstler ist die überwältigende Schönheit der Erde seit Jahren ein wichtiges Thema und Anliegen: "Dabei liegt die Genialität zumeist im Banalen, im Selbstverständlichen, wie eben in einem Kleingarten."
Gewaltige Blütenblätter und riesige Staubgefäße, ein vergessener Turnschuh und eine Katze die auf der Lauer liegt. Wie durch eine riesige Lupe eröffnet sich die normalerweise vertraute Umgebung eines Gartens auf ungewöhnliche Weise. Der Betrachter befindet sich inmitten der hundertfach vergrößerten Welt, ist von ihr umgeben und ein Teil von ihr. Die einzigartige Vielfalt des Lebens erscheint so in einem anderen Licht. Unterstützt wird die Illusion von einer passenden Geräuschkulisse: Es summt, brummt und zwitschert. War das ein leiser Donner? Kündigt sich ein Gewitter an?
Mensch und Natur, Werden und Vergehen, Farbe und Licht - all das sind Aspekte der Ausstellung, zu der neben dem Rundgemälde außerdem noch etwa 100 Arbeiten, Aquarelle, Zeichnungen, Acrylmalerei, Fotografien sowie ein zwölfminütiger Film gehören.
Für das Projekt stand der Garten Pate, der der ehemaligen Asisi-Mitarbeiterin Carola gehörte, die 2015 gestorben ist. "Sie war eine Gärtnerin - in jeder Hinsicht. Hegend, kümmernd, voller Achtsamkeit. In ihrem Garten ebenso wie im Panometer", erinnert sich Asisi. Mithilfe seines Teams hat er sich in den vergangenen drei Jahren Carolas "Energiepool" erschlossen. Dabei kamen für ihn erstmals völlig neue Techniken wie Nano- und Makrofotografie sowie die Arbeit mit einem Raster-Elektronenmikroskop zum Einsatz.
In der künstlerischen Umsetzung hat Asisi die Szenerie stark verdichtet: Er stellt Elemente nebeneinander, die in der Natur nicht zeitgleich auftreten würden. So thematisiert das Panorama zum Beispiel alle vier Jahreszeiten. Doch die Elemente sind so selbstverständlich miteinander verbunden, dass der Bildfluss auf dem 110 Meter langen und 32 Meter hohen Rundbild völlig natürlich erscheint.
Alles im grünen Bereich? "Nicht am Anfang des Projekts", verrät der 63-Jährige. "Der Besuch in Carolas Garten hat viele Fragen aufgeworfen und mich zutiefst berührt. Ich wollte verstehen, was sie daran so geliebt hat", erzählt er weiter. "Heute weiß ich: Der Garten ist die deutlichste Allegorie für die menschliche Seele. Es ist die tröstlichste Metapher für das menschliche Werden, Wachsen und Vergehen. Das hat sie mir beigebracht."
Berlin/Leipzig (epd). Der Berliner Staats- und Domchor will ein reiner Knabenchor bleiben. "Es gab bisher die Bewerbung eines Mädchens, das nicht aufgenommen werden konnte, weil der Staats- und Domchor gemäß Satzung ein Knaben- und Männerchor ist", sagte eine Sprecherin der Universität der Künste dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Mutter des Mädchens stelle diese Entscheidung infrage, eine juristische Klage liege allerdings nicht vor. Die Berliner Rechtsanwältin Susann Bräcklein, die sich in dem Fall engagiert, hält den Ausschluss von Mädchen aus Knabenchören für diskriminierend.
Bräcklein sieht in der Nichtzulassung von Mädchen in staatlich geförderten Knabenchören einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Das Argument, dass sich der anatomische Unterschied auf die Stimme auswirke, lässt die Juristin nicht gelten. Er sei zwar hörbar, aber nur "subtil", erklärte sie Ende Dezember in Interviews. Rechtlich spiele er keine Rolle.
Marie-Therese Schulte von der Universität der Künste sagte, der Satzung entsprechend sei die künstlerische Arbeit des Staats- und Domchors auf die Entwicklung und Förderung von Knabenstimmen ausgerichtet. Diese Ausbildung unterscheide sich in entwicklungspsychologischer wie auch physiologischer Hinsicht von der künstlerischen Ausbildung von Mädchenstimmen. Mädchen erführen in der Berliner Sing-Akademie, mit der der Knabenchor eng zusammenarbeite, eine ebenso professionelle Ausbildung. Der Professor für Chorleitung und Dirigent des Staats- und Domchors, Kai-Uwe Jirka, ist zugleich künstlerischer Leiter der Sing-Akademie. Dort gibt es auch einen renommierten Mädchenchor.
Auch andere Knabenchöre sehen in der Nichtaufnahme von Mädchen keine Benachteiligung. Beim Leipziger Thomanerchor hätten bislang keine Mädchen wegen einer Aufnahme angefragt, sagte Geschäftsführer Stefan Altner dem epd, dies habe es in den vergangenen 25 Jahren noch nie gegeben. Gegen Mädchen bei den Thomanern sprächen sowohl die Satzung, die Teil der Rechtsgrundlagen sei, als auch künstlerische Gründe. Darin sei keine Diskriminierung zu sehen, betonte Altner. In der angegliederten Thomasschule könnten Mädchen an der speziellen musischen Ausbildung ("Thomanerklassen") auch im chorischen Singen teilnehmen. Sie träten auch mit den Thomanern gemeinsam in Konzerten auf.
In der Satzung des 1212 gegründeten Thomanerchors, den schon Johann Sebastian Bach leitete, ist laut Altner festgehalten, dass in dem Chor Knaben und junge Männer singen. "Den Aspekt der Gender-Gerechtigkeit verstehe ich", sagte Altner. Doch sei das Singen im Thomanerchor nicht nur unter diesem Aspekt zu sehen. Es gehe um Klang: Ebenso wenig wie im Orchester Streicher durch Klarinetten ersetzt werden könnten, könnten Mädchen Jungenstimmen ersetzen.
Außerdem sei auch das soziale Miteinander, die Gemeinschaft beim Singen zu berücksichtigen, so Altner. Die Jungen, die etwa mit zehn Jahren als Sopran oder Alt in den Chor einträten, würden im Stimmbruch kurz aussetzen und dann bis zum Schulabschluss mit etwa 19 als Tenor oder Bass weitersingen. Dagegen würden die Mädchen, später junge Frauen, immer mit den kleinen Jungen zusammen im Sopran und Alt singen, gibt Altner zu bedenken.
Bei der Förderung der Thomaner handle es sich auch nicht um eine "Excellenz-Ausbildung", wie Susann Bräcklein meine, fügte er hinzu. Es könne kein Abschluss-Zertifikat erworben werden, das zu irgendeiner Laufbahn berechtige.
Insgesamt ist die Nachfrage von Mädchen, die in den traditionellen Knabenchören mitsingen wollen, derzeit offenbar gering. Beim Dresdner Kreuzchor gebe es "vereinzelt" Anfragen, insbesondere wenn das Thema in den Medien aufgegriffen worden sei, erklärte eine Sprecherin. Sie würden nach Gesprächen mit den Eltern aber nicht weiterverfolgt. Mädchen würden an hervorragende Kinder- und Mädchenchöre weiterverwiesen. Zuletzt hatte die "Piraten"-Partei in Dresden die Forderung nach einem Kreuzchor für Mädchen erhoben.
Beim Windsbacher Knabenchor und den Regensburger Domspatzen liegen einer epd-Umfrage zufolge keine Anfragen vor. Bei den Windsbachern hatten in den 50er und 60er Jahren insgesamt vier Mädchen zeitweise mitgesungen, wie eine Sprecherin sagte. An eine grundsätzliche Öffnung habe man jedoch nie gedacht. Auch sei 2007 der Versuch gescheitert, neben dem Knabenchor einen Mädchenchor zu etablieren. Im Internat hätten sich damals zu wenige Mädchen angemeldet und damit seien zu wenige bereit gewesen, sich auf die für den Knabenchor geschaffenen Bedingungen einzulassen.
Dresden/Radibor (epd). Sorbische Kinder haben am 25. Januar in der Dresdner Staatskanzlei die traditionelle Vogelhochzeit zelebriert. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) empfing dazu knapp 20 Mädchen und Jungen aus dem sorbisch-katholisch geprägten Radibor im Landkreis Bautzen. "Dieser Brauch gehört genauso zu unserer Heimat Sachsen wie die Sorben, ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Geschichte", twitterte Kretschmer nach dem Besuch.
Mit Tanz und Gesang stellten die Kinder in typisch sorbischer Hochzeitstracht die Vermählung von Sroka (Elster) und Hawron (Rabe) dar. Die Gäste kamen aus dem katholischen sorbischen Kinderhaus in Radibor (Landkreis Bautzen).
Der sorbische Brauch "Ptaci kwas" (zu deutsch: Vogelhochzeit), der in der Lausitz jedes Jahr am 25. Januar gefeiert wird, geht auf eine Sage zurück. Sie erzählt von der Vermählung von Elster und Rabe.
Am Vorabend des Festes werden traditionell leere Teller auf die Fensterbretter und ins Freie gestellt, früher sogar in den Schornstein. Am anderen Morgen erwarten die Kinder dann Süßigkeiten sowie Gebäck in Vogel- und Nestform darauf. Damit bedanken sich die Vögel der Sage nach für die Fütterung im Winter. Der Brauch wird vor allem in den katholischen Dörfern um Bautzen und Hoyerswerda gepflegt.
Mädchen und Jungen feiern in den Kindergärten und Schulen in traditioneller sorbischer Hochzeitstracht. Nachgestellt werden auch die Hochzeitsgäste, mit denen sich das Vogelbrautpaar zum Festumzug vereint. Zum Teil ziehen die Hochzeitsgesellschaften in den sorbisch-katholischen Orten durch die Straßen.
Leipzig (epd). Mit einer Festveranstaltung in der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" ist in Leipzig das Festjahr zum 200. Geburtstag der Komponistin Clara Schumann (1819-1896) eingeläutet worden. Zur Eröffnung gestaltete die Hochschule am 26. Januar mit dem Institut für Kunstpädagogik der Leipziger Universität einen Konzert-Performance-Abend. Nach einer Begrüßung durch Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) standen auf vier thematischen Routen im gesamten Hochschulgebäude Lieder, Klavier- und Kammermusikwerke, Performances, Texte und Installationen auf dem Programm.
Die Festveranstaltung stand unter dem Titel "Schumann - Ausstellung / Konzert / Performance". Dies sei ein Statement, so die Hochschule: "Nicht vertraulich-verniedlichend bei ihrem Vornamen soll sie genannt werden, sondern so, wie es großen Künstlerinnen und Künstlerin gebührt." Mit Clara Schumann sei das interdisziplinäre Eröffnungsprojekt einer Künstlerin gewidmet, "die Generationen von Frauen in ihrem Schaffen und Selbstverständnis ermutigt und inspiriert hat".
Insgesamt stehen in Leipzig während des Festjahres unter dem Motto "Clara19" rund 170 Konzerte, Ausstellungen, Theaterstücke und weitere Events auf dem Programm. Damit steht laut Jennicke erstmals eine weibliche Person im Mittelpunkt eines kompletten Jubiläumsjahres.
Höhepunkt des Programms seien die Schumann-Festwochen im September, hieß es. Viele Kulturinstitutionen der Stadt beteiligen sich an der Gestaltung des Festjahres, darunter das Gewandhaus, das Mendelssohnhaus, die Grieg-Begegnungsstätte, das Bachmuseum, der MDR-Rundfunkchor sowie diverse Akteure der freien Szene.
Clara Schumann wurde am 13. September 1819 als Clara Wieck in Leipzig geboren, wo sie auch ihre ersten 25 Lebensjahre verbrachte. Später wurde sie die Ehefrau des ebenfalls in Sachsen wirkenden Komponisten Robert Schumann (1810-1856). Das Paar lebte etwa vier Jahre lang zusammen im Schumann-Haus östlich des Leipziger Stadtzentrums, dessen Dauerausstellung anlässlich des Jubiläums neu gestaltet wird. Clara Schumann starb am 20. Mai 1896 in Frankfurt am Main.
Potsdam (epd). Das Literatur-Festival "LIT:potsdam" lädt Mitte Mai zum siebten Mal zu Kulturveranstaltungen, Lesungen und Diskussionen in Brandenburgs Landeshauptstadt ein. Unter dem Motto "Starke Worte, schöne Orte" stünden vom 14. bis 19. Mai an geschichtsträchtigen Orten Potsdams, am Wasser, in Parks und auf den Bühnen der Stadt Veranstaltungen unter anderem mit Karen Duve, Robert Habeck, Nino Haratischwili, Alexa Henning von Lange, Eva Menasse, Robert Menasse und Christoph Ransmayr auf dem Programm, teilten die Veranstalter am 21. Januar in Potsdam mit.
Als "Writer in Residence" wird den Angaben zufolge der österreichische Autor Robert Menasse in Potsdam erwartet. Der Schriftsteller und kulturkritische Essayist habe sechs Jahre an der Universität Sao Paulo gelehrt und lebe seit seiner Rückkehr aus Brasilien 1988 als freier Literat in Wien, hieß es. Menasses Werke wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt, zentrale Themen darin seien der politische Zustand Europas, die Idee der Europäischen Union als Einigungsprojekt und die Überwindung nationalstaatlichen Denkens. Der Schriftsteller stand zuletzt in der Kritik, weil er angebliche Zitate des Europapolitikers Walter Hallstein frei erfunden hatte.
Weitere Höhepunkte der Literaturtage "LIT:potsdam" 2019 seien ein Büchermarkt unter freiem Himmel im Kulturquartier Schiffbauergasse mit Lesebühne an der Havel sowie das von Kinderbuchautor Martin Klein entworfene Kinder- und Jugendprogramm. Außerdem stehe erneut das Theaterautoren-Treffen "Next Stage Europe" auf dem Programm.
Dresden (epd). Der sogenannte Kleine Ballsaal im Dresdner Schloss erstrahlt in neuem Glanz. Der mit viel Gold ausgestattete Prestigesaal sei in den vergangenen Jahren für rund 6,1 Millionen Euro originalgetreu wiederhergestellt worden, teilte das sächsische Finanzministerium am 25. Januar in Dresden mit. Für die Vergoldung des Galeriegeländers und der Decke seien rund 78.000 Blatt Gold verarbeitet worden.
Dies entspreche einem Gewicht von 1.400 Gramm und einer vergoldeten Fläche von etwa 410 Quadratmetern, hieß es. Für die Leuchten seien fast 8.000 Kristallteile, darunter 86 Originale, verbaut worden. Der im 19. Jahrhundert entstandene Saal wurde am Hof für Gesellschaften und Kammerbälle genutzt. Die Bauplanungen zur Wiederherstellung des kriegszerstörten Raumes hatten 2007 begonnen. Im Jahr 2014 wurde der Bauauftrag erteilt.
Insgesamt wurden bisher für den Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses seit 1990 rund 341 Millionen Euro investiert. Die Arbeiten am Schloss dauern an.
Die Übergabe des Ballsaals an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) als Nutzer sei "ein weiterer bedeutender Meilenstein auf dem Weg zur Vollendung des Dresdner Residenzschlosses", betonte SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann. Insbesondere die vereinte Expertise vieler sächsischer Unternehmen habe dazu beigetragen, "dass spezielle Handwerkstechniken wieder erfunden und längst in Vergessenheit geratene Fertigkeiten neu entwickelt werden konnten".
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte das Dresdner Residenzschloss bei der Übergabe einen der bedeutendsten Museumskomplexe in Europa. Mit der Fertigstellung des Ballsaals sei "ein spannender Teil des Schlosses und somit sächsischer Geschichte wiederhergestellt", sagte Kretschmer.
Der Kleine Ballsaal wurde durch Hofbaumeister Bernhard Krüger (1821-1881), einem Schüler des damaligen sächsischen Hofarchitekten Gottfried Semper, im Auftrag von König Johann von Sachsen konzipiert und zwischen 1865 und 1868 ausgestaltet. Er gilt als wichtiges Zeugnis des Historismus und des Semperschen Architekturverständnisses. Im Jahr 1997 hatte die sächsische Landesregierung beschlossen, den Kleinen Ballsaal als "historisch lokalisierten Raum" zu rekonstruieren.
Die unter der Regie des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) realisierte Baumaßnahme wurde den Angaben zufolge eng vom Landesamt für Denkmalpflege begleitet. Der Wiederaufbau des Dresdner Schlosses wird aus Bundesmitteln mitfinanziert.
Leipzig (epd). Das Leipziger Grassimuseum für Angewandte Kunst hat im vergangenen Jahr 2.568 neue Objekte erworben. Die große Mehrzahl davon waren Schenkungen, hinzu kamen 131 Ankäufe, wie das Museum am 22. Januar mitteilte. Es handele sich um die umfangreichste Erweiterung der Sammlungen seit der Wiedereröffnung des Hauses vor zwölf Jahren, hieß es. 66 der neuen Objekte seien bereits in die Dauerausstellung des Museums integriert worden.
Bei den Besuchern musste das Museum im Vergleich zu 2017 dagegen einen Rückgang um knapp 6.000 auf rund 73.700 verzeichnen. Damit habe die Zahl aber dennoch über denjenigen der Jahre 2014 bis 2016 gelegen, hieß es. Ein Grund für den Rückgang sei das Fehlen von Großveranstaltungen wie eines Kirchentags oder des nur alle zwei Jahre veranstalteten Tags der offenen Tür gewesen, sagte Museumsdirektor Olaf Thormann und erklärte: "Es kann nicht in jedem Jahr schneller, höher, weiter gehen."
Ein Plus um rund 500 Besucher im Vergleich zu 2017 verzeichnete den Angaben zufolge die letztjährige Grassimesse. An den drei Veranstaltungstagen Ende Oktober kamen etwa 10.500 Gäste. Auch die Museumsnacht Halle/Leipzig und der traditionelle Keramikmarkt im Museumshof seien wieder gut besucht worden.
Die etwa 700 Veranstaltungen im Grassi, darunter Schul- und Kitabesuche, Workshops und Führungen, besuchten demnach rund 22.000 Menschen. Auch die erweiterten Programme für Kitas und Schulen hätten sich ausgezahlt, hieß es weiter. Fast jeder fünfte Besucher sei jünger als 18 gewesen.
Einer der Schwerpunkte des laufenden Jahres wird den Angaben zufolge eine Sonderausstellung zum 100-jährigen Jubiläum der Kunst- und Designschule Bauhaus sein. Unter dem Titel "Bauhaus Sachsen" wird sie vom 18. April bis zum 27. Oktober zu sehen sein und vor allem der Frage nach den Spuren der Kunstschule im Freistaat nachgehen. "Es ist erstaunlich, wo Sie überall etwas finden können", sagte Thormann und nannte als Beispiele Oelsnitz im Vogtland und Crimmitschau bei Zwickau.
Insgesamt präsentiert das Grassimuseum in diesem Jahr demnach sieben große Sonderausstellungen. Drei davon wurden bereits eröffnet: "Together! Die neue Architektur der Gemeinschaft" und "Grassi-Future. Visionen für den Leipziger Johannisplatz" enden am 17. März; die Schau "Gefäß/Skulptur 3. Deutsche und internationale Keramik seit 1946" ist noch bis 13. Oktober zu sehen.
Nach der Eröffnung der Bauhaus-Ausstellung steht am letzten Oktoberwochenende die diesjährige Grassimesse an, wie es weiter hieß. Am 9. November öffnet die Sonderausstellung "Spitzen des Art Dèco. Porzellan im Zackenstil", die bis Oktober 2020 laufen soll. Die Schau "History in Fashion. 1.500 Jahre Stickerei in der Mode" wird vom 21. November an bis Ende März nächsten Jahres zu sehen sein. Hinzu kommen vier kleinere Foyerausstellungen.
Der diesjährige Tag der offenen Tür findet laut Museumssprecherin Anett Lamprecht am 10. Februar statt. An der Museumsnacht Halle/Leipzig am 11. Mai beteiligen sich die drei Grassi-Museen demnach mit dem eigenen Motto "top secret". Weitere Events sind erneut der Keramikmarkt Mitte Juni, das Grassifest für Familien am 8. September und die Aktion "Trödel oder Kostbarkeit?" am 26. März, bei der Experten Fundstücke von Privatleuten beurteilen.
Zwickau (epd). In den Kunstsammlungen Zwickau - Max-Pechstein-Museum ist eine Sonderausstellung zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum eröffnet worden. Sie thematisiert die Verbindungen der sächsischen Kulturpersönlichkeiten Hildebrand Gurlitt (1895-1956) und Albert Hennig (1907-1998) zu der berühmten ostdeutschen Design- und Architekturschule, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Die Ausstellung ist bis zum 10. März zu sehen.
Der spätere NS-Kunsthändler Hildebrand Gurlitt war der erste Direktor des Zwickauer Museums. Kurz nach seinem Amtsantritt 1925 nahm er dem Museum zufolge erstmals Kontakt zum Bauhaus auf. Er organisierte Vorträge und Ausstellungen zum Thema und beauftragte die Schule 1926 mit der Farbgestaltung des neu zu strukturierenden Museums. Die Schau thematisiert den Angaben zufolge die Kooperation Gurlitts mit dem Bauhaus unter anderem anhand von Fotos, Dokumenten und Schriftstücken. Zudem werden drei von Gurlitt erworbene Holzschnitte des Bauhaus-Künstlers Lyonel Feininger (1871-1956) gezeigt.
Albert Hennig begann nach Angaben des Museums Ende der 1920er Jahre damit, Arbeiterviertel in seiner Geburtsstadt Leipzig zu fotografieren. 1932 bewarb er sich am Bauhaus. Die Kunstsammlungen Zwickau übernahmen 2008 Hennigs Nachlass von rund 420 Fotografien, die 2015 wissenschaftlich dokumentiert und ausgewertet wurden. Neben Briefen, Zeugnissen und Vorlesungsmitschriften aus Hennigs Zeit als Bauhaus-Student präsentiert die Ausstellung auch 30 bislang noch nie gezeigte Fotografien des Künstlers aus den Jahren 1928 bis 1933.
Die Kunstschule "Staatliches Bauhaus Weimar" revolutionierte zwischen 1919 und 1933 Architektur und Ästhetik. Bis heute gilt das Bauhaus als wichtigste Schule der Moderne. Beispielhaft war die Verbindung von Handwerk und Kunst. Gegründet wurde das Bauhaus 1919 in Weimar von dem Architekten Walter Gropius (1883-1969). Später zog die Schule nach Dessau und schließlich nach Berlin um, bis sie sich 1933 auf Druck der Nationalsozialisten selbst auflöste.
Halle (epd). Zwei Werke des deutsch-amerikanischen Malers Lyonel Feininger (1871-1956) konnten durch einen Rück- und Ankauf der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt für die Sammlungen des Kunstmuseums Moritzburg in Halle gesichert werden. Darunter ist eine Zeichnung unter dem Titel "Stadtkirche, Halle II" aus dem Jahr 1929, die 1937 im Nationalsozialismus als "entartete Kunst" aus dem Museum entfernt worden war, wie das Museum am 24. Januar in Halle mitteilte. Die Zeichnung war ursprünglich Teil einer Serie aus elf Gemälden und 29 Handzeichnungen, die Feininger im Auftrag der Stadt Halle zwischen 1929 und 1931 gemalt hatte.
Das zweite Werk "Granitsteinbruch bei Braunlage" aus dem Jahr 1917 gehört den Angaben zufolge zu den Naturnotizen, die Feininger während der Sommeraufenthalte 1917 und 1918 im Harz anfertigte. Es zeigt einen Steinbruch bei Braunlage mit einer Baumkante.
Frankfurt a.M., Leipzig (epd). Noch unter den unbarmherzigen Bedingungen im Krakauer Ghetto gab er den Unterdrückten eine Stimme: Bis zu seiner Ermordung am 4. Juni 1942 schrieb Mordechai Gebirtig jiddische Lieder. Seine Stücke waren auf Bühnen in Polen, aber auch in den USA und Israel erfolgreich. Doch der Dichter, den nur wenige kannten, blieb arm. Experten der jüdischen Kultur machen sich für eine Wiederentdeckung des "Vaters des jiddischen Liedes" stark.
Obwohl sich seine Lieder seit den 20er Jahren in der gesamten jüdischen Welt verbreitet hätten, sei Gebirtig ein "unbekannter Superstar", sagt der Autor des ersten deutschsprachigen Buches über Gebirtig, Uwe von Seltmann. Für den in Krakau und Leipzig lebenden Seltmann steht Gebirtig in der Tradition von Singer-Songwritern wie Woody Guthrie, dem jungen Bob Dylan oder Hannes Wader. Für sein Buch "Es brennt - Mordechai Gebirtig. Vater des jiddischen Liedes" hat er über eine Zeit von vier Jahren unter anderem in Archiven in Israel, den USA und in Polen recherchiert. In dem Werk sind zahlreiche Dichtungen Gebirtigs erstmals in die deutsche Sprache übersetzt.
Viele seiner Stücke seien zu Volksliedern geworden, ohne dass der Verfasser immer bekannt gewesen wäre, sagte der Baseler Historiker Heiko Haumann dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Gebirtigs Bedeutung für die jiddische Kultur kann gar nicht überschätzt werden", erklärt Haumann, Autor des Standardwerkes "Geschichte der Ostjuden".
Das renommierte US-amerikanische Milken-Archiv über jüdische Musik nennt Gebirtig einen "Titan der jüdischen Volksmusik" und bezeichnet ihn gar als den "wichtigsten, meistgesungenen, fruchtbarsten und berühmtesten Komponisten seiner Zeit - und vielleicht aller Zeiten". Zu Klassikern geworden sind Lieder wie "Avreml der Marvikher" (Avreml, der Halunke) oder "kinder-yorn" (Kinderjahre). Einige seiner Werke gehören auch heute zum Repertoire von Musikern wie Daniel Kahn oder Wolf Biermann.
In seinem wohl bekanntesten Stück "Es brennt" erwies sich Gebirtig als Prophet des späteren Nazi-Terrors: "Und ihr steht und guckt und gafft nur, mit verschränkten Händ/und ihr steht und gafft nur, unser Städtchen brennt", heißt es in dem vermutlich bereits 1936 entstandenen Lied. Anlass waren Pogrome gegen Juden in der nahe Warschau gelegenen polnischen Kleinstadt Przytyk. Laut Seltmann wurde es später in Ghettos und Lagern gesungen, unter jüdischen Widerstandskämpfern und Partisanen sei es zu einer Art Hymne geworden.
Der Tischler und Dichter Mordechai Gebirtig, der tagsüber an Möbeln und abends am jüdischen Lied hobelte, hat 168 Lieder und Gedichte hinterlassen. Sie erschienen in Liedersammlungen sowie in jüdischen Zeitungen und Zeitschriften in Krakau und New York. Die Spannbreite reicht von sozialrevolutionären Arbeitersongs über Liebeslieder und Kindergedichte bis hin zum philosophischen Ringen mit Gott und der religiösen Tradition.
Der vermutlich am 5. März 1877 geborene Künstler lebte, ohne die Stadt Krakau zu verlassen, in drei Staatsgebilden: in der österreichisch-ungarischen Monarchie, in der von 1918 bis 1939 wiedererstandenen polnischen Republik und schließlich bis zu seiner Ermordung unter deutscher Besatzung.
Aufgewachsen in einer jüdischen Tagelöhner- und Kleinhändlerfamilie im Krakauer Judenviertel Kazimierz entschied sich Gebirtig gegen die strenggläubige Tradition seiner Eltern. Er war aktiv im jüdischen Arbeiterbund und Gast in literarischen und künstlerischen Gesellschaften Krakaus, wo er seine neuen Lieder vortrug.
Etliche Besucher waren entsetzt von den ärmlichen Verhältnissen, in denen der Liederdichter in seiner dunklen Ein-Zimmer-Wohnung wohnte. "Vor mir sitzt, arm wie das jüdische Leben selbst, ein wahrer, gottbegnadeter Künstler", schrieb der polnische Journalist Jozef Finkelsztejn im Jahr 1936. Mit seiner Möbelwerkstatt konnte Gebirtig seine Familie kaum ernähren.
"Meine Lieder sind auf vielen Lippen", sagte Gebirtig dem Journalisten. Künstler verdienten viel Geld mit ihnen, in Amerika verkauften sich sogar Tausende Schallplatten mit den Liedern. "Aber mir ist es oft beschert, dass ich ohne einen Groschen bin - ich habe kein kaufmännisches Talent." Doch das mache nichts, setzte er hinzu: "Ich bin dem Schicksal dankbar dafür, dass ich in meinen Versen und Melodien meine Gedanken und Sehnsüchte, meine Freuden und Sorgen ausdrücken kann."
Im Dezember 1940 musste Gebirtig die Wohnung in Kazimierz verlassen, 1942 wurde er mit seiner Frau und zweien seiner drei Töchter in das abgeriegelte Krakauer Ghetto eingewiesen. Ende Mai bereiteten deutsche Soldaten eine großangelegte Deportation vor. Die Krakauer Juden mussten sich in Kolonnen aufstellen, bevor sie zu den wartenden Viehwaggons getrieben wurden. Noch auf dem Weg wurde Gebirtig von einem Soldaten erschossen. Auch Gebirtigs Frau und Töchter haben die Nazi-Gräuel nicht überlebt.
Als die Familie erkannte, dass es keinen Ausweg mehr geben würde, gelang es den Töchtern noch, die Notizbücher ihres Vaters Freunden jenseits des Ghettos zuzustecken. Diese Lieder und Skizzen aus dem Ghetto sollten das wenige der Familie Gebirtig bleiben, das dem Vernichtungswerk der Nationalsozialisten entging.
Berlin (epd). Die US-amerikanische Obermayer-Stiftung hat am 21. Januar in Berlin sechs deutsche Heimatforscher und Initiativen für ihr Engagement zur Bewahrung jüdischer Geschichte ausgezeichnet. Die Preisträger des Deutsch-Jüdischen Geschichtspreises 2019 kommen aus Berlin, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Hessen. Die mit jeweils 1.000 Euro dotierten Auszeichnungen wurden am Abend im Berliner Abgeordnetenhaus von Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) überreicht.
Judith Obermayer, Präsidentin der Obermayer Foundation, erklärte vorab, die Preisträger erinnerten mit ihren Beiträgen an die wichtige Rolle von Juden für die Entwicklung der deutschen Kultur und ließen diese "für zukünftige Generationen lebendig werden". Zugleich setzten die Preisträger "ein dringend nötiges Zeichen gegen die wachsende Gefahr von Intoleranz und Rassismus".
Geehrt wurden Hilde Schramm und die 1994 gegründete Berliner Stiftung Zurückgeben, Egon Krüger aus Mecklenburg-Vorpommern, Gabriele Hannah sowie Hans-Dieter und Martina Graf aus Rheinland-Pfalz, Michael Imhof aus Hessen, sowie Elisabeth Böhrer und Benigna Schoenhagen aus Bayern.
Die von Schramm mitgegründete Stiftung fördert in Deutschland lebende jüdische Frauen in Kunst und Wissenschaft. Das Grundkapital stammte den Angaben zufolge aus dem Verkauf dreier Gemälde, die Schramm als Tochter von Hitlers Chefarchitekten und Rüstungsminister Albert Speer geerbt hatte. Dabei vermutete sie, dass es sich um NS-Raubkunst handele, hieß es.
Der pensionierte Lehrer Egon Krüger hat sich den Angaben zufolge über mehrere Jahrzehnte der Dokumentation des Lebens ehemaliger jüdischer Bürger in Pasewalk gewidmet. Dazu hat er unter anderem zwei Bücher verfasst, Vorträge gehalten und Führungen durch das jüdische Pasewalk angeboten.
Gabriele Hannah sowie Hans-Dieter und Martina Graf sei es gelungen, als Autoren des Buches "Die Juden vom Altrhein" (2018) die jüdische Geschichte ihrer Region wieder lebendig werden zu lassen. Außerdem haben sie zahlreiche Artikel und Monografien sowie ein Kinderbuch verfasst. Aktuell engagierten sich die Preisträger für den Erhalt der Synagoge von Eich, die 1891 erbaut wurde.
Der pensionierte Lehrer Michael Imhof wurde unter anderem für seine Führungen durch das jüdische Fulda, Workshops in Schulen und ein erfolgreiches Schulaustauschprogramm zwischen Fulda und Städten in Israel ausgezeichnet. Elisabeth Böhrer aus Unterfranken erhält den Preis für ihre Archivrecherchen und ihr Engagement für die Nachfahren von aus ihrer Region stammenden Juden. Sie habe damit das Gedenken an die einst florierenden jüdischen Gemeinden unter anderem von Schweinfurt und Bad Kissingen bewahrt.
Außerdem wurde Benigna Schoenhagen ausgezeichnet. Als Direktorin des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben hat sie unter anderem 2001 eine Dauerausstellung zur Geschichte der Juden von Augsburg vom frühen 13. Jahrhundert bis heute initiiert.
Die "German Jewish History Awards" werden seit 2000 verliehen. Auslöser für die Auslobung des Geschichtspreises waren Ahnenforschungen des 2016 gestorbenen Stifters, Arthur Obermayer. Seine Großeltern stammten aus Süddeutschland.
Potsdam (epd). Der Breslauer Psalter, eine um 1265 angefertigte Handschrift biblischer Texte, steht im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung in Potsdam. Die mittelalterliche Handschrift enthalte eine "verschwenderische Fülle" von Illustrationen, erklärte das Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam. Darunter seien biblische Szenen auf poliertem Goldgrund, aufwendig gestaltete Initialen und phantasievoller Ornamentschmuck. Die Ausstellung "Der Breslauer Psalter - Glanzlicht europäischer Buchkunst" wird am Mittwoch in der Stadt- und Landesbibliothek im Bildungsforum Potsdam eröffnet und präsentiert bis zum 2. März ein originalgetreues Faksimile der Handschrift.
Die überaus prachtvolle Handschrift sei um 1265 für den herzoglichen Hof in Breslau angefertigt worden, das damalige kulturelle und geistige Zentrum Schlesiens, hieß es. Auftraggeberin sei vermutlich Anna von Böhmen, Witwe Herzog Heinrichs II. von Schlesien und Schwiegertochter der Heiligen Hedwig, gewesen. Der kostbare Psalter soll als Hochzeitsgeschenk für Helene von Sachsen, die zweite Ehefrau ihres Sohnes Heinrich III. von Schlesien-Breslau, gedacht gewesen sein.
Entstehungsort sei möglicherweise das Kloster Leubus gewesen, das im 13. Jahrhundert als einzige Stätte in Schlesien für die Herstellung solch aufwendiger Handschriften belegt sei, hieß es weiter. An der Ausstattung des Psalters waren neben Buchmalern aus Schlesien, Böhmen und Mitteldeutschland auch Künstler der italienischen Paduaner Schule beteiligt.
Ein Psalter ist ein Gebetbuch, das die 150 Psalmen der Bibel und andere liturgische Texte enthält. Luxuriös ausgestattete Psalter erfreuten sich den Angaben zufolge im 13. Jahrhundert bei Geistlichen wie bei Laien großer Beliebtheit. Als Geschenke repräsentierten sie den Status und Rang der Schenkenden und Beschenkten. Der Breslauer Psalter gehört zu den am reichsten ausgestatteten Handschriften, die in dieser Zeit in Mitteleuropa entstanden sind.
Potsdam (epd). Die Dauerausstellung in der Gedenkstätte im früheren Potsdamer KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße ist erweitert worden. Der neue Themenraum "Verurteilt. Verschleppt. Verschwiegen" wurde am 22. Januar eröffnet. Mit Hilfe von einzigartigen Fotos, Kassibern und Objekten wie einer Wattejacke und einem Handkoffer aus dem Gulag würden dort die Verurteilungspraxis sowjetischer Militärtribunale und das weitere Schicksal der Gefangenen des Untersuchungsgefängnisses dargestellt, teilte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mit.
Hunderte Häftlinge seien nach ihrem Prozess aus dem Gefängnis in Speziallager in der sowjetischen Besatzungszone und später in DDR-Gefängnisse verbracht worden, hieß es. Mehr als 100 Inhaftierte seien zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Viele arbeitsfähige Gefangene hätten ihre Strafen in Gulag-Lagern in der Sowjetunion verbüßen und dort unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten müssen.
Die deutschen Inhaftierten seien zumeist Mitte der 50er Jahre nach Hause zurückgekehrt, hieß es weiter. Über das Schicksal der sowjetischen Inhaftierten nach der Entlassung sei nur wenig bekannt. Viele ehemalige Häftlinge litten unter physischen und psychischen Folgen der Haft.
Im neuen Ausstellungsraum im Obergeschoss des historischen Gefängnisgebäudes werde neben Fotos, Dokumenten und Objekten aus dem Besitz ehemaliger Häftlinge auch eine animierte Projektion mit Zeugnissen von Inhaftierten gezeigt, hieß es weiter. In einer Medienstation könnten zudem weiterführende Informationen zu insgesamt 15 Haftschicksalen und Themen sowie Infografiken und Karten abgerufen werden.
Die Gesamtkosten für die Ausstellungserweiterung betragen den Angaben zufolge 70.000 Euro, die jeweils zur Hälfte vom brandenburgischen Kulturministerium und von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bereitgestellt wurden. Die 2012 eröffnete Dauerausstellung "Sowjetisches Untersuchungsgefängnis Leistikowstraße Potsdam" erzählt auf rund 1.000 Quadratmetern die Geschichte des zentralen Untersuchungsgefängnisses der sowjetischen militärischen Spionageabwehr nach Ende des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Im Mittelpunkt stünden die Menschen, die dort unter Folter, Angst und völlig unzureichender Versorgung litten, hieß es.
Berlin (epd). Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) will 2019 sein Programm weiter erneuern. Nachdem im vergangenem Jahr der Schwerpunkt der Reform beim Fernsehen gelegen habe, gehe es in diesem Jahr vor allem um die Erneuerung des Radioprogramms, kündigte RBB-Intendantin Patricia Schlesinger am 24. Januar in Berlin an. So soll der bekannte Jugendsender "Fritz" auch als digitale Marke etabliert werden. Radioinhalte würden künftig online auch auf Youtube, Instagram und Snapchat unter dem Titel "It's Fritz" bereitgestellt.
Aus dem bisherigen Hörfunksender Radio Berlin 88,8 werde nur RBB 88,8, hieß es weiter. Geplant sind hier auch neue Moderatorenteams sowie neue Musik, betonte Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus. Die beiden erneuerten Radioprogramme werden bereits am 4. Februar starten.
Im Fernsehen werde der RBB verstärkt eigene Produktionen zeigen, kündigte Schlesinger weiter an. Ausgebaut werde der Bereich Dokumentation und Fiktion. Im "Superwahljahr" werde die Stimmung der Bevölkerung vor den Wahlen in Brandenburg besonders in den Fokus gerückt, kündigte Schulte-Kellinghaus an. So sei im Fernsehen ein regelmäßiger Bürgertalk als kontroverses Diskussionsformat geplant.
Zudem werde es mehr Reportagen aus den Regionen sowie Spezialsendungen geben. "Bei besonderen Ereignissen oder Breaking News - ob politischer oder klimatischer Natur - wollen die Zuschauer Spezialsendungen", begründete Schlesinger. Die RBB-Intendantin betonte, dass mit dem geplanten Kohleausstieg die Menschen in Brandenburg "vor dem zweiten großen Strukturumbruch" stünden und dieses Thema auch den Sender beschäftigen werde.
Geplant ist zudem ein neues Reportageformat für "konstruktiven Journalismus". Das Konzept lege neben kritischer Berichterstattung die Betonung auf beispielhafte Lösungen von Problemen. Den Zuschauern solle mit inspirierenden Ideen Mut gemacht werden für die Lösung gesellschaftlicher Probleme, hieß es weiter.
Auch die Jubiläen im Jahr 2019 werden sich im RBB-Programm niederschlagen: Anlässlich des Mauerfalls vor 30 Jahren werde der neue Spielfilm "Wendezeit" gezeigt. Der historische Agententhriller sei nach wahren Begebenheiten gedreht worden. Die Ausstrahlung ist im Rahmen des Filmmittwochs im Ersten geplant.
Zum 200. Geburtstags des Schriftstellers Theodor Fontane will der RBB unter dem Titel "Versunkenes Land - Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg" die vom Dichter beschriebenen Regionen und Landschaften bereisen. Neben der Doku-Serie soll auch eine Fontane-App des Senders einladen, Berlin und Brandenburg auf den Spuren des Schriftstellers und seiner Werke zu erkunden.
Zum 60. Geburtstag der Kinderabendsendung "Unser Sandmännchen" plant der RBB gemeinsam mit dem MDR und dem NDR unter anderem 13 neue Folgen "Pittiplatsch". Damit würden seit 1991 zum ersten Mal wieder neue Geschichten um den kleinen braunen Kobold sowie seinen Freunden Schnatterinchen und Moppi produziert.
Im Sport werde der RBB zudem erstmals zwölf deutsche Meisterschaften live übertragen. Unter "Die Finals - Berlin 2019" werde der Sender am ersten Augustwochenende aus der Bundeshauptstadt die Wettkämpfe in den Sportarten Bahnradsport, Bogenschießen, Boxen, Kanu, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Parkour, Schwimmen, Stand-Up-Paddling, Trials, Triathlon und Turnen für die ARD ausstrahlen.
Berlin (epd). Das Kammergericht Berlin verlangt, Werbung auf Instagram klar zu kennzeichnen. Nach Auffassung des Gerichts ist es zwar nicht gerechtfertigt, Beiträge von Bloggern und Influencern, die Links auf Internetauftritte von Produktanbietern enthalten, generell als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen. Zu prüfen seien vielmehr stets der konkrete Inhalt und die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles, befanden die Richter in einem am 23. Januar veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen 5 U 83/18).
So würden weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stünden, nicht dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unterfallen.
Anders sei es, wenn redaktionelle Äußerungen mit als Werbung zu qualifizierenden Links vermischt werden. Diese Tags hätten keinen Informationsgehalt sondern den erkennbaren Zweck, durch einen Mausklick unmittelbar mit der Werbung des Unternehmens konfrontiert zu werden und müssten deshalb gekennzeichnet werden.
Konkret geht es um den Fall der Bloggerin und Influencerin Vreni Frost, die wegen Schleichwerbung in drei Posts ihres Instagram-Accounts vergangenes Jahr vom Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) abgemahnt wurde. Das Landgericht Berlin verbot ihr im Mai 2018 in einem Eilverfahren, kommerzielle Werbung ohne Kennzeichnung auf Instagram zu betreiben. Dagegen legte sie Berufung beim Kammergericht ein.
Dieses gab ihr in einem Fall recht, in dem Frost einen selbst bezahlten Pullover in einem Post vertaggt hatte. Dieser Beitrag dient nach Auffassung der Richter allein der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten. Zudem habe die Bloggerin glaubhaft versichert, dafür keine Entgelte von Dritten bekommen zu haben. In den beiden anderen Posts sah der 5. Zivilsenat dagegen wie zuvor auch das Landgericht eine nicht statthafte Vermischung von redaktionellen Äußerungen und Werbung.
Magdeburg (epd). Mit einer neuen App "Der bronzene Himmel" können Familien und Kinder künftig dem Alltag in der Bronzezeit nachspüren. Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra (CDU) sagte anlässlich der Präsentation am 23. Januar in Magdeburg, die App verknüpfe Bildung und Unterhaltung, um die Geschichte der Himmelsscheibe von Nebra zeitgemäß und spielerisch zu vermitteln. "Zugleich ist die App ein innovativer audiovisueller Beitrag zur Digitalisierung des kulturellen Erbes Sachsen-Anhalts." Die App soll ab 1. März im Google Play Store und App Store verfügbar sein.
Die Anwendung wurde von der MotionWorks GmbH in Halle entwickelt und richtet sich vorrangig an junge Besucher der Arche Nebra. Mittels GPS-Funktion lasse sich der Tag der Niederlegung der Himmelsscheibe interaktiv während der Wanderung von der Arche Nebra zum Fundort der Himmelsscheibe auf dem Mittelberg miterleben, heißt es. Eine Nutzung der App sei aber auch ortsunabhängig möglich.
Die Produktion wurde laut Staatskanzlei von der Mitteldeutschen Medienförderung unterstützt. Das Land Sachsen-Anhalt habe das Projekt über die Richtlinie zur Förderung von Projekten zur Gestaltung des digitalen Wandels mit 130.000 Euro gefördert.
Die rund 4.000 Jahre alte Himmelsscheibe gilt als die älteste konkrete Sternenabbildung der Menschheitsgeschichte. Sie war 1999 von Raubgräbern auf dem Mittelberg im sachsen-anhaltischen Nebra (Burgenlandkreis) gefunden und im Jahr 2002 bei einer spektakulären Aktion in Basel in der Schweiz gesichert worden. Seit vielen Jahren ist der wertvolle Fund im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle zu sehen. Am Fundort der Himmelsscheibe wurde im Juni 2007 das Besucherzentrum Arche Nebra eröffnet.
Magdeburg (epd). Der Barock-Komponist Georg Friedrich Händel (1685-1759) ist im Händel-Haus in Halle nun auch digital zu erleben. Am Donnerstag startete das "Händel-WLAN" und ein neuer barrierefreier Museums-Guide, der Gäste künftig durch die Ausstellungen führt, wie das Wirtschaftsministerium in Magdeburg mitteilte. Der Aufbau des kostenlos nutzbaren, schnellen Drahtlos-Internets wurde mit rund 51.000 Euro gefördert.
Stiftungsdirektor Clemens Birnbaum sagte, mit dem "Händel-WLAN" sei es möglich, mit der Vermittlungsarbeit bereits vor den Türen des Museums und auch außerhalb der Öffnungszeiten zu beginnen und im Haus auf innovative Weise fortzuführen. Das drahtlose Highspeed-Internet könne für den Museums-Guide in den beiden Dauerausstellungen "Händel - der Europäer" und "Historische Musikinstrumente" genutzt werden und sei auch im Außenbereich sowie im Café im Innenhof verfügbar.
Das Händel-Haus ist das Geburtshaus des Barock-Komponisten Händel und war mehr als 100 Jahre im Besitz der Familie (1666-1771). Heute gehört das Gebäude der Stadt Halle und beherbergt ein Museum mit drei Schwerpunkten: Georg Friedrich Händel, historische Musikinstrumente sowie Musikgeschichte der Region. Auch Konzerte und Konferenzen finden dort statt.
Für den Ausbau von schnellem WLAN in den Kommunen stellt das Land insgesamt zwei Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert werden Anschaffung und Anbringung der Technik, der Anschluss an das Breitbandnetz sowie die Kosten für einmalige Inbetriebnahme, Konfiguration und Anschluss an ein WLAN-Managementsystem. Anträge können von Städten, Gemeinden, Landkreisen, Tourismusverbänden, Museen oder Kulturvereinen gestellt werden. Die Förderhöhe beträgt den Angaben zufolge 80 Prozent und höchstens 100.000 Euro pro WLAN-Antrag. In Sachsen-Anhalt wurden bislang für zwölf Projekte insgesamt rund 450.000 Euro bewilligt.
Schwäbisch Gmünd (epd). Der britische Komponist John Rutter erhält den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2019. Rutter verfüge über einen großen melodischen Erfindungsreichtum, setze vielschichtige Harmonien und Rhythmen ein und schaffe damit Kirchenmusik von suggestiver Kraft, teilte die Stadt Schwäbisch Gmünd am 25.. Januar mit. Er berühre so Profi- und Laien-Ensembles gleichermaßen. Die Kirchenmusik-Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Verliehen wird die Auszeichnung im Rahmen des Festivals Europäische Kirchenmusik (5. Juli bis 4. August) am 18. Juli in Schwäbisch Gmünd.
John Rutter wurde 1945 in London geboren. Er war unter anderem Musikdirektor am Clare College Cambridge und ist Mitglied der Guild of Church Musicians. Als Gastdirigent und Dozent ist er weltweit unterwegs. Zu seinen erfolgreichsten Musikstücken zählen die "Mass of the Children" und Chorsätze wie "The Lord bless you and keep you" oder "This is the day". Auch hat Rutter für das Goldene Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. den 150. Psalm vertont. Für seine musikalische Arbeit wurde er international bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem als "Commander of the Order of the British Empire". In Schwäbisch Gmünd wird ein "Singing Day" mit ihm stattfinden.
Der Preis der Europäischen Kirchenmusik wird seit 1999 an Interpreten und Komponisten für wegweisende Leistungen im Bereich der Geistlichen Musik verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern gehören die Komponisten Sofia Gubaidulina, Krzysztof Penderecki und Sir John Tavener, die Dirigenten Frieder Bernius, Marcus Creed und Helmuth Rilling, der Organist Daniel Roth, der Kammersänger Peter Schreier, der Musikwissenschaftler Clytus Gottwald, der Gregorianik-Experte Godehard Joppich und der Thomanerchor Leipzig.
Leipzig (epd). Der 23 Jahre alte Oboist Alexander Kaul hat den diesjährigen Leipziger Richard-Wagner-Nachwuchswettbewerb gewonnen. Der Student der Hochschule für Musik und Theater Rostock erhält neben 5.000 Euro Preisgeld auch ein Stipendium für die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele 2019, wie die Richard-Wagner-Stiftung am 21. Januar in Leipzig mitteilte. Die Preisverleihung findet am 5. Mai in der Oper Leipzig statt.
Kaul habe die Jury mit seinem virtuosen, stilsicheren und technisch einwandfreien Spiel überzeugt, so die Stiftung. "Technisch professionell setzte er die Verbindung von Empfindsamkeit und Ausdrucksstärke um, was durch seine vertiefte Werkkenntnis insbesondere zum Thema Richard Wagner unterstrichen wurde", hieß es weiter.
Ein weiteres Stipendium ging demnach an den 30-jährigen südkoreanischen Dirigenten und Korrepetitor Minsang Cho, der ebenfalls an der Rostocker Hochschule studiert. Ein Heinz-Arnold-Gedächtnisstipendium bekommt demnach der finnische Bassbariton Jussi Juola (31) von der Hochschule für Musik "Carl Maria von Weber" Dresden. Einen Sonderpreis der Jury erhielt die 26 Jahre alte Fagottistin Diana Rohnfelder von der Hochschule für Musik Detmold. Insgesamt hatten an dem Wettstreit 23 Jungmusiker aus fünf Ländern teilgenommen.
Der Nachwuchswettbewerb zu Ehren des Leipziger Komponisten Richard Wagner (1813-1883) wurde in diesem Jahr zum sechsten Mal ausgetragen. Zugelassen werden Bewerber bis zum 35. Lebensjahr, die aktuell an einer europäischen Hochschule, einem Konservatorium oder einer gleichwertigen Einrichtung studieren. Die Vergabe des Preises diene dem Stiftungsziel, das Wissen und erleben zu Wagners Werk zu fördern und zu vertiefen, so die Stiftung.
Dresden (epd). Der langjährige Direktor des Dresdner Grünen Gewölbes, Joachim Menzhausen, ist tot. Er starb am 18. Januar im Alter von 88 Jahren, wie die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) am 22. Januar mitteilten. "In seiner Person vereinten sich umfangreiches kunsthistorisches Wissen mit der kenntnisreichen, erfahrenen Urteilskraft des gelehrten Kunsthistorikers, der ein passionierter 'Museumsmann' wie 'Ausstellungsmacher' und ein brillanter Publizist gewesen ist", erklärten die Kunstsammlungen.
Joachim Menzhausen studierte demnach in den 1950er Jahren Kunstgeschichte und Archäologie an der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig, wo er 1963 promovierte. Ab 1957 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, ab 1959 am Grünen Gewölbe. 1961 wurde er Direktor der weltberühmten Sammlung und bekleidete die Position bis zu seinem vorzeitigen Ruhestand im Jahr 1992.
Menzhausen habe die Geschichte des Grünen Gewölbes in der Nachkriegszeit "tief und nachhaltig geprägt", so die SKD. Unteilbar seien seine Verdienste als Kurator großer Sonderausstellungen wie "The Splendor of Dresden" in Washington, New York und San Francisco (1978/79) und "Königliches Dresden" in der Hypo-Kunsthalle in München (1990).
Die historische Schatzkammer Grünes Gewölbe wurde 1723 von August dem Starken (1670-1733), dem damaligen sächsischen Kurfürsten und späteren König von Polen-Litauen, eingerichtet. Heute umfasst die Sammlung das Historische Grüne Gewölbe im Erdgeschoss des Dresdner Residenzschlosses und das Neue Grüne Gewölbe eine Etage darüber. Sie zählt zu den ältesten Museen Europas.
Dortmund, Köln (epd). Der WDR weist "Klischee"-Vorwürfe des Dortmunder Oberbürgermeisters Ullrich Sierau (SPD) an der jüngsten Ausgabe des Dortmunder "Tatorts" zurück. Der WDR zeige in seinen vielen Dortmunder "Tatort"-Folgen mit den Ermittlerfiguren Martina Bönisch und Peter Faber ein vielschichtiges Bild der Stadt, etwa durch diverse Milieus und Drehorte wie den Phoenixsee, den Westfalenpark und das Dortmunder U, erklärte der Sender am 22. Januar in Köln: "Der Tatort ist Fiktion, aus dramaturgischen Gründen wird auch verdichtet und zugespitzt."
Der Sender reagierte auf einen Brief des Dortmunder Oberbürgermeisters an den WDR-Intendanten Tom Buhrow. In dem Schreiben erhebt Sierau heftige Vorwürfe gegen die aus seiner Sicht klischeebehaftete Darstellung und spricht von "fortwährendem Mobbing" gegenüber einer Stadt, einer Region und den dort lebenden Menschen. Der Krimi sei keine Dokumentation, räumt Sierau ein: "Aber auch ein Krimi-Drehbuch sollte ein Mindestmaß an Bezug zur Realität vorweisen."
Sierau kritisierte eine plumpe Darstellung ohne regionale Kenntnisse und warf den Machern der jüngsten Dortmunder "Tatort"-Folge vor, sich längst vergangener "Ruhrpott-Klischees" aus den 1980er Jahren zu bedienen. Damit disqualifiziere der WDR die Menschen und sich selbst als produzierenden Sender, schreibt der Oberbürgermeister: "Die letzte Zeche wurde bereits 1987 geschlossen. Die prägende Zeit der Montanindustrie ist Geschichte. Im Ruhrgebiet gibt es so etwas wie Strukturwandel." Doch offenbar säßen die Vorurteile und Klischees der Drehbuchschreiber und verantwortlichen Redakteure fest und ließen diese Sichtweise nicht zu.
Die Tatort-Folge "Zorn", die am vergangenen Sonntagabend erstmals ausgestrahlt wurde, drehte sich um den Mord an einem ehemaligen Bergmann, das Leben in einer alten Siedlung, die geplante Umwandlung einer Zeche in einen Freizeitpark und einen extremistischen "Reichsbürger" mit Kontakten zum Verfassungsschutz.
Der WDR erklärte, was manche als Klischee empfinden könnten, werde von anderen als realitätsnahe Darstellung bewertet. Dies polarisiere und löse Debatten aus: "Das ist aus unserer Sicht nicht negativ, sondern bereichernd." Die Publikumsreaktionen auf die "Tatorte "aus Dortmund seien bislang überwiegend positiv ausgefallen.
München (epd). Amazon Prime Video wehrt sich gegen das wegen Schleichwerbung erlassene Verbot einer Folge der Comedy-Serie "Pastewka". Das Unternehmen werde die Verfügung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vor Gericht anfechten, sagte eine Amazon-Sprecherin am 23. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd) in München. Ungeachtet dessen werde "die beanstandete Episode in Kürze und für den Zeitraum, bis in der Sache entschieden wurde, gegen eine neue Version ausgetauscht".
Die BLM hat die vierte Folge der achten "Pastewka"-Staffel wegen Schleichwerbung für Media Markt verboten. "Die gesamte Folge ist - vor allem in Bezug auf die Marke Media Markt - von häufigen und intensiven Darstellungen und Erwähnungen geprägt, die nicht programmlich-dramaturgisch begründbar sind", teilte die Medienanstalt dazu am Montag mit. Amazon muss das Verbot sofort befolgen. Zu erwarten ist, das der Streamingdienst die Folge nun in Bezug auf die beanstandeten Szenen umschneiden lässt.
Amazon kann Rechtsmittel gegen die Untersagung sowie auch gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einlegen. Nach Auskunft der BLM ist eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof binnen einer Frist von vier Wochen möglich.
Die achte Staffel der Serie "Pastewka" ist seit Ende Januar 2018 bei Prime Video abrufbar. Die Staffeln 1 bis 7 von "Pastewka" liefen beim deutschen Privatsender Sat.1, der die Serie jedoch 2014 absetzte. Während in den ersten sieben Staffeln Markenprodukte unkenntlich gemacht wurden, fielen in der achten Staffel zahlreiche Marken prominent auf, die nicht als Produktplatzierungen gekennzeichnet wurden. Für sogenannte audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gilt das Schleichwerbeverbot des Rundfunkstaatsvertrags. Produktplatzierungen müssen demnach gekennzeichnet werden. Media Markt bestreitet, Produktplatzierung für die betreffende Folge gebucht zu haben.
Der Start der neunten Staffel von "Pastewka" auf Prime Video war am 25. Januar.
Washington/Frankfurt a.M. (epd). Dass die Pressesprecherin des Weißen Hauses kaum noch Pressekonferenzen veranstaltet, ist nach Ansicht von US-Präsident Donald Trump auf die Medien selbst zurückzuführen. Der Grund dafür, warum Pressesprecherin Sarah Sanders nicht mehr so oft auf das "Podium" gehe, sei, dass die Presse sie so grob und unrichtig behandele, twitterte Trump am 22. Januar. Er habe ihr gesagt, sie solle sich nicht darum kümmern, die Botschaften kämen trotzdem raus. Die meisten Medien würden ohnehin niemals fair über ihn berichten, "daher der Begriff 'Fake News'", schrieb der Präsident. Die Vereinigung der White-House-Korrespondenten (WHCA) kritisierte die Äußerungen Trumps.
Es handle sich um einen "Rückzug aus Transparenz und Rechenschaftspflicht" und sei ein "furchtbarer Präzedenzfall", sagte WHCA-Präsident Oliver Knox. Die Möglichkeit, Pressesprecher oder andere hochrangige Regierungsbeamte öffentlich zu befragen, helfe den Nachrichtenmedien, den Amerikanern zu berichten, was ihre mächtigsten politischen Repräsentanten in ihrem Namen tun, unterstrich Knox.
Das letzte reguläre Briefing mit Sanders hat im Dezember stattgefunden. Unter früheren Präsidenten waren wöchentlich mehrere solcher Briefings anberaumt worden. Am 3. Januar hatte Trump zwar auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus gesprochen, aber keine Fragen zugelassen. Das Verhältnis des US-Präsidenten zu den Medien ist angespannt. Trump wirft Medien, die kritisch berichten, immer wieder vor, Falschmeldungen ("Fake News") zu verbreiten und hat Journalisten als "Volksfeinde" bezeichnet. Einem CNN-Reporter hatte er im November nach einen verbalen Auseinandersetzung für kurze Zeit die Akkreditierung entziehen lassen.
Zwei Männer, ein italoamerikanischer Rausschmeißer und ein schwarzer Klassik- und Jazzpianist, kommen sich in den zwei Monaten einer Konzerttour durch den amerikanischen Süden näher. Dort herrscht in der Zeit des Films, den sechziger Jahren, eine strikte Rassentrennung. Regisseur Peter Farrelly (der mit seinem Bruder Bobby zuvor auch ziemlich derbe Komödie drehte) gelang mit seinem neuen Film ein anspruchsvolles Buddy-Roadmovie. „Green Book“, insgesamt fünf Mal für den „Oscar“ nominiert, lebt auch von seinen grandiosen Darstellern Viggo Mortensen und Mahershala Ali.
Green Book – Eine besondere Freundschaft (USA 2018). R: Peter Farrelly. B: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie. Da: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Sebastian Maniscalco. 130 Min.
Kena lebt mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung in Kenia. Anstatt sich mit den anderen Mädchen über Mode zu unterhalten, spielt sie lieber mit den Jungen Fußball, bis die hübsche und wohlhabende Ziki in ihr Leben tritt und sie sich ineinander verlieben. Beide stehen nun vor der Wahl ihre Liebe zu verbergen, oder für ihr gemeinsames Glück zu kämpfen. Anders als Kena gibt Ziki auf und verrät ihre Liebe ihren Eltern, die sie nach London schicken. In Kenia steht Homosexualität immer noch unter Strafe. Regisseurin Wanuri Kahiu spart die Gewalt, der Homosexuelle in Kenia ausgesetzt sind, nicht aus, erzählt ihren Film aber mit einem positiven und fröhlichen Unterton.
Rafiki (Kenia 2018). R u.B: Wanuri Kahiu. Da: Samantha Mugatsia, Neville Misati, Sheila Munyiva, Jimmi Gathu. 83 Min.
2012 hat Clint Eastwood zum letzten Mal selbst vor der Kamera gestanden, seitdem hat der 88jährige Schauspieler nur Regie geführt. In seinem neuesten Film hat er wieder die Hauptrolle übernommen: die eines 90-Jährigen, der als Drogenkurier arbeitet, eine Funktion, die man im amerikanischen Slang als „Mule“ bezeichnet. Earl (Eastwood) ist ein gescheiterter Lilienzüchter, der sich nicht ans Internetzeitalter anpassen konnte. Auf einer Familienfeier wird er von einem Mann angesprochen, ob er nicht Geld verdienen wolle nur mit Fahren? Zunächst begreift Earl nicht, dass es sich dabei um einen Drogenjob handelt, doch dann weiß er es auszunutzen. Erst als sich die Rivalität in der Drogengang verschärft, kommen ihm die Ermittler auf die Spur. Eine großartige Altersrolle für Clint Eastwood.
The Mule (USA 2018). R: Clint Eastwood. B: Sam Dolnick, Nick Schenk. Da: Clint Eastwood, Bradley Cooper, Alison Eastwood, Taissa Farmiga. 116 Min.
Der Schauspieler Éric Caravaca, bekannt aus Filmen von Patrice Chéreau und Francois Dupeyron, geht in seinem ersten Dokumentarfilm einem Geheimnis auf den Grund, das seine Eltern viele Jahre lang hüteten: der Tod seiner Schwester, die 1963 im Alter von drei Jahren an einer seltenen Herzkrankheit starb und in der Grabstätte Nummer 35 auf dem Friedhof in Casablanca liegt. Caravaca versucht mit liebevoller Unerbittlichkeit, das Schweigen zu brechen. Mit „Carré 35“ gelang dem französischen Schauspieler eine Studie über Verdrängung und Befreiung, die an Tabus rührt, sich aber durch inszenatorische Diskretion auszeichnet.
Carré 35 (Frankreich/Deutschland 2017). R: Éric Caravaca. B: Éric Caravaca, Arnaud Cathrine. 67 Min.
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