Berlin (epd). "Ärzte ohne Grenzen" hat den Rücktransport von Bootsflüchtlingen vom Mittelmeer nach Libyen als völkerrechtswidrig kritisiert. In zwei Tagen hätten Handelsschiffe 250 Flüchtlinge nach Libyen zurückgebracht, wo sie in überfüllte Internierungslager in den Städten Misrata und Choms gesperrt worden seien, erklärte die Nothilfeorganisation am 23. Januar in Berlin. Ein Team von "Ärzte ohne Grenzen" habe am Montag in Choms zehn dieser Menschen wegen akuter Gesundheitsprobleme in ein Krankenhaus überwiesen. Ein 15 Jahre alter Junge sei trotzdem gestorben.
Die EU unterstütze mit der Finanzierung der libyschen Küstenwache und der Behinderung von Rettungsschiffen die systematischen Rückführungen von aufgegriffenen Flüchtlingen in eine Konfliktregion. "Menschen nach Libyen zurückbringen zu lassen, ist inhuman", sagte Florian Westphal, Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen" in Deutschland. "Die EU-Staaten inklusive Deutschlands zwingen Männer, Frauen und Kinder zurück in einen Kreislauf von Missbrauch und Gewalt."
Die Bundesregierung ignoriere den jüngsten UN-Bericht über die furchtbaren Zustände in Libyen. Statt für ausreichend Seenotrettung zu sorgen, ziehe sich die Bundesregierung sogar aus der EU-Operation "Sophia" zurück, die zuletzt ohnehin kaum noch Menschen gerettet habe. Westphal: "Europa lässt Schutzsuchende ertrinken und zwingt die Überlebenden in akute Gefahr." In den Lagern um Misrata und Choms befänden sich 930 Menschen, darunter Schwangere, Kleinkinder und Babys.
Die Gefangenen hätten keine Möglichkeit, aus den Zellen heraus ans Tageslicht zu kommen. Sie erhielten kaum sauberes Wasser und Nahrung. Einige der kürzlich zurückgebrachten Menschen litten an Mangelernährung, Unterkühlung oder schwerem Durchfall. Mehrere berichteten, dass sie vor ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, bereits wochen- oder monatelang von Menschenhändlern gefangen gehalten und systematisch missbraucht und gefoltert worden seien.
Zudem gerieten den Angaben zufolge bei den jüngsten Kämpfen im Süden von Tripolis erneut Flüchtlinge und Migranten in einem offiziellen Internierungslager in die Schusslinie. Bei den Kämpfen wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 14 Menschen getötet und 58 verletzt. Zivilisten waren zeitweise in der Kampfzone eingeschlossen, darunter etwa 228 Geflüchtete und Migranten in einem Internierungslager.