Washington (epd). Angela Davis, das war Anfang der 70er Jahre die junge, militante Frau mit der großen Afro-Frisur, die in den USA in Untersuchungshaft saß. Das FBI zählte sie zu den zehn gefährlichsten Verbrechern des Landes. Gesucht wurde sie mit einem Steckbrief, in dem es hieß, sie sei vermutlich bewaffnet: Davis habe im August 1970 Schusswaffen für eine versuchte Gefangenenbefreiung besorgt, bei der vier Menschen ums Leben kamen.
Ein falscher Vorwurf, wie sich herausstellte: Im Juni 1972 wurde Davis freigesprochen, nach beinahe eineinhalb Jahren Untersuchungshaft. Dem war eine weltweite Kampagne vorausgegangen. "Freiheit für Angela Davis und alle politischen Gefangenen" - Anfang der 70er Jahre war dies einer der bekanntesten Slogans von Linken und Kriegsgegnern.
Heute ist die Philosophin emeritierte Professorin der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Politisch links ist sie noch immer, spricht und schreibt viel über Frauenrechte. Und immer wieder prangert sie das US-Gefängniswesen an. Am 26. Januar wird Angela Yvonne Davis 75. Ihr berühmter Afro ist grau geworden.
Auf der ganzen Welt hatten sich Aktivisten während ihrer Haft 1971-72 für sie eingesetzt. In der DDR war die Kampagne Staatssache gewesen, und offenbar auch ein Anliegen für viele Menschen. "Eine Million Rosen für Angela" hieß eine Solidaritätsaktion - Postkarten mit Rosenbildern sollen sich zu Hunderttausenden in Davis' Gefängnis gestapelt haben. Und Die "Rolling Stones" haben 1972 ein Lied zum Fall Davis geschrieben: "Sweet Black Angel".
"Entreißt Angela Nixons Kerker", schrieb die "Junge Welt", die Zeitung der FDJ. Die DDR sei "fest im Griff der Angela-Mania", spottete das US-Wochenmagazin "Time". Staatschef Erich Honecker empfing die Genossin bald nach ihrem Freispruch. Auf Fotos sieht man ihn lächelnd neben Davis, die ihn mit ihrem Haar um einen halben Kopf überragt.
Angela Davis faszinierte als Symbolfigur der Anti-Vietnamkriegsaktivisten, der Bürgerrechtler und der Black-Power-Bewegung: eine attraktive, intellektuelle junge Afroamerikanerin. An der Sorbonne in Paris hat sie französische Literatur studiert, in Frankfurt am Main studierte sie bei Theodor Adorno und Jürgen Habermas. In den USA war sie schließlich 1968 der Kommunistischen Partei beigetreten.
Sie sei Kommunistin geworden, erklärte Davis, weil sie überzeugt sei, der "einzige wahre Weg zur Befreiung Schwarzer" führe durch die Zerstörung des kapitalistischen Systems. Immer wieder berief sie sich später auf ihren Mentor, den Philosophen Herbert Marcuse (1898-1979). Er habe ihr gezeigt, dass man Akademiker und Aktivist zugleich sein könne.
Bei den US-Präsidentschaftswahlen 1980 und 1984, gewonnen vom Republikaner Ronald Reagan, trat Davis als kommunistische Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin an. 1980 erreichten sie und KP-Präsidentschaftskandidat Gus Hall 0,05 Prozent, 1984 0,04 Prozent der Stimmen.
Geboren und aufgewachsen ist Davis in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama, ganz im Süden der USA. In den 50er und 60er Jahren war dieses Städtchen als "Bombingham" bekannt: Der Ku-Klux-Klan wütete gegen afroamerikanische Familien. In Birmingham ereignete sich eines der schlimmsten Gewaltverbrechen zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung: Im September 1963 ging in einer Baptistenkirche eine Bombe hoch, gelegt von weißen Rassisten. Vier Mädchen starben, das jüngste elf, das älteste 14 Jahre alt. Angela Davis war damals 19.
Eine Kontroverse gab es in Birmingham kurz vor Davis' 75. Geburtstag um ihr Engagement zur Palästinenserfrage: Das Birminghamer Bürgerrechtsinstitut machte Anfang Januar seine Entscheidung rückgängig, Angela Davis mit einem Preis zu ehren. Nach Angaben von Bürgermeister Randall Woodfin habe es gegen die geplante Auszeichnung Proteste aus der örtlichen jüdischen Community und von einigen ihrer Mitstreiter gegeben. Denn Davis gilt als Befürworterin der BDS-Kampagne zum Boykott Israels. Bürgermeister Woodfin hat das Bürgerrechtsinstitut zum Dialog aufgefordert.
Mit dem Altern kommt die Aktivistin offenbar zurecht: Das Alt-Sein sei gar nicht so schlecht, sagte Angela Davis kürzlich im Rundfunkprogramm "Democracy Now". Hoffnung machten ihr engagierte junge Menschen, die das Konzept von Freiheit ausdehnten. Das Hinterfragen der Norm der binären Geschlechtsidentität hat "uns erlaubt zu sehen, dass alles hinterfragt werden kann".
Die Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten sei "wunderbar" gewesen, urteilte sie einmal. Obama habe Hoffnung repräsentiert. Und Donald Trump? Seine Präsidentschaft sei das Produkt einer politischen Krise im Zweiparteiensystem, sagte sie im vergangenen Jahr in einem Interview. Und gab sich zuversichtlich: Amerika werde diesen Präsidenten überleben. Trump werde einmal eine Art Fußnote der Geschichte sein.