Frankfurt a.M. (epd). Seit Jahren rätseln Forscher über ein Phänomen: Warum werden viele Menschen - im weltweiten Durchschnitt - glücklicher, wenn sie älter werden? Einigen Studien zufolge erreicht die Zufriedenheit im Leben mit etwa Mitte 40 ihren Tiefpunkt. Mit rund 50 steigt das Level wieder an. "Die Generation 50plus ist gar nicht auf dem Abstellgleis, sondern auf der Startrampe", so beschreibt es die Lebenshilfe-Autorin Andrea Micus ("Die Glückskurve des Lebens")
Die Gründe? Zum einen nehme bei vielen Menschen in ihren 50ern der Stress langsam ab und die emotionale Kontrolle zu, erklärt der US-amerikanische Autor Jonathan Rauch ("Happiness Curve - Why Life Gets Better After 50) - vorausgesetzt, die Menschen sind gesund, haben ein gutes soziales Umfeld und finanzielle Sicherheit.
Wandel der Alterspyramide
Allerdings glauben nicht alle Forscher an das Modell einer solchen U-förmigen Glückskurve. Wenn überhaupt, gelte dies wohl eher in wohlhabenden Nationen, führen die Kritiker an. In Ländern der früheren Sowjetunion oder in Osteuropa zum Beispiel sei das Wohlbefinden statistisch betrachtet in der Jugend deutlich geringer als im Westen - um dann im Alter stetig abzunehmen.
Mit dem Wandel der Alterspyramide ist weltweit das wissenschaftliche Interesse daran gewachsen, was das Altern eigentlich mit uns macht, ob und wie es unser Denken, unser Gedächtnis, unsere Persönlichkeit verändert, wie die Wiener Entwicklungspsychologin Judith Glück ("Weisheit - Die 5 Prinzipien des gelingenden Lebens") schreibt. Das vorherrschende Bild des Alterns war lange Zeit negativ bestimmt. Dies ändere sich jetzt spürbar.
Dankbarkeit, Loslassen und die Integration der eigenen Schattenseiten
Zwar lassen Fähigkeiten wie Sehvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit und die Gedächtnisleistung nach. Aber in anderen Bereichen "können bis weit ins Alter hinein positive Entwicklungsprozesse stattfinden", erklärt die Psychologin Glück: Viele Menschen erlebten "ihr Erwachsenenalter als eine Zeit des Lernens aus dem Leben selbst: Wir werden gelassener; wir lernen uns zu erlauben, was uns guttut; wir entwickeln in unseren Beziehungen das optimale Gleichgewicht aus Autonomie und Nähe."
Dankbarkeit, Loslassen und die Integration der eigenen Schattenseiten sind nach Ansicht des Psychologen Hans Gerhard Behringer die besten Begleiter für die späteren Jahre. "Die Kunst des Älterwerdens lässt sich erlernen", sagt der Autor ("Wie das Leben weise macht - Eine Spiritualität des Älterwerdens") dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Gute Begleiter auf dem Weg
Behringer empfiehlt, sich möglichst früh eine Lebenshaltung der Gelassenheit und Achtsamkeit anzueignen. Dies seien gute Begleiter auf dem Weg in die zweite Lebenshälfte und darüber hinaus. Vor allem die Dankbarkeit sei die "Medizin des Älterwerdens", betont Behringer. Daher solle man sich täglich fragen: "Habe ich meine Medizin schon eingenommen?"
"Dankbarkeit ist gesund", unterstreicht auch der US-Experte Rauch: "Studien zufolge steigert Dankbarkeit eine optimistische Grundstimmung, Glück und körperliches Wohlbefinden." Dankbarkeit gegenüber dem Leben könne Arztbesuche und Schlaflosigkeit reduzieren: "Wäre Dankbarkeit eine Pille, jeder Arzt würde sie verschreiben."
"Jugendkult macht unglücklich"
Eine Gesellschaft sei nur glücklich, wenn sie das Alter ehre, betont der Kölner Psychiater und Theologe Manfred Lütz. "Der Jugendkult macht unglücklich", sagt der Bestseller-Autor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Um glücklich zu leben, müsse man die späteren Jahre positiv sehen, rät der Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln, der auch der Päpstlichen Akademie für das Leben angehört.
Den seit Jahrzehnten anhaltenden Jugendkult gibt es Lütz zufolge vor allem deswegen, "weil er wirtschaftlich hochinteressant ist". Denn so könne man zahllose Mittelchen verkaufen, um jünger auszusehen als man eigentlich ist. Jeder aber wisse, dass das eine Anleitung zum Unglücklichsein sei: "Denn natürlich ist nur eine Gesellschaft, die das Alter ehrt, eine glückliche Gesellschaft. In einer Gesellschaft, die nur die Jugend ehrt, würden schon 16-Jährige in eine dunkle Zukunft blicken."
Lütz: "Wenn man sich nämlich von der Werbung einreden lässt, dass das Alter ja nur Mühe ist, dann wird es später auch mühsam. Dann produziert man eine unglückliche Gesellschaft, denn wir werden ja alle immer älter." Für ein gutes Älterwerden rät der Psychiater einfach: "Vor allem sollte man nicht dauernd rumjammern."