Stuttgart/Wiesbaden (epd). Mit Festgottesdiensten haben die beiden großen Kirchen am ersten Advent ihre Spendenaktionen zu Weihnachten eröffnet. Die evangelische Hilfsorganisation "Brot für die Welt" stellt ihre Kampagne im Jubiläumsjahr unter das Motto "Hunger nach Gerechtigkeit". Es ist die 60. Spendenaktion des Hilfswerks. Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel mahnte in einem live in der ARD übertragenen Gottesdienst in Stuttgart: "Ohne Gerechtigkeit wird der Hunger bleiben." Die katholische Adveniat-Aktion unter dem Motto "Chancen geben - Jugend will Verantwortung" ist jungen Menschen in den von Armut und Gewalt beherrschten Regionen Lateinamerikas gewidmet.
Der evangelische Landesbischof Frank Otfried July sagte in der Stuttgarter Leonhardskirche: "Seit 60 Jahren geben Menschen durch 'Brot für die Welt' Zeichen der Hoffnung weiter." Die Botschaft sei: "Bedrückende Verhältnisse können verändert werden." Wo Menschen satt werden, ein Zuhause finden, Würde erfahren, da komme Gott an, sagte der württembergische Bischof auf der Kanzel der ersten Vesperkirche Deutschlands. Der Festgottesdienst war der Auftakt ins Jubiläumsjahr des Hilfswerks.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) betonte in einem Grußwort, in unserer satten Wohlstandsgesellschaft würden die allermeisten den Hunger nach Brot zum Glück nicht mehr kennen. "Aber ein Verlangen nach Gerechtigkeit schon. Und das Bedürfnis, Notleidenden zu helfen." Jesu Gerechtigkeit bedeute mehr als Wohlstand, nämlich auch Gemeinsinn und Verantwortung für den Nächsten. "Ob wir wollen oder nicht, heute hat diese Verantwortung eine globale Dimension."
Die weltweiten Partner von "Brot für die Welt" wurden im Gottesdienst von Colin Gonsalves vertreten, einem indischen Menschenrechtsanwalt und Träger des alternativen Nobelpreises. Er hat mit einer Musterklage vor dem indischen Verfassungsgerichtshof das "Recht auf Nahrung" erstritten. "Jugendliche aus Deutschland, reist zu den Armen dieser Welt und helft ihnen, das wird euch für ein ganzes Leben prägen", sagte Gonsalves.
Unter dem Motto "Brot für die Welt" hatten evangelische Landes- und Freikirchen erstmals am 12. Dezember 1959 in der Berliner Deutschlandhalle zu Spenden für die Hungernden weltweit aufgerufen. Das Hilfswerk sammelte bislang rund 2,4 Milliarden Euro an Spenden und Kollekten. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Spendeneinnahmen auf 61,8 Millionen Euro. Zudem erhielt das Hilfswerk 54,7 Millionen Euro aus kirchlichen Mitteln und 147,3 Millionen Euro vom Entwicklungsministerium. "Brot für die Welt" fördert mehr als 1.500 Projekte in 97 Ländern.
In der Wiesbadener Jugendkirche KANA begann am 2. Dezember die Weihnachtsaktion des katholischen Hilfswerks Adveniat. Wenige Wochen vor dem katholischen Weltjugendtag in Panama soll mit Hilfe der Spenden ein Beitrag dazu geleistet werden, dass die Jugendlichen eine Perspektive außerhalb von sozialem Elend oder Jugendbanden haben.
"Noch nie war die Welt so bedroht, so gefährlich und gewaltvoll wie heute", sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing. Armut und soziale Ungerechtigkeit trieben junge Menschen auf Abwege. "Eine echte Chance bekommen, heißt gute Bildung, verlässliche Beziehungen und Freundschaften, gesundes Leben, sauberes Wasser, saubere Luft, Arbeit und Auskommen."
Der für das Hilfswerk in der katholischen Kirche zuständige Bischof Franz-Josef Overbeck sagte, mit dem Eröffnungsgottesdienst und vielen Veranstaltungen im Bistum Limburg beginne Adveniat die Aktionen, um die Lebenssituation der jungen Menschen in Lateinamerika und der Karibik in den Blick zu nehmen. "Denn Jugend will, in Lateinamerika wie hier in Europa, Verantwortung übernehmen", erklärte Overbeck.
Kardinal Gregorio Rosa Chavez aus El Salvador beklagte, viele Jugendliche würden aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe und fehlender Bildung diskriminiert. Die Kirche müsse helfen, den Jugendlichen die Chance auf ein würdevolles, selbstbestimmtes Leben zu geben. Dabei sei Adveniat seit vielen Jahren ein verlässlicher Partner.
Das Lateinamerika-Hilfswerk finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden, vor allem aus der Weihnachtskollekte. Im vergangenen Jahr wurden damit etwa 2.200 Projekte mit einem Volumen von rund 38 Millionen Euro gefördert.
Gelsenkirchen (epd). Die westfälische Präses Annette Kurschus hat die Arbeit des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" gewürdigt. Das Engagement der Organisation sorge dafür, das Bewusstsein für Ungerechtigkeit in der Welt wachzuhalten, sagte die leitende Theologin zum nordrhein-westfälischen Auftakt der 60. Aktion der Hilfsorganisation am 2. Dezember in Gelsenkirchen. Es sei ein Skandal, wenn Menschen nicht das Nötigste zum Leben haben. "Täglich sterben 22.000 Menschen an Hunger", unterstrich Kurschus.
Die Hilfsorganisation erinnere immer wieder an die Verantwortung der Menschen und trage dazu bei, die Zusammenhänge von Flucht, Migration und Hunger zu thematisieren, sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen bei dem Festakt im Rathaus Gelsenkirchen. Jesus habe gezeigt, wie Teilen gehe und sich den Menschen zugewandt, denen es am Notwendigen fehle.
Die Kirchenrätin der Evangelischen Kirche im Rheinland, Anja Vollendorf, hob hervor, dass "Brot für die Welt" bei seinen Projekten auf die Hilfe zur Selbsthilfe setze. Bei der Suche nach den richtigen Lösungen würden immer Experten vor Ort eingebunden. Dabei werde auf die örtlichen Bedürfnisse eingegangen.
Nach Einschätzung des Vorstands der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, von Christian Heine-Göttelmann, wird künftig in vielen Regionen der Erde die Frage nach den Zugängen zu sauberem Wasser das vorherrschende Thema sein. In Israel erlebe man derzeit schon, dass Wasserversorgung zum vordringlichen Problem werde.
Unter dem Motto "Brot für die Welt" hatten evangelische Landes- und Freikirchen erstmals am 12. Dezember 1959 in der Berliner Deutschlandhalle zu Spenden für die weltweit Hungernden aufgerufen. Am Ersten Advent wird jährlich die neue Spendenaktion eröffnet. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto "Hunger nach Gerechtigkeit". Die bundesweite Eröffnung der 60. Spendenaktion fand in der Stuttgarter Leonhardskirche statt.
Detmold (epd). Die Lippische Landeskirche kann im kommenden Jahr mit rund 47 Millionen Euro wirtschaften. Die lippische Landessynode beschloss zum Abschluss der Tagung am 27. November unter anderem den Haushalt. Jugendliche sollen künftig mehr in der Landeskirche mitbestimmen können. Modellprojekte sollen in den Kirchengemeinden ab 2019 kreative neue Wege ermöglichen. Landessuperintendent Dietmar Arends bekräftigte, dass Kirche im Umgang mit der AfD bei Rassismus klar Position beziehen müsse.
Mit rund 47,3 Millionen Euro liegt der Haushalt für das kommende Jahr 1,7 Millionen Euro über dem des laufenden Jahres. Aus Kirchensteuern werden im Jahr 2019 rund 35 Millionen Euro erwartet, das sind etwa 1,5 Millionen Euro mehr als die für das laufende Jahr geschätzten Einnahmen. Wegen der günstigen Konjunktur verzeichne die Landeskirche aktuell höhere Einnahmen aus Kirchensteuern als ursprünglich angenommen, sagte der Juristische Kirchenrat Arno Schilberg weiter. Angesichts sinkender Zahlen an Gemeindemitgliedern und damit potenziell rückläufiger Kirchensteuermittel müsse weiter sparsam gewirtschaftet werden.
Landessuperintendent Arends bekräftigte, dass Kirche rassistische Parolen von AfD-Vertretern nicht tolerieren dürfe. Kirche müsse zwar auch mit AfD-Vertretern reden, sagte Arends am 27. November. "Wir müssen aber auch sagen, wo das Miteinanderreden an ein Ende kommt." Unerträglich seien etwa rassistische Parolen. Der Umgang der Kirche mit der AfD bleibe eine Gratwanderung. Werde auf jede Provokation umgehend reagiert, biete man der AfD möglicherweise ein Podium. "Wegschweigen" sei jedoch auch keine Lösung, sagte Arends.
Junge Menschen sollen in der Lippischen Landeskirche mehr Mitsprache haben. So sollen laut einem Synodenbeschluss Gemeindemitglieder zwischen 14 und 27 Jahren in die Gremien wie Kirchenvorstand, Klassentage und Landessynode berufen werden.
Die Lippische Landeskirche richtet zudem eine Pfarrstelle für "Soziale Medien und Digitalisierung" ein. Damit reagiere die Landeskirche auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung und das Anwachsen der "Sozialen Medien", sagte der Theologische Kirchenrat Tobias Treseler. Aufgaben seien unter anderem die Erprobung neuer Möglichkeiten für den Gemeindealltag und Gottesdienst, sowie der Aufbau landeskirchlicher Angebote in den "Sozialen Medien" und die Beratung von Gemeinden. Das sei ein fundamentaler Beitrag des kirchlichen Verkündigungsauftrages. Pfarrstellen in dieser Form seien bundesweit eine Seltenheit. Das Kirchenparlament beschloss zudem die Einrichtung einer halben Pfarrstelle für die Seelsorge für Studenten.
Auf die geringer werdenden Mitgliederzahlen und zurückgehenden Einnahmen will Lippische Landeskirche mit kreativen Modellprojekten in den Kirchengemeinden reagieren. In sogenannten Erprobungsräumen sollen Kirchengemeinden neue Wege gehen können. Die geplanten Modellprojekte sollen beispielsweise bei der regionalen Zusammenarbeit von Kirchengemeinden sowie in der Diakonie, Jugendarbeit oder Kirchenmusik neue Wege erproben. Dafür will die Landeskirche ab 2019 für die Dauer von fünf Jahren insgesamt 1,5 Millionen Euro bereitstellen, also jährlich 300.000 Euro.
Nach zwölfjähriger Amtszeit wurde der Präses der Synode, Pfarrer Michael Stadermann (62), verabschiedet. Stadermann dankte den Synodalen für die Wegbegleitung. Sein Amt habe ihm immer viel Freude gemacht.
Detmold (epd). Die Lippische Landessynode hat sich mit der Bedeutung des südafrikanischen Bekenntnissen von Belhar für die Lippische Landeskirche befasst. Die Anliegen des zur Zeit der Apartheid in Südafrika verfassten Bekenntnisses seien auch für die Lippische Landeskirche von Bedeutung, sagte Landessuperintendent Dietmar Arends. Die theologische Schrift plädiere über alle Grenzen von Herkunft und sozialer Zugehörigkeit hinweg für Einheit, Versöhnung und Gerechtigkeit. Deshalb sei zu erwägen, ob es auch in der Verfassung der Lippischen Landeskirche erwähnt werden solle - ähnlich wie bereits die Barmer Theologisch Erklärung.
In der von der "Uniting Reformed Church in Southern Africa (URCSA)" verfassten theologischen Schrift wird jegliche Trennung nach Hautfarbe verurteilt und die mit ihr verbundene Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen. Gleichzeitig wird darin der Einsatz gegen Ungerechtigkeit und für die Entrechteten als wichtiger Teil des christlichen Glaubens betont.
Das Bekenntnis von Belhar habe eine Relevanz, die über Zeit und Länder hinausgehe, sagte Arends weiter. In der Weltgemeinschaft der Kirchen sei das Bekenntnis von Belhar ein selbstverständlicher Referenzpunkt. Die theologische Schrift schärfe das theologische Profil, beispielsweise in der kirchlichen Flüchtlings- und Menschenrechtsarbeit. Mit Landessynode solle ein Diskussionsprozess gestartet werden.
Der Moderator der "Uniting Reformed Church in Southern Africa (URCSA)", Leepo Modise, erläuterte, das Bekenntnis von Belhar sei in seiner Kirche "ein Motor im kirchlichen Leben". Es sei das Bekenntnis, dass Gott in besonderer Weise bei den Trauernden und Waisen sei. Das Bekenntnis sei nicht nur ein Papier, sondern kirchliches Leben, das in die Gesellschaft hineinwirke. Es mache auf Themen wie Rassismus und Korruption aufmerksam, die im Gegensatz zu kirchlichem Handeln stünden.
Hanns Lessing von der "Weltgemeinschaft reformierter Kirchen" (WGRK) erklärte, wenn Kirchen diese theologische Schrift übernehmen, nutzten sie einen Text aus der Zeit der Apartheid als Bekenntnis gegen Ausgrenzung. Zugleich sei das ein Schritt der Solidarität mit den Kirchen Südafrikas. Die Weltgemeinschaft lebe von gemeinsamen Bekenntnissen. Kirchen in Afrika und Europa hätten das Belhar-Bekenntnis übernommen. Dadurch entstehe ein globales Bekenntnis.
Köln (epd). Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, hat die Christen zum Einsatz für Versöhnung aufgerufen. "Die Kirchen verfolgen keinen Selbstzweck", sagte der Theologe am 1. Dezember in einer ökumenischen Adventsvesper mit dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki in der Kölner Basilika St. Aposteln. "Sie dürfen nicht nur fortwährend mit sich selbst beschäftigt und um den eigenen Fortbestand bemüht sein." Das gemeinsame Beten und Singen am Vorabend des ersten Adventssonntags sollte ein Zeichen der ökumenischen Verbundenheit setzen und das neue Kirchenjahr einläuten, das mit dem ersten Adventssonntag begann.
Rekowski appellierte an die Gläubigen, zu Botschaftern der Versöhnung zu werden und Licht dorthin zu bringen, wo Dunkelheit herrscht. Er beklagte laut Predigttext Unfrieden in den Familien, in denen Beziehungen zerbrechen könnten. Zudem machte der leitende Geistliche der rheinischen Kirche auf Armut und eine wachsende gesellschaftliche Kluft aufmerksam. Auch in der Welt wachse der Unfriede, sagte Rekowski und verwies beispielhaft auf den Bürgerkrieg im Jemen.
Evangelische und katholische Christen seien bereits Wegstrecken auf dem Friedensweg gegangen, etwa in den Hilfswerken Caritas und Diakonie, in der Seelsorge und in der gemeinsamen Hilfe für geflüchtete Menschen und Migranten. "Unsere Kirchen sind konfessionsübergreifend Hoffnungsgemeinschaften", betonte der rheinische Präses.
Das Erzbistum Köln und die rheinische Landeskirche setzten mit der ökumenischen Adventsvesper die seit Jahren bestehende Tradition fort, jeweils zu Beginn der Advents- und der Fastenzeit in Köln beziehungsweise Düsseldorf ökumenische Gottesdienste zu feiern.
Dortmund (epd). Ganz Dortmund wird im Juni kommenden Jahres zum Kirchentag. Mit drei zentralen Veranstaltungsgebieten in der Stadt und der Einbeziehung von bekannten Veranstaltungsorten wie Oper und Schauspielhaus werde es ein atmosphärisch dichter Kirchentag mit kurzen Wegen, kündigte Carsten Kranz am 28. November an. Der Vorstand des Organisationsteams für die Großveranstaltung des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der vom 19. bis 23. Juni zu Gast in Dortmund sein wird, verwies auf allein drei Eröffnungsgottesdienste.
In Dortmund sollen im Juni das Stadtzentrum, die Nordstadt mit den beiden großen Zielgruppenzentren für Kinder und Jugendliche und die Westfalenhallen als Messegelände die drei zentralen Veranstaltungsgebiete darstellen. Den Auftakt des Kirchentages mit seinen 2.000 Veranstaltungen an den fünf Tagen machen drei Eröffnungsgottesdienste auf dem Hansa- und auf dem Friedensplatz sowie in der Nähe des Ostentors.
Zu dem Gottesdienst am Ostentor werden bis zu 50.000 Besucher erwartet. Für die Auf- und Abbauarbeit der großen Bühne müsse der Bereich Brüderweg/Ostwall/Schwanenwall zwischen dem 16. und dem 20. Juni zeitweise gesperrt werden, kündigten die Organisatoren an. "Ein paar Umleitungen werde es zeitweise geben, die wir im Detail noch abstimmen und rechtzeitig mitteilen werden, so dass sich alle darauf einstellen können", erklärte Michael Meinders, Sprecher der Stadt Dortmund.
Im Anschluss an die Eröffnungsgottesdienste gibt es im Stadtzentrum den "Abend der Begegnung" als Willkommensfest der Stadt Dortmund und der Evangelischen Kirche von Westfalen. Auf zehn Bühnen werden Konzerte und an hunderten Ständen Kulinarisches aus Westfalen geboten.
An den folgenden drei Tagen vom 20. bis 22. Juni wird es allein in 40 Kirchen und Gemeindehäusern Veranstaltungen geben. Die zentrale Dortmunder Kirche St. Reinoldi werde zur Wunderkirche, hieß es. Jeder Besucher werde dort eine kleine Überraschung erleben. Aber auch die bekannten Dortmunder Veranstaltungsorte öffneten ihre Türen für den Kirchentag. Dazu zählten das Theater Dortmund mit Opernhaus und Schauspielhaus, das Konzerthaus und die DASA Arbeitswelt Ausstellung in Dorstfeld.
Der Schlussgottesdienst wird an zwei Orten gefeiert. Für die rund 100.000 erwarteten Gottesdienstbesucher wird neben dem Signal Iduna Park die Seebühne im Westfalenpark Ort für den Abschluss des Kirchentages sein.
An- und abreisen können die Besucher mit ihrem Kirchentagsticket aus nahezu ganz NRW kostenfrei. Alle Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und im Gebiet des Westfalentarifs können mit einer Tages- oder Dauerkarte des Kirchentags 2019 genutzt werden. Der Deutsche Evangelische Kirchentag besteht seit 1949 und ist alle zwei Jahre in einer anderen Großstadt zu Gast.
Frankfurt a.M. (epd). Mehr Abwechslung in den Lese- und Predigttexten - das ist das Ziel der neuen Perikopenordnung, die am ersten Adventssonntag in Kraft getreten ist. "Zusammengefasst lässt sich sagen: Das neue Perikopenbuch enthält mehr Altes Testament und weniger Briefabschnitte (Episteln)", erklärte der Vorsitzende der Liturgischen Konferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Michael Meyer-Blanck, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Lektionar und das Perikopenbuch enthalten die Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder, also für jeden Sonntag passende Textabschnitte (Perikopen) für die Schriftlesung und die Predigt. Außerdem sind jedem Sonn- und Festtag zwei Lieder zugeordnet, die die jeweiligen biblischen Texte aufgreifen, sowie ein Gebetspsalm und einen Bibelvers als geistliches Leitmotiv für die Woche oder den Tag ("Spruch der Woche").
Die letzte Perikopenordnung stammt aus dem Jahr 1977 und liegt somit über 40 Jahre zurück. Die neue Ordnung soll mehr Abwechslung in den Themen und Texten bringen, unter anderem gibt es nun mehr Bibeltexte, in denen Frauen vorkommen. Aber: "Eine maßvolle Revision war das Ziel", sagte Meyer-Blanck. "Der Charakter der einzelnen Sonntage ist gleichgeblieben."
Er nennt drei Gründe für die Neuerungen: Zum einen stammte bislang nur ein Sechstel aller Texte aus dem Alten Testament und das, obwohl es deutlich umfangreicher ist als das Neue Testament. Nun sei rund ein Drittel der Texte aus dem Alten Testament. Dafür habe man einige doppelte Perikopen herausgenommen, die sowohl im Markus- als auch im Matthäus-Evangelium vorkommen und ein paar schwierige Epistelperikopen (Briefe) gekürzt.
"Wir predigen nicht Texte, sondern wir predigen Jesus Christus mit Hilfe von Texten. Dazu gehört auch das Alte Testament", sagte Meyer-Blanck. Zum anderen seien viele alttestamentliche Texte Erzählungen, also Geschichten, über die man interessanter predigen könne als über so manchen einen komplizierten Briefabschnitt. Drittens sei die Revision auch Zeugnis eines fortgeschrittenen jüdisch-christlichen Dialogs.
Meyer-Blanck erwartet viel Zustimmung für die Änderungen. "Viele Pfarrerinnen und Pfarrer werden sie als Bereicherung empfinden, weil sie nun mehr als Alttestamentler gefragt sind und sich stärker mit der hebräischen Bibel beschäftigen dürfen", sagte der Bonner Theologieprofessor. Allerdings müssen sich Pfarrer nicht an die Perikopenordnung halten, sie können ihre Predigttexte frei wählen. Meyer-Blanck spricht aber von einer "guten Tradition", die auf die mittelalterliche Messe verweist.
Ein Großteil der Perikopen geht auf das 7. und 8. Jahrhundert zurück. Kaiser Karl der Große hatte damals eine einheitliche Messordnung für sein Reich eingeführt. Die katholische Kirche hingegen hat diese Messtradition nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verlassen, sie ist mit ihrem Messbuch von 1970 zu einer fortlaufenden Evangelienlesung übergegangen. Reformatorisch sei damit gerade die Bewahrung der frühmittelalterlichen Tradition, sagte Meyer-Blanck.
Frankfurt a.M. (epd). Die Debatte um die Predigt ist alt: Wurden wieder Fragen beantwortet, die keiner gestellt hat? War der Mensch auf der Kanzel authentisch, oder warf er nur mit Floskeln um sich? Wurde mein Glaube gestärkt? Wurde Hilfe zum Leben vermittelt? Ist etwas hängengeblieben?
Für Martin Luther (1483-1546) war das gepredigte Wort unverzichtbares Medium zum Verständnis des Evangeliums. Seine Predigten erklärten in bis dahin unbekannter Weise die Welt und das Verhältnis zu Gott. Das war neu und rüttelte die Menschen auf. Pastorinnen und Pastoren gelingt es heute aber immer seltener, mit Predigten Aufsehen zu erregen. Die große Zeit dieser Form scheint vorbei zu sein.
Fast ausgestorben sind rhetorisch wortgewaltige - aber auch umstrittene - Erweckungsprediger wie Billy Graham (1918 - 2018). Allenfalls die frühere hannoversche Bischöfin Margot Käßmann, deren Neujahrspredigt 2010 mit dem Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" nachhaltigen politischen Trubel auslöste, sorgt in ihren Reden immer mal wieder für Aufsehen.
Sonntag für Sonntag bemüht sich in den mehr oder weniger gut gefüllten Kirchen die evangelische Pfarrerschaft mit meist viertelstündigen Ansprachen um ihr Publikum. Sie sollten es lassen, findet Hanna Jacobs. Die junge Theologin machte Ende Oktober in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" unter der Überschrift "Schafft die Predigt ab!" mit ihrer Zunft kurzen Prozess.
Die Predigt sei eine Kernkompetenz des Protestantismus und müsse bleiben, antwortete ihr der Tutzinger Akademiedirektor Udo Hahn. "Abschaffen ist kapitulieren", kommentierte auch Ulf Poschardt, Chefredakteur der "Welt", der sich 2017 in einem Tweet über eine seiner Meinung nach zu politische Weihnachtspredigt aufgeregt hatte.
Um bessere und originellere Predigten bemüht sich der Bonner ökumenische Predigtpreis, der 2000 erstmals vergeben wurde. So unterschiedliche Kandidaten wie der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch (1925-2005), der evangelische Theologe und Bestseller-Autor Jörg Zink (1922-2016), der Theologieprofessor Eberhard Jüngel oder der CDU-Politiker Norbert Lammert zählen zu den Preisträgern. Die Qualität der Predigt auf breiter Basis hat freilich auch diese Institution nicht nachhaltig verbessern können.
Der emeritierte Bonner Theologieprofessor Reinhard Schmidt-Rost muss als Jury-Mitglied viele Predigten lesen. Ein evangelischer Gottesdienst ohne Predigt ist für ihn nicht vorstellbar: "Eine gute Predigt leistet eine differenzierte Wahrnehmung der Lebenssituationen, sie soll Lebensdeutung und Orientierung im Geist Jesu Christi bieten", so Schmidt-Rost. Dazu brauche sie eine "zu Herzen gehende sprachliche Gestaltung von Erfahrungen", was viel Vorbereitungszeit in Anspruch nehme. Diese Aufgabe müssten die Pfarrer ernst nehmen, sonst verkomme "die Gemeinde der Heiligen zu einer Gemeinde der Eiligen", mahnt der Theologe.
Der Streit um die Predigt hat inzwischen die Ausbildungsstätten erreicht. Als Fachdisziplin der Praktischen Theologie nimmt die Homiletik in der Ausbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer viel Raum ein. Auch nach der Uni werden Vikare weiter in der Predigtlehre geschult. Professor Lutz Friedrichs leitet das Evangelische Studienseminar Hofgeismar, das bis vor kurzem noch "Predigerseminar" hieß. Dort durchlaufen die Pfarramtskandidaten der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ihre letzte Ausbildungsphase vor der Ordination.
"Gearbeitet wird am Handwerk, an der Stimme, am Aufbau einer Rede, an einer verständlichen Sprache", zählt Friedrichs die Lernziele auf. "Aber entscheidend ist die Haltung. Deshalb steht an erster Stelle das Zuhören. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Gelingen einer Predigt von der Fähigkeit abhängt, zuhören zu können."
Dem Seminarleiter ist wichtig, dass die Vikare Gesellschaft und Kultur um sie herum wahrnehmen: "Wir lesen mit ihnen das Leben und ermutigen sie, sich nicht hinter Formeln und Floskeln zu verstecken. Sie sollen sich in ihren Predigten auf die Menschen einlassen und sich als Person zeigen, die mit Fragen des Glaubens ringt, die selbst Zweifel hat, die nicht immer schon eine Antwort hat."
Professor Friedrichs warnt seine Vikare davor, als "große Antwortgeber" aufzutreten. Als Ausbilder ist er davon überzeugt, dass die Zeit der klassischen Kanzelpredigt - von oben herab - vorbei ist. Die Predigt werde in postsäkularer Zeit zu einer "religiösen Rede auf Augenhöhe", so seine Einschätzung. Besondere Anlässe wie Gedenktage oder auch Bestattungen zeigten aber, dass es nach wie vor ein Bedürfnis nach guten Predigten gebe, allerdings bezogen auf gesellschaftliche oder biografische Anlässe. Davon könne die Sonntagspredigt lernen, so der Seminardirektor.
Garmisch-Partenkirchen (epd). Bayern ist das erste Bundesland, in dem das evangelische "besondere Kirchgeld" abgeschafft wird. Die Synode der bayerischen evangelischen Landeskirche stimmte am 29. November bei ihrer Herbsttagung in Garmisch-Partenkirchen für den Verzicht auf die umstrittene Form der Kirchensteuer. Derzeit sei keine andere Landeskirche bekannt, die das "besondere Kirchgeld" abgeschafft hätte, bestätigte ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem epd. Die bayerische Landeskirche verzichtet damit auf Steuereinnahmen in Höhe von rund 13 Millionen Euro. Die Steuer wird rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft.
"Besonderes Kirchgeld" müssen in Bayern seit 2004 evangelische Kirchenmitglieder zahlen, wenn sie mit ihrem Ehegatten gemeinsam steuerlich veranlagt sind, dieser aber kein Mitglied einer Kirche oder Weltanschauungsgemeinschaft ist. Jährlich sind landesweit rund 30.000 Kirchenmitglieder davon betroffen. Das "besondere Kirchgeld" hatte in den vergangenen Jahren "für Spannungen gesorgt", erläuterte Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner. Bei vielen Kirchenmitgliedern habe es zu erheblichen Belastungen im Verhältnis zu ihrer Kirche geführt.
Das "besondere Kirchgeld" wurde bislang von allen evangelischen Landeskirchen in Deutschland - und damit auch in allen Bundesländern - verlangt, Bayern bildet nun eine Ausnahme. Auch einige katholische Bistümer ziehen das "besondere Kirchgeld" ein. Die katholische Kirche erhebt es aber nicht in allen Bundesländern und in manchen Bundesländern nicht immer flächendeckend. Während in Nordrhein-Westfalen gleich drei Landeskirchen das "besondere Kirchgeld" fordern, verzichten die katholischen Diözesen dort darauf.
Bei der Einführung habe der Blickwinkel auf jenen Mitgliedern gelegen, die viel verdienen und aus Spargründen aus der Kirche austreten, deren Familie jedoch in der Kirche bleibt, "um weiterhin von deren Leistungen zu profitieren", sagte der bayerische Oberkirchenrat. Doch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich verändert: Heute seien meist Ehen betroffen, in denen ein Partner noch nie Mitglied einer Kirche war oder in denen ein Partner aus der katholischen Kirche ausgetreten sei. Die Begründung von damals sei heute deshalb kaum noch zu vermitteln, es gebe "grundsätzliche Akzeptanzprobleme", wie Wiedereintrittsstellen, Kirchensteuerämter und Pfarrämter fortlaufend berichten.
Zudem habe das "besondere Kirchgeld" auch die Gerichte beschäftigt, zuletzt sogar den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte. Obwohl die Gerichte die Auffassung der Kirche bisher bestätigt haben, wurde Hübner zufolge niemals die erwartete Akzeptanz erreicht. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Haltung der Gerichte einmal ändere.
Stuttgart (epd). Die Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg will in den kommenden Monaten doch noch einen Weg finden, gleichgeschlechtliche Paare in einem öffentlichen Gottesdienst segnen zu lassen. Eine große Mehrheit des Kirchenparlaments stimmte am 28. November in Stuttgart dafür, einen entsprechenden Gesetzentwurf des Oberkirchenrats demnächst in Ausschüssen weiter zu bearbeiten. Vor einem Jahr war ein ähnliches Gesetz knapp an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gescheitert.
Der neue Entwurf sieht vor, dass der Oberkirchenrat auf Gemeinden zugeht, die zu Gottesdiensten für diese Paare bereit sind. Dabei dürfte es vor allem um sogenannte Regenbogen-Gemeinden gehen, die sich für die Gleichbehandlung Homosexueller auf allen Ebenen einsetzen. Bislang haben sich 78 der rund 1.300 württembergischen Kirchengemeinden der "Initiative Regenbogen" angeschlossen, das sind sechs Prozent. Für ein Segnungsangebot müssten dem Entwurf zufolge vor Ort drei Viertel des Kirchengemeinderats sowie drei Viertel der Pfarrer einer Gemeinde votieren.
Für die Feiern müssen die Gemeinden zudem eine örtliche Gottesdienstordnung einführen. Deshalb wird der Anteil der württembergischen Gemeinden, die überhaupt solche Segnungsgottesdienste anbieten dürfen, vom Gesetz zunächst auf 25 Prozent begrenzt. Sollten mehr als rund 325 Kirchengemeinden solche Feiern einführen wollen, müsste sich die Landessynode erneut damit beschäftigen und eine für die gesamte Landeskirche gültige Gottesdienstordnung beschließen.
Scharfe Kritik an dem Entwurf kam von mehreren Synodalen des Gesprächskreises "Offene Kirche". Elke Dangelmaier-Vincon nannte ihn eine "scheinheilige Lösung" und "Wischiwaschi". Sie wolle als Pfarrerin gleichgeschlechtliche Paare "ohne Einschränkung" trauen dürfen. Brigitte Lösch sagte, das Papier gehe auf keine einzige Forderung der "Offenen Kirche" ein, Sabine Foth sprach von einer "Ohrfeige für alle gleichgeschlechtlich Liebenden, die ihr Leben unter Gottes Segen stellen wollen".
Vertreter der "Lebendigen Gemeinde" zeigten sich verwundert über die schroffe Ablehnung. Der Nagolder Dekan Ralf Albrecht wies darauf hin, dass es für theologisch konservative Kreise weiterhin "unfassbar schwer" sei, einen öffentlichen Gottesdienst für schwule und lesbische Paare zu akzeptieren. Philippus Maier nannte es nicht hilfreich, als Kirche etwas zu unterstützen, was die Bibel als Sünde zu bezeichne. Michael Schneider warf der "Offenen Kirche" vor, mit ihrer Ablehnung des Kompromissvorschlags eine Segnung für betroffene Paare zu verhindern.
Bei 15 Gegenstimmen und vier Enthaltungen verwies die Synode, die mehr als zwei Millionen württembergische Protestanten vertritt, dann aber doch den Gesetzentwurf in die synodalen Ausschüsse für Recht und Theologie. Die Einführung des neuen Gesetzes kann frühestens bei der nächsten Synodaltagung im März beschlossen werden.
Eine vollständige Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren, wie sie in der benachbarten badischen Landeskirche 2016 eingeführt wurde, ist in Württemberg auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Oberkirchenrat Michael Frisch hatte zuvor klargestellt, dass zu einer kirchlichen Trauung laut Bibel und den Bekenntnissen der Reformation explizit Mann und Frau gehören. Für die Einführung einer kirchlichen Ehe von Homosexuellen oder Menschen unbestimmten Geschlechts bräuchte es einen großen Konsens in der Landeskirche, sagte Frisch.
Frankfurt a.M. (epd). Er stellte sich gegen Adolf Hitler, protestierte gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik und warnte vor einer geistlosen Konsum-Gesellschaft. Der streitbare Schweizer Karl Barth (1886-1968) war jahrzehntelang die mutigste und prägnanteste Stimme des Protestantismus. Vor 50 Jahren, am 10. Dezember 1968, starb der "Kirchenvater des 20. Jahrhunderts" im Alter von 82 Jahren in seinem Geburtsort Basel.
Barth - unter anderem Theologieprofessor in Bonn, Göttingen und Münster - polarisierte sein Leben lang, vielen galt er als unbequemer Störenfried. In seinen späten Jahren warf man ihm zu wenig Distanz zum Kommunismus vor. Schweizer Politiker gingen auf Abstand. Viele erinnerten sich wieder an den jungen Barth, den unbequemen "roten Pfarrer", der ab 1911 in der kleinen Bauerngemeinde Safenwil im Aargau Arbeiter im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne unterstützt hatte.
In vielen Auseinandersetzungen agierte Barth "geradezu draufgängerisch", schrieb die Theologieprofessorin Christiane Tietz in ihrer in diesem Jahr erschienenen Biografie über den Schweizer Gelehrten: "Wenn er es für nötig hielt - und das war oft der Fall - legte er sich unerschrocken mit den politisch und kirchlich Mächtigen an."
Das wohlgeordnete Weltbild von Karl Barth zerbrach zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Der Spross einer evangelischen Theologendynastie, geboren am 10. Mai 1886, verzweifelte am Ausbruch des Nationalismus. Vor allem aber wuchs seine Skepsis gegenüber dem damals vorherrschenden Kulturprotestantismus - der bürgerlichen Theologie des 19. Jahrhunderts, die Brücken zwischen Religion und Zeitgeist schlug und zwischen Gott und Mensch vermitteln wollte.
Mit seiner 1919 erschienenen Auslegung des biblischen Römerbriefs begann eine neue Epoche der Theologie. Reformierte und lutherische Kirchen erinnern daran 2019 mit einem Karl-Barth-Jahr. Der frühe Barth habe den "unendlichen Abstand zwischen Gott und Mensch" betont und von Gott als dem ganz Anderen gesprochen, sagte der Wiener Theologieprofessor Ulrich H. J. Körtner dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Gegenüber heutigen Spielarten von Wellness-Religion bleibt diese Botschaft unvermindert aktuell."
Aus heutiger Sicht kaum verständlich, ja geradezu borniert, erscheint Barths Festhalten an einem Absolutheitsanspruch des Glaubens an Jesus Christus. In seiner Kirchlichen Dogmatik, verfasst ab 1932, bezeichnet er vor allem nichtchristliche Religionen wie den Islam als "Unglaube". Kritiker werfen Barth heute vor, den Anschluss an die Moderne verpasst zu haben.
Barths schroffes "Nein" gegen jede Art von Religion, die durch Menschen erschaffen ist, erscheine heute maßlos, räumte der einstige Grandseigneur des deutschen Protestantismus, Heinz Zahrnt (1915-2003), ein: "Damals aber bedeutete es das energische Halt gegen alle Versuchungen, neben Jesus Christus auch noch andere Offenbarungsquellen anzuerkennen, als da waren Staat, Volk, Führer, Blut und Boden, Rasse und Nation."
1934 wird Barth von seiner Bonner Professur suspendiert, weil er sich weigert, den Eid auf Adolf Hitler ohne einschränkenden Zusatz zu leisten. Diese Haltung mündete in die "Theologische Erklärung von Barmen", als deren geistiger Vater Barth gilt. Historiker werten die Thesen, die am 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen verabschiedet wurden, als moralische Legitimation für den Neuaufbau des deutschen Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg.
In der Barmer Erklärung grenzten sich evangelische Christen von der Ideologie des Nazi-Staates ab. Das zentrale Papier des Kirchenkampfes wurde weltweit auch zum Vorbild für christliche Befreiungsbewegungen in totalitären Staaten. "Der maßgebliche Anteil Karl Barths an der Barmer Theologischen Erklärung ist unbestritten", bekräftigt der Kirchenhistoriker Thomas Martin Schneider.
In seinem Privatleben war der Gelehrte mit der großen Brille eher unorthodox: Barth heiratete seine frühere Konfirmandin Nelly Hoffmann, mit der er fünf Kinder hatte. Doch seine 13 Jahre jüngere Sekretärin Charlotte von Kirschbaum wurde der vielleicht wichtigste Mensch in seinem Leben. Gegen alle Widerstände und moralische Empörung integrierte er "Lollo" als Lebensgefährtin in die Familie.
Eine Studie der US-amerikanischen Barth-Forscherin Suzanne Selinger zog Charlotte von Kirschbaum vor einigen Jahren aus dem Schatten des großen Theologen. Selinger beschreibt sie als Denkerin und Feministin, die das Werk Barths wesentlich mitbeeinflusste.
Ende März 1940 meldete sich Barth in seiner Schweizer Heimat freiwillig zum Militärdienst, bewusst nicht zum Bürodienst, sondern "mit Verpflichtung für den Kriegsfall." Nach dem Zweiten Weltkrieg warb er dann bei seinen Eidgenossen dafür, nicht völlig mit den Deutschen zu brechen.
"Es ist wohl nicht zu viel gesagt: Eine theologische Ära ging zu Ende, als Karl Barth starb", würdigte ihn der evangelische Theologe Werner Thiede. Wenn er je in den Himmel kommen sollte, soll Barth einmal gesagt haben, werde er sich dort zunächst nach Mozart erkundigen. Der einstige Bundespräsident Johannes Rau gab gerne eine andere Anekdote zum Besten. So soll Barth gefragt worden sein: "Herr Professor, werden wir droben unsere Lieben wiedersehen?" Seine Antwort: "Ja, aber die anderen auch."
Bottrop (epd). Blökende Schafe laufen mit einem Pfleger über das Gelände. Kinder lachen und haben Spaß beim Basteln von Vogelfutter-Behältern. Die Arche Noah in Bottrop ist eine ökopädagogische Kinder- und Jugendeinrichtung der evangelischen Kirche in der Stadt. Sie ermöglicht seit ihrer Gründung 1987 Stadt-Kindern und Jugendlichen, sich um Tiere zu kümmern und die Arbeit mit ihnen kennenzulernen. Zwölf Schafe, fünf Hängebauchschweine, fünf Kaninchen, drei Meerschweinchen sowie Hühner, Enten, Gänse wollen täglich versorgt werden.
Die Arche Noah richtet sich an Kinder verschiedener Altersgruppen. Die Arche Zwerge sind eine Mutter-Kind Gruppe, in der Mütter mit ihren Kindern jahreszeitlich bezogene Aktionen machen, wie Vogelfutter herstellen. Zu den Arche Küken gehören Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Sie basteln viel, zum Beispiel Drachen. Für Kaninchen- und Meerschweinchenfreunde gibt es den Tierpflegertreff. Und zu den Arche Farmern gehören Kinder ab zwölf Jahren. Sie nehmen sich größere Projekte vor und bauen zum Beispiel neue Spielgeräte für die Kinder.
Arche-Leiterin Gesine Timmer betont die vielfältigen Chancen, die sich aus der Kombination der Arbeit mit Kindern und Tieren ergeben. "Da kann man viel zusammen machen, unglaublich viel verbinden", sagt sie und nennt die Kooperationen mit Bottroper Grundschulen. In Projektwochen zu Themen wie Frühblüher oder Haustiere setzten die Schüler praktisch vor Ort um, was sie im Unterricht gelernt haben. Besonders sei auch die Zusammenarbeit mit der Förderschule an der Bergmannsglückstraße. Die Tiere gäben den Kindern, die sich schwer konzentrieren können, Ruhe und Geduld.
Neben dem täglichen Programm finden auf dem Gelände mitten in der Stadt mit alter Reithalle, Feuerstellen, Grünflächen sowie den Gehegen und Ställen für die Tiere auch Ferienspiele, Sommerfeste und Erlebnistage statt. Beim Waldwichtelmarkt im Winter gibt es Live-Musik am Lagerfeuer, Stockbrot, Flammkuchen und einen Weihnachtsmarkt mit Selbstgebasteltem.
Die Arche Noah ist auch Anlaufstelle für Konfirmanden. Seit zwei Jahren kommen Konfirmanden regelmäßig und bearbeiten einen Psalm. Außerdem findet einmal jährlich eine Taufe in der Reiterhalle statt. Auch Gottesdienste werden hier gefeiert.
Timmer, die für die pädagogische und ökologische Arbeit verantwortlich zeichnet, kann bei der Kinderbetreuung auf die Unterstürzung durch Mitarbeiter auf rund 2,5 Stellen zählen. Weitere Mitarbeiter kümmern sich um die Instandhaltung von Ställen und Gelände. Ein Pool von jugendlichen Ehrenamtlichen hilft ebenfalls regelmäßig.
Rund 30 Jahre Arche Noah bedeuteten langjährige Kontakte zu anderen kirchlichen Einrichtungen und ihrer Expertise, sagt Timmer. "Wenn ich ein besonderes Projekt plane, mit Kindern irgendwo anders hin möchte, dann kann ich auf einen riesengroßen Pool von Einrichtungen und Mitarbeitern zurückgreifen." Aber zunächst freut sich die Arche Noah auch auf Advent und Weihnachten. Der jährliche Waldwichtelmarkt findet in diesem Jahr am 1. Dezember ab 17 Uhr statt.
Düsseldorf (epd). Junge Leute aus der Evangelischen Kirche im Rheinland beraten im Januar auf einer erstmals einberufenen Jugendsynode über wichtige Fragen der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Sie erörtern bei ihrem Treffen vom 4. bis 6. Januar im rheinland-pfälzischen Kurort Bad Neuenahr unter anderem Themen, die auch auf der direkt im Anschluss tagenden regulären Landessynode verhandelt werden, wie die rheinische Kirche am 27. November in Düsseldorf ankündigte.
Ziel ist unter anderem, die Beteiligung junger Menschen in kirchlichen Strukturen zu ermöglichen. Zur rheinischen Kirche gehören rund 650.000 getaufte Kinder und Jugendliche. Die Jugendsynode setzt sich aus je 50 Delegierten der Landessynode und der Evangelischen Jugend im Rheinland zusammen. Hinzu kommen zehn Jugendliche und junge Erwachsene von Studierendengemeinden, landeskirchlichen Schulen, der ehrenamtlichen Konfirmandenarbeit und ökumenischen Gästen.
Mit den erarbeiteten Themen und Beschlüssen soll sich in den folgenden Jahren die Landessynode als oberstes Entscheidungsorgan beschäftigen. Themen der Landessynode 2019, die ihre Jahrestagung vom 6. bis 11. Januar in Bad Neuenahr abhält, sind unter anderem die Etablierung neuer Formen von Kirchengemeinde, die Bezahlung der Pfarrer und die Verabschiedung des Haushalts. Das Kirchenparlament hat 206 stimmberechtigte Mitglieder, darunter die Abgeordneten aus den dann 37 rheinischen Kirchenkreisen.
Die rheinische Kirche ist mit mehr als 2,5 Millionen Mitgliedern zwischen Niederrhein und Saar die zweitgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die Landessynode ist das wichtigste Organ: Sie ist zugleich Legislative und Exekutive und entscheidet über Aufgaben, die alle Gemeinden, Kirchenkreise und Einrichtungen betreffen. Außerdem verabschiedet sie den landeskirchlichen Haushalt und wählt den Präses.
Düsseldorf (epd). Die Evangelische Kirche im Rheinland setzt künftig stärker auf Freie Software und teilt auch eigene Programmierungen mit anderen Nutzern. Die zweitgrößte deutsche Landeskirche habe bereits viele Programmierlösungen mit Freier Software eingesetzt und von den Entwicklungen anderer profitiert, erklärte IT-Leiter Klaus Lammertz am 26. November in Düsseldorf: "Nun aber wollen wir bei uns entwickelte Programmierungen an die Allgemeinheit weitergeben." Dafür wurde die rheinische Kirche nach eigenen Angaben als erste kirchliche Einrichtung Mitglied der Open Source Business Alliance, in der rund 160 Organisationen ihre Open-Source-Programme austauschen.
Freie Programme stehen meist kostenlos zur Verfügung. Ihr Quelltext kann öffentlich eingesehen und von Dritten geändert und genutzt werden. Zu Open-Source-Programmen zählen etwa das Betriebssystem Linux, das Media-Center Kodi und der Webbrowser Firefox sowie die Textverarbeitungsprogramme OpenOffice und LibreOffice.
Als Mitglied der Open Source Business Alliance stellt die Landeskirche künftig eigene Weiterentwicklungen der Gemeinschaft zur Verfügung. Konkret geht es um das Intranet der rheinischen Kirche, das alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter nutzen können und das selbst größtenteils auf Freien Programmen basiert. Zu dem Portal gehören unter anderem Mail- und Terminfindungsprogramme.
"Freies Teilen von Wissen, so wie es durch Offenlegung des Quelltextes geschieht, passt sehr gut zu unserer Haltung als Kirche", unterstrich Kirchenrat Lammertz. Die Landeskirche unterstütze die Forderung der Open-Source-Allianz, dass Ergebnisse öffentlich finanzierter Entwicklungen der Allgemeinheit frei zur Verfügung gestellt werden.
Die rheinische Landessynode hatte 2015 eine Präferenz von Open-Source-Lösungen beschlossen. Bei Neuanschaffungen oder Umstellungen wird daher geprüft, inwieweit die Anforderungen durch Freie Software abgedeckt werden.
Büchel, Bonn (epd). Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, unterstützt am 7. Juli kommenden Jahres einen Aktionstag der Projektgruppe "Kirchen gegen Atomwaffen". Mit einer Veranstaltung im rheinland-pfälzischen Büchel soll an den zweiten Jahrestag der Verabschiedung des Atomwaffenverbotsvertrages durch 122 Staaten erinnert werden, wie der Verein für Friedensarbeit im Raum der EKD in Bonn mitteilte. Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin werde in der Andacht in Büchel predigen.
Bereits in diesem Jahr hatte es am 7. Juli einen kirchlichen Aktionstag in Büchel gegeben. Über 500 Christen hatten sich den Angaben zufolge daran beteiligt. In Büchel befindet sich ein Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr. Friedensaktivisten vermuten, dass sich dort noch 20 US-amerikanische Atombomben befinden.
Die Projektgruppe "Kirchen gegen Atomwaffen" hatte sich im Dezember 2017 auf Initiative des badischen Forums Friedensethik gebildet. Ihr gehören Christinnen und Christen aus den Landeskirchen in Baden, Bayern, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, der Pfalz, dem Rheinland und Württemberg sowie Mitglieder der katholischen Friedensbewegung Pax Christi an.
Bonn (epd). Die bundesweite Ökumenische Friedensdekade vom 10. bis zum 20. November 2019 soll unter dem Motto "Friedensklima" stehen. Damit wollten die Trägerorganisationen auf Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und dadurch entstehenden Kriegen und Konflikten aufmerksam machen, erklärte der Vorsitzende Jan Gildemeister am 30. November in Bonn. Zum anderen verweise das Motto auf eine zunehmende Individualisierung und einen Mangel an Mitmenschlichkeit in der Gesellschaft, ergänzte Marina Kiroudi von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). "Von einem friedlichen Klima im Miteinander sind wir weit entfernt."
Die Arbeitsmaterialien für die Friedensdekade sollen den Angaben zufolge Chancen und Möglichkeiten aufzeigen, klimabedingte Konflikte zu verhindern, und Anregungen für einen respektvollen Umgang miteinander geben. Für das Plakat und die Aktionsmaterialien wird im Rahmen eines bundesweiten Plakatwettbewerbs noch ein zentrales grafisches Motiv für das Jahresmotto "Friedensklima" gesucht.
Trägerorganisationen der Ökumenischen Friedensdekade sind die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) in Bonn und die ACK mit Sitz in Frankfurt a.M.. Außerdem arbeiten an der Planung Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche sowie von pax christi, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej), von Pro Asyl, der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste und des Internationalen Versöhnungsbundes mit.
Hannover, Düsseldorf (epd). Der Ökumenische Kreuzweg der Jugend steht im kommenden Jahr unter dem Motto "Ans Licht". Interessierte können Bilder, Texte, Noten, Musik sowie eine neue App zum Mitbeten ab sofort im Internet bestellen oder herunterladen, wie die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland am 30. November in Hannover mitteilte. Jugendleiter könnten die Materialien direkt nutzen oder an die Lebenssituationen der Jugendlichen anpassen.
Für den Jugendkreuzweg 2019 sei die erstmals 2017 angebotene Smartphone-App neu konzipiert worden, hieß es. Sie mache alle Materialien über das Handy zugänglich. Eine besondere Version biete unter anderem die Möglichkeit, Texte in der App zu verändern. Jugendliche könnten zudem eine "Single Prayer App" sowohl für das persönliche Gebet zu Hause als auch für unterwegs nutzen, hieß es.
Kreuzwege vergegenwärtigen bildlich die Passion Jesu. Sein Leidensweg wird in der Regel an 14 Stationen in Erinnerung gerufen, die von seiner Verurteilung durch Pilatus bis zum Tod am Kreuz reichen. Die Kreuzwege gehen letztlich auf das Leben der Christen in Jerusalem zurück, die schon im Altertum betend und singend die Orte des Leidens und Sterbens ihres Herrn nachgingen.
1958 wurde der Ökumenische Jugendkreuzweg als "Gebetsbrücke" zwischen jungen katholischen Christen in der Bundesrepublik und der DDR gegründet. Seit 1972 wird er ökumenisch begangen. Mit jährlich knapp 60.000 Teilnehmenden gehört er zu den größten ökumenischen Jugendaktionen. Träger sind die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland, die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend.
Dortmund (epd). Für eine Zwei-Staaten-Lösung gibt es im Nahostkonflikt nach den Worten des langjährigen Israel-Korrespondenten der ARD, Richard C. Schneider, keine Chance mehr. Auf beiden Seiten mangele es an Bereitschaft, dieses Ziel umzusetzen, sagte der Journalist am 30. November beim Westfälischen Thementag Israel-Palästina der Evangelischen Kirche von Westfalen in Dortmund. Die Lage im Gazastreifen bezeichnete er als eine "humanitäre Katastrophe". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe es versäumt, eine Perspektive zu entwickeln.
Innenpolitisch erlebe Israel ähnlich wie Europa und die Vereinigten Staaten ein Erstarken extremistischer Strömungen. Die rechten politischen Kräfte im Land versuchten die Gesellschaft zu unterminieren, sagte Schneider, der in Tel Aviv lebt. Wenn sich heute Populismus und religiöser Fanatismus Bahn brechen könnten, sei das auch eine Reaktion auf die Selbstmordattentate radikaler Palästinenser, betonte der Nahostexperte. Der Kampf der Fatah-Bewegung und der Hamas stoße heutzutage allerdings in der arabischen Welt auf immer weniger Interesse.
Zahlreiche Staaten des Nahen und Mittleren Ostens haben nach Worten des Buch- und Fernsehautors inzwischen Israel als Partner in Rüstungsfragen an ihrer Seite. Große Gefahr gehe im Nahen Osten vom Iran aus, der unter anderem die Hamas wie auch die Hisbollah-Milizen mit Waffen versorge, betonte Schneider. Der Journalist warnte vor einem Krieg in der Region, da sowohl die arabische als auch die israelische Seite hochgerüstet seien.
Die Präses der westfälischen Landeskirche, Annette Kurschus, wies auf die besondere Verantwortung für Israel und Palästina hin. Die begründe sich auch durch die "schuldhafte Verstrickung der evangelischen Kirche in die Schoah, die Zerstörung jüdischen Lebens während der Zeit des Nationalsozialismus". Das Leid der Menschen im Nahen Osten habe in den vergangenen Jahren eher zu- als abgenommen, so Kurschus. "Wir wollen uns der Verhärtung der Fronten entgegen stellen und suchen daher das Gespräch mit Israelis und Palästinensern."
Zugleich sprach sich die leitende Theologin für eine doppelte sowie kritische Solidarität aus. Sie wies dabei auf Positionen der Evangelischen Mittelost-Kommission hin. Kritische Punkte in der israelischen Politik seien der Siedlungsbau in der Westbank, der Verlauf der Mauer oder die Verhältnismäßigkeit der Reaktionen von israelischer Seite auf palästinensische Provokationen. Bei den Palästinensern gelte es wiederum zu hinterfragen, ob sie sich konsequent gegen Gruppen abgrenzten, die das Existenzrecht Israels ablehnten und wie sie es mit dem Aufbau demokratischer Strukturen hielten.
Düsseldorf (epd). Die Evangelische Kirche im Rheinland hat am 30. Novemebr in Düsseldorf zum dritten Mal ihren Architekturpreis vergeben. Ausgezeichnet wurden Neu- und Umbauten von Kirchen und Gemeindehäusern, wie das Landeskirchenamt mitteilte. In der Kategorie Kirche ging der Preis an die neue Christuskirche der Kirchengemeinde Köln. Das 2016 eingeweihte Gebäudeensemble, das neben dem denkmalgeschützten Turm der alten Kirche ein neues Kirchenschiff, moderne Gemeinderäume sowie Wohn- und Büroflächen umfasst, ist nach Ansicht der Preisjury "eine besonders gut gelungene erweiterte Nutzung von Kirche und kirchlichen Immobilien".
In der Kategorie Gemeindehaus entschied sich die Jury für den Gemeindezentrumsneubau der Gemeinde St. Tönis in Tönisvorst, der direkt an die Kirche angebaut wurde. "Neu und Alt verbinden sich auf eine schlichte und moderne Weise", heißt es in der Preisbegründung. Der Preis für eine besondere künstlerische Ausstattung ging an die Dorfkirche der Trinitatisgemeinde in Ohlweiler/Hunsrück. Dem Künstler Eberhard Münch sei es gelungen, mit seiner Wandmalerei und farbig gestalteten Glaselementen vor den Fenstern "einen völlig neuen Raumeindruck zu schaffen", hieß es.
Zwei Sonderpreise für gelungene Denkmalpflege vergab die rheinische Kirche für die Rosettenfenster der Friedhofskirche der Gemeinde Elberfeld-Nord in Wuppertal sowie für den Umbau des Innenraums der Heilandkirche in Bonn-Mehlem. Den erstmals vergebenen Publikumspreis gewann die Kirchengemeinde Altenessen-Karnap in Essen für den Neubau ihres Gemeindezentrums.
Der undotierte Architekturpreis der Evangelischen Kirche im Rheinland wurde 2012 zum ersten Mal verliehen und seither alle drei Jahre ausgelobt. Er soll die Anstrengungen von Kirchengemeinden und Kirchenkreisen würdigen, in Zeiten knapper Geldmittel ihre Gebäude einladend und mit evangelischem Profil zu gestalten. Ausgezeichnet werden sowohl die Entwurfsleistungen der beteiligten Architekturbüros und Künstler wie auch das Engagement der Kirchengemeinden und Kirchenkreise als Bauherren.
Solingen (epd). "Die Courage aller Bürger ist gefragt", sagte der 69-jährige Journalist am 30. November in Solingen. Die Demokraten müssten zusammenstehen und gemeinsam die "außerordentliche Vertrauenskrise" des Gemeinwesens überwinden. Derzeit machten sich Zweifel an Grundüberzeugungen der Demokratie breit und es drohe in der Mitte der Gesellschaft "eine innere Auswanderung aus unserer Demokratie, die wir nicht tatenlos hinnehmen dürfen".
Viele Menschen hätten zunehmend das Gefühl, dass ihren Sorgen und Problemen keine Aufmerksamkeit geschenkt werde und ihre Bedürfnisse nach Sicherheit, Wohlstand und Zugehörigkeit nicht gesehen würden, sagte Leyendecker auf einem Empfang des evangelischen Kirchenkreises Solingen. "Besonders schädlich ist, wenn sich das Gefühl breit macht: Die da oben können es nicht, und zwar auf allen Ebenen und auf allen Seiten." Diese Gräben dürften nicht noch tiefer werden. Die Politik müsse daher Zukunftsentwürfe haben, auf die Menschen hören und sie besser und stärker an Entscheidungen beteiligen.
Statt Symboldebatten zu führen, gelte es, Probleme wie eine auskömmliche Rente, bezahlbare Wohnungen, die Folgen der Digitalisierung und die Zukunft der Pflege anzugehen, betonte der Präsident des im kommenden Jahr stattfindenden 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund. Die Kultur des Zuhörens müsse wieder mehr gepflegt werden: "Es braucht keine oberflächlichen, inszenierten Dialoge, es braucht auch diese ganze Talkshow-Dramaturgie nicht."
Den politischen Parteien warf Leyendecker vor, sie ließen sich bei ihrer Themensetzung zu sehr von der rechtspopulistischen AfD treiben. Das gelte auch für die Kandidaten für den künftigen CDU-Vorsitz, die sich derzeit auf Regionalkonferenzen vorstellen. Mitunter habe es den Anschein, als seien die Flüchtlingszuwanderung seit 2015 und der UN-Migrationspakt die einzigen Themen, kritisierte der 69-Jährige. "Wir müssen zeigen, dass Demokraten bessere Lösungen haben als die, die Demokratie beschimpfen. Wut ersetzt nicht Verantwortung."
Leyendecker bekräftigte die Entscheidung, keine AfD-Vertreter auf Podien beim Kirchentag einzuladen. Die Partei sei in Teilen rassistisch und völkisch. "Wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den Nazis, nicht den Hetzern, nicht den Rassisten überlassen", unterstrich der renommierte Journalist. "Der Kirchentag lebt von respektvoller Toleranz, aber keine Toleranz der Intoleranz." Wähler und Sympathisanten der AfD kämen aber in Foren zu Wort.
Der Kirchentagspräsident sprach vor rund 150 Gästen aus Politik, Verwaltung, Ökumene, Wirtschaft und Medien über das Thema Vertrauen. Der Kirchentag vom 19. bis 23. Juni 2019 in Dortmund steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen".
Köln (epd). Der Stadtsuperintendent Rolf Domning hat bei der jüngsten Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region dazu aufgerufen, gerade in Zeiten eines zunehmenden Populismus und Nationalismus für ein offenes Europa einzutreten. Domning erinnerte in diesem Zusammenhang an die Demonstration "Köln zeigt Haltung", bei der weit über 10.000 Menschen für eine Flüchtlingspolitik im Geist der Nächstenliebe eingetreten seien. Rechtspopulisten versuchten, "sich mit dem Bezug auf christliche Symbole und Begrifflichkeiten ein bürgerliches und Vertrauen bildendes Mäntelchen überzuhängen", kritisiere Domning. Doch "die nationalistisch-völkischen Positionen vieler Mitglieder der Alternative für Deutschland lassen sich nicht mehr kaschieren", erklärte er.
Auch gegen Antisemitismus müsse sich Christen positionieren, forderte der Superintendent und appellierte an die Mitglieder der Verbandsvertretung: "Es ist auch unsere Aufgabe als Christen, das Gift des Antisemitismus, gerade weil wir es trotz dieser gemeinsamen Anfänge aus unserer eigenen Geschichte so gut kennen, beim Namen zu nennen und dabei auch mit Selbstkritik nicht zu sparen."
Zugleich übte Domning heftige Kritik an den Plänen der Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, die Kirchensteuerverteilung zu verändern. Die Kirchensteuerhoheit solle auf die Landeskirche verlagert werden, wodurch die "gebenden Kirchenkreise" etwa in den Städten Köln, Bonn und Düsseldorf neben der bisherigen einvernehmlichen und solidarischen Pro-Kopf-Verteilung von 95 Prozent des gesamten Kirchensteuereinkommens auch die restlichen 5 Prozent nicht mehr einbehalten dürfen.
Nach Abschluss des Umstellungsprozesses in zehn Jahren stünden den Gemeinden in Köln und der Region so etwa 14 Euro pro Jahr pro Gemeindeglied weniger zur Verfügung. Das müsse unbedingt verhindert werden, erklärte der Stadtsuperintendent. Der Verbandsvorstand habe deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. "Ich finde, hier wird überzeugend herausgearbeitet, dass eine solche tief in unsere presbyterial-synodale Kirchenverfassung eingreifende Verlagerung der Kirchensteuerhoheit, wenn überhaupt, nur durch eine Änderung der Kirchenordnung erfolgen kann", betonte Domning.
Die Verbandsvertretung ist das Leitungsorgan des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region mit seinen 57 Gemeinden im Rhein-Erft-Kreis, in Köln und im Rheinisch-Bergischen Kreis in den vier Kölner Kirchenkreisen. Zu den Aufgaben der Delegierten gehören unter anderem der Beschluss des Haushalts und die Wahl des Stadtsuperintendenten. Die Verbandsvertretung tagt zweimal im Jahr und wird von Stadtsuperintendent Domning geleitet.
Paderborn (epd). Der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn, Volker Neuhoff, hat eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und Feindseligkeit beklagt. Auf der jüngsten Kreissynode in Paderborn mahnte er zum "Engagement in Bürgergesellschaft und Kirchen gegen Rassismus, Nationalismus und gegen dummen, widerlichen Rechtspopulismus". Statt Schockstarre werden eine sichtbare Positionierung als Kirche gebraucht, statt Pöbelei und Shitstorm sinngefüllte Gesprächsräume in den Gemeinden, sagte Neuhoff laut Kirchenkreis in seinem Bericht vor der Synode. Als Beispiel nannte der Superintendent das Bündnis für Demokratie und Toleranz, dem auch der Kirchenkreis Paderborn angehört. Das hatte zuletzt Ende Oktober ein Konzert unter dem Motto "Demokratie leben! Gegen Hetze und Gewalt" organisiert, zu dem über 1.000 Menschen gekommen waren.
Auf ihrer Herbsttagung beschlossen die 93 anwesenden stimmberechtigten Synodalen den Haushalt für das Jahr 2019 in Höhe von 20,98 Millionen Euro. Die erneut gestiegenen Kirchensteuereinnahmen seien erfreulich, sagte Martin Gasse, Vorsitzender des Finanzausschusses des Kirchenkreises, in seinem Bericht und warnte zugleich: "Wir gewöhnen uns an jährliche Steigerungen. Diese Gewöhnung ist aber trügerisch." Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einer zurückgehenden Mitgliederzahl müsse sich die Kirche auf weniger Kirchensteuereinnahmen in Zukunft einstellen. Überschüsse von 2018 würden nicht ausgeschüttet, sondern fließen in eine Strukturrücklage, um zum Beispiel Veränderungen in Kirchengemeinden bezuschussen zu können, wie es hieß. Auch Verwaltungsleiter Jürgen Jurczik verwies darauf, dass die aktuell günstige Konjunkturlage den Rückgang bei den Mitgliederzahlen noch kompensiere.
Darüber hinaus wurde der Kreissynodalvorstand beauftragt, bei der westfälischen Landeskirche die Errichtung einer 18. Kreispfarrstelle für Krankenhausseelsorge im östlichen Teil des Kirchenkreises (Kreis Höxter) zu beantragen, wie es weiter hieß. Sie solle vorerst auf acht Jahre befristet sein. Die Katholische Hospitalvereinigung Weser-Egge in Brakel sei bereit, sich an der Finanzierung der weiteren Pfarrstelle im Ostteil des Kirchenkreises zu beteiligen
Die erste Kreispfarrstelle für Krankenhausseelsorge im Kreis Paderborn ist demzufolge seit September 2017 besetzt. Superintendent Neuhoff verwies auf die positiven Erfahrungen: "Die Krankenhausseelsorge genießt ein hohes Ansehen. Sie ist Kirche vor Ort", betonte er.
Mülheim a.d. Ruhr (epd). Der Evangelische Kirchenkreis An der Ruhr hat gemeinsam mit Lokalpolitikern zu der freiwilligen zusätzlichen Aufnahme von Geflüchteten in Mülheim an der Ruhr aufgerufen. Damit unterstützt die evangelische Kirche den "Mülheimer Appell für Humanität und Menschlichkeit", eine überparteiliche Initiative der SPD, wie der Kirchenkreis am 30. November in Mülheim an der Ruhr mitteilte. Der Aufruf soll den Angaben zufolge am 6. Dezemebr im Stadtrat diskutiert werden. Die kommunalen Einrichtungen sind laut Appell zu 60 Prozent ausgelastet. Demnach seien noch Kapazitäten für Flüchtlinge vorhanden.
Annette Faßbender, Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises An der Ruhr, rief dazu auf, nicht weiter ohnmächtig zuzusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertränken. Superintendent Gerald Hillebrand betonte, die wohlhabenden EU-Staaten dürften sich nicht abschotten. "Unser Reichtum hier hängt untrennbar zusammen mit den oft schwierigen Lebensverhältnissen in den Ländern des globalen Südens", sagte Hillebrand.
Mit dem Aufruf an den Mülheimer Stadtrat wollen die Unterzeichner den Angaben zufolge ein Zeichen der Humanität setzen. "Mülheim an der Ruhr hat sowohl die Ressourcen weitere Menschen aufzunehmen als auch die Bereitschaft ehrenamtlicher Mülheimerinnen und Mülheimer sich der Geflüchteten anzunehmen", heißt es in dem Papier.
Im Juli hatten bereits drei rheinische Städte angeboten, in Not geratene Flüchtlinge aus dem Mittelmeer aufzunehmen. In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten die Stadtoberhäupter Henriette Reker (Köln, parteilos), Thomas Geisel (Düsseldorf, SPD) und Ashok Sridharan (Bonn, CDU) erklärt, sie wollten ein Signal für Humanität, für das Recht auf Asyl und für die Integration Geflüchteter setzen.
Münster (epd). Pfarrer und Pfarrerinnen im Evangelischen Kirchenkreises Münster können demnächst für Fahrten in den Gemeinden auf ein dienstliches E-Bike umsteigen. Die Kreissynode fasste auf ihrer jüngsten Tagung in Münster einen entsprechenden Förderbeschluss, wie der Kirchenkreis am 29. November mitteilte. Das "Kirchenrad" wird aus Mitteln der Landeskirche und des kreiskirchlichen Klimaschutzfonds finanziert. "Eine Maßnahme, die die Umwelt schützt, zur Gesundheit beiträgt und zudem Fahrtkosten spart", sagte Pfarrer Jens Dechow vom Ausschuss für Gesellschaftliche Verantwortung, der den Antrag eingebracht hatte.
Im Zentrum der Herbstsynode unter Leitung von Superintendent Ulf Schlien standen die Haushaltsberatungen für 2019. Die knapp 90 anwesenden Kreissynodalen verabschiedeten den Angaben zufolge einen Etat, der von Kirchensteuereinnahmen in Höhe von 14,8 Millionen Euro im kommenden Jahr ausgeht. Die Kirchengemeinden sollen davon etwas mehr als 8,7 Millionen Euro erhalten.
Den Gemeinsamen Gemeindlichen Diensten - darunter Kindertageseinrichtungen, Diakonie und Offene Jugendarbeit - bekommen zusammen rund 2,6 Millionen Euro, wie es hieß. Für gemeindeübergreifende Aufgaben stehen dem Kirchenkreis selbst knapp 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Zur Finanzierung der landeskirchlich organisierten kirchlichen Entwicklungshilfe, Weltmission und Ökumene stellt der Kirchenkreis Münster darüber hinaus 2019 rund 760.000 Euro bereit. Einnahmen darüber hinaus werden demnach den Rücklagen zugeführt.
Lengerich (epd). Der Haushalt für das kommende Jahr steht traditionell im Mittelpunkt der Herbstsynoden: Einstimmig beschloss die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Tecklenburg bei ihrer jüngsten Sitzung in Lengerich für 2019 einen Etat, der von Kirchensteuermitteln in Höhe von rund 10,4 Millionen Euro ausgeht. Dies sei eine Steigerung von knapp fünf Prozent gegenüber diesem Jahr, teilte der Kirchenkreis am 27. November mit.
"Die sich aufgrund der demografischen Entwicklung ergebenden Kirchensteuerausfälle werden derzeit noch durch die gute wirtschaftliche Entwicklung überkompensiert", erklärte Verwaltungsleiterin Marlies Beckemeyer den Angaben nach vor den Kreissynodalen. Die derzeit positive Kirchensteuerentwicklung sollte weiterhin dazu genutzt werden, Vorsorge zu treffen, um den Auftrag der Kirche auch zukünftig verlässlich wahrnehmen zu können. Zum Kirchenkreis gehören 17 Kirchengemeinden. Neben den Gehältern der Pfarrerinnen und Pfarrer, der zentralen Verwaltung und der Superintendentur werden von Kirchensteuermittel beispielsweise das Diakonische Werk, die Arbeit der 27 Kindertagesstätten im Kindergartenverbund, das Schulreferat oder die kreiskirchliche Jugendarbeit finanziert.
Der Überschuss aus dem Haushaltsjahr 2017 der Finanzausgleichskasse von rund 938.000 Euro fließt an die Kirchengemeinden für die Substanzerhaltung der kirchlichen Gebäude und Zukunftssicherung sowie an die evangelischen Kitas in der Region, wie es hieß. Außerdem wird demnach eine Rücklage für noch nicht absehbare Kosten beim Neubau des gemeinsamen Verwaltungsgebäudes mit den Kirchenkreisen Münster und Steinfurt-Coesfeld-Borken eingerichtet. Weitere 10.000 Euro werden für den Kirchentag 2019 Dortmund bereitgestellt.
Auf der Kreissynode wurde unter anderem auch über den aktuellen Stand der geplanten gemeinsamen Kreiskirchenverwaltung am Coesfelder Kreuz in Münster berichtet. Mit der Fertigstellung des neuen Verwaltungsgebäudes könne im ersten Halbjahres 2020 gerechnet werden, sagte der Tecklenburger Superintendent André Ost. Laut künftiger Verwaltungsleiterin Jutta Runden besteht zwischen den Mitarbeitenden der drei Kirchenkreisämter bereits ein reger Austausch. Im vierteljährlichen Rhythmus trifft sich die Verwaltungsleitung mit den Fachbereichsleitungen, um sich gemeinsam über die neuen Entwicklungen auszutauschen, wie es hieß. Um die Fusion der drei Kirchenkreisämter zu vereinfachen, sind im Januar Teambuildings-Maßnahmen angesetzt. Außerdem finden Schulungen für das Neue Kirchliche Finanzmanagement (NKF) statt.
Siegen (epd). Der Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg ermuntert zu Kooperationen zwischen den Kirchengemeinden. Die Infrastruktur müsse der Entwicklung angepasst werden, dass die Zahl der Kirchenglieder kleiner, die Bevölkerung im Durchschnitt älter und religiös vielfältiger werde. "Das bedeutet: Wir haben stärker nachbarschaftlich und kooperativ zu zeigen und zu leben, was 'evangelischer Glaube' in einem regionalen Gestaltungsraum heißt", sagte Stuberg auf der jüngsten Kreissynode in Siegen. Dabei wolle der Kirchenkreis "im Namen Jesu Christi auch künftig eine Kirche verkörpern, die nahe bei den Menschen ist". Das Evangelium sei dabei in die differenzierte Lebenswirklichkeit hinein auszulegen.
Auf der Kreissynode wurde zudem der Haushalt für das kommende Jahr festgelegt. An Kirchensteuerzuweisung erhält der Kirchenkreis Siegen, gemessen an den Gemeindegliederzahlen, 2019 rund 16,3 Millionen Euro, wie es hieß. Davon kommen Prozent den Gemeinden zugute. Darin sind enthalten Vorwegabzüge für die Pfarrbesoldung, für Kindertageseinrichtungen, die hauptamtliche Jugend- und Gemeindearbeit und die diakonische Arbeit. Zur eigenverantwortlichen Verwendung verbleiben als Gemeindegliederpauschale rund 49 Euro pro Gemeindeglied. Zehn Prozent entfallen den Angaben nach auf die kreiskirchlichen Dienste. Die Superintendentur einschließlich Leitungsorgane, Synode, Verwaltung und Rechnungsprüfung erhalten zwölf Prozent
Feierlich begangen wurde darüber hinaus das 200-jährige Bestehen des Kirchenkreises mit einem historischen Rückblick seit der Gründung 9. Juli 1818 bis zur Nachkriegszeit nach 1945. Dazu wurde auch eine Wanderausstellung, bestehend aus zehn Roll Ups mit Texten und Bildern, konzipiert. Die Kirchengemeinden im Kirchenkreis können sie ab Januar ausleihen. Die Ausleihzeiträume koordiniert das Öffentlichkeitsreferat des Kirchenkreises unter Telefon 0271/5004-282, E-Mail: m.moisel@kirchenkreis-siegen.de
Bockum (epd). Auf der jüngsten Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Hamm ist am 30. November in Bockum der Haushalt 2019 beschlossen worden. Der Etat geht gegenüber dem Haushalt 2018 von einem Zuwachs der Kirchensteuern um rund 480.000 Euro auf 11,36 Millionen Euro aus, wie der Kirchenkreis mitteilte. Dabei erhöhe sich gegenüber dem Vorjahr deutlich die Zuweisung von Kirchensteuern für den Betrieb und die Verwaltung der evangelischen Kindertageseinrichtungen: Die Investitionen in diesen Arbeitsbereich wachsen demnach 2019 um rund 220.000 Euro auf rund 1,5 Millionen Euro (2018: 1,3 Mio.). Das seien 13,72 Prozent der Kirchensteuern insgesamt (2018: 12,28 Prozent).
Grund dafür sei das Wachstum des Kita-Trägerverbundes von bisher 37 auf 39 Kindertageseinrichtungen und damit verbundene höhere Ausgaben bei der Leitung und Verwaltung des Trägerverbundes, hieß es. "In dieser erneuten Steigerung des Trägeranteils zeigt sich, dass der Kita-Bereich nicht auskömmlich refinanziert ist", sagte der kreiskirchliche Verwaltungsleiter Friedrich Disselhoff. Der Zuschuss von Kirchensteuern sei seit 2010 von damals rund einer Million Euro stetig gewachsen.
Der Kirchenkreis setze weiter auf eine defensive Finanzplanung, erläuterte Synodalassessorin Kerstin Goldbeck, die die Synode in Stellvertretung für den erkrankten Superintendenten Frank Millrath leitete. "Dabei sind wir dankbar, dass wir aufgrund der guten Konjunkturlage erneut einen leichten Zuwachs der Kirchensteuern einplanen und so die unvermeidlichen Kostensteigerungen bei Löhnen und Energiekosten auffangen können." Auf der Grundlage der Prognosen der Landeskirche sei dabei allen Verantwortlichen bewusst, dass mittelfristig vor allem durch den demografischen Wandel mit einem Rückgang der Finanzen zu rechnen sei. Einsparungen und Mehrzuweisungen aus Kirchensteuern sollen darum wie in den Vorjahren in die Rücklagen insbesondere zur Substanzerhaltung fließen.
Halle/Werther (epd). Einstimmig hat die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Halle den Haushalts- und Stellenplan für 2019 angenommen. Bei ihrer Herbsttagung in Werther verabschiedete die Kreissynode das rund 7,4 Millionen Euro umfassende Budget, wie eine Sprecherin am 2. Dezember mitteilte. Davon fließen rund 3,3 Millionen Euro direkt in die Arbeit der acht Kirchengemeinden.
Noch immer zeige sich die gute wirtschaftliche Lage in einem Kirchensteuer-Plus, erklärte der Vorsitzende des kreiskirchlichen Finanzausschusses, Heinrich Schengbier. Dank der Mehreinnahmen in Höhe von 340.000 Euro gegenüber 2018 könne nicht nur die gewohnte Arbeit fortgesetzt werden, sagte Superintendent Walter Hempelmann. Es würden auch Projekte in Kirchengemeinden und Kindertagesstätten sowie im Partnerkirchenkreis Misiones in Argentinien gefördert werden. Dort erhalte die Kirchengemeinde Posadas 13.000 Euro für den Bau einer Kirche. Weitere Mittel aus Mehreinnahmen fließen den Angaben zufolge in die Rücklage zur Unterhaltung der rund 150 Gebäude der Gemeinden und des Kirchenkreises.
Minden (epd). Die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Minden hat auf ihrer Herbsttagung den Haushaltsplan für 2019 verabschiedet. Mit rund 10,5 Millionen Euro stünden gegenüber dem laufenden Jahr über 300.000 Euro mehr zur Verfügung, teilte eine Sprecherin des Kirchenkreises am 3. Dezember mit. Damit halte sich die Haushaltslage angesichts der Preis- und Lohnkostensteigerungen auf Vorjahresniveau.
Etwa drei Viertel des Budgets fließen den Angaben zufolge im kommenden Jahr in die Arbeit der zunächst noch 23 Kirchengemeinden zwischen Minden, Petershagen, Hille und Porta Westfalica. Für die Aufgaben des Kirchenkreises stehen demnach etwa 2,6 Millionen Euro zur Verfügung. Zum 1. August 2019 werde die Anstaltskirchengemeinde Salem-Köslin mit aktuell 195 Mitgliedern aufgelöst und in die St. Martini-Gemeinde integriert, kündigte der Mindener Superintendent Jürgen Tiemann vor der Synode an. Schon bisher bestand eine pfarramtliche Verbindung der beiden Kirchengemeinden, der bisherige Stelleninhaber geht Ende 2018 in den Ruhestand.
Für Nachfragen aus der Synode habe die Herabsetzung der Gebäudepauschale gesorgt, mit der Gemeinden notwendige Sanierungen finanzieren sollen, hieß es. Bisher habe die aus Kirchensteuermitteln zugewiesene Gebäudepauschale für Kirchgebäude 1,3 Prozent des Tagesneubauwertes betragen, künftig seien es nur noch 0,5 Prozent. Die Reduzierung sei auf neue Vorgaben der Landeskirche für die Bildung von Rücklagen zurückzuführen und bedeute für Gemeinden mit jahrhunderte alten Kirchen einen deutlichen Verlust, erklärte der Kirchenkreis. Zum Ausgleich seien zwar demnach im kreiskirchlichen Haushalt für die nächsten drei Jahre Sonderzuweisungen vorgesehen. Dennoch habe sich die Synode mit großer Mehrheit für intensive weitere Beratungen im Finanzausschuss des Kirchenkreises ausgesprochen.
Weiter diskutierte die Kreissynode Vorschläge einer Arbeitsgruppe "Pfarrstellen" für eine neue Personalordnung zur Bewältigung der Gemeindearbeit in den 2020er Jahren, wie es weiter hieß. Dabei seien insbesondere eine engere Zusammenarbeit von Nachbargemeinden und eine Unterstützung der Pfarrer durch sogenannte Gemeindemanager angedacht. Auf der nächsten Synodaltagung solle über das Thema entschieden werden. Außerdem stimmten die Synodalen der Errichtung einer neuen Vollzeitstelle für eine Verwaltungsfachkraft beim Kirchenkreis zu, die künftig für die zentrale Administration kirchlicher Friedhöfe zuständig sein soll. Neu eingerichtet wird laut der Mitteilung auch ein kleiner Bauhof mit zwei Mitarbeitern, damit nicht mehr alle handwerklichen Aufgaben nach außen vergeben werden müssten.
Lübbecke (epd). Die Umstellung des kirchlichen Finanzsystems auf das Neue Kirchliche Finanzmanagement (NKF) ab 2019 wurde auf der jüngsten Kreissynode in Lübbecke kritisch diskutiert. Die Änderungen im Abrechnungssystem erforderten ein Mehraufwand an Arbeit und damit auch an Personal, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses, Bernd Kammann, nach Angaben des Kirchenkreises vor der Synode. Die Neuschaffung von Stellen wurde angekündigt. In der anschließenden Diskussion beklagten Synodale die Zunahme des Verwaltungsaufwandes. Zugleich würden an anderer Stelle wichtige Strukturen verschlankt, hieß es. Superintendent Uwe Gryczan verwies darauf, dass die Umstellung nach der presbyterial-synodalen Verfassung der Evangelischen Kirche von Westfalen mehrheitlich so beschlossen wurde. Ein Vorschlag, die NFK-Einführung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wurde abgelehnt.
Bei den Finanzen plant der Kirchenkreis im kommenden Jahr mit einem leichten Plus. Laut Bericht für den Haushalt 2019 wird die Zuweisung an Kirchensteuermitteln für Lübbecke rund 8,5 Millionen Euro betragen. Gegenüber 2018 steige damit die Zuweisung von der westfälischen Landeskirche um 270.656 Euro, hieß es. In den folgenden Jahren geht der Kirchenkreis aber von einem Rückgang aus. So wird im Jahr 2022 mit einer Zuweisung von rund 7,8 Millionen Euro gerechnet.
Kamen (epd). Der Evangelische Kirchenkreis Unna kann im kommenden Jahr mit einem Haushalt im Gesamtvolumen von etwa 10,7 Millionen Euro wirtschaften. Bei der jüngsten Kreissynode in Kamen wurde der von Verwaltungsleiter Thomas Sauerwein vorgelegte Etat 2019 verabschiedet, wie der Kirchenkreis am 26. November mitteilte. "Dies versetzt uns in die Lage, die Steigerung in den Gehaltskosten abzudecken", hatte Sauerwein im Vorfeld erklärt. Von den erwartenden Kirchensteuereinahmen wird den Angaben nach je rund ein Drittel für die Besoldung von Pfarrern sowie für die Gemeinden aufgewendet. Für die Arbeit der Kirchenkreises inklusive Kindertagesstätten stünden weitere drei Millionen Euro 2019 zur Verfügung.
Finanzchef Sauerweil macht vor allem die Kita-Finanzierung Sorge: "Dort geben wir weiterhin jährlich eine halbe Million Euro über unseren gesetzlichen Anteil hinein, damit die Kitas arbeiten können." Bis zur Verabschiedung eines neues Kindergartengesetzes "müssen wir durchhangeln", beklagte er.
Auf der Herbstsynode wurde zudem ein neuer Assessor, der Stellvertreter des Superintendenten Hans-Martin Böcker, gewählt. Mit 40 zu 37 Stimmen der Delegierten wurde der Schulreferent des Kirchenkreises, Pfarrer Andreas Müller aus Unna, gewählt. Der 52-Jährige wird als Assessor Nachfolger von Pfarrer Christian Bald, der zum Kirchenkreis Bielefeld gewechselt ist, wo er seit 1. November Superintendent ist.
Herne (epd). Der Kirchenkreis Herne kann im kommenden Jahr mit Zuweisungen aus der Kirchensteuer in Höhe von gut neun Millionen Euro rechnen. Das sei gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von über 200.000 Euro, wie der Kirchenkreis anlässlich der Kreissynode in Castrop-Rauxel mitteilte. Die Zuweisungen werden auf die 15 Kirchengemeinden für die Gemeindearbeit sowie die kreiskirchlichen Dienste verteilt.
"Was die Kirchensteuerzuweisung angeht, können wir sehr zufrieden sein", sagte Pfarrer Michael Brandt, der Vorsitzende des Synodalen Finanzausschusses, vor der Synode. Wegen erhöhter Einkommens- und Lohnkosten gebe es aber auch Mehrausgaben, die die erhöhten Einnahmen "letztlich aufheben" würden.
Die derzeitige gute gesamtwirtschaftliche Lage wirke sich positiv auf die Kirchensteuerentwicklung aus, hieß es weiter. In den kommenden Jahren wird der Kirchenkreis, der Ende 2017 noch etwa 66.000 Mitglieder hatte, den Angaben zufolge allerdings mit weniger Geld auskommen müssen. "Das liegt in erster Linie an der demografischen Entwicklung. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, wird sich das negativ auswirken", betonte Brandt. Da sich die Zuweisung der Kirchensteuer an der Zahl der evangelischen erwerbsfähigen Mitglieder orientiert, sei mit einem Rückgang in diesem Bereich zu rechnen. Zudem ist die Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen: 1986 hatte der Kirchenkreis noch rund 107.000 Mitglieder gehabt.
Essen (epd). Die ökumenische Aktion "Essen Krippenland" zeigt zum Abschied von der Steinkohle in diesem Jahr zahlreiche Krippen mit Bezug zum Bergbau. Bis 6. Dezember könnten Besucher an 20 Standorten des Krippenwegs künstlerisch gestaltete Nacherzählungen der Geburt Jesu sehen, teilte der evangelische Kirchenkreis Essen mit. Herzstück sei eine Ausstellung in der Marktkirche mit Krippen aus Kohle, einer Krippenlandschaft mit Bergbauschacht und kleinen Margarinekrippenfiguren, die in den 1950er Jahren beliebte Sammlerobjekte waren.
Weitere Standorte des ökumenischen Krippenwegs sind unter anderem Kirchen in der Innenstadt, das Medienforum des Bistums Essen, das Rathausfoyer, die Touristikzentrale am Hauptbahnhof und das Unperfekthaus. Offiziell eröffnet wird die Aktion mit einem Gottesdienst unter freiem Himmel am kommenden ersten Adventssonntag um 17 Uhr in der Krippenlandschaft auf dem Kardinal-Hengsbach-Platz.
Besucher des Krippenwegs können den Angaben zufolge auch an einem Preisrätsel teilnehmen, für das Fragebögen in der Marktkirche, im Foyer des Doms und in der Touristikzentrale ausliegen. Zu gewinnen gibt es unter anderem Büchergeschenke, Freikarten für das GOP-Varieté-Theater und das Kino Lichtburg.
Frankfurt a.M./Kattowitz (epd). Dürresommer in Europa, Feuerwalze in Kalifornien - die Anzeichen für den Klimawandel mehren sich. In ihrem jüngsten Sonderbericht bestätigen die Wissenschaftler des Weltklimarats: Die Erde hat sich bereits um ein Grad erwärmt, Konsequenzen treten schon jetzt deutlich zutage. Unter diesem Eindruck verschärfter Dringlichkeit kommen am 3. Dezember Delegierte aus mehr als 190 Staaten zum 24. Weltklimagipfel im polnischen Kattowitz zusammen.
Die Klimadiplomaten werden weiter an der Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015 feilen, das die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzen soll. Unter anderem wollen die Verhandler in diesem Jahr eruieren, wie die Weltgemeinschaft in den vergangenen drei Jahren vorangekommen ist. Diese im Pariser Klimavertrag vorgeschriebene Bestandsaufnahme soll den Referenzrahmen bilden für neue, verschärfte Ziele zur Kohlendioxid-Reduktion, die die Staaten bis 2020 vorlegen sollen.
Klar ist: Die im Pariser Klimavertrag festgehaltenen freiwilligen nationalen Ziele zur CO2-Reduktion reichen allenfalls aus, um die Erderwärmung auf 3,2 Grad zu begrenzen. Und das auch nur dann, wenn alle Länder ihre Versprechen einhalten.
Umwelt- und Entwicklungsorganisationen hoffen daher, dass bereits in Kattowitz einzelne Akteure mit gutem Beispiel vorangehen. "Die Europäische Union sollte in Kattowitz ein klares Signal senden, dass sie bis 2020 ihre Klimaziele für 2030 erhöht", sagt Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch. Bislang will die EU bis in zwölf Jahren ihren Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.
Laut Bals könnten auch Länder wie China und Indien, die ihre selbst gesteckten Vorgaben zum Ausbau Erneuerbare Energien übererfüllt haben, eine Verschärfung ihrer Ziele bis 2020 zusagen. "Dann werden hoffentlich auch weitere Staaten ehrgeizigere Zusagen machen oder zumindest ankündigen." Das ist indes nicht von den USA zu erwarten, die ihren Ausstieg aus dem Klimagipfel vor anderthalb Jahren angekündigt haben. Noch ungewiss ist, wie sich Brasilien verhält, dessen designierter ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro ein erklärter Klimaschutz-Gegner ist.
Auf der Tagesordnung zudem: das sogenannte Regelbuch des Pariser Klimaabkommens. Es soll die Berichtspflichten und Transparenzregeln enthalten, an die sich die Staaten bei ihren nationalen Klimaschutzmaßnahmen halten sollen. Denn die Anstrengungen der Staaten im Kampf gegen die Erderwärmung müssen vergleichbar sein. Am Ende der zweiwöchigen Konferenz soll der Katalog beschlossen werden.
Besonderes Augenmerk wird auf Gastgeber Polen liegen. Das Land, das die Präsidentschaft des Gipfels innehat, trägt stets maßgeblich zu Erfolg oder Misserfolg der Verhandlungen bei. Denn es legt Gesprächsformate fest, schlägt Kompromisse vor. Das Kohleland Polen gilt traditionell als Klimaschutz-Bremser in der EU. Aber: Inzwischen baut auch Polen die Erneuerbaren Energien aus und zeigt sich engagiert bei der Elektromobilität.
Leiten wird die Konferenz der polnische Umwelt-Staatssekretär Michal Kurtyka. "Er gilt als aufgeschlossen gegenüber Neuerungen im Energiesektor", sagt der Klimaökonom Reimund Schwarze vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Und bei der Vorbereitung des Gipfels habe sich Kurtyka engagiert gezeigt. "Deshalb hoffen alle, dass er bei den Verhandlungen eine konstruktive Rolle spielen wird."
Für Deutschland wird Umweltministern Svenja Schulze (SPD) an den Verhandlungen teilnehmen. Es ist ihr erster Klimagipfel. Anders als ihre Vorgänger im Amt wird sie nicht als Exponentin einer Vorreiternation auftreten können. Deutschland hinkt bei selbst gesteckten Vorgaben zur CO2-Reduktion hinterher. Und der Abschlussbericht der Kohlekommission, der den Weg aus der Braunkohle weisen soll, verzögert sich. "Das macht es für das Land schwierig, die konstruktiven Allianzen mit anderen Staaten zu schmieden, die es bisher oft mit Bravour geschmiedet hat", sagt Bals.
Köln/Berlin (epd). Kurz vor Beginn der Weltklimakonferenz haben am 1. Dezember in Köln und Berlin Tausende Menschen für einen schnellen Kohleausstieg und gegen die deutsche Klimapolitik demonstriert. In Köln kamen nach Angaben der Veranstalter 22.000 Menschen, in der Bundeshauptstadt protestierten demnach rund 16.000 Menschen vorm Kanzleramt "gegen das Versagen der Bundesregierung beim Klimaschutz".
Die Polizei sprach von einer "sehr erheblichen Anzahl" von Teilnehmern sowie einem absolut störungsfreien Ablauf in Köln und in Berlin von mehr als 5.000 Demonstranten. Auf der Doppel-Kundgebung wurden Plakate und Banner gezeigt mit Aufschriften wie "Die grauen Herren verheizen unsere Zukunft", "Hambacher Wald retten", "Braunkohle stoppen - Klimaschutz jetzt", "Energiewende braucht Kohleende", "Kohle zerstört die Pole" und "Worauf wollt ihr noch warten".
Zu den Protesten hatte ein Bündnis aufgerufen, dem unter anderem Greenpeace, der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), die Umweltstiftung WWF, die Naturfreunde Deutschland sowie Campact, aber auch "Brot für die Welt" und Misereor als kirchliche Gruppen angehören.
Greenpeace-Chef Martin Kaiser sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Köln, man wolle gemeinsam ein Zeichen setzen für das Klima und gegen die Kohleverbrennung. Die Menschen seien auch gekommen, weil sie von der Politik der Bundesregierung enttäuscht seien. "Die Bundesregierung muss zu Hause liefern", sagte Kaiser. "Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen."
Er kritisierte zudem, dass die Kohlekommission ihren Bericht erst Anfang Februar veröffentlichen will. Es wäre wichtig gewesen, dass Deutschland der internationalen Gemeinschaft gezeigt hätte, wo es lang gehe, sagte er. Stattdessen sei aber eine "peinliche Situation" für Deutschland entstanden. Auch Dirk Jansen vom BUND sprach von einer inakzeptablen Verzögerungstaktik.
Die Bundesregierung stehe in Kattowitz mit leeren Händen da, erklärten die Veranstalter. Die Bundesregierung habe das Klimaziel für 2020 aufgegeben, obwohl es durch entschlossenes Handeln noch hätte erreicht werden können. "Wir sind im Endspiel um unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkel", erklärte das Bündnis.
Im polnischen Kattowitz beginnt der 24. Klimagipfel der Vereinten Nationen. Zur Eröffnungszeremonie am 3. Dezember werden hochrangige Regierungsvertreter aus aller Welt erwartet, darunter Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Auf Beamtenebene beginnen die Verhandlungen bereits am Sonntag. Bis zum 14. Dezember wollen die Delegierten aus 197 Ländern über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 beraten.
Bei der Kundgebung in Berlin warf der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Deutschland, der ehemalige SPD-Politiker Michael Müller, der Politik vor, das wirtschaftliche Wachstum weiter wie ein Goldenes Kalb zu verehren, auf Kosten der Umwelt. Das Klimaproblem werde allein mit dem Ausstieg aus der Kohle aber nicht gelöst. "Wir brauchen auch den Ausstieg aus dem Öl, wir brauchen eine Verkehrswende, das Ende der Agrarindustrie und einen Umbau der chemischen Wirtschaft", forderte der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium.
In Köln zogen die Demonstranten von der rechten Rheinseite über die Deutzer Brücke in die Altstadt und wieder zurück. "Hier herrscht eine grandiose Stimmung unter blauem Himmel", sagte Jansen vom BUND in Nordrhein-Westfalen. In der Domstadt wandte sich die Kundgebung vor allem gegen den Tagebau im Hambacher Forst.
Berlin, Bonn (epd). Der deutsch-polnische ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit hat am 26. November Berlin erreicht. Anlass ist die bevorstehende Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz. Die Pilger fordern unter anderem ein verbindliches Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Welt-Klimaabkommens von 2015, den Ausstieg aus der Kohleverstromung und mehr Gerechtigkeit beim Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels. Als Etappenziel übergaben mehrere Aktivisten am 26. November in Berlin ihren Forderungskatalog an Vertreter der Bundesregierung und der Kohlekommission.
Bereits seit September pilgern Vertreter von Umweltverbänden, Kirchengemeinden und anderen Organisationen etappenweise eine insgesamt 1.700 Kilometer lange Route. Die Aktion wird von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sowie einem ökumenischen Bündnis aus 40 Organisationen, Initiativen und Unternehmen unterstützt. Dazu zählen auch die Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor sowie das Kindermissionswerk "Die Sternsinger".
Der Klima-Pilgerweg war im September in Bonn gestartet und führt den Angaben zufolge über 78 Stationen, unter anderem über Düsseldorf, Hannover, Braunschweig, Halle, Leipzig, Dresden, Cottbus, Potsdam und Berlin. Am 9. Dezember wollen die Klima-Pilger Kattowitz erreichen, wo dann die 24. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen startet. Gemeinsam mit Aktivisten aus anderen Ländern wollen die Klima-Pilger dort ihren Forderungen Nachdruck verleihen.
Am 26. November fand in Berlin anlässlich der Staffelstabübergabe an Polen auch ein deutsch-polnischer Gottesdienst in der Kapelle der Versöhnung an der Gedenkstätte Berliner Mauer statt. In einer Ansprache mahnte der evangelische Bischof Markus Dröge mehr Anstrengungen zur Bewahrung der Schöpfung an. Zu dem Gottesdienst wurden auch der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick, der Bischof der Evangelisch-Augsburgische Kirche Polens, Marian Niemiec, aus Kattowitz, Erzbischof Wiktor Skworc von der Römisch-Katholischen Kirche Polens, ebenfalls aus Kattowitz, Bischof Marek Karol Babi vom Polnisch-Ökumenischen Rat, Mariawiten, sowie der Direktor des Polnisch-Ökumenischen Rates, Pfarrer Grzegorz Giemza, erwartet.
Genf (epd). Der langfristige Trend der Erderwärmung hat sich nach Angaben der Vereinten Nationen auch in diesem Jahr unvermindert fortgesetzt. Die durchschnittliche globale Temperatur werde 2018 den vierthöchsten jemals gemessenen Jahreswert erreichen, warnte die Weltwetterorganisation der UN (WMO) am 29. November in Genf.
Die globale Durchschnittstemperatur habe in den ersten zehn Monaten 2018 um fast ein Grad Celsius über den Daten der Zeit von 1850 bis 1900 gelegen, erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas wenige Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz.
Die 20 wärmsten Jahre fielen in den Zeitraum der vergangenen 22 Jahre. Die Menschheit schaffe es nicht, den Temperaturanstieg einzudämmen, betonte Taalas. Falls der Trend sich fortsetze, drohten Temperatursteigerungen um drei bis fünf Grad Celsius zum Ende des Jahrhunderts gegenüber heute.
In Kattowitz beraten ab dem 3. Dezember Vertreter aus mehr als 190 Staaten über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Das Pariser Abkommen setzt die Ziele und legt den Fahrplan der Weltgemeinschaft im Kampf gegen die Erderwärmung fest. Die Staaten hatten in Paris vereinbart, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad und wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.
Rio de Janeiro (epd). Alle Welt hofft auf konkrete Fortschritte bei der diesjährigen Weltklimakonferenz in Polen. Derweil legt Brasilien, die Heimat der "Grünen Lunge" des Planeten, den Rückwärtsgang ein. Der gewählte Präsident Jair Bolsonaro hält nichts vom Schutz des Amazonaswaldes und interessiert sich nicht für Klimapolitik. Umweltschützer warnen vor einer endgültigen Zerstörung des größten Urwalds auf der Erde, der für das Weltklima von großer Bedeutung ist. Bereits jetzt erreichte die Abholzung wieder einen Höchststand.
7.900 Quadratkilometer Tropenwald wurden zwischen August 2017 und Juli 2018 abgeholzt: Eine Steigerung um fast 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Umweltministerium mitteilte. Überschlagen handelt es sich dabei um 1,2 Milliarden Bäume, die gefällt oder abgebrannt wurden.
Umweltschützer machen die Regierung und die konservative Mehrheit im Kongress für die Rückschritte verantwortlich. Seit mehr als zwei Jahren führt Übergangspräsident Michel Temer eine konservative Regierung, die Wirtschaftsinteressen über den Umweltschutz stellt. Greenpeace kritisiert vor allem die einflussreiche Landwirtschaftsfraktion im Parlament, die mit mehreren Gesetzesinitiativen eine Gefahr für die Wälder und das Weltklima darstelle.
"Die Agrarlobby drängt auf eine Flexibilisierung der Umweltrichtlinien, will die Aneignung von Land vereinfachen, Naturschutzgebiete verkleinern und die Landrechte der Urbevölkerung einschränken", sagt Romulo Batista von Greenpeace Brasilien. All diese Gesetzesvorhaben beflügelten nur diejenigen, die von Abholzung und Landraub profitieren, und "gefährden zudem die Einhaltung der Klimaschutzzusagen, die Brasilien im Rahmen des Pariser Abkommens gemacht hat", erklärt Batista.
Ökologen befürchten, dass es unter Bolsonaro weiter rapide bergab gehen wird. Der rechtsextreme Politiker kündigte an, das Agrobusiness zu fördern, die ökonomische Ausbeutung des Amazonasgebiets voranzutreiben und die Errichtung von Indianerreservaten zu stoppen. "Alles, was die Abholzung bremst, will Bolsonaro abschaffen", resümiert Batista. Nicht nur die Umwelt steht unter Beschuss. Es wird befürchtet, dass auch die gewaltsamen Landkonflikte weiter zunehmen werden, durch die jedes Jahr Indianer und Kleinbauern umkommen. Nach Angaben der Organisation Global Witness wurden allein im vergangenen Jahr 57 Umweltschützer ermordet. Brasilien führt damit die Liste der für Aktivisten gefährlichsten Länder an.
Tereza Cristina, Bolsonaros designierte Agrarministerin, hat eine andere Einschätzung: Die brasilianischen Landwirte seien nicht für die zunehmende Abholzung verantwortlich. "Schuld daran sind Banditen, die keine Steuern zahlen wollen", sagte Cristina in einem Interview der Zeitschrift "Globo Rural". Sie deutete an, dass ihre Regierung auf eine weitere Ausbreitung der Agrarwirtschaft setzt: "Generell ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Vergleich zu den Schutzgebieten klein", sagte Cristina, die Vorsitzende der parteiübergreifenden Agrarfraktion im Bundesparlament ist.
Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler, Ökologen und ehemaliger Umweltminister hat kürzlich errechnet, was passieren würde, wenn Bolsonaro all seine Ankündigungen wahr machen würde - von der Abschaffung des Umweltministeriums bis hin zur Erlaubnis, in indianischen Schutzgebieten Bergbau zu betreiben. Das Ergebnis alarmiert: eine Zunahme des Kahlschlags um 270 Prozent auf mehr als 25.000 Quadratkilometer pro Jahr ab 2020. Das entspräche einem Rückschritt in die Zeit vor 2004, als die Abholzung im Amazonaswald noch kaum gebremst wurde.
Niemand könne vorhersagen, was Bolsonaro nach dem 1. Januar wirklich in die Tat umsetzen wird, glaubt Iara Pietricovsky von der nichtstaatlichen Organisation Inesc. "Seine widersprüchlichen Aussagen machen oft keinen Sinn, doch ist davon auszugehen, dass er in der Umweltpolitik auf die Linie von US-Präsident Donald Trump einschwenken wird." Sie befürchtet, dass der heutige Trend verstärkt und der Tropenwald in Zukunft noch schneller dezimiert wird.
Mehrfach kündigte Bolsonaro an, aus dem Pariser Klimavertrag auszusteigen. Und am 27. November zog die aktuelle Regierung die Bewerbung Brasiliens um die Ausrichtung der nächsten UN-Klimakonferenz 2019 zurück. Als Grund wurden Haushaltsprobleme genannt. "Es ist eine Schande, dass Brasilien seine bisherige Vorreiterrolle bei internationaler Klimapolitik aufgibt", sagt Pietricovsky.
Bottrop (epd). Handytaschen aus Pütthemden, schwarze "Pottnudeln", Seife in Form von Kohlebriketts und Kaffee-Tassen mit dem Slogan "Hau weg, die Plörre": Wenn Ende des Jahres mit der Schließung der Zeche Prosper Haniel in Bottrop die Ära der Steinkohle endet, bleibt doch eins: zahlreiche Souvenirs. Klamotten, Bücher, Spiele und allerlei Kuriositäten erinnern an das Schwarze Gold aus dem Ruhrgebiet und die Bergleute, die es jahrzehntelang förderten.
Besondere Andenken sammeln zurzeit einige der noch aktiven Bergleute in Bottrop. Sie nehmen seit ein paar Wochen immer wieder mal ein Stückchen Steinkohle mit nach Hause. "Da hängt ein Gutteil meines Lebens dran, das sind für mich kleine Glücksbringer für die Zukunft", erzählte ein Bergmann.
Im Gladbecker Stadtteil Ellinghorst verkauft Matthias Bohm im Ladenlokal "Freiraum" Mode seines eigenen Labels "Grubenhelden". Dort gibt es etwa Pullover und Mützen aus originalen Grubenhemden sowie T-Shirts, in die innen Zeilen des Steigerliedes gedruckt sind. Seit Anfang des Jahres hat Bohm auch eine Filiale in Essen auf dem Gelände der Zeche Zollverein.
Das Steigerlied, dessen Ursprünge bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, ist anlässlich des Abschieds von der Steinkohle mehrfach aufgenommen worden. Der Sänger Stefan Stoppok etwa hat "Glück auf, der Steiger kommt" als Bluesrock-Version mit scheppernder Akustik-Gitarre und Akkordeon-Sounds als CD herausgebracht. Im Internet zu kaufen gibt es ein "Piep-Ei für'n Pott": eine Eieruhr, die je nach gewünschtem Härtegrad der Eier wahlweise das "Steigerlied" oder den Schlager "Wir sind das Ruhrgebiet" spielt.
Spielfreudige können die Erinnerung an das Kohlezeitalter mit einem "Ruhrpott-Memory" mit 24 Bilderpaaren oder einem Quartett mit dem Namen "Zechen stechen" aufleben lassen. Auch Romane und Gedichte thematisieren den Abschied von der Kohle. So sind etwa im Essener Klartext-Verlag der Gedichtband "Grube, Grus, Gedinge: Gedichte zwischen Flöz und Förderturm" von Arnold Maxwill und das Buch "Damals auf'm Pütt" erschienen, das Erinnerungen von Bergleuten versammelt.
In vielen ehemaligen Zechenstädten gibt es kleine Geschäfte, in denen Ruhrpott-Devotionalien angeboten werden. In Essen betreibt Bettina Hildebrand ihren Laden "Revier Souvenir" und verkauft "Heimatgefühle revierweit". In Mülheim an der Ruhr bietet der "Ruhrgebietsladen" etwa Schmuck-Anhänger mit Miniatur-Fördertürmen und ein Blechschild mit "Ruhrpott-Sushi" - ein halbes Mettbrötchen mit Zwiebeln.
Und wem das nicht reicht, der kann auf das geplante Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf hoffen. Guido Hitze, Leiter der Planungsgruppe des Landtags, sagte in einem Interview, er könne sich vorstellen, dass dort möglicherweise eine Geruchsprobe aus der Luft des Ruhrgebiets der 1950er Jahre zu riechen sein könnte.
Nicht jeder freut sich allerdings über die Nostalgie. Der Landesverband Bergbau-Betroffener warnte jüngst davor, den Steinkohlebergbau in der Erinnerung auf "Kohle-Romantik mit Grubenlampe" zu beschränken. Die rund 22.000 Bergschadensmeldungen jährlich, die von der RAG auch künftig bearbeitet und reguliert werden müssten, seien eine ganz andere Art von "bleibenden Andenken", erklärte Verbands-Vorstand Ulrich Behrens.
Erkelenz, Pödelwitz (epd). Unter dem Motto "Alle Dörfer bleiben!" haben sich drei von der Braunkohleförderung bedrohte Orte in Ost- und Westdeutschland zu einem Protestbündnis zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie gegen Zwangsumsiedlung und Klimazerstörung kämpfen, wie Beteiligte im Erkelenz-Kuckum im Kreis Heinsberg, in Pödelwitz bei Leipzig und in Proschim in der Niederlausitz am 28. November mitteilten. Am 1. Dezember hatte das Bündnis an Demonstrationen für den Kohleausstieg in Köln und Berlin teilgenommen. Für den 23. März 2019 sei ein Sternmarsch mehrerer Dörfer im Umkreis des Tagebaus Garzweiler im Rheinland geplant.
"Wir schließen uns zusammen, tragen unseren Protest auf die Straßen und setzen uns dafür ein, dass unsere Dörfer lebenswert bleiben", sagte David Dresen aus Kuckum. "Unsere Dörfer sind über Jahrhunderte gewachsen und können nicht ersetzt werden", ergänzte Karin Noack aus Proschim. Jens Hausner aus Pödelwitz erklärte, Kirchen und Höfe würden zerstört, "damit die Kohlekonzerne mehr Gewinn machen".
Seine Wurzeln hat das Bündnis den Angaben zufolge im Rheinland. Eine Gruppe Aktiver habe dort im Herbst unter anderem an den Demonstrationen nach der Räumung eines Protestcamps im Hambacher Forst teilgenommen, hieß es. Der Energiekonzern RWE will den Wald zur Braunkohlegewinnung roden.
Düren (epd). Die Familie des im Hambacher Forst zu Tode gestürzten Journalisten wirft der NRW-Landesregierung eine Instrumentalisierung des Unglücks vor. Die Aussagen von Landespolitikern und das Verhalten von Behörden hätten die Trauer und den Schmerz verstärkt, schreibt die Familie in einem auf Twitter veröffentlichten Offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Innenminister Herbert Reul (CDU). Darin kritisieren sie die "hochriskante" Räumung der Baumhäuser und werfen Reul vor, den Todesfall zu benutzen, um Stimmung gegen die Braunkohlegegner zu machen.
Der 27-jährige Journalist aus Leverkusen war im September von einer Hängebrücke zwischen zwei von Aktivisten gebauten Baumhäusern im Hambacher Wald gestürzt und gestorben. Die Familie beschreibt den jungen Mann in dem Brief als gläubigen Christen und Veganer, der mit den Zielen der Aktivisten sympathisiert habe. Er habe für sein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln eine Dokumentation über das Leben der Baumhausbewohner gedreht. Weil die Pressearbeit während der Räumung durch polizeiliche Absperrungen behindert worden sei, sei er als "versierter Kletterer" auf eines der Baumhäuser gestiegen.
"Unerträglich empfinden wir die für uns aus der Luft gegriffenen Schuldzuweisungen des Innenministers Reul, dass die Erbauer*innen der Hängebrücke Schuld an Steffens Tod seien", heißt es in dem Offenen Brief. "Diese Instrumentalisierung seines Todes für eigene Zwecke löst Empörung und Wut in und aus und lässt uns nicht zur Ruhe kommen."
Daneben kritisiert die Familie, dass die Leiche des jungen Mannes gegen den Willen seiner Eltern obduziert worden sei, obwohl klar gewesen sei, dass es keine Fremdeinwirkung gegeben habe. "Das Wissen um diese in unseren Augen völlig überflüssige und rechtswidrige Störung der Totenruhe belastet uns sehr." Die Angehörigen schreiben weiter, sie treibe die Frage um, warum die Landesregierung mit der Räumung nicht gewartet habe bis zur Gerichtsentscheidung über die Klage des BUND oder das Votum der Kohlekommission. Die Räumung sei für die Baumhausbewohner und die Polizisten hochriskant gewesen, kritisieren sie.
Der Hambacher Wald im Kreis Düren gilt als Symbol des Widerstandes gegen den Kohle-Abbau. Die RWE Power AG wollte eigentlich ab Oktober die Hälfte des noch stehenden Waldstücks für den Tagebau Hambach roden. Das Oberverwaltungsgericht Münster verhängte jedoch Anfang Oktober einen Rodungsstopp, bis über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen den Hauptbetriebsplan des Tagebaus entschieden ist.
Bonn (epd). Erneuerbare Energien spielen im deutschen Energiemarkt eine immer größere Rolle. "2017 war erstmals mehr Erzeugungsleistung aus erneuerbaren als aus konventionellen Energieträgern installiert", erklärte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, am 28. November bei der Vorstellung des Monitoringberichts zur Entwicklung auf dem deutschen Elektrizitäts- und Gasmarkt. Auch der Anteil des tatsächlich verbrauchten Stroms aus regenerativen Quellen wie Wind, Sonne, Wasserkraft oder Biomasse sei weiter gestiegen und habe 2017 bei 36 Prozent gelegen.
Als positiv wertete der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, die Entwicklung von mehr Wettbewerb bei Strom und Gas. "Mehr Wettbewerb bedeutet für die Verbraucher mehr Wahlmöglichkeiten und daraus entstehende Preisvorteile", erklärte Mundt. "Wer den Stromanbieter wechselt, kann oft viel Geld sparen", ergänzte Homann. "Es ist insofern unverständlich, dass die Wechselquote bei den Stromkunden 2017 stagniert, bei Gasverträgen ging sie sogar leicht zurück."
Berlin (epd). Die Diakonie Deutschland hat am 28. November Empfehlungen zum Umgang der eigenen Einrichtungen mit Rechtspopulisten veröffentlicht. Sich nicht provozieren zu lassen, die eigene Haltung unmissverständlich zu äußern und klare Grenzen zu ziehen, sind zentrale Leitlinien. Projektleiter Thomas Schiller sagte: "Wir müssen klare Kante zeigen, dürfen aber auch nicht über jedes Stöckchen springen, das uns hingehalten wird."
Auch Konsequenzen bis zur Kündigung von Mitarbeitern oder der Auflösung von Verträgen mit Klienten seien für den evangelischen Wohlfahrtsverband nicht tabu und in Einzelfällen bereits erfolgt. Die Empfehlungen kämen im Verband sehr gut an, sagte Schiller.
Die Diakonie ist neben der katholischen Caritas einer der beiden größten Wohlfahrtsverbände in Deutschland. Ihre Einrichtungen versorgen rund zehn Millionen Menschen. Die Broschüre wendet sich an alle Beschäftigten und Leitungsorgane des Verbandes, der rund eine halbe Million hauptamtliche Mitarbeiter und 700.000 Ehrenamtliche beschäftigt.
Der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, betonte, es gebe keine pauschalen Antworten auf die Herausforderungen durch den Rechtspopulismus. Häufig werde man im Einzelfall entscheiden müssen. Wo möglich, wolle man Menschen, die sich abgewendet hätten, für die Demokratie zurückgewinnen.
Leitungen und Mitarbeiter müssten wissen, was zu tun sei, wenn etwa ein Beschäftigter einen Aufkleber mit der Aufschrift "Todesstrafe für Kinderschänder" auf dem Auto habe, sagte Lilie. Andere Beispiele seien Pflegebedürftige, die sich nicht von einer "russischen Schlampe" anfassen lassen wollten, oder Äußerungen wonach Flüchtlinge alles bekämen und Deutsche nichts.
Wo immer möglich solle die Diakonie Skandalisierungen mit Sachlichkeit und Fakten begegnen, heißt es in dem Papier. Im politischen Umfeld sei darauf zu achten, dass Diakonie-Angehörige nicht von AfD-Politikern für deren Zwecke instrumentalisiert würden.
Für die Arbeit mit Klienten, Angehörigen und für den Umgang mit den eigenen Mitarbeitern besteht die Diakonie darauf, klare Grenzen zum Rechtspopulismus zu ziehen. Problematische Vorgänge dürften nicht heruntergespielt werden. Kein Patient, Klient, Angehöriger oder Mitarbeiter habe das Recht, rassistische, antisemitische oder diskriminierende Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Diakonie-Präsident Lilie sagte: "Diese Leute haben bei uns keinen Platz."
Haltung zeigen und den Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden zu fördern, lauten die Empfehlungen für die Einrichtungen. Die Leitungen sollen Beschäftigte darin unterstützen, im Umgang mit rechten Positionen mehr Sicherheit zu gewinnen. Das gelte auch für das Verhalten in sozialen Medien. Kritik müsse man aber aushalten, heißt es in der Empfehlung.
Bei Spenden sei das entscheidende Kriterium, dass die Spender die Werte der Diakonie akzeptieren. Ein Hilfswerk dürfe eine Spende annehmen, müsse es aber nicht. Lilie erklärte, "vergiftete Spenden" würden nicht angenommen. Das sei etwa der Fall, wenn jemand nur für Deutsche spenden wolle.
Ende vergangenen Jahres hatte die Ablehnung einer AfD-Spende an eine Tafel für Bedürftige durch die Diakonie Mitteldeutschland für Diskussionen gesorgt. Die Diakonie hatte die Zurückweisung der Spende damit begründet, dass sie sich vom Menschenbild der AfD klar abgrenzen wolle.
Düsseldorf (epd). Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, warnt vor einem erstarkenden Antisemitismus. "Das Problem ist heute so drängend wie lange nicht", sagte Knobloch am 27. November in Düsseldorf. Es falle ihr zunehmend schwer, mit Blick auf das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden optimistisch zu bleiben. Diese Erkenntnis falle ihr umso schwerer, weil sich das jüdische Leben in Deutschland in den vergangenen Jahren positiv entwickelt habe und vielerorts neue Synagogen entstanden seien.
Doch gerade mit der Wiederkehr des jüdischen Lebens in die Städte habe der Antisemitismus eine Rückkehr erlebt, "die ich nicht für möglich gehalten habe", sagte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist. Dazu gehöre, dass Synagogen inzwischen wie selbstverständlich durch die Polizei geschützt würden und jüdische Schulen Sicherheitsschleusen hätten. Zudem trauten sich nur wenige Juden heute mit einer Kippa auf die Straße. "Die Normalität, die wir gesucht haben, ist wieder weit entfernt."
Mit dem Antisemitismus zurückgekehrt sei auch die Botschaft, dass jüdisches Leben "nicht normal" sei, beklagte Knobloch. Der Antisemitismus komme dabei aktuell vielgestaltig daher und habe mit der AfD sogar eine Partei gefunden, die hasserfüllte Botschaften verbreite und Mitglieder dulde, die offen antisemitische Einstellungen verträten.
Knobloch warb für ein enges Miteinander von jüdischer und nichtjüdischer Kultur, in der auch ein gemeinsamer Schulunterricht möglich sein müsse: "Wir wollen keine Sonderstellung", betonte sie.
Auch der Präsident des jüdischen Turn- und Sportverbands Makkabi Deutschland, Alon Meyer, beobachtet eine Zunahme antisemitischer Anfeindungen: "Das hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren verstärkt. Dagegen müssen wir uns stellen." Er warb auf der Veranstaltung zum Thema Antisemitismus in Düsseldorf dafür, gerade bei jungen Menschen auf Sport als verbindende Kraft zu setzen: "Die, die heute mit uns Sport treiben, werden morgen nicht gegen uns kämpfen können."
Berlin (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gibt Buch-Empfehlungen, feilscht mit Verbandschef Aiman Mazyek um die Imam-Ausbildung, das Publikum lacht: So heiter wie am 28. November ist es in der zwölfjährigen Geschichte der Deutschen Islam Konferenz wohl noch nie zugegangen. Es gibt aber auch heftigen Disput: Vertreter der konservativen Verbände und liberale Muslime liefern sich schon in der ersten Diskussionsrunde ein heftiges Wortgefecht. Es erinnere ihn alles sehr an einen Kirchentag, sagt Seehofer, sichtlich zufrieden mit der hitzigen Diskussion, die er für die Islamkonferenz unter seiner Führung wollte. "Kritischen Dialog" forderte er in seiner Eröffnungsrede.
Mehr als seine Vorgänger hat der CSU-Chef muslimische Einzelpersonen aus der ganzen Bandbreite islamischen Lebens in Deutschland eingeladen. 240 Teilnehmer hatten sich angemeldet. Seehofers Ziel - das hatte er schon vorher klar gemacht - ist ein in Deutschland verwurzelter Islam mit eigenständigen Strukturen ohne Einfluss aus dem Ausland und mit hierzulande ausgebildeten Imamen.
"Muslime gehören zu Deutschland", betonte der Minister in seiner Eröffnungsrede. Den umstrittenen Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" aus einem Interview zu Beginn seiner Amtszeit wiederholt er nicht. Versöhnliche Töne seien das, erkennt auch der Islamexperte Bülent Ucar an. Der Osnabrücker Wissenschaftler, der vor allem an einer deutschen Imamausbildung arbeitet, hatte zuvor noch Untätigkeit der Regierung kritisiert. "Ich bin inzwischen ratlos", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es wird geredet, ohne dass gehandelt wird."
Bei der Imamausbildung will das Bundesinnenministerium in dieser Wahlperiode unbedingt Fortschritte erzielen. Es gebe mittlerweile viele hundert deutschstämmige muslimische Theologie-Studenten, die nach dem Studium nicht als Imame arbeiten könnten, sagte der für die Islamkonferenz zuständige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, dem epd. Grund sei das Fehlen einer an das Studium anschließenden Praxis-Ausbildung.
Damit fehlt die auch bei den Kirchen übliche Verknüpfung zwischen der akademischen Ausbildung und dem Einsatz als Seelsorger. Die müssten die religiösen Vertretungen auf die Beine stellen. Der Staat dürfe sich da aufgrund des Neutralitätsgebots nicht einmischen, betonten Seehofer und Kerber. Die meisten etablierten Verbände taten sich aber in der Vergangenheit schwer mit der Zusammenarbeit mit den Lehrstühlen für islamische Theologie in Deutschland.
Inzwischen scheint aber Bewegung auch in die Verbände zu kommen. Er wolle langfristig auch keine Imame aus dem Ausland mehr, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, vor der Konferenz. Auf dem Podium der Konferenz fordert Seehofer von ihm konkrete Schritte innerhalb des kommenden Jahres. Mehrere Dutzend Imame seien kein Problem, antwortet Mazyek. "24 Imame 2019", hält Seehofer das Verhandlungsergebnis fest.
Anderthalb Tage Diskussion waren für den Auftakt der inzwischen vierten Auflage der 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufenen Islamkonferenz eingeplant. Jeder Bundesinnenminister brachte andere Themen und Formate auf die Agenda. Thomas de Maizière (CDU) konzentrierte sich von 2013 bis 2017 auf Sacharbeit in Fachgruppen. Seehofer will nach eigenen Worten auf feste Gremien verzichten. Er wolle eine flexiblere Arbeitsweise mit unterschiedlichen Formaten.
Die genauen Themen sollen Kerber zufolge auch erst nach der Auftaktveranstaltung festgelegt werden. Seehofer will alltagspraktische Fragen diskutieren. Auch die von 2006 an immer wieder aufgebrachte Frage, wie der Islam sich organisieren kann, dass er als Körperschaft gleiche Rechte wie etwa die Kirchen in Anspruch nehmen kann, soll aber nicht ausgeklammert werden. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat erkannte am Mittwoch an, Seehofer scheine im Dialog mit den Muslimen "dazu gelernt" zu haben. Worte alleine reichten allerdings nicht aus. "Jetzt müssen auch Taten folgen", erklärte sie.
Berlin (epd). Das Land Berlin muss erneut einer wegen ihres Kopftuches abgelehnten muslimischen Lehrerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung zahlen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sprach am 27. November in einer Berufungsverhandlung der studierten Informatikerin, die als Quereinsteigerin in den Schuldienst wechseln wollte, eineinhalb Monatsgehälter zu, exakt 5.981 Euro. Das Gericht begründete dies mit einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht im Mai die Klage der Frau unter Hinweis auf das Berliner Neutralitätsgesetz noch abgewiesen. Dieses sieht vor, dass religiöse Symbole in öffentlichen Schulen - mit Ausnahme von beruflichen Schulen - von Lehrkräften nicht getragen werden dürfen.
Das Landesarbeitsgericht entschied nun in zweiter Instanz, dass sich das Land im konkreten Fall nicht auf das Neutralitätsgesetz berufen könne. Dafür hätte eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität vorliegen müssen, die aber im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden konnte, urteilten die Richter mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015.
Zugleich betonte das Gericht aber, dass das Neutralitätsgesetz durchaus mit der Verfassung vereinbar sei, "weil dieses verfassungskonform ausgelegt werden könne". Das Land Berlin wurde wegen Diskriminierung kopftuchtragender muslimischer Lehrerinnen oder Lehramtsanwärterinnen bereits wiederholt zu Entschädigungszahlungen verurteilt.
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sprach sich dafür aus, Revision gegen das Urteil beim Bundesarbeitsgericht einzulegen, "wenn es der Wahrheitsfindung dient". "Der Konflikt um das Neutralitätsgesetz sollte nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Frauen ausgetragen werden", sagte Behrendt. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sei so zu erwarten gewesen. Es sei jetzt Sache des Abgeordnetenhauses, das Neutralitätsgesetz verfassungskonform auszugestalten. Zuvor hatte bereits die Anwältin der Senatsbildungsverwaltung, die Frauenrechtlerin Seyran Ates, laut "Berliner Zeitung" (Online) angekündigt, dass das Land vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt in Revision gehen werde.
In der rot-rot-grünen Koalition gibt es schon länger unterschiedliche Bewertungen des Berliner Neutralitätsgesetz. Während sich prominente Vertreter der Linkspartei und der Grünen wiederholt für eine Novelle ausgesprochen haben, hält die SPD mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) an der Spitze bislang an dem gegenwärtigen Gesetz fest.
Die religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch, erklärte, "es sei höchste Zeit zu klären, ob das Berliner Neutralitätsgesetz überhaupt noch verfassungskonform ist". Das Antidiskriminierungsnetzwerk Inssan erklärte, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zeige erneut die diskriminierende Einstellungspraxis des Landes Berlin. Frauen mit Kopftuch würden von der qualifizierten beruflichen Tätigkeit als Lehrerin ausgeschlossen, sagte Sprecherin Zeynep Cetin.
Magdeburg (epd). Aus Deutschland sollen weiterhin keine Flüchtlinge nach Syrien abgeschoben werden. Die Innenminister und -senatoren der Bundesländer hätten vereinbart, den Abschiebestopp bis zum 30. Juni nächsten Jahres zu verlängern, sagte der sachsen-anhaltische Ressortchef Holger Stahlknecht (CDU) am 30. November zum Abschluss der Innenministerkonferenz in Magdeburg. Zur Jahresmitte werde das Auswärtige Amt einen neuen Bericht zur Lage in dem Bürgerkriegsland vorlegen. Sollte sich zum aktuellen Bericht keine Veränderung ergeben, gelte der Abschiebestopp automatisch bis Ende 2019.
Während die von der Union geführten Bundesländer den Stopp von Abschiebungen bis 30. Juni befristen wollten, hatten die SPD-Länder für eine Jahresfrist plädiert. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte, mit dem Kompromiss könnten die Sozialdemokraten gut leben. Auf "absehbare Zeit" werde es keine Abschiebungen nach Syrien geben.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte bereits nach Bekanntwerden des Lageberichts vor einer Woche gesagt: "Im Moment kann in keine Region Syriens abgeschoben werden, das gilt auch für Kriminelle."
Düsseldorf (epd). Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 29. November für die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gestimmt, der den Tod eines unschuldig in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kleve inhaftierten syrischen Flüchtlings aufklären soll. Der Ausschuss solle "die Umstände der Verwechslung, Inhaftierung, des Todes von Amad A. und des Umgangs mit dessen Familie" prüfen, teilte der Landtag mit Verweis auf einen Antrag von SPD und Grünen mit. Für den Antrag stimmten die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen. Die AfD-Fraktion enthielt sich. Dem Gremium werden 13 Abgeordnete angehören.
Der 26-jährige Syrer Amad A. war Ende September in einem Krankenhaus an den Folgen eines in seiner Zelle ausgebrochenen Feuers gestorben. Der Mann hatte wochenlang unschuldig in der JVA Kleve eingesessen, weil er Opfer einer Namensverwechslung der Ermittler geworden war. Die Ursache des Feuers ist noch immer unklar. Laut einem Brandgutachter, der die Zelle besichtigt und untersucht hatte, gibt es keine vernünftigen Rechtszweifel daran, dass der Mann das Feuer selbst gelegt hat. Ein Bericht des Ministeriums legt einen Selbstmord nahe.
Berlin (epd). "Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel verteidigt den UN-Migrationspakt gegen wachsende Kritik in Deutschland. "Es ist ein Drama, dass auch Politiker aus Volksparteien sich immer mehr an solcher Unsachlichkeit beteiligen", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Der Pakt wolle sicherstellen, dass Menschen, die migrieren, nicht Opfer von Menschenhandel oder Sklavenarbeit werden. "Nur Zyniker oder Rassisten können das nicht begrüßen, wenn sie deren Versklavung oder Tod billigen, weil das möglicherweise abschreckenden Charakter hat."
Sie verwies zugleich darauf, dass der Pakt keine verbindliche Gesetzeskraft habe, sondern nationale Einwanderungsgesetze anrege. "Insofern kann man die Kampagne dagegen nur als gezielte Panikmache darstellen." Angesichts von 258 Millionen Migrantinnen und Migranten weltweit sei es ein Faktum, dass Migration stattfinde. Und es sei möglich, sie so zu gestalten, dass alle profitierten: Migranten, Herkunftsländer und Aufnahmeländer. "Unsere Gesellschaft und Wirtschaft ist auf Migranten angewiesen, die Herkunftsländer auf die Rücküberweisungen der Migranten nach Hause - der umfangreichsten Quelle von Entwicklungshilfe überhaupt."
Der "Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration" der UN gibt 23 Ziele vor, enthalten sind auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Deutschland ist einer der mehr als 180 Staaten, die das Abkommen annehmen wollen. Massive Kritik vor allem von der AfD, die eine wachsende Zahl von Zuwanderern befürchtet, hatte eine Debatte über das Abkommen entfacht.
München (epd). Der Gentechnikexperte Christoph Then hat die mutmaßlichen Manipulationen eines chinesischen Forschers an Menschen als "deutliches Warnsignal" bezeichnet. Falls diese Experimente tatsächlich stattgefunden haben, stehe man "an der Schwelle einer neuen Entwicklung, die wir nicht ausreichend kontrollieren können und die uns zunehmend entgleitet", sagte der Geschäftsführer und wissenschaftliche Direktor des Münchner Instituts Testbiotech am 27. November dem Evangelischen Pressedienst (epd). Testbiotech wurde 2008 als Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie gegründet.
Ein chinesischer Forscher hatte am 25. November erklärt, mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere (CRISPR-cas9-Methode) das Erbgut von Embryonen so verändert zu haben, dass sie nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge mit dem manipulierten Erbgut sollen vor einigen Wochen geboren sein. Bislang galten solche Experimente auf dem Weg zum "Designerbaby" als Tabu.
In China habe "die Machbarkeit im Vordergrund gestanden. Es wurde einfach versucht, ob man es technisch hinbekommt", sagte Then. Für diese Versuche habe es keinerlei Notwendigkeit gegeben. Auch ob der Schutz gegen HIV so wirklich verbessert werden könne, sei zweifelhaft. Eine derartige Herangehensweise, mit der Menschen zu einer Art Versuchstier gemacht werden, sei zu verurteilen, erklärte der Experte.
Ganz überraschend seien die Nachrichten aus China nicht, räumte Then ein: "Die Frage war wann, und nicht ob." Zurzeit sei ein "dramatischer Anstieg" der Anwendung der Gen-Schere bei Tierversuchen zu beobachten. "Wir sehen Versuche, Tiere menschenähnlicher zu machen, sogenannte Chimären herzustellen." Auch Versuche an menschlichen Embryonen nähmen offenbar zu. Diese Experimente zielten letztlich darauf ab, "auch das Erbgut der Menschen zu verändern, möglicherweise auch im Sinne einer neuen Eugenik".
Die Gen-Schere sei jedoch nicht so präzise, wie anfangs gedacht, sagte Then: "Deshalb wäre es auch überraschend, wenn das in China reibungslos verlaufen wäre und da wirklich gesunde Kinder geboren worden sind." Aber selbst wenn die Gen-Schere "richtig schneidet" bleibe die Frage: "Was macht der Organismus daraus?" Die Lebensvorgänge des Körpers könnten sich insgesamt viel stärker verändern, als das der Wissenschaftler haben wollte, der in das Erbgut eingegriffen hat.
Man wisse inzwischen, dass CRISPR tatsächlich sehr fehleranfällig sein könne. Falls die Nachrichten aus China richtig seien, "wurden hier daher Fakten gegen jegliche wissenschaftliche Redlichkeit" geschaffen, kritisierte Then. Zudem sei dies ein Eingriff, der sich auch vererben könne. Das heißt, "alle Betroffenen Nachkommen könnten sich gegen diesen Eingriff nicht mehr wehren, sie wären immer ein Produkt der Forschung eines bestimmten Labors zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie sind gemacht nach Kriterien, die sich dieser Arzt oder Wissenschaftler dort überlegt hat", sagte Then: "Das ist eine Verantwortung die niemand tragen kann."
Die Gesellschaft müsse die grundsätzlichen Fragen stellen: "Wie wollen wir mit Leben umgehen? Wie wollen wir mit der biologischen Vielfalt, auch mit Versuchstieren umgehen und natürlich auch mit dem Menschen?" Diese Debatte dürfe nicht allein in Deutschland stattfinden, sondern international. Bislang gebe es in der Politik allerdings wenig Bereitschaft, dieses Thema kontrovers zu diskutieren, beklagte der promovierte Veterinärmediziner.
Osnabrück (epd). Berichte über die Geburt erster genmanipulierter Babys in China alarmieren Kirchenvertreter in Deutschland. Der Ethikexperte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Anton Losinger, forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (28. November) für die Biogenetik "ähnliche Schutzstandards wie bei den Menschenrechten". "Sonst stehen am Ende Perfektionierung und Selektion", warnte er.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte der Zeitung: "Genetische Eingriffe in die menschliche Keimbahn wirken sich auf alle Nachkommen aus. Damit öffnet sich die Tür für das gezielte Formen des Designs eines zukünftigen Menschen." Es brauche eine "intensive ethische Besinnung in der Gemeinschaft der Forschenden" und eine breite Diskussion in Kirche und Gesellschaft, sagte der bayerische Landesbischof.
Ein chinesischer Forscher hatte erklärt, mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere das Erbgut von Embryonen so verändert zu haben, dass sie nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge sollen vor einigen Wochen auf die Welt gekommen sein. Bislang galten solche Experimente auf dem Weg zum "Designerbaby" als Tabu. Die betroffene Southern University in Shenzhen (China) reagierte mit Unverständnis auf die Versuche und kündigte eine genaue Untersuchung an.
Der betroffene Wissenschaftler Forscher Jiankui He befinde sich seit Februar in unbezahltem Urlaub, teilte die Universität mit. Die Versuche hätten außerhalb des Universitätsgeländes stattgefunden und seien weder der Universitätsleitung noch dem Biologie-Institut gemeldet worden. Diese Experimente am menschlichen Erbgut hätten die Standards akademischer Ethik ernsthaft verletzt, erklärte die Hochschule.
Der Augsburger Weihbischof Losinger sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung: "Wenn sich dieser Vorgang bewahrheitet, dann verletzt er sämtliche wissenschaftliche Regeln." Er würde die Reichweite der wissenschaftlichen Verantwortung überschreiten. "Das wäre ein Menschenexperiment", sagte Losinger, der der Sozialkommission der Bischofskonferenz angehört.
Düsseldorf (epd). Nach Berichten über die Geburt erster genmanipulierter Babys in China hat sich der rheinische Präses Manfred Rekowski gegen Genexperimente am Menschen ausgesprochen. "Der Mensch kann sich nicht selbst erschaffen, ohne damit seine eigene Würde zu gefährden", schrieb der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland am 27. Novemberg in seinem Präsesblog. Immer dann, wenn sich Staaten, Sekten und auch Wissenschaftler auf den Weg gemacht hätten, den neuen Menschen auszurufen, sei das schief gegangen und habe Leid ausgelöst.
Ein chinesischer Forscher hatte in einem bei Youtube verbreiteten Video erklärt, er habe mit Hilfe der CRISPR-cas9-Methode Erbgut von Embryonen so verändert, dass sie immun gegen das HI-Virus seien und somit nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge mit dem manipulierten Erbgut sollen vor einigen Wochen zur Welt gekommen sein.
Ein Mensch darf nicht zum Gegenstand eines Experiments werden", betonte Rekowski. Mögliche Folgen eines solchen Eingriffs seien noch gar nicht zu überschauen. "Folgewirkungen zeigen sich vielleicht erst in einigen Jahrzehnten oder auch erst in folgenden Generationen", warnte der Repräsentant von mehr als 2,5 Millionen rheinischen Protestanten.
Die weltweite Gemeinschaft der Religionen, der Wissenschaftsinstitutionen und der politischen Bündnisse sei gefragt, eindeutig Stellung zu beziehen, dass hier eine rote Linie überschritten worden und Forschung in dieser Richtung abzulehnen sei. "Vor einem Missbrauch der Biotechnologien gibt es kaum Schutz", schrieb Rekowski. Bei der Frage des Klonens von Menschen sei es allerdings gelungen, eine Ablehnung auf breiter internationaler Basis zu organisieren.
Frankfurt a.M./Hongkong (epd). Die chinesische Regierung beendet die Genforschung des Wissenschaftlers He Jiankui. Das Wissenschaftsministerium habe Forschungseinrichtungen aufgefordert, alle wissenschaftlichen Projekte des Genforschers einzustellen, berichtete die in Hongkong erscheinende Zeitung "South China Morning Post" (29. November). He behauptet, das Erbgut von Zwillingsmädchen verändert zu haben.
Vize-Wissenschaftsminister Xu Nanping kündigte Medienberichten zufolge eine Bestrafung der Forscher an, die an Hes Projekt beteiligt waren. "China hat die Gen-Bearbeitung bei menschlichen Embryonen für reproduktive Zwecke verboten", sagte Xu den Angaben zufolge. "Die Experimente haben gegen Gesetze und Vorschriften in China verstoßen." Sein Ministerium sei strikt gegen Genmanipulation bei Babys.
Berlin (epd). Die Abgeordneten des Bundestags passieren auf dem Weg zu ihren Debatten im Berliner Reichstagsgebäude seit dem 29. November wieder einen großen Adventskranz. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie übergab kurz vor dem ersten Advent traditionell einen Wichern-Adventskranz. Es sei der Prototyp der heute in vielen Haushalten üblichen Kränze, sagte Lilie. Die Ursprungsvariante hat in diesem Jahr 23 Kerzen - vier große weiße für die Adventssonntage und 19 kleine rote für die Werktage bis Heiligabend.
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) nahm den Kranz stellvertretend entgegen. Gemeinsam mit Abgeordneten fast aller Fraktionen wurden zur Übergabe Adventslieder gesungen. Pau lobte die Minuten des Beisammenseins inmitten turbulenter Debatten. Unmittelbar nach der Kranz-Übergabe sollte es im Bundestag um den heftig umstrittenen UN-Migrationspakt gehen.
Diakonie-Präsident Lilie warnte vor Mauern und Grenzen, auch in den Köpfen. Jeder definiere sich über Grenzen, sagte er. Die Adventszeit fordere dazu heraus, diese Grenzen zu überprüfen.
Als Erfinder des Adventskranzes gilt Johann Hinrich Wichern, einer der Gründerväter der evangelischen Diakonie. Im Advent des Jahres 1839 ließ der Theologe Wichern (1808 bis 1881) im Betsaal des "Rauhen Hauses" - eines Kinderheims in Hamburg - einen Leuchter mit roten und weißen Kerzen für die Werk- und Sonntage aufhängen. Jeden Tag wurde eine Kerze vor den ungeduldig auf Weihnachten wartenden Kindern entzündet. Im Bundestag ist das allerdings aus Brandschutzgründen verboten. Der Kranz auf der Plenarsaalebene erhelle dort vielmehr symbolisch, sagte Vizepräsidentin Pau.
Bonn (epd). Wer in diesem Jahr den Bonner Weihnachtsmarkt besucht, kann dem Himmel ein ganzes Stück näher kommen. 72 Meter befördert dort der "Skyliner" die Besucher in die Höhe. Die laut Betreiber weltweit höchste mobile Aussichtsplattform ist die neue Attraktion auf dem Markt, der sich im Laufe der Jahre fast über die gesamte Innenstadt ausgebreitet hat. So wie in Bonn entwickelten sich viele Weihnachtsmärkte immer stärker zu Volksfesten, beobachtet der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg. Jedes Jahr böten die Märkte neue Superlative: "Das Publikum erwartet Steigerungsformen."
Auch die Zahl der Weihnachtsmärkte, die der Deutsche Schaustellerbund (DSB) aktuell auf rund 3.000 schätzt, bricht einen Rekord nach dem anderen. Allein in den vergangenen fünf Jahren seien in Deutschland rund 500 neue Märkte entstanden, sagt DSB-Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg. Die Nachfrage scheint vorhanden. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Besucher auf rund 150 Millionen verdreifacht. Sie bescheren den Händlern laut DSB einen Umsatz im "einstelligen Milliardenbereich".
Ein Grund für die wachsenden Besucherströme sei das verstärkte Marketing, sagt Hakelberg. "Die Städte fördern die Märkte mehr und viele haben sie in ihr Tourismus-Konzept aufgenommen." Reiseveranstalter böten immer mehr Fahrten zu beliebten Weihnachtsmärkten in Städten wie Nürnberg, München, Freiburg, Lübeck oder auch Bonn. Hinzu komme, dass deutsche Weihnachtsmärkte im Ausland immer populärer würden. "Vor allem in Asien und ganz besonders in China steigt die Beliebtheit von Nordeuropa-Reisen im Winter", stellt Hirschfelder fest.
Die Attraktivität der Weihnachtsmärkte erklärt sich Hakelberg damit, dass die Menschen in einer digitalen Welt wieder verstärkt Sehnsucht nach einem sinnlichen Erlebnis hätten. "Auf dem Weihnachtsmarkt werden die Menschen in eine eigene Welt mit Düften, Klängen und einer besonderen Deko entführt."
Mit dem Rummel hatten die Vorläufer der heutigen Weihnachtsmärkte allerdings wenig gemeinsam. Die Märkte entstanden in größerer Zahl im 16. Jahrhundert in der Nähe von Kirchen, wo Händler Lebensmittel für das Fest verkauften.
In Dresden begann die Tradition bereits 1434, als einen Tag vor dem Heiligen Abend ein freier Fleischmarkt genehmigt wurde. Wenig später gibt es dann bereits Striezel, und im Jahr 1704 boten unter anderen Pfefferküchler, Töpfer, Drechsler, Spitzenmacher und ein Sensenschmied ihre Waren feil. Bereits im 19. Jahrhundert reimte ein Dichter über den Weihnachtsmarkt in Dresden: "Bei Puppen-Buden sieht man hier beinah mehr Leute stehen, als Menschen, nach Pflicht und Gebühr, zur lieben Betstund gehen."
Ab den 60er Jahren begannen die Weihnachtsmärkte in Westdeutschland im Zuge des Wirtschaftswunders dann, Orte des Konsums zu werden, wie Hirschfelder beschreibt. Mit Weihnachten hätten die Märkte allerdings immer weniger zu tun, so der Kulturwissenschaftler.
Zwar habe das kommerzielle Interesse bei den Weihnachtsmärkten immer schon im Vordergrund gestanden. Dennoch seien sie ursprünglich christlich geprägt gewesen. "Inzwischen besteht kein ernsthaftes Ansinnen mehr, ein christliches Interesse zu integrieren." Der Kulturwissenschaftler beobachtet außerdem eine zunehmende "Karnevalisierung", etwa wenn Besuchergruppen mit roten Weihnachtsmannmützen über die Märkte ziehen.
Mancherorts bemühen sich die christliche Gemeinden, ein Gegengewicht zu setzen. In Bonn etwa taten sich katholische und evangelische Kirche schon vor 15 Jahren zusammen und richteten auf dem Weihnachtsmarkt eine "Kirchenmeile" ein. In Hütten direkt an den Mauern des Bonner Münsters wurden fair gehandelte Waren verkauft, aber auch Tee ausgeschenkt und Gespräche angeboten.
In diesem Jahr wird das Münster saniert und der Platz hierfür fehlt. "Wir tragen aber die Weihnachtsbotschaft durch andere Angebote mitten in die Stadt, zum Beispiel durch offenes Singen", sagt der Sprecher des Evangelischen Kirchenkreises Bonn, Joachim Gerhardt.
Mit ihrer Botschaft hätten die Kirchen gar nicht so schlechte Chancen, glaubt Hirschfelder. Umweltprobleme und politische Krisen könnten auch zu einer Sinnsuche und der Rückkehr eines religiösen Bewusstseins führen. Viele Menschen verunsichere zudem die Globalisierung.
Das machen sich allerdings auch rechtspopulistische Gruppen zunutze. Sie schüren über soziale Medien Stimmung, zum Beispiel mit falschen Behauptungen über angebliche Weihnachtsdeko-Verbote auf Märkten aus Rücksicht auf Muslime. Diskussionen gab es tatsächlich vereinzelt, von Wintermärkten statt Weihnachtsmärkten zu sprechen, die dann auch länger dauern. Schausteller-Vertreter Hakelberg glaubt allerdings nicht, dass sich das durchsetzen wird. "Der Anlass ist schließlich immer noch Weihnachten und der überwiegende Teil der Märkte endet immer noch am 24. Dezember."
Köln, Bonn (epd). Das Verwaltungsgericht Köln hat die für den 9. und 16. Dezember geplanten verkaufsoffenen Sonntage in Bonn untersagt. Das Gericht folgte damit in einem Eilverfahren drei Klagen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die geltend gemacht hatte, dass die Voraussetzungen für eine sonntägliche Ladenöffnung nach dem nordrhein-westfälischen Ladenöffnungsgesetz nicht gegeben seien, wie das Gericht am 29. November mitteilte. Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden. (AZ.: 1 L 2578/18, 1 L 2579/18, 1 L 2580/18)
Die Stadt Bonn hatte anlässlich der Weihnachtsmärkte eine sonntägliche Öffnung der Läden am 9. Dezember im Stadtbezirk Bonn sowie eine Woche später in den Stadtbezirken Hardtberg und Bad Godesberg geplant. Ausgangspunkt war ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 2017, wonach die Daten der Sonntagsöffnung im Amtsblatt bekanntgegeben werden können.
Dagegen klagte die Gewerkschaft mit Erfolg. Zum einen machte das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung deutlich, dass es an einer formellen Rechtsgrundlage für die Sonntagsöffnung fehle. Diese dürfe nur durch den Rat mit einer Rechtsverordnung beschlossen werden und umfasse auch eine konkrete Entscheidung zum Datum der Ladenöffnung. Eine Übertragung dieser Entscheidung auf Dritte stehe im Widerspruch zur Gemeindeordnung NRW.
Zudem gab es inhaltliche Vorbehalte gegen die geplante Ladenöffnung. So dürfen verkaufsoffene Sonntage nur stattfinden, wenn sie als Ergänzung zu einer "anlassgebenden Veranstaltung" angeboten werden. Diesen im NRW-Ladenöffnungsgesetz vorgeschriebenen Anforderungen werde in den Bonner Fällen nicht entsprochen, da die Verkaufsstellen im gesamten Stadtbezirk öffnen dürften, obwohl der Weihnachtsmarkt selbst nur in einem überschaubaren und zentralen Bereich stattfinde, erklärten die Richter.
Berlin (epd). Europas größter Chanukka-Leuchter leuchtet wieder vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entzündete am Abend des 2. Dezember gemeinsam mit Rabbiner Yehuda Teichtal das erste Licht an dem zehn Meter hohen achtarmigen Leuchter. Der Beginn des achttägigen jüdischen Lichterfest Chanukka (hebräisch: Weihung) fällt in diesem Jahr mit dem Beginn der christlichen Adventszeit zusammen.
In den kommenden Tagen wird jeden Tag mit Einbruch der Dunkelheit eine weitere Kerze an dem achtarmigen Chanukka-Leuchter entzündet. Eine neunte Kerze in der Mitte dient dem täglichen Anzünden der anderen Lichter.
Mit dem Lichterfest Chanukka feiern Juden den Sieg der Makkabäer über die syrischen Armeen im Jahr 164 vor Christus und die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels. Weil damals das ewige Licht im Tempel wie durch ein Wunder acht Tage lang gebrannt haben soll, wird an dem Leuchter jeden Tag eine weitere Kerze angezündet. Chanukka-Leuchter stehen traditionell auch vor dem Weißen Haus in Washington, nahe dem Big Ben in London und auf dem Roten Platz in Moskau.
Steinmeier erklärte bei der Feier, er sei dankbar, dass es 80 Jahre nach der Pogromnacht von 1938 und nach dem Zivilisationsbruch der Schoah wieder vielfältige, selbstbewusste jüdische Gemeinschaften in Deutschland gebe. Es sei ein Geschenk, "dass wir einander die Hände reichen können über den Abgrund unserer Geschichte hinweg", sagte der Bundespräsident. Er versprach, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Die Geschichte sei Verpflichtung und Verantwortung zugleich, "unter die es keinen Schlussstrich geben wird". Antisemitische Hetze dürfe nicht geduldet werden.
Zum Chanukka-Auftakt in Berlin wurden unter anderem auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erwartet. Rabbiner Teichtal von der jüdischen Gemeinschaft Chabad Lubawitsch erklärte zum Chanukka-Fest, 80 Jahre nach der Pogromnacht in der NS-Zeit und den darauffolgenden schrecklichen Ereignissen sei es besonders wichtig, den Triumph des Lichtes über die Dunkelheit und der Demokratie über die Tyrannei hervorzuheben.
Düsseldorf (epd). Der nordrhein-westfälische Landtagspräsident André Kuper (CDU) lädt am 4. Dezember zum jüdischen Chanukka-Fest in den Düsseldorfer Landtag ein. Das Fest beginnt um 18.30 Uhr in der Bürgerhalle des Landtages und erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus, wie der Landtag ankündigte.
Nach Worten des Landtagspräsidenten Kuper und des Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Nordrhein, Oded Horowitz, spricht Rabbiner Baruch Babaev von der jüdischen Gemeinde Dortmund. Er entzündet auch die dritte Kerze an der Chanukkia, einem acht- beziehungsweise neunarmigen Leuchter. Beim Chanukka-Fest wird an jedem Abend unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit ein Licht angezündet. In diesem Jahr feiern Juden Chanukka bis zum 10. Dezember.
Saarbrücken (epd). Die Synagogengemeinde Saar lädt am 9. Dezember zu einer Chanukka-Feier auf dem Vorplatz der Synagoge ein. Dort werde das Entzünden des achten Lichts des Chanukkaleuchters nach dem Abendgottesdienst mit Live-Musik, Glühwein und Berlinern gefeiert, teilte die Synagogengemeinde am 30. November in Saarbrücken mit. Das jüdische Lichterfest Chanukka begann am 2. Dezember, und dauert acht Tage. Es erinnert an den Aufstand der Makkabäer gegen die syrische Herrschaft im 2. Jahrhundert vor Christus und die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem.
Eine Überlieferung besagt, dass der Leuchter im Tempel nicht erlöschen durfte. Doch in ihrem Heiligtum fanden die Juden nur noch einen Krug geweihtes Öl vor. Wundersamerweise ließ dies den Leuchter acht Tage brennen - solange, wie sie brauchten, um neues Öl herzustellen. Im Gedenken daran entzünden Juden heute zu Hause und in der Synagoge Lichter. Jeden Abend kommt eine Kerze in einem achtarmigen Leuchter hinzu. Auf der Saarbrücker Synagoge wird den Angaben zufolge für alle sichtbar jeden Abend ein Chanukka-Leuchter angezündet.
Duisburg (epd). Bundestagsabgeordnete beantworten einer Studie der Universität Duisburg-Essen zufolge Anfragen von Bürgern mit Migrationshintergrund seltener und weniger ausführlich als solche von Absendern mit deutschem Namen. Zu diesem Ergebnis kommt der Politikwissenschaftler Jakob Kemper in seiner Bachelorarbeit, in der er sich mit der "Zugänglichkeit politischer Eliten für Bürger mit Migrationshintergrund" befasst, wie die Hochschule am 30. November mitteilte.
Kemper hatte den Angaben zufolge alle 709 Abgeordneten des Deutschen Bundestag per Brief oder E-Mail angeschrieben. Der Absender habe entweder Paul Schmidt oder Murat Yilmaz geheißen. Der Anfragensteller mit dem türkischen Namen bekam dem Feldexperiment zufolge im Durchschnitt seltener und kürzere Antworten auf die Fragen. Nur die Grünen-Abgeordneten hätten Murat Yilmaz häufiger als Paul Schmidt geantwortet.
Besonders deutlich sei das Missverhältnis bei den Abgeordneten der AfD gewesen, hieß es. Der Absender mit deutschem Namen hätte in 47 Prozent der Fälle eine Antwort erhalten, aber nur 26 Prozent der Angeschriebenen hätten dem Absender mit türkischem Namen geantwortet. Das sei "ein statistisch bedeutsamer Unterschied", hieß es. Bei den übrigen Abgeordneten unterscheide sich die Zahl der Antworten nur um einige Prozentpunkte.
"Wer im Briefkopf steht, wird in der Welt der Bundestagbüros durchaus registriert", sagte Politikwissenschaftler Kemper. Absender mit ausländisch klingendem Namen würden "systematisch bei der Zugänglichkeit zu Abgeordneten diskriminiert". Als "äußerst bedenklich" bezeichnete Politikprofessor Achim Goerres das Ergebnis der Feldstudie. "Jakob Kemper weist Zusammenhänge nach, die nicht nur durch Zufall entstanden sein können", sagte er. In den Anschreiben sei bis auf den Namen des Absenders ansonsten alles gleich gewesen.
Düsseldorf, Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnet am 4. Dezember in Schloss Bellevue drei Ehrenamtliche aus Nordrhein-Westfalen mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland aus. Unter dem Motto "Zukunft braucht Erinnerung" würdige er zum Tag des Ehrenamtes ihr herausragendes Engagement für die Gedenk- und Erinnerungskultur in Deutschland, kündigte das Bundespräsidialamt in Berlin an.
Aus NRW werden Heidrun Breuer aus Bergisch Gladbach, Martin Sölle aus Köln und der Duisburger Burak Yilmaz ausgezeichnet. Breuer halte als ehemalige Bewohnerin und Inhaftierte in der DDR die Erinnerung an die Unterdrückung dort lebendig, hieß es. Als Zeitzeugin erzähle sie vor allem in Nordrhein-Westfalen in Schulklassen von der erlittenen Willkür und Erniedrigung als politische Gefangene. Damit schärfe sie ein Bewusstsein für den Wert der Freiheit, erklärte das Bundespräsidialamt.
Der Kölner Sölle erhält den Angaben zufolge die Würdigung für seinen Einsatz für die Geschichte homosexueller Männer in Deutschland. Er organisiere unter anderem Stadtführungen zur schwulen Geschichte und erinnere an das Schicksal verfolgter Kölner Homosexueller.
Yilmaz aus Duisburg fahre seit 2012 jedes Jahr mit jungen Muslimen nach Auschwitz, um ihnen die Folgen von Rassismus und Antisemitismus zu zeigen. Zudem setze er sich in Duisburg mit der NS-Zeit auseinander und führe Gespräche über den Holocaust, Antisemitismus und den Nahostkonflikt, hieß es. Seine Arbeit bezeichnete das Bundespräsidialamt als wichtig und verdienstvoll, da immer mehr Menschen, unter ihnen auch Migranten, keinen familienbiographischen Berührungspunkt zur NS-Zeit hätten.
Bundespräsident Steinmeier zeichnet laut Ankündigung insgesamt 14 Frauen und 14 Männer mit dem Verdienstorden aus. Die Gewürdigten setzten sich für das Gedenken an Unrecht und Diktatur sowie für die Erinnerung an die deutsche Freiheits- und Demokratiegeschichte ein.
Berlin (epd). Der Bundestag hat sich in einer sachlichen und ernsthaften Debatte mit der Zukunft der Organspenden in Deutschland beschäftigt. Dabei zeichneten sich am 28. November drei Positionen ab. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzte sich für die Einführung einer Widerspruchslösung ein, nach der jeder Menschen Organspender ist, der selbst oder dessen Angehörige in seinem Namen nicht widersprechen.
Andere Abgeordnete wie die früheren Gesundheitsminister Ulla Schmidt (SPD) und Hermann Gröhe (CDU) lehnten die Widerspruchslösung ab und wollen an der geltenden Zustimmungslösung festhalten. Die Parteivorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock, und der Linken, Katja Kipping, engagierten sich für eine verpflichtende Entscheidung. Die Debatte wurde zweieinhalb Stunden lang ohne Fraktionszwang geführt. Als Nächstes werden Gruppenanträge erarbeitet.
Spahn sagte, er sei durch den Tiefstand bei den Organspenden dazu gekommen, sich für die Widerspruchslösung starkzumachen. Eigentlich läge auch ihm "eine Einladung zu einer Entscheidung" näher. Unterstützung erhielt Spahn unter anderen vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Petra Sitte.
Gegenwärtig warten 10.000 bis 12.000 Menschen auf ein Organ. Im vergangenen Jahr gab es aber nur 797 Spenderorgane. Lauterbach sagte, diese Menschen warteten zum Teil "im Angesicht des Todes", und es seien viele Kinder darunter. Jeder Fünfte sterbe während der Wartezeit: "Wir brauchen eine Regelung, die dieses Leid verhindert."
Die Mehrheit der Rednerinnen und Redner setzte sich aber für eine freie Entscheidung für oder gegen eine Organspende ein. Baerbock und Kipping schlugen eine verbindliche, wiederkehrende Abfrage bei der Beantragung von Ausweisen vor. Dabei müssten ein Ja, ein Nein und ein Aufschub der Entscheidung gleichermaßen möglich sein.
Baerbock sagte, sie befürchte, wenn man Menschen aktiv zwinge, Nein zu sagen, werde die Spendenbereitschaft zurückgehen. Dabei seien über 80 Prozent der Bevölkerung grundsätzlich bereit, ein Organ zu spenden. Aber nur knapp 40 Prozent hätten sich bewusst dazu entschieden. Es sei die Aufgabe des Gesetzgebers, diese Lücke zu schließen.
Einig waren sich alle Redner und Rednerinnen, dass etwas getan werden muss, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Viele Abgeordnete bezogen sich auf eine Kieler Studie, wonach die Entnahme von Organen vor allem an einer unzureichenden Organisation in den Kliniken scheitert.
Eine Widerspruchslösung werde daher nicht für mehr Spenderorgane sorgen, folgerte Ulla Schmidt: "Entscheidend ist die Organisation im Krankenhaus!" Schon als Ministerin habe sie mit Menschen gesprochen, die eine Woche auf einer Intensivstation einen sterbenden Angehörigen begleitet hatten, aber nie angesprochen worden waren. Dabei sei der Verstorbene zur Spende bereit gewesen.
Gröhe sagte, eine Widerspruchslösung stünde im Widerspruch zu Medizinethik und Patientenrechten. "Eine Organspende ist ein Geschenk aus Liebe zum Leben. Das setzt Freiwilligkeit und Zustimmung voraus." FDP-Vize Wolfgang Kubicki lehnte eine Widerspruchslösung ebenfalls ab und betonte, "dem deutschen Recht ist es fremd, Schweigen als Zustimmung zu werten".
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion Axel Gehrke, selbst Kardiologe, zeigte sich nicht davon überzeugt, dass eine Widerspruchslösung zu mehr Organspenden führen werde. Dieser Weg werde sich nie aus dem "Verdacht der Begehrlichkeiten Dritter" befreien können. Besser sei, wenn Menschen die informierte Entscheidung selbst träfen, ihre Organe zur Verfügung stellen zu wollen.
Alle Rednerinnen und Rednern lobten, dass die Debatte in Gang gekommen sei und die Regierungskoalition mit dem Gesetz zur besseren Finanzierung der Strukturen in den Entnahmekrankenhäusern und Stärkung der Transplantationsbeauftragten einen ersten Schritt getan habe. Andere Länder zeigten, dass es entscheidend auf funktionsfähige Strukturen ankomme.
Der Arzt und CDU-Gesundheitspolitiker, Rudolf Henke, der selbst auf Organe wartende Dialysepatienten betreut hat, sagte, man könne es auch so sehen: Nicht nur diese Menschen würden vergeblich warten. Es werde auch der Wille vieler Spender nicht erfüllt, weil ihre Organe nicht verwendet würden.
Frankfurt a.M. (epd). Die Zulassung neuer Medizinprodukte wird in der EU nicht staatlich, sondern durch private Prüfstellen wie TÜV, Dekra oder Eurofins geregelt. Sie werden von den Herstellern für die Zertifizierung bezahlt. Lehnt eine der rund 50 europäischen Stellen die Erteilung der benötigten CE-Kennzeichnung ab, können Unternehmen sich an ein anderes Institut wenden.
Recherchen des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) in verschiedenen europäischen Ländern haben gezeigt, dass auch mangelhafte oder sogar gesundheitsschädliche Produkte eine Zertifizierung erhalten können. So ließen drei Prüfstellen ein von dem Rechercheteam eingereichtes Mandarinennetz als Hilfsmittel gegen Beckenboden-Beschwerden zu. Auch einer fiktiven Hüftprothese, die Merkmale defekter und deshalb bereits vom Markt genommener Implantate aufwies, wurde eine Zulassung zugesagt.
Nach den geltenden Regelungen der EU müssen einwandfreie Funktionsweise und Haltbarkeit nicht durch klinische Studien nachgewiesen werden, wenn vergleichbare Produkte bereits auf dem Markt sind. Es reicht eine schriftliche Begründung des Herstellers. Laut Recherchen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR liegen bei rund 90 Prozent der Hochrisiko-Geräte keine klinischen Daten vor. Zu diesen Geräten gehören etwa Herzschrittmacher und Hüftprothesen. Bei Arzneimitteln verläuft die Handhabung deutlich strenger. Hier erfolgt die Zertifizierung durch staatliche Stellen. Die Wirksamkeit muss durch umfangreiche Studien bestätigt werden.
Den Investigativ-Recherchen zufolge bleibt fast die Hälfte der von Hochrisiko-Produkten verursachten Probleme ohne Reaktion des Herstellers und damit ohne Folgen. Denn nach geltender Rechtslage liegt es bei den Unternehmen, auf Probleme, die von Ärzten bei ihnen gemeldet werden, zu reagieren und eventuell mangelhafte Produkte zurückzurufen, zu überarbeiten oder eine Warnung auszusprechen.
Bleibt der Hersteller tatenlos, kann sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einschalten. Das Institut kann allerdings keine Verbote oder Anordnungen aussprechen, sondern verantwortlichen Unternehmen eine Reaktion empfehlen oder die zuständigen Landesbehörden einschalten.
Die EU hat zwar im Mai 2017 eine neue, in einigen Punkten strenger gefasste Medizinprodukteverordnung in Kraft gesetzt. In weiten Teilen gilt sie allerdings erst ab 2020. Diese sieht beispielsweise vor, dass jedes einzelne Produkt genau identifizierbar gemacht wird. Für die Zulassung von Hochrisiko-Produkten soll zudem eine Expertengruppe Ratschläge erteilen und Hersteller sollen mindestens alle fünf Jahre kontrolliert werden.
Die Zulassung der Produkte wird allerdings noch immer hauptsächlich von Privatunternehmen geregelt. Wenn ein Produkt von einer Prüfstelle abgelehnt wird, kann sich der Hersteller auch weiterhin an eine beliebige andere Stelle bemühen - bis es klappt. Die Ratschläge des Expertengremiums zu den Hochrisiko-Produkten sind nicht verbindlich.
Mit der Datenbank Eudamed soll bis Mai 2020 mehr Transparenz hergestellt werden. Dort werden Informationen zu klinischen Studien und Problemen mit den Produkten gesammelt. Zu welchen Daten auch Bürger und Patienten Zugang bekommen, ist noch nicht klar.
Düsseldorf (epd). NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember mehr Solidarität mit HIV-infizierten und an Aids erkrankten Menschen angemahnt. "Eine Diskriminierung der Betroffenen darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben", erklärte Laumann in Düsseldorf. Ausgrenzung müsse entschieden entgegengetreten werden.
Trotz sinkender Zahlen von HIV-Infektionen sieht der Minister weiter Handlungsbedarf. 2017 haben sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Nordrhein-Westfalen geschätzte 550 Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert, 55 weniger als im Vorjahr. "Der Kampf gegen Aids ist damit noch lange nicht gewonnen", betonte Laumann. Noch immer würden zu viele HIV-Infektionen zu spät diagnostiziert. Doch je eher eine Infektion erkannt werde, desto besser seien die Therapiemöglichkeiten. Deshalb sei ein niedrigschwelliger Zugang zu Tests und Beratungen wichtig.
Um die Testbereitschaft zu erhöhen, stelle das Land den Aids-Hilfen im Nordrhein-Westfalen 1.000 HIV-Selbsttests zur Verfügung, teilte der Gesundheitsminister weiter mit. Dieser Aktion stimmte auch der Landtag am 30. November zu. Für den Antrag von CDU und FDP stimmten auch die Fraktionen von SPD und Grünen sowie zwei fraktionslose Abgeordnete, die AfD-Fraktion enthielt sich.
Die Aids-Hilfen werden den Test gratis anbieten, durch die Abgaben der HIV-Selbsttests soll das Angebot bekannter werden. Der Test soll eine Ergänzung zum Beratungs- und Testangebot im öffentlichen Gesundheitsdienst darstellen und dafür sorgen, dass HIV-Erkrankungen frühzeitig erkannt werden und Betroffene mit einer Therapie beginnen können. Es richtet sich vor allem an Menschen, die sich nicht an einen Arzt oder eine Beratungsstelle wenden möchten oder keine geeignete Teststelle in der Nähe haben.
Nach Angaben von Experten leben in Deutschland rund 13.000 Menschen, die an HIV erkrankt sind, aber nichts davon wissen. Mehr als 1.000 Menschen in Deutschland erkrankten jährlich an Aids oder einem schweren Immundefekt, weil sie jahrelang nichts von ihrer HIV-Infektion wussten.
Der Bundesrat hatte Ende September eine Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung zugestimmt, die eine Zulassung von HIV-Selbsttests möglich macht. Der HIV-Selbsttest kostet im Handel zwischen 20 und 50 Euro und ist ein Schnelltest, der sich zu Hause durchführen lässt. Dabei wird etwas Blut aus der Fingerkuppe abgenommen und in eine Testapparatur gegeben. Nach etwa 15 Minuten wird das Ergebnis angezeigt.
Berlin/Düsseldorf (epd). Die Arbeitnehmer in Deutschland haben im vergangenen Jahr so viele Überstunden geleistet wie seit 2007 nicht mehr. Ingesamt häuften sie 2,127 Milliarden zusätzliche Stunden an, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Nur rund die Hälfte der Überstunden wurde den Angaben zufolge vergütet. Die "Rheinische Post" (30. November) hatte zuerst über den Anstieg der Überstunden berichtet.
Die Zahl der Überstunden von Voll- und Teilzeitbeschäftigten habe um rund 12,8 Prozent im Vergleich zu 2016 zugenommen, teilte die Bundesregierung mit. Damals seien es knapp 1,9 Milliarden Stunden gewesen. Den zuletzt höchsten Wert habe es 2007 mit 2,131 Milliarden gegeben. Auch der Anteil der Überstunden an den insgesamt geleisteten Arbeitsstunden sei gestiegen: 2016 lag dieser bei 3,7 Prozent, im vergangenen Jahr bei 4,1 Prozent.
Den Angaben zufolge leistete jeder abhängig Beschäftigte im Jahr 2017 durchschnittlich knapp 27 bezahlte sowie 27 unbezahlte Überstunden. Im ersten Halbjahr 2018 habe die Zahl der Überstunden bereits bei knapp 1,1 Milliarden gelegen. Die Zahlen beruhen auf Erhebungen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Angestellte, die eine hoch komplexe Tätigkeit ausüben, erbrachten pro Kopf die meisten zusätzlichen Stunden. Am wenigsten Mehrarbeit leisteten Angestellte in Helfer- oder Anlerntätigleiten.
Die meisten Überstunden werden aus betrieblichen Gründen geleistet, wie es hieß. Einer Umfrage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zufolge sei die Arbeit häufig in der vereinbarten Zeit nicht zu schaffen gewesen. Oft verwiesen die Befragten auch auf "sonstige betriebliche Gründe" oder Vorgaben im Betrieb wie angeordnete Überstunden. Spaß an der Arbeit oder private Gründe wie zum Beispiel der Wunsch nach zusätzlichem Verdienst wurden hingegen nur selten genannt.
Die Linken-Arbeitsmarktpolitikerin Jessica Tatti bezeichnete die Zahlen als skandalös. Sie legten offen, "dass sich viele Arbeitgeber auf dem Rücken ihrer Beschäftigten bereichern". Für Unternehmen zahle sich das aus. Allein im Jahr 2017 hätten sie über 36 Milliarden Euro gespart, weil die Beschäftigten Überstunden zum Nulltarif geleistet haben.
Folgen der Überstunden sind laut Tatti Stress, Arbeitshetze und Überlastung, eine "Anti-Stress-Verordnung" sei daher überfällig. Außerdem forderte sie, die Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten sowohl bei der Dauer und Lage der Arbeitszeit als auch bei der Personalbemessung zu stärken. Zudem brauche es eine Verkürzung der Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden. "Wenn die Arbeitsmenge in der vertraglichen Arbeitszeit nicht zu schaffen ist, muss mehr Personal eingestellt werden."
Bonn (epd). Gerade kleinere und mittlere Unternehmen kümmern sich laut Experten nicht genug um die digitale Qualifizierung ihres Personals. "In diesen Betrieben kommt der digitale Wandel in der Aus- und Weiterbildung meist zu kurz", sagte Stephan Dietrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gründe seien neben den geringen personellen Ressourcen in den Betrieben auch zu wenig Zeit.
"Durch die Digitalisierung werden nicht nur neue Kenntnisse erforderlich, bestimmte Kompetenzen werden auch wichtiger als früher", sagte Dietrich. Beispielsweise gewinne die Fähigkeit, selbstständig zu lernen, sowie eine ausgeprägte Teamkompetenz an Bedeutung. Um ein Unternehmen für den digitalen Wandel zu rüsten, brauche es flexibles und lernbereites Personal.
Es reiche nicht, traditionelle Lernarten wie Vorträge oder Gruppenarbeit ins Digitale zu übertragen, sagte Dietrich, der am Förderprogramm "Jobstarter plus" für kleine und mittlere Unternehmen des Bundesbildungsministeriums beteiligt ist. "Der digitale Wandel fordert neue Lernformen." Lernen und Arbeiten müssten enger verzahnt werden. So brauche es Möglichkeiten, am Arbeitsplatz zu lernen. Selbstgesteuertes Lernen müsse durch digitale Medien und Technologien unterstützt werden. Tablets und Smartphones spielten dabei eine große Rolle. Insgesamt sei es wichtig, eine Lernkultur zu etablieren, die in eine Digital-Strategie für das gesamte Unternehmen eingebettet sei.
"Nach unseren Erfahrungen bleibt keine Branche unberührt", sagte Dietrich. Zum einen gebe es Wirtschaftszweige wie die Elektro- oder die Automobilbranche, die traditionell eng mit der Digitalisierung verbunden seien. Aber auch Branchen wie die Landwirtschaft, die häufig nicht mit der Digitalisierung in Verbindung gebracht werden, müssten sich massiv umstellen. Grundsätzlich stünden besonders kleinere Unternehmen, zum Beispiel Zulieferbetriebe in der Automobilindustrie, vor großen Herausforderungen.
Gerade die kleineren und mittleren Unternehmen brauchen daher laut Dietrich bei der Entwicklung einer digitalen Strategie Unterstützung. Dafür gebe es Förderprogramme des Bundes und der Länder. Der digitale Wandel verlange zudem hohe Investitionen und stelle neue Anforderungen an die IT-Sicherheit. Ein weiteres Hindernis sei gerade in ländlichen Regionen der fehlende Breitbandanschluss.
Bonn (epd). Arbeitslose Menschen mit Behinderung brauchen im Durchschnitt genau ein Jahr, um einen Job zu finden. Das sind 104 Tage mehr als bei Menschen ohne Beeinträchtigung, wie aus Zahlen des am 29. November veröffentlichten "Inklusionsbarometers Arbeit" der Aktion Mensch hervorgeht. Dabei habe sich die Situation im vergangenen Jahr bereits leicht verbessert, teilte die Hilfsorganisation in Bonn mit. 2016 seien Menschen mit Handicap im Durchschnitt noch 377 Tage auf Jobsuche gewesen.
Ein weiteres Problem ist den Angaben zufolge ein hoher Anteil an Langzeitarbeitslosen unter Behinderten. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Erwerbslosen insgesamt lag bei Behinderten im Jahr 2017 bei 44,4 Prozent und damit rund neun Prozentpunkte über dem Anteil bei Menschen ohne Behinderung. Die Dauer der Arbeitslosigkeit sei neben dem Lebensalter und der Schwerstbehinderung ein zusätzliches Hindernis bei der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt, erklärte die Aktion Mensch.
Behinderte Menschen profitierten nicht im gleichen Maß von der guten Konjunktur wie die Allgemeinheit, sagte Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute, das für das "Inklusionsbarometer Arbeit" Daten der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter auswertete. Die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter sei zwar von 12,4 Prozent im Jahr 2016 auf 11,7 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Gleichzeitig habe sich allerdings der Abstand zur allgemeinen Arbeitslosenquote, die im Jahr 2017 bei 5,7 Prozent lag, erstmals wieder vergrößert.
Es gebe aber auch positive Veränderungen: "Insgesamt entwickelt sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung seit sechs Jahren konstant positiv", sagte Rürup. So sank die Zahl der Arbeitslosen mit Handicap zwischen 2016 und 2017 von 170.500 auf 162.400 und erreichte damit ein neues Rekordtief.
Ab einer Größe von 20 Mitarbeitern ist ein Unternehmen verpflichtet, Menschen mit Behinderung einzustellen. 2017 seien das in Deutschland mehr als 160.000 Betriebe gewesen. Wachsende Firmen wählten allerdings häufig die Möglichkeit, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. "Gerade kleinere Unternehmen, die erstmals unter die Beschäftigungspflicht fallen, wissen zu wenig über Fördermöglichkeiten und Mitarbeiter mit Behinderung", sagte Armin von Buttlar, Vorstand der Aktion Mensch.
Berlin (epd). Die Deutschen haben von Januar bis September 2018 rund 3,3 Milliarden Euro gespendet. Das ist ein Plus von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005, wie eine am 27. November in Berlin vorgestellte Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des Deutschen Spendenrates ergab. Die Prognose für das Gesamtjahr sehe deshalb sehr gut aus.
Daniela Geue, Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats, erwartet, dass das Spendenvolumen in diesem Jahr bei deutlich mehr als fünf Milliarden Euro und damit höher als in den vergangenen beiden Jahren liegen werde. Tatsächlich wird mit einem Anstieg zwischen 3,7 und 6,2 Prozent gegenüber 2017 gerechnet.
So spendeten in den ersten neun Monaten dieses Jahres rund 16,5 Millionen Menschen Geld an gemeinnützige Organisationen oder Kirchen. Das war knapp jeder Vierte der deutschen Bevölkerung ab zehn Jahren (24,5 Prozent) und etwa 500.000 Menschen weniger als im Vorjahr. Zugleich ist es der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung. "Damit setzt sich der Trend der letzten Jahre fort: Immer weniger Menschen spenden. Aber diejenigen, die spenden, spenden immer mehr", sagte Geue.
Der Betrag der durchschnittlichen Spende pro Spendenakt stieg von 32 Euro auf 35 Euro. Damit liege dieser Wert wieder auf dem Rekordniveau des Ausnahmejahres 2015. Dadurch sei auch das Spendenvolumen im Vorjahresvergleich jeweils bis September von 3,1 Milliarden Euro auf 3,3 Milliarden Euro gestiegen. Die Spendenhäufigkeit lag bei 5,6 Spenden pro Person (minus 0,2).
Den Hauptanteil der Spenden entfällt mit 75 Prozent weiterhin auf die humanitäre Hilfe. Mehr gespendet haben die Deutschen vor allem für den Umwelt- und Naturschutz (plus 29 Prozent) und den Tierschutz (plus 18 Prozent). Trotz der Dürre in Afrika und den Flutkatastrophen auf den Philippinen und in Indien sank der Anteil der Not- und Katastrophenhilfe am Gesamtspendenvolumen deutlich von 14,5 Prozent auf rund neun Prozent.
Dagegen würden nationale Projekte stärker unterstützt, hieß es weiter. Ihr Anteil stieg von 26 Prozent auf 33 Prozent. Ein weiterer Trend ist die Abnahme der Spenden an katholische und evangelische Organisationen um rund 2,5 Prozentpunkte zugunsten nichtkonfessioneller Organisationen. Auch Geldspenden für Flüchtlinge im In- und Ausland sind gegenüber 2016 um 17 Prozent auf 281 Millionen Euro zurückgegangen. Die Zahl der Spender für diesen Zweck ging seit 2016 um 37 Prozent zurück auf rund 1,8 Millionen Personen. Dafür wuchs die Durchschnittspende für Flüchtlinge um 18 Prozent auf 53,50 Euro.
Nach wie vor spendet der Studie zufolge die Generation 70plus am meisten. Ihr Anteil ging aber deutlich von mehr als 40 Prozent auf rund 35 Prozent zurück. Dafür nahm der Anteil der Spender zwischen 30 bis 59 Jahren etwas zu. Der höchste Anstieg zeigt sich in der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre. Hier stieg das durchschnittliche Spendenvolumen pro Spendergruppe von 216 Euro auf 271 Euro. "Das ist ein großer Erfolg. Gerade diese Altersgruppe war in der Vergangenheit für gemeinnützige Organisationen nur schwer zu erreichen", sagte Geue. Laut Studie sorgen sogenannte Mehrfachspender (sechs Mal und mehr) für 63 Prozent der Gesamteinnahmen.
Die Studie "Trends und Prognosen" ist ein Teilergebnis der Analyse "GfK Charity*Scope", die auf kontinuierlichen schriftlichen Erhebungen bei einer repräsentativen Stichprobe von 10.000 Teilnehmern basiert. Die "Bilanz des Helfens" zum Spendenjahr 2018 wird voraussichtlich Ende Februar 2019 vorgestellt. Nicht enthalten in der Erhebung sind Erbschaften und Unternehmensspenden, Spenden an politische Parteien und Organisationen und gerichtlich veranlasste Geldzuwendungen, Stiftungsneugründungen und Großspenden von mehr als 2.500 Euro. Der Deutsche Spendenrat ist der Dachverband von 65 Spenden sammelnden, gemeinnützigen Organisationen.
Frankfurt a.M. (epd). Mit der Social-Media-Aktion #keinerbleibtallein wollen evangelische Kirche und Telefonseelsorge in der Vorweihnachtszeit Menschen zusammenbringen. Ziel sei, ungewollte Einsamkeit an den Feiertagen zu verhindern, teilten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) und die Telefonseelsorge am 25. November in Frankfurt mit. Ein Video solle Mut machen, auch auf fremde Menschen zuzugehen. Wer Gemeinschaft sucht oder sie anbietet, kann sich bei der Initiative auf Twitter (https://twitter.com/istnichtallein) oder auf Facebook (https://www.facebook.com/KeinerTwittertAllein/) melden.
Die Kampagne #keinerbleibtallein wurde bereits 2016 ins Leben gerufen. Dabei sollen denjenigen, die in der Advents- und Weihnachtszeit Gesellschaft suchen, Angebote in der Nähe gemacht werden. Bis zum 20. Dezember können sich Interessierte via Nachricht auf Facebook oder Twitter melden und der Initiative schreiben. Der Verein #keinerbleibtallein bringt anschließend Anbietende und Suchende zusammen. Die Aktion habe im vergangenen Jahr 2.378 Personen motiviert, an Weihnachten Zeit mit Fremden zu verbringen, die ebenfalls Geselligkeit suchten.
Kirchen und Sozialverbänden zufolge wächst die Zahl der Menschen, die sich alleingelassen fühlen. Nach einer im Frühjahr veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD sehen 51 Prozent der Deutschen Einsamkeit als großes Problem an, 17 Prozent sprachen von einem "sehr großes Problem". Laut #keinerbleibtallein fühlen sich 70 Prozent aller Deutschen häufig einsam. EKD, GEP und die von beiden großen Kirchen getragene Telefonseelsorge haben sich zu dieser Aktion zusammengeschlossen, um etwas gegen die zunehmende Einsamkeit zu tun.
Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) ist die zentrale Medieneinrichtung der EKD und trägt auch die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd).
Frankfurt a.M./Bielefeld (epd). An Weihnachten steht für die meisten Deutschen die Familie im Vordergrund. In einer Umfrage im Auftrag des evangelischen Magazins "chrismon" (Dezember-Ausgabe) nannten 69 Prozent die Zusammenkunft der Familie als wichtigsten Grund, Weihnachten zu feiern. An zweiter Stelle folgte mit 41 Prozent die Tradition aus Lichtern, Musik und Gerüchen. Jeder Vierte gab an, Weihnachten zu feiern, "weil ich an Jesu Geburt denke".
Für 16 Prozent ist der wichtigste Grund die Freude der Kinder. Jeder Zehnte feiert das Weihnachtsfest, um Geschenke zu machen, jeder 20., um beschenkt zu werden. Sechs Prozent gaben an, Weihnachten nicht zu feiern.
Für die Erhebung befragte das Emnid-Institut 1.009 Bürger in Deutschland. Bis zu zwei Mehrfachantworten waren möglich.
Düsseldorf (epd). Scheidungskinder bekommen ab dem kommenden Jahr von ihren unterhaltspflichtigen Elternteilen mehr Geld. Die neue "Düsseldorfer Tabelle" tritt am 1. Januar 2019 in Kraft, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf am 27. November mitteilte. Die Tabelle regelt die Unterhaltszahlungen von getrennt lebenden Vätern und Müttern.
Der Mindestunterhalt für ein Kind bis sechs Jahre steigt demnach von bislang 348 auf 354 Euro. Für Jungen und Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr liegt er bei 406 statt bisher 399 Euro, für Kinder bis zum 18. Lebensjahr bei 476 statt 467 Euro. Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils leben, bleibt der Unterhalt unverändert bei 527 Euro.
Auch für unterhaltspflichtige Väter und Mütter in den höheren Einkommensgruppen steigen die Bedarfssätze je nach Verdienst um fünf bis acht Prozent, wie das Gericht mitteilte. Auf den Unterhaltsbedarf muss das Kindergeld angerechnet werden, bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte. Das Kindergeld steigt ab dem 1. Januar 2019 für das erste und das zweite Kind auf je 204 Euro, für das dritte auf 210 Euro und für jedes weitere Kind auf 235 Euro. Die Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle und der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils, die in diesem Jahr angehoben worden waren, blieben 2019 unverändert, hieß es.
Die "Düsseldorfer Tabelle" war zuletzt zum 1. Januar 2018 angepasst worden, eine erneute Änderung wird es laut Gericht voraussichtlich zum Jahr 2020 geben. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene Tabelle gibt seit 1962 einheitliche Richtwerte für die Berechnung des Familienunterhalts vor. Die Düsseldorfer Tabelle selbst hat keine Gesetzeskraft und ist eine allgemeine Richtlinie, die von allen Oberlandesgerichten bundesweit bei der Berechnung des Kindesunterhalts benutzt wird.
Wesel (epd). Das Bündnis "Sozialticket NRW" fordert die nordrhein-westfälische Landesregierung auf, die Mittel für das Sozialticket zu erhöhen. "Für Menschen, die von Hartz IV oder Grundsicherung leben müssen, ist das Ticket viel zu teuer", erklärte Klaus Kubernus-Perscheid aus dem Koordinierungskreis des Bündnisses am 27. November in Wesel. Im Landeshaushalt für das kommende Jahr, über den am Mittwoch der Landtag berät, seien aber statt der nötigen 80 Millionen Euro wieder nur 40 Millionen Euro eingeplant.
Der Preis des Sozialtickets entferne sich immer weiter von der Bedarfslage derer, für die das Angebot konzipiert sei, erklärte das Bündnis, zu dem unter anderem das Erwerbslosenforum Tacheles gehört. So steigt der Ticketpreis im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ab dem 1. Januar 2019 auf 38,65 Euro. Im aktuellen Regelsatz für Empfänger von Arbeitslosengeld II seien aber nur maximal 27,85 Euro für Fahrtickets vorgesehen. Obwohl es bereits nach den letzten Preiserhöhungen Proteste von Sozialverbänden gegeben habe, habe die NRW-Landesregierung im Haushalt keine Erhöhung der Mittel für das Sozialticket vorgesehen, beklagte das Bündnis.
Die Unterdeckung von zehn Euro pro Monat bedeute, dass Mobilität für arme Menschen zum Luxus werde. "Da auch die anderen Posten im Regelsatz viel zu knapp bemessen sind, sind diese Menschen gezwungen, ihr weniges Geld für andere Dinge wie Nahrungsmittel, Bekleidung und Gesundheit auszugeben", sagte Kubernus-Perscheid.
Dortmund (epd). Die Stadt Dortmund verlangt von Obdachlosen künftig keine Verwarngelder mehr. "Wir sind eine Stadt, die Arme nicht ausschließt. Wir sind inklusiv, wir wollen niemanden ausschließen", erklärte Oberbürgermeister Ulrich Sierau (SPD) am 28. November. Leider sei es aber so, dass es mit Blick auf bestimmte Punkte in der Stadt zahlreiche Beschwerden von Anwohnern etwa wegen Lärm oder Dreck gegeben habe. "Das gab Anlass zur Intervention, und dafür haben wir nach einem festgeschrieben Rechtsrahmen gearbeitet."
Das verhängte Bußgeld bezeichnete der Oberbürgermeister als äußerste Lösung. Zunächst sei alles dafür getan worden, die Betroffenen für Hilfsangebote wie Schlafstellen und Beratungen zu interessieren, erklärte er. "Wir haben festgestellt, dass die Knöllchenregelung unwirksam ist." Sie sei kein Instrument, um das Problem zufriedenstellend zu lösen, zumal die Bußgelder in der Regel von den Betroffenen gar nicht bezahlt werden könnten. Der Ordnungsdienst der Stadt werde Obdachlose in der Stadt künftig noch intensiver auf Hilfsangebote aufmerksam machen.
Die Stadt behält sich nach eigenen Angaben vor, auch künftig in Einzelfällen wegen unerlaubten Übernachtens im Freien Platzverweise auszusprechen. Die Besuche von sogenannten Problemörtlichkeiten durch Mitarbeiter des Ordnungsdienstes hätten gezeigt, dass die meisten Verstöße von einer Kerngruppe bestimmter Obdachloser ausgingen. Dieselben 69 Menschen hätten allein in diesem Jahr für 70 Prozent aller Verstöße gesorgt.
Sierau unterstrich die Unterbringungspflicht der Stadt von Menschen ohne Unterkunft. Das bestehende Versorgungssystem in der Stadt sei bereits einem Check unterzogen worden. Im Gespräch mit Vereinen und Initiativen habe man sich unter anderem darauf verständigt, bestehende Angebote bedarfsgerecht zu verändern, etwa kleinere Schlafräume statt Schlafsäle anzubieten und stärker auf besondere Zielgruppen wie junge Erwachsene ohne Wohnung oder drogenabhängige Obdachlose einzugehen. Für junge Wohnungslose sind zudem besondere Straßensozialarbeiter im Einsatz.
Düsseldorf (epd). Das Düsseldorfer Straßenmagazin "Fifty-Fifty" bringt Kindern mit einem neuen Buch das Leben von Wohnungslosen näher. Auf 40 illustrierten Seiten gehe es um die Geschichte eines jungen Mannes und seiner Hündin Shana, erklärte das Magazin am 30. November in Düsseldorf. Das Leben des Protagonisten "Benny" ist den Angaben zufolge an eine wahre Geschichte angelehnt. Das Buch richtet sich an Kinder ab sechs Jahren.
"Die Unsichtbaren" sei ein Kinderbuch über Not, Freundschaften und die Hoffnung auf ein besseres Leben, hieß es. Autorin Sebnem Aydinözü erklärte, sie habe als Kind gelernt, Wohnungslose zu meiden und ihnen kein Geld zu geben. "Ich möchte mit meinem Kinderbuch helfen, Vorurteile überwinden", sagte die 21-Jährige Kommunikationsdesignstudentin. Indem Eltern ihren Kindern das Buch vorläsen, erreiche sie gleich zwei Generationen und trüge so dazu bei, dass Berührungsängste überwunden würden.
Mainz (epd). Vertreter von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und dem Bundesfinanzministerium haben am 27. November in Mainz die diesjährige Weihnachtsbriefmarke offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Postwertzeichen zeigt den Ausschnitt eines der berühmten Chagall-Fenster der Mainzer Stephanskirche mit Maria, dem Jesuskind und dem biblischen Verkündigungsengel. Bei einer Feierstunde in der katholischen Pfarrkirche erklärte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, er sei stolz darauf, dass ein Motiv aus einer der wichtigsten Kirchen seines Bistums ausgewählt worden sei.
Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) erinnerte daran, dass vor 70 Jahren rings um die im Krieg zerstörte Kirche auch die komplette restliche Stadt in Trümmern gelegen habe. Von den Chagall-Fenstern gehe eine Botschaft der Hoffnung und des Friedens aus: "Es sind Symbole der Versöhnung zwischen den Ländern und der Verständigung zwischen den Religionen."
Der in Russland geborene, nach Westeuropa emigrierte jüdische Künstler Marc Chagall (1887-1985) hatte sich vor 40 Jahren bereiterklärt, Fenster mit biblischen Motiven für St. Stephan zu entwerfen. Heute ziehen sie rund 200.000 Besucher im Jahr an. Mit seiner ersten und einzigen derartigen Arbeit im für den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg verantwortlichen Deutschland habe Chagall selbst auch die eigene Verbitterung hinter sich gelassen, sagte Gemeindepfarrer Stefan Schäfer: "Es ist schön, dass diese Botschaft von St. Stephan aus mit der Weihnachtspost in alle Welt getragen werden kann."
Mit den jährlichen Weihnachtsbriefmarken wird die Arbeit der Wohlfahrtsverbände in Deutschland gefördert. Sie erhalten einen Zuschlag von derzeit 30 Cent, der beim Verkauf der Marke zusätzlich zum eigentlichen Portobetrag anfällt. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege erhielten auf diese Weise jährlich rund zehn Millionen Euro, sagte Bettina Hagedorn (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen: "Trotz Emails, Internet und sozialer Netzwerke gibt es immer noch die traditionelle Weihnachtspost." Die Sonderbriefmarke "Weihnachten 2018" ist bereits seit Anfang November in Postfilialen erhältlich.
Düsseldorf (epd). So startet pünktlich am 1. Advent im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte die Ausstellung "Weihnachtszauber - Best of Weihnachten". Bis einschließlich 26. Dezember präsentiert das Museum ausgewählte weihnachtliche Exponate der Ausstellungen vergangener Jahre aus der umfangreichen eigenen Sammlung. Zu sehen sind etwa zahlreiche Wunschzettel aus längst vergangenen Zeiten, besonders schöne Weihnachtsteller für Süßes, Christbaumschmuck, Nussknacker oder auch Briefmarken mit weihnachtlichen Motiven.
Das Niederrheinische Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte im niederrheinischen Wallfahrtsort Kevelaer präsentiert bereits seit Mitte November die Ausstellung "Durch die Nacht drei Wandrer ziehen..." Die Schau ist bis zum Dreikönigstag am 6. Januar nächsten Jahres zu sehen und widmet sich den Heiligen Drei Königen in der Kunst. In der Bildenden Kunst werden Casper, Melchior und Balthasar, die drei Könige aus dem Morgenland, meist als drei Männer unterschiedlichen Alters und Herkunft dargestellt. Zur Advents- und Weihnachtszeit will die Schau den Besuchern die Geschichte des Trios aus dem Morgenland näherbringen und die Bedeutung ihrer Überlieferung für das Christentum zeigen.
Einem eher schmackhaften Weihnachtsthema widmet sich bis zum 10. März das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen. Dort heißt die Schau "Pfefferkuchen. Eine Reise der Sinne, vom Ursprung bis zum Genuss". Informiert wird über die Herstellung, die Zutaten und den Genuss des Gebäcks, das typisch für die Adventszeit ist. Erst die Gewürze machten aus einem einfachen Honigkuchen erst einen Pfefferkuchen, hieß es. Die unterschiedlichsten Rezepturen je nach Region verwenden Zimt, Nelke und Muskat, Pfeffer, Ingwer oder Sternanis. Informiert wird aber auch über den Beruf des "Pfefferküchlers" und die lange Geschichte der Pfefferkuchen-Herstellung, die laut Museum "bis ins alte Ägypten" zurückreicht.
Das Museum Schnütgen in Köln hat bis Juni nächsten Jahres das um 1440 gemalte Werk "Anbetung der Könige" von Schloss Braunfels zu Gast. Das auf Holz gemalte Bild zeigt die Muttergottes mit dem Christuskind auf dem Schoß, wie sie im Eingangsbereich einer Stallruine thront. Ebenfalls dabei Josef, Ochs und Esel, ein Engel mit dem Stern und die Heiligen Drei Könige. In Alter und Hautfarbe differenziert, repräsentieren sie die drei Lebensalter und zugleich die damals bekannten drei Kontinente Afrika, Asien und Europa.
Als kleine Weihnachtspräsention ist im Museum Schnütgen auch eine prachtvolle neapolitanische Krippe aus dem 18. Jahrhundert zu sehen. Mit der Weihnachtsszene, die sich auf die Anbetung der Könige konzentriert, beteiligt sich das Museum am diesjährigen Kölner Krippenweg, der internationale Krippenkunst aus Sammlungen und Privatbesitz in Kölner Schaufenstern und Institutionen ausstellt.
Zur Einstimmung auf die Weihnachtszeit zeigt auch das Stadtmuseum Münster bis 6. Januar eine Krippe aus Neapel. Die über 250 Jahre alten Figuren der Krippe sind aufwendig gekleidet und in mehreren Szenen aufgestellt. Neben der Anbetung Christi sorgen das Wirtshaus und ein Markstand für lebhaftes Treiben. Als Ergänzung werden einige kostbare silberne Weihnachtstaler aus der Barockzeit präsentiert, die zwischen 1638 und 1650 aus der Hand des fürstbischöflichen Münzmeisters Engelbert Ketteler entstanden. Als Geschenkmünzen wurden sie möglicherweise zu Weihnachten oder Neujahr beziehungsweise als Patengeschenke zur Geburt eines Kindes überreicht.
Die diesjährige Krippenausstellung im Westfälischen Museum für religiöse Kultur "Religio" in Telgte präsentiert bis zum 27. Januar die inzwischen 78. Krippenschau. Das Thema lautet "Zur Krippe her kommet". Es ist dem Weihnachtslied "Ihr Kinderlein kommet" entlehnt. Insgesamt sind diesmal 125 Krippendarstellungen von rund 100 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen.
Der Bochumer Krippenverein hat seine diesjährigen Krippentage unter das Motto "Der Bergbau geht, die Krippe bleibt" gestellt. Zu sehen sind bis 20. Dezember Bergbau-Krippen sowie über 250 Krippendarstellungen aus über 55 Ländern. Erstmals außerhalb des Heimatortes von Konrad Adenauer in Rhöndorf ist zudem bis zum 8. Dezember die Krippe des ersten deutschen Bundeskanzlers zu sehen.
Eine ungewöhnliche Krippe gibt es auch wieder neben der katholischen Citykirche in Wuppertal. Unter dem Thema "Liebe" ist auf dem Laurentiusplatz eine Grafitti-Kirche zu entdecken, die stetig vom Grafitti-Künstler Martin Heuwold ergänzt wird. Das Jesuskind wird erst am Tag seiner Geburt, am 24. Dezember gesprüht.
Düsseldorf (epd). "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz" war in den 70er Jahren sein Durchbruch, bei "Freiheit" schwenkten Ende der 80er Tausende Fans ihre Feuerzeuge. Am 6. Dezember wird Marius Müller-Westernhagen 70 Jahre alt.
Zwar gab er schon vor 19 Jahren seinen Abschied von den großen Bühnen bekannt. Ganz von der Musik lassen will der Künstler, der sich in der Öffentlichkeit rar macht, aber offensichtlich nicht. Zuletzt veröffentlichte er im Jahr 2016 auf DVD und CD das Konzert "MTV Unplugged" und präsentierte danach auf einer unplugged-Tournee Songs aus seiner inzwischen 50-jährigen Musikkarriere.
Marius Müller-Westernhagen und Udo Lindenberg seien die ersten gewesen, die hiesige Geschichten erzählt und zu Pop-Musik verarbeitet hätten, sagt der Journalist und Autor Manfred Bissinger in der Westernhagen Dokumentation "Zwischen den Zeilen". Der Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer hingegen hält den Musiker für einen "Kitsch-Produzenten, der im Gegensatz zu anderen Popgrößen den Dreh raushat, seine Stücke mit politischen Statements so aufzubrezeln, dass er im Kulturfeuilleton als Denker durchgeht".
Westernhagens Lebenswerk wurde mit mehreren Preisen gewürdigt, unter anderem mit dem "Echo"-Preis, den der Künstler nach dem Eklat um die Ehrung der Rapper Kollegah und Farid Bang in diesem Jahr zurückgegeben hat. Für sein gesellschaftspolitisches Engagement erhielt er im Jahr 2001 das Bundesverdienstkreuz vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), mit dem er befreundet ist.
Bis Ende der 80er Jahre war Westernhagen zugleich Musiker und Schauspieler. "Ich bin in einer Künstlerfamilie groß geworden", erzählt er in "Zwischen den Zeilen". Geboren wurde er am 6. Dezember 1948 in Düsseldorf. Sein Vater, der bereits im Alter von 44 Jahren starb, gehörte im Düsseldorfer Schauspielhaus zum Ensemble von Gustaf Gründgens. Weil der Vater die Familie immer mitgeschleppt habe, erzählte Westernhagen, sei er in Theatern, Hörspiel- und Filmstudios groß geworden.
Mit 14 Jahren trat der junge Westernhagen in dem Fernsehfilm "Die Höhere Schule" auf. Ein paar Jahre später spielte er in seiner ersten Band. Bis Ende der 80er war er in mehr als 30 Filmen zu sehen, unter anderem als Sprüche klopfender Ruhrpott-Loser Theo in dem Fernsehfilm "Aufforderung zum Tanz" (1977) und in dem Kino-Erfolg "Theo gegen den Rest der Welt" (1980).
Zu Beginn seiner Karriere, Anfang der 70er Jahre, zog Westernhagen nach Hamburg. Dort war er auch oft in der Künstlerwohngemeinschaft zu Gast, in der Udo Lindenberg und Otto Waalkes wohnten. Nach dem Aufstieg mit der "Pfefferminz"-Platte und den Theo-Filmen verabschiedete sich Westernhagen Ende der 90er Jahre auf der Höhe seines Erfolges von den gigantischen Stadiontourneen. "Ich sah keine Entwicklung mehr", sagte der Musiker. Es werde alles nur größer. Der Inhalt spiele immer weniger eine Rolle. Image und Verpackung würden dagegen immer wichtiger, begründete er seinen Rückzug.
Westernhagen war aber auch umstritten. Sein Stück "Dicke" von 1978 wurde wegen des diskriminierenden Textes von Radiosendern nicht gespielt. Westernhagen hingegen beteuerte, er habe lediglich den Leuten mit Vorurteilen einen Spiegel vorhalten wollen. Ihm wird auch immer wieder vorgeworfen, selbstgerecht und arrogant zu sein. Als "Armani-Rocker" wurde er verspottet, als der frühere Rocker Westernhagen Jeans und Lederjacke in den 90er Jahren gegen Armani-Anzüge tauschte. Zu dieser Zeit war er mit dem Fotomodell Romney Williams aus New York verheiratet.
Westernhagen sagt über sich, das Rockstar-Image der "Pfefferminz"-Zeit sei ebenso eine Rolle gewesen wie die Filmrolle als Theo. "Ich bin in Wahrheit kein Kumpeltyp. Ich bin mehr ein Einzelgänger, ein Grübler", erklärte er 2008 in einem Interview. Er legt Wert auf öffentliche Distanz zu seinem Star-Dasein: "Superstar, Megastar, das sind alles Karnevalsorden, die morgen schon nichts mehr wert sind."
Deutlich Stellung bezieht er gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Künstler hätten eine besondere gesellschaftliche Verantwortung, schrieb er auf seiner Homepage zur Rückgabe der Echo-Preise. Er kritisierte "den Zerfall einer kultivierten Gesellschaft, der zunehmend der innere moralische Kompass abhandenkommt".
Wie er seinen 70. Geburtstag verbringt, dazu hat sich Westernhagen nicht geäußert. Er habe keine Pläne, sagte er schon vor einigen Jahren in einem Interview. "Mir ist die Zahl 70 völlig unwichtig."
Rom (epd). Nicht nur im katholisch geprägten Italien war Bernardo Bertolucci lange vor allem wegen seines Skandal-Streifens "Der letzte Tango in Paris" von 1972 berühmt und berüchtigt. Dabei hatten wegen eines Zensurverfahrens ursprünglich nur die wenigsten den Film mit seinen teils gewalttätigen Sexszenen zwischen dem alternden Marlon Brando und der damals 19-jährigen Maria Schneider gesehen. Als es ab 1987 unzensiert erneut in die Kinos kam, wurde das Frühwerk zum Massenerfolg.
Bertolucci galt bis zu seinem Tod im Alter von 77 Jahren am 26. November als letzter Vertreter der Glanzzeit des italienischen Films, die er Anfang der 60er Jahre als Regieassistent von Pier Paolo Pasolini und später als Drehbuch-Co-Autor für Sergio Leones "Spiel mit das Lied vom Tod" miterlebte. Welterfolg mit zahlreichen Oscars errang sein Werk "Der letzte Kaiser" mit Peter O'Toole über das Leben des letzten Kaisers von China, der bereits im Alter von zwei Jahren den Thron bestieg. Auch sein Spätwerk der neunziger Jahre, der mit aufwendiger Ästhetik vor asiatischen Hintergrund inszenierte "Himmel über der Wüste" und "Little Buddha" gewannen ein Millionenpublikum.
In die Filmgeschichte ging der aus einer norditalienischen Künstlerfamilie stammende Bertolucci jedoch mit seinem als revolutionär geltenden Frühwerk ein. So diente der wegen der Gewalt gegen die Hauptdarstellerin umstrittene Sex in "Der letzte Tango in Paris" als ein Mittel des Ausdrucks für Einsamkeit und existenziellen Schmerz.
Wie nah Genuss und Leid einander sind, zeigte Bertolucci wenig später in seinem Monumentalwerk "1900" über die italienische Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anhand der Freundschaft eines Landarbeitersohns und eines Großgrundbesitzersohns breitet der Film ein breites Fresko über die Entstehung und den Verlauf des italienischen Faschismus aus zwei Perspektiven aus. Trotz des inneritalienischen Themas wurde das mit Stars wie Robert De Niro, Gérard Dépardieu, Burt Lancaster und Donald Sutherland ursprünglich fünfeinhalb Stunden dauernde Werk zum Kassenschlager.
Opulente Bilder, Gewalt- und Sexdarstellungen machten die vielschichtige Metaphernwelt des letzten italienischen Großregisseurs für ein Massenpublikum attraktiv. Vor diesem Hintergrund breitete er einerseits die Suche der Figuren nach der eigenen Identität, die Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit und andere existenzielle Themen als intime Tragödien ab. Andererseits entfaltete der bekennende Marxist die Geschichten in seinen Filmen immer wieder vor dem Hintergrund des italienischen Faschismus.
"Es hat mich nie interessiert, historische Filme zu drehen", betonte er 2003, als sein Film "Die Träumer" über eine Dreiecksbeziehung junger Leute vor dem Hintergrund der Pariser Mai-Unruhen von 1968 in die Kinos kam. "Ich wollte immer dafür sorgen, dass die Vergangenheit der Gegenwart gegenübergestellt wird." So habe er sich ursprünglich gewünscht, dass das Finale des Films bis in die Zeit der Unruhen beim G8-Gipfel von Genua reichte, bei dem Jugendliche Opfer massiver Polizeigewalt wurden.
Bereits in seiner ersten internationalen Co-Produktion, der Verfilmung von Alberto Moravias Romanvorlage "Der Konformist" kritisiert Bertolucci eine politische und ethische Gleichgültigkeit des Bürgertums. Jean-Louis Trintignant spielt darin einen faschistischen Spion, der sich nach dem Ende des Mussolini-Regimes nahtlos in die neue Zeit der italienischen Republik einpasst.
Trotz seines Welterfolgs hielt der in Venedig mit einem Goldenen Löwen und in Cannes mit einer Goldenen Palem für sein Lebenswerk geehrte Dichtersohn stets kritischen Abstand zur italienischen Linken, die in ihm einen ihrer namhaftesten Künstler sah. Mit Pasolini, dem Freund seines Vaters und Lehrmeister, einte ihn die Verachtung für ein selbstgerechtes Bürgertum, das angeblich im Namen der Arbeiterklasse dachte und handelte.
Hamburg (epd). Die NDR-Journalistin Anja Reschke ist am 28. November in Hamburg mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus ausgezeichnet worden. Reschke erhalte die Auszeichnung für ihre Überzeugungskraft und investigative Berichterstattung, hieß es in der Begründung. Die 46-Jährige leitet die Abteilung Innenpolitik beim NDR Fernsehen. Sie moderiert das Politikmagazin "Panorama" und das Medienmagazin "Zapp". Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Der mit 2.500 Euro dotierte Sonderpreis ging an die Redaktion des Magazins "Kulturzeit" (3Sat).
Vordringliche Aufgabe des Journalismus sei die Recherche von Fakten, sagte Reschke. Diese müssten dann allerdings auch erzählend eingeordnet werden. Sie bemerke in den Redaktionen derzeit eine große Unsicherheit, welches Maß die eigene Beurteilung in der Berichterstattung haben darf. Die aktuelle Diskussion um den UN-Migrationspakt sei in der Regel nicht von Fakten bestimmt. Vorherrschend sei bei den Kritikern vor allem ein "Gefühl", die herrschende Politik arbeite gegen ihre eigenen Interessen. "Mit den Fakten dringen wir nicht mehr durch", sagte Reschke.
Der Hamburger Medienwissenschaftler Volker Lilienthal erklärte, Neutralität der Medien sei in der Vergangenheit daran gemessen worden, ob alle politischen Strömung gleichermaßen zu Wort kommen. Auch die AfD etwa müsse in der politischen Berichterstattung vorkommen. Sie habe aber - wie andere Parteien auch - kein Recht, dass über sie unkritisch berichtet werde. Es könne auch keine neutrale Berichterstattung über Rechtsextremismus geben, betonte Lilienthal.
NDR-Intendant Lutz Marmor sagte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk könne verloren gegangenes Vertrauen vor allem durch eine Stärkung des investigativen Journalismus zurückgewinnen. Damit könne auch dem Eindruck entgegen gewirkt werden, er stecke mit den Mächtigen "unter einer Decke". Die Sender seien keine "Erziehungsanstalt", die eine politische Meinung vorgeben, sagte Marmor.
Nach den Worten von Johannes Hano, ZDF-Korrespondent in den USA, wird in Deutschland der aktuelle Wandel in der internationalen Politik noch nicht hinreichend wahrgenommen. Der Medienkampf in den USA zeige, dass es nicht um eine linke oder rechte Ausrichtung der Politik gehe. Hier würden staatliche Institutionen komplett infrage gestellt.
Reschke war unter anderem durch ihren "Tagesthemen"-Kommentar zur Haltung gegenüber Flüchtlingen bekanntgeworden. Darin hatte sie im August 2015 einen "Aufstand der Anständigen" gegen ausländerfeindliche Hetze im Internet gefordert. Die Branchenzeitschrift "Medium Magazin" hatte Reschke 2015 zur "Journalistin des Jahres" gekürt.
Der Preis wurde zur Erinnerung an "Tagesthemen"-Moderator Hanns Joachim Friedrichs (1927-1995) von einem Freundeskreis des Journalisten ins Leben gerufen. Die Preisverleihung findet abwechselnd beim NDR in Hamburg und beim WDR in Köln statt. Mit den Auszeichnungen werden jährlich Fernsehjournalisten für ihre kreative, kritische und unabhängige Arbeit geehrt.
Duisburg (epd). Kirchentagspräsident Hans Leyendecker fordert von Journalisten mehr Zurückhaltung und weniger Zuspitzung. Eilmeldungen solle es nur geben, wenn es etwas wirklich Wichtiges zu melden gebe, sagte der 69-jährige Journalist am 1. Dezember auf einem Empfang des evangelischen Kirchenkreises Duisburg. Zudem brauche es mehr leise und weniger laute Stimmen.
"Mit Wahrheitsversprechungen sollten Journalisten vorsichtig sein", sagte Leyendecker, der für den "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" tätig war. Es gebe häufig mehrere Wirklichkeiten und der Mensch nehme das Leben oft nur verschwommen wahr.
Als Negativbeispiel bezeichnete der Journalist den Fall des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, der von einigen Medien mit Gerüchten, Teilwahrheiten und Lügen zu Fall gebracht worden sei. "Pressefreiheit ist nicht die Freiheit, andere fertig zu machen", betonte der Präsident des im kommenden Jahr stattfindenden 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund. Vielmehr sollten sich Journalisten den Grundwerten und Grundrechten der Verfassung verpflichtet fühlen und sich für die Würde anderer Menschen einsetzen.
Auch müsse sich jeder Journalist seiner Verantwortung bewusst sein und sich immer fragen, welche Auswirkungen ein Text, ein Satz habe. Denn Journalismus habe auch die Aufgabe, für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sorgen, betonte Leyendecker. Außerdem gelte es für Gerechtigkeit zu kämpfen und die politische Macht zu kontrollieren. "Die Sehnsucht nach kritischem Journalismus ist groß, nicht nur in den USA", betonte er.
Bonn (epd). Die Parfümherstellung in Frankreich, der Parrandas-Karneval in Kuba sowie der Blaudruck zur Stoffveredelung aus Deutschland und anderen Ländern sind in die Unesco-Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen worden. Insgesamt sind 16 Kulturformen neu Teil des Welterbes, wie die Deutsche Unesco-Kommission am 28. November in Bonn mitteilte. Über die Aufnahme tagt der zuständige Unesco-Ausschuss bis Samstag in Mauritius.
Der traditionelle Gruppentanz aus Aserbaidschan, das Handpuppen-Theater aus Ägypten und das syrische Schattenspiel nahm der Ausschuss auf die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Kulturerbes auf. Mit dieser Aufstellung macht die Unesco den Angaben zufolge auf verschwindendes Wissen und Können aufmerksam.
Auf den Unesco-Listen des Immateriellen Kulturerbes stehen bisher 478 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Naturwissen aus aller Welt, darunter der Orgelbau und die Orgelmusik aus Deutschland, der Tango aus Argentinien und Uruguay und die traditionelle chinesische Medizin.
Münster (epd). Fast 40 historische Bibeln können künftig auf der Internetseite der Universität Münster angesehen werden. Experten des Bibelmuseums digitalisieren in Kooperation mit der Universitäts- und Landesbibliothek mehrere historische Bibeln, wie die Universität am 29. November mitteilte. Den Anfang der aufwendigen Arbeiten hätten die "Koberger Bibel" von 1483 und der erste Druck von 1516 des griechischen Neuen Testaments von Erasmus von Rotterdam gemacht. Zu sehen sind auch Martin Luthers "Septembertestament" in einer Auflage von 1524 und die erste Vollbibel Luthers aus dem Jahr 1534. Bislang sind 37 Schriften auf dem Portal zu finden.
Berlin (epd). Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ruft anlässlich des Jubiläums von "Brot für die Welt" zum Engagement gegen Kinderarbeit auf. 100 Millionen Schokoladennikoläuse würden in der Vorweihnachtszeit in Deutschland verkauft, sagte er am 27. November in Berlin und appellierte an die Bundesbürger, diese aus fairer Produktion zu kaufen, "damit Kinder zur Schule gehen können und nicht als Arbeitssklaven auf den Plantagen schuften müssen". Am ersten Advent startete die 60. Spendenaktion von "Brot für die Welt".
"Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel machte auf die zunehmende Zahl der Hungernden aufmerksam. "Der Anteil der Menschen an der Weltbevölkerung, die Hunger leiden, ist zwar in den letzten 60 Jahren deutlich zurückgegangen. Doch wir sehen mit Sorge, dass die Zahl der Hungernden nun zum zweiten Mal in Folge wieder angestiegen ist", sagte sie. "Dass wieder mehr Menschen hungern, obwohl wir die Mittel haben, alle Menschen satt zu machen, ist ein Skandal." Nach Angaben der Vereinten Nationen hungerten 2017 rund 821 Millionen Menschen.
Minister Müller sagte, die globalen Lieferketten müssten frei von Kinderarbeit sein. Dies müsse sich auch in Freihandelsabkommen niederschlagen, die die Europäische Union abschließe. Es sei "inakzeptabel", dass im EU-Wirtschaftsraum Produkte konsumiert würden, in denen ausbeuterische Kinderarbeit stecke.
Müller kritisierte zugleich, dass lediglich 15 Prozent des in Deutschland verkauften Kaffees aus fairer Produktion stamme. Bei Kaffee sowie bei Kakao, bei dem faire Produkte einen Anteil von mehr als 50 Prozent haben, setze er auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen und auf die Sensibilität der Kunden. Doch wenn Freiwilligkeit nicht zum Ziel führe, "brauchen wir gesetzliche Regelungen", betonte er.
"Entsetzt" äußerte sich Müller darüber, dass "ein deutscher Handelskonzern" aktuell Bananen für 89 Cent pro Kilo verkaufe. Wer einen solchen Preis anbiete, nehme Kinderarbeit in Kauf, betonte Müller ohne den Namen des Unternehmens zu nennen.
Der indische Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi machte auf Kinderarbeit bei der Teppichproduktion aufmerksam und verwies auf das "Goodweave"-Siegel (zuvor: "Rugmark"), dass er gemeinsam mit "Brot für die Welt" und anderen Organisationen ins Leben gerufen hat. "Unsere Arbeit hat das Leben von Millionen von Kindern zum Positiven verändert", betonte er. Satyarthi hat vor wenigen Wochen eine neue weltweite Kampagne gegen Kinderarbeit gestartet, die Initiative "100 Million", in die international Jugendgruppen und Schulklassen eingebunden werden. Schätzungen zufolge leiden deutlich mehr als 100 Millionen Kinder und Jugendliche unter ausbeuterischer Kinderarbeit.
Füllkrug-Weitzel sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), Armuts- und Hungerbekämpfung sei eine "unablässige Sisyphos-Arbeit gegen immer neue Widerstände." Aktuell würden weltweit Handlungsspielräume eingeschränkt. "Das ist leider kein Minderheitsphänomen sondern betrifft immer mehr Länder." Mit "einem gigantischen Problem" rechnet sie künftig in Brasilien unter dem gewählten rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro. "Er hat schon angekündigt, dass er soziale Bewegungen ausradieren will. Unsere dortigen Partner haben Todesangst."
Minister Müller sagte den Hilfswerken der Kirchen zu, deren Förderung weiter auszubauen. Diese Organisationen seien auch deshalb so elementar wichtig, weil sie dorthin gehen könnten, wo staatliche Organisationen keinen Zugang hätten. Als Beispiel nannte er Syrien, wo er als Minister nicht hinkönne, die "Brot für die Welt"-Präsidentin hingegen in diesem Jahr schon dort gewesen sei.
Nairobi (epd). Noch ein paar Krümel, dann hat Anne Wachira es geschafft. Ihre Tochter Grace hat genug gefrühstückt. "Manchmal dauert es zwei Stunden, bis sie satt ist", sagt die Kenianerin. Das neunjährige Mädchen sitzt ihr gegenüber festgeschnallt im Rollstuhl. Grace und ihr Körper scheinen unentwegt miteinander zu kämpfen. Sie hat eine Schädigung des Gehirns, eine infantile Zerebralparese.
Weil Grace nur schlecht schlucken kann, braucht jede Mahlzeit viel Zeit: Wachira bricht eine Art Donut in kleinste Stücke, weicht sie in Tee ein und steckt sie ihrer Tochter in den Mund. Sie und ihr Mann Joseph haben noch zwei weitere Kinder: den vierjährigen David und den einjährigen Jonathan, der eine ähnliche Hirnschädigung hat wie seine Schwester.
Die Familie wohnt im zentralen Hochland Kenias, im Dorf Giacai. Ihre Lehmhütte steht auf einem kleinen Grundstück mit Bananenstauden und einem Kürbisbeet. Das kleine Wohnzimmer füllen drei Sofas, ein niedriger Tisch und ein Schrank für das Geschirr.
Seit Grace auf die Welt kam, haben sie nicht die besten Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht. "Wir werden abgelehnt", sagt Anne Wachira, während sie Tee serviert. Dennoch freut sich die warmherzige 38-Jährige mit weichen Gesichtszügen über den Besuch. "Manche haben Angst vor uns, andere verstehen einfach nicht, was mit unseren Kindern los ist." Ihr Ehemann ergänzt: "Die Leute halten uns für verhext oder verflucht."
Behinderung ist in Kenia noch immer ein Tabu, trotz einer fortschrittlichen Verfassung, die Menschen mit Beeinträchtigungen alle Rechte garantiert. Ob sich dadurch der Blick auf Behinderte mit den Jahren verändert hat, weiß Wachira nicht. "Ich habe schon länger keinen Kontakt zu anderen Menschen." Die Betreuung der Kinder lässt ihr kaum Zeit, das Grundstück zu verlassen. Auf dem Land sind Schulen oder Kindergärten für Behinderte selten, die Familien weitgehend auf sich gestellt.
Unterstützung erhalten Graces Eltern von der Selbsthilfegruppe für Behinderte "Ngakandu Disability Project", die Pharis Karani gegründet hat. Er ist nach einem Unfall erblindet. "Das war ein Schock", erzählt der 60-Jährige. "Ich habe mich selbst wertlos gefühlt." Karani war damals 37 Jahre alt, Vater von drei Kindern und Lehrer.
In einem Reha-Zentrum fand er sein Selbstvertrauen wieder und ließ sich anschließend zum Schuster umschulen. Dann gründete er die Selbsthilfegruppe, um "Behinderten und der Gesellschaft klar zu machen, dass unsere Behinderung nicht bedeutet, dass wir unfähig sind".
Die Gruppe hat mittlerweile 25 Mitglieder mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Die Schatzmeisterin, die 51-jährige Philis Wakanyei, sieht auf einem Auge gar nichts und auf dem anderen nur wenig. Die 50-jährige Mary Waruguru ist seit einem Schlaganfall teilweise gelähmt. Der 62-jährige Schreiner Simon Kibara Njau hat seit Geburt ein verkürztes Bein und hinkt. Andere haben Kinder mit Trisomie 21.
Geld und das tägliche Überleben sind wichtige Themen in der Gruppe. Fast 70 Prozent der Behinderten in Kenia sind arm - im Vergleich zu 50 Prozent der gesamten Bevölkerung. "Laut unserer Verfassung sollen benachteiligte Gruppen Unterstützung kriegen", sagt Karani. "Aber das steht nur auf dem Papier." Deshalb macht er Lobbyarbeit und hilft Einzelnen hartnäckig dabei, ihr Recht einzufordern. Er weiß, wer Anspruch auf Hilfsmittel hat, hilft beim Papierkram. Nur deshalb haben die Wachiras es geschafft, einen Rollstuhl für Grace zu bekommen.
Jedes Mitglied der Selbsthilfegruppe muss bei der Aufnahme 500 kenianische Shilling zahlen, und 150 Shilling pro Monat - etwa 1,30 Euro. Damit finanziert die Gruppe ein eigenes Sozialsystem. Sie vergibt Mikrokredite, kümmert sich um Notfälle, zahlt auch die Miete einer Witwe, die keine Verwandte hat - neun Euro im Monat. Manchmal erhält jemand einen Zuschuss zum Schulgeld, oder im Härtefall Lebensmittel, wie die Wachiras.
Das vergangene Jahr sei für die Familie besonders schlimm gewesen, erzählt Anne Wachira: Alle waren krank. Und ihr Mann, der sein Geld bisher als Maurer verdiente, brach sich das Handgelenk beim Sturz von einer Leiter. Es wird noch dauern, bis er wieder arbeiten kann.
Pharis Karani sitzt auf dem Sofa und hört zu, den Becher warmen Tees in der Hand. "Er tröstet uns und bringt uns in Kontakt mit anderen Menschen, die unter denselben Schwierigkeiten leiden", sagt Joseph Wachira dankbar. In diesem Jahr hat die Selbsthilfegruppe der Familie Mais gebracht, weil sie sonst wohl hätte hungern müssen. "Nach jeder Ernte teilen wir mit denjenigen, die am meisten Schwierigkeiten haben", erklärt Karani.
Anne Wachira schiebt ihre Tochter vor das Haus an die frische Luft. Eine knifflige Übung, den großen Rollstuhl aus der engen Hütte zu fahren. Im Garten ist es nicht viel einfacher, der Weg zwischen Lehmwand und Kürbisbeet ist schmal. An den Bananenstauden knabbert eine Ziege, deren Milch Grace und ihren Geschwistern beim Wachsen hilft. Die Wachiras haben das Tier mit einem Kredit der Gruppe gekauft. "Gemeinsam sind wir stark", versichert Karani. Anne und Joseph sind davon noch nicht ganz überzeugt, aber Karanis Zuversicht macht ihnen etwas Mut.
Köln, Genf (epd). Die Kinder in der Zentralafrikanischen Republik leiden nach UN-Berichten immer dramatischer: Gewalt und Hunger bestimmten den Alltag der Mädchen und Jungen, erklärte das UN-Kinderhilfswerk Unicef am 30. November. Rund zwei Drittel der Kinder - 1,5 Millionen - benötigten dringend humanitäre Hilfe. Doch internationale Aufmerksamkeit oder finanzielle Unterstützung gebe es kaum. Für das ablaufende Jahr stünden bisher weniger als die Hälfte der benötigten Mittel zur Verfügung.
"Die Lage der Kinder ist verzweifelt", sagte Christine Muhinga, Unicef-Leiterin in der Zentralafrikanischen Republik. Jedes vierte Kind habe in den vergangenen Jahren vor Gewalt fliehen müssen, Tausende Mädchen und Jungen seien von bewaffneten Gruppen als Kindersoldaten rekrutiert oder Opfer von sexueller Gewalt geworden. Unicef geht davon aus, dass im kommenden Jahr mehr als 43.000 Kinder unter fünf Jahren lebensbedrohlich mangelernährt sein werden.
Für die Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik sind laut Unicef vor allem rund ein Dutzend Milizen verantwortlich, die vier Fünftel des Landes kontrollieren und um Viehwege und Bodenschätze kämpfen. Allerdings griffen sie dabei häufiger Zivilisten an als gegnerische Gruppen. Auch Gesundheitseinrichtungen, Schulen, Moscheen, Kirchen und Notunterkünfte für geflüchtete Menschen seien nicht vor Angriffen sicher.
Mehr als eine Million Menschen seien vor der Gewalt aus ihren Häusern geflohen, betonte Unicef. Ende September seien 643.000 Menschen - die Hälfte von ihnen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren - innerhalb des eigenen Landes auf der Flucht gewesen. Über eine halbe Million weitere Menschen seien in Nachbarländer geflohen.
Die Gewalt verstärkt die ohnehin schon große Not in dem armen Land. Die Zentralafrikanische Republik belegt beim "Index der menschlichen Entwicklung" den vorletzten Rang, auf dem Welthungerindex steht sie sogar auf Platz 119 von 119.
Dortmund (epd). Das Landgericht Dortmund hat am 29. November eine Zivilklage behandelt, die den Textildiscounter Kik für einen verheerenden Brand in einer pakistanischen Zuliefererfabrik mitverantwortlich macht. Die 7. Zivilkammer des Landgerichts befasste sich zunächst in einer Anhörung mit der Frage, ob die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld zulässig oder mittlerweile verjährt ist. Entscheiden will das Gericht am 10. Januar. Sollte der Klage stattgegeben werden, müsste das Gericht in die Beweisaufnahme gehen.
In dem möglichen Verfahren fordern ein Geschädigter des Brandes sowie drei Hinterbliebene jeweils 30.000 Euro von dem im westfälischen Bönen ansässigen Unternehmen. Die Anwälte von Kik sehen die Klage als verjährt an, weil sie mehr als zwei Jahre nach dem Unglück eingereicht wurde. Sie fordern deshalb eine Zurückweisung der Klage. Zudem trage das Unternehmen für den Brand keine Verantwortung, da es sich nach den Worten der Anwälte um einen Terroranschlag der örtlichen Mafia handelte, die den pakistanischen Zulieferer mit Schutzgelderpressungen unter Druck gesetzt hatte. Daher seien die Ursachen des Brandes in Pakistan andere als bei dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im April 2013, bei dem mehr 1.100 Menschen starben. Auch dort hatte Kik produzieren lassen.
Bei dem Feuer in der pakistanischen Großstadt Karatschi waren im September 2012 fast 260 Arbeiter ums Leben gekommen. Das Verfahren um die pakistanische Zuliefererfabrik gilt als Präzedenzfall: Gibt das Gericht der Klage statt, könnte erstmals ein deutsches Unternehmen für ein Unglück bei einem ausländischen Zulieferer haftbar gemacht werden. Die vier Kläger werden vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) unterstützt, das Kik für einen unzureichenden Brandschutz im Gebäude mitverantwortlich macht.
Klägerin Saeeda Khatoon betonte die Bedeutung des Verfahrens. Zwar sei der Verlust ihres Sohnes nicht wiedergutzumachen. Gleichwohl sei es wichtig, dass die Verantwortlichen des Brandes für den Vorfall haften müssten. "Kik war Hauptkunde der Fabrik und damit mitverantwortlich für den mangelnden Brandschutz", erklärte sie. Ihr Anwalt Remo Klinger kritisierte, dass sich Kik in dem Verfahren in die Verjährung flüchten und so verhindern wolle, dass Haftungsfragen geklärt werden.
Eine Haftung lehnt Kik dagegen ab, weil das Unternehmen aus Sicht der Anwälte nicht für den Anschlag verantwortlich gemacht werden könne. In der Fabrik des Zulieferer Ali Enterprises habe es keine Brandschutzmängel gegeben, hieß es. Die Vertreter des Textildiscounters verwiesen darauf, dass das Unternehmen schon kurz nach dem Brand in Karatschi freiwillig umgerechnet 879.000 Euro als Soforthilfe gezahlt habe. Weitere umgerechnet 4,5 Millionen Euro habe man im Jahr 2016 gezahlt, um für Arztkosten oder Verdienstausfälle aufzukommen. Kik gehe deshalb nach wie vor davon aus, dass die Klage vom Landgericht abgewiesen werde, hieß es.
Wuppertal (epd). Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) wirbt mit ihrer Menschenrechtsaktion für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Eröffnet wird die Kampagne am 11. Dezember vom rheinischen Präses Manfred Rekowski in Kooperation mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Citykirche in Wuppertal-Elberfeld, wie der internationale Kirchenbund am 26. November in Wuppertal ankündigte.
Das diesjährige Motto "Womit werden wir uns kleiden?" nach einem Bibelvers aus dem Matthäus-Evangelium verweise darauf, dass die niedrigen Preise von Kleidung oft auf Kosten der Textilarbeiter gingen, erklärte die VEM. Die Aktion solle anlässlich des internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember auf die teils unmenschlichen Produktionsbedingungen in der Textilindustrie des globalen Südens aufmerksam machen.
Der Kirchenbund will Verbraucher überzeugen, vermehrt fair gehandelte Kleidung zu kaufen. Zudem werden Spenden für Hilfsprojekte für Textilarbeiter gesammelt. Unterstützt werden die Arbeit der indonesischen Aktivistin Dina Septi Utami in Jakarta und ein Hilfsprojekt der Methodistischen Kirche in Sri Lanka.
Die VEM stellt Hintergrundinformationen über das Thema und liturgisches Material in einer Broschüre bereit. Zudem finden Kirchengemeinden und Schulen Plakate und Bildungsmaterialien im Internet. Für den 28. Januar lädt der Kirchenbund zudem nach Wuppertal zu einem Fachseminar über Menschenrechte in der Textilindustrie ein.
Frankfurt a.M., Mexiko-Stadt (epd). Er ist weder ein "linker Messias" noch Lateinamerikas neuer Hugo Chávez. Doch schon so viel ist sicher: Andrés Manuel López Obrador will für einen fundamentalen Wandel in Mexikos Politik sorgen. Der neue Präsident, der am 1. Dezember sein Amt übernahm, hat den Kampf gegen Korruption, Armut und den Drogenkrieg an die erste Stelle seiner Agenda gesetzt. Mit Volksentscheiden und transparentem Regierungshandeln will der Linkspopulist den bisherigen Stil umkrempeln.
Doch ehe er seine Wahlversprechen umsetzen kann, wird er sich mit einem neuen Problem auseinandersetzen müssen: den Tausenden Migranten, die aus Mittelamerika auf dem Weg in die USA in Mexiko stranden. Die ganze Welt blickt nach Mexiko - erst recht seit den Zwischenfällen in der nördlichen Stadt Tijuana, als Hunderte Migranten versuchten, die US-Grenze zu stürmen.
Hinter den Kulissen verhandelt die neue Regierung deshalb mit der US-Administration einen Pakt für Mittelamerika. Dabei geht es um nichts Geringeres als einen "Marshall-Plan", wie Medien berichten. Die USA sollen laut dem Ansinnen Mexikos Milliarden in die Infrastruktur investieren, um den Menschen eine Bleibeperspektive zu geben. Die USA haben inzwischen die Verhandlungen bestätigt.
Doch auch innenpolitisch warten auf die neue Regierung viele Herausforderungen. Die Mexikaner sind wütend auf das politische Establishment und sehen López Obrador als ihren letzten Hoffnungsträger. Auch die Vorgängerregierungen hatten versprochen, die ausufernde Korruption und tief verwurzelte Selbstbedienungsmentalität in der Politik zu bekämpfen. Drogenkartelle beherrschen weite Teile des Landes, die Menschen leben in Angst vor dem organisierten Verbrechen.
Inzwischen hat der Drogenkrieg mindestens 200.000 Tote gefordert, 37.000 Menschen gelten als verschwunden und Zehntausende wurden aus ihren Dörfern vertrieben. López Obrador, den alle nur AMLO nennen, muss Mexiko wieder versöhnen, das zerrissen ist zwischen Armut, Gewalt und Korruption.
Die geplante Justiz- und Polizeireform ist deshalb einer der wichtigsten Schritte. López Obrador kündigt die Schaffung einer Nationalgarde nach dem Vorbild der spanischen Polizeieinheit Guardia Civil und der französischen Gendarmerie an. 50.000 Nationalgardisten sollen das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizeiarbeit wieder herstellen.
Der neue Präsident hat ein untrügliches Gespür für die Stimmung im Volk und deren Hass auf die Privilegien der Politiker: Er schafft deshalb das teure Präsidentenflugzeug ab, kürzt sein Gehalt und das seiner Minister um die Hälfte und macht den Präsidentenpalast Los Pinos für die Öffentlichkeit zugänglich. Auf einer täglichen Pressekonferenz sieben Uhr morgens will er über den Fortgang der Reformen Rechenschaft ablegen.
All diese Versprechen sind Balsam für die Seele vieler Mexikaner, die in dem 65-Jährigen einen politischen Messias sehen. Zweimal ist er im Rennen um das Präsidentenamt gescheitert. Im Juli gewann er mit 52 Prozent der Stimmen weit vor seinen Kontrahenten. López Obrador wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Bundesstaat Tabasco auf. Auch wenn er als Caudillo und politisch wenig berechenbar gilt, ist seine Volksnähe echt.
Kernpunkt seiner Politik sollen Volksentscheide über große Infrastruktur- und Reformprojekte sein. In einer von ihm initiierten Umfrage sprachen sich jüngst 70 Prozent der Teilnehmer für den Stopp eines umstrittenen Flughafenprojekts in Mexiko-Stadt aus. López Obrador will sich an das Votum halten. Ein Schock für die Investoren, die bereits Milliarden in den Neubau investiert hatten.
Doch als Schreck der Wirtschaft taugt der Linkspolitiker López Obrador nicht. Er versprach, die Unabhängigkeit der Zentralbank zu respektieren und keine Enteignungen vorzunehmen. Allerdings will er mehr im eigenen Land produzieren lassen, um Mexikos Wirtschaft unabhängiger zu machen. Trotz all dem gilt López Obrador als politischer Pragmatiker. In seiner Zeit als Oberbürgermeister von Mexiko-Stadt (2000 bis 2005) hat er zusammen mit dem Multimillionär Carlos Slim die umfangreiche Sanierung des historischen Zentrums der Stadt begonnen.
São Paulo (epd). Ein Gericht in Honduras hat sieben Männer wegen der Ermordung der Umweltaktivistin Berta Cáceres verurteilt. Der Mord wurde von Führungskräften des Bauunternehmens eines Staudamms im Nordwesten des Landes in Auftrag gegeben, wie die Richter laut der Zeitung "La Prensa" am 29. November befanden. Cáceres hatte versucht, das Projekt auf dem Land ihres Volkes, den Lenca, zu stoppen. Die 44-Jährige war am 2. März 2016 in ihrem Haus erschossen worden. Sie hatte über Jahre Morddrohungen erhalten. Die Höhe der Strafen für die sieben Verurteilten will das Gericht im Januar bekanntgeben.
Nach Überzeugung der Richter planten zwei Manager der Baufirma Desa den Mord zusammen mit einem ehemaligen Soldaten und früheren Sicherheitschef des Unternehmens. Ausgeführt wurde das Verbrechen demnach von vier Ex-Militärs. Die Baufirma bestritt wiederholt, in den Mord verwickelt gewesen zu sein. Für den Bau des Damms Agua Zarca in der Region am Río Blanco inmitten des Gebiets der Lenca wurden über 50 Familien zur Umsiedlung gezwungen. Wegen der von Cáceres organisierten friedlichen Proteste gingen die Behörden gewalttätig gegen die Gemeinschaft vor.
Darauf und auf die Ermordung mehrerer Aktivisten machte Cáceres international aufmerksam. Für ihren Kampf erhielt sie 2015 den renommierten Goldman-Preis. Dieser ist die international höchste Auszeichnung für zivilgesellschaftliches Umweltengagement. Im selben Jahr wurde sie von Papst Franziskus empfangen. Der Mord an der bekannten Aktivistin sorgte international für Bestürzung.
Die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen wurden von massiven Unregelmäßigkeiten begleitet. Erst auf internationalen Druck hatte die honduranische Polizei eine Untersuchung eingeleitet, die Tat zunächst als Raub bezeichnet. Cáceres' Familie warf den Behörden Korruption und Verschleierung von Beweismaterial vor. Amnesty International kritisierte, dass die Angehörigen vom Prozess ausgeschlossen waren. Sie hatten auch keinen Zugang zu den Gerichtsakten.
Das Staudammprojekt wurde im Juli 2018 von den Behörden gestoppt. Internationale Geldgeber, darunter das Joint Venture der deutschen Unternehmen Siemens und Voith, hatten sich auf internationalen Druck hin aus dem Bau zurückgezogen. Honduras ist laut der Organisation Global Witness das weltweit gefährlichste Land für Menschenrechtsverteidiger. Von 2010 bis 2017 wurden demnach mehr als 120 Aktivisten getötet.
Genf, Banjul (epd). Mehr als zwölf Jahre nach dem Verschwinden eines regimekritischen Journalisten in Gambia hat die Regierung nach Angaben eines ehemaligen Arbeitskollegen Schmerzensgeld an die Familie ausgezahlt. Assan Sallah, ein Mitarbeiter des 2006 spurlos verschwundenen Ebrima Manneh, berichtete am 29. November auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Familie umgerechnet etwa 88.400 Euro erhalten habe.
Der Präsident des westafrikanischen Staats, Adama Barrow, hatte bei seinem Amtsantritt 2017 angekündigt, die Verbrechen seines Vorgängers Yahya Jammeh zu aufzuklären. Jammehs Regime hatte sich stets geweigert, das Urteil eines westafrikanischen Gerichts von 2008 umzusetzen, dass die Zahlung eines Schmerzensgelds an Mannehs Angehörige verfügt hatte.
Ebrima Manneh hatte für die regierungsnahe Tageszeitung "The Daily Oberserver" gearbeitet, als er im Juli 2006 verschwand. Die Familie nimmt bis heute an, dass er vom Geheimdienst des Landes verschleppt wurde. Geheimdienst und Jammehs Regierung wiesen dies stets zurück. Menschenrechtler gehen davon aus, dass Manneh 2008 ermordet wurde. Seine Leiche wurde nie gefunden. Vor wenigen Tagen erst hatte eine Gruppe von sechs US-Senatoren die von Barrow eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission aufgefordert, den Fall Manneh zu behandeln.