"Die Courage aller Bürger ist gefragt", sagte der 69-jährige Journalist am 30. November in Solingen. Die Demokraten müssten zusammenstehen und gemeinsam die "außerordentliche Vertrauenskrise" des Gemeinwesens überwinden. Derzeit machten sich Zweifel an Grundüberzeugungen der Demokratie breit und es drohe in der Mitte der Gesellschaft "eine innere Auswanderung aus unserer Demokratie, die wir nicht tatenlos hinnehmen dürfen".

Viele Menschen hätten zunehmend das Gefühl, dass ihren Sorgen und Problemen keine Aufmerksamkeit geschenkt werde und ihre Bedürfnisse nach Sicherheit, Wohlstand und Zugehörigkeit nicht gesehen würden, sagte Leyendecker auf einem Empfang des evangelischen Kirchenkreises Solingen. "Besonders schädlich ist, wenn sich das Gefühl breit macht: Die da oben können es nicht, und zwar auf allen Ebenen und auf allen Seiten." Diese Gräben dürften nicht noch tiefer werden. Die Politik müsse daher Zukunftsentwürfe haben, auf die Menschen hören und sie besser und stärker an Entscheidungen beteiligen.

"Kultur des Zuhörens" angemahnt

Statt Symboldebatten zu führen, gelte es, Probleme wie eine auskömmliche Rente, bezahlbare Wohnungen, die Folgen der Digitalisierung und die Zukunft der Pflege anzugehen, betonte der Präsident des im kommenden Jahr stattfindenden 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund. Die Kultur des Zuhörens müsse wieder mehr gepflegt werden: "Es braucht keine oberflächlichen, inszenierten Dialoge, es braucht auch diese ganze Talkshow-Dramaturgie nicht."

Den politischen Parteien warf Leyendecker vor, sie ließen sich bei ihrer Themensetzung zu sehr von der rechtspopulistischen AfD treiben. Das gelte auch für die Kandidaten für den künftigen CDU-Vorsitz, die sich derzeit auf Regionalkonferenzen vorstellen. Mitunter habe es den Anschein, als seien die Flüchtlingszuwanderung seit 2015 und der UN-Migrationspakt die einzigen Themen, kritisierte der 69-Jährige. "Wir müssen zeigen, dass Demokraten bessere Lösungen haben als die, die Demokratie beschimpfen. Wut ersetzt nicht Verantwortung."

Leyendecker bekräftigte die Entscheidung, keine AfD-Vertreter auf Podien beim Kirchentag einzuladen. Die Partei sei in Teilen rassistisch und völkisch. "Wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den Nazis, nicht den Hetzern, nicht den Rassisten überlassen", unterstrich der renommierte Journalist. "Der Kirchentag lebt von respektvoller Toleranz, aber keine Toleranz der Intoleranz." Wähler und Sympathisanten der AfD kämen aber in Foren zu Wort.

Der Kirchentagspräsident sprach vor rund 150 Gästen aus Politik, Verwaltung, Ökumene, Wirtschaft und Medien über das Thema Vertrauen. Der Kirchentag vom 19. bis 23. Juni 2019 in Dortmund steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen".