Er ist weder ein "linker Messias" noch Lateinamerikas neuer Hugo Chávez. Doch schon so viel ist sicher: Andrés Manuel López Obrador will für einen fundamentalen Wandel in Mexikos Politik sorgen. Der neue Präsident, der am 1. Dezember sein Amt übernahm, hat den Kampf gegen Korruption, Armut und den Drogenkrieg an die erste Stelle seiner Agenda gesetzt. Mit Volksentscheiden und transparentem Regierungshandeln will der Linkspopulist den bisherigen Stil umkrempeln.

Doch ehe er seine Wahlversprechen umsetzen kann, wird er sich mit einem neuen Problem auseinandersetzen müssen: den Tausenden Migranten, die aus Mittelamerika auf dem Weg in die USA in Mexiko stranden. Die ganze Welt blickt nach Mexiko - erst recht seit den Zwischenfällen in der nördlichen Stadt Tijuana, als Hunderte Migranten versuchten, die US-Grenze zu stürmen.

Hinter den Kulissen verhandelt die neue Regierung deshalb mit der US-Administration einen Pakt für Mittelamerika. Dabei geht es um nichts Geringeres als einen "Marshall-Plan", wie Medien berichten. Die USA sollen laut dem Ansinnen Mexikos Milliarden in die Infrastruktur investieren, um den Menschen eine Bleibeperspektive zu geben. Die USA haben inzwischen die Verhandlungen bestätigt.

200.000 Tote

Doch auch innenpolitisch warten auf die neue Regierung viele Herausforderungen. Die Mexikaner sind wütend auf das politische Establishment und sehen López Obrador als ihren letzten Hoffnungsträger. Auch die Vorgängerregierungen hatten versprochen, die ausufernde Korruption und tief verwurzelte Selbstbedienungsmentalität in der Politik zu bekämpfen. Drogenkartelle beherrschen weite Teile des Landes, die Menschen leben in Angst vor dem organisierten Verbrechen.

Inzwischen hat der Drogenkrieg mindestens 200.000 Tote gefordert, 37.000 Menschen gelten als verschwunden und Zehntausende wurden aus ihren Dörfern vertrieben. López Obrador, den alle nur AMLO nennen, muss Mexiko wieder versöhnen, das zerrissen ist zwischen Armut, Gewalt und Korruption.

Die geplante Justiz- und Polizeireform ist deshalb einer der wichtigsten Schritte. López Obrador kündigt die Schaffung einer Nationalgarde nach dem Vorbild der spanischen Polizeieinheit Guardia Civil und der französischen Gendarmerie an. 50.000 Nationalgardisten sollen das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizeiarbeit wieder herstellen.

Der neue Präsident hat ein untrügliches Gespür für die Stimmung im Volk und deren Hass auf die Privilegien der Politiker: Er schafft deshalb das teure Präsidentenflugzeug ab, kürzt sein Gehalt und das seiner Minister um die Hälfte und macht den Präsidentenpalast Los Pinos für die Öffentlichkeit zugänglich. Auf einer täglichen Pressekonferenz sieben Uhr morgens will er über den Fortgang der Reformen Rechenschaft ablegen.

Volksnah

All diese Versprechen sind Balsam für die Seele vieler Mexikaner, die in dem 65-Jährigen einen politischen Messias sehen. Zweimal ist er im Rennen um das Präsidentenamt gescheitert. Im Juli gewann er mit 52 Prozent der Stimmen weit vor seinen Kontrahenten. López Obrador wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Bundesstaat Tabasco auf. Auch wenn er als Caudillo und politisch wenig berechenbar gilt, ist seine Volksnähe echt.

Kernpunkt seiner Politik sollen Volksentscheide über große Infrastruktur- und Reformprojekte sein. In einer von ihm initiierten Umfrage sprachen sich jüngst 70 Prozent der Teilnehmer für den Stopp eines umstrittenen Flughafenprojekts in Mexiko-Stadt aus. López Obrador will sich an das Votum halten. Ein Schock für die Investoren, die bereits Milliarden in den Neubau investiert hatten.

Doch als Schreck der Wirtschaft taugt der Linkspolitiker López Obrador nicht. Er versprach, die Unabhängigkeit der Zentralbank zu respektieren und keine Enteignungen vorzunehmen. Allerdings will er mehr im eigenen Land produzieren lassen, um Mexikos Wirtschaft unabhängiger zu machen. Trotz all dem gilt López Obrador als politischer Pragmatiker. In seiner Zeit als Oberbürgermeister von Mexiko-Stadt (2000 bis 2005) hat er zusammen mit dem Multimillionär Carlos Slim die umfangreiche Sanierung des historischen Zentrums der Stadt begonnen.