Berlin/Düsseldorf (epd). Die Arbeitnehmer in Deutschland haben im vergangenen Jahr so viele Überstunden geleistet wie seit 2007 nicht mehr. Ingesamt häuften sie 2,127 Milliarden zusätzliche Stunden an, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Nur rund die Hälfte der Überstunden wurde den Angaben zufolge vergütet. Die "Rheinische Post" (30. November) hatte zuerst über den Anstieg der Überstunden berichtet.
Die Zahl der Überstunden von Voll- und Teilzeitbeschäftigten habe um rund 12,8 Prozent im Vergleich zu 2016 zugenommen, teilte die Bundesregierung mit. Damals seien es knapp 1,9 Milliarden Stunden gewesen. Den zuletzt höchsten Wert habe es 2007 mit 2,131 Milliarden gegeben. Auch der Anteil der Überstunden an den insgesamt geleisteten Arbeitsstunden sei gestiegen: 2016 lag dieser bei 3,7 Prozent, im vergangenen Jahr bei 4,1 Prozent.
Komplexe Arbeit - mehr Überstunden
Den Angaben zufolge leistete jeder abhängig Beschäftigte im Jahr 2017 durchschnittlich knapp 27 bezahlte sowie 27 unbezahlte Überstunden. Im ersten Halbjahr 2018 habe die Zahl der Überstunden bereits bei knapp 1,1 Milliarden gelegen. Die Zahlen beruhen auf Erhebungen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Angestellte, die eine hoch komplexe Tätigkeit ausüben, erbrachten pro Kopf die meisten zusätzlichen Stunden. Am wenigsten Mehrarbeit leisteten Angestellte in Helfer- oder Anlerntätigleiten.
Die meisten Überstunden werden aus betrieblichen Gründen geleistet, wie es hieß. Einer Umfrage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zufolge sei die Arbeit häufig in der vereinbarten Zeit nicht zu schaffen gewesen. Oft verwiesen die Befragten auch auf "sonstige betriebliche Gründe" oder Vorgaben im Betrieb wie angeordnete Überstunden. Spaß an der Arbeit oder private Gründe wie zum Beispiel der Wunsch nach zusätzlichem Verdienst wurden hingegen nur selten genannt.
Linke empört
Die Linken-Arbeitsmarktpolitikerin Jessica Tatti bezeichnete die Zahlen als skandalös. Sie legten offen, "dass sich viele Arbeitgeber auf dem Rücken ihrer Beschäftigten bereichern". Für Unternehmen zahle sich das aus. Allein im Jahr 2017 hätten sie über 36 Milliarden Euro gespart, weil die Beschäftigten Überstunden zum Nulltarif geleistet haben.
Folgen der Überstunden sind laut Tatti Stress, Arbeitshetze und Überlastung, eine "Anti-Stress-Verordnung" sei daher überfällig. Außerdem forderte sie, die Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten sowohl bei der Dauer und Lage der Arbeitszeit als auch bei der Personalbemessung zu stärken. Zudem brauche es eine Verkürzung der Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden. "Wenn die Arbeitsmenge in der vertraglichen Arbeitszeit nicht zu schaffen ist, muss mehr Personal eingestellt werden."