Alle Welt hofft auf konkrete Fortschritte bei der diesjährigen Weltklimakonferenz in Polen. Derweil legt Brasilien, die Heimat der "Grünen Lunge" des Planeten, den Rückwärtsgang ein. Der gewählte Präsident Jair Bolsonaro hält nichts vom Schutz des Amazonaswaldes und interessiert sich nicht für Klimapolitik. Umweltschützer warnen vor einer endgültigen Zerstörung des größten Urwalds auf der Erde, der für das Weltklima von großer Bedeutung ist. Bereits jetzt erreichte die Abholzung wieder einen Höchststand.

7.900 Quadratkilometer Tropenwald wurden zwischen August 2017 und Juli 2018 abgeholzt: Eine Steigerung um fast 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Umweltministerium mitteilte. Überschlagen handelt es sich dabei um 1,2 Milliarden Bäume, die gefällt oder abgebrannt wurden.

Umweltschützer machen die Regierung und die konservative Mehrheit im Kongress für die Rückschritte verantwortlich. Seit mehr als zwei Jahren führt Übergangspräsident Michel Temer eine konservative Regierung, die Wirtschaftsinteressen über den Umweltschutz stellt. Greenpeace kritisiert vor allem die einflussreiche Landwirtschaftsfraktion im Parlament, die mit mehreren Gesetzesinitiativen eine Gefahr für die Wälder und das Weltklima darstelle.

Umwelt unter Beschuss

"Die Agrarlobby drängt auf eine Flexibilisierung der Umweltrichtlinien, will die Aneignung von Land vereinfachen, Naturschutzgebiete verkleinern und die Landrechte der Urbevölkerung einschränken", sagt Romulo Batista von Greenpeace Brasilien. All diese Gesetzesvorhaben beflügelten nur diejenigen, die von Abholzung und Landraub profitieren, und "gefährden zudem die Einhaltung der Klimaschutzzusagen, die Brasilien im Rahmen des Pariser Abkommens gemacht hat", erklärt Batista.

Ökologen befürchten, dass es unter Bolsonaro weiter rapide bergab gehen wird. Der rechtsextreme Politiker kündigte an, das Agrobusiness zu fördern, die ökonomische Ausbeutung des Amazonasgebiets voranzutreiben und die Errichtung von Indianerreservaten zu stoppen. "Alles, was die Abholzung bremst, will Bolsonaro abschaffen", resümiert Batista. Nicht nur die Umwelt steht unter Beschuss. Es wird befürchtet, dass auch die gewaltsamen Landkonflikte weiter zunehmen werden, durch die jedes Jahr Indianer und Kleinbauern umkommen. Nach Angaben der Organisation Global Witness wurden allein im vergangenen Jahr 57 Umweltschützer ermordet. Brasilien führt damit die Liste der für Aktivisten gefährlichsten Länder an.

Tereza Cristina, Bolsonaros designierte Agrarministerin, hat eine andere Einschätzung: Die brasilianischen Landwirte seien nicht für die zunehmende Abholzung verantwortlich. "Schuld daran sind Banditen, die keine Steuern zahlen wollen", sagte Cristina in einem Interview der Zeitschrift "Globo Rural". Sie deutete an, dass ihre Regierung auf eine weitere Ausbreitung der Agrarwirtschaft setzt: "Generell ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Vergleich zu den Schutzgebieten klein", sagte Cristina, die Vorsitzende der parteiübergreifenden Agrarfraktion im Bundesparlament ist.

"Widersprüchliche Aussagen"

Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler, Ökologen und ehemaliger Umweltminister hat kürzlich errechnet, was passieren würde, wenn Bolsonaro all seine Ankündigungen wahr machen würde - von der Abschaffung des Umweltministeriums bis hin zur Erlaubnis, in indianischen Schutzgebieten Bergbau zu betreiben. Das Ergebnis alarmiert: eine Zunahme des Kahlschlags um 270 Prozent auf mehr als 25.000 Quadratkilometer pro Jahr ab 2020. Das entspräche einem Rückschritt in die Zeit vor 2004, als die Abholzung im Amazonaswald noch kaum gebremst wurde.

Niemand könne vorhersagen, was Bolsonaro nach dem 1. Januar wirklich in die Tat umsetzen wird, glaubt Iara Pietricovsky von der nichtstaatlichen Organisation Inesc. "Seine widersprüchlichen Aussagen machen oft keinen Sinn, doch ist davon auszugehen, dass er in der Umweltpolitik auf die Linie von US-Präsident Donald Trump einschwenken wird." Sie befürchtet, dass der heutige Trend verstärkt und der Tropenwald in Zukunft noch schneller dezimiert wird.

Mehrfach kündigte Bolsonaro an, aus dem Pariser Klimavertrag auszusteigen. Und am 27. November zog die aktuelle Regierung die Bewerbung Brasiliens um die Ausrichtung der nächsten UN-Klimakonferenz 2019 zurück. Als Grund wurden Haushaltsprobleme genannt. "Es ist eine Schande, dass Brasilien seine bisherige Vorreiterrolle bei internationaler Klimapolitik aufgibt", sagt Pietricovsky.