Die Familie des im Hambacher Forst zu Tode gestürzten Journalisten wirft der NRW-Landesregierung eine Instrumentalisierung des Unglücks vor. Die Aussagen von Landespolitikern und das Verhalten von Behörden hätten die Trauer und den Schmerz verstärkt, schreibt die Familie in einem auf Twitter veröffentlichten Offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Innenminister Herbert Reul (CDU). Darin kritisieren sie die "hochriskante" Räumung der Baumhäuser und werfen Reul vor, den Todesfall zu benutzen, um Stimmung gegen die Braunkohlegegner zu machen.

Der 27-jährige Journalist aus Leverkusen war im September von einer Hängebrücke zwischen zwei von Aktivisten gebauten Baumhäusern im Hambacher Wald gestürzt und gestorben. Die Familie beschreibt den jungen Mann in dem Brief als gläubigen Christen und Veganer, der mit den Zielen der Aktivisten sympathisiert habe. Er habe für sein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln eine Dokumentation über das Leben der Baumhausbewohner gedreht. Weil die Pressearbeit während der Räumung durch polizeiliche Absperrungen behindert worden sei, sei er als "versierter Kletterer" auf eines der Baumhäuser gestiegen.

Obduktion gegen Willen der Familie

"Unerträglich empfinden wir die für uns aus der Luft gegriffenen Schuldzuweisungen des Innenministers Reul, dass die Erbauer*innen der Hängebrücke Schuld an Steffens Tod seien", heißt es in dem Offenen Brief. "Diese Instrumentalisierung seines Todes für eigene Zwecke löst Empörung und Wut in und aus und lässt uns nicht zur Ruhe kommen."

Daneben kritisiert die Familie, dass die Leiche des jungen Mannes gegen den Willen seiner Eltern obduziert worden sei, obwohl klar gewesen sei, dass es keine Fremdeinwirkung gegeben habe. "Das Wissen um diese in unseren Augen völlig überflüssige und rechtswidrige Störung der Totenruhe belastet uns sehr." Die Angehörigen schreiben weiter, sie treibe die Frage um, warum die Landesregierung mit der Räumung nicht gewartet habe bis zur Gerichtsentscheidung über die Klage des BUND oder das Votum der Kohlekommission. Die Räumung sei für die Baumhausbewohner und die Polizisten hochriskant gewesen, kritisieren sie.

Der Hambacher Wald im Kreis Düren gilt als Symbol des Widerstandes gegen den Kohle-Abbau. Die RWE Power AG wollte eigentlich ab Oktober die Hälfte des noch stehenden Waldstücks für den Tagebau Hambach roden. Das Oberverwaltungsgericht Münster verhängte jedoch Anfang Oktober einen Rodungsstopp, bis über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen den Hauptbetriebsplan des Tagebaus entschieden ist.