Frankfurt a.M. (epd). Mehr Abwechslung in den Lese- und Predigttexten - das ist das Ziel der neuen Perikopenordnung, die am ersten Adventssonntag in Kraft getreten ist. "Zusammengefasst lässt sich sagen: Das neue Perikopenbuch enthält mehr Altes Testament und weniger Briefabschnitte (Episteln)", erklärte der Vorsitzende der Liturgischen Konferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Michael Meyer-Blanck, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Lektionar und das Perikopenbuch enthalten die Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder, also für jeden Sonntag passende Textabschnitte (Perikopen) für die Schriftlesung und die Predigt. Außerdem sind jedem Sonn- und Festtag zwei Lieder zugeordnet, die die jeweiligen biblischen Texte aufgreifen, sowie ein Gebetspsalm und einen Bibelvers als geistliches Leitmotiv für die Woche oder den Tag ("Spruch der Woche").
Die letzte Perikopenordnung stammt aus dem Jahr 1977 und liegt somit über 40 Jahre zurück. Die neue Ordnung soll mehr Abwechslung in den Themen und Texten bringen, unter anderem gibt es nun mehr Bibeltexte, in denen Frauen vorkommen. Aber: "Eine maßvolle Revision war das Ziel", sagte Meyer-Blanck. "Der Charakter der einzelnen Sonntage ist gleichgeblieben."
Frühmittelalterliche Tradition
Er nennt drei Gründe für die Neuerungen: Zum einen stammte bislang nur ein Sechstel aller Texte aus dem Alten Testament und das, obwohl es deutlich umfangreicher ist als das Neue Testament. Nun sei rund ein Drittel der Texte aus dem Alten Testament. Dafür habe man einige doppelte Perikopen herausgenommen, die sowohl im Markus- als auch im Matthäus-Evangelium vorkommen und ein paar schwierige Epistelperikopen (Briefe) gekürzt.
"Wir predigen nicht Texte, sondern wir predigen Jesus Christus mit Hilfe von Texten. Dazu gehört auch das Alte Testament", sagte Meyer-Blanck. Zum anderen seien viele alttestamentliche Texte Erzählungen, also Geschichten, über die man interessanter predigen könne als über so manchen einen komplizierten Briefabschnitt. Drittens sei die Revision auch Zeugnis eines fortgeschrittenen jüdisch-christlichen Dialogs.
Meyer-Blanck erwartet viel Zustimmung für die Änderungen. "Viele Pfarrerinnen und Pfarrer werden sie als Bereicherung empfinden, weil sie nun mehr als Alttestamentler gefragt sind und sich stärker mit der hebräischen Bibel beschäftigen dürfen", sagte der Bonner Theologieprofessor. Allerdings müssen sich Pfarrer nicht an die Perikopenordnung halten, sie können ihre Predigttexte frei wählen. Meyer-Blanck spricht aber von einer "guten Tradition", die auf die mittelalterliche Messe verweist.
Ein Großteil der Perikopen geht auf das 7. und 8. Jahrhundert zurück. Kaiser Karl der Große hatte damals eine einheitliche Messordnung für sein Reich eingeführt. Die katholische Kirche hingegen hat diese Messtradition nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verlassen, sie ist mit ihrem Messbuch von 1970 zu einer fortlaufenden Evangelienlesung übergegangen. Reformatorisch sei damit gerade die Bewahrung der frühmittelalterlichen Tradition, sagte Meyer-Blanck.