Kirchen

Ratsvorsitzender sieht Defizite beim Zusammenwachsen der Kirchen


EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm
epd-bild / Theo Klein
EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm sieht 30 Jahre nach dem Mauerfall Defizite beim innerkirchlichen Vereinigungsprozess. "Das Zusammenwachsen beider Kirchen hat noch einen Weg vor sich", sagte er.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht 30 Jahre nach dem Mauerfall Defizite beim innerkirchlichen Vereinigungsprozess. "Das Zusammenwachsen beider Kirchen hat noch einen Weg vor sich", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er finde es "höchst unbefriedigend", dass im 15-köpfigen Rat der EKD kein Mitglied mit ostdeutscher Biografie sitzt.

Auch unter den Landesbischöfen sei für längere Zeit niemand aus dem Osten gewesen, bis kürzlich Friedrich Kramer als Bischof der mitteldeutschen Kirche ins Amt eingeführt wurde, sagte der bayerische Landesbischof. Forderungen nach einer Ost-Quote erteilte er gleichwohl eine Absage: "Niemand möchte wegen einer 'Ost-Quote' in ein Amt gewählt werden." Er hoffe, dass ein Nachdenken einsetzt, das eine Quote überflüssig mache.

Zu den Gründen mangelnder Repräsentanz Ostdeutscher in der Kirche sagte Bedford-Strohm, diejenigen, die prägende Erfahrungen in der DDR gemacht haben, hätten vielleicht noch nicht damit abgeschlossen, wie die Vereinigung der Kirchen gelaufen ist. "Darüber müssen wir noch viel reden", fügte er hinzu.

Streitthemen seien bis heute etwa Militärseelsorge, Kirchensteuer oder Religionsunterricht: "Viele hatten damit ein Problem, aber keine Wahl." Für viele Kirchenmitglieder in den ostdeutschen Bundesländern habe sich die Vereinigung mit der EKD wie ein "Seitenwechsel" angefühlt. Vorher sei man "gegen den Staat auf die Straße" gegangen, danach habe sich das Gefühl eingestellt, "eher auf der Seite des Staates" zu stehen.

epd-Gespräch: Corinna Buschow und Jens Büttner


Sächsische Christen richten Petition an Landesbischof Rentzing

Evangelischen Christen in Sachsen kritisieren, dass ihr Bischof Mitglied einer schlagenden Verbindung ist - und nicht austritt. In einer Petition fordern sie zudem deutlichere Worte gegen rechts - und eine Erklärung zu einem umstrittenen Vortrag.

Rund zwei Wochen nach Bekanntwerden der Mitgliedschaft von Sachsens evangelischem Landesbischof Carsten Rentzing in einer schlagenden Burschenschaft fordern Christen im Freistaat Aufklärung. Eine entsprechende Online-Petition hatte bis 27. September knapp 50 Unterzeichner, darunter die Leipziger Pfarrer Andreas Dohrn und Frank Martin sowie der Kirchvorsteher Matthias Rudolph.

"Wir erwarten eine Erklärung, warum Sie als Repräsentant der sächsischen Landeskirche nach wie vor Mitglied der Alten Prager Landsmannschaft Hercynia sind", schrieben die Autoren der Petition an den Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Auch erwarte man "eine klare Distanzierung" von der Berliner "Bibliothek des Konservatismus", die Teil des Netzwerks der Neuen Rechten sei. Rentzing hatte dort 2013 einen Vortrag gehalten.

Zudem erwarte man von Rentzing "eine öffentliche und deutliche Distanzierung von allen nationalen, antidemokratischen und menschenfeindlichen Ideologien". Es sei unverständlich, warum der Bischof statt einer klaren Abgrenzung von der AfD bislang "auf Gespräch, Verständnis und gemeinsame Zukunftsgestaltung gesetzt" habe, so die Autoren: "Es drängt sich die Vermutung einer inhaltlichen Nähe auf, die durch Ihre Äußerungen nicht entkräftet wurde."

"Das Amt der Einheit entbindet Sie nicht vom Wort der Klarheit", schrieben die Autoren. Man sehe mit Sorge, dass die sächsische Landeskirche durch die unklare Positionierung des Bischofs in Sachsen und innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) "zunehmend an den Rand gerät".

Mitinitiator Dohrn sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es braue sich gerade etwas zusammen innerhalb der Landeskirche. "Ein Bischof ist nicht für sich selber da, sondern er repräsentiert andere, und das macht Landesbischof Rentzing momentan unterdurchschnittlich gut", sagte Dohrn.

Rentzing hatte seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft am 14. September in einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung" öffentlich gemacht. Diese bestehe seit seiner Studentenzeit in Frankfurt am Main. Die freiheitliche Grundstimmung in der Verbindung, deren Wahlspruch "Deutsch, frei, innig und treu" lautet, habe ihm gefallen, sagte der Bischof: "Uns einte nicht nur die Freude an Tradition, sondern auch die Abwehrhaltung gegen Extremismen." "Natürlich" habe er auch gefochten, räumte Rentzing auch seine Teilnahme an Ritualen der schlagenden Verbindung ein.

Zu dem Vortrag in der "Bibliothek des Konservatismus" habe ihn der Leiter der Institution eingeladen, den er aus dem Studium gekannt habe, sagte Rentzing der Zeitung. Von Verbindungen zur Neuen Rechten wisse er nichts.

In einem ebenfalls am 14. September veröffentlichten Statement erklärte Rentzing, er sei in der Verbindung nicht mehr aktiv, aber formal noch Mitglied. "Ich trage diesen Teil meiner Biografie ganz bewusst nicht offen vor mir her, aber ich stehe dazu, dass es ein Abschnitt in meinem Leben war, den ich nicht verleugnen kann und will", so der Bischof. Kein Leben verlaufe nur geradlinig, auch das seine nicht.

Am Freitag war Rentzing für eine Reaktion nicht zu erreichen: Der Bischof habe Geburtstag und habe sich bis Montag freigenommen, sagte Landeskirchensprecher Matthias Oelke dem epd.



Pfarrerverband warnt Kirche vor Fixierung auf Zukunftsprognosen

Evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer haben davor gewarnt, die Zukunft der Kirche von Prognosen über die Entwicklung der Kirchenmitglieder abhängig zu machen. Prognosen, wie die im Mai veröffentlichte Freiburger Studie, seien schwierig, da sie die Zukunft voraussagen wollten. "Hochrechnungen über Jahrzehnte hinaus, Szenarien anhand von Zahlen ohne belastbare Grundlage, irrlichternde Vorschläge, die vermeintlich die Kirche 'zukunftsfähig' machen: Das alles führt vor allem zu Verunsicherung und Lähmung", kritisierte der Vorsitzende des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland, Andreas Kahnt, am 23. September in Quedlinburg. Dort trafen sich rund 90 Pfarrerinnen und Pfarrer zur jährlichen Mitgliederversammlung.

Laut einer wissenschaftlichen Prognose Freiburger Forscher könnten die beiden christlichen Kirchen bis zum Jahr 2060 rund die Hälfte ihrer heutigen Mitglieder verlieren. Diese Entwicklung wird sich den Berechnungen zufolge auch auf die Kirchensteuerentwicklung auswirken. Zwar soll das Kirchensteueraufkommen im Jahr 2060 weiterhin bei rund zwölf Milliarden Euro liegen, doch kaufkraftbereinigt könnten sich die Kirchen davon in 40 Jahren nur die Hälfte des Bisherigen leisten.

Die Tendenzen der Freiburger Studie seien nicht neu, sagte Kahnt. Die Mitgliederzahlen gingen schon lange zurück. Ein Rückgang bei den Einnahmen indes würde bisher nur behauptet. Dennoch seien mit dieser Behauptung der teils massive Abbau von Pfarrstellen begründet und den Pfarrerinnen und Pfarrern zunehmend Mehrarbeit zugemutet worden. "Da, wo Kirchenbindung erfolgreich wirken kann, wird seit Jahren gekürzt", kritisierte Kahnt.



MDR präsentiert Doku über Leipziger Nikolaikirche

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) lädt im Rahmen des 30-jährigen Jubiläums der friedlichen Revolution zur Premiere einer Dokumentation über die Leipziger Nikolaikirche ein. Der Film "Der Klang der Freiheit - Neue Glocken für St. Nikolai" werde am 1. Oktober im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig präsentiert, teilte der Sender am 24. September mit.

Die Dokumentation erkunde den Mythos der Kirche, der im Herbst 1989 begonnen habe, und begleite die Vorbereitungen auf das Jubiläum, erklärte der MDR. Im Anschluss an die Vorführung ist demnach eine Podiumsdiskussion geplant, zu der unter anderem Nikolaikirchenpfarrer Bernhard Stief und die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns erwartet werden.

Die Leipziger Nikolaikirche gilt als einer der wichtigsten Ausgangspunkte der friedlichen Revolution in der DDR. Ab 1982 wurden dort jeden Montag Friedensgebete organisiert. Ab September 1989 brachen jeweils nach den Gebeten Tausende Menschen zu den Montagsdemonstrationen gegen das SED-Regime auf. Auch die entscheidende Protestaktion am 9. Oktober 1989 mit rund 70.000 Teilnehmern hatte unter anderem an dem evangelischen Gotteshaus ihre Ursprung.

Ebenfalls Thema der MDR-Doku ist den Angaben zufolge die Restaurierung und Ergänzung des historischen Geläuts der Nikolaikirche. Die insgesamt acht Glocken wurden bereits in den Turm aufgezogen, bislang aber noch nicht geläutet: Dies soll anlässlich des 30. Jahrestags der revolutionären Ereignisse am 9. Oktober geschehen. Dann soll auch die neu gegossene, größte Glocke Osanna erstmals erklingen, die im Ersten Weltkrieg verloren gegangen war.



Früherer Landesbischof Bohl predigt in Prag

Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben evangelische und katholische Christen am 29. September in Prag an die friedliche Revolution vor 30 Jahren erinnert. Als erster evangelischer Bischof predigte der frühere sächsische evangelische Landesbischof, Jochen Bohl, in der katholischen Kirche Sankt Johannes Nepomuk in Prag.

Er erinnerte in seiner Ansprache an die Freiheit als "Geschenk Gottes" und warnte zugleich vor völkischem und rassistischem Denken. Dieses werde "aus wahrhaftem Hochmut geboren" und tauge nicht zur Freiheit. Es könne nicht anders als auszugrenzen, sagte Bohl. Der frühere Landesbischof appellierte 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in Europa an Demut und Dankbarkeit: "Wir machen nicht die Geschichte, wir gestalten sie und wirken mit", sagte er. Dafür gebe die Bibel die Maßstäbe vor.

Der ökumenische Gottesdienst war Teil des "Festes der Freiheit", mit dem am Wochenende in Prag an die Botschaftsflüchtlinge erinnert wurde. Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hatte am Abend des 30. September 1989 in der überfüllten Prager Botschaft zusammen mit weiteren westdeutschen Politikern die befreiende Nachrichte von der genehmigten Ausreise überbracht. Ein Teil seines Satzes ging im Freudentaumel unter. Das Datum gilt als ein Meilenstein bis zum Fall der Mauer nur wenige Wochen später.



"Rückkehr zur Tradition des Sonntagsbratens"


EKD fordert gute Bedingungen für Tiere
epd-bild / Norbert Neetz
"Der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh" - mit diesem Bibelzitat beginnt ein neues Papier der evangelischen Kirche zum Tierwohl. Sie fordert mehr Achtung vor dem Leben, das auf dem Teller landet - und eine Reduzierung des Fleischkonsums.

Rückkehr zur Kultur des Sonntagsbratens: In einem Grundsatzpapier fordert die evangelische Kirche von Landwirtschaft, Handel und Verbrauchern mehr Wertschätzung für Tiere. Unter der Überschrift "Nutztier und Mitgeschöpf" veröffentlichte die Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für nachhaltige Entwicklung am 26. September ein Positionspapier, das einen umfassenden Wandel in der Agrarwirtschaft und -politik fordert. Verantwortung sehen die Autoren aber auch beim Verbraucher selbst. Sie fordern eine Reduzierung des Fleischkonsums und regen eine "Rückkehr zur alten Tradition des Sonntagsbratens" an.

Auch vor dem Hintergrund der Klimadebatte sei das Thema Tierwohl höchst aktuell, sagte der Kammer-Vorsitzende Uwe Schneidewind bei der Vorstellung des Papiers in Berlin. Die evangelische Kirche wolle bei diesem Thema als Mittler auftreten, auf Interessenkonflikte hinweisen und trotzdem klare Orientierung geben, sagte er. Das Papier will nach seinen Angaben nicht zur Emotionalisierung beitragen. Bewusst werde etwa auf das Wort "Massentierhaltung" verzichtet. Bibelzitate in dem Papier sollen aber verdeutlichen, dass die Achtung für das Tier auch christlich begründet ist.

"Ausmaß des Konsums nicht mehr verantwortbar"

Ein Appell wird besonders deutlich: Ausmaß und Umfang des Fleischkonsums in Deutschland und anderen Ländern seien nicht mehr zukunftsfähig und verantwortbar, sagte Mitautor Dietrich Werner, theologischer Grundsatzreferent im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Im Schnitt verbrauchten die Deutschen pro Kopf und Jahr 60 Kilogramm Fleisch, die Empfehlung liege bei 20 Kilogramm für Frauen, 30 für Männer, erläuterte Maren Heincke, die Referentin für den ländlichen Raum der hessen-nassauischen Kirche ist.

"Wir befinden uns im Überkonsum", sagte sie. Mit dem Papier solle deutlich werden, dass nicht nur Tiere und Umwelt Schaden nehmen, wenn das "rechte Maß" verloren geht, sondern auch die eigene Gesundheit. Den Verweis auf den Sonntagsbraten meint die EKD als Denkanstoß und Orientierung. Klare Vorgaben, wie oft Fleischverzehr in der Woche gut ist, will sie bewusst nicht machen, appelliert aber auch an kirchliche Arbeitgeber, häufiger vegetarische Kost aufzutischen.

In insgesamt 16 Kernforderungen plädieren die Autoren des Papiers unter anderem für eine Anpassung der EU-Handelspolitik im Hinblick auf Fleischexporte und Futtermittelimporte. Außerdem wird der Politik empfohlen, etwas gegen die Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel zu unternehmen. Die große Marktmacht der Abnehmer verstärke den Preisverfall für tierische Produkte. Wirtschaftlicher Spielraum für mehr Tierwohl bleibe nicht, und die Erzeuger erhielten keine fairen Preise.

Höhere Mehrwertsteuer?

Die Autoren schlagen auch ein staatliches Tierwohl-Monitoring vor und bringen eine Fleischsteuer ins Gespräch. Es sei nicht einzusehen, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für alle Fleischprodukte gelten müsse, sagte Werner. Weniger tierwohlorientiert gewonnenes Fleisch könne mit dem normalen Mehrwertsteuersatz verbunden werden, schlägt er vor.

Es sei an der Zeit, eine "verdinglichende und mechanistische Sicht" auf das Mensch-Tier-Verhältnis hinter sich zu lassen, schreiben die Autoren. Mitautorin Heincke wies auf den Begriff "Mitgeschöpf" im Titel hin. Das solle durchaus als Provokation gemeint sein, sagte die Agrarwissenschaftlerin.



Evangelischer Digitalexperte: Google findet Gemeinden oft nicht


Christian Sterzik (Archivbild)
epd-bild / Jens Schulze
In der digitalen Welt sieht die evangelische Kirche für sich noch Nachholbedarf. Wer im Internet nach religiösen Angeboten sucht, landet oft nicht bei der protestantischen Gemeinde vor Ort.

Der Digitalexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Sterzik, wünscht sich eine bessere Auffindbarkeit protestantischer Angebote im Netz. Beim Evangelischen Medientag am 26. September in Berlin schilderte Sterzik, dass bei der Google-Suche nach einer Kirchengemeinde vor Ort oftmals die Zeugen Jehovas vor einer evangelischen Gemeinde rangierten. Um das zu ändern und die Digitalkompetenz in allen Bereichen der evangelischen Kirche zu stärken, brauche es Engagement vor Ort und Vernetzung zum Wissensaustausch gleichermaßen.

Sterzik warb zudem dafür, Service-Informationen wie zum Beispiel zur Konfirmation zu bündeln. Einzelne Angebote der 20 evangelischen Landeskirchen könnten niemals eine solch hohe Reichweite erzielen wie eine zentrale Information zum Beispiel auf der Seite "evangelisch.de".

Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, hält es für notwendig, dass sich die Kirche als Institution in der digitalen Welt zurücknimmt. Die Menschen bräuchten Glauben, Beten, Seelsorge, Gottesdienst und Diakonie. Nach der Kirche als Institution würden sie aber nicht suchen. Die kirchlichen Angebote im Internet müssten emotionaler werden, Geschichten erzählen und Bilder zeigen.

Dennis Horn, Medienberater und Digitalexperte in der ARD, empfahl den Medienschaffenden aus der evangelischen Kirche, sich nicht von kurzfristigen Hypes verunsichern zu lassen. Derzeit würden zum Beispiel Smartspeaker vor allem als preisgünstige Blue-Tooth-Lautsprecher von den Kunden geschätzt, die Zahl der Anwendungen mittels sogenannter Skills sei eher noch überschaubar. Gleichwohl werde mit den Smartspeakern derzeit von den Digitalkonzernen eine Infrastruktur geschaffen, die deren Rolle als Gatekeeper für Informationen im Netz weiter stärke. Welche langfristigen Auswirkungen das habe, sei heute nicht vollends absehbar.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Stephan Scherzer, rief bei der Fachtagung dazu auf, beim Wandel der Medien im Digitalen Grundsätzliches infrage zu stellen. Es brauche einen Perspektivwechsel. Nicht "mehr vom selben", sondern "anders als bisher" sei gefragt. Unter anderem riet er Medien und Kirchen dazu, Gemeinschaften im Netz zu organisieren, um in der Transformation erfolgreich zu sein.

Der Evangelische Medientag wurde vom Evangelischen Medienverband in Deutschland (EMVD) ausgerichtet. Die Geschäftsführung für den Zusammenschluss von Verlagen, Medien- und Presseverbänden, Buchhandlungen, Büchereien und kirchlichen Trägern publizistischer Organe liegt im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main. Das GEP trägt unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd) und das Internetportal "evangelisch.de".



Bischöfe einigen sich auf Satzung für "synodalen Weg"


Kardinal Marx und protestierende katholischen Frauen bei der Bischofskonferenz in Fulda
epd-bild / Christof Krackhardt
Die katholischen Bischöfe haben sich jetzt auf eine Satzung für den kirchlichen Reformprozess geeinigt, der am 1. Advent beginnen soll. Der Vatikan soll nun keinen Grund mehr zum Einspruch haben. Doch zwei Bischöfe konnten trotzdem nicht zustimmen.

Die katholischen Bischöfe haben sich auf eine Satzung für den geplanten kirchlichen Reformprozess geeinigt. "Wir sind zu einer guten Lösung gekommen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am 26. September zum Abschluss der Herbst-Vollversammlung in Fulda. Der "synodale Weg" soll am 1. Dezember, den 1. Advent, in Frankfurt beginnen. Bischöfe und katholische Laien wollen in einer verabredeten Struktur die Folgen des Missbrauchsskandals, klerikalen Machtmissbrauch, Fragen der katholischen Sexualmoral und die Rolle der Frauen in der Kirche diskutieren.

Vor der Herbst-Vollversammlung hatte der Vatikan Einspruch gegen einen ersten Satzungsentwurf eingelegt. Marx hatte zu Beginn der Vollversammlung der Bischöfe indes klargestellt, es gebe "kein Stoppschild aus Rom". In einem nächsten Schritt muss das Zentralkomitee der deutschen Katholiken der Satzung zustimmen.

Woelki und Voderholzer dagegen

Zwar hätten nicht alle Bischöfe die Satzung gebilligt, doch alle hätten in einer zweiten Abstimmung angegeben, den "synodalen Weg" mitgehen zu wollen, sagte Marx. Bereits vor Marx' offizieller Bilanz hatten der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, bekanntgegeben, gegen die Satzung gestimmt zu haben. Woelki erklärte auf Twitter, er werde sich aber einem Gespräch nicht verweigern.

Vorderholzer erklärte, an der Basis des synodalen Prozesses stehe "eine Unaufrichtigkeit". Aus den Fällen des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche den Schluss zu ziehen, dass es beim Erneuerungsprozess um Themen wie den Zölibat, Machtmissbrauch, Frauen in der Kirche und Sexualmoral gehen müsse, sei "pseudowissenschaftlich". Dem synodalen Prozess werde er sich zwar nicht verschließen, doch er behalte sich vor, "nach ersten Erfahrungen gegebenenfalls ganz auszusteigen", erklärte er am Donnerstag. Woelki und Vorderholzer hatten der Bischofskonferenz eine alternativen Satzungsentwurf vorgestellt, der jedoch keine Mehrheit gefunden hatte.

Frauen-Demo

Wie schon am 23. September demonstrierten auch am 26. September wieder Frauen für Gleichberechtigung in allen kirchlichen Ämtern und Diensten. Dieses Mal waren rund 150 katholische Frauen der Initiative "Maria 2.0." aus Kassel nach Fulda gekommen. Die Frauen verschafften sich auf ihrem Demonstrationszug durch die Stadt mit Kochlöffeln, Topfdeckeln und anderen Utensilien lautstark Gehör.



Katholische Bischöfe wollen Entschädigungen für Missbrauchsopfer neu regeln

Zwei Modelle für Anerkennungsleistungen liegen auf dem Tisch. Die Bischöfe wollen in den kommenden Monaten darüber entscheiden. Opfervertreter befürworten eine pauschale Entschädigungsleistung von 300.000 Euro.

Die katholische Bischöfe wollen die Entschädigungen für Opfer sexuellen Missbrauchs neu regeln. Die Deutsche Bischofskonferenz beriet während ihrer Herbst-Vollversammlung den Vorschlag einer Arbeitsgruppe, der am 25. September in Fulda vorgestellt wurde. Demnach kommen zwei Modelle in Frage: eine pauschale Entschädigungsleistung in Höhe von 300.000 Euro oder ein Stufen-Modell mit Beträgen zwischen 40.000 und 400.000 Euro, das den Einzelfall stärker berücksichtigt. Eine Entscheidung darüber, welches Modell die Bischöfe einführen wollen, wurde nicht getroffen, wie der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, mitteilte.

Bislang habe die katholische Kirche rund 2.100 Betroffenen eine finanzielle Anerkennung für erlittenes Leid gezahlt, sagte Ackermann. Nach Angaben der Bischofskonferenz beläuft sich die bisher gezahlte Gesamtsumme auf rund neun Millionen Euro. 5.000 Euro pro Antrag gelten bislang als Richtwert. Zusätzlich wurden oft anfallende Therapiekosten übernommen.

Grund-Schmerzensgeld von 10.000 Euro

Nach dem neuen Modell könnte in Zukunft ein Grund-Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro gezahlt werden. "Damit sind minderschwere Fälle wie Grenzverletzungen und sexuelle Belästigungen erfasst", heißt es in dem Arbeitspapier. Über diese Grundsumme hinaus sollen Betroffene Entschädigungsleistungen nach einem der beiden Modelle erhalten - entweder als Einmalzahlung oder in Form einer monatlichen Rente.

Anspruch auf eine solche Anerkennungsleistung haben demnach zunächst zum Tatzeitpunkt minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs. Sexueller Missbrauch umfasst nach dem Vorschlag der Arbeitsgruppe sowohl strafrechtlich sanktionierbare Handlungen, wie auch nicht strafrechtlich relevante Handlungen, die die Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen missachten.

Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, betonte am 25. September, es gehe nicht nur um Anerkennung des erlittenen Leids, sondern um Verantwortungsübernahme durch die Institution Kirche. Er sprach sich erneut für eine pauschale Entschädigungszahlung in Höhe von 300.000 Euro aus. Eine Pauschale habe Vorteile für die Opfer sexuellen Missbrauchs. "Es erspart den Opfern eine Menge und es beschleunigt das Verfahren", sagte Katsch. Eine Pauschalisierung sei daher "schonender und fairer".

"Nicht einfach, hier zu stehen"

Katsch hatte am 24. September den Vorschlag der Arbeitsgruppe den Bischöfen vorgestellt. Es sei das erste Mal, dass ein Vertreter der Betroffenen an dieser Stelle vor der Vollversammlung gesprochen habe, sagte er. "Es ist nicht einfach für ein Opfer sexueller Gewalt, hier zu stehen", fügte Katsch hinzu.

Er forderte außerdem, auch die Deutsche Ordensoberenkonferenz finanziell und organisatorisch an dem geplanten neuen Verfahren zu beteiligen, weil viele der Taten in Einrichtungen von Orden verübt worden seien. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe sieht auch vor, das Verfahren für Entschädigungszahlungen zu ändern. Dafür soll ein Fonds eingerichtet werden, der gegenüber der Kirche nicht weisungsgebunden sein soll.

Wann die Bischofskonferenz über die Art des Entschädigungsmodells, das Verfahren und die Höhe der Summen entscheiden wird, ist unklar. Ackermann sprach davon, "zügig" innerhalb der kommenden Monate entscheiden zu wollen. Katsch betonte, er hoffe, den Betroffenen bald "ein Ende des langen Weges" aufzeigen zu können.



Viele Anmeldungen zu Landeskirchenmusiktagen in Sachsen

Zu den sächsischen Landeskirchenmusiktagen Ende Oktober in Dresden haben sich bereits rund 250 Menschen angemeldet. Das liege über den Erwartungen, teilte die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens am 26. September in Dresden mit. Neben vielen Konzerten stehen in Dresden auch ein Chorprojekt, Begegnungsveranstaltungen und insgesamt 17 Seminare auf dem Programm. Die Landeskirchenmusiktage stehen unter dem Motto "spielräume" und dauern von 23. bis 27. Oktober.

Die Veranstaltungen seien nicht nur "eine kirchenmusikalische Leistungsschau sächsischer Prägung", sondern auch ein willkommener Treffpunkt für Kirchenmusiker für Fortbildung und Erfahrungsaustausch, erklärte die Landeskirche. Alle Veranstaltungen werden von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen gefördert. Zum Abschluss wird demnach am 27. Oktober ein Fest- und Sakramentgottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche mit Sachsens evangelischem Landesbischof Carsten Rentzing gefeiert.

In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens sind den Angaben zufolge mehr als 16.500 Sängerinnen und Sänger regelmäßig in insgesamt 719 Kirchenchören und Kantoreien aktiv. Hinzu kommen 519 Kinderchöre mit gut 6.600 Mitgliedern sowie 413 Instrumentalkreise mit knapp 3.300 Musikern.



Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster feiert 70-jähriges Bestehen

Das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin-Schmargendorf hat am 26. September sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. An der Schule lernen nach Angaben der Evangelischen Schulstiftung der Landeskirche derzeit rund 750 Mädchen und Jungen. Die Schule sei ein grundständiges Gymnasium humanistisch-altsprachlicher Prägung mit evangelischem Profil und "eine der renommiertesten Bildungseinrichtungen Berlins", sagte der Stiftungsvorsitzende, Frank Olie.

Mit ihrer langen Tradition leiste die evangelische Schule einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft, würdigte der Berliner Propst Christian Stäblein die Bildungseinrichtung in einem Festgottesdienst. "Mit ihrem sozialen Engagement, ihrer starken Bildung, die allen Schichten zugutekommt, und insbesondere der Herzensbildung, die im Zentrum einer evangelischen Schule steht, tut sie unserer Gesellschaft gut", sagte der künftige Berliner Bischof.

Gegründet wurde das Gymnasium zunächst als Berlinsches Gymnasium am 13. Juli 1574 in den Räumen des Franziskanerklosters in Berlin-Mitte. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg blieb nur die Ruine der Klosterkirche als Bau- und Kulturdenkmal stehen. Nach Kriegsende wurde der Schulbetrieb in der Weinmeisterstraße in Berlin-Mitte wiederaufgenommen und 1949 in der Niederwallstraße fortgeführt.

Im selben Jahr eröffnete die Evangelische Kirche das Evangelische Gymnasium im Gemeindehaus der Glaubenskirche in Berlin-Tempelhof. 1954 zog das Gymnasium schließlich nach Schmargendorf, wo es bis heute seinen Standort hat. Seit 1963 führt es den Traditionsnamen zum Grauen Kloster.



Leipziger Straßenaktion "Nun danket alle Gott"

Christen in Leipzig laden für den 5. Oktober zu einer musikalischen Straßenaktion unter dem Motto "Nun danket alle Gott" ein. Mit einem sogenannten Flashmob solle in aller Öffentlichkeit ein Zeichen des Dankes für die friedliche Revolution 1989 gesetzt werden, teilte die Evangelische Allianz am 23. September in Leipzig mit. Das Motto der Aktion zitiert eines der bekanntesten deutschen Kirchenlieder.

Nach einem gemeinsamen Auftakt in der Grimmaischen Straße wollen die Teilnehmer aus den Kirchgemeinden sich in Gruppen aufteilen und entlang des Innenstadtrings das Lied noch mehrfach singen. Erwartet werden dazu mehrere hundert Teilnehmer.

Die Evangelische Allianz ist ein Netzwerk vorwiegend evangelikaler Christen aus Landes- und Freikirchen. Johann Sebastian Bach (1685-1750) vertonte den Choral aus dem 17. Jahrhundert als Kantate "Nun danket alle Gott" für mehrstimmigen Chor.

In Leipzig waren am 9. Oktober 1989 von der Nikolaikirche aus rund 70.000 Menschen um den Innenstadtring gezogen und hatten gewaltlos gegen das SED-Regime protestiert. Das Datum gilt als entscheidende Wegmarke der friedlichen Revolution in der DDR. Einen Monat später fiel die Berliner Mauer.



Kirche widmet sich 30 Jahre friedliche Revolution und Mauerfall

Die evangelische Kirche widmet sich in den kommenden Wochen mit zahlreichen Veranstaltungen dem 30. Jahrestag des Mauerfalls. Dabei soll auch die Rolle der Kirche bei der friedlichen Revolution beleuchtet werden, wie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) am 24. September mitteilte. Geplant sind unter anderem Andachten, Gottesdienste, Lesungen und Zeitzeugengespräche.

"Es waren Christinnen und Christen, die in dieser Umbruchszeit vor 30 Jahren immer wieder auf Gewaltfreiheit bestanden haben", betonte Bischof Markus Dröge, "sie haben Gebete und Kerzen zu ihren Werkzeugen des Widerstandes gemacht".

Am 9. Oktober wird in der Berliner Gethsemanekirche in der "Nacht der Lichter" für Menschen gebetet, die aktuell inhaftiert sind, weil sie sich für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt haben, wie die Landeskirche mitteilte. Die Predigt hält Bischof Markus Dröge. Die Schauspielerin Anna Maria Mühe liest Erinnerungstexte. Ebenfalls in der Gethsemanekirche findet am 31. Oktober ein ARD-Fernsehgottesdienst zum Reformationstag unter der Überschrift "Glaube, Liebe, Revolution" statt.

Am 9. November veranstaltet der Kirchenkreis Prignitz einen Gottesdienst auf der Elbfähre unter der Überschrift "Freiheit im Fluss" mit Gästen aus dem Osten und Westen Deutschlands. Der Evangelische Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg und die Konrad-Adenauer-Stiftung zeigen in einem Videoprojekt unter dem Titel "Glaube. Liebe. Revolution. 30 Jahre Friedliche Revolution" in elf Videos persönliche Momente des Herbstes 1989, erzählt von Menschen aus Ost und West.



Kirchenkreis Erfurt erinnert an Beginn der friedlichen Revolution

Der Kirchenkreis Erfurt will am 7. Oktober an den Beginn der friedlichen Revolution in der Thüringer Landeshauptstadt vor 30 Jahren erinnern. Geplant seien eine Andacht, eine Buchpräsentation und ein Empfang, wie der Kirchenkreis am 29. September in Erfurt mitteilte. So soll etwa die Dokumentation "Lasst uns Brücken bauen" vorgestellt werden, in der die Geschichte der Partnerschaft zwischen den Städten Erfurt und Mainz erzählt wird. Erwartet werden dazu auch Gäste aus Mainz, Wetzlar und dem britischen Bradford.

Am 7. Oktober 1989 hatten sich mehrere hundert Erfurter Bürgerinnen und Bürger in der Kaufmannskirche zu einem bewegenden Gottesdienst versammelt. Sie forderten von der damaligen DDR-Regierung Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, freie demokratische Wahlen, Reisefreiheit sowie eine grundlegende Erneuerung des Landes. Vor der Kirche waren damals zahlreiche DDR-Polizei- und Staatssicherheitskräfte aufmarschiert. Dennoch habe sich die Forderung "Keine Gewalt!" durchgesetzt. Der Gottesdienst wurde zum Ausgangspunkt zahlreicher öffentlicher Veranstaltungen und Demonstrationen im Wendeherbst 1989 in Erfurt, wie der Kirchenkreis weiter mitteilte.



Pilgernder Open-Air-Gottesdienst in Berlin zum Mauerfall-Gedenken

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls planen mehrere Kirchengemeinden in Berlin einen ökumenischen Pilgerweg mit einem Open-Air-Gottesdienst. Unter dem Motto "bewegt!" soll am 10. November mit verschiedenen kirchlichen Aktionen an das historische Ereignis erinnert werden, wie die evangelische Versöhnungsgemeinde am 28. September in Berlin mitteilte. Daran beteiligen wollen sich evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden.

Der "pilgernde Open-Air-Gottesdienst auf der Straße" startet demnach an der Gedenkstätte Berliner Mauer. Danach werde der Weg mit verschiedenen liturgischen Stationen entlang der Bernauer Straße zur Weddinger Hussitenstraße führen. Der Abschluss sei an der Kapelle der Versöhnung. Geplant seien unter anderem Saxofon- und Cello-Musik, Meditationen und Lieder.



Stephan Ringeis ist neuer Beauftragter der Freikirchen beim MDR

Nach einjähriger Vakanz haben die evangelischen Freikirchen wieder einen Senderbeauftragten beim MDR: Der evangelisch-methodistische Pastor Stephan Ringeis (57) hat sein neues Amt offiziell am 25. September angetreten. In einem Gottesdienst in der Chemnitzer Friedenskirche wurde er feierlich eingeführt. Wie die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) mitteilte, hat der 57-jährige Ringeis bereits vielfältige praktische Erfahrungen in der Rundfunkarbeit gesammelt.

Ringeis vertritt neben der EmK unter anderem die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden, die Evangelisch-Reformierte Kirche und die Evangelische Brüderunität im Sendegebiet des MDR. Zu seinen Aufgaben gehört die kirchliche Verantwortung für die Rundfunk- und Fernsehgottesdienste. Er folgt auf den baptistischen Pastor Michael Schubach, der von 2015 bis 2018 Senderbeauftragter war.

"Die Möglichkeiten, die der MDR den Freikirchen bietet, sind eine riesige Chance, Menschen mit der guten Botschaft von Jesus Christus bekanntzumachen", sagte Ringeis dem Evangelischen Pressedienst (epd). Oft werde diese Möglichkeit in den Kirchen unterschätzt. Er wolle diese Chance jedoch nutzen und freue sich auf die Zusammenarbeit mit den Fachleuten des MDR.

Der 1962 in Jena geborene Ringeis war Gemeindepastor in Neudorf, Wilkau-Haßlau und Zwickau. Von 2009 bis 2019 war er Superintendent des EmK-Distrikts Zwickau. Neben seiner neuen Tätigkeit als Senderbeauftragter wird er der EmK zufolge als Pastor im Interimsdienst tätig sein und Gemeinden in Umbruchssituationen begleiten. Der Theologe wohnt in Chemnitz.




Soziales

"Einfach da"


Ein Mitarbeiter der Bahnhofsmission hilft einer Frau mit dem Gepäck
epd-bild / Jens Schlüter
Die Bahnhofsmission feierte in Berlin 125. Geburtstag und die Schlange der Gratulanten aus Politik, Kirche und Gesellschaft war lang. Bahnchef Lutz würdigte die Arbeit der Tausenden Helfer als "gelebte Menschlichkeit".

Mit über 600 Gästen ist am 27. September am Berliner Ostbahnhof das 125-jährige Bestehen der Bahnhofmission gefeiert worden. An der Festveranstaltung nahmen unter anderen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (beide SPD), der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der Berliner Erzbischof Heiner Koch und Bahn-Chef Richard Lutz teil sowie Vertreter von Diakonie und Caritas. Am damaligen Schlesischen Bahnhof war 1894 die erste Sozialstation gegründet worden, um arbeitssuchenden jungen Frauen Hilfe anzubieten und sie vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen.

Heute gebe es bundesweit 104 Bahnhofsmissionen mit über 400 hauptamtlichen und 2.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, sagte der Bundesvorsitzende der Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission (KKBM), Klaus-Dieter Kottnik. Bereits seit 1910 werden die Sozialstationen von den beiden großen Kirchen als ökumenisches Projekt betrieben. "Willkommen sind bei uns alle und jeder - egal welcher Religion und Weltanschauung", sagte Kottnik.

"Ihre blauen Westen sind bekannt im ganzen Land", sagte die Bundesfamilienministerin in ihrem Grußwort. Wer Hilfe brauche, könne sich zu jeder Zeit an die Bahnhofsmission wenden - "sie sind einfach da", zitierte Giffey das Jubiläumsmotto "Einfach da, seit 125 Jahren". Sie hob das Engagement der Freiwilligen auch für Familien und Kinder hervor, die mit dem Begleitdienst Kids on Tour jährlich über 8.000 Kinder in Zügen begleiten.

Berlins Erzbischof Heiner Koch nannte die Bahnhofsmission "puren Geschmack des Christentums" mit einer großartigen und wichtigen Mission. "Sie erinnern uns daran, dass man Christen unmittelbar daran erkennen können muss, wie sie sind und was sie tun", sagte Koch. "Ihre Arbeit ist oft unspektakulär und im Verborgenen", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford- Strohm. Aber sie strahle "das göttliche Licht" aus.

Berlins Regierender Bürgermeister betonte, "nichts von dem, was sie täglich tun, ist selbstverständlich. Viele schauten weg, wenn sie Not und Elend sehen, "sie nicht", sagte Müller. Bahnchef Richard Lutz würdigte die Arbeit der Bahnhofmissionen als "gelebte Menschlichkeit". Ein am Freitag unterzeichneter neuer Rahmenvertrag zwischen Bahn und den Bahnhofsmissionen sichert nach Worten von Lutz deren Arbeit langfristig ab. So wird die Bahn weiterhin mietfrei Räume zur Verfügung stellen.

Wichtigste Funktion der Einrichtungen sei mittlerweile die soziale Hilfe für Menschen, die den Anschluss an die Gesellschaft verloren haben, sagte der Bundesvorsitzende Kottnik. Mehr als die Hälfte der jährlich zwei Millionen Gäste seien sozial benachteiligt und fänden aus eigener Kraft keinen Zugang mehr zu den regulären Hilfesystemen. Dazu kämen jährlich mehr als 340.000 Reisehilfen.

Die Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof, die einzige, die auch in der DDR betrieben wurde, zählt nach eigenen Angaben jährlich 54.000 Gäste. 102.000 Mahlzeiten werden pro Jahr ausgegeben und 6.500 Beratungen durchgeführt. Eine neue Wanderausstellung der Deutschen Bahn Stiftung über "125 Jahre Bahnhofsmission" ist im Ostbahnhof bis 10. Oktober und anschließend unter anderem in Dresden und Frankfurt am Main zu sehen.



125 Jahre Bahnhofsmission mit Gottesdienst gefeiert

Mit einem Gottesdienst in der Berliner Marienkirche ist am 29. September an das 125-jährige Bestehen der Bahnhofsmission und an deren Gründer, Pastor Johannes Burckhardt, erinnert worden. Der ehemalige Diakoniepräsident Klaus-Dieter Kottnik verwies in seiner Predigt darauf, dass einzelne Bahnhofsmissionen immer wieder in ihrer Existenz bedroht seien, "weil nicht genügend Verantwortliche vor Ort dahinterstehen, um die Arbeit zu stützen". Zudem seien Mitarbeitende der Bahnhofsmissionen auch Schmähungen und Angriffen ausgesetzt, wenn sie keine Spenden annehmen, die nur für Deutsche bestimmt sein sollen.

Kottnik kritisierte auch die zunehmende Verrohung der Sprache in der Öffentlichkeit. "Andersdenkende und Andersseiende werden viel häufiger herabgewürdigt. Die Bereitschaft, aggressiv aufzutreten, ist gewachsen", sagte der Theologe laut Predigtmanuskript. Umso wichtiger sei, dass Christen "das Evangelium leben und uns ganz eindeutig an die Seite derer stellen, die in unsere Gesellschaft zurückgedrängt werden", betonte Kottnik auch mit Blick auf den Mitgliederschwund in den Kirchen.

Die erste Bahnhofsmission in Deutschland wurde am 1. Oktober 1894 am Berliner Ostbahnhof gegründet, um den vielen ankommenden arbeitsuchenden jungen Frauen Hilfe und Vermittlung zu bieten und sie vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. Heute gibt es bundesweit 104 Bahnhofsmissionen mit über 400 hauptamtlichen und 2.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Am Freitag war bereits mit einem Festakt mit über 600 Gästen, darunter Vertreter aus Politik und Kirchen, am Berliner Ostbahnhof das 125-jährige Bestehen der Bahnhofsmission gefeiert worden.



Berliner Kältehilfe startet am 1. Oktober

Die neue Berliner Kältehilfesaison startet am kommenden Dienstag (1. Oktober) mit 443 Plätzen in Notübernachtungen und in Nachtcafés. Bis Dezember werde die Zahl der Notübernachtungen weiter erhöht, so dass es zum Jahresende insgesamt 1.162 Notschlafplätze in Berlin für obdachlose Menschen zur Verfügung stehen, wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am 27. September in der Bundeshauptstadt ankündigte.

"Wir wollen allen Menschen, die im Winter auf der Straße leben, ein Dach über dem Kopf anbieten", erklärte Breitenbach. "Niemand darf auf der Straße erfrieren." Sollten die Plätze nicht ausreichen, würden weitere Notübernachtungen eröffnet.

Die Berliner Kältehilfe startet dieses Jahr in ihre 30. Saison. Seit drei Jahrzehnten bieten Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände und soziale Träger in Zusammenarbeit mit dem Senat und den Bezirken Obdachlosen im Winter Übernachtungsplätze und Aufenthaltsmöglichkeiten an. Anfangs gab es etwa 80 Notübernachtungsplätze.

Am Kältehilfetelefon informieren Mitarbeiter wieder über Schlafplätze und Orte zum Aufwärmen, die in einer Datenbank erfasst und ständig aktualisiert werden. Zudem gibt es eine Kältehilfe-Homepage und eine neu entwickelte Kältehilfe-App, die auch offline benutzbar ist sowie einen gedruckten Wegweiser.

Im vergangenen Winter standen berlinweit 1.200 Notübernachtungsplätze zur Verfügung. Die Auslastung lag den Angaben zufolge in besonders kalten Nächten bei über 90 Prozent. Zudem wurde erstmals der Zeitraum der Kältehilfesaison von Anfang Oktober bis Ende April ausgedehnt.



Bundesregierung will mehr über Wohnungslose erfahren

Die Bundesregierung will das bundesweite Ausmaß von Wohnungslosigkeit in Deutschland erfassen lassen. Das Bundeskabinett verabschiedete am 25. September einen Gesetzentwurf, mit dem das Statistische Bundesamt beauftragt wird, jährlich zum Stichtag 31. Januar Zahlen und Fakten über wohnungslose Menschen zu veröffentlichen, die Angebote zur Unterbringung angenommen haben, etwa in Wohnunterkünften auf Zeit. Erstmals soll die Statistik am 31. Januar 2022 erscheinen.

Ein Wohnungslosenbericht soll zudem mindestens alle zwei Jahre Zahlen über Obdachlose oder jene Wohnungslose veröffentlichen, die kurzzeitig bei Bekannten unterkommen. Mit dem Vorhaben greift die Bundesregierung eine langjährige Forderung von Sozialverbänden auf, wie das federführende Bundessozialministerium erklärte.

Bislang lägen auf Bundesebene sowie für die meisten Bundesländer keine belastbaren Zahlen vor. Die Schätzungen von Verbänden und Landesstatistiken lägen "sehr weit auseinander". Diese Lücke wolle die Wohnungslosen-Statistik schließen.

Bei der Erhebung sammeln die Statistiker unter anderem Angaben zu Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit, Art beziehungsweise Größe der Unterkunft und Beginn der Unterbringung. Bei dem Bericht sollen auch Wissenschaftler und Fachverbände mitwirken.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe schätzte die Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland im Jahr 2017 auf 650.000 Menschen darunter 375.000 wohnungslose anerkannte Geflüchtete. Sie begrüßte den Gesetzesentwurf und forderte neben der Stichtagszahl eine Jahresgesamtzahl zu ermitteln.



Eigenanteile für Pflegeheimbewohner deutlich gestiegen


Bewohner in einem Pflegeheim (Archivbild)
epd-bild / Jürgen Blume
Die Kosten für einen Platz in einem Pflegeheim steigen weiter. Mittlerweile liegt der Eigenanteil bei fast 2.000 Euro - und damit deutlich über der durchschnittlichen Rente. Kritiker fordern eine Reform der Pflegeversicherung.

Pflegebedürftige müssen für einen Heimplatz immer tiefer ins Portemonnaie greifen. Seit Oktober 2018 stieg die Eigenbeteiligung nach Angaben der privaten Krankenkassen im Durchschnitt um mehr als 110 Euro auf nunmehr fast 1.930 Euro im Monat. Der Anstieg beläuft sich damit auf mehr als sechs Prozent, wie eine Auswertung der "Pflegedatenbank" des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV) ergab, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Über die Zahlen hatte zuerst das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (24. September) berichtet. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, Pflegebedürftige vor Armut zu schützen.

Am stärksten stiegen nach Angaben der PKV die Eigenbeteiligungen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Hier kletterten die Beträge, die die Pflegebedürftigen selbst aufbringen müssen, um etwa zehn Prozent.

Am tiefsten in die eigene Tasche greifen müssen derzeit die Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen, wie aus den PKV-Daten hervorgeht. Hier lag der Eigenanteil zum 1. September bei 2.406 Euro. Am 1. Oktober 2018 waren es noch 2.309 Euro gewesen. Es folgen das Saarland mit 2.301 (2.178) Euro sowie Baden-Württemberg mit 2.250 (2.116) Euro. Im Mittelfeld liegen unter anderem Berlin mit 1.931 (1.856) Euro, Hessen mit 1.936 (1.783) Euro oder Brandenburg mit 1.646 (1.527) Euro. Am preiswertesten sind Heimplätze derzeit in Mecklenburg-Vorpommern, wo 1.346 (1.238) Euro bezahlt werden müssen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, die Eigenanteile für die Pflegebedürftigen künftig auf maximal 15 Prozent der Kosten zu begrenzen. Die Pflegekassen seien stärker in die Pflicht nehmen. Eine Reform der Pflegeversicherung sei "überfällig, um künftig nicht nur gute Pflege zu gewährleisten, sondern die Betroffenen auch vor Armut zu schützen", erklärte der Verband.

Der Paritätische wies darauf hin, dass die durchschnittliche Rente für Neurentnerinnen und Neurentner bei 874 Euro (West) und 1.019 Euro (Ost) liege und damit deutlich unter den durchschnittlich anfallenden Eigenanteilen für einen Heimplatz. Auch die Sozialhilfequote von fast 40 Prozent unter Pflegeheimbewohnern zeige, dass die Pflegeversicherung bei der Absicherung der Pflege versage. Notwendig sei "eine klare Haltelinie": 15 Prozent der Kosten sei das äußerste, was den Pflegebedürftigen an Eigenanteil zuzumuten sei.

Die Linke forderte die Abschaffung des Eigenanteils. "Es braucht eine Pflege-Vollversicherung, die alle Pflegeleistungen umfasst", sagte Parteichef Bernd Riexinger.

Als Hauptursache für die gestiegenen Eigenanteile gelten Lohnerhöhungen für das Pflegepersonal. Die Beschäftigten werden jedoch nach wie vor schlechter bezahlt als Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger.



Diakoniepräsident sorgt sich um sozialen Frieden bei Digitalisierung


Diakoniepräsident Ulrich Lilie beim Jahresempfang des AEU in Frankfurt
epd-bild / Norbert Neetz

Aus Sicht von Diakoniepräsident Ulrich Lilie stellt die Digitalisierung das System der sozialen Sicherung in Deutschland infrage. Für das globale Agieren der Digitalkonzerne biete der derzeitige Generationenvertrag keine Antwort, sagte Lilie am 25. September beim Jahresempfang des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) in Frankfurt am Main und verwies darauf, dass internationale Unternehmen Steuern und Abgaben durch die Wahl ihrer Firmenstandorte zu umgehen versuchten. "Wir brauchen eine neue Balance zwischen Freiheit und Ordnung", forderte der Präsident der Diakonie Deutschland.

Es sei gesellschaftlich zu diskutieren, wie sozialer Frieden erhalten werden könne. Das werde allein in nationalem Rahmen nicht gelingen, sagte Lilie, der vor den rund 100 Führungskräften aus der Wirtschaft zugleich für Vernetzung warb. Mit der Digitalisierung sei ein neues Zeitalter der Kooperation angebrochen. "Wir sind alle mit allem vernetzt", sagte der evangelische Theologe.

Öffentliche Debatten gefordert

Lilie sprach sich für mehr öffentliche Debatten über die sozialen Folgen der Digitalisierung aus. Auch in der deutschen Politik werde dieses Thema noch zu wenig beachtet. Als Beispiele für wichtige zu diskutierende Fragen nannte er vor den evangelischen Unternehmern die Chancen und Risiken von Digitalisierung in Pflege und Medizin, Veränderungen in der Arbeitswelt und neue Anforderungen an das Bildungswesen.

Der 1966 gegründete AEU versteht sich als Netzwerk protestantischer Unternehmer, Manager und Führungskräfte. Zu seinen Aufgaben gehören der Dialog mit Kirchenleitenden, die Organisation von fachlichem Austausch sowie Angebote zur Glaubensvergewisserung für die Mitglieder.



Mehr Altersarmut im Westen als im Osten

Die Altersarmut ist nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Westdeutschland ein größeres Problem als in Ostdeutschland. Im Westen waren Ende vergangenen Jahres 3,5 Prozent der Menschen im Rentenalter auf die soziale Grundsicherung im Alter angewiesen. Dagegen bezogen im Dezember 2018 nur 2,2 Prozent der Menschen in Ostdeutschland, die das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 Jahren und sieben Monaten überschritten hatten, Grundsicherung im Alter, wie die Statistikbehörde dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 23. September auf Anfrage mitteilte.

Als Grund für den West-Ost-Unterschied gab das Statistische Bundesamt die Tatsache an, dass die Frauen in der DDR intensiver berufstätig waren als die Frauen in der alten Bundesrepublik. In Gesamtdeutschland lag die Quote der Sozialhilfeempfänger im Alter bei 3,2 Prozent.



ver.di fordert Aufwertung der Pflege in Sachsen

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hält Verbesserungen in der Pflege für eine zentrale Aufgabe der nächsten sächsischen Landesregierung. "Die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind überlastet und vielfach unterbezahlt", sagte der ver.di-Landesbezirksleiter für Mitteldeutschland, Oliver Greie, am 24. September in Leipzig. Dies sei eines der drängendsten Probleme im Freistaat, das die mögliche Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD angehen müsse. Die drei Parteien verhandeln im Freistaat derzeit über die mögliche Bildung einer sogenannten Kenia-Koalition.

"Pflegekräfte flüchten scharenweise in Teilzeit oder geben ihren Beruf ganz auf", erklärte Gewerkschafter Greie. Viele wechselten auch in andere Bundesländer, weil dort die Bezahlung besser sei. Dies gefährde die Gesundheitsversorgung in Sachsen. Nötig seien daher unter anderem mehr Personal, eine Ausbildungsoffensive "sowie für die Altenpflege eine flächendeckende Bezahlung auf dem Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst", forderte Greie.

Die Pflege müsse insgesamt aufgewertet werden, sagte er weiter. Gerade in der Altenpflege seien die Gehälter sehr niedrig. Insbesondere kommerzielle Arbeitgeber entzögen sich häufig Tarifverträgen und verschafften sich "mit Lohndumping auf Kosten von Beschäftigen und pflegebedürftigen Menschen Wettbewerbsvorteile", kritisierte der Gewerkschafter. Dem müsse die Politik dringend Einhalt gebieten, etwa über eine flächendeckende Tarifbindung im Pflegebereich.



Erzbischof Koch: Wohnen sollte Grundrecht sein

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat die wachsende Wohnungsnot in Deutschland kritisiert. "Ein Zuhause darf in einem wohlhabenden Land wie Deutschland kein Privileg sein", erklärte Koch am 28. September im RBB-Hörfunk. Vielmehr sollte Wohnen ein Grundrecht sein.

Dafür sei politisches und gesellschaftliches Handeln notwendig, betonte Koch: "Wir brauchen mehr öffentlichen, gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungsbestand." Die Spekulation mit Wohnraum müsse gestoppt werden. Zugleich dankte der Erzbischof den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen in Berlin für ihren Einsatz für Wohnungs- und Obdachlose.



Wasserschlacht im Waschraum


In einer evangelischen Kindertagesstätte in Bremen (Archivbild)
epd-bild / Kathrin Doepner
Lange war umstritten, ob sich die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten standardisieren lässt, um ihre Qualität zu messen. Das war gestern. Mittlerweile lässt sich an unterschiedlichen Kategorien prüfen, ob eine Kita gut mit Kindern umgeht.

Die Waschbecken laufen über, das Wasser sprudelt auf den Fliesenboden und sorgt im Bad der Kindertagesstätte für eine ordentliche Überschwemmung. Mittendrin ein paar Kinder, die sichtlich mehr Vergnügen am Spiel mit dem Wasser haben als am Zähneputzen. Dann steht die Erzieherin in der Tür. "Na, ihr habt ja Spaß", ruft sie den Kindern zu.

Die Szene ist konstruiert, ist so oder so ähnlich aber durchaus schon vorgekommen, sagt Elke Meiners, die die evangelische Kindertagesstätte im Bremer Stadtteil Borgfeld leitet. "Und die Kollegin hat richtig reagiert, indem sie erst mal die Bedürfnisse der Kinder wahrgenommen und nicht die Regel in den Vordergrund gestellt hat: Im Waschraum nicht planschen, damit kein Wasser vergeudet wird und niemand ausrutscht. Auch wenn darüber sicher noch gesprochen werden muss - aber eben später."

Magische Momente

Für Kinder sind es magische Momente, wenn Regeln nicht immer eingehalten werden. Wenn sie etwas scheinbar Unvernünftiges tun, sich dabei selbst verwirklichen, erfüllt sie das mit großer Freude, bestätigt Kita-Leiterin Meiners. Haben Erziehende das im Blick, sprechen Experten von qualitativ guter Arbeit, von "Prozessqualität". Dass das manchmal nicht ganz einfach umzusetzen ist, verdeutlicht das Beispiel der Wasserschlacht im Waschraum. Und dem damit verbundenen schmalen Grat zwischen Willen und Wohl des Kindes, dem Spaß einerseits und der Sicherheit andererseits.

"Qualität in der Kita-Arbeit ist in den vergangenen Jahren zu einem Mega-Thema geworden", sagt Carsten Schlepper aus Bremen, Vorsitzender der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (Beta). Der diakonische Fachverband vertritt die Interessen von bundesweit 9.200 Einrichtungen mit mehr als 100.000 Fachkräften und 560.000 Kita-Plätzen. Vor zehn Jahren hat Beta für seine Kitas ein "Bundesrahmenhandbuch" herausgegeben, um nachprüfbare Standards in der pädagogischen Arbeit zu beschreiben.

Pädagogische Kernprozesse

Dabei geht es längst nicht nur um die personelle Ausstattung der Einrichtungen, die die Bertelsmann Stiftung schwerpunktmäßig in ihrem am 26. September veröffentlichten "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" in den Blick nimmt. "Wir beschreiben Abläufe und pädagogische Kernprozesse wie den Übergang in die Schule oder den Umgang mit Sprache in der Kita", verdeutlicht Schlepper.

Ob sich die Qualität pädagogischer Arbeit, also in erster Linie Beziehungsarbeit, überhaupt standardisieren und damit messen lässt, war lange umstritten. "Heute wissen wir: Der Bundesrahmenplan ist wichtig, weil er uns hilft, unsere Arbeit mit Kindern und Eltern zu reflektieren", betont Schlepper.

Dass dabei die Prozessqualität eine zentrale Rolle spielt, betont auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung in Berlin. Sie prüft deshalb entsprechende Kriterien in ihrem Wettbewerb um den Deutschen Kita-Preis 2020. "Für die mit insgesamt 130.000 Euro dotierte Auszeichnung haben sich mehr als 1.500 Einrichtungen beworben", sagt Stiftungssprecher Mario Weis. Die Kategorien, um die es dabei geht: Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder, Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern, Eltern und Mitarbeitenden, Sozialraum-Orientierung und die Frage, ob sich die Kita selbst als lernende Organisation begreift.

Inhalt vor Form

Zu den wichtigsten Bildungsaufgaben von Kindertagesstätten gehört ohne Zweifel der Spracherwerb, der somit auch zu den zentralen Qualitätskriterien der Vorschularbeit zählt. "Begrüße ich die Kinder persönlich, gehe ich beim Sprechen in die Knie, spreche ich mit den Kindern also auf Augenhöhe, spreche ich schnell, ruhig, schrill, laut, gebe ich mit korrekter Aussprache ein gutes Vorbild - das und noch viel mehr gehört dazu", sagt Anke Bräuer, Fachberaterin im Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder.

Fatal sei es, Kinder bei Fehlern rigoros zu verbessern. Das raube den Spaß an der Sprache und löse Angst vor dem Sprechen aus. Bräuer gibt ein Beispiel: "Auf den Satz 'Ich habe am Wochenende gefußballt' nicht mit einer Verbesserung reagieren, sondern mit der grammatikalisch richtigen Wiederholung 'Ach, du hast am Wochenende Fußball gespielt?'" Zuerst auf die Kinder schauen, Inhalt vor Form, das sei auch hier gute Qualität in der pädagogischen Arbeit. Genauso wie bei der Wasserschlacht im Waschraum.

Von Dieter Sell (epd)


Studie: In deutschen Kitas fehlen 106.500 Fachkräfte

Mehr Kinder werden in der Kita betreut und auch die Zahl der Erzieherinnen nimmt zu. Doch immer noch reicht das Personal nicht aus, wie aus einer Studie hervorgeht. Gewerkschaften und Verbände dringen auf eine bundesweite Strategie.

Mit dem Kita-Ausbau ist in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher um 54 Prozent aufgestockt worden. Der Betreuungsschlüssel in deutschen Kindertagesstätten hat sich entsprechend verbessert, doch laut dem am 26. September in Gütersloh veröffentlichten "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2019" der Bertelsmann Stiftung reicht das Personal noch nicht aus. Mittlerweile wird zudem nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes jedes dritte Kind unter drei Jahren in Deutschland in einer Kita betreut - Tendenz steigend. Gewerkschaften und Verbände forderten eine gemeinsame Strategie von Bund, Ländern und Kommunen.

Derzeit kommen auf eine vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkraft durchschnittlich 4,2 ganztags betreute Krippenkinder unter drei Jahren oder 8,9 ältere Kindergartenkinder, wie es in der Bertelsmann-Studie heißt. 2013 sei eine Erzieherin durchschnittlich noch für 4,6 Krippen- oder 9,6 Kindergartenkinder zuständig gewesen.

Fünf Milliarden Euro

Trotz der Verbesserung werde ein kindgerechtes Betreuungsverhältnis immer noch selten erreicht, hieß es. Laut Empfehlung der Stiftung soll eine Erzieherin statistisch für höchstens drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein. Um die Lücke zu schließen, sind laut Studie bundesweit zusätzlich fast 106.500 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte erforderlich. Das würde jährlich fünf Milliarden Euro mehr kosten. Grundlage der jährlichen Studie sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder vom März 2018.

Der bundesweite Ländervergleich zeigt ein großes Gefälle: Den besten Personalschlüssel belegen laut Studie seit Jahren die Kitas in Baden-Württemberg, wo nach aktuellem Stand eine Erzieherin jeweils drei Krippenkinder und sieben Kindergartenkinder betreut. Schlusslicht bei den jüngeren Kindern ist Sachsen (1 zu 6,2) und bei den älteren Kindern Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 13,2).

Zugleich steigt nach Daten des Statistischen Bundesamtes vom Donnerstag die Zahl der unter Dreijährigen, die in einer Kita betreut werden. Mittlerweile besuchen 818.500 Mädchen und Jungen unter drei Jahren eine Kindertagesbetreuung, das sind 3,7 Prozent mehr als 2018. Bundesweit sind die Quoten der betreuten Kinder sehr unterschiedlich - für ganz Deutschland liegt sie bei 34,3 Prozent, für das Schlusslicht Nordrhein-Westfalen gerade mal bei 28,2 Prozent.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, forderte bundeseinheitliche Qualitätsstandards für die Kita-Betreuung. Im "Gute-Kita-Gesetz" von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) fehlten nach wie vor verbindliche Vorgaben für kindgerechte Betreuungsverhältnisse, um überall gleiche Bedingungen realisieren zu können, kritisierte er.

Nationale Strategie gefordert

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft pochte auf eine nationale Strategie. Diese dürfe nicht am Föderalismus scheitern, erklärte Björn Köhler, Vorstandsmitglied für Jugendhilfe, in Frankfurt am Main.

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisierte, der Personalschlüssel verbessere sich viel zu langsam. Die jährlich von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen seien "immer wieder ein Trauerspiel", beklagte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann in Berlin.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, dass insgesamt zu wenig Mittel in die nachhaltige und strukturelle Stärkung des Betreuungssystems flössen. Die Qualität drohe trotz des "Gute-Kita-Gesetzes" auf der Strecke zu bleiben, warnte Marion von zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband.

Die Osnabrücker Bildungsexpertin Renate Zimmer warnte hingegen davor, die Zahl der Fachkräfte pro Kind zum alleinigen Gradmesser für die Qualität von Kindertagesstätten zu machen. Ebenso wichtig seien das pädagogische Konzept und die Räume einer Kita sowie die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, sagte die ehemalige Direktorin des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung dem Evangelischen Pressedienst (epd).



Studie: Sachsen braucht 17.000 Fachkräfte in der Kinderbetreuung

Sachsen benötigt nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fast 17.000 zusätzliche Fachkräfte in der Kinderbetreuung. In den Kitas sei die Betreuung immer noch nicht kindgerecht, teilte die Stiftung am 26. September in Gütersloh unter Verweis auf ihren diesjährigen Ländermonitor zur Kinderbetreuung mit. Dies bedeute eine hohe Arbeitsbelastung für die Fachkräfte.

Zwischen 2008 und 2018 ist die Zahl der Pädagogen in sächsischen Kitas laut dem Monitoring um knapp 4.400 auf rund 27.200 gestiegen. Zugleich habe jedoch die Zahl der zu betreuenden Kinder um knapp 38.000 auf gut 182.000 zugenommen. Zum Stichtag 1. März 2018 war eine pädagogische Fachkraft demnach rechnerisch für 6,2 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Dies sei bundesweit der ungünstigste Personalschlüssel nach Sachsen-Anhalt.

In den Kindergartengruppen hat sich der Personalschlüssel demnach von 2013 bis 2018 von 13,5 auf 12,7 Kinder verbessert. Auch dies sei jedoch nach Mecklenburg-Vorpommern der zweitschlechteste Wert in Deutschland. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt demnach für Kitas einen Betreuungsschlüssel von 1:3 und in Kindergärten von 1:7,5.

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) kritisierte, das Monitoring setze auf Masse statt Klasse. Die Stiftung gehe "westdeutsch geprägten Phantasiegebilden nach, statt die besondere ostdeutsche Situation zu berücksichtigen", erklärte er in Dresden. Es sei falsch, nur den Personalschlüssel zu betrachten, Betreuungsquoten und Ausbildungsgrad des Kitapersonals aber außer Acht zu lassen. "So wird aus der Betrachtung ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen", betonte Piwarz.



Zahl der unter Dreijährigen in Kita-Betreuung steigt

Mehr als jedes dritte Kind unter drei Jahren in Deutschland wird in einer Kita betreut. Zum Stichtag 1. März 2019 lag die Betreuungsquote bundesweit bei 34,3 Prozent (2018: 33,6 Prozent), wie das Statistische Bundesamt am 26. September in Wiesbaden mitteilte. Die Zahl der Mädchen und Jungen unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung stieg gegenüber dem Vorjahr um rund 28.900 auf 818.500. Das waren 3,7 Prozent mehr als am 1. März 2018. Der Zuwachs fiel damit etwas stärker aus als im Vorjahr (2018: plus 27.200 auf 789.600 Kinder).

Zwischen Ost- und Westdeutschland zeigten sich weiter große Unterschiede: In den westdeutschen Bundesländern betrug die Betreuungsquote durchschnittlich 30,3 Prozent, in den ostdeutschen einschließlich Berlin lag sie bei 52,1 Prozent. Bei der Betreuungsquote handelt es sich um den Anteil der in Kindertageseinrichtungen oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege tatsächlich betreuten unter Dreijährigen an allen Kindern dieser Altersgruppe.

Die höchste Betreuungsquote bundesweit hatte im März 2019 den Angaben zufolge Sachsen-Anhalt mit 58,2 Prozent. In den Stadtstaaten Hamburg (46,6 Prozent) und Berlin (43,8 Prozent) waren Kinder unter drei Jahren ebenfalls überdurchschnittlich häufig in einer Kindertagesbetreuung. Unter den westdeutschen Flächenländern erreichte Schleswig-Holstein (34,8 Prozent) die höchste Quote. Bundesweit am niedrigsten war sie in Bremen (28,4 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (28,2 Prozent).

In den einzelnen Altersgruppen sind die Betreuungsquoten nach Angaben der Statistiker sehr unterschiedlich: So waren bundesweit 1,9 Prozent der Kinder unter einem Jahr in Kindertagesbetreuung. Dagegen nahmen die Eltern von gut einem Drittel der Einjährigen (37,1 Prozent) ein solches Angebot in Anspruch, bei den Zweijährigen waren es schon fast zwei Drittel (63,2 Prozent). Seit dem 1. August 2013 gibt es für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz.

Anfang März 2019 gab es den Angaben zufolge bundesweit insgesamt 56.708 Kindertageseinrichtungen. Das waren 775 Einrichtungen mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres (plus 1,4 Prozent). Die Zahl der dort als pädagogisches Personal oder als Leitungs- und Verwaltungspersonal beschäftigten Personen stieg um 4,2 Prozent auf 653.800. Gleichzeitig erhöhte sich auch die Zahl der Tagesmütter und -väter leicht um 553 auf 44.734 (1,3 Prozent).



Finanzierung von Thüringens freien Schulen bleibt Thema

Trotz gewachsener gesellschaftlicher Akzeptanz sehen sich Thüringens Schulen in freier Trägerschaft unzureichend durch das Land finanziert. Das ist das Fazit einer Podiumsdiskussion, zu der die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der freien Schulträger am 24. September nach Erfurt eingeladen hatte. Landesweit standen zudem bei einem Aktionstag die Schultüren für die jeweiligen Direktkandidaten - in Thüringen wird am 27. Oktober ein neuer Landtag gewählt - weit auf. Insgesamt beteiligten sich laut LAG 34 freie Schulen an der Aktion.

Ein bestimmendes Thema war dabei das Ende August vorgelegte "Schülerkostengutachten Thüringen" des Instituts für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) Halle. Die Experten waren darin zu dem Schluss gekommen, dass die staatlichen Zuschüsse für die freien Schulen im Land deutlich unter den Vorgaben liegen. Statt der gesetzlich zugesagten 80 Prozent der Kosten eines Schülers an einer staatlichen Schule werden demnach je nach Schulform nur 49 Prozent (Gymnasien) oder bis zu 61 Prozent (Grundschulen ohne Ganztagsbetreuung) erstattet.

Nachdem sich faktisch die Vertreter aller Parteien für eine bessere Finanzierung der freien Schulen ausgesprochen hätten, müssten die Verhandlungen mit dem zuständigen Bildungsministerium in Erfurt schnell aufgenommen werden, forderten die beiden LAG-Sprecher Martin Fahnroth vom Bistum Erfurt und Marco Eberl von der Evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland. Das zeige auch der Blick über die Landesgrenzen hinweg, seien doch die freien Schulen in Hessen oder Sachsen schon heute deutlich besser gestellt, erklärten sie.



"Alexa, spiel Volksmusik!"


Jörg Ehm erklärt seinem Vater Bruno, wie er mit dem Smartphone "Alexa" steuern kann
epd-bild / Heike Lyding
Der 89-jährige Bruno Ehm und sein Sohn sehen sich fast täglich. Wenn Jörg Ehm nicht vorbeikommt, dann ruft er ihn über "Alexa" an. Digitale Sprachassistenten können Senioren den Alltag erleichtern - auch wenn ihnen die neue Technik fremd bleibt.

Bruno Ehm sitzt in seinem Sessel. Hinter ihm das Sauerstoffgerät, neben ihm Rollator und Gehstock. Der 89-jährige Witwer geht nicht ohne Begleitung aus dem Haus. Morgens und abends kommt der ambulante Pflegedienst, mittags seine Schwiegertochter. Wenn er wieder allein ist in seiner Frankfurter Wohnung, spricht er mit Alexa - dem digitalen Sprachassistenten, der bei ihm auf dem Regal über dem Fernseher steht. Er fragt Alexa nach der Uhrzeit, dem Wetter oder er macht mit ihr das Radio an.

Alexa ist vor zwei Jahren bei dem alten Mann eingezogen. Sein Sohn stellte das Gerät bei ihm auf und richtete es ein. Der Monitor ist ausgestattet mit Mikrofonen und einem Lautsprecher, er lässt sich über Sprachbefehle steuern. "Ich habe ihn unfairerweise gar nicht gefragt, ob er das will", sagt Jörg Ehm. Bis Bruno Ehm die Funktionen des Geräts verstand, dauerte es eine Weile, erzählt sein Sohn. Inzwischen gehört Alexa für Bruno Ehm zu seinem Alltag.

Ehm nutzt nur einen kleinen Teil der Funktionen

Digitale Lautsprecher wie Amazons "Echo", auch bekannt als Alexa, sind seit Ende 2016 in Deutschland erhältlich. In einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom mit rund 1.000 Befragten gab im Juli dieses Jahres jeder Vierte an, dass er für seine Wohnung eine digitale Lautsprecherbox gekauft hat. 69 Prozent der Befragten gaben an, über den Sprachassistenten Geräte im Haushalt zu steuern. Dass die Geräte spezielle Funktionen für Senioren bieten, ist der Umfrage zufolge unbekannt. Keiner der Befragten nutzte sein Gerät zum Beispiel für Hausnotrufe.

Auch Bruno Ehm nutzt nur einen kleinen Teil der Funktionen, die Alexa bietet. Wäre der digitale Sprachassistent mit anderen Geräten im Haushalt vernetzt, ließen sich die Jalousien per Sprachbefehl hoch- und herunterfahren, die Fenster öffnen und schließen oder auch überprüfen, ob der Herd abgestellt ist. Auch könnte der Sprachassistent Ehm daran erinnern, seine Tabletten zu nehmen.

Per Videoanruf ins Wohnzimmer

Jörg Ehm ist der Meinung, dass Alexa als Hausnotrufsystem für seinen Vater nicht geeignet ist. Zu oft sei das Gerät wegen fehlgeschlagener Updates oder Problemen mit der WLAN-Verbindung gestört. Sollte Bruno Ehm im Ernstfall allerdings einmal nicht die Tür öffnen oder ans Telefon gehen, hat sein Sohn eine zusätzliche Option: Er kann sich per Videoanruf jederzeit in das Wohnzimmer seines Vaters schalten - ohne darauf warten zu müssen, dass sein Vater den Anruf aktiv entgegennimmt. "Das ist ein wenig übergriffig, ich habe aber meinen Vater gefragt und das war für ihn in Ordnung." Über die Alexa-Videofunktion sprechen und sehen sich Vater und Sohn fast täglich.

Inwiefern digitale Sprachassistenten den Alltag von Senioren erleichtern und sogar Einsamkeit im Alter lindern können, untersucht derzeit das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern. Forscher haben 15 alleinlebende Senioren im rheinland-pfälzischen Ixheim mit Alexa ausgestattet. In Kalifornien testen Wissenschaftler, ob sich mit Alexa auch das Leben von Senioren in Altenheimen verbessern lässt.

Sprachassistenten bieten "hohes Unterstützungspotenzial"

Wolfgang Deiters, Professor für Gesundheitstechnologien an der Hochschule für Gesundheit in Bochum, schätzt, dass in zehn Jahren deutlich mehr Senioren auf die Hilfe von digitalen Sprachassistenten zurückgreifen werden. "Was für viele 30-Jährige ein Lifestyle-Gerät ist, bietet für 80-Jährige hohes Unterstützungspotenzial", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn ein Senior zum Beispiel nicht mehr im Dunkeln aufstehen müsse, um auf die Toilette zu gehen, verringere sich die Sturzgefahr. Über Alexa könnte der Betroffene noch aus dem Bett heraus das Licht im Badezimmer einschalten.

Auf lange Sicht, glaubt Deiters, könnten Senioren mit Hilfe von Sprachassistenten länger in den eigenen vier Wänden leben. "Mit ihnen kann der Umzug in ein Heim hinausgeschoben werden", sagt Deiters. Darauf hofft auch Bruno Ehm. Und Freude hat er mit dem digitalen Gerät obendrein: Wenn er ihm laut zuruft "Alexa, spiel Volksmusik!" und dann ein zünftiges Akkordeon erklingt.

Von Patricia Averesch (epd)



Gesellschaft

Vereint im Streit

"Eindrucksvolle Erfolgsgeschichte" oder "Offenbarungseid"? Der Bundestag befasste sich am Freitag mit dem Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit. Die Einschätzungen über das in 30 Jahren Erreichte gingen weit auseinander.

Regierungsfraktionen und Opposition haben im Bundestag gegensätzliche Bewertungen zum Stand der Deutschen Einheit abgegeben. Während der Ostbeauftragte Christian Hirte (CDU) am 27. September in der Debatte über seinen in dieser Woche vorgelegten Jahresbericht ein positives Bild der Entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern zeichnete, übten Redner vor allem von Linksfraktion und AfD zum Teil heftige Kritik an der Bestandsaufnahme. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die Ausführungen Hirtes als "unverantwortliche Lobhudelei".

Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder hatte in seinem zur Wochenmitte vorgelegten, 125 Seiten starken Bericht unter anderem konstatiert, dass Ostdeutschland heute ein attraktiver Standort sei und sich etwa die Arbeitsmarktsituation enorm entspannt habe. Die Lohnhöhe liege inzwischen bei etwa 84 Prozent des Niveaus im Westen.

Sorge bereiteten aber strukturelle Probleme der ostdeutschen Wirtschaft, wie etwa deren Kleinteiligkeit, der Mangel an Konzernzentralen und die ländlich geprägte Siedlungsstruktur. So sei kein einziges Ost-Unternehmen im Börsenleitindex Dax-30 notiert. In der Bundestagsdebatte am Freitag untermauerte Hirte seine Analyse. Die Einheit sei "eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte". Anpassungsprozesse hätten den Menschen jedoch viel abverlangt.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte dagegen, wenn der Angleichungsprozess im jetzigen Tempo weiter gehe, werde es noch Jahrzehnte bis zur vollständigen Angleichung dauern. "Die Mehrheit der Ostdeutschen ist unzufrieden mit der Einheit", sagte Bartsch. Dies sei "ein Offenbarungseid". Auch dass 30 Jahre nach dem Mauerfall kein Hochschulrektor und kein Bundesrichter aus Ostdeutschland komme, sei "inakzeptabel". Die von den Menschen im Osten erbrachten Leistungen seien "nicht wegen, sondern trotz der Bundesregierung" erzielt worden.

Der AfD-Politiker Leif-Erik Holm nannte es traurig, dass die Einheit nach 30 Jahren nicht abgeschlossen sei. Er kritisierte, dass Millionen Euro für Demokratieprogramme im Osten ausgegeben würden: "Wir brauchen keine Nachhilfe in Demokratie, wir sind schon groß." Heute hätten die Leute im Osten Angst, dass der mühsam erarbeitete Wohlstand wieder in Gefahr sei. Das Klimapaket der Bundesregierung etwa sei "eine Kriegserklärung" an die Menschen im Osten.

Weitere der überwiegend aus Ostdeutschland kommenden Redner legten ihr Augenmerk auf Erfordernisse in einzelnen Politikbereichen. So bezeichnete es der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, als "eklatanten Fehler", dass nach 1990 im Osten auf Niedriglöhne gesetzt worden sei. Dies führe heute zu niedrigen Renten.

Der FDP-Abgeordnete Thomas Kemmerich verlangte für Ostdeutschland eine neue "Gründungs- und Nachfolgerwelle", mehr Innovationen, eine moderne Infrastruktur sowie Anreize für die Rückkehr und die Einwanderung neuer Arbeitskräfte. Die Grünen-Parlamentarierin Claudia Müller wandte sich dagegen, alles nach West oder Ost zu sortieren: "Den Osten in dieser Form gibt es nicht." Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen etwa seien überaus unterschiedlich, ostdeutsche Themen seien zudem immer auch gesamtdeutsche Themen.



Sehnsucht nach Freiheit


Gedenktafel an die Genscher-Rede auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag
epd-bild / Kilian Kirchgessner
Der Jubelschrei ist groß, als die Flüchtlinge 1989 in der Prager Botschaft von ihrer genehmigten Ausreise hören. 30 Jahre später kehren einige von ihnen an den Ort des Geschehens zurück. Sie feiern sich, ihre Weggefährten und vor allem die Freiheit.

Ein ungewöhnliches Denkmal in Prag erinnert an die Opfer der kommunistischen Diktatur. Am Fuße des Petri-Hügels hat der Bildhauer Olbram Zoubek auf einer sich verengenden Treppe sieben hintereinanderstehende männliche Bronzefiguren geschaffen.

Die erste Statue ist vollständig, die zweite hat eine Riss, die dritte keinen Arm. Jeder nachfolgenden Figur fehlt ein weiteres Körperteil. Ganz hinten stehen nur noch zwei Beine auf der Treppe.

Der Künstler symbolisiere das Leid in der früheren Tschechoslowakei, das Schicksal von Tausenden Toten des Regimes, sagt der gebürtige Prager Petr Krizek, der vor 30 Jahren in seiner Heimatstadt die samtene Revolution miterlebte - wie der Systemwechsel im heutigen Tschechien hieß. Der Kommunismus habe die Menschen vernichtet.

Es habe lange gedauert, bis sein Land die eigene Geschichte aufgearbeitet habe, sagt Zeitzeuge Krizek. Auch das Denkmal für die Opfer sei erst im Jahr 2000 aufgestellt worden.

Sehr schnell hingegen verlief die samtene Revolution. Sie habe streng genommen nur zehn Tage gedauert, sagt Krizek. Angefangen habe sie am 17. November mit der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste in Prag, am 24. November erreichte sie mit dem Rücktritt der kommunistischen Regierung ihren Höhepunkt.

Bis zu einer Million Menschen seien in Prag auf die Straße gegangen, erzählt Krizek. Den Weg geebnet hatten zuvor schon andere europäische Staaten - Polen, Ungarn, die Bundesrepublik Deutschland. Nicht zu vergessen der russische Reformer Michael Gorbatschow.

Auch die vielen DDR-Flüchtlinge im Sommer 1989 trugen vermutlich wesentlich zum Fall der Mauer und schließlich des Eisernen Vorhangs in Europa bei. Dabei war Prag nach Ungarn einer der historischen Schauplätze.

Von August bis September stürmten mehrere Tausend DDR-Bürger die dortige bundesdeutsche Botschaft im Palais Lobkowitz. 30 Jahre später sind einige von ihnen nach Prag zurückgekehrt. Der Weg bis zum Mauerfall sei für ihn wie ein Mosaik, sagt Botschaftsflüchtling Dietrich Kappel. Jeder Stein habe seine Bedeutung. Dabei war es nicht etwa die D-Mark, die die Menschen dazu brachte, die DDR zu verlassen. "Es ging um die Freiheit im Kopf, zu tun und zu lassen, was man will", sagt Kappel, der nach seiner Flucht eine Zahnarztpraxis in Worms eröffnete.

Auch die 83-jährige Waltraud Schröder vom Deutschen Roten Kreuz ist am Samstag zum "Fest der Freiheit" in den Garten der Botschaft gekommen. Sie erinnert sich an die zurückgelassenen Trabbis und Wartburgs von 1989. In langen Reihen hätten sie die Prager Straßen gesäumt. "Die Autoschlüssel hingen in den Bäumen, manche ließen sie stecken", erzählt Schröder, die die Botschaftsflüchtlinge unter anderen mit Essen versorgt hatte. Die Prager hätten das alles mit sehr viel Würde und Geduld ertragen.

Etliche DDR-Bürger verbrachten Wochen in der überfüllten Prager Botschaft bis zu den befreienden, berühmten Worten des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP), dass die Ausreise tatsächlich möglich wird.

Einer, der damals dabei war, ist der frühere Kanzleramtschef Rudolf Seiters (CDU). 30 Jahre später erinnert er sich bei einem deutsch-tschechischen Begegnungstreffen in Prag: "Die Worte brachten den verschlammten nachtdunklen Garten bekanntermaßen in einen Freudentaumel. Ich selbst hatte auch Tränen in den Augen."

Die Erleichterung der Menschen im Botschaftsgarten - das könne "man nicht beschreiben", sagt Seiters. Der 30. September in Prag markiere den Beginn des Untergangs der DDR.

Die Erinnerung an die friedliche Revolution und die deutsche Wiedervereinigung sei "eine Herausforderung, wieder zu diesem Vertrauensverhältnis zurückzufinden wie 1989", sagt Seiters. "Wir brauchen in Europa solidarische Antworten auf die Probleme unserer Zeit."

Eines dürfe nicht vergessen werden, sagt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, bei dem Treffen: "Die friedliche Revolution war ein europäischer Prozess". Die "gute Nachricht von Prag" wäre ohne internationale Diplomatie und Zusammenarbeit nicht möglich geworden.

"Auch 30 Jahre danach ist für mich das Staunen nicht geringer geworden", sagt der frühere sächsische evangelische Landesbischof Jochen Bohl, auch wenn der Wandel tiefgehender verlaufen sei als erwartet. Und die Zukunft bleibe, was sie zu allen Zeiten war - offen.

Von Katharina Rögner (epd)


"Fest der Freiheit" in Prag erinnert an Ausreise aus DDR 1989

Der historische Moment kam am 30. September vor 30 Jahren, als der damalige Außenminister Genscher die erlösenden Worte sprach. Tausende DDR-Bürger hatten in der bundesdeutschen Botschaft in Prag auf die Ausreise in den Westen gehofft.

In Prag ist mit einem "Fest der Freiheit" und einem dazugehörigen Gottesdienst an die Ausreise von DDR-Botschaftsflüchtlingen in den Westen vor 30 Jahren erinnert worden. Dazu waren am 28. September einige Hundert der DDR-Bürger von einst wieder zur Deutschen Botschaft in der Hauptstadt Tschechiens zurückgekehrt. Am 29. September wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst der Jahrestag der historischen Ereignisse vom 30. September 1989 gefeiert.

Dabei predigte als erster evangelischer Bischof der frühere sächsische evangelische Landesbischof, Jochen Bohl, in der katholischen Kirche Sankt Johannes Nepomuk in Prag. Die Freiheit sei ein "Geschenk Gottes", sagte Bohl und warnte zugleich vor völkischem und rassistischem Denken. Dieses könne nicht anders als auszugrenzen. Der frühere Landesbischof appellierte 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in Europa auch an Demut und Dankbarkeit: "Wir machen nicht die Geschichte, wir gestalten sie und wirken mit."

Viele der ehemaligen DDR-Flüchtlinge waren beim "Fest der Freiheit" emotional bewegt und hatten Tränen in den Augen. "Die Erinnerungen an diese Zeit damals können wir nie ablegen", sagte Christian Bürger, der vor 30 Jahren Sprecher der DDR-Flüchtlinge war.

In der Prager Botschaft sei 1989 der erste Stein aus der Berliner Mauer gebrochen worden, betonte zudem der damalige Kanzleramtschef Rudolf Seiters (CDU) am 28. September in einer Ansprache. Zugleich mahnte er: "Ich wünsche mir, dass Aufbruch und Zuversicht auch heute wieder das Bild Europas kennzeichnen."

Ähnlich hatte sich Seiters zuvor auch im Sächsischen Verbindungsbüro in Prag geäußert. "Wir brauchen in Europa solidarische Antworten auf die Probleme unserer Zeit", sagte der CDU-Politiker. Die Erinnerung an die friedliche Revolution und die deutsche Wiedervereinigung sei eine Herausforderung, wieder zu einer Wertegemeinschaft, die von allem akzeptiert wird, und "zu diesem Vertrauensverhältnis zurückzufinden wie 1989".

Am 28. September war ein Sonderzug aus Dresden in Prag eingetroffen. Er fuhr in umgekehrter Richtung die Strecke, die 1989 für viele Tausend DDR-Bürger über Dresden nach Hof in Bayern geführt hatte. Am Bahnhof in Prag-Liben, wo damals die Fahrt in die Freiheit begann, wurde eine Gedenktafel eingeweiht.

Auch eine Trabi-Sternfahrt führte nach Prag. Die Teilnehmer erinnerten daran, dass zahlreiche DDR-Bürger vor 30 Jahren im Auto bis an die bundesdeutsche Botschaft fuhren, ihre Fahrzeuge dort zurückließen und über den Zaun in das Botschaftsgelände kletterten.

Seit dem Sommer 1989 waren immer mehr DDR-Flüchtlinge in der bundesdeutschen Botschaft in Prag zusammengekommen, die in den Westen ausreisen wollten. Bis September waren es mehrere Tausend, die dort in Stockbetten, auf Treppenstufen und in einem provisorischen Zeltlager übernachteten.

Seiters war am 30. September 1989 Mitglied der bundesdeutschen Delegation, die den DDR-Flüchtlingen in der Deutschen Botschaft in Prag ihre Ausreise zusicherte. Er überließ es Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), zu den Menschen zu sprechen. Genschers Worte vom Balkon des Palais Lobkowitz - "Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist." - gingen bekanntlich in lautstarken Jubel unter.



Merkel würdigt Mut der Menschen in der DDR 1989

Vor dem Tag der Deutschen Einheit in der kommenden Woche hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Mut der Menschen 1989 in der DDR gewürdigt. Sie hätten viel Mut aufgebracht, um die deutsche Einheit Realität werden zu lassen, sagte die Kanzlerin in ihrer wöchentlichen Videobotschaft am 28. September: "Sie haben sich nicht mehr den Mund verbieten lassen. Sie sind aufgestanden und haben Mut gezeigt."

Auf der anderen Seite gab es nach Merkels Worten auch ein mutiges Vorangehen der damaligen Bundesregierung, um gemeinsam mit den Alliierten die deutsche Einheit realisieren zu können. "Auch heute brauchen wir alle wieder Mut, um die Herausforderungen für die Zukunft wirklich auch stemmen zu können", betonte die Kanzlerin.

Merkel wandte sich gegen eine pauschale Unterscheidung zwischen Ost und West, "denn es gibt jetzt ja doch viele Jahre gemeinsamen Lebens". Allerdings unterschieden sich die Biografien vieler Menschen, die eine große Zeit ihres Lebens in der ehemaligen DDR verbracht hätten, deutlich von den Biografien derer, die in der alten Bundesrepublik aufgewachsen seien.

"Es ist in den vergangenen Jahrzehnten vieles erreicht worden, aber es bleibt einiges zu tun", bilanzierte Merkel. "Wir müssen es schaffen, dass alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik ihre Erfahrungen, ihr Wissen, ihre Lebensbiografie mit einbringen können, wenn wir gemeinsam unsere Zukunft gestalten", betonte sie. Gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, sei für die Bundesregierung auch in den nächsten Jahren ein großes Projekt - in allen Teilen Deutschlands, zwischen Land und Stadt wie zwischen Nord und Süd und Ost und West.



Bedford-Strohm zu 30 Jahre Mauerfall: "Noch nichts aufgearbeitet"

Fast drei Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung sieht der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, unverarbeiteten Ärger auf beiden Seiten der ehemaligen Mauer. "Wir haben noch überhaupt nichts aufgearbeitet, das liegt noch vor uns", sagte der bayerische Landesbischof dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei "geradezu beängstigend, wie wenig wir von den Biografien der jeweils Anderen wissen", ergänzte er.

Viele Ostdeutsche hätten Demütigungen erfahren, etwa im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. "Positives, das aus Ostdeutschland in die gemeinsame Zukunft eingebracht wurde, ist oft nicht wirklich sichtbar geworden, etwa bei Kinderbetreuung oder der Beschäftigung von Frauen", sagte Bedford-Strohm. Er glaube, noch wichtiger als politische Fragen seien die persönlichen Erfahrungen. "Das ist kein Thema für Schuldzuweisungen in die eine oder andere Richtung. Wir müssen einander einfach zuhören", sagte er.

Mit Blick auf die hohen Wahlergebnisse der AfD in Brandenburg und Sachsen sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten, er glaube, "dass das auch etwas zu tun hat mit den Abbrucherfahrungen nach der Wende". Manchem sei nicht deutlich geworden, dass hinter den Fernsehbildern aus dem Westen "immer auch eine Lebensrealität steckte, die auch mit vielen Schwierigkeiten verbunden war". Das habe sicher auch zu übersteigerten Hoffnungen geführt. Neben der Erfahrung materiellen Zugewinns gab es seiner Einschätzung nach im Osten auch den Verlust gesellschaftlicher Teilhabe. "Ich glaube, dass manche Leute sich bei den jüngsten Wahlentscheidungen über manche Enttäuschung und Kränkung einfach Luft gemacht haben", sagte er.

Der EKD-Ratsvorsitzende erneuerte seine Position zum Umgang der Kirche mit der AfD. "Wir werden auch weiterhin klar benennen, dass bestimmte Grundeinstellungen öffentlich nicht propagiert werden dürfen - Rassismus, Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit", sagte er. Gleichzeitig müsse die Kirche für das Gespräch mit allen Menschen offen bleiben, auf offizieller Ebene aber nicht gleichermaßen mit allen Parteien. Es gebe in der AfD viele, die nicht rechtsradikal seien, sagte Bedford-Strohm und ergänzte: "Mit denen muss man reden, ihnen aber auch klar sagen, dass sie Rechtsradikalen Deckung geben." Sie hätten eine Mitverantwortung dafür, "dass aus dieser Partei heraus Thesen vertreten werden, die in Deutschland nicht salonfähig werden dürfen".

epd-Gespräch: Corinna Buschow und Jens Büttner


Landeszentrale präsentiert Fotoausstellung in Prager Botschaft

Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung präsentiert 30 Jahre nach der friedlichen Revolution eine Fotoausstellung in der Deutschen Botschaft in Prag. Die Bilder von Mirko Krizanovic dokumentierten Momente der Zeitenwende 1989, teilte die Landeszentrale am 25. September in Dresden mit. Dabei habe der Fotograf unter anderem Trabi-Korsos, abziehende Sowjet-Panzer und Minenräumer an der innerdeutschen Grenze abgelichtet.

Die Ausstellung trägt den Titel "1989 Zeitenwende. Osteuropa zwischen Friedlicher Revolution und Gewalt". Die Arbeiten zeigten die Umbrüche im Osten Europas in Ausschnitten. Während die Revolution in Deutschland friedlich verlief, kam es in Rumänien zu blutigen Kämpfen mit zahlreichen Toten, Jugoslawien zerfiel in mehreren Kriegen. Die Fotos werden von Texten des Dresdner Historikers und Osteuropa-Experten Tim Buchen kommentiert.

Ihre Deutschlandpremiere hat die Ausstellung am 8. November im Dresdner Kulturpalast. In der Deutschen Botschaft in Prag verkündete am 30. September 1989 Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) die Ausreisegenehmigung für die DDR-Bürger, die dorthin geflohen waren. Seine Rede vom Balkon des Palais Lobkowitz ging im Jubel der Menschen unter. Die Prager Botschaft lädt 30 Jahre danach am Samstag zu einem "Fest der Freiheit" ein.

Mirko Krizanovic war 1987 bis 1994 Fotograf der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Am 12. November 1989 fotografierte er im hessischen Obersuhl nach dem Mauerfall jubelnde Menschen und einen Trabi-Korso - ein Motiv, das die Deutsche Bundespost über 30 Millionen Mal als Briefmarke druckte.



Gedenktafel in Halle erinnert an Verhaftungen im Herbst 1989

Eine Gedenktafel auf dem heutigen Gelände des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) in Halle soll an die 85 Menschen erinnern, die im Herbst 1989 in dem Gebäude unrechtmäßig festgehalten und verhört wurden. Sie seien nach Protestaktionen gegen die DDR verhaftet worden, obwohl die meisten von ihnen an den Demonstrationen nicht beteiligt waren, sagte die Präsidentin des Landesamtes, Sandra Hagel, am 23. September in Halle. "Diese Ereignisse gehören zur Geschichte des Hauses. Mit der Gedenktafel möchten wir dazu beitragen, dass solches Unrecht nicht in Vergessenheit gerät." Die Gedenktafel wurde den Angaben zufolge von Mitarbeitern des Landesamtes initiiert und mitfinanziert.



Fotoausstellung zu Umbrüchen in Ostdeutschland eröffnet

Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig ist seit 25. September eine Fotoausstellung zu den Umbrüchen in Ostdeutschland vor 30 Jahren zu sehen. Die Aufnahmen des Bonner Fotografen Daniel Biskup dokumentieren nach Angaben des Museums vor allem die Atmosphäre in Sachsen zum Ende der 80er Jahre. Die Schau trägt den Titel "Test the West" und ist bis zum 2. Februar 2020 zu sehen.

Biskup wurde den Angaben zufolge 1962 geboren und interessierte sich bereits früh für Osteuropa, da seine Eltern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten stammen. 1988 sei er zum ersten Mal in die damalige Sowjetunion gereist. Im Sommer 1989 dokumentierte er fotografisch die Flucht zahlreicher DDR-Bürger nach Budapest. Ab diesem Zeitpunkt habe er begonnen, den Umbruch in der untergehenden DDR intensiv fotografisch zu begleiten.

Dabei habe Biskup einerseits den Tatendrang und die Euphorie der nach Freiheit strebenden Menschen eingefangen. Zum anderen bildeten seine Aufnahmen auch Enttäuschungen und das Leid derer ab, die ihre Arbeit verloren oder ihr vertrautes Leben aufgeben mussten. 30 Jahre danach sei Biskups differenzierter Blick auf die Zeit des Umbruchs daher auch eine Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Gegenwart, erklärte das Museum.



Historiker sieht "nationalistischen Rückschlag" im Osten


Historiker Paul Nolte
epd-bild / Jürgen Blume
Der Historiker Paul Nolte sieht in den hohen Wahlergebnissen der AfD in Brandenburg und Sachsen ein spezifisches Phänomen im Osten. Im Moment sehe man in Polen, Ungarn und anderen früheren kommunistischen Staaten wie der früheren DDR einen "nationalistischen Rückschlag", sagte er.

Der Historiker Paul Nolte sieht in den hohen Wahlergebnissen der AfD in Brandenburg und Sachsen ein spezifisches Phänomen im Osten. Im Moment sehe man in Polen, Ungarn und anderen früheren kommunistischen Staaten wie der früheren DDR einen "nationalistischen Rückschlag", sagte der Professor für Neuere Geschichte dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er verglich deren Situation mit der in den Südstaaten nach dem Bürgerkrieg in den USA: "30 Jahre danach, Mitte der 1890er Jahre, kam in den Südstaaten der Widerstand gegen die Überformung aus dem Norden, gegen die liberalen Zumutungen auf und auch der Rassismus erreichte einen neuen Höhepunkt."

Etwas Ähnliches sehe man in Deutschland seit 1989 "mit der asymmetrischen Situation der Regelsetzung durch den 'Sieger der Geschichte', den mentalen Wunden und der illiberalen Gegenreaktion", sagte er. Teile der Bevölkerung täten sich noch immer schwer mit einer bunteren Gesellschaft, "das aber nicht nur im Osten". Der Professor am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin plädierte dafür, nicht pauschal von "dem" Osten zu sprechen. "Auch 25 Prozent AfD-Wähler sind nicht 'der' Osten", sagte Nolte.

Um nationalistischen Tendenzen zu begegnen, muss man nach seiner Einschätzung genauer hinschauen: "Bei der Wahlgeografie in Brandenburg und Sachsen ist auffällig, dass es eine West-Ost-Differenz in den Ländern selbst gibt", sagte er. Die Zahl der AfD-Wähler sei weiter weg von den Städten und den Verkehrsachsen nach Westen höher. "Die östliche Peripherie ist politisch und kulturell in besonderer Weise vernachlässigt worden, und ökonomisch benachteiligt", sagte Nolte. Dort fühlten sich die Menschen abgehängt.

Der Historiker plädierte dafür, Erfahrungen der Ostdeutschen stärker wahrzunehmen. "Es gibt eine dominierende westdeutsche Erzählung, die ein Stück weit dem Verlauf der Dinge geschuldet ist", sagte er. Die Asymmetrie sei unvermeidlich, "denn der Kommunismus hatte abgewirtschaftet und nicht die Ordnung des Grundgesetzes". Man müsse aber aus der "normativen Falle" herauskommen. "Lebensgeschichten der DDR zu erzählen und plausibel zu machen, heißt ja nicht, das Honecker-Regime zu rechtfertigen", sagte er.

An mancher Stelle könne der Osten sogar selbstbewusster Positives von sich sagen, "etwa bei der Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter, der Berufstätigkeit von Frauen oder der Kinderbetreuung". "Da haben wir in den vergangenen 30 Jahren in ganz Deutschland vom Osten gelernt", sagte Nolte.

epd-Gespräch: Corinna Buschow


Ostdeutsche Wirtschaft weiterhin strukturell unterlegen

"Weit gekommen, aber noch nicht am Ziel", überschreibt der Ostbeauftragte Christian Hirte seinen aktuellen Befund zur Deutschen Einheit. Positiven Entwicklungen in vielen Bereichen stünden nach wie vor Strukturprobleme der Wirtschaft gegenüber.

Viel geschafft, aber noch nicht alles erreicht - so oder so ähnlich fällt der Befund zum Stand der Deutschen Einheit in den zurückliegenden Jahren regelmäßig aus. Das ist auch im 30. Jahr nach dem Fall der Mauer nicht anders: Der aus Thüringen stammende Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, der CDU-Politiker Christian Hirte, bemüht sich in seinem am 25. September in Berlin vorgelegten Jahresbericht darum, die Erfolge der Wiedervereinigung herauszustellen, ohne die Probleme unerwähnt zu lassen.

So habe sich etwa die Arbeitsmarktsituation enorm entspannt, die Lohnhöhe liege inzwischen bei etwa 84 Prozent des Niveaus im Westen. Mit großem Stolz und Selbstbewusstsein könnten die Ostdeutschen auf die zurückliegenden 30 Jahre schauen, unterstreicht Hirte. Sorge bereiten ihm aber die strukturellen Probleme der ostdeutschen Wirtschaft. Die unterschiedliche Leistungskraft gehe auf die Kleinteiligkeit der dortigen Wirtschaft, einen Mangel an Konzernzentralen und die ländlich geprägte Siedlungsstruktur zurück.

Allerdings sei dies nicht die Folge einer verfehlten Politik nach 1990, betont Hirte. Vielmehr seien die Probleme Ergebnis der Situation davor: Die DDR sei "zerschlissen" gewesen, der Zusammenbruch des Systems logisch und unausweichlich. Die Arbeit der Treuhandanstalt als Mutter aller Probleme anzusehen, betrachtet Hirte als einen "negativen Gründungsmythos".

Konkret bemängelt der Ostbeauftragte in seinem Bericht, dass kein einziges Ost-Unternehmen im Börsenleitindex Dax-30 notiert sei. Auch habe nahezu kein Großunternehmen seine Zentrale in Ostdeutschland. Und wie schon seine Amtsvorgängerin Iris Gleicke (SPD) warnt er: Wie in Westdeutschland gebe es auch im Osten inzwischen ein Fachkräfteproblem. Offenheit gegenüber Fremden liege damit im ureigenen Interesse der Menschen im Osten. Fremdenfeindlichkeit dagegen schade wirtschaftlichen Ansiedlungen.

Ein günstigeres Bild zeichnet Hirtes Bericht in anderen Bereichen: "Mit Blick auf die Infrastruktur, die Stadt- und Dorfbilder, die Wohnverhältnisse, die Umwelt und die Gesundheitsversorgung ist eine positive Entwicklung zu konstatieren." Die Lebenserwartung habe sich angeglichen, rechtliche und sozialpolitische Anpassungen seien fast vollendet. Umweltgefahren seien "in erstaunlich kurzer Zeit" beseitigt, besonders umweltbelastende Produktionsanlagen stillgelegt worden. Umwelt- und Energietechnologien seien in Ostdeutschland heute überdurchschnittlich stark vertreten und in zunehmendem Maße bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung, heißt es in dem 125-seitigen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit weiter.

Als Schlussfolgerung aus diesen Befunden formulieren der Ostbeauftragte und der Kabinettsausschuss "Neue Länder" am Mittwoch zwölf Handlungsfelder "zur Stärkung der ostdeutschen Länder und des Zusammenwachsens zwischen Ost und West". Darunter ist die Aufarbeitung der Geschichte ebenso zu finden wie die Stärkung der Demokratie oder die Förderung von Innovationen in Wirtschaft und Forschung. Dabei sieht Hirte auch "mentale" Probleme im Osten: Die "Veränderungsskepsis" sei nach den dynamischen Anpassungsprozessen in den 90er Jahren heute stärker ausgeprägt als im Westen.

Von Jens Büttner (epd)


Historiker: Deutschland hat keine gemeinsame Erinnerungskultur

30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es nach Meinung des Direktors des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, Jürgen Reiche, noch keine gesamtdeutsche Erinnerungskultur. "Ich denke, wir haben noch viel zu tun, um Ost und West zusammenzubringen", sagte der Historiker am 26. September in Leipzig. Brächte man die Erfahrungen der beiden deutschen Staaten zwischen 1945 und 1990 zusammen, "würden beide Seiten profitieren", fügte er hinzu. Reiche äußerte sich bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "1989-2019: Der Umgang mit Demokratie- und Diktaturerfahrung".

Das heutige Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland sei davon geprägt, dass zu viel übereinander und zu wenig miteinander gesprochen werde, sagte Reiche weiter: "Warum nicht Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet mit Leuten aus der Lausitz zusammenbringen?" Das Interesse im Westen an der Geschichte und den aktuellen Verhältnissen im Osten sei gerade erst am Erwachen. "Das ist auch eine Chance", betonte er. Für die Zukunft der historischen Erinnerung wünsche er sich indes "ein europäisches Narrativ", das etwa auch Polen und Frankreich mit einschließe.

Der Direktor des Willy Brandt Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau, Krzysztof Ruchniewicz, kritisierte die Fokussierung der historischen Aufarbeitung auf das deutsch-deutsche Verhältnis. Die DDR sei Teil des Ostblocks gewesen, "da müsste man sich wirklich Gedanken machen, wie diese Beziehungen eigentlich ausgesehen haben", erklärte er. So finde sich etwa die "polnische Erfahrung in der deutsch-deutschen Beziehung" überhaupt nicht wieder.



30 Jahre Mauerfall: Unionsfraktion plant Sitzung in Leipzig

Anlässlich des 30. Jahrestags der friedlichen Revolution plant die Bundestagsfraktion von CDU und CSU eine öffentliche Sitzung in Leipzig. Mit der außerordentlichen Sitzung am 14. Oktober wolle die Unionsfraktion die historischen Ereignisse würdigen und deutlich machen, dass diese nicht von radikalen Kräften vereinnahmt werden dürften, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), am 24. September in Berlin. Bei der Sitzung in der Kongresshalle am Leipziger Zoo wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Rede erwartet.

Geplant ist zudem eine Diskussionsrunde mit "Tagesschau"-Sprecherin Susanne Daubner, die 1989 über Ungarn aus der DDR flüchtete, dem Bürgerrechtler Uwe Schwabe, dem Journalisten Jürgen Engert und dem Beauftragten für die Stasiunterlagen, Roland Jahn. Zudem soll es ein Gespräch zwischen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und dem Theologen Richard Schröder geben, wie Grosse-Brömer sagte.

In Leipzig fand am 9. Oktober 1989 eine der größten Montagsdemonstrationen in der DDR statt. Mehr als 70.000 Menschen kamen, um ihrer Forderung nach mehr Demokratie und Freiheit Ausdruck zu verleihen. Die Bilder des Protestszugs erreichten auch den Westen, weshalb diese Montagsdemonstration als entscheidende Marke auf dem Weg zum Fall der Mauer und zur deutschen Wiedervereinigung gilt.



Fest der Begegnung in der Gedenkstätte Marienborn

Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn begeht am 3. Oktober den 29. Jahrestag der Deutschen Einheit mit einem Fest der Begegnung. Der Tag beginnt mit einem ökumenischen Bittgottesdienst unter dem Motto "Wenn dein Kind dich morgen fragt", teilte die Gedenkstätte am 26. September in Marienborn mit. Die Ansprache hält der ehemaliger Pfarrer der evangelischen Lukasgemeinde in Leipzig, Christoph Wonneberger, der ab 1986 die montäglichen Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche koordiniert hatte.

Über den Tag verteilt werden den Angaben zufolge Rundgänge über das Gelände der ehemaligen DDR-Grenzübergangsstelle Marienborn angeboten. Zudem könne der Kommandantenturm bestiegen und besichtigt werden. Mit besonderen Angeboten richte sich die Gedenkstätte an Interessierte zur im Grenzregime eingesetzten Kontroll-, Funk- und Fernmeldetechnik sowie an Familien mit Kindern, für die spezielle Führungen angeboten würden.

Darüber hinaus werde zu Zeitzeugengesprächen über Erfahrungen aus der Teilungszeit, über Flucht sowie Leben an und mit der Grenze eingeladen. Während des Festes der Begegnung präsentierten sich die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Außenstelle Magdeburg der Stasi-Unterlagen-Behörde und weitere Akteure aus der Region mit Informationsständen, hieß es.



Plauen erinnert an Wendeherbst 1989

Mit zahlreichen Veranstaltungen erinnert das vogtländische Plauen in den kommenden Wochen an die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren. Auf dem Programm stehen ab Anfang Oktober unter anderem Konzerte, Stadtführungen, Theaterstücke und Diskussionen, wie die Stadtverwaltung Plauen am 25. September mitteilte.

Höhepunkt des Programms ist demnach eine Gedenkveranstaltung am 7. Oktober. Dazu werden unter anderem Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der evangelische Landesbischof Carsten Rentzing und Alt-Bundespräsident Joachim Gauck zu Redebeiträgen am Plauener Wende-Denkmal erwartet. Die Veranstaltung endet mit einem Friedensgebet in der Lutherkirche.

Im Anschluss wird Gauck in der Kirche gemeinsam mit der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sowie einigen Zeitzeugen zu einer Podiumsdiskussion erwartet. Das Motto der Debatte lautet "Plauen 89/19 - Protest und Verantwortung".

In Plauen fand am 7. Oktober 1989 eine der ersten friedlichen Massendemonstration gegen das DDR-Regime statt. Zwei Tage nach dem Ereignis mit rund 15.000 Teilnehmern zogen bei der entscheidenden Leipziger Montagsdemonstration rund 70.000 Menschen um den Innenstadtring. Wenige Wochen später fiel die Berliner Mauer.



Brandenburg feiert Tag der Deutschen Einheit an drei Orten

Das Land Brandenburg feiert den Tag der Deutschen Einheit gleich an drei Orten. An den zentralen Feierlichkeiten am 3. Oktober, die dieses Jahr in Kiel stattfinden, werden Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sowie eine zehnköpfige Bürgerdeligation teilnehmen, wie die Staatskanzlei am 28. September mitteilte. Nach dem Festakt der Verfassungsorgane werde Woidke den Staffelstab für die Bundesratspräsidentschaft 2019/2020 vom gastgebenden Schleswig-Holsteiner Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) übernehmen. Ein Höhepunkt der Brandenburger Ratspräsidentschaft werde die Ausrichtung der Jubiläumsfeiern zum Tag der Einheit im Oktober 2020 in Potsdam sein.

Zudem lädt das Land Brandenburg am Einheitstag erneut zum Tag der offenen Tür in seine Landesvertretung beim Bund in Berlin ein. Die Mark solle dabei als Film- und Medienland erlebbar gemacht werden, hieß es. Zudem werde sich Brandenburg im britischen London beim traditionellen Empfang der dortigen Deutschen Botschaft anlässlich des Einheitstags präsentieren.



Bundestag beschließt Umbau der Stasi-Unterlagen-Behörde

30 Jahre nach dem Mauerfall stellt der Bundestag die Weichen für den Umbau der Stasi-Unterlagen-Behörde. Die Akten der DDR-Spitzel sollen ins Bundesarchiv überführt werden, der Zugang erhalten werden. Auch die Stasi-Überprüfungen gehen weiter.

Der Bundestag hat den Weg für den Umbau der Stasi-Unterlagen-Behörde frei gemacht. Mit den Stimmen von Union, SPD und FDP fasste das Parlament am 26. September eine Entschließung, wonach die Stasi-Akten ins Bundesarchiv überführt werden. Die Hinterlassenschaften der DDR-Staatssicherheit sollen damit gesichert werden. Das Recht auf Akteneinsicht bleibt dabei bestehen. Die AfD stimmte gegen das im Frühjahr vorgestellte Konzept, Grüne und Linke enthielten sich. Gegen die Stimmen der Linken beschloss das Parlament zudem eine Verlängerung der Stasi-Überprüfungen bis 2030.

Beschäftigte in herausgehobenen Stellen des öffentlichen Dienstes sollen damit über dieses Jahr hinaus daraufhin überprüft werden, ob sie offizielle Mitarbeiter oder inoffizielle Zuträger für das "Ministerium für Staatssicherheit" der DDR waren. Vor dem Hintergrund, dass bis heute zahlreiche Menschen an den Folgen von Repressionen der Stasi litten, gebe es ein Bedürfnis für eine dauerhafte Überprüfungsmöglichkeit, heißt es dazu im Entwurf der Koalition.

Emotional diskutierte das Parlament über die Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde in einer von der AfD beantragten Aktuellen Stunde. Der Abgeordnete Marc Jongen (AfD) unterstellte, mit dem Umbau solle "der Schlussstrich angesetzt" und die Behörde heimlich abgewickelt werden.

Vertreter der anderen Parteien widersprachen. Die Akten gehörten zum nationalen Gedächtnis, sagte die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann. Die Unterstellung der AfD sei "falsch" und "unverantwortlich". Motschmann berichtete in der Rede von der Stasi-Akte ihres Mannes, der aus der DDR floh und unter dem Decknamen "Märtyrer" ins Visier der Stasi geriet. Sie selbst sei genau gescannt worden, sagte Motschmann mit Verweis auf die Akte. "Ich stell mich doch nicht vor den Deutschen Bundestag, um zu sagen: Deckel drauf, Schwamm drüber", betonte sie. Der FDP-Abgeordnete Thomas Hacker sprach von "gespielter Empörung" bei der AfD.

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, und der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, hatten im Frühjahr ihr Konzept für die Zukunft der Behörde vorgestellt. Es sieht eine Überführung der Stasi-Akten-Bestände ins Bundesarchiv vor, wo eine eigene Abteilung dafür aufgebaut werden soll. Der Umbau soll mit dem Auslaufen der Amtszeit von Jahn vonstatten gehen, die endet im Juni 2021. Damit soll sichergestellt werden, dass die Akten fachgerecht bewahrt werden und auch weiterhin der Zugang möglich ist.

Auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg soll zudem ein Kompetenzzentrum eingerichtet werden, in dem neben den Stasi-Unterlagen auch die Bestände der zentralen DDR-Behörden, das Archiv der SED sowie der Massenorganisationen der DDR und die Bibliothek der Stiftung Partei- und Massenorganisationen der DDR untergebracht werden. Der Bundesbeauftragte Jahn sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk, es gehe um zukunftsfeste Strukturen und darum, eine Brücke zur nächsten Generation zu schlagen. Zudem plädierte er dafür, "von der Fixierung auf Stasi wegzukommen, sondern die SED-Diktatur insgesamt zu betrachten".

Mit der Entschließung des Bundestags ist das Konzept nun beschlossen. Details des Umbaus müssen noch durch eine Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und des Bundesarchivgesetzes festgelegt werden.



Jung begrüßt Umbau des Stasi-Archivs

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat den Bundestagsbeschluss zur Neustrukturierung der Stasi-Unterlagenbehörde begrüßt. Leipzig wolle in dessen Folge auf dem ehemaligen Matthäikirchhof ein "Forum für Freiheit und Bürgerrechte" entwickeln, "in dessen Zentrum ein modernes und bürgeroffenes Archiv für die Stasi-Unterlagen steht", sagte Jung am 27. September in Leipzig.

Dieser Ort solle die Erforschung und Auseinandersetzung mit der Stasi-Vergangenheit verbinden mit dem Nachdenken über die Demokratie, erklärte Jung, der auch Präsident des Deutschen Städtetags ist. Es solle "in zunehmend tauben Zeiten" ein Ort des Austauschs und des Zuhörens entstehen, "der im Geist der friedlichen Revolution von 1989 die Stadtgesellschaft zusammenbringt", betonte der Politiker.

Das Bundestag hatte am Donnerstag beschlossen, dass die Stasi-Akten 2021 ins Bundesarchiv integriert werden sollen. Dies soll die Hinterlassenschaften der DDR-Staatssicherheit sichern. Das Recht auf Akteneinsicht bleibt dabei bestehen. Laut Leipziger Stadtverwaltung soll zudem die Struktur der einzelnen Archive in den Bundesländern verschlankt und professionalisiert werden. In Zukunft solle in jedem ostdeutschen Bundesland ein modernes Archiv die Unterlagen sammeln, dokumentieren und erforschen, hieß es.

In Sachsen gibt es bislang drei Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. Sie befinden sich in den drei größten Städten des Freistaats, Leipzig, Dresden und Chemnitz.



Bundesverdienstkreuz für Akteure der friedlichen Revolution

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigt Akteure der friedlichen Revolution von 1989 mit dem Bundesverdienstkreuz. Neben Wissenschaftlerinnen und Forschern sollen die Musiker Stephan Krawczyk und Udo Lindenberg, die Lyrikerin Elke Erb, der DDR-Umweltaktivist Carlo Jordan, der DDR-Fotograf und Filmer Aram Radomski sowie die DDR-Bürgerrechtler Eva und Jens Reich, Rita Sélitrenny, Wolfram Tschiche, Kathrin Mahler Walther und Barbara Sengewald die Auszeichnung der Bundesrepublik erhalten, wie das Bundespräsidialamt am 23. September in Berlin mitteilte. Auch der frühere Pfarrer und heutige Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, ist unter den Geehrten.

Steinmeier überreicht die Ehrungen am 2. Oktober, einen Tag vor dem "Tag der deutschen Einheit", in seinem Amtssitz Schloss Bellevue. Die Auszeichnung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls steht unter dem Motto "Mut zur Zukunft: Grenzen überwinden" und ehrt besonders engagierte Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Wissenschaft.

Unter den weiteren Auszuzeichnenden sind der frühere "Spiegel"-Korrespondent in Ost-Berlin, Ulrich Schwarz, die Meeres- und Klimaforscherin Antje Boetius, die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, der Astronaut Alexander Gerst sowie der Informatik-Professor Wolfgang Wahlster. Außerdem erhalten die Klassik-Sängerinnen Tomoko Masur und Edda Moser das Bundesverdienstkreuz.

Die Vergabe der Orden geht auf den früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss zurück. Seit 1951 wurden laut Bundespräsidialamt der Verdienstorden fast 259.000 Mal vergeben.



Berliner Abgeordnetenhaus veranstaltet Führungen zum Mauerfall

Anlässlich des 30. Jahrestages der friedlichen Revolution und des Mauerfalls bietet das Berliner Abgeordnetenhaus Sonderführungen an. Rund um das Berliner Parlament erinnern Reste der Grenzanlagen daran, dass sich das Gebäude während der Teilung im Grenzgebiet befand, erklärte das Abgeordnetenhaus am 24. September. Teilnehmer der Sonderführungen könnten sich auf Spurensuche begeben. Die kostenlosen Touren finden vom 25. September bis 13. November immer mittwochs um 11 Uhr statt.

Bei den Sonderführungen sollen unter anderem die Gründe für den Mauerbau ins Gedächtnis gerufen werden. Auch um Fragen, wie es sich mit der Mauer lebte und was sie zu Fall brachte, solle es gehen. Ebenso solle versucht werden, herauszufinden, warum die Mauer weg musste und dennoch in Teilen erhalten blieb.



Suche nach dem Nazi-Hort


KZ-Buchenwald (Archivbild)
epd-bild / Maik Schuck
Sind im Steinbruch von Buchenwald noch mehr Depots versteckt? Seit US-Truppen 1945 von dort aus tonnenweise NS-Raubgut wegschafften, halten sich die Gerüchte. Nun sollen Grabungen den Nazi-Hort ans Licht bringen - oder die Spekulationen beenden.

Grabungen im Steinbruch des Konzentrationslagers Buchenwald sollen ab 30. September neue Hinweise auf mögliche Stollen und Hohlräume im Kalkstein des Ettersbergs erbringen. Das kündigten der MDR, das Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 24. September in Weimar an.

Ziel sei es, den seit der Befreiung des Lagers durch US-Truppen im April 1945 nie verstummten Gerüchten nach weiteren unterirdischen Anlagen zumindest oberflächlich auf den Grund zu gehen, sagte der Direktor des MDR Landesfunkhauses Thüringen, Boris Lochthofen. Das geschehe unter strengster Kontrolle durch sein Amt, versicherte der Präsident des Denkmalpflegeamtes, Sven Ostritz.

Die Gedenkstätte Buchenwald hoffe, entweder neue Hinweise auf die Geschichte des KZ zu bekommen oder die anhaltenden Spekulationen nachhaltig dämpfen zu können, fügte Gedenkstätten-Vize Philipp Neumann-Thein hinzu. Seit den 1990er Jahren machten Raubgräber den Historikern und Denkmalschützern immer wieder zu schaffen. Da sei es besser, mit seriösen Partnern den Hinweisen und frischen Indizien auf weitere Hohlräume im Stein nachzugehen.

Die Zustimmung zum Einsatz eines Baggers sei der Gedenkstätte dennoch nicht leicht gefallen. "Wenn es eine Hölle in Buchenwald gab, dann war es der Steinbruch", sagte Neumann-Thein. Erinnerungen von Häftlingen bezeugten, dass kein Tag vergangen sei, ohne das Menschen bei der furchtbaren Arbeit starben oder von den SS-Wachleuten umgebracht wurden.

Anstoß zu den Grabungen gaben Recherchen des MDR. Danach sind auf einer Luftaufnahme vom Februar 1945 im Steinbruch Hinweise darauf zu erkennen, dass es zu den zwei bekannten Stollen weitere Arbeiten für Hohlräume gegeben haben könnte. In den beiden Ende April 1945 von der US-Armee geöffneten Stollen war NS-Raubgut, die Rede ist von Tonnen an Gold und Silber auch aus Auschwitz, entdeckt und anschließend über Frankfurt am Main in die USA und nach England gebracht worden. Zudem existiert eine ominöse Skizze möglicherweise von 1946, die sechs weitere Stollen oder Bunker vermerkt.

Ob sich tatsächlich weiteres Raubgut im Berg befindet, ist ungewiss. Möglich wäre den Angaben nach auch, dass sich in den Stollen Akten des SS-Führungshauptamtes befinden, das von Berlin nach Buchenwald umgezogen war. Dem gehen Mitarbeiter des MDR seit über zwei Jahren nach.

Den Sender treibe allein seine publizistische Pflicht, erklärte Lochthofen. Es ginge darum, "den Deckel der Kiste ein wenig anzuheben". Sollten tatsächlich Eingänge zu unterirdischen Anlagen entdeckt werden, seien die Journalisten raus, dann würden die Experten übernehmen, sagte er. Unabhängig vom Erfolg der Grabungen entstehen nach seinen Angaben drei längere Filme für das Programm von arte und den MDR. Schon jetzt ist ein mehrteiliger Podcast zu den Recherchen auf MDR Kultur zu hören.

Das KZ Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar wurde 1937 errichtet. Bis zu seiner Befreiung am 11. April 1945 waren in dem Konzentrationslager fast 280.000 Menschen inhaftiert. Die SS zwang die Häftlinge zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. Mehr als 56.000 Menschen kamen in dem Lager um.

Von Dirk Löhr (epd)


Bericht: Noch 29 Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher

In Deutschland laufen einem Bericht zufolge noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher. Vor allem ehemalige Wachleute in Konzentrationslagern seien in den Fokus der Ermittlungen gerückt, teilte der Norddeutsche Rundfunk unter Berufung auf Recherchen des NDR-Politikmagazins "Panorama 3" mit. Insgesamt richteten sich die Ermittlungen gegen rund 50 namentlich bekannte Beschuldigte, unter ihnen auch Frauen. In einigen Fällen sei unklar, ob die Tatverdächtigen noch leben.

Die 29 Strafverfahren laufen bei Staatsanwaltschaften über ganz Deutschland verteilt, wie eine Umfrage von "Panorama 3" unter allen deutschen Strafverfolgungsbehörden ergab. Den Beschuldigten würden Mord oder Beihilfe zum Mord vorgeworfen, teilweise in Tausenden Fällen. Gegen weitere Verdächtige liefen sogenannte Vorermittlungen - hier werde noch geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.

Gegen einen KZ-Aufseher, den 93 Jahre alten Bruno D., beginnt Mitte Oktober der Prozess in Hamburg, wie es weiter hieß. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen im KZ Stutthof vor. Der Prozess könnte einer der letzten sein. Denn wegen des hohen Alters der Beschuldigten werden weitere Prozesse immer unwahrscheinlicher. Die meisten der 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Mordhelfer in der NS-Zeit laufen laut NDR bei den Staatsanwaltschaften in Neuruppin und Erfurt, in deren Zuständigkeiten Taten in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald fallen.

Die Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher gehen den Angaben zufolge zumeist auf Vorermittlungen bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg bei Stuttgart zurück. Hier versuchten die Ermittler herauszufinden, welche mutmaßlichen Täter noch leben und inwiefern diese für ihre Taten noch belangt werden können.



Sächsisches Netzwerk fordert Gesetz zur Demokratieförderung

Das Netzwerk Tolerantes Sachsen hat die künftige Landesregierung im Freistaat zur anhaltenden Demokratie-Förderung aufgefordert. "Aus unserer Sicht gehört die Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes unabdingbar dazu", erklärte das Netzwerk am 27. September in Wurzen (Landkreis Leipzig). Nötig sei außerdem eine größere Planungssicherheit, etwa über eine dreijährige Mindestlaufzeit bei der Förderung von Projekten. In Sachsen wird nach der Landtagswahl vom 1. September aktuell über die Bildung einer sogenannten Kenia-Koalition aus CDU, Grünen und SPD verhandelt.

Die Weiterentwicklung der Demokratieförderung müsse ein wesentlicher Eckpfeiler für die Arbeit der künftigen Staatsregierung sein, erklärte das Netzwerk. In der vergangenen Legislaturperiode sei die Förderung demokratischer Kultur sichtbar verbessert worden, jedoch seien viele Akteure den Anfeindungen antidemokratischer, extrem rechter Gruppierungen ausgesetzt gewesen. Das Wahlergebnis lasse befürchten, dass sich dies in Zukunft noch verschärfen werde. Daher sei es wichtig, "demokratische Werte stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein zu bringen" und dafür ein Gesamtkonzept zu erarbeiten.

Dem Netzwerk Tolerantes Sachsen gehören nach eigenen Angaben mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen und Vereine an. Träger ist der Förderverein Tolerantes Sachsen mit Sitz in Wurzen. Ziele des Zusammenschlusses sind unter anderem die Förderung demokratischer Kultur, die Akzeptanz vielfältiger Lebensweisen und das Eintreten gegen Rassismus und Antisemitismus.



Verfassungsschutz unterliegt "Identitärer Bewegung"

Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss eine Mitteilung widerrufen, in der die "Identitäre Bewegung" als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft wird. Mit der Entscheidung gab das Kölner Verwaltungsgericht am 25. September einem Eilantrag der Gruppierung statt. (AZ: 13 L 1667/19) Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die "Identitäre Bewegung" im Juli als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung" eingestuft. Die Beobachtung der Bewegung habe ergeben, dass das "Verdachtsstadium" überschritten sei, hieß es. Eine entsprechende Mitteilung veröffentlichte der Inlandsgeheimdienst auch auf seiner Internetseite. Die "Identitäre Bewegung" ziele letztlich darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren, hieß es dort.

Den Angaben zufolge hatte das Bundesinnenministerium der "Identitären Bewegung" im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens zugesagt, dass sie in künftigen Verlautbarungen im Zusammenhang mit Rechtsextremismus lediglich als Verdachtsfall dargestellt wird - solange über sie in den Verfassungsschutzberichten lediglich als Verdachtsfall berichtet wird.

In der im Juli veröffentlichten Mitteilung des Verfassungsschutzes sah die "Identitäre Bewegung" einen Verstoß gegen die in dem Berliner Verwaltungsgerichtsverfahren abgegebene Zusage (AZ: VG 1 L 605/17) und beantragte beim Verwaltungsgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Kölner Gericht gab dem Antrag statt. Der dem Innenministerium unterstellte Verfassungsschutz habe durch die online eingestellte Mitteilung vom 11. Juli gegen die verbindliche Selbstverpflichtung verstoßen. Diese habe auch weiterhin Bestand, erklärten die Kölner Richter.

In den fraglichen zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts am 27. Juni habe der Verfassungsschutz nicht wesentliche neue Erkenntnisse über die "Identitäre Bewegung" gewinnen können, die eine Neueinschätzung gerechtfertigt hätten. Die als neu angeführten Erkenntnisse hätten Verfassungsschutz und Innenministerium bereits bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes vorgelegen, erklärten die Kölner Richter.

Die "Identitäre Bewegung" verbreitet ihre Ideologie dem Verfassungsschutz zufolge vor allem über die sozialen Netzwerke. Sie bekennt sich zum Konzept eines ethnisch einheitlichen Staats und hängt der Verschwörungstheorie vom "großen Austausch" durch Zuwanderer an.



Berufungsprozess zur Wittenberger "Judensau" im Januar


Relief an der Wittenberger Stadtkirche
epd-bild / Norbert Neetz
Der Rechtsstreit um die Spottplastik "Judensau" an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche geht in die nächste Runde. Die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Naumburg wurde auf den 21. Januar 2020 terminiert.

Der Rechtsstreit um die Spottplastik "Judensau" an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche geht in die nächste Runde. Die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Naumburg wurde auf den 21. Januar 2020 terminiert, wie ein Gerichtssprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 25. September auf Anfrage sagte.

Der Kläger Michael Düllmann ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Er sieht sich durch die Plastik in seiner Ehre verletzt. Seine Klage hatte er 2018 zunächst beim Amtsgericht Wittenberg eingereicht, das den Streit wegen des hohen Streitwerts von mehr als 10.000 Euro an das Landgericht Dessau-Roßlau verwies.

Dieses entschied Ende Mai 2019, dass die Plastik vorerst hängenbleiben könne. Das Vorhandensein des rund 700 Jahre alten Reliefs könne nicht als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung gegenüber Juden in Deutschland verstanden werden, begründete der Richter. Es bestehe kein Beseitigungsanspruch seitens des Klägers, auch liege keine von der evangelischen Gemeinde ausgehende Beleidigung im Sinne des Paragrafen 185 im Strafgesetzbuch vor. Das mittelalterliche Relief sei Teil eines historischen Baudenkmals, hieß es.

Düllmanns Anwalt hatte Ende Juni Berufung gegen das Urteil eingelegt. Düllmann hat mehrfach angekündigt, seine Klage im Zweifelsfall bis vor den Europäischen Gerichtshof zu tragen. Das Sandsteinrelief war um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche angebracht worden. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.



Internetportal bietet Unterstützung bei antisemitischen Anfeindungen

Ein neuer Live-Chat will Kindern und Jugendlichen helfen, die im Internet antisemitisch angefeindet werden. Dazu soll das Onlineportal "Be'Jachad-Gemeinsam.Gegen.Hass" eine erste Anlaufstelle sein, bei der Betroffene Hilfe im Umgang mit Antisemitismus erhalten können, wie das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) als Träger des Modellprojekts am 24. September mitteilte.

Um die Zielgruppe online zu erreichen, biete "Be'Jachad" einen Live-Chat als direkten, anonymen Kontaktkanal. Ein Chat ermögliche unmittelbare, präzise Reaktionen, sagte Projektleiter Tobias Rosin. Was sonst einen langen E-Mail-Verkehr erfordere, könne jetzt oftmals in einer Chat-Session gelöst werden. "Es kann eine traumatische Erfahrung für eine junge Person sein, die auf der Suche nach Unterstützung ihren Mut zusammennimmt, um ihre Geschichte zu erzählen – und dann erst mal keine direkte Rückmeldung erhält. Der Chat ermöglicht uns, sofort zu reagieren", so Rosin.

Gefördert wird "Be'Jachad" vom Bundesfamilienministerium und "Demokratie leben". Neben der anonymen Beratung könnten Betroffene mit Hilfe professioneller mediengestalterischer Anleitung des Projektteams Videoclips drehen oder ihre Erlebnisse in Artikeln oder musikalischen Darstellungsformen wie Gesang oder HipHop thematisieren und mit Hilfe der Internetplattform mit anderen Jugendlichen diskutieren, hieß es. Dabei könnten sie sich mit bekannten Persönlichkeiten aus der Jugend- und Kulturszene wie Musikern und Schauspieler unterstützen lassen.



404 antisemitische Vorfälle in Berlin im ersten Halbjahr

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) hat im ersten Halbjahr 2019 insgesamt 404 antisemitische Vorfälle erfasst. Im Schnitt würden pro Tag zwei judenfeindliche Vorfälle bekannt, teilte die Recherchestelle am 26. September in Berlin mit. Der starke Anstieg des vergangenen Jahres habe sich zwar nicht fortgesetzt. Jedoch bleibe die Zahl der Fälle mit besonderem Gefährdungspotential für die Betroffenen hoch.

So registrierte RIAS zwischen Januar und Juni 13 Angriffe und 20 Bedrohungen, mehr als etwa 2016 oder 2017. Von Angriffen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen gegen privates Eigentum sowie verbalen und schriftlichen Äußerungen seien insgesamt 110 Einzelpersonen betroffen gewesen.

So wurde im Januar in Mitte einer Frau, die im Bus Hebräisch telefoniert hatte, von einem Mann die Mütze so gewaltvoll vom Kopf gerissen, dass die Betroffene beinahe von ihrem Sitz fiel. Im Mai wurde in Friedrichshain-Kreuzberg eine weitere Frau, die ebenfalls auf Hebräisch telefonierte, in der U-Bahn als "Yahudi" (Arabisch: Jude) und "Babymörder" beleidigt. Im Juni wurden in Pankow ein Kippa tragender Mann und seine Mutter als "Yahudi" beschimpft und angespuckt.

Bei den Online-Vorfällen gab es demnach einen Rückgang von 40 Prozent. 224 Vorfälle passierten direkt oder im öffentlichen Raum. Die Anzahl rechter antisemitischer Vorfälle blieb mit 120 gleichbleibend hoch. RIAS Berlin-Projektleiter Benjamin Steinitz sprach von einem "antisemitischen Grundrauschen", dass mittlerweile den Alltag in Berlin präge. Weiterhin seien gerade Personen, die als jüdisch erkennbar sind, von Anfeindungen betroffen.



Zentralrat der Juden startet große Umfrage

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat eine umfassende Befragung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland gestartet. Das sogenannte Gemeindebarometer sei die bislang größte Umfrage dieser Art innerhalb der jüdischen Gemeinschaft, teilte der Zentralrat in Berlin mit. Die Untersuchung wurde am 24. September gestartet und läuft bis zum Jahresende. Erste Ergebnisse werden demnach im Frühjahr 2020 erwartet.

"Ähnlich wie andere Institutionen sind auch die jüdischen Gemeinden mit sinkenden Mitgliederzahlen konfrontiert. Wir möchten den Ursachen auf den Grund gehen", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. Mit der Umfrage sollen belastbare Zahlen und Erkenntnisse gewonnnen werden, um die jüdische Gemeinschaft für die kommenden Jahrzehnte zu stärken, die eigenen Angebote anzupassen und anderen jüdischen Institutionen entsprechendes Wissen an die Hand geben zu können, wie es hieß.

Untersucht werden den Angaben zufolge Einstellungen von Menschen mit jüdischem Hintergrund, die in Deutschland leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Die Befragung findet in Zusammenarbeit mit dem Jewish Joint Distribution Committee (JDC) sowie dem Sozialforschungsinstitut infas statt.



Jüdischer Landesverband West erhält Körperschaftsrechte

Der Landesverband West der Jüdischen Kultusgemeinden in Brandenburg hat am 24. September offiziell die Körperschaftsrechte erhalten. Die entsprechende Urkunde wurde den Vertretern von Kulturministerin Martina Münch (SPD) übergeben. Der Landesverband West trage ganz wesentlich dazu bei, jüdisches Leben im Land Brandenburg wieder sichtbar zu machen, erklärte Münch bei der Übergabe. Dass jüdische Gemeinden und Verbände nach den Verbrechen des Dritten Reiches wieder entstehen und einen wesentlichen Beitrag zur Vielfalt unseres Landes leisten können, sei Ausdruck des Vertrauens von Jüdinnen und Juden in das Land. "Dafür bin ich dankbar", sagte Münch.

Der Jüdische Landesverband West ist ein Dachverband jüdischer Gemeinden in Potsdam und Brandenburg an der Havel. Er wurde 2012 als Bund der jüdischen Kultusgemeinden in Brandenburg gegründet und führt seit 2016 seinen heutigen Namen. Zu den Aufgaben der Verbandsgemeinden gehören den Angaben zufolge neben Gottesdiensten, rituellen Feiern und religiöser Unterweisung auch Sozialberatung, Unterstützung bedürftiger Mitglieder, Vorträge, Exkursionen und Konzerte.

Neben dem Landesverband West gibt es in Brandenburg den Landesverband der jüdischen Gemeinden Land Brandenburg, der bereits seit 1992 über die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verfügt. Mit dem Körperschaftsstatus sind Privilegien verbunden wie die Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zu begründen, Steuern zu erheben, Friedhofsträger zu werden oder Mitspracherechte in Gremien zu erhalten.



Berliner Justizsenator verteidigt Antidiskriminierungsgesetz

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat das geplante Landesantidiskriminierungsgesetz und damit das bundesweit erste Gesetz dieser Art verteidigt. Menschen erlebten Diskriminierung wegen Geschlechts- oder anderer Merkmale auch durch Verwaltung, Schule oder Polizei, sagte Behrendt der "Berliner Zeitung" (24. September). Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) sollen laut Behrendt die rechtlichen Möglichkeiten für Betroffene verbessert werden.

Das bundesweit geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) befasse sich mit privatrechtlichen Geschäften und arbeitsrechtlichen Fragestellungen, aber erstrecke sich nicht auf die Verwaltung. Das Berliner LADG solle diese Lücke füllen.

So sollen Betroffene, die durch eine öffentliche Stelle diskriminiert werden, künftig Schadenersatz und Entschädigung verlangen können. "Außerdem haben wir dann eine Beweiserleichterung", so Behrendt. Zudem gebe es die Möglichkeit der Verbandsklage.

"Wir wollen zu einer Kultur diskriminierungsfreien Verwaltungshandelns kommen", sagte der Justizsenator weiter. Das Gesetz sei ein Signal an alle, die stärker diskriminiert werden als andere. "Das sind Frauen, die das häufig berichten, aber auch Menschen mit Rassismuserfahrung."

Das LADG war Mitte August auf den Weg gebracht worden und hatte das Abgeordnetenhaus in erster Lesung passiert. Den Plänen zufolge soll das Gesetz 2020 in Kraft treten.



Innenverwaltung verbietet Auftritt von Hass-Rappern

Ein erst in letzter Minute verhinderter Auftritt zweier palästinensischer Hass-Rapper empört jüdische Organisationen in Berlin. Der Gemeindevorsitzende spricht von der "furchtbaren Botschaft" einer wenig wehrhaften Demokratie.

Der Auftritt zweier palästinensischer Hass-Rapper vor dem Brandenburger Tor konnte offenbar von den Berliner Innenbehörden erst in letzter Minute verhindert werden. Die beiden Musiker Shadi Al-Bourini und Shadi Al-Najjar sollten auf einer von einer palästinensischen Gruppe angemeldeten Solidaritätsveranstaltung "Kundgebung zur Palästina-Frage" auftreten, was im Laufe des 25. September zu heftiger Kritik von Politikern, jüdischen Organisationen und dem israelischen Botschafter in Deutschland geführt hatte. In ihren Liedern und Videos fabulieren die beiden von der Bombardierung Tel Avivs und anderer israelischer Städte durch den "palästinensischen Widerstand" und der Vernichtung Israels.

Das American Jewish Commitee (AJC) erklärte, es sei entsetzt, dass Künstlern, die Terror gegen die Bürger Israels als Heldentat glorifizieren und das Existenzrecht Israels bestreiten, im Herzen von Berlin eine Bühne geboten werde. Ähnlich äußerte sich der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff.

Am späten Nachmittag versah die Berliner Innenverwaltung schließlich die Kundgebung mit harten Auflagen, darunter ein Verbot von Aufrufen zur Verherrlichung von Gewalt, wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) mitteilte. Den beiden Rappern wurde zudem von der Berliner Ausländerbehörde der Auftritt auf der Veranstaltung verboten wie auch die Teilnahme an sämtlichen politischen- oder Kulturveranstaltungen für die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland.

An der Kundgebung selbst nahmen nach Angaben des Antisemitismusbeauftragten der Berliner Polizei, Wolfram Pemp, etwa 500 Menschen teil. Dabei sei von einer etwa 25-köpfigen Gruppe auch ein "inkriminiertes" Lied angestimmt worden. Von diesen Teilnehmern seien die Personalien aufgenommen und Strafanzeigen gestellt worden.

Pemp war Teilnehmer einer am 26. September stattfindenden Podiumsdiskussion zum stärker werdenden Antisemitismus in Berlin unter anderem mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, der Antisemitismusbeauftragten der Berliner Generalstaatsanwaltschaft, Claudia Vanoni, und dem islamische Theologen Ender Cetin.

Den Berliner Behörden warf Joffe "fehlende Sensibilität" im Umgang mit antisemitischen Veranstaltungen wie auch dem jährlichen israelfeindlichen Al-Kuds-Tag vor. Er verstehe nicht, warum eine solche Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor als dem deutschen Freiheitssymbol und in Nachbarschaft des Holocaust-Mahnmals genehmigt werde. Die Botschaft, die so besonders in das Ausland ausstrahle, sei furchtbar, sagte der Gemeindevorsitzende: "Demokratie scheint nicht wehrhaft zu sein."

Der Regierende Bürgermeister sagte, Veranstaltungen wie der Al-Kuds-Tag seien "schwer zu ertragen" aber das Demonstrationsrecht sei ein hohes demokratisches Gut. Der Berliner Senat prüfe immer sehr genau, ob er mit dem Verbot einer Veranstaltung vor Gericht scheitern würde. Aus diesem Grund wähle man den Weg "harter Auflagen" für solche Demonstrationen, weil diese zumeist gerichtsfest seien. Den Kampf gegen den Antisemitismus "werden wir über Gerichte aber nicht gewinnen", betonte Michael Müller. Das ginge nur über eine gesellschaftliche Debatte.

Von Markus Geiler (epd)


Umfrage zur Seenotrettung: Nur 31 Prozent stimmen Seehofer zu

Die Ankündigung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), jeden vierten aus Seenot Geretteten aufzunehmen, stoßen bei den Deutschen laut einer aktuellen Umfrage nur auf eine gedämpfte Zustimmung. Laut einer repräsentativen Insa-Erhebung mit mehr als 2.000 Befragten stimmte nur etwa jeder Dritte (31 Prozent) dem Vorhaben zu, teilte das Meinungsforschungsinstitut am 27. September in Erfurt mit. Ablehnung äußerten dagegen 43 Prozent der Befragten, 25 Prozent hätten mit "weiß nicht" oder "keine Angabe" geantwortet.

Es hätten sich große Unterschiede bei der regionalen Herkunft, dem Alter und der Parteienpräferenz gezeigt, sagte Insa-Geschäftsführer Hermann Binkert. Befragte im Westen haben nach seinen Angaben der Aufnahme jedes vierten Geretteten etwas häufiger zugestimmt (32 Prozent) als im Osten (26 Prozent). Umgekehrt sah es laut Binkert bei der Ablehnung der Aussage aus (42 zu 49 Prozent der Rest entfalle auf "weiß nicht" oder "keine Angabe").

Die jüngsten sowie die ältesten Befragten seien sich im Ausmaß an Zustimmung zur Aussage relativ einig: Die 18- bis 29-Jährigen hätten die Aufnahme der aus Seenot Geretteten zu 35 Prozent für gut befunden, ab 60-Jährige zu 38 Prozent. Befragte zwischen 30 und 59 Jahre stimmen den Angaben zufolge zu 24 bis 27 Prozent zu. Die befragten Grünen-Wähler hätten Seehofers Ankündigung mehrheitlich als gut angesehen (59 Prozent). Die deutlichste Ablehnung hat es laut Insa bei der AfD-Wählerschaft mit 88 Prozent gegeben.



Neuer brandenburgischer Landtag beginnt Arbeit

Noch steht die neue brandenburgische Landesregierung nicht. Während SPD, CDU und Grüne um die Regierungsbildung ringen, begann der Landtag am Mittwoch mit seiner Arbeit. Die 88 Parlamentarier trafen sich zu ihrer ersten Sitzung in Potsdam.

Der neue brandenburgische Landtag hat sich am 25. September in Potsdam konstituiert. Die 88 Abgeordneten kamen dreieinhalb Wochen nach der Wahl zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Zur Landtagspräsidentin wählten die Parlamentarier erwartungsgemäß die SPD-Politikerin Ulrike Liedtke. Für sie votierten 77 der 88 Abgeordneten, sechs stimmten gegen sie, fünf enthielten sich.

Mit Spannung erwartet worden war der Ausgang der Wahlen zu den beiden Vizepräsidenten. Während die CDU-Abgeordnete Barbara Richstein mit breiter Zustimmung gewählt wurde, war die Wahl des AfD-Kandidaten Andreas Galau zuvor fraglich. Der 51-Jährige wurde von den Abgeordneten mit 36 Ja- und 20 Nein-Stimmen bei 31 Enthaltungen zum Vizepräsidenten des neuen brandenburgischen Landtags gewählt.

Bei der Landtagswahl am 1. September kam die SPD auf 26,2 Prozent, sie entsendet 25 Abgeordnete. Dahinter folgten die AfD mit 23,5 Prozent (23 Abgeordnete), die CDU mit 15,6 Prozent (15 Sitze), die Grünen mit 10,8 Prozent (10 Sitze) und die Linke mit 10,7 Prozent (10 Sitze). Die Freien Wähler kamen auf 5,0 Prozent und fünf Sitze. Zur Bildung einer neuen Landesregierung laufen Gespräche zwischen SPD, CDU und Grünen, also für eine sogenannte Kenia-Koalition.

Die neue Landtagspräsidentin Liedtke versicherte in ihrer ersten Rede, das Mit- und Gegeneinander in den Plenarsitzungen im Interesse der Bürger fair und respektvoll gestalten zu wollen. Die Musikwissenschaftlerin plädierte für eine politische Kultur, die Verständigung ermöglicht, aber auch Streit. Kontroversen gäben neue Impulse und seien unverzichtbar für die Demokratie. Konstruktive Aushandlungen seien dabei allerdings der Gegenpol zu Populismus, sagte Liedtke.

Vor der konstituierenden Sitzung hatten die Kirchen zu einem ökumenischen Gottesdienst in die Potsdamer St. Nikolaikirche eingeladen. Dabei appellierte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, an die Parlamentarier, verantwortlich zu handeln. Das Ergebnis der Landtagswahl vom 1. September zeige, "wie unterschiedlich die Bedürfnisse sind, die Menschen mit ihrem Abstimmungsverhalten deutlich gemacht haben". Die Abgeordneten hätten große Aufgaben vor sich und trügen viel Verantwortung. Für die katholische Kirche mahnte Generalvikar Pater Manfred Kollig das Parlament, Perspektiven für alle Menschen im Land zu schaffen.

Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung von der Alterspräsidentin Marianne Spring-Räumschüssel von der AfD-Fraktion. Sie sprach in ihrer Rede von "großer Ernüchterung und Enttäuschung" 30 Jahre nach dem Mauerfall. Zwar gebe es freie und geheime Wahlen, aber ob der Wählerwille hinterher bei der Regierungsbildung ausreichend abgebildet wird, sei fraglich. Auch werde die politische Debatte "immer mehr vergiftet durch die Vorgaben der politischen Korrektheit". "Bürger die nicht dem sogenannten Mainstream folgen, werden diffamiert, in die rechte Ecke gestellt, einige haben berufliche Nachteile", sagte die 73-Jährige. Der Graben zwischen Volksvertretern und Bürgern sei "zu tief".



Neues Bundesamt soll nach Brandenburg an der Havel kommen

Außenminister Heiko Maas (SPD) will ein zu seinem Ministerium gehörendes Bundesamt in Brandenburg an der Havel ansiedeln. Wie das Auswärtige Amt am 23. September in Berlin mitteilte, hat der Minister entschieden, diesen Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren zu machen. Entstehen soll ein "Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten".

Dort sollen Aufgaben mit Auslandsbezug unter anderem in den Bereichen Fördermittelmanagement und Visumbearbeitung gebündelt werden, hieß es. Das Bundesamt wäre eine Neugründung. Mit der Standortwahl leite das Auswärtige Amt einen Beitrag zum "Dezentralisierungsziel" der Bundesregierung.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach am Montag von einer hervorragenden Nachricht für Brandenburg an der Havel und das ganze Land. Der Bund halte damit sein Versprechen, Behörden in den ostdeutschen Ländern und Regionen anzusiedeln und sie damit zu stärken.

Er sei sich sicher, so Woidke, dass diese Ansiedlung der Stadt und der Region von Anbeginn starke Impulse geben wird. Es sei ein Beitrag dazu, dass der Staat – ob nun Bund oder Land Brandenburg – auch in ländlicheren Regionen klar Flagge zeige.

Unter dem Stichwort gleichwertige Lebensverhältnisse hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, Bundesbehörden in strukturschwachen Regionen anzusiedeln. Ein Schwerpunkt ist dabei der Osten Deutschlands.

Im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten sollen den Angaben zufolge rund 200 Mitarbeiter beschäftigt werden. Errichtet werden soll es 2021. Die Stadt Brandenburg an der Havel hat gut 72.000 Einwohner. Sie liegt westlich von Potsdam und rund anderthalb Stunden Autofahrt von Berlin entfernt.



Legislativer Fußabdruck in Brandenburg gefordert

Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland hat einen sogenannten legislativen Fußabdruck für Brandenburg gefordert. Mit einer digitalen und öffentlich zugänglichen Dokumentation der politischen Interesseneingaben im Gesetzgebungsprozess solle der Einfluss von Lobbyisten nachvollziehbar und sichtbar werden, erklärte Transparency am 25. September. Anlass sind die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen sowie die Konstituierung des neuen brandenburgischen Landtags.

"Sämtliche Informationen über Einflüsse von außen auf den Gesetzgebungsprozess sollten verpflichtend offengelegt werden", sagte Norman Loeckel, stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Politik von Transparency Deutschland. Auch die Gewichtung der einzelnen Interessen müsste deutlich werden. Durch Nachvollziehbarkeit und Transparenz könne das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie gestärkt werden.

In Thüringen hat den Angaben zufolge die rot-rot-grüne Landesregierung im Januar 2019 mit der sogenannten Beteiligtentransparenzdokumentation bundesweit den ersten Schritt hin zu einem legislativen Fußabdruck gemacht. Allerdings bestehe hier Verbesserungsbedarf, so Transparency. Die Veröffentlichung der Beiträge hänge von der Zustimmung der Lobbyisten ab. Unklar bleibe zudem, wie sehr einzelne Stellungnahmen berücksichtigt wurden, kritisierte die Organisation. "Von der neuen Landesregierung in Brandenburg fordern wir, mutiger voranzugehen als in Thüringen", so Loeckel.



Notfallmechanismus für Flüchtlinge

Nicht nur zufrieden, sogar glücklich: Horst Seehofer zeigt sich nach dem Ministertreffen zur Seenotrettung auf Malta gelöst. Die Teilnehmerländer hätten Handlungsfähigkeit bewiesen - ein wichtiges Signal für die EU-Asylpolitik in Gänze.

Deutschland, Frankreich, Italien und Malta haben sich auf einen Notfallmechanismus für Bootsflüchtlinge geeinigt. Die Anlandung und Verteilung von auf dem Mittelmeer geretteten Menschen soll künftig vorhersehbar und in geordneten Bahnen verlaufen, wie nach dem Treffen am 23. September im maltesischen Vittoriosa mitgeteilt wurde. Die Vereinbarung wird nun den anderen EU-Staaten vorgelegt. Bis zum Innenministerrat am 8. Oktober sollen weitere Länder gewonnen werden, die wie Deutschland und Frankreich in Italien und Malta angelandete Menschen aufnehmen würden - erst dann könnte der Mechanismus inkraft treten.

Es sei ein gemeinsames Papier angenommen worden, erklärte der gastgebende maltesische Innenminister Michael Farrugia nach den Verhandlungen mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und den Ressortchefs aus Frankreich und Italien, Christophe Castaner und Luciana Lamorgese. Auch die finnische EU-Ratsvorsitzende Maria Ohisalo und EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos waren dabei. "Wir haben angefangen, Geschichte zu schreiben", sagte Farrugia. Jetzt komme es darauf an, weitere Teilnehmer zu gewinnen.

Seehofer rechnet mit "vorzeigbarer Zahl"

In den vergangenen Monaten mussten immer wieder Schiffe privater Organisationen mit geretteten Migranten an Bord teils wochenlang auf See ausharren. Italien und Malta erlaubten die Anlandung erst, wenn sich andere Länder zur Aufnahme bereiterklärten. Der Notfallmechanismus soll nun im Vorhinein die Aufnahmeländer und Prozeduren festlegen.

Seehofer zeigte sich nach dem Treffen "glücklich". Zu den Aussichten einer Einigung im größeren Kreis im Oktober sagte er: "Es wird eine vorzeigbare Zahl am Ende dabei sein" und sprach von zwölf bis 14 Ländern. Nach der erhofften Einigung soll das freiwillige System für zunächst ein halbes Jahr in Kraft treten. Die Teilnehmer könnten generell aber vorzeitig aussteigen.

Der genaue Mechanismus zur Verteilung müsse noch vereinbart werden, so der Innenminister. Bei den Menschen, die Deutschland aufnähme, würden deutsche Behörden noch im Anlandeland eine Sicherheitsüberprüfung vornehmen, dies solle innerhalb von vier Wochen nach der Anlandung geschehen. Es würden aber nicht nur Menschen mit sicheren Asylaussichten übernommen, weil ein rechtsstaatliches Verfahren in der Kürze nicht möglich sei.

Reform des EU-Asylsystems angestrebt

Zur Frage, ob die Rettungsschiffe künftig den nächstgelegenen Hafen anfahren oder eine Rotation eingeführt werde, sagte Seehofer, es gebe keine Rotation, doch kämen mehrere sichere Plätze infrage. Auch Frankreich, das ja ebenfalls Mittelmeerhäfen hat, sei grundsätzlich bereit, mitzuwirken, sagte Seehofer.

Generell sei das vereinbarte Notfallsystem ein wichtiger Schritt in der EU-Asylpolitik, urteilte der Bundesinnenminister. Hier müsse man "anpacken, handeln. Und das ist heute geschehen." In den sechs Monaten des Mechanismus erwarte er nun Vorschläge für eine Reform des europäischen Asylsystems insgesamt durch die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU), machte Seehofer klar.

Die SPD im Bundestag begrüßte die Einigung. "Statt Dauerblockaden in der europäischen Flüchtlingspolitik sind pragmatische Lösungen wie diese sinnvoll, um Schritt für Schritt zu Verbesserungen zu gelangen", erklärten die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Eva Högl und Achim Post in Berlin. Die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont erklärte, es sei nun "endlich Bewegung in die verfahrene Situation bei der Frage der Seenotrettung gebracht" worden. Sie halte es aber "für zu früh, über feste Quoten zu sprechen". Seehofer war vor Kurzem aus der Union für seine Ankündigung kritisiert worden, dass Deutschland je ein Viertel der Geretteten aufnehmen könne.

Oxfam sprach von einem ersten positiven Schritt. Dies sei der erste Moment der Hoffnung für ein menschlicheres Migrationssystem in Europa seit 2015, erklärte die Hilfsorganisation in Brüssel. Oxfam hoffe, dass weitere Staaten sich anschlössen.



Fast ein Drittel aller Behörden-Azubis haben Migrationshintergrund

Knapp ein Drittel (28,1 Prozent) aller Auszubildenden in den Berliner Behörden und Betrieben mit Landesbeteiligung haben mittlerweile einen Migrationshintergrund. Vorreiter bei der Einstellung von Azubis mit Migrationshintergrund seien die Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg mit 48,1 Prozent (2017: 37 Prozent) und Pankow mit 40 Prozent (2017: 11,8 Prozent), sagte die Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial am 26. September in Berlin.

Bei der Innenverwaltung inklusive Polizeidienst liege der Anteil bei 24,4 Prozent (2017: 17,5 Prozent). Landesbetriebe wie die BVG, BSR, Wasserbetriebe und Wohnungsbaugesellschaften bildeten 2018 insgesamt 266 (30,3 Prozent) Menschen mit Migrationshintergrund neu aus (2017: 27,9 Prozent). Einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr gab es bei der landeseigenen Krankenhausgesellschaft Vivantes mit 41,1 Prozent (2017: 35,5 Prozent) und beim IT-Dienstleistungszentrum Berlin von 31,3 auf 37,5 Prozent.

Die aktive Förderung der Berliner Integrationspolitik trage Früchte, sagte die Integrationsbeauftragte. Aber es sei "noch Luft nach oben".

In den nächsten drei Jahren werden laut Niewiedzial in Berlin von rund 118.400 Verwaltungsmitarbeitenden 20.000 in den Ruhestand gehen. Dieser Generationswechsel im Öffentlichen Dienst sei eine Chance, "die wir nutzen wollen", sagte die Integrationsbeauftragte: "Wir brauchen eine Verwaltung, deren Personal das Spiegelbild der Gesellschaft ist." Laut Mikrozensus haben 34 Prozent aller Berliner eine Migrationsgeschichte. Bei den unter 21-Jährigen liegt der Anteil sogar bei 43 Prozent.



Bronze-Wölfe und Panzer vor AfD-Bundeszentrale

Drei große Bronze-Wölfe des Brandenburger Künstlers Rainer Opolka und ein Originalpanzer sind am 27. September vor der Bundesgeschäftsstelle der AfD in der Berliner Schillstraße aufgestellt worden. Mit der eintägigen Protestaktion wollen Opolka und die Vorsitzende des Förderkreises für das Holocaust-Mahnmal, Lea Rosh, vor der Rüstungspolitik der AfD warnen, wie die beiden Initiatoren mitteilten. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, arbeite die AfD am Rüstungsstaat Deutschland, wolle die Bundeswehr im Inneren einsetzen, den Wehretat drastisch erhöhen, die Rüstungsindustrie ausbauen, den Rüstungskonzernen Garantiequoten erteilen und das Zivilleben militarisieren, erklärte Rainer Opolka.

Die AfD entpuppe sich mit ihren jüngsten wehrpolitischen Ideen als blinde Aufrüstungs- und Kriegspartei, warnte Lea Rosh: "Der Panzer mit seinen wölfischen Begleitern vor der AfD-Parteizentrale steht deshalb symbolisch für die Hochrüstungs- und Waffenoffensive der AfD."

Die AfD sei "eine Partei blinder Krieger" sehen, erklärten die beiden Initiatoren der Protestaktion weiter. Die aggressiven Wolfs-Menschen-Krieger hätten nicht ohne Grund Klappen vor den Augen, "denn auch Weidel, Gauland, Höcke und Kalbitz seien rassistisch, aggressiv und mit Blindheit geschlagen".

Opolka hat vor vier Jahren insgesamt 80 der Wolfsmenschenskulpturen geschaffen. Die bis zu drei Meter hohen Wölfe aus Bronze und Eisen tragen Namen wie Kraftprotz, Mitläufer, blinder Hasser, blinder Krieger und Anführer. Er stelle sie immer dort aus, "wo Menschenrechte und Demokratie gefährdet sind", so der Künstler.



Thüringer Wahl-O-Mat gestartet

Anlässlich der Landtagswahl am 27. Oktober ist der Thüringer Wahl-O-Mat gestartet. Mit dem Online-Angebot können Nutzer herausfinden, welche der 18 zur Landtagswahl zugelassenen Parteien ihren Positionen am nächsten stehen, wie die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen und die Bundeszentrale für politische Bildung am 25. September in Erfurt mitteilten. Alle Parteien hätten sich zuvor zu den 38 Thesen einer zwanzigköpfigen Jugendredaktion geäußert.

Der Thüringer Wahl-O-Mat verfügt über neue Funktionen, wie Landeszentralenchef Franz-Josef Schlichting sagte. So sorge eine neue Menüführung für eine bessere Übersicht. Die Nutzer könnten zwischen den verschiedenen Schritten des Wahl-O-Mat - der Gewichtung der Thesen, Parteienauswahl, Ergebnis und Begründungen - hin und her wechseln, ihre Parteienauswahl oder Gewichtung ändern und mit den verschiedenen Sortierungsmöglichkeiten interessante Effekte für das Ergebnis entdecken.

Auf der Ergebnisseite ließen sich unter "Erforschen Sie Ihr Ergebnis" die Gewichtungen oder die Auswahl der Parteien auf das eigene Ergebnis in Echtzeit neu gestalten und verändern. Mehr Einsicht und Überblick gebe es in der neuen Version auch bei den Begründungen der Parteien.

Der Wahl-O-Mat ist nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung seit 2002 im Einsatz. Er habe sich inzwischen zu einer festen Größe für politische Information im Vorfeld von Wahlen etabliert, sagte der Präsident der Bundeszentrale Thomas Krüger. Mit der aktuellen Thüringer Version sei bereits der 50. Wahl-O-Mat online gegangenen.



Georg-Dehio-Preis für polnischen Historiker Maciej Lagiewski

Der Historiker und Direktor der Museen der Stadt Breslau/Wroclaw, Maciej Lagiewski, ist am 26. September mit dem mit 7.000 Euro dotierten Georg-Dehio-Preis 2019 des Deutschen Kulturforums östliches Europa ausgezeichnet worden. Der Förderpreis in Höhe von 3.000 Euro ging an das im siebenbürgischen Kronstadt/Brasov beheimatete Ensemble "Canzonetta".

Die Preise wurden von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei einem Festakt in der Berliner Staatsbibliothek verliehen. Mit ihrem Engagement hätten sich beide Preisträger in vorbildlicher Weise um die Bewahrung und Vermittlung des gemeinsamen kulturellen Erbes Mittel- und Osteuropas verdient gemacht, sagte Grütters. "Gerade hier und jetzt in einer Zeit, in der Populisten einen Keil in die Gesellschaft treiben wollen, gilt es, Künstlerinnen und Künstlern Freiräume zu ermöglichen und die europäische Idee zu beflügeln", betonte sie.

Maciej Lagiewskis Forschungsarbeiten über das gemeinsame kulturelle Erbe Schlesiens stünden ganz im Zeichen der Verständigung zwischen Deutschen und Polen. Das Ensemble "Canzonetta" biete Kindern und Jugendlichen verschiedener ethnischer und religiöser Herkunft einen Ort des Austauschs, hieß es.

Der Georg-Dehio-Preis erinnert an den deutschen Kunsthistoriker Georg Dehio (1850-1932) aus Reval. Er wird zweijährlich im Wechsel mit dem Georg-Dehio-Buchpreis an Persönlichkeiten und Projekte verliehen, die die deutsche Kultur in Osteuropa bewahren und die Verständigung fördern. Letzte Preisträger waren 2017 der siebenbürgische Theologe Paul Philippi und der tschechische Autor Jaroslav Ostrcilik.



Trauer um Weltraumpionier Sigmund Jähn

Für viele war er ein Held, obwohl er selbst gar keiner sein wollte. In Ost und West wird der erste Deutsche im All gewürdigt: Der am Samstag gestorbene DDR-Raumfahrer Sigmund Jähn sei ein Brückenbauer gewesen. Und ein bescheidener Mensch dazu.

Vertreter aus Politik und Forschung haben den mit 82 Jahren gestorbenen Raumfahrtpionier Sigmund Jähn als herausragende Persönlichkeit und Brückenbauer zwischen Ost und West gewürdigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb an Jähns Witwe: "Mit Sigmund Jähn verlieren wir einen wundervollen Menschen und eine herausragende Persönlichkeit in der Geschichte der Raumfahrt."

Zum "Helden wider Willen" bestimmt, habe Jähn der Ruhm nicht daran gehindert, sich treu zu bleiben. "Wer ihm je begegnete, dem bleiben seine Hilfsbereitschaft und seine liebenswürdige Bescheidenheit in Erinnerung", schrieb Steinmeier. Er habe vielen Menschen das Gefühl gegeben, zum ersten Mal sei "einer von uns" ins All geflogen. Als Wissenschaftler und als Raumfahrt-Botschafter habe er einen bedeutenden Beitrag für die Zukunft der Erde und der auf ihr lebenden Menschen geleistet.

Jähn war am 26. August 1978 als erster Deutscher an Bord einer russischen Sojusrakete mit dem sowjetischen Kosmonauten Waleri Bykowski in den Weltraum gestartet. Seine Reise dauerte sieben Tage, 20 Stunden und 49 Minuten. In dieser Zeit umrundete er 125 Mal die Erde. Er war damit der 90. Mensch im All. Nach der Wiedervereinigung beriet er unter anderem die European Space Agency ESA im russischen Raumfahrtzentrum, dem Sternenstädtchen nördlich von Moskau. Zuletzt lebte der gebürtige Sachse im brandenburgischen Strausberg bei Berlin.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte, Jähns historische Leistung habe junge Menschen beflügelt, "selbst nach den Sternen zu greifen und auch von scheinbar Unmöglichem zu träumen". "Er wurde bei den Menschen in der DDR zum Volkshelden, weil er ein Mensch, einer von uns, geblieben ist", erklärte Woidke. Dabei habe er nie die Bodenhaftung verloren. "Er wurde bei den Menschen in der DDR zum Volkshelden, weil er ein Mensch, einer von uns, geblieben ist".

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer bezeichnete Jähn als "echten Pionier der Raumfahrt", der in Ost und West Vorbild für all jene gewesen sei, die vom Weltraum träumten. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, Jähn sei ein Pionier gewesen, der ein großes Risiko auf sich genommen und der Menschheit neue Dimensionen mit erschlossen haben. Berlins Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) sprach von einem Jahrhundertereignis für viele Menschen auf beiden Seiten der Mauer.

Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) erklärte, mit seiner bescheidenen, bodenständigen Art und seinem Raumflug sei Sigmund Jähn "eine Identifikationsfigur für viele Ostdeutsche" gewesen. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ in Potsdam, Reinhard Hüttl, sagte, Jähn habe sich schon zu DDR-Zeiten für eine Zusammenarbeit zwischen Astronauten und Kosmonauten eingesetzt und dieses Engagement nach der Wiedervereinigung fortgeführt.



Morddrohung gegen Mike Mohring

Gut vier Wochen vor den Landtagswahlen in Thüringen hat CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring eine Morddrohung erhalten. Sie sei auf einer Postkarte in der Parteigeschäftsstelle in Jena eingegangen, bestätigte ein Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag einen entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). Auf der inzwischen im Internet veröffentlichten Postkarte wird Mohring, der neben seinen Ämtern als Landes- und Fraktionschef der CDU auch Mitglied im Präsidium der Bundespartei ist, zudem als "dreckige Christensau" verunglimpft, die ins KZ gehöre.

Der unbekannte Absender drohte, Mohring sei die Nummer zwei, die demnächst einen Kopfschuss erhalte. Dies soll offenbar als Anspielung auf den am 2. Juni erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) verstanden werden.

Im Kurznachrichtendienst Twitter versicherte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Mohring seine aufrichtige Solidarität, die er "mit der Hoffnung auf ein schnelles Ermittlungsergebnis durch unser Thüringer LKA" verbinde. Ramelow fügte noch hinzu: "Dem Hass keine Chance!" Die aus Thüringen stammende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, schrieb: "Gegen den Rechtsextremismus stehen wir Demokratinnen und Demokraten, ungeachtet aller politischen Differenzen, alle gemeinsam, alle zusammen."

Mohring hatte im Herbst 1989 in seiner Heimatstadt Apolda über sein Engagement beim Neuen Forum zur evangelischen Kirche gefunden. Der heute 47-jährige Politiker ließ sich später taufen und tritt wie auch Ramelow als Christ immer wieder deutlich in Erscheinung.




Entwicklung & Umwelt

Die katholischen Verteidiger des Amazonas


Isoliert lebende Indigene im Amazonas-Gebiet (Archivbild)
epd-bild / Gleilson Miranda / Funai
Die brasilianischen Bischöfe drängen: Auf der Amazonas-Synode der katholischen Kirche müssen weitreichende Beschlüsse her. Inwiefern damit den Ureinwohnern und der Natur geholfen wird, ist aber nicht abzusehen.

Selten wurde die Zerstörung von Natur und Mensch im Amazonasgebiet so freimütig vorangetrieben. Politik und Wirtschaft in Brasilien wettern gegen Schutzgebiete und internationale Rettungsaufrufe. Die katholische Kirche will dem mit einer Sonderkonferenz im Vatikan etwas entgegensetzen. "Wir werden mit allen Mitteln für das Amazonasgebiet und die Rechte der Indigenen eintreten", verspricht "Amazonasbischof" Erwin Kräutler. Dabei zählt der emeritierte leitende Geistliche der Amazonas-Diözese Xingú auf die Unterstützung von Papst Franziskus und auf die Amazonas-Synode, die vom 6. bis 27. Oktober in Rom tagt.

Denn die brasilianischen Bischöfe des Indigenenmissionsrates (Cimi) schlagen Alarm. Der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro bedrohe die Rechte der Urbevölkerung. In der Politik des Landes sei ein "Verfallsprozess" zu beobachten, der sich insbesondere gegen die ärmsten Gruppen richte. Besonders besorgt sind die Geistlichen über die Zunahme der Gewalt in den Schutzgebieten und Dörfern der Amazonas-Region. Illegale Holzfäller, Goldsucher und Farmer dringen immer weiter und straflos in das Land der Ureinwohner vor.

Tote bei Landkonflikten

70 Ureinwohner wurden laut Cimi im vergangenen Jahr in Brasilien bei Landkonflikten getötet. Dieses Jahr werde die Zahl noch höher liegen, befürchtet Cimi-Präsident und Erzbischof von Porto Velho im Amazonasgebiet, Dom Roque Paloschi. Mehr als 900 Fälle gewaltsamen Eindringens in Schutzgebiete seien für 2019 dokumentiert. Die Bischöfe wollen auf der Synode die brasilianische Regierung auffordern, einen effektiven Schutz der Ureinwohner zu garantieren.

Agrarwirtschaft, Rohstofffirmen und Kriminelle fühlen sich allerdings durch Bolsonaros Haltung ermutigt, ihre Interessen auch gegen Menschenrechte und Naturschutz durchzusetzen. Bereits im Wahlkampf sagte der rechte Populist: "Keinen Zentimeter für Indianer-Reservate." Kurze Zeit später legte er nach: "Es ist eine Schande, dass die brasilianische Kavallerie nicht so effizient war wie die amerikanische, die alle Indianer ausgerottet hat." Die Schutzgebiete behinderten lediglich die wirtschaftliche Ausbeutung von Rohstoffen Gold, Uran, Kupfer und Bauxit.

Insgesamt leben im Amazonas 436 indigene Stämme auf 1,2 Millionen Quadratkilometern - einer Fläche, die zweimal so groß wie Frankreich ist. Dabei haben die Ureinwohner ein in der Verfassung festgeschriebenes Recht auf das Land, auf dem sie leben. Obwohl das Land offiziell als Eigentum des Staates verbleibt, ist die Nutzung ausschließlich den indigenen Völkern vorbehalten.

Die Region werde zerrieben zwischen verschiedenen Interessen, warnt der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor und langjähriger Amazonas-Pfarrer, Pirmin Spiegel. Morde an Verteidigerinnen und Verteidigern von Menschenrechten und Angriffe auf die Natur in Amazonien zeigten, wie das herrschende System mit Kritik umgehe. Die Amazonas-Synode im Oktober biete eine neue Chance, die Trennung zwischen Spiritualität und politisch-sozialem Handeln in der Kirche zu überwinden, sagte der Theologe jüngst auf der Vollversammlung der deutschen Bischöfe.

Priestermangel

Doch nicht nur mit Menschenrechten und Naturschutz wird sich die Amazonas-Synode beschäftigen. Es geht auch um den schwindenden Einfluss der Kirche in dem riesigen Gebiet aufgrund eines aktuten Priestermangels. Der Vatikan will deshalb über die Möglichkeit beraten, insbesondere in entlegenen indigenen Gemeinden auch verheiratete Männer als Priester zuzulassen. Die Anführer der indigenen Gemeinden befürworten dies. Denn traditionell gibt es dort kaum nicht-verheiratete Männer. Allerdings wird ausgeschlossen, dass Männer, die bereits die Priesterweihe erhalten haben, ihr zölibatäres Leben aufgeben dürfen.

Gleichzeitig sollen auch Frauen mehr Verantwortung bekommen. Kräutler, der von 1981 bis 2015 das Amazonasbistum Xingú leitete und weiter dort lebt, geht noch weiter. Die Synode müsse die Diakon-Weihe von Frauen beschließen, verlangt er. In diesem Punkt hinke die Kirche hundert Jahre hinter dem Emanzipationswillen der Frauen hinterher. Frauen seien es, die die Gemeindearbeit im Amazonasgebiet aufrechterhielten, sagte Kräutler, der an der Vorbereitung der Synode beteiligt war, dem vatikanischen Portal Vatican News. Das müsse berücksichtigt werden. Die Synode müsse einen ganz neuen Zugang zu den indigenen Völkern eröffnen.

Von Susann Kreutzmann (epd)


Zahl der Waldbrände im Amazonas-Gebiet gesunken

Die verheerenden Waldbrände im Amazonas-Regenwald sind nach Behördenangaben in den vergangenen vier Wochen um fast ein Viertel zurückgegangen. Im August war noch der Ausbruch von knapp 31.000 Feuern in der gesamten Amazonas-Region registriert worden, wie die Umweltbehörde Ibama am 28. September laut der Tageszeitung "Estado de São Paulo" mitteilte. Eine Zahl für September nannte die Behörde aber noch nicht.

Mit dem Einsatz der Streitkräfte konnten den Angaben zufolge weitere große Waldbrände verhindert und ein Teil der Feuer gelöscht werden. Im Amazonas-Gebiet wüten die schwersten Waldbrände seit 21 Jahren.

Indes nahm die illegale Abholzung des Regenwaldes im August weiter zu. Nach Angaben des brasilianischen Weltrauminstitutes Inpe wurde in dem Monat eine Fläche von 1.702 Quadratkilometern abgeholzt. Im Juli waren es 526 Quadratkilometer. Die Wissenschaftler von Inpe warnen vor einer weiteren Zunahme der Vernichtung des Regenwaldes: Insgesamt habe die Abholzung in den vergangenen zwölf Monaten um etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugenommen.

Brandrodung

Nach Meinung von Experten besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der illegalen Abholzung des Amazonas und dem Ausbruch der Waldbrände. Sie gehen davon aus, dass die meisten Feuer durch Brandrodung in abgeholzten Gebieten entstanden.

Der rechtsextreme brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat immer wieder den Erkenntnissen der Inpe-Wissenschaftler widersprochen und die Waldbrände im Amazonas-Gebiet als normal bezeichnet. Bei seinem Auftritt vor der UN-Vollversammlung vor wenigen Tagen in New York warf er den Medien vor, Falschnachrichten über den Amazonas zu verbreiten und einen "Informationskrieg" zu führen. Erst nach massivem internationalen Druck hatte Bolsonaro Anfang August die Streitkräfte zur Brandbekämpfung in die Amazonas-Region geschickt. Internationale Hilfe im Kampf gegen die Waldbrände lehnte er ab.



Staaten versprechen deutlich mehr Einsatz gegen Hunger und Armut

Mit einem zweitägigen Gipfel wollten die UN den Kampf gegen Armut in den internationalen Fokus rücken. Denn bis 2030 sollen 17 Ziele erreicht sein, die das Leben aller Menschen besser machen. Doch aktuelle Krisen drängen das Thema an den Rand.

Die selbstgesetzten Ziele werden bislang nicht erreicht: Internationale Staaten wollen im kommenden Jahrzehnt deutlich mehr Energie in den Kampf gegen Armut stecken. Das versicherten sie in einer gemeinsamen Erklärung auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel am 24. und 25. September in New York. Bei dem Treffen erklärten die Staaten, dass es dringend notwendig sei, die Bemühungen zu steigern, um die Ziele für ein besseres Leben weltweit bis 2030 zu erreichen. Das kommende Jahrzehnt werde ein Jahrzehnt der Aktivitäten und der Umsetzung. Das Treffen während der Generalversammlung der Vereinten Nationen sollte das Thema stärker in den Fokus der Regierenden rücken. Doch aktuelle Krisen wie die Spannungen in der Golfregion machten die Veranstaltung zur Nebensache.

Bei dem Gipfel ging es um die Umsetzung von 17 Zielen, die von der Staatengemeinschaft 2015 vereinbart wurden. Sie sollen allen Menschen ein Leben in Wohlstand und Würde ermöglichen. Das wichtigste Vorhaben dabei ist, extreme Armut und Hunger bis 2030 vollständig zu überwinden. Es war das erste Mal, dass auf Ebene der Staats- und Regierungschefs über den Stand der Umsetzung gesprochen wurde. Auch Unternehmen und internationale Organisationen wurden beteiligt. Deutlich wurde, dass es noch viel zu tun gibt.

"Besorgniserregender Trend"

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Der Gipfel zeigt, dass wir weit hinter dem vorgegebenen Zeitrahmen herhinken." Weltweit stünden die notwendigen Investitionen nicht zur Verfügung, während gleichzeitig die Rüstungsausgaben stiegen. "Das ist ein besorgniserregender Trend, den wir umkehren müssen", sagte Müller. Er fügte mit Blick auf die "Fridays-for-Future"-Bewegung hinzu: "Wir bräuchten eine weltweite Trendwende, eine 'Fridays-for-Development'- Bewegung, um Bewusstsein zu schaffen."

Damit es nicht bei reinen Willensbekundungen bleibt, tat Deutschland sich mit Ghana und Norwegen zusammen, um im Bereich Gesundheit die freiwilligen Vorhaben voranzubringen. Eine gute Gesundheit sei die Voraussetzung für alles, sagten die Partner, die 2023 überprüfen wollen, ob ihre Maßnahmen auf dem richtigen Weg sind. Inwiefern der Gipfel die Staaten aber tatsächlich mobilisiert, mehr zu tun, ist zweifelhaft. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte: "Wir müssen unser Engagement verstärken - und zwar jetzt." Er lobte, dass sich zunehmend auch Unternehmen dem umweltbewussten Handeln verschrieben.

Bei verschiedenen Dialog-Veranstaltungen tauschten sich Regierende über ihre bisherigen Erfahrungen aus. Die meisten äußerten sich zu organisatorischen oder technischen Aspekten. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hob die Notwendigkeit hervor, nationale Institutionen vor Ort bei der Umsetzung ihrer Pläne zu unterstützen. Es brauche ein gemeinsames Vorgehen und Partnerschaften auf allen Ebenen, um die Ziele zu erreichen.

"Stehen am Scheideweg"

Der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic forderte eine bessere Verzahnung aller Aktivitäten und einen regelmäßigen Informationsaustausch. Sierra Leones Staatschef Julius Maada Bio nannte als einen Schwerpunkt seines Landes, ein gutes und kostenloses Bildungssystem zu schaffen. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta berichtete von Fortschritten bei der Gesundheitsversorgung und den Bemühungen seines Landes, den Zugang zu sauberem Wasser zu verbessern.

Der Ministerpräsident des Inselstaates St. Vincent und die Grenadinen, Ralph Gonsalves, nutzte seine dreiminütige Redezeit für scharfe Kritik: Das Vorhaben, die Nachhaltigkeitsziele für 2030 zu erreichen, sei keine Nebensache, sondern das Hauptereignis. "Wir stehen am Scheideweg und können nicht weitermachen wie bisher", sagte er. Kleine Länder etwa im Kampf gegen den steigenden Meeresspiegel zu unterstützen sei "kein Geschenk, sondern in eurem eigenen Interesse". Es sei eine Verpflichtung der Industrieländer. Denn für deren Wirtschaftsentwicklung "lasst ihr uns leiden".



Minister Müller: Trotz Internet auf afrikanische Kultur besinnen

Trotz Smartphone und Internet sollten Schulen in Afrika nach Auffassung von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den Kindern die eigene Kultur vermitteln. "Aus der eigenen Kultur heraus die Bildungsinhalte zu entwickeln, halte ich für zentral", sagte der 64-Jährige dem evangelischen Monatsmagazin "chrismon" (Oktober-Ausgabe). Die Publizistin Veye Tatah stimmte Müller in dem Doppelinterview zu. "Das Bildungssystem stammt aus der Kolonialzeit und müsste grundlegend reformiert werden", sagte Tatah, die selbst in Kamerun geboren wurde. "Manche Kinder wissen alles über die Tower Bridge in London, kennen aber die Brücke im Nachbardorf nicht."

Tatah plädierte in dem Interview außerdem dafür, Schülerinnen und Schüler für die Kolonialzeit zu sensibilisieren: "Die Afrikaner hatten keine Zeit, diese Phase ihrer Geschichte aufzuarbeiten." Auf Nachfrage Müllers, wie das Thema in den Schulen behandelt werde, betonte Tatah: "Eigentlich sehr wenig." Es werde ein bisschen über Apartheid gesprochen, aber kaum über die Auswirkungen von Kolonialismus und Sklaverei. "Das ist ein Problem", sagte die 48-Jährige. "Denn der Kolonialismus und die Sklaverei haben nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch mentalen Schaden hinterlassen."

"Probleme selbst in den Griff kriegen"

Die Europäer könnten in Afrika nur bedingt helfen, findet die Publizistin. "Wir Afrikaner müssen unsere Probleme selbst in den Griff kriegen." Problematisch seien neben der fehlenden Aufarbeitung der Kolonialzeit und dem stockenden Aufbau eigener Industrien auch die korrupten Regierungen. "Die Afrikaner müssen diese Regierungen überwinden", sagte Tatah.

In "schwierigen Ländern" arbeitet Entwicklungsminister Müller nach eigenen Angaben deshalb nicht direkt mit Regierungen zusammen, sondern mit ausgewählten nichtstaatlichen Organisationen. Bei ihm gelte der Grundsatz: "Kein Euro in korrupte Kanäle."



Mexikanische Regierung entschuldigt sich für Folter und Tod

Die mexikanische Regierung hat ein Zeichen gesetzt, die Zeit des sogenannten Schmutzigen Krieges aufzuarbeiten. Innenministerin Olga Sánchez Cordero entschuldigte sich am 23. September mit einem feierlichen Akt in Mexiko-Stadt bei der ehemaligen Guerilla-Kämpferin Martha Alicia Camacho Loaiza. Das Ex-Mitglied der "Kommunistischen Liga 23. September" war 1977 mit ihrem Mann 49 Tage lang von Militärs gefoltert worden. Camacho wurde gezwungen, der Hinrichtung ihres Ehemannes beizuwohnen.

Menschenrechte verletzt

Mit der Entschuldigung erkennt die Regierung des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador die staatliche Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen während des Schmutzigen Krieges der 60er und 70er Jahre an. Damals wurden zahlreiche Oppositionelle von Sicherheitskräften verschleppt, gefoltert und ermordet.

Der Festakt in Mexiko-Stadt fand in einem universitären Kulturzentrum am Platz der drei Kulturen im Stadtteil Tlatelolco statt. Dort waren 1968 mehrere hundert oppositionelle Studentinnen und Studenten von Militärs und anderen Sicherheitskräften erschossen worden.



Gewaltlosigkeit aus Stärke

Mahatma Gandhi ist zum Symbol für gewaltlosen Widerstand gegen Terror und Unterdrückung geworden. Vor 150 Jahren wurde der indische Rechtsanwalt und Freiheitskämpfer geboren. Der Namenszusatz "Mahatma" ist ein Zeichen der Ehre.

Winston Churchill empörte sich 1931 über den "aufrührerischen Fakir", der "halbnackt" und von gleich zu gleich mit dem Vertreter der englischen Krone zu verhandeln wagte. Zu Lebzeiten stieß Mohandas Karamchand Gandhi (1869-1948) bei vielen auf spöttische Ablehnung. Heute wird er über alle nationalen und religiösen Schranken hinweg als Friedensheiliger und Vorbild verehrt. Am 2. Oktober jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal.

Der Rechtsanwalt, Menschenrechtler und Religionsphilosoph "Mahatma" Gandhi war der geistige und politische Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Im Jahr 1947 erreichte sie mit seinem Konzept des gewaltfreien Widerstandes das Ende der britischen Kolonialherrschaft über Indien. Wenige Monate später, am 30. Januar 1948, wurde der bekennende Pazifist von einem fanatischen Hindu ermordet.

Mensch mit Widersprüchen

Als junger, in London ausgebildeter Rechtsanwalt war Gandhi so schüchtern, dass er in seiner ersten Gerichtsverhandlung in Bombay kein Wort herausbrachte. Später konnte er mit seinen Reden riesige Volksmassen in Bewegung setzen und allein durch seine Anwesenheit Gewaltexzesse verhindern.

In jungen Jahren zwang er seine Frau Kasturbai, als Unterwerfungsbeweis täglich die Toilette zu schrubben. Ihr Verzicht auf aggressive Reaktionen beschämte ihn so sehr, dass er daraus seine Idee der Gewaltlosigkeit entwickelte. Gerade deshalb erinnert man sich an den lächelnden Revolutionär nicht als Ikone, sondern als einen Menschen mit Schwächen und Widersprüchen.

In Südafrika - damals eine britische Kolonie - erlebte Gandhi am eigenen Leib die Rassendiskriminierung und begann als Rechtsanwalt für die indischen Arbeiter zu kämpfen, denen man unverschämt hohe Steuern auferlegte und das Wahlrecht nehmen wollte. Er organisierte gewaltlose Protestmärsche, wurde mehrfach inhaftiert, trat im Gerichtsaal als Ankläger des politischen Systems auf - und erlebte, dass die britische Kolonialmacht Stück für Stück vor dem internationalen Druck zurückwich.

An seinen Überzeugungen hielt er eisern fest: Politische Aktionen brach er unverzüglich ab, wenn seine Anhänger vom Weg der Gewaltfreiheit abwichen. Denn Gewalt sei ein Zeichen von Schwäche, Furcht und Blindheit und werde ungerechte Verhältnisse niemals wirklich ändern.

"Große Seele"

Der hinduistische Begriff Ahimsa, Gewaltfreiheit, bedeutet nicht einfach Verzicht auf Gegenwehr. Gemeint ist Gewaltlosigkeit aus Stärke, aus Kraft durch das Bewusstsein, mit Gott eine Einheit zu bilden. So kann der Gewaltkreislauf durchbrochen werden. Am Ende steht, statt eines kurzlebigen Sieges und der Demütigung des Gegners, der ehrenvolle Kompromiss als Basis für ein neues Miteinander.

"Mahatma" wurde Gandhi in Indien inzwischen genannt - "große Seele". 1920 übernahm er die Führung der Partei "Indian National Congress", die die Unabhängigkeit Indiens erreichen wollte. Gandhi entwickelte das Konzept der "Nichtkooperation": Die Inder sollten der britischen Kolonialmacht einfach jede Zusammenarbeit verweigern und sie so hilflos machen.

Im Frühjahr 1930 zeigte sich an einem prägenden Beispiel der Erfolg seiner Überzeugungen: Die Briten verboten den Indern, Salz zu gewinnen, und die Steuern auf den in den Tropen lebensnotwendigen Stoff waren für die arme Bevölkerung nicht erschwinglich. Im legendären "Salzmarsch" pilgerte Gandhi mit Tausenden Menschen 380 Kilometer weit zur Meeresküste, um dort einen Klumpen Salz vom Strand aufzuheben.

In den nächsten Tagen taten Scharen von Menschen an allen Küsten Indiens dasselbe - überall wurde Salz gewonnen und steuerfrei verkauft. Obwohl die britische Polizei Tausende Inder verhaftete und brutal misshandelte und es zahlreiche Tote gab, verzichteten Gandhis Anhänger auf Gewalt.

Von Fanatiker ermordet

Wieder einmal verhaftet, leitete Gandhi den Widerstand aus seiner Zelle. Weltweit attackierten liberale Politiker und Presseorgane die Härte, mit der die Briten gegen die ausgemergelten, unbewaffneten Freiheitskämpfer vorgingen. Im Jahr nach dem legendären Marsch räumte die britische Krone den indischen Küstenbewohnern das Recht ein, ihr eigenes Salz zu produzieren.

1947 schließlich ist das Ziel erreicht: Indien wird unabhängig. Aber das Land spaltet sich, in das größtenteils hinduistische Indien und das muslimische Pakistan. 1948 schießt ein hinduistischer Fanatiker Gandhi aus Hass auf seine Aussöhnungspolitik mitten ins Herz.

Er wolle ruhig sterben, hatte Gandhi einst gesagt, im Bewusstsein der Nähe Gottes und mit einem Gebet für seinen Mörder, falls jemand ihn töte. Nur dann werde man von ihm sagen können, er habe wirklich die Tapferkeit des Gewaltlosen besessen.

Von Christian Feldmann (epd)


Weltklimarat: Meeresspiegel droht über einen Meter zu steigen


Inselstaat Kiribati im Südpazifik (Archivbild)
epd-bild / Melanie Stello
Der Klimawandel gefährdet Hunderte Millionen Menschen. Besonders ernst wird laut einem neuen Report des Weltklimarats die Lage für Küstenbewohner.

Der Weltklimarat der Vereinten Nationen hat vor einem weiteren Schmelzen der Eismassen und einem unkontrollierten Anstieg des Meeresspiegels über einen Meter gewarnt. Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels veränderten sich die wasserhaltigen Ökosysteme immer stärker und bedrohten Hunderte Millionen Menschen, erklärte das Experten-Gremium am 25. September in Monaco.

Die Länder müssten dringend den Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase verringern, um die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern, forderten die Fachleute in einem Bericht. "Die offene See, die Arktis, die Antarktis und das Hochgebirge dürften für viele Menschen sehr weit weg sein", sagte der Vorsitzende des Weltklimarates, Hoesung Lee. "Aber wir sind von ihnen abhängig", betonte er.

"Nackte Überlebensfrage"

Erst am 23. September hatten Staats- und Regierungschefs auf einem UN-Gipfel in New York Pläne vorgelegt, wie sie der Erderwärmung begegnen wollen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erklärte zu dem neuen Bericht: "Der Klimawandel findet statt, wir müssen handeln." Für die kleinen Inselstaaten und andere Entwicklungsländer sei der Klimawandel zur "nackten Überlebensfrage" geworden.

Ähnlich äußerten sich Hilfs- und Umweltorganisationen. "Das Zeitfenster, in dem wir eine außer Kontrolle geratene Klimakrise noch verhindern können, ist nicht mehr lange geöffnet", betonte die Organisation Germanwatch mit Blick auf den Sonderbericht zu Meeren und Dauerfrostgebieten im Zeitalter der Erderwärmung.

Gletscher in Europa und anderen Regionen würden bis 2100 laut den schlimmsten Szenarios mehr als vier Fünftel ihrer Eismassen verlieren, stellten die Experten des Klimarates fest. Schnee, Eis und Permafrost würden immer mehr auftauen und dadurch Erdrutsche, Lawinen, Steinschläge und Überschwemmungen auslösen.

Ebenso drohe bis zum Ende des Jahrhunderts der Meeresspiegel um 60 bis 110 Zentimeter zu steigen, falls der Ausstoß der Treibhausgase weiter stark zunehme. Selbst wenn die Menschheit es schaffe, die Emission der Gase entschieden zu drosseln, könnte der Meeresspiegel um 30 bis 60 Zentimeter steigen. Die Gründe für die Ausweitung des Meeresvolumens seien das Schmelzen der Eismassen und deren Abfluss genauso wie der Erwärmung des Wassers.

Küstenregionen gefährdet

Ein steigender Meeresspiegel vermehrt laut den Experten das Auftreten extremer Wettersituationen wie Stürme und Riesenwellen. Extremsituationen, die früher einmal pro Jahrhundert zu verzeichnen gewesen seien, würden bei zunehmenden Temperaturen ab der Jahrhundertmitte einmal pro Jahr registriert.

Besonders gefährdet werden laut Weltklimarat die Menschen in den Küstenregionen des Planeten sein. Derzeit lebten rund 680 Millionen Menschen in niedrigen Gebieten am Meer. Auf kleinen Inseln haben 65 Millionen Menschen ihr Zuhause. "Einige Inseln werden wahrscheinlich unbewohnbar werden", warnten die Forscher mit Blick auf mögliche Überflutungen. In hohen Zonen der Gebirge leben den Angaben zufolge 670 Millionen Menschen. Vier Millionen Kinder, Frauen und Männer seien in der arktischen Region beheimatet.

Mehr als 100 Wissenschaftler aus 36 Ländern hatten 7.000 wissenschaftliche Schriften zusammengefasst und bewertet, erklärte der Weltklimarat mit Sitz in Genf. Der Rat hatte 2007 zusammen mit dem Ex-US-Vizepräsidenten Al Gore den Friedensnobelpreis erhalten. Gegründet wurde der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) vom UN-Umweltprogramm und der Weltorganisation für Meteorologie.



Alternativer Nobelpreis für Greta Thunberg


Greta Thunberg (auf einer Kundgebung im Juli in Berlin)
epd-bild / Christian Ditsch
Kampf für Klima und Regenwald, für das Recht indigener Völker und benachteiligter Frauen: Der Alternative Nobelpreis ehrt in diesem Jahr drei Aktivistinnen und einen Aktivisten, die für ihr Engagement sehr viel aufs Spiel setzen.

Der Alternative Nobelpreis geht in diesem Jahr an Greta Thunberg und Aktivisten aus China, Brasilien und Nordafrika. Damit würden "vier Visionäre" geehrt, die Millionen Menschen darin bestärkten, für eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen, erklärte die Right-Livelihood-Stiftung am 25. September in Stockholm. Neben der 16-jährigen Schwedin sind das die Menschenrechtlerin Aminatou Haidar aus der Westsahara, die chinesische Frauenrechts-Anwältin Guo Jianmei sowie der Brasilianer Davi Kopenawa vom Volk der Yanomami. Sie erhalten jeweils eine Million schwedische Kronen (etwa 94.000 Euro) Preisgeld.

Die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg werde für ihre Entschlossenheit ausgezeichnet, ihre Stimme gegen die drohende Klimakatastrophe zu erheben, erklärte die Stiftung. Ihr im August 2018 begonnener Schulstreik für das Klima war Initialzündung für die mittlerweile weltweite Bewegung "Fridays For Future", in der vor allem junge Menschen einen effektiven Klimaschutz fordern. Beim UN-Klima-Sondergipfel am Montag machte Thunberg gegenüber den Regierenden der Welt klar: "Wenn ihr uns im Stich lasst, werden wir euch niemals vergeben." Den Preis aus Stockholm nannte Thunberg eine Ehre. Er gehöre aber nicht ihr allein, wurde sie von der Stiftung zitiert: "Ich bin Teil einer weltweiten Bewegung von Schulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen jeden Alters, die sich entschieden haben, unseren lebenden Planeten zu verteidigen."

"Gandhi der Westsahara"

Aminatou Haidar erhält den Preis für ihren jahrzehntelangen friedlichen Einsatz für die Unabhängigkeit der Westsahara. Sie gilt als eine der angesehensten Vertreterinnen des Volkes der Sahrauis. In ihrer von Marokko annektierten Heimat erhielt sie den Beinamen "Gandhi der Westsahara". Obwohl sie selbst zur politischen Gefangenen wurde, Folter erdulden musste und Morddrohungen ausgesetzt ist, lässt sie sich nicht beirren.

Guo Jianmei zählt zu den renommiertesten Juristinnen Chinas und setzt sich für benachteiligte Frauen ein. Insbesondere kämpft sie gegen häusliche Gewalt sowie sexuelle Belästigung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die Stockholmer Stiftung lobte, dass Guo als erste hauptberufliche Anwältin des Landes eine kostenlose Rechtsberatung angeboten habe. Die Juristin erklärte, sie und ihre Mitarbeiter sähen den Preis "als Bestärkung und Motivation". Die gemeinnützige Rechtsberatung in China stehe derzeit vor großen Herausforderungen.

Der Schamane Davi Kopenawa aus Brasilien setzt sich beharrlich für den Schutz des Yanomami-Volkes im Amazonasgebiet ein. So kämpft er gegen Zerstörung und Ausbeutung des Regenwaldes. Wegen seines Engagements hat Davi Kopenawa mehrfach Morddrohungen erhalten. Er erklärte, der Alternative Nobelpreis gebe ihm Kraft, weiter für die Seele des Amazonaswaldes zu kämpfen.

Verliehen werden die Auszeichnungen am 4. Dezember in Stockholm. Seit der Alternative Nobelpreis 1980 ins Leben gerufen wurde, sind damit 178 Personen und Organisationen aus über 70 Ländern gewürdigt worden.



Gipfel mit Greta

Nach einer Brandrede von Greta Thunberg präsentieren die Regierenden im UN-Hauptquartier ihre Vorhaben zum Klimaschutz. Ein Bündnis der Ambitionierten soll vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Chile mobilisieren - damit aus Worten Taten werden.

Als die Regierenden der Welt mit Flugzeugen und Limousinen zum Gipfel anreisen, setzt Greta Thunberg via Twitter ein Foto ab. Es zeigt die schwedische Klima-Aktivistin in der New Yorker U-Bahn. "Auf dem Weg zu den Vereinten Nationen", twittert sie am Morgen des 23. September. Kurz darauf wird sie beim Klima-Sondergipfel im UN-Hauptquartier mit großem Applaus empfangen. Thunberg ist aber nicht da, um Höflichkeiten auszutauschen. Das macht sie schon im ersten Satz ihrer Rede deutlich: "Meine Botschaft ist: Wir beobachten euch." Und sie schließt mit den Worten: "Wenn ihr uns im Stich lasst, werden wir euch niemals vergeben."

Trump schaut nur kurz vorbei

Allerdings sind einige derer, die den Klimawandel am vehementesten bestreiten, gar nicht unter ihren Zuhörern. Denn hochkarätig ist die Veranstaltung nur von jenen Ländern besetzt, die sich in Sachen Klimaschutz und Minderung von CO2-Emissionen mehr Mühe geben wollen. Regierungen mancher Staaten, die zu den größten Treibhausgasverursachern gehören, sind nicht auf höchster Ebene präsent. So ist US-Präsident Donald Trump zwar am selben Tag nur wenige Schritte von Thunberg entfernt unterwegs - doch spricht er auf einer anderen Veranstaltung, bei der es um einen globalen Aufruf zum Schutz der Religionsfreiheit geht. Nur kurz schaut er im Saal beim Klimagipfel vorbei.

Zu Beginn macht UN-Generalsekretär António Guterres nochmal deutlich: "Dies ist kein Klima-Gesprächs-Gipfel. Wir haben genug gesprochen. Dies ist kein Klima-Verhandlungs-Gipfel. Man verhandelt nicht mit der Natur. Dies ist ein Klima-Aktions-Gipfel." Sein Ziel ist es, drei Monate vor dem nächsten regulären Weltklimagipfel in Chile mehr Druck alle Staaten aufzubauen, da die bisherigen Bemühungen längst nicht reichen.

Die Rednerliste kann sich durchaus sehen lassen: Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprechen Indiens Ministerpräsident Narendra Modi, die neuseeländische Regierungschefin Jacinda Ardern, Pakistans Ministerpräsident Imran Khan und rund 60 weitere Staats- und Regierungsvertreter.

Chile stellt Bündnis vor

Unter ihnen ist auch der chilenische Präsident Sebastián Piñera, Gastgeber der Weltklimakonferenz im Dezember. Er stellt das "Klima-Ambitions-Bündnis" vor, das noch zögerliche Länder mobilisieren soll. So sollen Dutzende Staaten als Vorreiter für den Klimaschutz vorangehen. Nach chilenischen Angaben haben inzwischen 59 Länder signalisiert, ihre Klimaziele im kommenden Jahr ambitionierter gestalten zu wollen. Elf weitere hätten vorbereitende Maßnahmen dafür getroffen. 66 Staaten der Klimarahmenkonvention, darunter auch Deutschland, sowie 10 Regionen, 102 Städte, 93 Unternehmen und 12 Investoren gaben ferner an, bis 2050 klimaneutral sein zu wollen. Zu den ambitioniertesten Staaten gehören vor allem jene, die als erste von der Erderwärmung betroffen sind, wie die Inselstaaten Bahamas, Fidschi und die Malediven.

Merkel stellt als Rednerin die Beschlüsse des Klimakabinetts vor, die in Deutschland auf scharfe Kritik stoßen, weil Wissenschaftler und Umweltschützer sich für unzureichend halten. Selbst das Umweltbundesamt hat Zweifel, dass die Beschlüsse ausreichen, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. "Insgesamt sehen wir uns und unser Land vor einem tiefgreifenden Wandel, bei dem wir durch Anreize auch die Menschen mitnehmen müssen", verteidigt Merkel das Klimapaket. "Deutschland sieht seine Verantwortung international und national", versichert sie.

Beschwerde beim UN-Kinderrechtsausschuss

Greta Thunberg und andere Jugendliche wollen sich auf die Worte der Regierenden nicht mehr verlassen. 16 Kinder und Jugendliche aus zwölf Ländern im Alter zwischen 8 und 17 Jahren - unter ihnen Thunberg - haben eine offizielle Beschwerde beim UN-Kinderrechtsausschuss eingereicht: Sie werfen den Staaten, unter anderem Deutschland, vor, dass sie zu wenig gegen die Klimakrise tun und damit gegen die weltweit gültigen Kinderrechte verstoßen.

Von Mey Dudin (epd)


Kritik an Klimapaket reißt nicht ab

"Mutlos", "ungenügend", "teure Homöopathie": Das Klimapaket der Bundesregierung stößt bei vielen auf scharfe Kritik. Wissenschaftler sind "entsetzt" über die geplanten Maßnahmen, die Umweltverbände fordern eine Rücknahme.

Die Kritik an den Klimabeschlüssen der großen Koalition reißt nicht ab. Umwelt- und Naturschutzverbände forderten am 23. September in einer gemeinsamen Pressekonferenz weitgehende Nachbesserungen oder die Rücknahme des am 20. September beschlossenen Klimapakets. Das Umweltbundesamt äußerte Zweifel, dass die Beschlüsse ausreichen, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Die Wissenschaftlervereinigung "Scientists for Future" erklärte, man sei entsetzt über die Mutlosigkeit des Klimapakets. Die vorgestellten Maßnahmen seien "absolut ungenügend" und würden der Dringlichkeit der Klimakrise sowie den anzustrebenden Reduktionszielen nicht gerecht.

Die beschlossenen Maßnahmen seien nichts anderes als "teure Homöopathie", kritisierte der Präsident des Deutschen Naturschutzring (DNR) Kai Niebert. Greepeace-Chef Martin Kaiser sagte, mit dem Paket werde alles ignoriert, was die Wissenschaft sage.

Geliefert worden sei nur ein Drittel von dem, was notwendig wäre, um das Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen, sagte DNR-Präsident Niebert. "Mit diesem Paket begeben wird uns auf einen Pfad einer 3,5 Grad-Erwärmung und stoppen die Klimakrise nicht, sondern heizen sie noch an", warnte er.

Die Vorstandsvorsitzende von Germanwatch Silvie Kreibiehl kritisierte, wieder werde sehr viel auf spätere Jahre verschoben. Die Regierung handele "mutlos und zaghaft", dabei seien die Menschen im Land bereit für ein Umsteuern, betonte Kreibiehl. Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hubert Weiger sprach von einem "weiteren Kapitel des politischen Versagens". Die Rechung dafür "werden wir alle zu zahlen haben", warnte Weiger.

Die Bundesregierung hatte am Freitag ein 54-Milliarden-Euro-Paket für den Klimaschutz auf den Weg gebracht. Es enthält ein Klimaschutzgesetz mit ganz konkreten Vorgaben, die Einführung eines CO2-Preises sowie finanzielle Anreize für umweltfreundliches Verhalten. Das Paket will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag auch beim UN-Klimagipfel in New York vorstellen.

Auf Kritik stößt besonders die geplante CO2-Bepreisung von zehn Euro pro Tonne ab 2021, die bis 2025 auf knapp unter 40 Euro ansteigen soll. Experten wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung fordern dagegen einen höheren Einstiegspreis und eine Steigerung bis auf 180 Euro bis 2030. Die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Montag), sie erwarte von der geplanten Bepreisung keinerlei Lenkungswirkung. Es müssten deutlich mehr Angebote zur Förderung des klimaschonenden Verkehrs folgen, sagte Krautzberger. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der Zeitung, er habe sich mehr gewünscht. Die Umweltverbände appellierten an die Länder, das Klimapaket im Bundesrat zu stoppen.

Das Bundesumweltministerium hat am Montag das Fehlen der geplanten Klimaprämie zugunsten von Entlastungsmaßnahmen für die Bürger verteidigt. Eine Klimaprämie, mit der klimafreundliches Verhalten gefördert werden sollte, habe sich als zu bürokratisch erwiesen, sagte eine Sprecher. Stattdessen habe man sich unter anderem auf einen niedrigeren Strompreis und eine Anhebung der Pendlerpauschale verständigt.



UN-Ausschuss prüft Klima-Beschwerde von Jugendlichen

Der UN-Ausschuss für Kinderrechte prüft die Beschwerde der Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die sie zusammen mit weiteren Kindern und Jugendlichen gegen mehrere Länder eingereicht hat. Es werde nun geklärt, ob die Beschwerde wegen mangelnden Klimaschutzes zulässig sei, teilte das federführende UN-Hochkommissariat für Menschenrechte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 24. September in Genf mit. Falls die Beschwerde zulässig sei, werde ein Verfahren eingeleitet.

Eine sogenannte Individualbeschwerde ist nach dem dritten Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention möglich, das 2014 in Kraft trat. Deutschland hat das Protokoll ratifiziert. In der Regel muss vor einer Beschwerde bei dem UN-Ausschuss der jeweilige nationale Rechtsweg ausgeschöpft sein. Ausnahmen kann es aber geben, falls es sich um ein globales Problem handelt oder der Weg durch die Gerichte zu lange dauern oder aussichtslos sein würde.

15 Jungen und Mädchen

Die Schwedin Thunberg sowie 15 Jungen und Mädchen aus anderen Staaten, alle zwischen acht und 17 Jahren alt, hatten laut Unicef die Beschwerde angestrengt. Darin werfen sie den Regierungen ihrer Länder mangelndes Vorgehen gegen den Klimawandel und damit eine Verletzung der Kinderrechte vor. Die Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen kommen unter anderem aus Brasilien, Frankreich, Deutschland, Indien, den Marshallinseln, Nigeria, Tunesien und den USA. Sie verlangen von dem UN-Ausschuss, Kinder vor den verheerenden Folgen des Klimawandels zu schützen.

Der UN-Ausschuss überprüft laut dem Deutschen Institut für Menschenrechte die Umsetzung der Kinderrechtskonvention von 1989 und der zugehörigen Fakultativprotokolle durch die Vertragsstaaten. Die 18 Experten und Expertinnen des Ausschusses treffen drei Mal im Jahr in Genf zusammen. Sie geben Empfehlungen ab, die aber völkerrechtlich nicht verbindlich sind. Das Gremium kann den Angaben zufolge "auch Individualbeschwerden gegen einen Vertragsstaat des Protokolls prüfen sowie bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen Untersuchungsverfahren durchführen".



Hunderte Demonstranten beim Klimastreik in Erfurt

In Erfurt haben sich am 27. September mehrere Hundert vor allem junge Menschen am "Klimastreik" beteiligt. Die Demonstranten aus ganz Thüringen waren einem Aufruf von "Fridays For Future" gefolgt. Sie versammelten sich zunächst vor der Staatskanzlei und zogen danach über den Anger bis zum Landtag im Erfurter Süden. Dabei forderten sie auf Plakaten und in Sprechchören einen konsequenteren Klimaschutz. Symbolisch fünf Minuten vor zwölf Uhr läuteten zudem die Glocken Erfurter Kirchen.

Neben "Fridays For Future" unterstützte ein breites Bündnis den Protest. Das Spektrum reichte von Gewerkschaften über "Parents" und "Scientists For Future" bis hin zu Wohlfahrtsverbänden und Umweltschützern. Die Organisatoren hatten vier Wochen vor der Landtagwahl die Parteien darum gebeten, den Protest nicht für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Parteifahnen waren deshalb im Demonstrationszug unerwünscht.

Mit ihrer Kritik machten die Demonstranten auch nicht vor dem rot-rot-grünen Regierungsbündnis Halt. Deren Politiker brüsteten sich gern mit dem ersten Klimagesetz der neuen Bundesländer. Aber sie ließen dabei meistens aus, dass dieses Gesetz Klimaneutralität erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts vorsehe, sagte Annika Liebert vom Organisationsteam des "Klimastreiks". Die Landwirtschaft als klimaschädlicher Faktor werde komplett ignoriert und die weniger gewordenen Emissionen seien zum Großteil dem Rückbau von Industrien nach der Wende geschuldet. "Wir wollen klar machen, dass wir uns das nicht länger bieten lassen", erklärte Liebert kämpferisch.



Widerspruch nach Thüringer Regierungserklärung zum Klimaschutz

Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung fordert mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. "Nicht handeln können wir uns nicht leisten", sagte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) am 27. September bei einer Regierungserklärung im Landtag. Sie kündigte einen Antrag des Freistaats am 11. Oktober im Bundesrat an, mit dem eine Aufnahme des Klimaschutzes in das Grundgesetz beschlossen werden soll.

Thüringen sieht sich selbst bundesweit als Vorreiter beim Klimaschutz. Das belege neben dem neuen Klimagesetz auch die Energie- und Klimaschutzstrategie des Landes, so die Umweltministerin. Sie verwies auf die ehrgeizigen Ziele, die sich das Land gesetzt habe. So soll die in Thüringen verbrauchte Energie bis 2040 vollständig aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind im Land selbst produziert werden. Vom "Jobmotor erneuerbare Energien" verspricht sie sich auch wirtschaftliche Chancen für das Land.

Siegesmund sprach sich in diesem Zusammenhang für die Gewinnung von Windenergie in Wäldern aus. Das könne zum Beispiel auf Flächen geschehen, die der Borkenkäfer stark geschädigt habe. Die Thüringer Wälder würden durch die Klimakrise gefährdet, nicht durch zwei Windräder, sagte die Politikerin der Grünen.

Die oppositionelle CDU warf der Landesregierung unterdessen fehlende Visionen für die Zukunft vor. Sie konzentriere sich nur auf die Gegenwart. Zudem drohe der Klimaschutz bei Rot-Rot-Grün zum Elitenprojekt zu werden, weil die Folgen für Pendler, Geringverdiener und den ländlichen Raum nicht beachtet würden. Die Erderwärmung lasse sich nicht mit sozialer Kälte bekämpfen, sagte der Abgeordnete Stefan Gruhner.



Auf dem Weg zum "Klima-Winzer"


Badischer Weinbauer will "Klima-Winzer" werden
epd-bild / Norbert Neetz
Winzer David Klenert aus dem mittelbadischen Kraichtal baut seine Reben so an, dass der Boden im Weinberg mehr Humus bildet und mehr Kohlendioxid binden kann: "Ich will die Böden fitmachen für den Klimawandel und kommende Generationen."

Deutsche Winzer könnten sich eigentlich über die Erderwärmung freuen. "Wir sind die einzigen in der Landwirtschaft, die zumindest teilweise vom Klimawandel profitieren", sagt David Klenert, Weinbauer in Kraichtal, 25 Kilometer nordöstlich von Karlsruhe. Die Qualität der Weine sei in den vergangenen 20 Jahren sehr viel besser geworden. Dennoch fühlt sich Klenert mitverantwortlich, in seinen Weinbergen der Aufheizung der Atmosphäre etwas entgegenzusetzen.

Der 30-Jährige hat sich deshalb auf den Weg gemacht, Deutschlands erster "Klima-Winzer" zu werden. Vorausgegangen waren Überlegungen, wie sich die Qualität der Böden verbessern lässt. Hier ist seiner Einschätzung nach in den vergangenen Jahrzehnten im konventionellen Weinbau vieles falsch gelaufen. Anstatt die natürliche Biologie zu unterstützen, habe man vor allem auf Dünger und Pflanzenschutzmittel gesetzt. Das Ergebnis: Der Anteil des Humus, in dem Pilze und Bakterien den Rebwurzeln zuarbeiten, sei auf 1,5 Prozent gefallen.

Gräser, Kreuzblütler und Leguminosen

Die Mission des Jungunternehmers, den auch sein christlicher Glaube motiviert: "Ich will die Böden fitmachen für den Klimawandel und für nachfolgende Generationen." Dazu hat er mit einem befreundeten Landwirt aus dem Nachbardorf und mit dem Zertifizierungsunternehmen "CarboCert" aus Bodnegg bei Ravensburg eine mehrgleisige Strategie entwickelt. Zum einen hält er den Boden zwischen den Rebstöcken nicht mehr grünfrei, sondern pflanzt dort gezielt Gräser, Kreuzblütler und Leguminosen an. "Jede Pflanzenart füttert einen anderen Teil der Bodenbiologie", erklärt er.

Im nächsten Schritt werden diese Pflanzen zwischen den Reben in einer dünnen Schicht von zwei bis drei Zentimetern umgegraben. "Einschälen" nennen die Experten dieses Verfahren. In diesem Prozess - und das ist die Besonderheit von Klenerts Bewirtschaftung - sprüht er Milchsäurebakterien auf das umgepflügte Grün, die verhindern, dass der Pflanzensaft einfach wegtrocknet. Stattdessen verwandeln die Bakterien ihn in organische Masse.

Mehr Humus, mehr Biodiversität

Wenn der Humusanteil im Boden um einen Prozentpunkt steigt, bindet das nach Angaben von CarboCert rund 50 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar bezogen auf 25 Zentimeter Bodentiefe. Das Treibhausgas wird also auf natürliche Weise im Boden gehalten und kann dem Klima nicht länger schaden.

Mehr Humus bedeute auch mehr Biodiversität und bessere Wasseraufnahme, betont Wolfgang Abler von CarboCert. Das Unternehmen arbeitet mit mehr als 200 "Klima-Landwirten" in Deutschland und der Schweiz zusammen. Über Zertifikatshandel bekommen sie Geld, wenn sie messbar Humus aufbauen und damit CO2 im Boden speichern.

Klenerts Ziel ist es, auf seiner derzeitigen Weinbaufläche von 11,5 Hektar den Humusanteil von aktuell durchschnittlich 2,2 auf rund 4,5 Prozent zu verdoppeln. Seiner Kenntnis nach arbeite er bislang als einziges Weingut in Deutschland mit dem Milchsäurebakterien-Verfahren.

Fäulnisprobleme

Beim Staatlichen Weinbau-Institut in Freiburg sieht man die Methode weniger euphorisch. Bodenexpertin Monika Riedel warnt vor einer zu starken Erhöhung des Humusanteils, weil das zu Fäulnisproblemen führen könne. In der Regel seien zwei Prozent ein optimaler Wert - auf tonigen Böden brauche es mehr, auf sandigen weniger.

Die Expertin weist zudem darauf hin, dass mehr Humus zwar mehr Kohlendioxid binde, dieser Stoff aber bei der Bodenbearbeitung oder dem Roden des Weinbergs zeitversetzt wieder freigegeben werde. Fürs Klima sei deshalb nur vorübergehend, aber nicht dauerhaft etwas gewonnen.

Mit seinem Winzerbetrieb ist Jungunternehmer und Familienvater Klenert jedenfalls ein guter Start gelungen: Das Land Baden-Württemberg hat seinen Cuvée rot unter 140 Einsendungen als den besten befunden und ordert ihn zwei Jahre lang für Ehrungen, Empfänge und Feste. Er selbst allerdings, sagt Klenert, trinke werktags in der Regel keinen Alkohol. Allenfalls gelegentlich bei einem Fest.

Von Marcus Mockler (epd)


Vollwertkost für Regenwürmer


Regenwürmer bereiten den Boden für eine reiche Ernte
epd-bild / Steffen Schellhorn
Fruchtbare Böden sind der Grundpfeiler unserer Nahrungsmittelproduktion. Doch sie sind nicht einfach da, sondern müssen auch geschützt werden. Eine schonende Bewirtschaftung nutzt auch dem Klimaschutz.

Sie sind Feinschmecker: Gelbklee, Labkraut, Wilde Möhre und Wiesensalbei, vor allem aber Bockshornklee stehen auf dem Speiseplan der Regenwürmer. "Die lieben aromatische Gewürzkräuter", so beschrieb es Bio-Landwirt Josef Braun aus Freising dem Autor Florian Schwinn. Braun füttert seine Würmer mit Bedacht: Er weiß, dass er ihnen den Humus auf seinen Äckern verdankt. Denn durch die Verdauung von organischem Material produzieren die Würmer den nährstoffreichen Bodenbestandteil.

"Humusoffensive" hat Florian Schwinn ein Kapitel in seinem Buch "Rettet den Boden" genannt, das im Frühjahr erschienen ist. Humus macht nicht nur den Boden fruchtbarer, er speichert auch CO2. Rundfunkjournalist Schwinn ist mit Josef Braun und anderen Biobauern über deren Felder gegangen, um sich ein Bild davon zu machen, wie es um unsere Böden bestellt ist und wie sie zu retten sind. "Regenerative Landwirtschaft" und "Humusaufbau" sind dabei wichtige Stichworte.

"Mesofauna"

Was ist überhaupt der Boden, aus dem unsere Nahrung sprießt? Ein Lebensraum nicht nur für Regenwürmer, die die obersten Schichten besiedeln: Sie ziehen die aufliegende, verrottende Pflanzenstreu in ihre Röhren hinab, um sie dort zu verdauen und "Wurmhumus" zu hinterlassen. Unter ihnen siedelt die "Mesofauna" mit Milben, Weißwürmern und Springschwänzen, noch tiefer leben die Räder-, Wimper- und Geißeltierchen der "Mikrofauna" und darunter dann Algen, Pilze und Bakterien.

Sie alle strukturieren den Boden mit Poren zum Atmen und Trinken. Was sie nicht brauchen, ist ein Pflug, der beim Wenden die Erde durcheinanderwirft. Oder ein schweres Erntefahrzeug, das den Boden so verdichtet, dass er kein Wasser mehr aufnehmen kann. Dann fließt Starkregen ab.

"Besonders schlimm ist es, wenn der Regen auf unbewachsenen Boden trifft", sagt die Agrarwissenschaftlerin Brunhilde Bross-Burkhardt, die "Das Boden-Buch" verfasst hat. Wenn viel Wasser auf unbewachsenen Boden fällt, wird er abgeschwemmt. Der Boden erodiert. "Im schlimmsten Fall sind Schlammlawinen die Folge", sagt Bross-Burkhardt.

"Perfekte Glyphosat-Alternative"

Florian Schwinn hat auch den Biobauern Josef Hägler in der Oberpfalz besucht. Der setzt auf pfluglose Bearbeitung seiner Äcker und auf Unterpflanzung seiner Kulturen: Er fräst seinen Boden nur drei Zentimeter tief, düngt ihn mit kompostiertem Mist und grubbert ihn anschließend fünf Zentimeter tief. "Das ist die perfekte Alternative zum Glyphosat", schreibt Florian Schwinn. Zudem achtet Hägler darauf, dass seine Böden immer bedeckt sind: "Er arbeitet mit Untersaaten aus Kräutern und Kleegras, so dass unter der Hauptfrucht schon etwas wächst, was bei der Ernte stehen bleibt", erläutert Schwinn.

Zum Bodenschutz gehört aber nicht nur das Gründüngen, etwa mit tiefwurzelnder Luzerne, sondern "unbedingt auch ein Stopp des Flächenverlusts", betont Bross-Burkhardt. Schwinn denkt beim Stichwort "Flächenverlust" sofort an jene Bürgerinitiative, die seit mehreren Monaten in Nordost-Hessen 80 Hektar Land besetzt hat. Denn hier bei Hebenshausen im Werra-Meißner-Kreis will ein Logistikcenter sich niederlassen: "Im schönsten Bördeboden", schimpft Schwinn.

Vielerorts werden Böden versiegelt und mit Häusern und Straßen überbaut. Oder sie werden mit Gülle überdüngt, wo zu viele Tiere gehalten werden. Gülle-Verstromung wäre eine Alternative, schlägt Schwinn vor.

"Weg von der Flächenzahlung"

Vor allem aber sollten die Subventionsrichtlinien der Europäischen Union erneuert werden, fordert der Autor: "Wir müssen weg von der Flächenzahlung." Sonst würden Agrarbarone der norddeutschen Agrarsteppe für ihren Raubbau belohnt, und die Kleinbauern gingen leer aus.

"Das rechnet sich für uns nicht." Wie oft hat der Journalist bei seiner Recherche für die Rettung der Böden diese Klage gehört. "Lasst uns nicht darauf beharren, dass alles bio sein muss", mahnt Schwinn. Er wirbt für eine "Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft". Und Brunhilde Bross-Burkhardt appelliert an ihre Leser, "sich hineinzudenken in den Boden, ihn zu befühlen, an ihm zu riechen, sich ihm sinnlich anzunähern. Wenn man etwas kennt und schätzt, dann schützt man es auch."

Von Claudia Schülke (epd)


Ramelow fordert regionale Energiewende

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich für eine regionale Energiewende ausgesprochen. "Ich bin für Atomausstieg, ich bin für Kohleausstieg", sagte er den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (28. September). Die Energiewende brauche jedoch eine regionale Architektur. Das Klimapaket der Bundesregierung bezeichnete er als "respektable Fleißarbeit", aber inhaltlich vage. Thüringen werde es im Bundesrat also ablehnen, betonte er.

"Die entscheidenden Punkte stehen doch gar nicht drin", kritisierte Ramelow. Beispielsweise werde über die Besteuerung von Billigflügen diskutiert, während vielmehr eine deutliche finanzielle Entlastung des Schienenverkehrs notwendig sei. "Wenn wir eine Schienenoffensive machen wollen, müssen wir die Transportkosten deutlich verbilligen", erklärte der Linken-Politiker. "Wir brauchen eine Umsteuerung, die dazu führt, dass der Bürger auf sein Auto verzichten kann." Zugleich dürfe das Auto nicht diskreditiert werden.

Die große Koalition hat sich am 20. September auf ein 54 Milliarden Euro schweres Maßnahmenpaket zum Klimaschutz geeinigt, das am Mittwoch auch vom Bundeskabinett gebilligt wurde. Es enthält unter anderem die Einführung eines CO2-Preises, der fossile Brenn- und Kraftstoffe wie Heizöl, Benzin und Diesel teurer macht. Die Mehrbelastungen sollen unter anderem durch eine Anhebung der Pendlerpauschale und des Wohngelds ausgeglichen werden.



Kompletter Schutz für "Grünes Band" gefordert

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat 30 Jahre nach dem Mauerfall eine lückenlose Ausweisung der ehemaligen innerdeutschen Grenze als Nationales Naturmonument gefordert. "Das 'Grüne Band' ist weltweit einmalig, als Biotopverbund und als Landschaft der Erinnerung", sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger am 28. September in Berlin. Es biete tausenden Tier- und Pflanzenarten Lebensraum "und lässt uns mit seinen historischen Relikten die Unmenschlichkeit von unüberwindbaren Grenzen spüren".

Mit einer lückenlosen Ausweisung des "Grünen Bandes" als Nationales Naturmonument würde "dem massiven Artensterben ebenso wie dem Vergessen oder Verklären von innerdeutscher Teilung und Grenze" begegnet, so Weiger weiter. Er verwies darauf, dass vor knapp einem Jahr Thüringen bereits seinen Anteil am "Grünen Band" als Nationales Naturmonument ausgewiesen habe. Nun müssten auch die anderen Bundesländer an der ehemaligen innerdeutschen Grenze rasch folgen. Zudem sollte die Ausweisung des "Grünen Bandes" als Unesco-Welterbe vorangetrieben werden.



Rund 1.000 Menschen bei "Wir haben es satt!"-Demo in Erfurt

Rund 1.000 Menschen haben nach Veranstalterangaben am 28. September in Erfurt unter dem Motto "Wir haben es satt!" für eine umweltverträgliche Landwirtschaft in Thüringen demonstriert. Dazu aufgerufen hatte ein Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL). Für die Demonstration wurden auch etwa 40 Traktoren in die Landeshauptstadt gefahren, wie Burkhard Vogel vom BUND Thüringen dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.

Vier Wochen vor der Thüringer Landtagswahl forderten die Demonstranten eine zukunftsfähige Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung sowie Klimagerechtigkeit. Mit der Demonstration sollte den Angaben zufolge ein Zeichen gesetzt werden, dass viele Bauern bereit seien, ihre Höfe umzubauen. "Sie wollen mit einer umweltverträglichen Landwirtschaft auch langfristig ihre Existenz sichern und ein auskömmliches Einkommen erwirtschaften", hatte der AbL-Landesvorsitzende, Michael Grolm, vorab betont.

Als Bedrohung für die biologische Artenvielfalt hatte Martin Schmidt, der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (NABU), die industrielle und konventionelle Landwirtschaft kritisiert. Ron Hoffmann, Landesvorsitzender beim Umweltverband BUND, sprach sich für eine bäuerliche und ökologische Landwirtschaft aus, "welche nicht unsere Böden auslaugt, das Grundwasser verseucht und auf Massentierhaltung setzt".

Zum Bündnis "Wir haben es satt" gehören den Angaben zufolge auch der Erzeugerverband "Thüringer Ökoherz", der Tierschutzbund, Bioland, Demeter und die Naturfreunde.



Gutes Storchenjahr für Thüringen

Thüringen erlebt ein gutes Storchenjahr. "In der Brutsaison 2019 waren im Freistaat 72 Storchennester bewohnt und 142 Junge wurden flügge", sagte Klaus Schmidt, der Storchenexperte beim Naturschutzbund (Nabu) Thüringen am 26. September in Leutra. Damit sei nicht nur das Rekordjahr 2018 mit 62 gemeldeten Nestern und 138 ausgeflogenen Jungstörchen übertroffen worden. In dieser Brutsaison habe es sogar so viele besetzte Nester wie schon seit über 100 Jahren nicht mehr gegeben, erklärte er.

Der Experte schätzte die Nachwuchsrate für 2019 trotz Hitze und langer Trockenheit als zufriedenstellend ein. Sie habe mit einem Mittelwert von fast zwei Jungen pro Brutpaar geringfügig unter dem langjährigen Durchschnitt gelegen, fügte er hinzu.

Als er 1958 mit dem Registrieren der Störche in Thüringen angefangen habe, war die Anzahl mit fünf besetzten Nestern überschaubar, so Schmidt. Viele Jungstörche seien damals an Mittelspannungsleitungen verunglückt; das Aussterben schien nah. Allerdings habe dann nach langer Stagnation sehr zögerlich eine Zunahme eingesetzt. Ab 2010 stieg die Zahl besetzter Nester laut Schmidt kontinuierlich an.

Thüringen habe inzwischen auch zwei Storchendörfer, also Orte mit mindestens fünf Nestern. Beide - Breitungen mit fünf und Berka mit sechs Brutpaaren - lägen in der Werraaue. Die meisten Brutorte seien im Wartburgkreis (27) sowie in den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen (zehn) Gotha (acht) zusammengekommen. Bei den Neuansiedlungen sei den Ornithologen aufgefallen, dass etliche Neuankömmlinge auch ohne menschliche Hilfe zurechtgekommen wären, erläuterte Schmidt.




Medien & Kultur

Evangelischer Medienpreis für sechs Rundfunk-Produktionen


Die Preisträgerinnen und Preisträger, links der evangelische Medienbischof Volker Jung
epd-bild / Verena Brüning
Hörfunk, Fernsehen, Internet: Die evangelische Kirche hat mit dem Robert Geisendörfer Preis Vorbildliches in den Medien ausgezeichnet.

Sechs Medienproduktionen sind am 26. September in Berlin von der evangelischen Kirche mit dem Robert Geisendörfer Preis ausgezeichnet worden. Zudem übergab der Medienbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Volker Jung, den Sonderpreis 2019 an das gemeinsame Online-Angebot von ARD und ZDF, Funk. Die Preise sind mit insgesamt 30.000 Euro dotiert, der Sonderpreis ist undotiert.

Die Jury "Allgemeine Programme" unter Vorsitz des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Jung vergab die Hörfunk-Preise an das Feature "Endstation Sahel?" (SWR, 2018) über Flüchtlinge im Tschad und die Reportage "Die gefallenen Mädchen" (BR, 2018) über den Handel mit Kindern unverheirateter Mütter. In der Kategorie Fernsehen ging der Preis an den Spielfilm "See You" (ZDF/3sat, 2018), der zeigt, wie eine blinde Studentin mit großer Energie und Lebensfreunde ihre Zukunft gestaltet, sowie an den "Panorama"-Beitrag "Zurück im Osten" (NDR, 2018) als "Paradebeispiel" einer gelungenen Reportage. Bei den "Kinderprogrammen" wurden der Beitrag "Trudes Tier" in der "Sendung mit der Maus" (WDR) und "Das Märchen von der Regentrude nach Theodor Storm" (NDR) ausgezeichnet, beide aus dem vergangenen Jahr.

Den diesjährigen Sonderpreis erhielten Florian Hager, Programmgeschäftsführer von Funk, und seine Stellvertreterin Sophie Burkhardt. Gewürdigt wurde damit bei der Preisgala im Haus des Rundfunks des RBB die Leistung der beiden für die Konzeption und den Aufbau des gemeinsamen Content-Netzwerkes von ARD und ZDF. Laudatorin Yvette Gerner, Intendantin von Radio Bremen, nannte es eine große Leistung der Politik und der öffentlich-rechtlichen Anstalten, das Angebot für Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren vor mehr als drei Jahren gestartet zu haben.

Den Preisträgern Hager und Burkhardt mit ihrem Team attestierte Gerner eine "Pionierleistung". Auch Jung würdigte den neuen Weg, junge Menschen mit öffentlich-rechtlichen Angeboten zu erreichen. Hiervon wolle sich die evangelische Kirche "eine Scheibe abschneiden", um für Jugendliche und junge Menschen attraktiv zu sein.

Der Robert Geisendörfer Preis wird seit 1983 jährlich im Gedenken an den Publizisten Robert Geisendörfer (1910-1976) verliehen. Ausgezeichnet werden Sendungen aus allen Programmsparten, die das persönliche und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken und zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter beitragen. Mit dem Sonderpreis wird jeweils eine exemplarische publizistische oder künstlerische Leistung gewürdigt.

Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), dem die organisatorische Betreuung des Preises obliegt, ist die zentrale Medieneinrichtung der EKD, ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen. Zum GEP gehört unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd).



Verwaltungsgericht: "Bild"-Livestreams sind Rundfunk

Die Livestream-Angebote von "Bild.de" sind als zulassungspflichtiger Rundfunk einzustufen. Zu diesem Schluss kommt das Berliner Verwaltungsgericht in einem Urteil vom 26. September, wie ein Gerichtssprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Die Klage des Medienkonzerns Axel Springer gegen die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) wurde demnach in weiten Teilen abgewiesen. Gegen das Urteil wurde Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen. (AZ VG 27 K 365.18)

Konkret ging es um die Formate "Die richtigen Fragen", "Bild-Sport-Talk mit Thorsten Kinhöfer" und "Bild-Live". Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten hatte die Livestreams im April 2018 als zulassungspflichtig eingestuft. Die MABB als zuständige Aufsichtsbehörde hatte Springer daraufhin per Bescheid aufgefordert, einen Zulassungsantrag zu stellen. Zudem untersagte sie die Verbreitung der Streams, sofern Springer dafür keine Lizenz beantragt.

"Bild.de" durfte die Streams zunächst trotzdem weiter verbreiten, nachdem sowohl das Verwaltungsgericht Berlin als auch in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Eilverfahren entsprechend entschieden hatten. Springer hatte sich mit dem Eilantrag gegen die sofortige Vollziehbarkeit des MABB-Bescheids gewehrt.

Ob ein Video-Angebot im Netz eine Rundfunklizenz benötigt, müssen die Medienanstalten nach derzeitiger Rechtslage im Einzelfall prüfen.



MDR will an Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien festhalten

Der MDR strebt eine weitere Zusammenarbeit mit ost- und mitteleuropäischen Partnern an. Insbesondere an Kooperationen mit den polnischen und tschechischen Hörfunk- und Fernsehanstalten solle festgehalten werden, teilte der MDR am 23. September zur Rundfunkratssitzung in Leipzig mit. In den vergangenen drei Jahren seien zum Teil Projekte wegen der politischen Entwicklungen in den Nachbarländern "ins Stocken geraten".

Wie die MDR-Intendantin Karola Wille erklärte, gebe es jedoch "einige ermutigende Anzeichen, dass bestehende Vereinbarungen wiederbelebt werden können". Eine regelmäßige Berichterstattung könnte zum besseren Verständnis auf beiden Seiten der Grenzen beitragen, erklärte der MDR-Rundfunkratsvorsitzende Horst Saage. Es gebe eine Vielzahl von kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Anknüpfungspunkten.

2015 seien mehrere Kooperationsverträge der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen und in Tschechien geschlossen worden. Als Folge der nationalen Parlamentswahlen in Polen konnte dem MDR zufolge eine Zusammenarbeit zwischen Warschau und Leipzig nicht fortgesetzt werden.

Inzwischen sei es jedoch gelungen, im Programmalltag mit einzelnen Projekten wie dem Austausch von Programmen, Koproduktionen und gemeinsamen Programmtagen wieder enger zusammenzurücken. Darüber hinaus engagiert sich der MDR in der gemeinsamen Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten der Nachbarländer. Der MDR-Rundfunkrat tagte am Montag erstmals öffentlich.



NS-Raubkunst im Bundeskanzleramt zurückgegeben

Aus der Sammlung des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895-1956) wurden vier als NS-Raubkunst identifizierte Zeichnungen am 27. September im Bundeskanzleramt an die Nachfahren der einstigen jüdischen Besitzer zurückgegeben. Es handelt sich um Werke der Künstler Charles Dominique Joseph Eisen, Augustin de Saint-Aubin und Anne Vallayer-Coster, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in Berlin mitteilte. Die Zeichnungen stammen aus dem Besitz der jüdischen Familie Deutsch de la Meurthe in Paris, die von den Nationalsozialisten verfolgt und enteignet wurde. Stellvertretend nahm Diego Gradis, der Enkel von Georgette Deutsch de la Meurthe, die Werke entgegen.

Der französische Industrielle Henry Deutsch de la Meurthe (1846-1919) war den Angaben zufolge vor allem als Förderer der frühen Luftfahrt in die Geschichte eingegangen. Das Haus der Familie am Pariser Place des États-Unis wurde von der nationalsozialistischen "Dienststelle Westen" als Lager für Kunstwerke benutzt, die aus Beschlagnahmungen der sogenannten "Möbel-Aktion" zusammengetragen wurden.

Da die vier Werke später Teil des Kunstbestands Gurlitts waren, wurden sie in die "Provenienzrecherche Gurlitt" des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg aufgenommen. Im September 2018 waren die Zeichnungen eindeutig als NS-Raubkunst identifiziert worden.

Die Rückgabe könne das erlittene Unrecht der Familie Deutsch de la Meurthe nicht ungeschehen machen, betonte Grütters. Zugleich nannte sie es "vorbildlich", dass sich in dem Fall Privatleute zu den Washingtoner Prinzipien bekannten und zur Rückgabe der NS-Raubkunst an die Erben bereit waren.



Vier-Augen-Gespräche neben dem Paradebett


Paraderäume im Dresdner Schloss rekonstruiert
epd-bild / Matthias Rietschel
Mit der barocken Festetage hat das Dresdner Schloss sein Herzstück zurück. Wertvolle Stoffe kommen aus Spanien und Frankreich - handgewebt. In dem prunkvollen Bett des Schlafzimmers hat allerdings keiner geschlafen.

Es ist der Glanz längst vergangener Zeiten, hergestellt in diesen Tagen. Die insgesamt neun sogenannten Paraderäume, die Kurfürst August der Starke 1719 anlässlich der Hochzeit seines Sohnes im Dresdner Residenzschloss einrichten ließ, sind fertig rekonstruiert. Mit dem prunkvollen Audienzgemach und Paradeschlafzimmer in Rot und Grün bilden sie das Herzstück des Schlosses. Die Räume waren keineswegs private Gemächer, sondern dienten der Repräsentation der höfischen Kultur.

Seit diesem Wochenende kann die Öffentlichkeit das Raumkunstwerk aus Samt, Seide, Silber und Gold erstmals bestaunen. Mehr als 300 Gewerke haben daran in den vergangenen drei Jahren gearbeitet. Mit einem Festakt am 28. September wurden die neuen Räume feierlich eröffnet. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 35 Millionen Euro.

Die Paraderäume ließ August der Starke anlässlich der Hochzeit seines Sohnes Kurprinz Friedrich August einrichten. Dieser hatte am 20. August 1719 in Wien die Kaisertochter Maria Josepha von Österreich geheiratet. In den prunkvollen Räumen wurde die Braut am 2. September 1719 vom sächsischen Kurfürsten empfangen.

"Nirgends sonst kommt man August dem Starken so nahe wie in den Paraderäumen", sagt Dirk Syndram, Direktor der ebenfalls im Schloss beheimateten Museen Grünes Gewölbes und Rüstkammer. Zahlreiche Originale sorgten für ein authentisches Erlebnis. So könne der Glanz, mit dem der Kurfürst und polnische König sich umgab, unmittelbar nachvollzogen werden. Vorbild für ihn sei Ludwig XIV. und Schloss Versaille gewesen.

Von keinem Herrscher im barocken Europa seien so viele prächtige und persönliche Zeugnisse erhalten, sagt Syndram. In den frisch rekonstruierten Räumen sind zum Beispiel das Krönungsgewand und die Kleidung zu sehen, welche er bei der Hochzeit seines Sohnes trug. Ein hermelinbesetzter königsblauer Samtmantel wurde nachgewebt und schmückt die Figurine, die August den Starken bei seiner Krönung 1697 mit Krone, Reichsapfel und Zepter zeigt.

Das Dresdner Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und blieb jahrzehntelang eine Ruine. Erst nach 1990 nahm die Sanierung Fahrt auf. 1997 beschloss die Landesregierung den Ausbau zum Museumskomplex inklusive der Rekonstruktion der Festetage in historischer Fassung. Für den Wiederaufbau des Schlosses sind rund 389 Millionen Euro veranschlagt.

Die Arbeiten an der Festetage einschließlich Paradebett und Thronensemble hatten 2016 begonnen. Vorausgegangen war eine fast zehnjährige Forschung und Planung auf der Grundlage von Fotos, Kupferstichen, Dokumenten und Briefen. Bekannt ist auch, dass in dem sechs Meter hohen und zwei Meter breiten Riesenbett niemand gelegen hat. Das Paradeschlafzimmer habe dem Brautpaar und den Brauteltern für intime Vier-Augen-Gespräche gedient, sagt Syndram.

Um eine möglichst authentische Wirkung der Räume zu erreichen, kamen längst vergessene oder kaum noch übliche handwerkliche Techniken zum Einsatz. Web- und Posamentierarbeiten sowie Stickereien wurden mit Manufakturen in Frankreich, England, Spanien, Italien und Österreich realisiert.

Die kostbaren Textilien seien "fadengenau" rekonstruiert, originale Teile an ursprünglicher Stelle integriert worden, sagt Kunsthistorikerin Sabine Schneider. Für die Wandbehänge in Rot und Grün wurden 1,5 Kilometer Seidensamt und etwa 3,5 Kilometer Goldtresse benötigt.

1942 waren bewegliche Teile aus dem Schloss ausgelagert worden. Etliche Möbelstücke und Stoffteile seien so erhalten geblieben, auch ein Teil des Paradebettes, Porzellane und der Thronstuhl. Gerettete Vasen und Gefäße sind nun im Porzellankabinett gleich zu Beginn der Paradeetage im Westflügel zu sehen. Einige der goldenen Konsolen werden aber auch leer bleiben, um Kriegsverluste für verdeutlichen.

Nachgemalt wurden die beiden etwa 100 Quadratmeter großen Deckengemälde von Louis de Silvestre (1675-1760), der viele Jahre Hofmaler in Dresden war. Für modernen Komfort hingegen sorgt eine Fußbodenheizung, die die Wärme des Kaminfeuers aus vergangenen Tagen ersetzt.

Komplett fertig ist das Dresdner Schloss aber noch nicht. Arbeiten sind unter anderem noch im Großen Schlosshof nötig. Er habe gedacht, wenn in den Paraderäumen der Stuhl auf den Thron gesetzt wird, ist alles fertig, sagt Syndram. Aber da habe er sich wohl geirrt.

Von Katharina Rögner (epd)


Ausstellung "Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback" in Halle

Das Kunstmuseum Moritzburg Halle zeigt seit 29. September das aus eigener Sicht bisher größte und ambitionierteste Projekt des Hauses. Die Ausstellung "Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback" feiere in einer üppigen Inszenierung die Kunst der Klassischen Moderne, kündigte das Museum am 26. September in Halle an. Als zentrale Kunstausstellung Sachsen-Anhalt bilde die Schau neben der Eröffnung des neuen Bauhaus Museums in Dessau-Roßlau einen der Höhepunkte des Jubiläumsjahres im Land.

Gezeigt würden hochkarätige Leihgaben aus internationalen Sammlungen mit bislang selten oder noch gar nicht gezeigten Werken aus den Museumsbeständen unter anderem von Feininger, Heckel, Kandinsky und Klee. Auf über 1.000 Quadratmetern strebe das Museum dabei eine möglichst umfassende Rekonstruktion der 1937 beschlagnahmten Sammlung der Moderne an.

Komplettiert werde das Angebot durch den digitalen Teil der Ausstellung. 1927 habe sich Bauhaus-Gründer Walter Gropius am Architekturwettbewerb der Stadt Halle für eine moderne Stadtkrone beteiligt. Dank einer Kooperation mit der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sei mittels Virtual Reality das Stadtkronen-Gelände sowie das von Gropius entworfene Kunstmuseum erstmals begehbar, so das Museum.

Ergänzt werde die dreiteilige Ausstellung durch eine Präsentation von Werken der Bauhaus-Meister Feininger, Kandinsky, Klee, Muche und Schlemmer. Die interaktive Ausstellung "rot, gelb, blau. Das Bauhaus für Kinder" im Kabinett der sogenannten Westbox stehe unter dem Motto: "Das Bauhaus war eine Schule!"



Ausstellung "Like you!" beleuchtet Facetten der Freundschaft

Das Berliner Museum für Kommunikation widmet sich mit einer neuen Ausstellung dem Thema "Freundschaft". Unter dem Motto "Like you! Freundschaft digital & analog" gehe es um die Bedeutung von Freundschaft, um das Finden von Freunden und wie Smartphones und soziale Netzwerke die Vorstellungen von Freundschaft verändert haben, teilte das Museum für Kommunikation mit. Die Ausstellung ist bis 5. Juli 2020 zu sehen.

In drei Ausstellungsbereichen gehe es um unterschiedliche Facetten von Freundschaft: vom ersten Kennenlernen über die Frage, was Freundschaften stärkt oder belastet bis hin zu dem Punkt, wenn Freundschaften auseinandergehen. Besucherinnen und Besucher könnten unter anderem an einem sogenannten Entdeckertisch, auf dem Marktplatz der Freundschaft, mit Zettelpost, E-Buddy, Tamagotchi oder dem Roboter AIBO die Freundschaft in all ihren Spielarten erkunden. Auch eine Fotobox für ein Erinnerungsfoto gebe es, kündigten die Ausstellungsmacher an.



Kunstarchiv Beeskow zeigt unveröffentlichte DDR-Grafiken und Fotos

Das Kunstarchiv Beeskow (Landkreis Oder-Spree) zeigt von 5. Oktober an unveröffentlichte Grafiken und Fotografien aus dem Jahr 1990. Die Werke seien 1990 noch im Auftrag des Kulturbundes der DDR entstanden und gehörten heute zum eigenen Bestand, teilte das Kunstarchiv am 24. September mit. Thema der Papierarbeiten seien Leben und Werk des Dichters und Kulturpolitikers Johannes R. Becher (1891-1958), der unter anderem Autor der DDR-Nationalhymne und langjähriger Präsident des DDR-Kulturbundes war.

In den Auftragsarbeiten hätten sich die Künstlerinnen und Künstler im Jahr 1990 vor allem für die ambivalente Persönlichkeit Bechers interessiert. Sie schätzten ihn als Poeten, besonders für seine expressionistischen Gedichte, hätten aber weder Verständnis für seine Beteiligung am Stalin-Kult, noch für sein Schweigen gegen Unrecht in der DDR gezeigt.

Zu sehen sind Arbeiten unter anderem von Ingo Arnold, Falko Behrendt, Kurt Buchwald, Dieter Gantz, Konstanze Göbel, Ulrich Hachulla, Ingrid Hartmetz, Sabine Herrmann, Gerhard Hillich und Ursula Strozynski. Titel der bis zum 1. März 2020 geöffneten Schau ist "Spurensuche. 1990".



Ausstellung fokussiert Kulturlandschaft am Toten Meer

Das sächsische Museum für Archäologie in Chemnitz präsentiert seit 27. September das "Leben am Toten Meer". Die Ausstellung nehme die "einzigartige Kulturlandschaft" zwischen Jordanien und Israel in den Blick, sagte Museumsdirektorin Sabine Wolfram in Chemnitz. Der zeitliche Bogen werde vom 9. Jahrtausend v. Chr. bis ins 7. und 8. Jahrhundert gespannt. Zu sehen sind rund 350 Exponate, darunter wertvolle jahrtausendealte Textilien und Schriftstücke.

Es sei allerdings keine Ausstellung, die das "Heilige Land" anhand der biblischen Überlieferung vorstellt, sagte Wolfram. Im Fokus stünden vor allem Land und Leute. Themen sind die Natur, Lebensgrundlagen und Badekultur sowie Mobilität, Siedlungen und Zufluchtsorte. Ein extra Kapitel ist den Religionen und Kulthandlungen gewidmet.

Außerdem gewährt die Ausstellung Wolfram zufolge Einblicke in die Geschichte der archäologischen Erforschung und einzigartiger Textilfunde. Noch nie habe ein Museum in Deutschland, Europa oder darüber hinaus Vergleichbares über die Archäologie und Geschichte rund um das Tote Meer präsentiert, sagte die Museumsdirektorin.

Der See liegt 428 Meter unter dem Meeresspiegel und ist für seinen hohen Salzgehalt bekannt. Er konfrontiere mit einer lebensfeindlichen Umgebung. Dennoch hätten sich über viele Jahrtausende hinweg Menschen am Toten Meer niedergelassen, Siedlungen und Kultstätten gebaut, sagte Wolfram. Sie nutzten ihr zufolge die natürlichen Höhlen als Zufluchtsorte und hinterließen dort Alltags- und Wertgegenstände. Orte wie Jericho, Machaerus, Qumran und Masada seien inzwischen weltberühmt.



Weltzeituhr wird 50 Jahre alt


Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz
epd-bild / Rolf Zöllner
Vor 50 Jahren wurde die Weltzeituhr in Berlin errichtet. Das einstige DDR-Prestigeprojekt wurde zu einem Wahrzeichen. Auch heute ist das markante Bauwerk immer noch ein beliebter Treffpunkt in der Bundeshauptstadt.

Die eine Frau mit Mischlingshund, die andere mit Einkaufstüte - beide kommen aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen. An der Weltzeituhr treffen sich die zwei Freundinnen. Hier wartet auch ein alter Mann mit einem blinden Auge und barfuß durch den Regen watend. Er hofft mit seinem Pappbecher auf die Mildtätigkeit der Touristen, die das markante Bauwerk bewundern. Und ein Rentner, der im brandenburgischen Templin wohnt, aber bald zu seinem Sohn nach Hamburg zieht, hält zum letzten Mal an dieser Stelle Ausschau nach einem Freund. "Auf die Minute kommt's nicht an", schwäbelt er.

Diese und unzählige andere Menschen profitieren täglich von der zehn Meter hohen Attraktion. Das zu DDR-Zeiten "Symbol des technischen Fortschritts" ist nicht zu übersehen und seit 50 Jahren ein beliebter Treffpunkt auf dem Berliner Alexanderplatz.

Erich John kennt zahllose solcher Treffpunkt-Szenen. Der Designer, 1932 in Kartitz in Tschechien geboren, hat die Weltzeituhr entworfen. Hin und wieder besucht er sein Lebenswerk. Die 16 Tonnen schwere Weltzeituhr galt auch als ein Identifikationsobjekt für viele DDR-Bürger. Der sozialistische Staat ließ sich das Bauwerk knapp 500.000 Ost-Mark kosten. Am 30. September feiert die Uhr ihren runden Geburtstag. Eine Stunde habe die Einweihungsfeier mit der Schlüsselübergabe an den Oberbürgermeister von Ost-Berlin 1969 gedauert, erinnert sich John heute.

Auf der sechs Meter breiten Uhr kann man die aktuelle Zeit von 146 Städten auf allen Kontinenten ablesen. Ihre Namen sind in Aluminiumplatten eingraviert. Jede der 24 Seiten an der Uhr entspricht einer der 24 Zeitzonen der Erde, die metallenen Längsstreben fungieren als Uhrzeiger. Darüber kreist ein Mal pro Minute ein vereinfachtes Sonnensystem mit Planeten, dargestellt durch Kugeln. Die Technik für den Antrieb befindet sich unterirdisch.

Für den einstigen Professor für Formdesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee war die Weltzeituhr eine Riesenherausforderung. In neun Monaten sollte sie fertig sein, pünktlich vor dem 20. Gründungstag der DDR am 7. Oktober. Nach kurzer Bedenkzeit nannte der Erfinder seine Bedingungen, um dem Auftrag zuzustimmen: Ungehinderter Materialkauf, Bereitstellung von Feierabendbrigaden und Platz zum Bauen. Ost-Berlin willigte ein. Gleichzeitig bauen und konstruieren, Probleme bei der Materialbeschaffung lösen, Kugellager für 10.000 D-Mark aus dem Westen kaufen: "Es war das stressigste Jahr meines Lebens", bewertet der rüstige Rentner das Bauprojekt rückblickend.

Wie wichtig der DDR die Weltzeituhr als Prestigeobjekt war, lässt sich auch daran erkennen, dass die Arbeiter mit 15 Ost-Mark pro Stunde ungewöhnlich gut bezahlt wurden. Wichtig war, dass der Alexanderplatz nach dem Zweiten Weltkrieg erweitert und wieder glänzen konnte.

John hat den Arbeitsprozess dokumentiert. Er hatte Zeichnungen und ein Modell angefertigt. Letzteres sei spurlos verschwunden, bedauert er. Er habe jemanden in Verdacht, könne es aber nicht beweisen. Auf einer Fensterbank bei ihm zu Hause steht mittlerweile ein neues handgroßes Modell der Weltzeituhr, das aktuell 30 Euro koste. In diesem Jahr wurden die Vermarktungsrechte für das Berliner Wahrzeichen freigegeben. Seitdem gibt es zahlreiche Souvenirs. John verfügt aber über die Urheberrechte der Weltzeituhr, die seit 2015 unter Denkmalschutz steht.

1997 wurde das Bauwerk für 245.000 Euro restauriert und um einige Städtenamen aktualisiert oder erweitert. Aus Leningrad wurde Petersburg und aus Alma Ata wurde Almaty. Die Städte Tel Aviv und Jerusalem sind seitdem ebenfalls auf der Weltzeituhr vertreten.

Im Sommer sind Touristen beim Blick auf die Uhr verwirrt, weiß die Mitarbeiterin im Info-Kiosk nebenan. Die Sommerzeit ist nur auf den kleinen Uhren am Sockel zu sehen und stimmt nicht mit der großen Uhr überein. "Ich finde die Zeitumstellung umständlich, sie bringt nichts. Meine Empfehlung ist, sie sollen die Physik der Erde übernehmen und nichts anderes", sagt John.

Das Wohnhaus des Designers am Rande Berlins gleicht unterdessen einem kleinen Museum. Zu sehen sind Momentaufnahmen seiner Schaffensfreude: Von der Erika-Schreibmaschine bis zu Schülermikroskopen und Cocktailshakern, die er entworfen hat. Die Wände sind dekoriert mit Bildern - etwa Porträts von Menschen, die er mit seiner Frau während etlicher Reisen kennengelernt, fotografiert und dann in seinem Atelier unterm Dach gemalt hat. Auch wenn die Johns viel rumgekommen sind in der Welt, die 146 Städte der Weltzeituhr werden sie nicht schaffen zu bereisen, sagt der Designer.

Zeit bleibe für ihn "präzise und unfassbar zugleich", sagte der Erschaffer der Weltzeituhr. Wenn John anfängt, die Zusammenhänge der Planeten mit ihren Millionen Lichtjahren Entfernungen zu beschreiben, dann schließt er die Augen. Alles unvorstellbar. Gemessen daran nimmt für den 87-Jährigen die Menschheit gerade einmal die Dauer eines Blitzes ein.

Von Almut Lüder (epd)


Jüdisches Museum eröffnet Kindermuseum

Das Jüdische Museum Berlin expandiert und eröffnet im Mai 2020 die Kinderwelt Anoha. In der ehemaligen Blumengroßmarkthalle gegenüber dem Hauptgebäude entstehe derzeit auf 2.700 Quadratmetern ein neuer Ort zum Entdecken, Erforschen und Spielen für junge Besucher zwischen drei und zehn Jahren, teilte das Museum am 26. September in Berlin mit.

Im Zentrum des Kindermuseums stünden über 150 verschiedene Tiere, eine riesige Arche aus Holz – und die Kinder selbst. In sechs Bereichen werde ihnen die Ausstellung eine kreative Bühne bieten für Geschichten von Schöpfung, Sintflut und Neuanfang, wie es heißt. Alles sei zum Anfassen, Vitrinen und Absperrungen werde es nicht geben.

Herzstück des Kindermuseums, das vom amerikanischen Büro Olson Kundig Architecture and Design entworfen wurde, sei eine sieben Meter hohe Holzkonstruktion mit einem Durchmesser von 28 Metern. Der ringförmige Bau erinnere an eine mesopotamische Arche und habe gleichzeitig die Anmutung eines Raumschiffs.

Beteiligt am Entstehungsprozess des neuen Museums sei ein Kinderbeirat, der sich aus 20 Kindern von sechs Berliner Grundschulen im Alter von sechs bis zwölf Jahren zusammensetzt. Für ein kulturhistorisches Museum habe das Jüdische Museum ein ungewöhnlich junges Publikum, erklärte der Geschäftsführende Direktor, Martin Michaelis. Jeder fünfte Besucher sei unter 20 Jahre alt. "Mit Eröffnung des Anoha schaffen wir den Jüngsten einen dauerhaften Spiel- und Lernort, der alle Kinder und Familien ansprechen möchte", so Michaelis.



Ramelow stellt Ideen für ein Landesmuseum vor

Auf dem Erfurter Peterberg könnte bis 2029 ein Thüringer Landesmuseum entstehen. Die Entscheidung darüber werde aber erst der neue Landtag nach den Wahlen am 27. Oktober treffen, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am 25. September in der Landeshauptstadt. Gemeinsam mit dem Erfurter Baudezernenten Alexander Hilge (SPD), dem Präsidenten des Landesamtes für Denkmalschutz und Archäologie (TLDA) Sven Ostritz und Frank Schellenberg von der Kulturberatung "actori" stellte er Aufgaben und Inhalte eines künftigen Landesmuseums vor.

Dieses müsste die ganze Geschichte Thüringens, beginnend vor 400.000 Jahren und bis in die Gegenwart reichend, darstellen, betonte Ramelow. Mit der früheren Defensionskaserne stehe ein historischer Ort zur Verfügung, der auf 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche - nicht zuletzt mit Hilfe digitalisierter Objekte - die ganze Bandbreite der Schätze des Landes zeigen könne. Keiner im Land müsse Angst haben, dass ihm für diese Ausstellung etwas weggenommen werde, fügte er hinzu. Ramelow spielte damit auf Sorgen in Weimar an. Die Klassikerstadt fürchtet den Verlust ihres Museums für Ur- und Frühgeschichte.

Geht es allein nach der Quantität der Thüringer Sammlungen, seien ausreichende Objekte vorhanden, versicherte TLDA-Präsident Ostritz. Er bezifferte die Zahl der Stücke mit europaweiter Bedeutung auf etwa fünf Millionen. Jedes Jahr kommen nach seinen Angaben viele neue Fundstücke hinzu. Sie belegten, dass Thüringen bis heute eine Drehscheibe "für Waren und Ideen" auf dem Kontinent sei, fügte er hinzu.



Thomaner-Archiv erstmals online zugänglich

Wertvolle Handschriften und weitere Dokumente Leipziger Thomaskantoren aus mehreren Jahrhunderten werden erstmals öffentlich zugänglich: Das Bach-Archiv Leipzig präsentiert eine repräsentative Auswahl der digitalisierten Zeugnisse ab sofort auf der Plattform Google Arts & Culture. Das Bach-Museum Leipzig sei damit das erste Musikermuseum in Deutschland, das sich umfassend auf der Webseite präsentiere, teilte das Archiv am 24. September in Leipzig mit.

Das Archiv des Thomanerchors sei einer der größten Schätze der europäischen Musikgeschichte, erklärte das Bach-Archiv. Erst im April hatte das Haus nach eigenen Angaben etwa 700 weitere Dokumente aus dem historischen Bestand in seine konservatorische Obhut genommen. Diese würden seither wissenschaftlich ausgewertet und digitalisiert. Bei den Objekten handelt es sich demnach um Lehrmaterial, Quittungsbücher, Musikhandschriften, Erstdrucke oder Aufführungsmaterial. Einzelne Stücke reichten bis ins Jahr 1471 zurück, hieß es.

Der Direktor des Bach-Archivs, Peter Wollny, erklärte, die bereits seit zehn Jahren bestehende Plattform "Bach digital" bestätige "tagtäglich ein weltweites Interesse an den Handschriften Johann Sebastian Bachs". Er freue sich daher sehr, dass die weltweite, kostenfreie Plattform Google Arts & Culture nun auch den Zugang zur Sammlung des Thomanerchors ermögliche.

Das Bach-Archiv Leipzig versteht sich als musikalisches Kompetenzzentrum an der einstigen Hauptwirkungsstätte des berühmten Barockkomponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750), der von 1723 an als Thomaskantor in Leipzig wirkte.



Leipzig erklärt sich zur "Musikstadt"

Leipzig will sein reiches musikhistorisches Erbe künftig unter der Dachmarke "Musikstadt Leipzig" bündeln. Darunter fallen zunächst das Bachfest, die Mendelssohn-Festtage sowie die neu geschaffenen Opernfesttage, wie die Stadtverwaltung am 26. September in Leipzig erklärte. Diese sollen demnach ab 2021 alle zwei Jahre im Wechsel mit den Gewandhausfesttagen stattfinden. Für die folgenden Jahre sei die schrittweise Einbeziehung weiterer Festivals unter der Marke denkbar.

Das Konzept wurden den Angaben zufolge unter dem Vorsitz von Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) erarbeitet. Ziel sei die nationale und internationale Verankerung der Marke "Musikstadt Leipzig". Die Kampagne solle zunächst in den USA, in Japan und im Vereinigten Königreich gestartet werden, hieß es. Ab 2020 soll auch in Frankreich, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden verstärkt gemeinsam für die kommenden Leipziger Musikfestivals bis 2022 geworben werden.

Jennicke sagte, man sei in der Vergangenheit nicht in jedem Punkt mit den einzelnen Festivals zufrieden gewesen und habe nicht immer die erwartete Strahlkraft gehabt. Dabei sei die künstlerische Qualität in der Stadt Weltklasse. Alle Beteiligten hätten daher die Pflicht, "aus dem, was ist, mehr zu machen und international an Relevanz zu gewinnen", erklärte sie.

Die älteste musikalische Institution in Leipzig ist der 1212 gegründete Thomanerchor. In den folgenden Jahrhunderten wirkten zahlreiche berühmte Musiker in der Stadt, darunter Johann Sebastian Bach (1685-1750), Richard Wagner (1813-1883) und Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847).



Stange eröffnet Kammermusik Akademie

Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) hat am 24. September die erste Europäische Kammermusik Akademie Leipzig eröffnet. Das Auftaktkonzert stand unter dem Motto "Welcome Europe!", wie das Ministerium in Dresden mitteilte. Noch bis Sonntag präsentieren sich im Rahmen des Projekts elf Kammermusikensembles mit Musikerinnen und Musikern aus zehn europäischen Ländern an 17 verschiedenen Spielstätten in Leipzig und Mitteldeutschland.

Stange erklärte laut Mitteilung des Ministeriums, mit dem neuen Projekt öffne die gastgebende Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig ihre Türen "noch weiter in Richtung Europa". Bereits ihre Gründer hätten das Anliegen gehabt, "die Hochschule weit über deutsche Grenzen hinaus bekannt zu machen und Studierende aus der ganzen Welt anzuziehen". Internationalität, Weltoffenheit und gegenseitige Wertschätzung gehörten dort zum Alltag, betonte Stange.

Dennoch müsse das hohe Gut der Freiheit immer wieder neu vermittelt und erlebbar gemacht werden, sagte die Ministerin weiter. Die jungen Musiker, die nun zusammenkämen, lebten "die Vielfalt Europas, die Akzeptanz verschiedener Kulturen, Sprachen und Religionen, indem sie miteinander musizieren", betonte sie.

Während der Akademie organisiert die Hochschule den Angaben zufolge insgesamt 29 Konzerte. Die Gastmusiker erhielten dadurch auch die Möglichkeit, weltberühmte Musikstätten der Region kennenzulernen. Das Kunstministerium ist eigenen Angaben nach mit einem Anteil von 50.000 Euro Hauptförderin der Akademie.



Berühmte Zeitzer Bibliothek kommt in die Kur

Die berühmte wie einzigartige Bibliothek des letzten, 1563 verstorbenen Naumburger Bischofs Julius Pflug wird untersucht, restauriert und anschließend digitalisiert. Die damit verbundene weitere Nutzung sowie ihre Bewahrung für die Nachwelt mache eine Förderung durch die Kulturbeauftragte des Bundes und der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) möglich, teilten die Vereinigten Domstifter am 24. September in Naumburg mit.

Zunächst müssten die Schadensbilder an den Büchern beschrieben und anschließend Zielvorgaben zur Restaurierung definiert und diese vorbereitet werden. Nach den eigentlichen Konservierungsarbeiten sollen die Bücher digitalisiert werden, um sie für die Öffentlichkeit und die Forschung besser zugänglich zu machen, hieß es.

Die Privatbibliothek von Pflug umfasste den Angaben zufolge ursprünglich rund 1.000 Bände beziehungsweise fast 2.000 Drucke. Als Teil seines beweglichen Erbes habe der Bischof die Büchersammlung in Zeitz hinterlassen. Sie sei das Ergebnis einer gezielten Sammeltätigkeit, die sich über nahezu fünf Jahrzehnte erstreckte, so die Vereinigten Domstifter.

Die heute noch erhaltenen knapp 900 Bände mit circa 1.700 Drucken stellten eine für die Zeit hochmoderne, alle Wissensbereiche abdeckende Sammlung dar, die von einer der zentralen Persönlichkeiten des Reformationszeitalters zusammengetragen worden seien, erklärten die Domstifter abschließend.



Berliner Jüdische Kulturtage mit "The Klezmatics"

Die 32. Jüdischen Kulturtage in Berlin bieten vom 7. bis 17. November 21 Veranstaltungen an elf Berliner Orten. Ein Schwerpunkt liege in diesem Jahr auf der russisch-jüdischen Kultur, wie die Jüdische Gemeinde Berlin am 26. September ankündigte. Die Künstler aus Russland, Deutschland, Israel und den USA böten einen Programm-Mix aus Konzerten, Lesungen und Ausstellungen. Die Schirmherrschaft hat Kultursenator Klaus Lederer (Linke).

Erwartet würden neben Frank Londons "Klezmatics" aus New York unter anderem der Violinist Yury Revich mit seinem Programm "Russian Soul", die israelischen Musiker Avi Avital und Omer Avital und die israelische Ladino-Sängerin Yasmin Levy. Ladino ist die romanische Sprache der Sephardim. Schauspielerin Katja Riemann widme dem 2018 gestorbenen Schriftsteller Edgar Hilsenrath einen literarisch-musikalischen Abend, der US-amerikanische "Rapper mit der Kippa", Nissim Black, wird im Columbia Theater auftreten. Schauspielerin Simone Thomalla gestalte mit dem Ensemble "Lerne lachen, ohne zu weinen" ein "humoristisch-literarisches Stück" im Renaissance-Theater.

Am 9. November wird mit einer Gedenkveranstaltung an die Nazi-Pogrome von 1938 erinnert. Der 9. November werde aber auch von einer anderen Seite beleuchtet, hieß es. Dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 folgte durch die Zuwanderung von vielen Menschen aus den GUS-Staaten eine Verdreifachung der Mitgliederzahlen der jüdischen Gemeinden in Deutschland, wovon diese bis heute profitieren.



Lebendig, krass, rebellisch


Im neuen Struwwelpeter-Museum in Frankfurt am Main
epd-bild / Thomas Rohnke
Der Kerl mit der Löwenmähne zieht in Frankfurts Altstadt ein. Die Mainmetropole gibt einer ihrer berühmtesten literarischen Figuren, dem "Struwwelpeter", und deren Erfinder einen Ehrenplatz.

Schon durch die Fenster sieht man die erleuchtete, lebensgroße Figur: den wilden Kerl mit Löwenmähne und ellenlangen Fingernägeln. Ebenso die Figur des Paulinchens und des Hanns Guck-in-die-Luft. Der "Struwwelpeter" ist mit seinen Buchgenossen in die neue Altstadt von Frankfurt am Main eingezogen. Am 23. September wurde das gleichnamige Museum mit 600 Quadratmetern am Hühnermarkt eröffnet, und nun kann die weltweit größte Sammlung an Exponaten zu dem Bilderbuchklassiker und dessen Autor besichtigt werden.

Das erste deutsche Bilderbuch mit Zeichnungen und Text - so die Museumsleiterin Beate Zekorn von Bebenburg - wartet mit Superlativen auf: Allein auf Deutsch wurde es in 35 Millionen Exemplaren gedruckt, daneben in mehr als 40 Sprachen und 80 deutsche Dialekten übersetzt, vielfach nachgeahmt und parodiert. "Das Museum hebt das Lebendige, Krasse, Rebellische des Struwwelpeters hervor", sagt die Leiterin und zitiert die Schauspielerin Iris Berben: "Struwwelpeter ist Rock 'n' Roll."

"Schwarze Pädagogik"

Die Museumsbesucher erfahren, wie es aus einer Not dazu kam: Der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann (1809-1894) fand vor 175 Jahren kein passendes Weihnachtsgeschenk für seinen dreijährigen Sohn Carl. Kurzerhand griff er selbst zur Feder, zeichnete und reimte die Geschichten. Von Freunden 1845 zum Druck überredet, wurde der "Struwwelpeter" ein Riesenerfolg. Die Geschichten vom Zappel-Philipp, vom Suppen-Kaspar, vom Daumenlutscher oder vom Hanns Guck-in-die-Luft begeisterten Kinder und Eltern - nur nicht die Pädagogen.

Diese kritisierten zur Zeit Hoffmanns, dass die unbotmäßigen Kinder sich in den Geschichten nicht besserten. Pädagogen ab den 1960er Jahren kritisierten hingegen, die Geschichten seien brutal und verbreiteten "schwarze Pädagogik". Hoffmann habe eine Lust am Übertreiben, am Nonsens und am karikaturenhaften Strich gehabt, erklärt Zekorn von Bebenburg. Gleichzeitig hätten die Geschichten für den Arzt einen ernsten Hintergrund gehabt: Das Schicksal des Daumenlutschers etwa warne vor der Ursache, dass damals jedes zweite Kind bis fünf Jahre an Infektionskrankheiten starb, ebenso warne das brennende Paulinchen vor einer häufigen Unfallursache.

Struwwelhitler

"Das Kind lernt einfach nur durch das Auge, und nur das, was es sieht, begreift es", resümierte Hoffmann 1893 kurz vor seinem Tod. "Mit moralischen Vorschriften zumal weiß es gar nichts anzufangen." Respekt gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe ist Thema der Geschichte von den schwarzen Buben. Mediziner und Psychologen heute finden die Figuren interessant, weil sie in ihnen Typen erkennen: etwa den Hyperaktiven, den Unaufmerksamen, den Aggressiven und den Magersüchtigen.

Museumsbesucher können heute verschiedene Ausgaben des Struwwelpeters, Übersetzungen und satirische Abwandlungen in Augenschein nehmen. Zu letzten gehört etwa der "Struwwelhitler", mit dem ein englischer Autor zur Zeit des Zweiten Weltkriegs den deutschen Diktator verspottete. Aktuell trägt ein Buch über den Brexit als Titelbild die Figur des Hanns Guck-in-die-Luft. An Kinder richten sich einige Spielstationen, analog zum Anfassen oder digital zum Berühren. So lässt sich am Bildschirm eine Geschichte zum Struwwelpeter heute entwickeln, die etwa zu den Rastafari nach Jamaika führt.

Politischer Zeitgenosse

Genauso ausführlich wie die berühmte Bilderbuchfigur stellt das Museum den Erfinder Heinrich Hoffmann vor. Dieser habe die Psychiatrie in Frankfurt in die Moderne geführt, erläutert Zekorn von Bebenburg. 1851 wurde er ärztlicher Leiter der "Anstalt für Irre und Epileptische" auf dem heutigen Geländes des I.G. Farben-Gebäudes. Statt die "Irren" nur unter Zwang zu verwahren, etablierte er die Ziele Therapie und Heilung für psychisch Kranke.

Ebenfalls erregte Hoffmann als politischer Zeitgenosse Aufmerksamkeit. Zum Vorhaben der bürgerlichen Revolution 1848 schrieb er eine Hymne, war dann aber vom Streit der Revolutionsanhänger enttäuscht. Die Ausstellung zeigt satirische Schriften, mit denen Hoffmann sowohl Linksrevolutionäre wie auch Erzkonservative verspottete.

Hoffmanns Erbe wird vom Struwwelpeter-Museum auch auf praktische Weise fortgeführt: Die gemeinnützige Gesellschaft des Vereins "frankfurter werkgemeinschaft", eines Sozialwerks für psychisch kranke Menschen im Caritasverband, bietet psychisch Kranken Beschäftigung. Knapp die Hälfte der vorgesehenen zwölf Angestellten sollten Schwerbehinderte sein, sagt der Geschäftsführende Vorstand der Werkgemeinschaft, Torsten Neubacher. Für das Museum hat die Werkgemeinschaft knapp 4,4 Millionen Euro investiert, die Stadt fördert es mit jährlich 240.000 Euro.

Von Jens Bayer-Gimm (epd)


Mit Heiligenschein und Strapsen


"Die Schwarze Witwe macht weiter", Karikatur von Heiko Sakurai
epd-bild / Heiko Sakurai / Haus der Geschichte
Helmut Kohl als Birne, Willy Brandt mit Heiligenschein oder Angela Merkel als Domina: Das Haus der Geschichte in Bonn zeigt Karikaturen deutscher Kanzler von den Anfängen der Bundesrepublik bis in die Gegenwart.

Darf eine Bundeskanzlerin Strapse und schwarze Lack-Dessous tragen? Steve Bell ist offenbar der Meinung, dass das passt. Denn er zeichnete Angela Merkel (CDU) als Domina, die den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, an der Leine hält. Die Mehrheit der Bundesbürger ist da anderer Meinung. Rund zwei Drittel finden, das gehe zu weit. Besucher des Hauses der Geschichte in Bonn können nun per Touchscreen mit abstimmen, wo die Grenzen des guten Geschmacks liegen. Als Anschauungsmaterial dienen rund 300 Karikaturen der sieben deutschen Kanzler und der amtierenden Bundeskanzlerin von 1949 bis in die Gegenwart.

Anlass der Schau unter dem Titel "Zugespitzt. Kanzler in der Karikatur" ist das 70. Jubiläum der Konstitution der Verfassungsorgane im September 1949. Die Ausstellung präsentiert bis zum 10. Mai 2020 Zeichnungen bekannter Karikaturisten, darunter Mirko Szewczuk, Klaus Pielert, Wolfgang Hicks, Hans Traxler, Haiko Sakurai und Klaus Stuttmann. Dabei ist jedem Kanzler und der Kanzlerin ein Kabinett gewidmet. Zugleich ist die chronologisch aufgebaute Schau eine Reise durch die Entwicklung der politischen Karikatur seit Kriegsende.

Ende der 60er Jahre aggressiver

Konrad Adenauer (CDU) war der erste Kanzler, der im Fokus der Karikaturisten stand. Denn in der Weimarer Republik hätten eher Typen wie etwa der Adelige, oder der General, in der Karikatur eine Rolle gespielt, erklärt Kurator Ulrich Op de Hipt. Der Grund sei, dass es mangels Fernsehen nur wenige Bilder der Kanzler gab. "Das ändert sich nach dem Krieg und damit werden die Kanzler zu Hauptpersonen in der Karikatur." Sehr genau nehmen die Zeichner Adenauers Machtfülle unter die Lupe: Der erste Bundeskanzler erscheint als Dompteur des Kabinetts oder als Kopf der CDU.

In der Adenauer-Ära hat die Karikatur eher die Funktion eines politischen Kommentars. Im Vergleich zu den bissigen Zeichnungen aus der Zeit der Weimarer Republik galten sie Kritikern als zu zahm. Das ändert sich erst langsam unter Ludwig Erhard (CDU). Zu Zeiten der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre wird die Karikatur dann deutlich aggressiver. Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) gerät wegen seiner NS-Vergangenheit ins Kreuzfeuer der Zeichner. Motiv ist zum Beispiel die Ohrfeige, die die Journalistin Beate Klarsfeld dem Kanzler im November 1968 wegen seiner NS-Vergangenheit verpasste.

Nackter Kanzler mit Heiligenschein

Anfang der 70er Jahre spiegeln sich die politischen Gegensätze und Auseinandersetzungen dann deutlicher in der Karikatur. "Die Politisierung ergriff auch die doch eigentlich dem abwägenden Kommentar verpflichteten Karikaturisten", sagt Op de Hipt. So engagiert sich Walter Hanel im Wahlkampf 1972 explizit für Willy Brandt (SPD) und karikierte dessen Hauptgegner Franz Josef Strauß (CSU). Umgekehrt zeichnet Wolfgang Hicks ein Bild Willy Brandts, wie er von linksliberalen Medien gestützt wird, die den nackten Kanzler mit Heiligenschein und Lorbeerkranz ausstatten.

Helmut Schmidt (SPD) wird von den Karikaturisten besonders häufig als Lotse dargestellt: So geht er am Ende seiner Kanzlerschaft als solcher von Bord - ein bekanntes Karikatur-Motiv aus dem 19. Jahrhundert, das an eine ähnliche Zeichnung des scheidenden Reichskanzlers Otto von Bismarck erinnert. In einem Hängearchiv können die Besucher die Geschichte des Lotsenmotivs in der Karikatur nachblättern.

Nicht mehr ernst genommen

Mit Helmut Kohls Kanzlerschaft tritt ein neuer Stil der Karikatur und Satire auf. Die Person des Kanzlers wird aufs Korn genommen. Mitunter gehe es mehr um den Witz als um politische Auseinandersetzung, sagt Op de Hipt. "Stand vorher die analytische Karikatur im Vordergrund, so werden jetzt die Politiker nicht mehr ernst genommen." Teilweise gehe das unter die Gürtellinie. Das prägende Motiv in der Darstellung Kohls war die Birne. In der Ausstellung ist die Zeichnung von Hans Traxler zu sehen, die erstmals Kohls Kopf als Birne darstellt.

Gerhard Schröder (SPD) erscheint in der Karikatur vor allem als Medienkanzler. Selbstverliebt sitzt er vor einer Wand von Fernsehbildschirmen, auf denen ausschließlich er selbst zu sehen ist. Als "Gerd Bonaparte" zeichnet ihn Sebastian Krüger in der Pose Napoleons mit einem Hauch von Größenwahn. Zunehmend wird die Karikatur und Satire aber auch zu Klamauk. Der "Steuersong" aus der Radio-Comedy-Serie "Die Gerd-Show" wurde sogar von CDU-Politikern kritisiert. Schröder wird mit Witzartikeln verunglimpft. Seine Karikatur wird sogar auf Klopapier gedruckt.

Die politische Entwicklung Angela Merkels (CDU) lässt sich in der Karikatur anschaulich verfolgen. Von Kohls "Mädchen" wird sie in einer Zeichnung Karl Lagerfelds zur Frau, die die Hosen anhat und zur mächtigsten Frau Europas. Die letzte Karikatur von Klaus Stuttmann zeigt die Kanzlerin nach ihrem Rückzug vom CDU-Parteivorsitz als bröckelnde Figur.

Von Claudia Rometsch (epd)


Wie ein Universum lesen


Wandteppich "6. october 1942" (1943)
epd-bild / Thomas Rohnke
Von ihrem kleinen autarken Bauernhof an der norwegischen Westküste aus schuf Hannah Ryggen (1894-1970) rund 120 Wandteppiche. Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt 25 der größten und eindrucksvollsten Stücke.

Hanna (später Hannah) Josefina Maria Jönsson wird im südschwedischen Malmö in eine Arbeiterfamilie hineingeboren und arbeitet eine Zeit lang als Lehrerin. Die Arbeit mit den Kindern stellt sie allerdings nicht zufrieden, so dass sie nebenbei bei dem Maler Fredrik Krebs (1845-1925) Privatunterricht nimmt. Im Sommer 1922 geht sie nach Dresden, um die Kunst der Brücke-Maler kennenzulernen. Aber weder dem Expressionismus mit seinen kantigen Formen und der bewussten Vergröberung der Details noch dem Naturalismus von Krebs kann sie viel abgewinnen.

Allerdings lernt sie in Dresden ihren späteren Ehemann, den Landschaftsmaler Hans Ryggen (1894-1956), kennen und zieht mit ihm zwei Jahre später ins norwegische Ørlandet. Dort entdeckt sie für sich die Kunstform des Webens. Hans baut ihr einen Webstuhl, den sie mit den Füßen bedienen kann. Alle Materialien für ihre Textilkunst gewinnt sie auf dem Hof und aus der sie umgebenden Natur. Sie spinnt die Wolle selbst und färbt sie mit natürlichen, aus Pflanzen gewonnenen Farben.

Kunst statt Kunsthandwerk

Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt nun 25 der größten und eindrucksvollsten Wandteppiche der Künstlerin. "Hanna Ryggens monumentale Bildteppiche können wir als gewebte Manifeste ihrer künstlerischen und politischen Überzeugungen lesen, für die sie ihr Leben lang eintrat", hebt der Direktor der Schirn, Philipp Demandt, hervor. Ihre Arbeiten zählten zu den "markantesten künstlerischen Positionen des 20. Jahrhunderts", seien aber nach ihrem Tod mehr dem Kunsthandwerk zugeordnet worden.

Das habe sich aber in den vergangenen Jahren geändert, sagt die Kuratorin Esther Schlicht. Zuletzt seien ihre Wandteppiche, "die wie ein Universum gelesen und entschlüsselt werden müssen", wieder neu in den Fokus geraten und einige von ihnen sogar 2012 auf der documenta 13 gezeigt worden.

Zu Beginn der Frankfurter Ausstellung sind zwei Tapisserien zu sehen, die wesentliche Aspekte der Weltanschauung der Künstlerin widerspiegeln: das Prinzip der Selbstversorgung und die Gleichstellung aller Menschen. In "Fischen im Schuldenmeer" (1933) thematisiert Ryggen die ausweglose Situation von Fischern und Kleinbauern in der Weltwirtschaftskrise, von der auch ihre eigene Familie betroffen ist. In "Wir und unsere Tiere" (1934) schildert sie den Alltag auf ihrem Bauernhof in Ørlandet zusammen mit ihrem Mann und der 1924 geborenen Tochter Mona in enger Symbiose mit Tier und Natur.

Im Zentrum der Präsentation in der Schirn stehen Ryggens antifaschistische und pazifistische Werke, ihre künstlerische Abrechnung mit den Diktatoren Mussolini, Franco und Hitler. So prangert sie etwa mit "Etiopia" (1935) Italiens Invasion in Äthiopien an. In dem Werk "6. Oktober 1942" (1943) nimmt sie zwei norwegische Kollaborateure aufs Korn: den mit den Nationalsozialisten sympathisierenden Schriftsteller Knut Hamsun und den von der Hitler-Kamarilla eingesetzten Ministerpräsidenten Vidkun Quisling.

Denkmal für politisch Verfolgte

In vielen ihrer Arbeiten setzt Ryggen auch dem Widerstand politisch Verfolgter ein Denkmal, etwa der deutschen Antifaschistin Liselotte Herrmann ("Liselotte Herrmann enthauptet", 1938) und dem deutschen Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky ("Tod der Träume", 1936). Auch nach dem Krieg exponiert sich die Künstlerin weiter politisch, etwa gegen die atomare Aufrüstung der Weltmächte oder gegen den Nato-Beitritt Norwegens. Noch mit 72 Jahren webt sie aus Protest gegen den Vietnam-Krieg ("Blut im Gras", 1966) und benutzt für das blutrote Gittermuster zum ersten Mal künstliche Farbe.

Höhepunkt der Frankfurter Ausstellung ist allerdings das Werk mit dem Titel "Wir leben auf einem Stern", das 1958 als Auftragsarbeit für das Regierungshochhaus in der norwegischen Hauptstadt Oslo entsteht. Der vier mal drei Meter große Wandteppich aus Wolle und Leinen zeigt ein nacktes Paar in einer Ovalform. Das Paar symbolisiert die ständige Erneuerung des Lebens.

Bis zum 22. Juli 2011 hing das Kunstwerk im Eingangsbereich des Regierungshochhauses: An dem Tag zündete der Rechtsextremist Anders Breivik eine Autobombe vor dem Gebäude, bevor er auf der Insel Utøya 69 junge Menschen ermordete. Bei der Explosion wurde die rechte untere Seite des Wandteppichs beschädigt und anschließend restauriert. Eine Rissnarbe allerdings ist noch immer zu sehen.

Von Dieter Schneberger (epd)


Berlins Regierender Bürgermeister würdigt Autor Günter Kunert

Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD), hat betroffen auf den Tod des Schriftstellers Günter Kunert reagiert. Damit verliere die deutsche Nachkriegsliteratur "einen wichtigen Chronisten der deutschen Teilung und einen wunderbaren Menschen, der mit Courage dem System im Osten Deutschlands die Stirn bot", sagte Müller am Montag in Berlin. Der in Berlin geborene Kunert war am Samstag im Alter von 90 Jahren in seiner Wahlheimat Kaisborstel bei Itzehoe gestorben.

Müller erinnerte daran, dass der Autor und Lyriker zu den ersten Unterzeichnern jener Resolution gehörte, die gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns Stellung bezog. "In seinem umfangreichen Werk hat er immer wieder die Verhältnisse im realen Sozialismus beschrieben und kritisiert. Kunert gilt zu Recht als einer der vielseitigsten und bedeutendsten Gegenwartsschriftsteller", sagte der Regierende Bürgermeister.

Kunert zählte zu den wichtigsten, vielseitigsten und produktivsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart. Der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller gehörte 1976 zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Daraufhin wurde ihm 1977 die SED-Mitgliedschaft entzogen. 1979 ermöglichte ihm ein mehrjähriges Visum das Verlassen der DDR. Mit seiner Frau Marianne ließ sich Kunert in Kaisborstel bei Itzehoe nieder.



Sächsischer Museumspreis geht nach Waldenburg

Für seine herausragende Präsentation ist das Naturalienkabinett Waldenburg (Landkreis Zwickau) am 23. September mit dem sächsischen Museumspreis geehrt worden. Wie das sächsischen Wissenschafts- und Kunstministeriums zur Übergabe in Dresden mitteilte, würdigt die Jury damit die "gelungene Präsentation eines Museums im Museum". Die Auszeichnung ist mit 20.000 Euro dotiert.

In Waldenburg werde die historische Sammlung der Leipziger Apothekerfamilie Linck modern und verständlich gezeigt - inklusive originaler Möbel und Beschriftungen, hieß es zur Begründung. Dieser Spagat gelinge äußerst selten.

Die Waldenburger Sammlung von Naturalien, Kunstwerken und Kuriositäten zählt zu den ältesten in annähernder Geschlossenheit erhaltenen Museen ihrer Art in Deutschland. Kernstück ist die unter Denkmalschutz stehende Sammlung aus dem 17. und 18. Jahrhundert, den die Familie Linck zusammentrug.

Die beiden mit jeweils 5.000 Euro dotierten Spezialpreise gingen an das Städtische Museum Zittau für die "hervorragende Restaurierung, Erforschung und Ausstellung der Zittauer Epitaphiensammlung" und an das Deutsche Damast- und Frottiermuseum Großschönau für die "innovative Vermittlung des technischen Erbes mit der Gesellschaft vor Ort".

Mit dem Preis werden alle zwei Jahre nichtstaatliche Museen für ihren Beitrag zum kulturellen Leben in den Regionen geehrt. In diesem Jahr wurde die Auszeichnung zum siebten Mal vergeben. In Sachsen gibt es rund 400 nichtstaatliche Museen. 2018 wurden 77 Projekte in Museen in kommunaler oder privater Trägerschaft - zum großen Teil im ländlichen Raum - gefördert.



Christoph Terhechte soll Intendant von DOK Leipzig werden

Der Journalist und Filmkritiker Christoph Terhechte soll zum 1. Januar 2020 neuer Intendant und künstlerischer Leiter des Leipziger DOK-Filmfestivals werden. Die Personalie sei im Aufsichtsrat der Gesellschaft vorberaten worden, müsse aber von der Ratsversammlung noch bestätigt werden, teilte das Leipziger Kulturamt am 23. September mit. Das endgültige Votum werde voraussichtlich in der Sitzung am 30. Oktober getroffen.

Terhechte würde beim Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm (DOK Leipzig) auf Leena Pasanen folgen, deren Intendanz nach fünf Jahren regulär ende. "Mit Christoph Terhechte gewinnt die Stadt Leipzig einen Intendanten mit künstlerischem Weitblick, internationalem Renommee und viel Erfahrung sowie Sensibilität", erklärte Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke). Die Stelle ist zunächst auf fünf Jahre befristet.

Derzeit ist Terhechte künstlerischer Leiter des Internationalen Filmfestivals Marrakesch. Von 2001 bis 2018 war er Leiter des Internationalen Forums des Jungen Films der Berlinale, welches er zu einem der international tonangebenden Zentren des unabhängigen künstlerischen Kinos entwickelte, hieß es.

Terhechte wurde 1961 in Münster geboren und studierte in Hamburg Politikwissenschaft und Journalistik. Er war unter anderem als Filmjournalist in Paris und Berlin tätig.

DOK Leipzig ist nach eigenen Angaben eines der führenden Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Das Festival blickt auf eine mehr als 60-jährige Geschichte zurück. Die 62. DOK Leipzig findet vom 28. Oktober bis 3. November statt.



Deutschsprachige Autoren für Stadtschreiberstelle in Rijeka gesucht

Das Deutsche Kulturforum östliches Europa schreibt ein fünfmonatiges Stadtschreiberstipendium für das kroatische Rijeka aus. Deutschsprachige oder deutsch schreibende Autorinnen und Autoren, die bereits schriftstellerische oder journalistische Veröffentlichungen vorweisen können, seien eingeladen sich zu bewerben, teilte das Kulturforum am 24. September in Potsdam mit. Angesprochen würden insbesondere solche Autoren, die sich auf die Wechselwirkungen von Literatur und historischem Kulturerbe der Stadt, der Region und des Landes einlassen wollen.

Die Stadtschreiberin oder der Stadtschreiber sollten am kulturellen Leben der Stadt Rijeka teilnehmen und Themen der gemeinsamen Kultur und Geschichte in der Stadt thematisieren und reflektieren sowie breiten Kreisen anschaulich vermitteln, hieß es weiter. Das sollte laufend in einem Internet-Blog dokumentiert werden, der auch ins Kroatische übersetzt wird. Ziel sei es, Regionen Mittel- und Osteuropas, in denen einst auch Deutsche lebten und heute noch leben, in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Über die Vergabe der Stadtschreiberstelle vom Frühjahr bis Herbst 2020 entscheidet im Dezember eine fünfköpfige Jury. Damit verbunden ist den Angaben zufolge ein monatliches Stipendium von 1.300 Euro sowie eine kostenlose Wohnmöglichkeit in Rijeka und Reisemittel. Das Stipendium wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Rijeka und der Agentur Rijeka 2020 ausgeschrieben und von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gefördert.



Magdeburg und Dessau auf Shortlist "Innovatives Orchester"

Auf der neu eingeführten Shortlist für den Preis "Innovatives Orchester" stehen 2019 auch zwei Klangkörper aus Sachsen-Anhalt. Zu den sieben Auserwählten gehören die Magdeburgische und die Anhaltische Philharmonie Dessau, wie die Deutsche Orchester Stiftung am 24. September in Berlin mitteilte. Für den Preis hätten sich erneut 31 Orchester und damit fast in Viertel der professionellen Orchester in Deutschland beworben.

"Erstmals haben wir eine Shortlist erstellt, um noch besser aufzeigen zu können, wie vielseitig und innovationsfreudig die deutsche Orchesterlandschaft insgesamt ist", sagte der Jury-Vorsitzende und Intendant der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort. Neben den Orchestern aus Magdeburg und Dessau haben es den Angaben zufolge auch die Württembergische Philharmonie Reutlingen, das Stuttgarter Kammerorchester, das Filmorchester Babelsberg, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und das Staatsorchester Braunschweig auf die Shortlist geschafft.

Die Anhaltische Philharmonie gehe für eine Jugendkonzertreihe in großer Besetzung in die Schulen der Stadt, hieß es zur Begründung für die Nominierung der der Stadt. Die Konzertprogramme setzten musikalische Werke in Beziehung zu einzelnen Fächern ("Musik und Physik", "Musik und Literatur") oder widmeten sich fächerübergreifenden Themen wie "Musik und Liebe". Die Kollegen in Magdeburg wählten indes gezielt Werke von Komponistinnen aus. Das gängige Repertoire werde so durch große und kleinere Namen und erstklassige Kompositionen erweitert, lobte die Jury.



Diese Woche neu im Kino

Gelobt sei Gott (Frankreich/Belgien 2019)

Totgeschwiegen. Verjährt. Die Missbrauchsfälle in der Kirche sowie in Kinder- und Jugendeinrichtungen wurden über lange Zeit vertuscht und beginnen langsam, an die Öffentlichkeit zu gelangen. François Ozon erzählt eine auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte, die unter die Haut geht und die Welt bis heute in Atem hält. Alexandre, ein gläubiger Familienvater, wurde in seiner Kindheit bei den Pfadfindern von Priester Bernard Preynat missbraucht. Als der mittlerweile erwachsene Alexandre erfährt, dass sein Peiniger immer noch im Dienst ist und Kontakt zu Kindern hat, gründet er die Selbsthilfegruppe "La Parole Libérée" und wagt den mutigen Schritt an die Öffentlichkeit.

Regie und Buch: François Ozon. Mit: Melvil Poupaud, Denis Ménochet, Swann Arlaud, Éric Caravaca, François Marthouret, Bernard Verley, Josiane Balasko. Länge: 137 Min. FSK: 6, feiertagsfrei. FBW: ohne Angabe.

Heimat ist ein Raum aus Zeit (Deutschland/Österreich 2019)

Ein Leben hinterlässt Spuren. In Thomas Heises Familienbiografie über vier Generationen vom 19. bis ins 20. Jahrhundert, werden die Spuren vieler Leben zusammengeführt und dann wieder auseinandergerissen. Briefe erzählen über die Jahre von der langsamen Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen Leben, eine Liste mit den Namen und Adressen der Personen, die aus Wien deportiert werden sollen, wurde so lange gefilmt, bis jeder Name erfasst war. Erinnerungen von der und an die Familie, aber auch an das Deutschland des 20. Jahrhunderts sowie Geschichten über Liebe und Schmerz wurden zu einer nostalgischen und zum Nachdenken anregenden Collage aus Dokumenten, Bildern, Tönen und der Erzählung von Thomas Heise zusammengefügt.

Regie und Buch: Thomas Heise. Mit: Thomas Heise. Länge: 218 Min. FSK: 6, feiertagsfrei. FBW: ohne Angabe.

Midsommar (USA 2019)

Regisseur Ari Aster hat sich bereits nach seinem ersten Spielfilm, dem 2018 erschienenen "Hereditary", als Pionier des modernen Horrorfilms etabliert. In seinem neuesten Werk fahren Dani (Florence Pugh) und ihr Partner Christian mit seinen Freunden nach Schweden. Die paradiesische Siedlung voller Sonnenschein und weiß gekleideter, glücklicher und zuvorkommender Menschen, entwickelt sich sehr bald zu einem brutalen Albtraum: Die Reisenden sind mitten in die Feierlichkeiten eines heidnischen Kultes geschleust worden, der mit grausamen Ritualen das Midsommar-Fest feiert. Zusammen mit der fesselnden Hauptdarstellerin und der großartigen Kameraarbeit von Pawel Pogorzelski revolutioniert Ari Aster das Horrorkino.

Regie und Buch: Ari Aster. Mit: Florence Pugh, Jack Reynor, William Jackson Harper, Will Poulter. Länge: 140 Min. FSK: Ohne Angabe. FBW: ohne Angabe.

Nurejew - The White Crow (Großbritannien/Frankreich/Serbien 2019)

Anfang der 1960er Jahre, zur Zeit des Kalten Krieges, wird das Leningrader Kirow-Ballett nach Paris geschickt. Der junge Tänzer Rudolf Nurejew findet schnell Gefallen an der Kultur und der Freiheit des Westens und beschließt, in Frankreich Asyl zu beantragen - sehr zum Missfallen der Sowjetunion. Ralph Fiennes führte bei dem Künstlerportrait über den 1993 verstorbenen sowjetischen Balletttänzer Rudolf Nurejew Regie und legte nicht nur viel Wert auf die Person Nurejew und den politischen Aufruhr, sondern auch auf dessen Leidenschaft: den Tanz. Mit Oleg Ivenko, einem russisch-ukrainischen Tänzer als Hauptdarsteller und der Biografie von Julie Kavanagh als Vorlage schafft Fiennes ein atmosphärisches und bewegendes, respektvolles Portrait.

Regie: Ralph Fiennes. Buch: David Hare. Mit: Oleg Ivenko, Adèle Exarchopoulos, Ralph Fiennes, Louis Hofmann, Chulpan Khamatova, Sergei Polunin. Länge: 122 Min. FSK: 6, feiertagsfrei. FBW: ohne Angabe.