Ein ungewöhnliches Denkmal in Prag erinnert an die Opfer der kommunistischen Diktatur. Am Fuße des Petri-Hügels hat der Bildhauer Olbram Zoubek auf einer sich verengenden Treppe sieben hintereinanderstehende männliche Bronzefiguren geschaffen.

Die erste Statue ist vollständig, die zweite hat eine Riss, die dritte keinen Arm. Jeder nachfolgenden Figur fehlt ein weiteres Körperteil. Ganz hinten stehen nur noch zwei Beine auf der Treppe.

Der Künstler symbolisiere das Leid in der früheren Tschechoslowakei, das Schicksal von Tausenden Toten des Regimes, sagt der gebürtige Prager Petr Krizek, der vor 30 Jahren in seiner Heimatstadt die samtene Revolution miterlebte - wie der Systemwechsel im heutigen Tschechien hieß. Der Kommunismus habe die Menschen vernichtet.

Es habe lange gedauert, bis sein Land die eigene Geschichte aufgearbeitet habe, sagt Zeitzeuge Krizek. Auch das Denkmal für die Opfer sei erst im Jahr 2000 aufgestellt worden.

Sehr schnell hingegen verlief die samtene Revolution. Sie habe streng genommen nur zehn Tage gedauert, sagt Krizek. Angefangen habe sie am 17. November mit der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste in Prag, am 24. November erreichte sie mit dem Rücktritt der kommunistischen Regierung ihren Höhepunkt.

Bis zu einer Million Menschen seien in Prag auf die Straße gegangen, erzählt Krizek. Den Weg geebnet hatten zuvor schon andere europäische Staaten - Polen, Ungarn, die Bundesrepublik Deutschland. Nicht zu vergessen der russische Reformer Michael Gorbatschow.

Auch die vielen DDR-Flüchtlinge im Sommer 1989 trugen vermutlich wesentlich zum Fall der Mauer und schließlich des Eisernen Vorhangs in Europa bei. Dabei war Prag nach Ungarn einer der historischen Schauplätze.

Von August bis September stürmten mehrere Tausend DDR-Bürger die dortige bundesdeutsche Botschaft im Palais Lobkowitz. 30 Jahre später sind einige von ihnen nach Prag zurückgekehrt. Der Weg bis zum Mauerfall sei für ihn wie ein Mosaik, sagt Botschaftsflüchtling Dietrich Kappel. Jeder Stein habe seine Bedeutung. Dabei war es nicht etwa die D-Mark, die die Menschen dazu brachte, die DDR zu verlassen. "Es ging um die Freiheit im Kopf, zu tun und zu lassen, was man will", sagt Kappel, der nach seiner Flucht eine Zahnarztpraxis in Worms eröffnete.

Auch die 83-jährige Waltraud Schröder vom Deutschen Roten Kreuz ist am Samstag zum "Fest der Freiheit" in den Garten der Botschaft gekommen. Sie erinnert sich an die zurückgelassenen Trabbis und Wartburgs von 1989. In langen Reihen hätten sie die Prager Straßen gesäumt. "Die Autoschlüssel hingen in den Bäumen, manche ließen sie stecken", erzählt Schröder, die die Botschaftsflüchtlinge unter anderen mit Essen versorgt hatte. Die Prager hätten das alles mit sehr viel Würde und Geduld ertragen.

Etliche DDR-Bürger verbrachten Wochen in der überfüllten Prager Botschaft bis zu den befreienden, berühmten Worten des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP), dass die Ausreise tatsächlich möglich wird.

Einer, der damals dabei war, ist der frühere Kanzleramtschef Rudolf Seiters (CDU). 30 Jahre später erinnert er sich bei einem deutsch-tschechischen Begegnungstreffen in Prag: "Die Worte brachten den verschlammten nachtdunklen Garten bekanntermaßen in einen Freudentaumel. Ich selbst hatte auch Tränen in den Augen."

Die Erleichterung der Menschen im Botschaftsgarten - das könne "man nicht beschreiben", sagt Seiters. Der 30. September in Prag markiere den Beginn des Untergangs der DDR.

Die Erinnerung an die friedliche Revolution und die deutsche Wiedervereinigung sei "eine Herausforderung, wieder zu diesem Vertrauensverhältnis zurückzufinden wie 1989", sagt Seiters. "Wir brauchen in Europa solidarische Antworten auf die Probleme unserer Zeit."

Eines dürfe nicht vergessen werden, sagt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, bei dem Treffen: "Die friedliche Revolution war ein europäischer Prozess". Die "gute Nachricht von Prag" wäre ohne internationale Diplomatie und Zusammenarbeit nicht möglich geworden.

"Auch 30 Jahre danach ist für mich das Staunen nicht geringer geworden", sagt der frühere sächsische evangelische Landesbischof Jochen Bohl, auch wenn der Wandel tiefgehender verlaufen sei als erwartet. Und die Zukunft bleibe, was sie zu allen Zeiten war - offen.