Selten wurde die Zerstörung von Natur und Mensch im Amazonasgebiet so freimütig vorangetrieben. Politik und Wirtschaft in Brasilien wettern gegen Schutzgebiete und internationale Rettungsaufrufe. Die katholische Kirche will dem mit einer Sonderkonferenz im Vatikan etwas entgegensetzen. "Wir werden mit allen Mitteln für das Amazonasgebiet und die Rechte der Indigenen eintreten", verspricht "Amazonasbischof" Erwin Kräutler. Dabei zählt der emeritierte leitende Geistliche der Amazonas-Diözese Xingú auf die Unterstützung von Papst Franziskus und auf die Amazonas-Synode, die vom 6. bis 27. Oktober in Rom tagt.

Denn die brasilianischen Bischöfe des Indigenenmissionsrates (Cimi) schlagen Alarm. Der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro bedrohe die Rechte der Urbevölkerung. In der Politik des Landes sei ein "Verfallsprozess" zu beobachten, der sich insbesondere gegen die ärmsten Gruppen richte. Besonders besorgt sind die Geistlichen über die Zunahme der Gewalt in den Schutzgebieten und Dörfern der Amazonas-Region. Illegale Holzfäller, Goldsucher und Farmer dringen immer weiter und straflos in das Land der Ureinwohner vor.

Tote bei Landkonflikten

70 Ureinwohner wurden laut Cimi im vergangenen Jahr in Brasilien bei Landkonflikten getötet. Dieses Jahr werde die Zahl noch höher liegen, befürchtet Cimi-Präsident und Erzbischof von Porto Velho im Amazonasgebiet, Dom Roque Paloschi. Mehr als 900 Fälle gewaltsamen Eindringens in Schutzgebiete seien für 2019 dokumentiert. Die Bischöfe wollen auf der Synode die brasilianische Regierung auffordern, einen effektiven Schutz der Ureinwohner zu garantieren.

Agrarwirtschaft, Rohstofffirmen und Kriminelle fühlen sich allerdings durch Bolsonaros Haltung ermutigt, ihre Interessen auch gegen Menschenrechte und Naturschutz durchzusetzen. Bereits im Wahlkampf sagte der rechte Populist: "Keinen Zentimeter für Indianer-Reservate." Kurze Zeit später legte er nach: "Es ist eine Schande, dass die brasilianische Kavallerie nicht so effizient war wie die amerikanische, die alle Indianer ausgerottet hat." Die Schutzgebiete behinderten lediglich die wirtschaftliche Ausbeutung von Rohstoffen Gold, Uran, Kupfer und Bauxit.

Insgesamt leben im Amazonas 436 indigene Stämme auf 1,2 Millionen Quadratkilometern - einer Fläche, die zweimal so groß wie Frankreich ist. Dabei haben die Ureinwohner ein in der Verfassung festgeschriebenes Recht auf das Land, auf dem sie leben. Obwohl das Land offiziell als Eigentum des Staates verbleibt, ist die Nutzung ausschließlich den indigenen Völkern vorbehalten.

Die Region werde zerrieben zwischen verschiedenen Interessen, warnt der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor und langjähriger Amazonas-Pfarrer, Pirmin Spiegel. Morde an Verteidigerinnen und Verteidigern von Menschenrechten und Angriffe auf die Natur in Amazonien zeigten, wie das herrschende System mit Kritik umgehe. Die Amazonas-Synode im Oktober biete eine neue Chance, die Trennung zwischen Spiritualität und politisch-sozialem Handeln in der Kirche zu überwinden, sagte der Theologe jüngst auf der Vollversammlung der deutschen Bischöfe.

Priestermangel

Doch nicht nur mit Menschenrechten und Naturschutz wird sich die Amazonas-Synode beschäftigen. Es geht auch um den schwindenden Einfluss der Kirche in dem riesigen Gebiet aufgrund eines aktuten Priestermangels. Der Vatikan will deshalb über die Möglichkeit beraten, insbesondere in entlegenen indigenen Gemeinden auch verheiratete Männer als Priester zuzulassen. Die Anführer der indigenen Gemeinden befürworten dies. Denn traditionell gibt es dort kaum nicht-verheiratete Männer. Allerdings wird ausgeschlossen, dass Männer, die bereits die Priesterweihe erhalten haben, ihr zölibatäres Leben aufgeben dürfen.

Gleichzeitig sollen auch Frauen mehr Verantwortung bekommen. Kräutler, der von 1981 bis 2015 das Amazonasbistum Xingú leitete und weiter dort lebt, geht noch weiter. Die Synode müsse die Diakon-Weihe von Frauen beschließen, verlangt er. In diesem Punkt hinke die Kirche hundert Jahre hinter dem Emanzipationswillen der Frauen hinterher. Frauen seien es, die die Gemeindearbeit im Amazonasgebiet aufrechterhielten, sagte Kräutler, der an der Vorbereitung der Synode beteiligt war, dem vatikanischen Portal Vatican News. Das müsse berücksichtigt werden. Die Synode müsse einen ganz neuen Zugang zu den indigenen Völkern eröffnen.