Halle (epd). Zwei Kandidaten und eine Kandidatin für das Amt des Landesbischofs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) haben sich am 27. April in der Marktkirche in Halle der Öffentlichkeit vorgestellt. Zunächst hielten die Bewerber Friedrich Kramer aus Wittenberg, Karsten Müller aus Halle und Ulrike Weyer aus Plauen jeweils einen Vortrag zum Thema "Aufstehen und Auferstehen in Kirche und Gesellschaft". Danach stellten sie sich den Fragen des Publikums. Dabei gingen sie unter anderem auf die Themen Diakonie, Tempolimit, Religionsunterricht, Umgang mit der AfD und die Ehe für alle ein. Angesichts sinkender Gemeindemitgliederzahlen und wachsender Nachwuchsprobleme sehen alle Bewerber Herausforderungen auf die Kirche zukommen. Zugleich betonten sie die Pflicht der Kirche, in die Gesellschaft zu wirken.
Kramer ermunterte dazu, als Christen aufzustehen, auch Dinge zu erproben, Kirchengebäude mit Leben zu füllen und eine Vorbildwirkung in der Gesellschaft einzunehmen. Als ein großes Zeichen der Auferstehung benannte er als Beispiel die jüngste enorme Spendenbereitschaft nach dem Brand von Notre-Dame in Paris. Kramer sagte, es sei vor allem wichtig, dass man das, was man tue, mit Freude mache. So müssten Gottesdienste so sein, dass sie einladend seien, und nicht peinlich berührend. Haupt- und Ehrenamt müssten zusammenwirken.
Müller rief dazu auf, mehr Glauben und mehr Theologie zu wagen. Er sei fest überzeugt, dass die christliche Botschaft immer wieder in die Gesellschaft getragen werden müsse, und zwar "im Dialog, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger". Er sagte: "Wir müssen uns der Komplexität der Welt stellen und müssen auferstehen gegen Demokratieverachtung, Hass und Rassismus." Mit Blick auf sinkende Mitgliederzahlen sagte Müller: "Wir müssen schauen, dass wir sinnvolle Strukturen für diese Zahlen organisieren können und dass der kirchliche Dienst finanzierbar bleibt." Dazu gehörten auch sinnvolle Investitionen.
Weyer betonte, Kirche sei an einen Auftrag gebunden. Zwar sei die aktuelle Situation herausfordernd, aber: "Auch wenn wir weniger werden, verzwergen wir nicht." Eine Herausforderung sei auch die eigene Sprachfähigkeit der Christen. Kirche sei für sie eine souveräne Größe. Sie habe keine Angst davor, dass es weniger Gemeindemitglieder gebe. "Ich habe ein festes Vertrauen auf Gott." Aus ihrer Sicht ist es Aufgabe der Kirche, Gesprächsräume zu öffnen und zu moderieren, sich gesellschaftspolitisch, aber nicht parteipolitisch einzubringen. "Wo Grenzen überschritten werden, müssen wir unsere Stimme erheben."
Zum Umgang mit der AfD erklärten alle drei Bewerber, dass Anhänger der Partei auch zu den Kirchengemeinden gehören. Diese dürfe man nicht ausgrenzen. Man müsse allerdings deutlich machen, "dass es zwischen den Zielen der AfD und dem, was wir als Kirche vertreten, fundamentale Unterschiede gibt", betonte Müller.
Auf die Frage zur kirchlichen Trauung für alle antwortete Müller, man tue nicht in allem, aber in manchem gut daran, staatliche Vorgaben nachzuvollziehen. "Gottes Segen sortiert nicht." Die Sicht auf die sexuelle Orientierung habe sich geändert. Auch Kramer sprach sich für Gleichberechtigung aus und betonte, die Frage der Sexualität sei nebensächlich. Er verwies dabei auf die Bibel. Weyer sagte, wer mit ehrlichem Herzen nach Gott suche, der solle auch mit Gottes Segen begleitet werden. Lösungen müssten vor Ort gefunden werden.
Das neue geistliche Oberhaupt der etwa 700.000 evangelischen Christen in weiten Teilen Thüringens, Sachsen-Anhalts sowie in Randgebieten Sachsens und Brandenburgs soll auf der Landessynode am 10. Mai in Kloster Drübeck im Harz gewählt werden. Die Amtseinführung ist für den 7. September im Magdeburger Dom vorgesehen.
Friedrich Kramer, 1964 in Greifswald geboren, ist seit 2009 Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und zugleich Studienleiter für Theologie und Politik. Karsten Müller, 1966 in Merseburg geboren, ist seit 2013 Pfarrer für die Johannesgemeinde in Halle und die Kirchengemeinde Halle-Diemitz. Ulrike Weyer wurde 1973 in Dresden geboren. Sie ist seit 2015 Superintendentin im Kirchenbezirk Plauen und Inhaberin der Pfarrstelle der St. Johanniskirchgemeinde Plauen.
Erfurt (epd). Ulrike Weyer (45) möchte auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 10. Mai im Kloster Drübeck (Harz) zur Nachfolgerin von Landesbischöfin Ilse Junkermann gewählt werden. Ihr lägen wertschätzende Kommunikation, Aufgabenklarheit sowie eine verständliche Übersetzungsleistung zwischen den Ebenen und Gremien am Herzen, sagte die Superintendentin des Kirchenbezirkes Plauen (Vogtland) dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Für Weyer ist es "der Blick für das Kleine, Übersehene, Verlorene, mit dem sich Kirche von der großen Politik unterscheidet und worin christliche Botschaft vor allem wahrgenommen wird."
epd: Warum möchten Sie Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden?
Weyer: Aus meiner Zeit als Pfarrerin eines großen Kirchspiels und als Superintendentin kenne ich die vielfältigen Herausforderungen des Leitungshandelns im städtischen und ländlichen Raum. Das Bischofsamt bedeutet eine große Ehre, vor allem aber eine große Aufgabe: Nach dem Amtsantritt steht eine Menge Arbeit an, was genaues Wahrnehmen, geduldiges Vertrauen und das Engagement vieler erfordert. Zur Leitungstätigkeit gehört für mich grundlegend die Achtung der unterschiedlichen Ebenen und Gremien mit ihren jeweiligen Kompetenzen und Aufgaben. Verglichen mit einem Getriebe ist jedes der kleinen und großen Zahnräder wichtig, um gut ineinanderzugreifen. Wertschätzende Kommunikation, Aufgabenklarheit sowie eine verständliche Übersetzungsleistung zwischen den Ebenen und Gremien liegen mir am Herzen. Das umsetzen zu können ist zugleich ein großes Geschenk: Mit Haupt- und Ehrenamtlichen, kreativen und engagierten Gemeinden, Einrichtungen und Diensten Kirche weiter zu entwickeln! Ich durfte selber erfahren, wie in kritischen Situationen bei gut geführtem Diskurs auch tragfähige neue und im besten Sinne "begeisternde" Zukunft für Kirche erwachsen kann.
epd: Wo sehen Sie - zehn Jahre nach der Fusion von zwei selbstständigen Landeskirchen - den größten Handlungsbedarf in der EKM?
Weyer: Mit der Fusion zweier Landeskirchen unterschiedlicher Prägung wurde ein mutiger Schritt gegangen. Zehn Jahre erscheinen viel, Herz und Seele schlagen jedoch in einem anderen Takt - neben Strukturen und den großen politischen Themen braucht die persönliche Dimension Beachtung. Die Veränderungsleistung verlangt Respekt. Auch die Zukunft wird Willen zur Neugestaltung, Experimentierfreudigkeit und kluge Schritte erfordern. Die Erfahrungen aus den Gemeinden und Erprobungsräumen sind dabei von unschätzbarem Wert. Vor Ort muss sensibel wahrgenommen werden, was auf dem Weg an Bewahrenswertem "eingepackt" und was zurückgelassen wird. Als Christen können wir vertrauensvoll und angstfrei in die Zukunft gehen gemäß unserem Auftrag, in der Welt das Evangelium zu bezeugen. Dieses in einer säkularisierten Gesellschaft und im pluralen Umfeld inhaltlich neu zu erschließen und zu formulieren wird uns fordern. Im Blick auf die zunehmenden Anforderungen werden Handlungsrahmen und Aufgaben für Haupt- und Ehrenamtliche zu beschreiben sein, was Aufgabe der Leitung ist. Wer Neues wagt, braucht Freiraum, Schutz und Würdigung.
epd: Als geistliches Oberhaupt würden Sie die EKM in allen Sphären der Gesellschaft vertreten. Wie politisch soll Kirche heute sein?
Weyer: Die Säkularisierung als Verlustgeschichte zu verstehen und damit den Rufen nach dem "Untergang" der Kirche Raum zu geben, schwächt uns. Auch wenn wir weniger werden und dichter zusammenrücken müssen, so wird unsere Botschaft nicht kleiner oder unbedeutender. Ich sehe Kirche als souveräne Größe, die ihre Themen setzt und ihre Werte vertritt. Der erkennbare Mangel an Mitgefühl, Barmherzigkeit und Kompromissfähigkeit fordert uns, gerade dafür erkennbar einzustehen. Als große Themen aus dem konziliaren Prozess haben Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung aktuelle Gültigkeit. Im Sinne des Wächteramtes bringt Kirche ihre Themen diskursiv, dialogisch oder mahnend ein. Im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre sollte in den beauftragen Gremien über Form, Art und Weise Konsens herrschen. Pluralität ist ein hohes Gut, dass mir am Herzen liegt und schnell verloren geht, wenn sich Kirche von politischen Standpunkten vereinnahmen lässt. Wir sind "Kirche für viele" und meiner Ansicht nach gut beraten, mehr auf den Ton als auf die Lautstärke gesellschaftlicher Debatten Einfluss zu nehmen. Der Blick für das Kleine, Übersehene, Verlorene ist es, mit dem sich Kirche von der großen Politik unterscheidet und worin christliche Botschaft vor allem wahrgenommen wird.
Erfurt (epd). Friedrich Kramer (54) möchte auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 10. Mai im Kloster Drübeck (Harz) zum Nachfolger von Landesbischöfin Ilse Junkermann gewählt werden. Ihn reize es, die Kirche in schwierigen Ab- und Aufbruchszeiten geistlich zu begleiten, sagte der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Für ihn soll sich die Kirche "als großer zivilgesellschaftlicher Akteur an der politischen Meinungsbildung beteiligen und diese nicht den Parteien überlassen, denn die großen gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich nur im gemeinsamen Diskurs angehen".
epd: Warum möchten Sie Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden?
Kramer: Am Anfang stand die Anfrage, der Ruf von außen und nicht das eigene Wollen. Das finde ich für dieses geistliche Amt ein sehr gutes Verfahren. Dann habe ich überlegt und abgewogen zwischen Ja und Nein, wollte davor fliehen und auf der anderen Seite mich der Aufgabe stellen und habe dann erlebt, dass im Gebet und in den Gesprächen eine innere Zustimmung, ein innerer Ruf, ein klares Ja, gewachsen ist. Mich reizt es, unsere Kirche in schwierigen Ab- und Aufbruchszeiten geistlich zu begleiten. Über das, was nicht mehr geht, mit den Geschwistern zu trauern und getrost und fröhlich neue Wege zu wagen. Vieles werden wir in unserer Kirche neu ausprobieren und denken müssen und dafür habe ich Gaben die ich gerne einbringe. Mich reizt es in Zeiten des Hasses, mit über 900 Liebespredigerinnen und Liebespredigern zusammen zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass sie ihren Dienst frei und fröhlich in Land und Stadt wahrnehmen können. Ich stehe für eine fröhliche, weltoffene, menschenfreundliche und streitbare Kirche.
epd: Wo sehen Sie - zehn Jahre nach der Fusion von zwei selbstständigen Landeskirchen - den größten Handlungsbedarf in der EKM?
Kramer: Der größte Handlungsbedarf besteht für unsere Kirche darin, unseren Auftrag unter den heutigen Bedingungen und Herausforderungen zu erfüllen, nämlich das Evangelium öffentlich zu verkündigen, die Liebe am Nächsten zu üben, Gemeinschaft zu feiern und Zeugnis von Gott in einer säkularen Umwelt abzulegen. Dafür sehe ich vier Felder: Es gilt, den Ruf der Kirche zu verbessern, damit Menschen Lust haben in unserer Kirche mitzutun und stolz sind in unserer Kirche zu sein. Zweitens müssen die massiven Veränderungen verkraftet und theologisch gedeutet werden. Wie können wir in der Diaspora nah bei den Gemeinden sein und eine lebendige und offene Kirche für andere und mit anderen bleiben? Zum Dritten fordert die ökologische Krise unsere Glaubwürdigkeit als Kirche und Organisation heraus, einen nachhaltigen Lebens- und Arbeitsstil zu entwickeln. Es gilt viertens an der Gestaltung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft mitzuwirken und die Frohe Botschaft im säkularen Raum verständlich zur Sprache zu bringen.
epd: Als geistliches Oberhaupt würden Sie die EKM in allen Sphären der Gesellschaft vertreten. Wie politisch soll Kirche heute sein?
Kramer: Die Mitglieder der EKM gehören zum gesamten politischen Spektrum und das ist gut so. Denn das Evangelium wird an alles Volk verkündet und darum auch ganz verschieden verstanden. Die Aufgabe der Kirche ist die Verkündigung der frohen Botschaft der Liebe Gottes, die Gemeinschaft stiftet. Gleichzeitig ist die frohe Botschaft ein öffentlicher Ruf zur Umkehr und Buße und von daher konfrontierend und spaltend. In diesem Spannungsfeld kann Kirche gar nicht unpolitisch reden, wenn das Evangelium zu Versöhnung und Frieden, zu Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit, zur Bewahrung der Schöpfung, zum materiellen Verzicht und zur Entscheidung für Gott und gegen den Mammon ruft. Die Frage ist aber in welcher Weise dies geschieht. Hier hat Kirche dafür einzustehen, dass es eine menschenfreundliche politische Streitkultur gibt. Als großer zivilgesellschaftlicher Akteur soll sich die Kirche an der politischen Meinungsbildung beteiligen und diese nicht den Parteien überlassen, denn die großen gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich nur im gemeinsamen Diskurs angehen.
Erfurt (epd). Karsten Müller (53) möchte auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 10. Mai im Kloster Drübeck (Harz) zum Nachfolger von Landesbischöfin Ilse Junkermann gewählt werden. Ihn reize die Möglichkeit, das Leben einer Landeskirche in seiner Vielfalt wahrzunehmen und da, wo es notwendig und sinnvoll ist, durch Impulse mitzugestalten, sagte der Pfarrer aus Halle dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Für ihn muss "Kirche politisch sein, aber sie darf nicht politisieren".
epd: Warum möchten Sie Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden?
Müller: Mich fordert der Perspektivwechsel heraus: Aus einer Pfarrstelle für zwei Kirchengemeinden in Halle (Saale) in eine Pfarrstelle, deren Bereich die EKM ist. Der damit verbundenen Leitungsaufgabe sehe ich mit Respekt entgegen. Ich empfinde es als Ehre, dass mir Menschen in der EKM die Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe zutrauen. Für den Fall einer Wahl freue ich mich auf diesen Dienst in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit allen Leitungsorganen unserer Kirche. Mich reizt die Möglichkeit, das Leben einer Landeskirche in seiner Vielfalt wahrzunehmen und da, wo es notwendig und sinnvoll ist, durch Impulse mitzugestalten. Ich bin gespannt auf die Mitarbeit in den kirchlichen Zusammenschlüssen auf gesamtdeutscher Ebene. Ich hoffe, dass ich an die guten ökumenischen Erfahrungen, die ich hier in Halle gemacht habe, auch bei den Bistümern der katholischen Kirche und anderen Kirchen im Bereich der EKM anknüpfen kann.
epd: Wo sehen Sie - zehn Jahre nach der Fusion von zwei selbstständigen Landeskirchen - den größten Handlungsbedarf in der EKM?
Müller: Bei aller Vorsicht im Umgang mit Superlativen - Handlungsbedarf besteht immer wieder neu bei der Frage: Welche Bedingungen und Strukturen sind gut geeignet, damit wir als Kirche in den verschiedenen Arbeitsfeldern unseren Auftrag gut erfüllen können - und welche sind es nicht? Bei weiter zurückgehenden Mitgliederzahlen wird es schwierig, diese Frage zu beantworten - aber sie drängt. Strukturfragen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie sich schnell in den Vordergrund drängen. Im Vordergrund steht aber unser Auftrag, Gottes Wort in die Welt zu bringen. Wir tun gut daran, wenn wir auf dem Weg, der vor uns liegt, uns immer wieder neu von der Kraft unseres Glaubens inspirieren lassen, aus unseren theologischen Wurzeln Orientierung gewinnen und neugierig sind und bleiben auf das, was Gott uns an Ideen und Innovationen schenkt, auf welche neuen Wege er uns schickt. Dabei sollten wir auch Raum für Trauer über das zulassen, was wir nicht mehr tun können oder was seine Zeit hatte. Handlungsbedarf sehe ich auch bei der Debattenkultur in unserer Kirche, wie manche Äußerungen in Kontroversen immer wieder zeigen.
epd: Als geistliches Oberhaupt würden Sie die EKM in allen Sphären der Gesellschaft vertreten. Wie politisch soll Kirche heute sein?
Müller: Kirche muss politisch sein, aber sie darf nicht politisieren. Die Basis unserer Kirche, das Evangelium, wirkt in die Gesellschaft hinein. Die Bergpredigt ist kein Referat hinter verschlossenen Türen gewesen, sondern eine öffentliche Rede. Das christliche Menschenbild taugt nicht dazu, um es hinter Kirchenmauern zu verstecken. Die elementaren Fragen unseres Menschseins sind immer auch politische Fragen. Unsere Aufgabe als Kirche ist es, im Dialog oder auch in der Auseinandersetzung mit politischen Kräften von der biblischen Botschaft her den Freiraum und die Grenzen zu beschreiben, die wir in verschiedenen Politikfeldern sehen. Wenn uns das ohne erhobenen Zeigefinger gelingt, ist es umso besser. Die Erfüllung dieser Aufgabe betrifft alle Bereiche der Kirche: von der Predigt im Gottesdienst bis hin den Stellungnahmen der Kirchenleitung. Wir sollten es uns dabei aber nicht zu einfach machen, und der Versuchung widerstehen, zu schnell auf die Tradition zu verweisen. Ich bin überzeugt, dass unser Glaube uns befähigt, zeitgemäße Antworten auf aktuelle Fragen zu finden und zu geben.
Erfurt (epd). Der Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hat die Kirchengemeinden zu Fürbitten sowie zur Unterstützung von Demonstrationen für die Europa-Wahl aufgerufen. Ein entsprechender Brief von Landesbischöfin Ilse Junkermann werde dazu seit 28. April in den Gottesdiensten verlesen, teilte eine EKM-Sprecherin in Erfurt mit. Sie bitte darin die Gemeinden auch für ein Europa des Friedens und der Versöhnung zu beten.
"Die bevorstehende Wahl zum Europäischen Parlament gilt vielen als Schicksalswahl", betont Junkermann den Angaben zufolge in dem Brief an die Gemeinden. Die EU stehe vor zahlreichen Herausforderungen und Unsicherheiten. Einige Parteien, die zur Wahl stehen, wollten die europäischen Institutionen schwächen oder abschaffen. Umso wichtiger sei es, an die EU als ein Friedens- und Versöhnungsprojekt zu erinnern, in dem Vielfalt gelebt werden kann. "Wir müssen die Europawahlen als Möglichkeit nutzen, Europa aktiv mitzugestalten im Sinne des eingeschlagenen Weges der Versöhnung, des friedlichen Miteinanders und des Einsatzes für die Menschenrechte", so Junkermann.
Die Landesbischöfin bittet zudem, wie von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) vorgeschlagen, europaweit in den kommenden Wochen für ein Europa des Friedens und der Versöhnung zu beten. Gleichzeitig rufe sie dazu auf, eine Teilnahme an den europaweiten Demonstrationen am 19. Mai zu prüfen. Mit den Demonstrationen sollten möglichst viele Menschen zur Teilnahme an den Wahlen motiviert und auf die Herausforderungen aufmerksam gemacht werden. Junkermann selbst unterstütze die Forderungen in dem Demonstrationsaufruf nach einem Europa, in dem Wert auf Humanität, Menschenrechte, Demokratie, Vielfalt, Meinungsfreiheit und soziale Gerechtigkeit gelegt "sowie ein grundlegender ökologischer Wandel und die Lösung der Klimakrise vorangetrieben" werde, hieß es.
Berlin (epd). In der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) haben neue Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften begonnen. Die bisherigen Regelungen im Tarifvertrag TV-EKBO seien fristgemäß zum 30. April gekündigt worden, sagte ver.di-Gewerkschaftssekretär Axel Weinsberg dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 24. April in Berlin. Von Gewerkschaftsseite werde im Wesentlichen angestrebt, die neuen Regelungen im TV-L des öffentlichen Dienstes nachzuvollziehen. Dort wurde Anfang März unter anderem vereinbart, die Vergütungen rückwirkend zum 1. Januar 2019 und erneut zum Januar 2020 um rund drei Prozent sowie zum Januar 2021 noch einmal um knapp 1,3 Prozent zu erhöhen.
Die an den Verhandlungen beteiligten Gewerkschaften forderten zudem einen tariflichen Ausschluss sachgrundloser Befristungen in der Landeskirche, sagte Weinsberg. Nach der ersten Verhandlungsrunde am 11. April seien die Verhandlungen zunächst vertagt worden. Eine zweite Verhandlungsrunde sei am 20. Mai geplant. Der TV-EKBO wurde von den Gewerkschaften ver.di, GEW und der Gewerkschaft Kirche und Diakonie (GKD) mit der Landeskirche abgeschlossen.
Erfurt/Eisenach (epd). In Eisenach soll künftig ein Mahnmal an das sogenannte Entjudungsinstitut erinnern. Es soll 80 Jahre nach seiner Gründung am 6. Mai etwa 100 Meter unterhalb des früheren Institutsgebäudes, das an einem steilen Stieg liegt, in der Wartburgstadt eingeweiht werden, kündigte die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, am 23. April in Erfurt an.
Von der Verlegung verspreche man sich eine bessere öffentliche Wahrnehmung, erklärte sie. Der Standort des Mahnmals befindet sich ungefähr fünf Minuten Fußweg entfernt vom Geburtshaus des Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750). Das 1939 auf der Wartburg von elf der damaligen evangelischen Landeskirchen gegründete "Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben" hatte zum Ziel, Kirche und christlichen Glauben an die nationalsozialistische Ideologie anzupassen.
Auf die genaue Ausgestaltung der Installation nach einem Entwurf von Marc Pethran (Leipzig) wollte die Bischöfin unter Verweis auf die bevorstehende Enthüllung nicht näher eingehen. Es werde aber mit dem Zitat "Wir sind in die Irre gegangen" auf das "Darmstädter Wort" aus dem Jahre 1947 angespielt, einem Bekenntnis evangelischer Christen zu ihrer historischen Mitverantwortung für die Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus, erläuterte Junkermann.
Die Einweihung des Mahnmals, zu der auch Vertreter von fünf Nachfolgekirchen der Gründungskirchen erwartet werden, ist aus Sicht der Bischöfin ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Eröffnung der neuen Sonderausstellung im Eisenacher Lutherhaus am 20. September. Sie trägt den Titel "Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche ‚Entjudungsinstitut’ 1939-1945" und soll bis mindestens Ende 2021 zu sehen sein, erklärte der Chef des Museums, Jochen Birkenmeier.
Der Schwerpunkt der Exposition liegt nach seinen Angaben auf der Herausarbeitung der Gründe, die zur Einrichtung des Instituts führten. Aber auch der Umgang mit diesem "dunklen Teil" der Kirchengeschichte in der DDR werde thematisiert. Dazu zähle auch ein Blick auf die weitere Karrieren ehemaliger Mitarbeiter des Instituts. Zu ihnen zählten die bis heute in der Kirche und der Gesellschaft zum Teil noch immer hoch angesehenen Institutsleiter Walter Grundmann und Kirchenmusiker Erhard Mauersberger, sagte Birkenmeier.
Deren Schicksal und Würdigung durch die Nachwelt ist auch Thema einer wissenschaftlichen Tagung ab 18. September auf der Wartburg im Vorfeld der Ausstellungseröffnung, sagte der Jenaer Kirchenhistoriker Christopher Spehr. So wurde Grundmann wenige Jahre nach 1945 die Ausbildung des theologischen Nachwuchses in Thüringen gestattet. Ab 1956 diente er sich zudem als fleißiger Informant der Stasi an, sagte Spehr. Mauersberger, der in der NS-Zeit in Eisenach an einem "entjudeten" Gesangsbuch arbeitete, stieg 1961 zum 14. Thomaskantor nach Bach in Leipzig auf.
Das Eisenacher Institut stehe zwar in besonderer Weise für einen deutschchristlich verantworteten wissenschaftlichen Antisemitismus in der NS-Zeit, sei aber nur eines von ähnlichen pseudo-wissenschaftlichen Einrichtungen gewesen, sagte Spehr weiter. Zudem standen die Thüringer in regem Austausch mit Gleichgesinnten im ganzen Reich sowie den deutschsprachigen Regionen Rumäniens und in Skandinavien, vor allem in Schweden. Auch diesem Aspekt widme sich die Tagung, kündigte der Jenaer Professor an.
Das Eisenacher "Entjudungsinstitut" war am 4. April 1939 auf Betreiben führender "Deutscher Christen" gegründet worden. Die Gründungsfeier fand am 6. Mai auf der Wartburg statt. Es ging dem Institut unter anderem um eine Abwertung des Alten Testaments und die Tilgung sämtlicher jüdischer Spuren im Neuen Testament. So brachte der Arbeitskreis "Volkstestament" 1941 ein "entjudetes" Neues Testament unter dem Titel "Die Botschaft Gottes" heraus.
Leipzig (epd). Die Philippuskirche in Leipzig wird am 3. Mai mit einem Festgottesdienst nach rund zweijähriger Sanierung wiedereröffnet. Das seit 2002 leerstehende, aber noch gewidmete Gotteshaus soll künftig sowohl für geistliche Angebote als auch als integrativer Veranstaltungs- und Begegnungsort genutzt werden, wie das Berufsbildungswerk Leipzig (BBW) als Träger am 26. April mitteilte.
Zum Eröffnungsgottesdienst wird unter anderem Sachsens evangelischer Altbischof Jochen Bohl erwartet. Am darauffolgenden Wochenende sind weitere Veranstaltungen zur Wiedereröffnung der Kirche geplant. Unter anderem werde es am 4. Mai ein Konzert mit dem Komponisten Martin Kohlstedt und dem Gewandhaus-Chor geben. Am 5. Mai werden der Liedermacher Gerhard Schöne und der Gewandhaus-Kinderchor unter dem Titel "Ein Tag im Leben eines Kindes" in der Philippuskirche erwartet.
Im Zuge der Sanierung wurde der mehr als 100 Jahre alte Bau im Stadtteil Plagwitz-Lindenau barrierefrei umgebaut. Künftig soll hier unter anderem die bereits seit 2017 bestehende Veranstaltungsreihe "Konzerte am Kanal" fortgeführt werden, wie es weiter hieß. Dazu besteht auch eine Kooperation mit dem Leipziger Gewandhaus.
Die dem Diakonischen Werk angehörende kirchliche BBW-Gruppe hatte das 1910 errichtete, denkmalgeschützte Ensemble mit Philippuskirche, Gemeindesaal und Pfarrhaus 2012 von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens angekauft. Das frühere Pfarrhaus wurde in den vergangenen knapp zwei Jahren saniert und barrierefrei zu einem Integrationshotel umgebaut. Die Kosten von rund 4,5 Millionen Euro wurden aus Eigenmitteln und einer Förderung der "Aktion Mensch" getragen.
Die Sanierung der Philippuskirche kostete demnach insgesamt 1,8 Millionen Euro. Den Großteil des Geldes stellte der Freistaat Sachsen aus einem EU-Förderprogramm für nachhaltige Stadtentwicklung. Mit dem Abschluss der Arbeiten ist das Ensemble nach den Worten von BBW-Hauptgeschäftsführer Tobias Schmidt zunächst abgeschlossen. Allerdings werden für die Instandsetzung der Orgel in der Kirche laut Schätzungen weitere rund 200.000 Euro benötigt.
Görlitz (epd). Die Türme der evangelischen Görlitzer Peterskirche setzen mit abstrakter Graffiti-Kunst der Streetart-Künstlerin MadC ein Zeichen für Europa. Als erste der insgesamt fünf je rund 30 Quadratmeter großen Planen wurden am 25. April die Werke "Europa" und "Görlitz" am Baugerüst der Kirchtürme aufgehängt, sagte Pfarrer Bernd Arlt von der evangelischen Innenstadtgemeinde Görlitz dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Görlitz. Die Kunstwerke, an deren Entstehung auch acht Schülerinnen und Schüler aus Görlitz beteiligt waren, sollen bis zum Herbst in der Grenzstadt gezeigt werden.
Erstmals werde in Deutschland Streetart in dieser Form an einem so prominenten Ort wie einem Kirchturm gezeigt, erklärte die sächsische Staatskanzlei. Die Türme seien auf beiden Seiten der Neiße gut zu sehen und deshalb "der beste Ort für diese einmalige Kunstaktion", betonte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Die Graffiti-Kunstwerke seien eine Einladung "weiterhin miteinander europäische Brücken zu bauen und Europa so zu gestalten, dass es gut für die Menschen ist". Das in den Blautönen der EU gestaltete Kunstwerk "Europa" weise in Richtung Polen, sagte Arlt.
Die aus Bautzen stammende Graffiti-Künstlerin MadC, die 38-jährige Grafikdesignerin Claudia Walde, hat in Halle und London studiert. Sie wird nach Angaben ihrer Webseite von Galerien unter anderem in Zürich, Paris und New York vertreten. Neben Kretschmer und der Künstlerin waren nach Angaben von Arlt unter anderem auch der evangelische Superintendent Thomas Koppehl und der Görlitzer Bürgermeister Siegfried Deinege vor Ort. Auftraggeber der Graffiti-Werke ist das Land Sachsen. Die Kunstaktion ist Teil der Marketing-Kampagne des Bundeslandes unter dem Motto "So geht sächsisch".
Die als Peterskirche bekannte Kirche St. Peter und Paul ist die Görlitzer Stadtpfarrkirche. Die spätgotische Hallenkirche wurde im 15. Jahrhundert errichtet. Gemeindegottesdienst wurden in Görlitz nach Angaben der Kirchengemeinde bis 1691 nur dort gefeiert. Die beiden neogotischen Kirchtürme wurden erst zwischen 1890 und 1892 gebaut.
Die heutige barocke Ausstattung der Hauptkirche stammt mehrheitlich aus der Zeit nach dem Brand von 1691, der große Teile der Stadt zerstörte und auch die frühere Kircheneinrichtung vernichtete. Zum barocken Inventar gehören den Angaben zufolge unter anderem drei Beichtstühle, eine vergoldete Kanzel aus Sandstein von 1693 und ein Hochaltar von 1695.
Halberstadt/Bonn (epd). Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) unterstützt die Barbarakapelle in der Liebfrauenkirche in Halberstadt. Dank der treuhänderischen Curt-Richter-Gedächtnis-Stiftung in der DSD und zweckgebundener Spenden könnten exakt 5.272,79 Euro für die Beseitigung von Wasserschäden an den Innenwänden und am Altar der Barbarakapelle zur Verfügung gestellt werden, wie die Stiftung in Bonn mitteilte.
Die DSD unterstützt mit ihren Treuhandstiftungen die Restaurierung des Halberstädter Gotteshauses bereits seit 1993 mit bislang insgesamt rund 900.000 Euro. Die Liebfrauenkirche ist eines von mehr als 580 Objekten, die die private Stiftung nach eigenen Angaben dank Spenden, Erträgen ihrer Treuhandstiftungen sowie Mitteln der GlücksSpirale allein in Sachsen-Anhalt fördern konnte.
Die Halberstädter Liebfrauenkirche wurde für das 1.005 von Bischof Arnulf gegründete Augustiner-Chorherrenstift errichtet. Unter Bischof Rudolf wurde das Gotteshaus im 12. Jahrhundert umgebaut. Die DSD hat die Liebfrauenkirche erstmals 1993 mit rund 750.000 Euro gefördert. Seit 2004 unterstützt sie regelmäßig Restaurierungsarbeiten.
Lauscha/Bonn (epd). Für die Stadtkirche in Lauscha im Thüringer Schiefergebirge stellt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 15.000 Euro zur Verfügung. Damit sollen feuchte- und salzbelastete Bereiche saniert sowie die Freilegung und Restaurierung des bauzeitlichen Edelputzes finanziert werden, teilte die Stiftung am 26. April in Bonn mit. Die Stadtkirche in exponierter Ortslage sei eines von mehr als 480 Projekten, die unter anderem durch Spenden inzwischen allein in Thüringen realisiert wurden und werden, sagte ein Stiftungssprecher.
Bereits um die Jahrtausendwende habe die Deutsche Stiftung Denkmalschutz der Kirche in Lauscha geholfen, sagte der Sprecher. Damals sei die Neubeschieferung des Turms in altdeutscher Deckart mit Lehestener Schiefer und die Restaurierung der Fassade gefördert worden. Der Jugendstilbau wurde 1911 nach einem Entwurf des Architekten Julius Zeissig errichtet.
Erfurt/Marburg (epd). Etwa ein Viertel der evangelischen Kirchen in Mitteldeutschland sind das ganze Jahr über geschlossen, weil sie nicht mehr kirchlich genutzt werden. Auf dem Evangelischen Kirchbautag im September in Erfurt wollen rund 600 Architekten, Theologen, Künstler und interessierte Bürger diskutieren, was mit ihnen gemacht werden kann. "Die Kirchen sind alle renoviert. Aber eine Zukunft haben sie nur, wenn sie genutzt werden", sagte der Direktor des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Universität Marburg, Thomas Erne, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Thema des 29. Evangelischen Kirchbautages vom 19. bis 22. September in der thüringischen Landeshauptstadt lautet "Aufgeschlossen". Die Teilnehmer unternehmen unter anderem Exkursionen zu Kirchen, die aus einem Ideenwettbewerb zur Nutzung leerstehender Gebäude ausgewählt wurden. Veranstalter sind die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und das EKD-Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst.
Jedes Dorf habe eine Kirche, jedoch oft keine Kirchengemeinde mehr, berichtete Erne. Er glaube aber, dass es in der Zivilgesellschaft genügend Leute gebe, die sich um die Gebäude kümmern würden. Eine Exkursion führt beispielsweise zur St. Annen-Kapelle in Krobitz im Saale-Orla-Kreis, für die der international bekannte Künstler Carsten Nicolai ein Kunstprojekt entwickelt hat. Drei bis vier zugezogene Familien kümmern sich Erne zufolge um die Kirche. "Man entdeckt plötzlich Leute, die was machen wollen."
Sicherlich könne man auch Gastronomen finden, die leerstehende Kirchen nutzen würden. Aber bisherige "Generallinie" sei, dass eine "Kirche noch als Kirche erscheinen" und dass sie "spirituell beatmet" werden müsse. Man wolle das Miteinander in den Ortschaften fördern und eine "Caring Community" anstoßen. Das könne auch eine Nutzung als Sozialkaufhaus beinhalten.
Das Problem ungenutzter Kirchen finde sich überall in der Bundesrepublik, Mitteldeutschland sei nur exemplarisch, fügte der Direktor des EKD-Kirchenbauinstituts hinzu. "Man kann viel lernen von den neuen Bundesländern, weil sie die Probleme schon länger haben."
Berlin (epd). Der evangelische Bischof Markus Dröge hat die "Fridays for Future"-Schülerbewegung für Klimaschutz als Ausdruck von Verantwortung gewürdigt. Die jungen Menschen setzten mit ihren Protesten während der Schulzeit auch Werte um, die an kirchlichen Schulen vermittelt würden, schreibt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in der Wochenzeitung "Die Kirche" (Ausgabe vom 28. April). Sie stünden zu diesen Werten und folgten auch gegen Widerstände dem eigenen Gewissen und den eigenen Überzeugungen.
Dazu könnten auch gezielte und zeichenhafte Regelüberschreitungen gehören, betont Dröge. Er freue sich besonders, dass fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler der Schulstiftung der Landeskirche bei "Fridays for Future" aktiv seien. Dabei werde das Engagement zum Teil auch mit Projekttagen und Exkursionen verbunden. In Berlin wollen am Freitag trotz der Schulferien wieder Aktivisten von "Fridays for Future" auf die Straße gehen.
Die Bewegung "Fridays for Future" setze sich für den Erhalt der Schöpfung und damit für ein Anliegen ein, "das auch unser Anliegen als Christinnen und Christen ist", schreibt Dröge weiter. Die christlichen Kirchen hätten bereits vor Jahrzehnten damit begonnen, sich verstärkt für Gerechtigkeit, Frieden "und ebenso pointiert für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen". In der Kirche werde im aktuellen Jubiläumsjahr zu 30 Jahren friedlicher Revolution auch an die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung vor 30 Jahren in Dresden und Magdeburg erinnert.
Hannover (epd). Gerhard Wegner nimmt die Micky-Maus-Figur aus dem Regal in seinem Büro. "Sie sitzt da in Denkerpose, wie die Statue des Bildhauers Rodin", sagt der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Institutes. "Hat meine Frau mir geschenkt. Ist doch originell. Passt irgendwie", fügt er lachend hinzu. "Das Nachdenken, die Wissenschaft hat uns hier immer umgetrieben." Seit mehr als 14 Jahren leitet der promovierte Theologe das Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. Am 11. Mai wird der 65-Jährige in Berlin in den Ruhestand verabschiedet.
Neben Micky haben auch eine Büste des christlichen Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) und ein Kreuz vom Kap der Guten Hoffnung ihren Platz in dem Regal, das Wegner dann räumen wird. Die Ökumene, die Sozialpolitik und die Frage nach der Rolle der Kirche in der Gesellschaft waren Themen in den Jahren, in denen er als streitbarer Querdenker die Arbeit des Institutes an der Nahtstelle zwischen Kirche und Sozialwissenschaften prägte. Wegner führte als Gründungsdirektor das damalige Pastoralsoziologische Institut der hannoverschen Landeskirche und das frühere Sozialwissenschaftliche Institut der EKD zusammen, das ursprünglich vor 50 Jahren in Bochum gegründet worden war.
Als er im Oktober 2004 die Leitung am neuen Standort Hannover übernahm, steckte Deutschland mitten in den Sozialreformen der Agenda 2010. "Die Kritik daran war sehr stark, und die haben wir geteilt. Doch es bestand auch die Notwendigkeit einer Reform", erinnert er sich. In einer großen Studie erforschte das Institut später die Situation von Langzeitarbeitslosen. "Da wurde sehr deutlich, dass sie vor allem Ermutigung brauchen", sagt Wegner. Bis heute lehnt er deshalb Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger ab und hält die Leistungskürzungen, die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand stehen, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. "Dadurch rutschen Menschen unter das Existenzminimum. Das darf nicht sein", sagt Wegner, der seit seiner frühen Jugend SPD-Mitglied ist.
Aufgewachsen ist er im Hamburger Arbeiterviertel Wilhelmsburg. "Das prägt bis heute", ist er sich sicher. Der Zusammenhalt sei über alle gesellschaftlichen Milieus hinweg groß gewesen. In der christlichen Jugendarbeit, fromm geprägt und straff organisiert, fand er ein Zuhause. "Da habe ich meine erste Freundin kennengelernt, und da war ich zum ersten Mal betrunken", erzählt er mit einem Schmunzeln.
Wegner studierte in Göttingen und Nairobi Theologie und wurde dann Gemeindepastor in Celle und Springe. 1991 wurde er Gründungsgeschäftsführer der kirchlichen Hanns-Lilje-Stiftung, dann Beauftragter der Kirche für die Expo 2000 und später Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in der hannoverschen Kirche. Bis heute strahlen seine Augen, wenn er an die Weltausstellung in Hannover und das Engagement der Kirche denkt. "Da war so viel Fantasie und Begeisterung", schwärmt er.
Mehr Mut und Ideen wie bei der Expo wünscht sich Wegner auch für kirchenleitende Gremien. In mehreren Studien hat das Sozialwissenschaftliche Institut deutlich gemacht, wie die evangelische Kirche an gesellschaftlicher Bedeutung verliert. "Ich bin schon manchmal enttäuscht, wie wenig das auslöst", zieht Wegner Bilanz. "Seid unzufriedener mit eurer Kirche, dazu würde ich gern aufrufen." Doch ein Miesmacher ist der Mann mit dem verschmitztem Humor nicht. "Ich sehe auch eine tolle Chance", ergänzt er: "Die Kirche ist herausgefordert. Sie muss zeigen, was sie kann."
Im Ruhestand will Wegner einen Teil seiner Ämter behalten. Er ist unter anderem Vorstandsvorsitzender des Niedersächsischen Bundes für freie Erwachsenenbildung und Vorsitzender des Beirates der Landeszentrale für politische Bildung. Auch privat hat er schon eine Zusage gegeben. In Brünnighausen bei Hameln, wo er seit vielen Jahren mit Frau und Hund lebt, will er im Männergesangverein "Hoffnung" mitsingen. Dort werde er dann zu den Jüngeren gehören, sagt Wegner: "Die brauchen dringend Nachwuchs."
Hamburg (epd). Die evangelische Kirche sollte sich nach Worten ihres Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen mit der dunklen Seite der sogenannten sexuellen Befreiung der 68er auseinandersetzen. In manchen Kirchengemeinden habe man sich damals als antiautoritär verstanden und nicht bemerkt, wie die Ablösung von traditionellen Normen in ein neues System der Grenzverletzung münden konnte, schreibt Claussen in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt". Als "besonders krasses" Beispiel nannte er die Vorgänge in Ahrensburg bei Hamburg, wo in den 70er und 80er Jahren Jugendliche von zwei Pastoren missbraucht worden waren.
Claussen wies darauf hin, dass "Pädokriminelle" in der Odenwaldschule unter dem Mantel des "Reformpädagogischen" gezielt Grenzen des Anstands, der körperlich-seelischen Unversehrtheit und des Kinderschutzes verletzt hätten. "Diese fatale Schule war keine Einrichtung der evangelischen Kirche. Aber es gab protestantische Milieus und evangelische Eliten, die ihr das systemnötige Prestige verschafften", kritisierte der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
So habe der Deutsche Evangelische Kirchentag - wenn auch unwissentlich - dabei geholfen, die Odenwaldschule vor Kritik zu schützen, indem er ihren Hauptprotagonisten wiederholt eine große Bühne bot, sagte der Kulturbeauftragte mit Blick auf mehrfache Auftritte des Reformpädagogen Hartmut von Hentig auf Kirchentagen. Hentigs langjähriger enger Freund Gerold Becker war Leiter der Odenwaldschule und wurde von Schülern später als "Haupttäter" bezeichnet.
Es wäre gut, wenn dies einmal in Ruhe aufgearbeitet würde, empfahl Claussen, so wie die "Zeit", die damals als das publizistische Forum dazu fungiert habe, ihren Anteil untersucht habe. Um den "antiautoritär/reformpädagogischen Komplex" zu durchleuchten, sollte zudem untersucht werden, was damals an staatlichen Schulen geschehen sei.
Harsch kritisierte Claussen in seinem Artikel den früheren Papst Benedikt XIV., der in seiner Veröffentlichung der 68er-Bewegung die Hauptschuld an den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche gegeben hatte. Dies sei der hilflose Versuch ein inneres Problem nach außen zu verlagern und den "eigenen Lieblingsfeinden die Schuld für Missstände zu geben", für die die Kirche selbst die Verantwortung übernehmen müsste.
Berlin (epd). Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, arbeitet bei gesellschaftspolitischen Themen nach eigenen Worten gut mit den beiden christlichen Kirchen in Deutschland zusammen. "Ich habe mit Kardinal Marx und dem Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm ein gemeinsames Interesse daran, dass wir den digitalen Wandel der Arbeitswelt gestaltet bekommen", sagte Hoffmann dem evangelischen Magazin "zeitzeichen" (Mai-Ausgabe). Darüber hinaus gebe es ein gemeinsames Interesse daran, dass Europa "wieder auf den richtigen Pfad gebracht" werde. Kardinal Reinhard Marx ist Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Allerdings kritisierte Hoffmann die Kirchen beim kirchlichen Arbeitsrecht, dem sogenannten Dritten Weg. Es könne nicht sein, dass die relativ partikularen Interessen von kirchlichen Arbeitgebern über verbrieften Grundrechten stünden, sagte Hoffmann mit Blick auf den Fall Egenberger zur kirchlichen Einstellungspraxis. "Verbriefte Grundrechte sind universal und gelten für alle."
Der Fall der Berlinerin Vera Egenberger wird vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüft. Egenberger hatte sich bei der Diakonie um eine Stelle beworben und war nicht zum Personalauswahlgespräch eingeladen worden. Weil für die Stelle eine Kirchenmitgliedschaft gefordert wurde, sie selbst aber nicht Mitglied der Kirche war, sah sie in ihrer Ablehnung eine Diskriminierung und zog vor Gericht. Das Bundesarbeitsgericht gab ihr im Oktober 2018 Recht, zuvor hatte der Europäische Gerichtshof den Fall bereits behandelt. Die Diakonie will nun Rechtssicherheit und zog vor das Bundesverfassungsgericht.
Hannover (epd). Die "Woche für das Leben" der beiden großen Kirchen setzt sich vom 4. bis 11. Mai mit Suizidprävention auseinander. Unter dem Titel "Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern." werden die vielfältigen Beratungsangebote der Kirchen für gefährdete Menschen und ihre Angehörigen in den Mittelpunkt gestellt, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am 23. April in Hannover mitteilte.
Die "Woche für das Leben" wird am 4. Mai mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche Hannover eröffnet. Daran werden der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, teilnehmen.
Etwa 10.000 Menschen nehmen sich jedes Jahr in Deutschland das Leben, noch deutlich mehr versuchen es. Daher wolle man Gründen von Depressionen und Todeswünschen nachgehen und Wege für eine bessere Prävention und Versorgung von suizidgefährdeten Menschen aufzeigen, hieß es.
"Als Christen wollen wir unseren Mitmenschen beistehen in ihrem Nachdenken über das, was sie hält und trägt, und über das, was brüchig und dunkel ist", schreiben Marx und Bedford-Strohm in ihrem gemeinsamen Vorwort zu einem Themenheft. Man wolle mit der "Woche für das Leben" das Thema Suizid enttabuisieren, heißt es weiter.
Die "Woche für das Leben" wirbt seit 1994 für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des menschlichen Lebens in allen Phasen. Die Aktion beginnt immer zwei Wochen nach Ostersamstag und dauert sieben Tage. Im vergangenen Jahr stand die Pränataldiagnostik im Mittelpunkt.
Bautzen (epd). Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens muss bei Entscheidungen des Freistaats Sachsen über die Bewilligung von Sonntagsarbeit in Call-Centern beteiligt werden. Das hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschieden und damit eine vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt beziehungsweise die Berufung des Freistaates zurückgewiesen, wie das Gericht am 23. April in Bautzen mitteilte. Der Landeskirche stehe ein Anspruch auf Beteiligung bei Verfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit in Call-Centern zu, da sie hierdurch im Grundrecht der Religionsfreiheit betroffen sei.
Der Landeskirche war bekannt geworden, dass in Sachsen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Call-Centern aufgrund von Ausnahmebewilligungen beschäftigt werden und bat die Landesdirektion Sachsen um die Beteiligung an Bewilligungsverfahren. Die Landesdirektion lehnte dies ab, da der Landeskirche ihrer Auffassung nach weder ein Anspruch auf Akteneinsicht noch auf Auskunft zustehe. Die daran anschließende Klage der Landeskirche hatte Erfolg: Das Verwaltungsgericht Dresden urteilte am 12. April 2017, dass der Freistaat verpflichtet sei, die Landeskirche an Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sonntagsarbeit in Call-Centern zu beteiligen. Zudem sollte der Freistaat der Klägerin alle bereits erteilten Bewilligungen von Sonntagsarbeit in Call-Centern vorlegen, soweit die Bewilligungen noch fortwirkten.
Das Oberverwaltungsgericht teilte weiter mit, der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage seien als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Der Schutzauftrag richte sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern dieser sei auch von Behörden bei der Bewilligung von Ausnahmen von der sonntäglichen Arbeitsruhe zu beachten.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen und kann vom Freistaat Sachsen binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe eingelegt werden.
Würzburg (epd). Der transsexuelle Pfarrer Sebastian Wolfrum hat ein Buch über seine Lebensgeschichte geschrieben und macht damit erstmals die Geschichte seiner Geschlechtsumwandlung öffentlich. In dem Buch beschreibt der transidente 48-Jährige seinen Weg zu sich selbst und schildert sein Leben als Mann im Frauenkörper. Mit seinem Coming-out hatte Wolfrum im Oktober 2017 auch überregional für Schlagzeilen gesorgt. Am 2. Mai wird er das Buch in Würzburg vorstellen.
Das Bewusstsein, "falsch zu sein", habe er seit der Kindergarten- und Grundschulzeit gekannt, sagte Wolfrum im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er erkläre es oft so, dass er sein ganzes Leben in einem Faschingskostüm habe herumlaufen müssen und es nicht habe ausziehen können. Doch er habe erst viel später verstanden, dass er "im falschen Körper" stecke.
2017 hatte Wolfrum in einem Gottesdienst seiner Gemeinde in Veitshöchheim bei Würzburg erklärt, dass er fortan als Mann leben will. "In der Gemeinde gab es einzelne kritische Stimmen, aber nie eine offene Protesthaltung. Der Grundtenor war grundsätzlich wohlwollend", sagte Wolfrum. Auch seine Familie habe das akzeptiert. "Was sicherlich geholfen hat, war, dass ich in der Lage war, sehr klar und eindeutig aufzutreten: das bin ich und ich bin mir sicher", so schildert Wolfrum heute die Erinnerung an den Tag des Coming-out.
Er sei heute Ansprechpartner weit über seine Gemeinde hinaus, erklärte der Pfarrer. Er sei ein "Seelsorgespezialist" dafür, dass eingeschlagene Wege nicht immer die richtigen Wege seien. "Ich bin ein Spezialist, der weiß, dass das Leben viele Brüche bereithält." Mit seinem Buch wolle er auch anderen Mut machen.
Heute ist Wolfrum mit seiner Partnerin verlobt, die ebenfalls Pfarrerin ist. Er fühle sich zwar "sehr gut", doch bis zum vollkommenen Glück fehle noch etwas. "Schwimmbad, Sauna, Fitnessstudio, das sind Dinge, die schwierig sind im Moment. Und ein erfülltes Leben, mit allem, was zu einer Partnerschaft dazugehört."
Hermannstadt/Sibiu (epd). Nicht jeder Schatz wird in einer kostbaren Schatulle verwahrt. Im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) im siebenbürgischen Hermannstadt etwa werden Schätze abgeliefert, von denen man nicht vermuten würde, dass sie das gut 850 Jahre alte kulturelle Erbe einer fast verschwundenen deutschsprachigen Minderheit bergen: verbeulte Pappkartons etwa, notdürftig mit Bindfaden umwickelt. Darin vergilbte Dokumente, ledergebundene Bibeln und dicke handgeschriebene Kirchenbücher, in denen die Taufen, Trauungen und Sterbefälle ganzer Dorfgemeinschaften dokumentiert sind.
"Dieses Archiv war anfangs nur als Rettungsaktion gedacht", erzählt Oberarchivarin Monica Vlaicu. Mittlerweile bildet es eine der vier Säulen des 2003 gegründeten kirchlichen Begegnungs- und Kulturzentrums Teutsch-Haus in der historischen Altstadt, benannt nach dem früheren Bischof Friedrich Teutsch. Wichtigstes Anliegen: Die einzigartigen historischen Schätze schnell zu sichern, die durch die abrupte Auswanderung Tausender Siebenbürger Sachsen mit dem Ende des Kommunismus ab 1990 verloren zu gehen drohten.
"Das konnte nur die Kirche tun", davon ist die 73-jährige Monica Vlaicu überzeugt, die den Inhalt der Kisten und Kartons jetzt professionell archiviert: "Von der Wiege bis zur Bahre hat die Kirche das ganze kulturelle Leben patroniert, Frauenverein, Turn- und Gesangverein, die evangelische Schule, alles hing irgendwie mit der Kirche zusammen", so Vlaicu.
Bisher werden hier die Archivalien aus fast 300 aufgelassenen Gemeinden verwahrt und sind für Wissenschaftler aus aller Welt zugänglich. Ebenso wie für ausgewanderte Angehörige auf der Suche nach ihrer Familiengeschichte, oder die sogenannten "Sommersachsen", wie sie von den Gebliebenen mit liebevollem Spott genannt werden.
So ist das Teutsch-Haus der Evangelischen Kirche zur natürlichen Hüterin des kulturellen Erbes der Rumäniendeutschen geworden. Das "Verwalten und Bewahren der Archiv- und Kulturgüter" wird ausdrücklich in ihrem Aufgabenkatalog genannt, während sie selbst sich im 20. Jahrhundert von der "Volkskirche" zur "Diasporakirche" gewandelt hat. Ab 1990 wanderten zwei Drittel der verbliebenen 110.000 Mitglieder nach Deutschland aus, heute sind es weniger als 13.000. Vorbei die alten Zeiten, in denen die Rumäniendeutschen insgesamt rund 800.000 zählten.
Unverkennbar jedoch ist der Stolz geblieben auf ein reiches kulturelles Erbe mit umfangreichem Verlags- und Literaturwesen, Universitäten und Schulen, Kirchenburgen und dem siebenbürgischen Zentrum Hermannstadt, heute Sibiu, das 2007 Kulturhauptstadt Europas war. Auch für Touristen ist das Teutsch-Haus mit seinem gemütlichen Buchladen-Café, Archiv, Museum, Kulturveranstaltungen und der Johanniskirche ein beliebter Treffpunkt geworden.
Die Berliner Literaturwissenschaftlerin Michaela Nowotnick, die für ihre Doktorarbeit über rumäniendeutsche Literatur selbst im Teutsch-Haus geforscht hat, spricht von einem "Prozess der eigenen Musealisierung". Oft ältere, engagierte Mitarbeitende wie Monica Vlaicu würden hier "die Zeugnisse ihrer eigenen Kultur in Schränke, Regale und Archivschachteln legen, um sie als Gedächtnis für die Nachwelt zu erhalten". Darunter viele Zeugnisse der Alltagskultur. Denn längst werden auch jahrelang verborgene Schätze von Dachböden und Kellern gebracht: Briefe, Tagebücher, Stammbäume. Fotos, Zeitschriften und unzählige Bücher.
Der siebenbürgische Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner dagegen hält den Begriff Musealisierung für irreführend. "Auch wenn es die Träger dieser Kultur nicht mehr gibt, bleibt sie doch durch die vielfältige Rezeption anderer Menschen lebendig", so seine Erfahrung. Der 85-Jährige, der den Exodus der frühen 90er Jahre als "ethnische Selbst-Säuberung" bezeichnet, ist auf seinem idyllischen Pfarrhof mit Hühnern und Kutsche vor der Tür in Rothberg bei Hermannstadt geblieben. "Ich bin der letzte Pfarrer von Rothberg, der 51. nach der Reformation, nach mir wird es keinen mehr in dieser Kirche geben, die schon 1225 erwähnt ist", sagt Schlatter.
Bei aller Wehmut jedoch ist er überzeugt davon, dass das Siebenbürgische nicht nur in den Archivordnern des Teutsch-Hauses weiterlebt, sondern auch im Alltag. Deutsch als Fremdsprache sei bei jungen Rumänen beliebt, ebenso wie siebenbürgische Tanz- oder Literaturkreise. Und in Rothberg gebe es neuerdings eine buntgemischte kleine Gemeinde, darunter Literaturbeflissene aus aller Welt auf den Spuren von Schlattners Romanen. "Auch wenn unsere Geschichte statistisch zu Ende geht", so seine nüchterne Prognose, "ein paar Generationen wird unsere Kultur noch lebendig bleiben, wir sind noch immer da".
Dessau-Roßlau (epd). Der ehemalige Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Helge Klassohn, hat am Donnerstag (25. April) seinen 75. Geburtstag begangen. "Helge Klassohn war und ist ein glühender Anhänger und profunder Kenner Anhalts", würdigte der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig am 23. April in Dessau-Roßlau seinen Amtsvorgänger. Klassohn habe die Landeskirche und die Region mit großem Engagement nach außen und innen vertreten und dabei immer die Zuversicht spendende Kraft des christlichen Glaubens betont und gelebt. "Zugleich galt sein Blick in besonderem Maße den benachteiligten Menschen in unserer Gesellschaft."
Helge Klassohn war von 1994 bis 2008 Kirchenpräsident und Leitender Geistlicher der Evangelischen Landeskirche Anhalts und lebt seit seinem Ruhestand in Bad Saarow in Brandenburg. Dort hält er nach wie vor Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen. Er ist Mitglied der Kirchengeschichtlichen Kammer der Anhaltischen Landeskirche und verfasst Beiträge zu ihrer Geschichte.
Helge Klassohn wurde am 25. April 1944 in Riga in Lettland geboren. Von 1963 bis 1968 studierte er Theologie an der Humboldt-Universität in Berlin, war anschließend Vikar in Berlin-Friedrichsfelde und absolvierte das Predigerseminar in Wittenberg. Er arbeitete dann als Pastor im Hilfsdienst in Schönfeld in der Uckermark und war von 1971 bis 1975 Assistent für Praktische Theologie an der Greifswalder Theologischen Fakultät. Von 1975 bis 1989 war er Pfarrer und nebenamtlicher Klinikseelsorger in Teupitz sowie mehrere Jahre Kreisjugendpfarrer. Ab 1988 war er Studienleiter am Pastoralkolleg Templin und zugleich Gemeindepfarrer in Röddelin und Beutel in der Uckermark, Landessynodaler sowie Mitglied im Stasi-Überprüfungsausschuss der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg.
Zudem war Klassohn unter anderem von 1997 bis 2004 Präsident der Evangelischen Haupt-Bibelgesellschaft im Bereich der Evangelischen Kirche der Union und von 1998 bis 2000 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche der Union. Von 2007 bis 2015 war Klassohn Beauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Fragen der Spätaussiedler und Heimatvertriebenen, außerdem war er Mitglied im Stiftungsrat der Bundesstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" sowie ehrenamtlich als Mitglied des Johanniterordens tätig.
Erfurt (epd). Hunderte Pilger aus ganz Mitteldeutschland werden am 5. Mai zur Ökumenischen Christus-Wallfahrt zum Kloster Volkenroda im Unstrut-Hainich-Kreis erwartet. Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto "Du bist es wert", teilten das katholische Bistum Erfurt und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 24. April in der Thüringer Landeshauptstadt mit. Für Jugendliche biete die Jugendkommunität Volkenroda gemeinsam mit der Jugendkirche Mühlhausen erstmals eine Nachtpilgeraktion am Abend vor der Wallfahrt an, kündigten beide Kirchen an.
Die größte ökumenische Veranstaltung in Thüringen eröffnet zugleich die neue Saison am Christus-Pavillon in Volkenroda, der bis Ende Oktober täglich besichtigt werden kann. In ihm findet auch der Gottesdienst als Höhepunkt der Wallfahrt statt.
Außerdem ist erstmals eine ökumenische Predigt geplant, die Albrecht Schödl, Pfarrer am Christus-Pavillon, mit dem Franziskanerpater Johannes Küpper im Dialog halten will. "Wir machen uns miteinander auf den Weg, wir wollen Menschen treffen, uns ermutigen und stärken lassen", sagte der Pfarrer. Der ökumenische Aspekt werde dabei immer wichtiger, stellte er fest.
Die Wallfahrer können nach Angaben von Bistum und EKM in diesem Jahr wieder zwischen verschiedenen geführten Routen zum Kloster Volkenroda wählen. Der längste Weg mit etwa 18 Kilometern startet in Beberstedt, die kürzeste Variante ist etwa drei Kilometer lang. An Stationen werde Rast gemacht, um innezuhalten, zu singen oder kurze geistliche Impulse zu hören, hieß es.
Zur ebenfalls ökumenisch angelegten Pfadfinderaktion wollen katholische Pfadfinder von der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg am 3. Mai im Eichsfeld starten. Am Sonntagmorgen ist in Mühlhausen ein Treffen mit evangelischen Pfadfindern vom Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder geplant. Von dort aus werde gemeinsam nach Volkenroda gepilgert, um an der Wallfahrt teilzunehmen, sagte eine EKM-Sprecherin.
In Volkenroda steht - neben der ältesten noch erhaltenen Zisterzienser-Klosterkirche Deutschlands - seit 2001 der Christus-Pavillon der Weltausstellung Expo 2000. Die moderne Kirche lädt zur Stille ein und ist gleichzeitig Veranstaltungsort von Konzerten, Ausstellungen und Jugendcamps.
Dresden/Stadt Wehlen (epd). Die Radwegekirchen in Sachsen laden wieder zur besinnlichen Rast. Wie die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens mitteilte, startete die Radfahrerkirche in Stadt Wehlen (Sächsische Schweiz) am 28. April mit einem Eröffnungsgottesdienst und dem traditionellen Anradeln in die Saison. Die Kirche befindet sich am Elberadweg. Die Radwegekirchen öffnen in der Frühlingszeit nach und nach für Fahrradfahrer und bieten einen Ort der Stille an.
Elbabwärts lädt den Angaben zufolge die tagsüber geöffnete Stephanuskirche in Dresden-Zschachwitz zur Rast ein. Dort gibt es auf dem Pfarrgelände unter anderem einen Fahrradabstellplatz mit Lademöglichkeit für E-Bikes, Sitzplätze zum Verweilen und einen Sandkasten für Kinder. Als ständig geöffnete Kirche gilt gebäudebedingt die Kirchruine Zöbigker in Markkleeberg nahe des Cospudener Sees, wie die Landeskirche weiter mitteilte. Dort wurde die Fahrradsaison bereits am Ostermontag mit einem Freiluft-Gottesdienst eröffnet.
Im erzgebirgischen Bärenstein steht die Erlöserkirche als Radwegekirche den Besuchern wieder offen, in der Oberlausitz die Walddorfer Kirche. In der Walddorfer Kirche wird seit Sonntag auch eine Fotoausstellung zu sehen sein. Die Sankt Martinskirche zu Nerchau bei Grimma öffnet von Anfang Mai bis Ende Oktober wieder ihre Türen.
Eisenach (epd). An 30 Jahre Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR will ein Konzert mit Bettina Wegner am 12. Mai in der Nikolaikirche in Eisenach erinnern. Es wird vom Eisenacher Verein "Neues Leben" mit Unterstützung der Kirchengemeinde der Wartburgstadt organisiert, teilte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 26. April in Erfurt mit. Landesbischöfin Ilse Junkermann fördert das Konzert (Einlass ist ab 17.00 Uhr) im Rahmen des Jubiläums 30 Jahre Ökumenische Versammlung, sagte eine EKM-Sprecherin.
Die Versammlung der DDR war eine der ersten dieser regionalen Initiativen in Europa. Im Rahmen des sogenannten Konziliaren Prozesses, eines gemeinsamen "Lernwegs" christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, fanden im Zeitraum zwischen Februar 1988 und April 1989 insgesamt drei Vollversammlungen statt, erklärte die Sprecherin. Kurz vor der friedlichen Revolution entfaltete sie eine ganz besondere Wirkung.
Bettina Wegner gilt als eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Liedermacherin. Ihre Lieder - etwa "Sind so kleine Hände" - machen aber nur eine Seite ihrer Bekanntheit aus. Dazu kommt ihr Einsatz für Gerechtigkeit und Menschlichkeit und gegen Gefühlsarmut, Faschismus und Ausländerhass. 2007 hatte sie sich von der Bühne verabschiedet, seitdem gibt es keine Solokonzerte mehr, sehr vereinzelt tritt sie mit dem Sänger und Schauspieler Karsten Troyke auf. Am Eisenacher Konzert beteiligt sich zudem der Gitarrist El Alemán.
Berlin (epd). In Deutschland reißt die Debatte um eine Impfpflicht bei Masern nicht ab. Zu Beginn der Europäischen Impfwoche äußerte der Deutsche Ethikrat am 24. April Kritik an der Diskussion. Die Verkürzung auf eine Pflicht für Kinder sei verfehlt, heißt es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung des Ethikrats. Die Wissenschaftler beklagen darin zudem eine "Unschärfe" des Begriffs Impfpflicht, da unklar sei, wie sie durchgesetzt werden solle. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ließ dagegen Sympathien für eine Impfpflicht erkennen.
In Ländern wie Frankreich und Italien gebe es eine gesetzliche Pflicht zur Impfung unter anderem gegen Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken, heißt es in einer Erklärung des Dachverbands. Dabei habe sich gezeigt, dass die Zahl der daran jeweils erkrankten Kinder dort deutlich geringer sei als in Ländern, die auf Freiwilligkeit setzen.
Nur bei einer vollständigen Impfung als Voraussetzung für den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen sei es möglich, das Ziel des Nationalen Aktionsplans zu erreichen, Masern bis 2020 in Deutschland dauerhaft zu eliminieren, sagte der Generalsekretär Hans-Iko Huppertz. Er kritisierte Impfgegner, die Eltern verunsicherten. Sie gefährdeten ihre Kinder, wenn sie nicht oder nur vollständig impfen ließen. Zudem sei nur bei einer hohen Impfrate gewährleistet, dass auch Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, indirekt über den sogenannten Herdenschutz vor lebensgefährlichen Krankheiten geschützt werden, betonte Huppertz.
Viele Immunisierungen sind erst nach einer zweiten oder mehrmaligen Impfung ein wirksamer Schutz. Der Ethikrat beklagt in seiner Stellungnahme, dass die Datenlage dazu in der aktuellen Debatte nicht hinreichend berücksichtigt werde, Die Quote bei Erst-Impfungen in Deutschland zum Zeitpunkt der Einschulung liege bei 97,1 Prozent, führt der Ethikrat aus. Probleme entstünden durch die unzureichende Quote von 92,9 Prozent bei den Zweit-Impfungen, die für eine dauerhafte Immunisierung nach Einschätzung der Impf-Experten nötig sind. Der sogenannte Gemeinschaftsschutz, bei dem auch nicht-geimpfte Personen mitgeschützt sind, liegt bei einer Quote von 95 Prozent.
Eine Fokussierung auf Kinder ist nach Ansicht des Ethikrats verkürzt, weil fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland Erwachsene seien. Maßnahmen mit dem Ziel, die Impfquote zu erhöhen, müssten sie mit einbeziehen, fordert das Gremium. Zudem fordert es eine Präzisierung der Gestaltung der Impfpflicht, weil nur bei Betrachtung der angedachten Strafen eine ethische und rechtliche Abwägung möglich sei: "Denkbare Sanktionen wären je nach Adressaten etwa Bußgelder, Ausschluss aus Kindertagesstätten oder Schulen, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar körperliche Zwangseingriffe."
Der Ethikrat will nach eigenen Angaben noch vor der im Juli beginnenden Sommerpause des Bundestages eine umfangreichere Stellungnahme zu dem Thema vorlegen. Zu den Befürwortern einer Impfpflicht gehört unter anderen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dessen Mitarbeiter derzeit die Einführung einer Impfpflicht prüfen. Konkrete Vorschläge will Spahn im Mai vorlegen, sagte eine Ministeriumssprecherin am 24. April in Berlin.
Berlin (epd). Mehr als jedes dritte neugeborene Mädchen (37 Prozent) wird einer Studie zufolge seinen 100. Geburtstag erleben. Laut den Berechnungen des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von 2017 geborenen Mädchen bei 94,8 Jahren, wie der Auftrageber der Studie, die Deutsche Versicherungswirtschaft, am 23. April in Berlin mitteilte.
"Ein Alter von 90 wird in Zukunft völlig normal", sagte Dmitri Jdanov, verantwortlicher Wissenschaftler am Max-Planck-Institut. Den Zahlen zufolge werden 77 Prozent der neugeborenen Mädchen ihren 90. Geburtstag und sogar 92 Prozent ihren 80. Geburtstag erleben.
Bei den neugeborenen Jungen liegt die Lebenserwartung etwas niedriger: Von den 2017 geborenen Jungen werde mehr als jeder Zehnte (11 Prozent) seinen 100. Geburtstag erleben. 59 Prozent der Jungen werden den Berechnungen zufolge ihren 90. Geburtstag erreichen, 84 Prozent den 80. Die durchschnittliche Lebenserwartung neugeborener Jungen gibt das Max-Planck-Institut mit 88,6 Jahren an.
Auch bei vielen älteren Menschen wird ein hohes Alter immer wahrscheinlicher. Laut den Berechnungen werden 81 Prozent der heute 50-jährigen Frauen ihren 80. Geburtstag feiern. Bei den gleichaltrigen Männern seien es 70 Prozent.
Die Berechnungen basieren auf Prognosen der Vereinten Nationen. Sie setzen voraus, dass die aktuellen Fortschritte bei der Lebenserwartung weiter anhalten. Gewisse Unsicherheiten gebe es allerdings, sagte Jdanov: "Wir wissen zum Beispiel nicht genau, wie sich das Rauch- und Trinkverhalten in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird".
Die Lebenserwartung von Frauen ist in fast allen Industrienationen höher als die der Männer. Wissenschaftler machen für den Altersunterschied vor allem biologische sowie verhaltens- und umweltbedingte Faktoren verantwortlich. So trinken Männer laut der Deutsche Versicherungswirtschaft mehr Alkohol, rauchen häufiger und ernähren sich ungesünder. Viele Männer seien "Vorsorgemuffel" und gingen seltener zum Arzt als Frauen oder nähmen im Straßenverkehr größere Risiken in Kauf.
Karlsruhe (epd). Ein Paar mit unerfülltem Kinderwunsch kommt um die Adoption ihres im Ausland per Leihmutter geborenen Kindes in der Regel nicht herum. Auch wenn die mit dem Samen des Ehemannes befruchtete Eizelle der Ehefrau der Leihmutter eingesetzt wurde, sei die Ehefrau des später geborenen Kindes damit nicht automatisch auch die rechtliche Mutter, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem am 23. April veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 530/17 und XII ZB 320/17) Allerdings könne die Ehefrau die rechtliche Mutterschaft mit Hilfe eines Adoptionsverfahrens erhalten - vorausgesetzt, alle Beteiligten haben sich darauf geeinigt.
Im entschiedenen Rechtsstreit hatte ein aus dem Raum Dortmund stammendes Ehepaar mit unerfülltem Kinderwunsch eine künstliche Befruchtung mit dem Samen des Mannes und der Eizelle der Ehefrau vorgenommen. Eine in der Ukraine lebende Frau trug das Kind aus und brachte es im Dezember 2015 zur Welt. Alle hatten sich darauf geeinigt, dass die Deutschen auch die rechtlichen Eltern des Kindes sein sollten. Das ukrainische Standesamt stellte eine entsprechende Geburtsurkunde aus.
Als die frischgebackenen Eltern mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt waren, wurde dieses zunächst auch in das Geburtenregister und die Ehefrau als rechtliche Mutter eingetragen. Als das Standesamt jedoch von der Leihmutterschaft erfuhr, korrigierte die Behörde den Geburtenregistereintrag. Rechtliche Mutter sei die Frau, die das Kind geboren hat - in diesem Fall also die Leihmutter. Ohne Erfolg verwies das Ehepaar darauf, dass die Leihmutterschaft in der Ukraine legal ist und die ukrainischen Behörden sie als Eltern anerkannt haben.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass deutsches und nicht ukrainisches Recht gelte. Nur bei einer ukrainischen Gerichtsentscheidung über die rechtliche Mutterschaft der Ehefrau hätte diese von deutschen Behörden und Gerichten anerkannt werden müssen. In diesem Fall hätten aber nur ukrainische Behörden über die Elternschaft entschieden.
In solch einem Fall komme es dann darauf an, wo das Kind seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" hat. Bei minderjährigen Kindern, insbesondere bei Neugeborenen, sei hierfür entscheidend, welche Bezugspersonen das Kind betreuen und versorgen und wie das soziale und familiäre Umfeld aussieht. Das sei das deutsche Ehepaar. Damit greife deutsches Recht. Nach deutschem Recht sei die Ehefrau nicht rechtliche Mutter des Kindes, sondern die ukrainische Leihmutter. Diese habe ja das Kind "geboren".
Alle Beteiligten hätten sich aber auf einer Adoption des Kindes durch die Ehefrau geeinigt, betonte der Bundesgerichtshof. Damit habe die Ehefrau gute Chancen, die rechtliche Mutterschaft im Wege eines Adoptionsverfahrens zu erhalten.
Berlin (epd). Nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen Familien entlastet werden, die erwachsene behinderte Kinder oder pflegebedürftige Eltern unterstützen müssen. Dafür soll das Sozialhilferecht modernisiert werden. Laut einem Entwurf, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, werden Eltern und erwachsene Kinder künftig nur noch herangezogen, wenn sie mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen.
Mit dem Entwurf setzt Heil eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um und erweitert sie. Vereinbart ist die Entlastung lediglich für erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern. Sie soll nun aber auch für Eltern volljähriger behinderter oder pflegebedürftiger Kinder gelten.
Ein Sprecher des Arbeitsministeriums bestätigte am 26. April in Berlin einen entsprechenden Arbeitsentwurf, nannte aber noch keine Einzelheiten. Es sei verfassungsrechtlich geboten, die Regelung auszuweiten, um die unterhaltspflichtigen Eltern nicht schlechter zu stellen als die unterhaltspflichtigen erwachsenen Kinder, sagte er.
Heute ist es so: Wenn pflegebedürftige Eltern Sozialhilfe beziehen, verlangen die Sozialämter einen Teil der Hilfe zurück, wenn das Einkommen des erwachsenen Kindes abzüglich aller festen Ausgaben über 1.800 Euro netto liegt. Die Summe wird in einem komplizierten Verfahren berechnet, richtet sich zusätzlich nach der Familiensituation und liegt bei einigen hundert Euro im Monat.
Eltern mit behinderten volljährigen Kindern müssen bisher Pauschalbeträge zurückzahlen, wenn die Kinder Sozialleistungen beziehen. Das sind laut Sozialverband VdK monatlich 25,19 Euro für die Sozialhilfe zum Lebensunterhalt und 32,75 Euro für die Eingliederungshilfe. Dies ist eine Leistung allein für behinderte Menschen: beispielsweise Zuschüsse zum behindertengerechten Umbau einer Wohnung, für Gebärdendolmetscher oder Assistenz am Arbeitsplatz.
Die Präsidentin des VdK, Verena Bentele, begrüßte das Vorhaben. Für Eltern mit kleinen Einkommen oder geringen Renten könne die lebenslange Zahlung eine hohe Belastung darstellen, sagte sie.
Finanziert werden sollen die Entlastungen aus Steuergeldern. Die Kosten seien schwer zu schätzen, heißt es in dem Entwurf des Arbeitsministeriums, weil die Datengrundlage nicht ausreiche. Die Mehrkosten für Länder und Kommunen könnten bei 300 Millionen Euro im Jahr, aber auch deutlich niedriger liegen.
Mit der Reform würden die bisherigen Einstandspflichten der erwachsenen Kinder und Eltern aufgebrochen und damit die Unterhaltsverpflichtungen den gewandelten Lebensverhältnissen angepasst, heißt es in dem Entwurf. Der Familienverband werde entlastet und die Solidargemeinschaft stärker in die Verantwortung genommen.
Der Gesetzentwurf enthält einige weitere Verbesserungen für behinderte Menschen. Sie erhalten künftig staatliche Hilfen, wenn sie einen regulären Ausbildungsplatz haben. Bisher gibt es diese nur, wenn sie in einer Behindertenwerkstatt lernen. Wie das "Budget für Arbeit" ermöglicht das neue "Budget für Ausbildung" die Finanzierung von Assistenzleistungen im Betrieb oder in der Berufsschule.
Außerdem sieht der Entwurf vor, die Finanzierung unabhängiger Beratungsstellen für behinderte Menschen dauerhaft sicherzustellen. Dort können sich etwa Betroffene bei anderen Betroffenen Rat und Hilfe beispielsweise bei der Beantragung von Leistungen holen.
Berlin (epd). Der Kinderschutzbund (DKSB) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan vor möglichen Folgen für Kinder und Jugendliche gewarnt. "Unser Ziel ist es, dass Kinder, die fasten möchten, dies altersgerecht und ohne ihre Gesundheit zu schädigen tun", erklärte Ekin Deligöz, Vorstandsmitglied beim Kinderschutzbund, am 23. April in Berlin. Am Ende sei das Wohl des Kindes und sein gesundes Aufwachsen das Wichtigste. Der Ramadan findet in diesem Jahr vom 5. Mai bis 4. Juni statt.
Der Präsident des BVKJ, Thomas Fischbach, erklärte, die Fastenregeln strikt einzuhalten, könne für Kinder spürbare Folgen haben. "Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme kann zu mangelnder Konzentrationsfähigkeit führen und auch das Schlafverhalten kann sich durch strenges Fasten verändern", sagte Fischbach. Gerade in einer Zeit, in der Zeugnisse und Schulabschlüsse anstehen, benötigten junge Menschen genügend Schlaf, gesunde Nahrung und ausreichend zu Trinken.
Deshalb hat der Ärzteverband und der Kinderschutzbund eine Handreichung mit Empfehlungen für Lehrer, Ärzte, Erzieher, Sporttrainer und andere Fachkräfte veröffentlicht. "Ganz wichtig ist eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten und gegenseitiges Verständnis", sagte Deligöz vom Kinderschutzbund.
Während des Fastenmonats Ramadan dürfen den Angaben zufolge gläubige Muslime zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang weder essen noch trinken. Die islamischen Fastenregeln lassen allerdings Ausnahmen zu, zum Beispiel für Ältere, Schwangere, bei Krankheit, auf Reisen und auch bei Kindern. Dennoch würden viele Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter fasten, hieß es weiter.
Kinderschutzbund und Ärzteverband wollten Familien unterstützen, ihre Religion auszuüben. Risiken für die Gesundheit von Kindern müssten aber im Blick behalten werden. Sie raten deshalb Eltern, die verantwortlichen Lehrer oder Erzieher darüber zu informieren, dass ihre Kinder fasten. Gleichzeitig sollten Eltern informiert werden, dass Schulen, Horte oder Sportvereine verpflichtet sind, einzugreifen, wenn sie gesundheitliche Einschränkungen erkennen. In solchen Fällen sei es sinnvoll, dass Eltern und Kinder gemeinsam nach einer kindgerechten Lösung suchen, empfiehlt der Kinderschutzbund. Denkbar wäre etwa, dass das Kind nur am Wochenende fastet oder nur an einem Tag in der Woche - etwa am Sonnabend - oder auch nur stundenweise.
Düsseldorf (epd). Das durchschnittliche verfügbare Einkommen der Privathaushalte in Deutschland fällt je nach Region höchst unterschiedlich aus. So standen 2016 im Landkreis Starnberg bei München pro Person und Jahr im Schnitt 34.987 Euro zur Verfügung, wie eine am 24. April in Düsseldorf veröffentlichte Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Das war mehr als doppelt so viel wie in Gelsenkirchen, wo das Pro-Kopf-Einkommen bei 16.203 Euro lag.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Böckler-Stitung wertete den Angaben zufolge die Einkommensdaten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder für alle 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte aus. Als verfügbares Einkommen eines privaten Haushaltes gilt das Einkommen nach Steuern, Sozialabgaben und Sozialtransfers, das für den Konsum verwendet oder gespart werden kann.
Nach Spitzenreiter Starnberg liegen Heilbronn und der Hochtaunuskreis mit durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 30.000 Euro auf dem zweiten und dritten Platz. Weniger als 17.000 Euro pro Kopf und Jahr weist neben Gelsenkirchen nur noch Duisburg mit 16.881 Euro auf. Unter der Marke von 20.000 Euro liegen laut Studie auch weitere Teile des Ruhrgebiets, des Saarlandes, von Niedersachsen und auch zahlreiche ostdeutsche Kreise und Städte wie Leipzig, Frankfurt/Oder, Brandenburg an der Havel, Rostock und der Landkreis Vorpommern-Greifswald.
Generell seien die verfügbaren Einkommen nach Abzug der Preissteigerung zwischen 2000 und 2018 im deutschen Durchschnitt um 12,3 Prozent gewachsen, hieß es. Dabei seien die Zuwächse in den ostdeutschen Bundesländern etwas höher gewesen als im Westen, bei einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau.
Den bundesweit stärksten Anstieg gab es in Heilbronn, wo das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen seit der Jahrtausendwende real um 43 Prozent zulegte. Das führen die Wissenschaftler vor allem darauf zurück, dass in der Kommune mehrere sehr reiche Einzelpersonen gemeldet sind, darunter Milliardär und Lidl-Eigentümer Dieter Schwarz. Gegen den Trend zurückgegangen ist das verfügbare Einkommen dagegen in 33 Kreisen und Städten, darunter in Offenbach a.M., Bremerhaven, Essen, Baden-Baden und Ansbach.
Frankfurt a.M. (epd). Sven Fiedler ist seit seiner Geburt schwerhörig, 2010 ist er erblindet. In einer diakonischen Einrichtung in Friedberg bei Frankfurt am Main hält er einen Vortrag über das Persönliche Budget, eine staatliche Leistung zur Teilhabe. Die Taubblindenassistentin Susanne Hedrich übersetzt Fiedlers Vortrag in Gebärdensprache, denn die anderen Anwesenden im Raum sind taub und können nur mit genügend Abstand und unter geeigneten Lichtverhältnissen sehen. "Deshalb habe ich Schwarz angezogen, obwohl ich gerne Bunt trage", sagt Hedrich. Der Kontrast sei wichtig, um ihre Handbewegungen scharf sehen zu können.
Sowohl Sven Fiedler als auch die anderen Anwesenden leiden am Usher-Syndrom, einer Kombination aus Höreinschränkung und Sehstörung. Usher ist die häufigste Ursache für erbliche Taubblindheit. Usher-Betroffene sind entweder schwerhörig oder taub und haben zudem ein eingeschränktes Sichtfeld. Sie sehen meist nur in einer Art Tunnel. Viele sind nacht- oder farbenblind oder reagieren empfindlich auf Änderung der Lichtverhältnisse. Bei manchen führt Usher zur vollständigen Erblindung.
Wie bei einer Dame im Raum. Sie ist taub und ihr Sichtfeld ist so stark eingeschränkt, dass sie nur noch über den Tastsinn wahrnehmen kann. Eine Freundin übersetzt ihr Hedrichs Gebärden in taktile Gebärden. Sie führt die Bewegungen kleiner aus, die Betroffene greift die Hände ihrer Kommunikationspartnerin und erfühlt das Gesagte. Stille Post könnte man sagen, nur dass es sich hierbei nicht um ein Kinderspiel handelt.
"Kein Mensch darf in dieser Gesellschaft verloren gehen", ist Christiana Klose überzeugt. Sie koordiniert das Projekt "Aufklären, finden, inkludieren" der Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte. Die Stiftung realisiert das Projekt im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration. Es soll die Anzahl Taubblinder in Hessen ermitteln und ihre Situation erfassen.
Taubblinde fielen oft durch das Raster, sagt Klose. Nicht einmal eine amtliche Statistik gebe es. Schätzungen gehen von etwa 800 Taubblinden in Hessen aus. Doch wie viele es genau sind, wisse man nicht, sagt sie. "Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es viele geben, von denen man es gar nicht merkt, die sich zurückziehen und vereinsamen. Sie landen zum Beispiel in psychiatrischen Abteilungen, obwohl sie nur eine andere Unterstützung benötigen."
Klose geht es darum, "das Dunkelfeld und das stille Feld der Betroffenen aufzuhellen und etwas zum Klingen zu bringen". Man müsse den Menschen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sagt sie. Taubblinden-Assistenten (TBA) können Teilhabe ermöglichen. Sie begleiten die Betroffenen zum Einkaufen, zum Arzt, zum Sport. Jedoch gibt es in Deutschland keine flächendeckenden gesetzlichen Regelungen für Ausbildung und Bezahlung von Taubblindenassistenz. Schätzungen zufolge leben etwa 8.000 Taubblinde in Deutschland.
Genauso viele Assistenten bräuchte es. Und zwar überall in Deutschland, wie Claudia Preißner betont, die Vorsitzende des Taubblinden-Assistenten-Verbandes. Preißners Forderung klingt wie eine Utopie, wenn man sich die Statistiken anschaut. In Nordrhein-Westfalen, dem Vorzeigeland der TBA, gibt es derzeit 100 Assistenten auf etwa 1.900 Taubblinde, in Hessen sind es nur vier. Es brauche eine vernünftige Bezahlung, und es dürfe nicht sein, dass Taubblinde ihre Assistenz selbst bezahlen, sagt Preißner.
"Ich kann mich nicht zerteilen", sagt Susanne Hedrich. Sie ist eine der vier TBA in Hessen. Hauptberuflich arbeitet sie in einem Altenzentrum. Von der Bezahlung als Assistentin könne sie nicht leben, sagt sie. Die Teilnehmer in Friedberg fragen, ob eine Assistenz sie auch zum Schwimmen begleiten könnte, zum Tanzen in der Disco, zum Tandem-Fahren oder in den Urlaub.
Fiedler erklärt, man müsse erst einen oder mehrere Assistenten finden, die den Bedarf an Unterstützung decken können, bevor man das Persönliche Budget dafür beantragt. Hedrich zuckt mit den Schultern. Die Anwesenden im Raum lachen. "Was ist der Anspruch einer Gesellschaft an sich selbst?", fragt Christiana Klose - und antwortet selbst. Es gehe darum, "keinen zu verlieren, zu missachten oder ins Abseits zu stellen". Vor allem aber dürfe niemand abwägen, welches Leben wertvoll und welches weniger wertvoll ist.
Berlin (epd). Die Zahl der Rauschtrinker ist in den vergangenen Jahren laut KKH-Krankenkasse stetig gestiegen, vor allem in den östlichen Bundesländern. Der stärkste Anstieg sei mit einer Zunahme um 63 Prozent zwischen 2007 und 2017 in Sachsen, um je 58 Prozent in Sachsen-Anhalt und Thüringen und um 56 Prozent in Brandenburg erfasst worden, teilte die KKH Kaufmännische Krankenkasse unter Berufung auf eine aktuelle Daten-Auswertung am 23. April in Berlin mit. Den geringsten Anstieg gab es demnach mit 19 Prozent im Saarland, 26 Prozent in Hamburg und 29 Prozent in Hessen.
In der Bundeshauptstadt Berlin seien 2017 rund 3.500 Versicherte wegen eines akuten Alkoholrauschs oder psychischer Probleme aufgrund von Alkohol ärztlich behandelt worden, 39 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor, hieß es. Dies entspreche in etwa dem Bundesdurchschnitt. 2017 waren deutschlandweit rund 33.500 KKH-Versicherte betroffen.
Beim Geschlechtervergleich zeige sich, dass der Anteil der Männer mit Alkoholerkrankungen in Berlin und Brandenburg etwa dreimal so hoch sei wie der der Frauen, hieß es. Auch der Anstieg der Zahl der von Alkoholerkrankungen Betroffenen sei bei den Männern in Berlin mit 40 Prozent etwas höher ausgefallen als bei den Frauen mit rund 33 Prozent. In Brandenburg lag der Anstieg hingegen bei den Frauen mit 72 Prozent deutlich vor dem der Männer mit 44 Prozent.
Gesundheitsschädlicher Alkoholkonsum gelte als Mitverursacher für zahlreiche Krankheiten, darunter Bluthochdruck, Übergewicht, Leberzirrhose und Krebs, warnte die Krankenkasse. Vor allem Rauschtrinken sei besonders riskant, weil es darüber hinaus akute Schäden wie Alkoholvergiftung und Verletzungen sowie Gewalt nach sich ziehen könne.
Das Robert Koch-Institut spricht den Angaben zufolge von Rauschtrinken, wenn Betroffene mindestens einmal im Monat sechs oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit, beispielsweise einer Party, konsumieren. Es sei hingegen nichts dagegen einzuwenden, wenn gesunde Menschen hin und wieder ein Glas Rotwein zum Essen oder ein kleines Bier zum Fußballgucken trinken, betonte die Krankenkasse.
Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bewegen sich gesunde Frauen bereits bei mehr als 0,3 Liter Bier und gesunde Männer bei mehr als 0,6 Liter Bier pro Tag in einem gesundheitlich riskanten Bereich, hieß es weiter: "Egal, ob Mann oder Frau: Mindestens zwei Tage in der Woche sollten alkoholfrei sein."
Frankfurt an der Oder (epd). Die Europa-Universität Viadrina ist von internationalen Studierenden zur beliebtesten Hochschule Deutschlands gewählt worden. Im neuen International Student Barometer (ISB) belege die Universität in Frankfurt an der Oder den ersten Platz von insgesamt 16 teilnehmenden deutschen Hochschulen, teilte die brandenburgische Universität am 25. April mit. Die 2018 erstellte Studie wurde bislang nicht veröffentlicht. Oberbürgermeister René Wilke (Linke) betonte, die Bewertungen der Studierenden seien ein "deutliches Zeichen für die gelebte Weltoffenheit und Willkommenskultur" der Stadt.
"Daraus dürfen wir alle Motivation und Ansporn ziehen, uns weiterhin in eine gemeinsame Richtung zu entwickeln", erklärte Wilke am Donnerstag. An der Umfrage unter Studierenden aus dem Ausland hatten sich nach Angaben des Unternehmens "i-graduate", das die Daten erhoben hat, unter anderem die Freie und die Technische Universität Berlin, die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Hamburg und die Universitäten in Marburg, Mainz, Jena, Kiel und Bayreuth beteiligt.
Im kontinentaleuropäischen Vergleich liege die Europa-Universität auf Platz sechs von 55, im weltweiten Vergleich auf Platz 20 von insgesamt 199 gerankten Hochschulen, hieß es weiter bei der Viadrina. Für die Studie seien knapp 200.000 internationale Studierende in 21 Ländern befragt worden.
In den drei Bereichen Lernen, Leben und Unterstützung bei der Ankunft habe die Europa-Universität Viadrina im deutschen Vergleich den Spitzenplatz belegt, hieß es weiter. Im weltweiten Vergleich habe die Viadrina besonders gut im Bereich Leben abgeschnitten. Hier liege die Europa-Universität auf dem fünften Platz von insgesamt 199 Hochschulen, auch europaweit erreiche sie dabei den ersten Platz.
Insgesamt 49 Prozent der internationalen Viadrina-Studierenden hätten angegeben, ein Auslandsstudium an der Europa-Universität aktiv weiterempfehlen zu wollen, hieß es weiter. Damit liege die Viadrina deutlich über allen Durchschnittswerten. Der deutsche Durchschnittswert liegt bei 32 Prozent, der europäische bei 35 und der weltweite Durchschnittswert bei 34 Prozent.
Im internationalen Bereich haben an der Umfrage den Angaben zufolge unter anderem die bekannten britischen Universitäten von Oxford und Cambrigde und zahlreiche weitere Hochschulen aus dem angelsächsischen Raum teilgenommen. Aus den USA nahmen 14 Universitäten, aus den Niederlanden 13, aus Malaysia 15, aus Neuseeland sechs und aus Singapur vier Hochschulen teil. Spitzenreiter war Australien mit 35 teilnehmenden Hochschulen. In Spanien und Italien beteiligte sich jeweils eine Hochschule.
Leipzig (epd). Die Universität Leipzig will Medizinstudenten stärker für eine Tätigkeit in ländlichen Regionen gewinnen. Damit landärztliche Themen und Praxiserfahrungen im Studium eine größere Rolle spielen, erarbeitet ein Forscherteam in Kooperation mit der Universität Halle-Wittenberg ein neues Lehrkonzept, das anschließend in Zusammenarbeit mit vier mitteldeutschen Modellregionen umgesetzt werden soll, teilte die Universität Leipzig am 26. April mit. Hintergrund ist, dass in vielen ländlichen Regionen Sachsens und Sachsen-Anhalts Engpässe in der medizinischen und hausärztlichen Versorgung bestehen. Das Durchschnittsalter der noch aktiven Hausärzte ist hoch. Der Trend werde sich daher ohne Gegenmaßnahmen verstärken.
Das Projekt wird den Angaben zufolge vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Es gibt zunächst eine einjährige Konzeptionsphase. Geplant sind Veranstaltungen an der Universität und moderne Online-Angebote zur Vermittlung von landärztlichen Lehrinhalten. Dabei sollen auch neue ambulante Versorgungskonzepte, beispielsweise die Delegation ärztlicher Leistungen, Telemedizin und E-Health, die Zusammenarbeit zwischen ambulantem und klinischem Sektor sowie zwischen verschiedenen Fachärzten und Gesundheitsberufen thematisiert werden.
Anfang 2020 wird das neue Lehrkonzept vom Bundesgesundheitsministerium begutachtet und gegebenenfalls in einer anschließenden zweijährigen Pilotphase getestet, hieß es weiter. Vorgesehen sind Praktika für Studierende in je zwei Modellregionen in Sachsen (Nordsachsen, Vogtlandkreis) und Sachsen-Anhalt (Mansfeld-Südharz, Anhalt-Bitterfeld), wie die Universität Leipzig weiter mitteilte.
Halle (epd). Die privaten Schulen in Sachsen-Anhalt verzeichnen steigende Schülerzahlen. Im Schuljahr 2018/19 werden an den 107 Schulen in freier Trägerschaft 18.915 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, wie das Statistische Landesamt am 23. April in Halle mitteilte. Im Vergleich zum vorangegangenen Schuljahr stiegen die Schülerzahlen um 553 Schüler beziehungsweise um drei Prozent.
Mit 195.000 Schülern an Privatschulen sei deren Anteil auf 9,7 Prozent der Gesamtschülerzahl des Landes weiter gestiegen. Dieser Anteil lag den Angaben zufolge bei 5,8 Prozent und bereits 2016 mit 9,2 Prozent erstmals über dem bundesdeutschen Gesamtdurchschnitt von 9 Prozent.
Die Zahl der Privatschulen stieg seit dem Schuljahr 2008/09 von 77 auf 107 Schulen, wie das Statistische Landesamt mitteilte. Hingegen verringerte sich die Zahl der öffentlichen Schulen im gleichen Zeitraum von 877 auf derzeit 764 allgemeinbildende Schulen.
Berlin (epd). Anlässlich des internationalen Workers' Memorial Day ist am 28. April der Opfer von Arbeitsunfällen gedacht worden. Dazu fand eine zentrale Gedenkfeier mit ökumenischem Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin statt. Neben Vertretern von Christentum, Islam und Judentum beteiligten sich daran auch Berlins Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach (Linke), der Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Carsten Burckhardt sowie IG BAU-Arbeitsschutzexperte Gerhard Citrich.
In Deutschland gab es 2018 den Angaben zufolge rund 1,06 Millionen meldepflichtige Arbeitsunfälle. Davon endeten 741 tödlich, wie die IG BAU mit Verweis auf Zahlen der gesetzlichen Unfallversicherung betonte.
Die IG BAU hatte zudem bereits am Freitag um 12 Uhr zu einer Schweigeminute aufgerufen. Gedacht werden sollte damit der Menschen, die im Job tödlich verunglückt oder berufsunfähig geworden sind. Zudem wurde zu einen besseren Arbeitsschutz aufgerufen.
IG BAU-Bundesvorstand Burckhardt hatte im Vorfeld betont: "Wer in der Bau- und Landwirtschaft arbeitet, hat dabei ein besonders hohes Risiko." Mit dem richtigen Arbeitsschutz lasse sich die Gefahr zwar nicht beseitigen, aber stark reduzieren. Die gute Auftragslage am Bau dürfe nicht dazu führen, Abstriche bei der Arbeitssicherheit zu machen. "Das ist ein Sparen am falschen Ende und ein Spiel mit der Gesundheit der Beschäftigten", sagte Burckhardt.
Der Workers' Memorial Day fand den Angaben zufolge erstmals 1984 in Kanada statt. Die Gewerkschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst rief damals dazu auf, der im Arbeitsleben verstorbenen Mitarbeiter zu gedenken. Seit 1989 wird der Gedenktag am 28. April weltweit begangen.
Potsdam (epd). Brandenburg bekommt in der EU-Förderperiode von 2014 bis 2020 mehr als 362 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für gute Arbeit. Die Mittel würden durch knapp 90 Millionen Landes- und Drittmittel ergänzt, teilte das Sozialministerium am 26. April in Potsdam mit. Von den insgesamt 452 Millionen Euro seien bereits mehr als 78 Prozent für konkrete Projekte bewilligt und rund 48 Prozent ausgezahlt. Davon hätten landesweit mehr als 200.000 Menschen profitiert.
Insgesamt hat Brandenburg den Angaben zufolge seit 1991 mehr als 2,5 Milliarden Euro aus dem ESF erhalten. Rund 1,9 Millionen Brandenburgerinnen und Brandenburger hätten bis heute von diesen EU-Mitteln profitiert.
Immer mehr Brandenburgerinnen und Brandenburger fänden eine Arbeit, betonte Sozialministerin Susanna Karawanskij (Linke). Viele profitierten dabei von Förderprogrammen, die dank der Europäischen Union umgesetzt werden könnten. Dies zeige, "Europa lohnt sich". Der ESF trage maßgeblich zur positiven Entwicklung in Brandenburg bei. Ohne die Unterstützung der EU würde der Arbeitsmarkt dort nicht in einer so guten Verfassung sein.
Der ESF sei das wichtigste Finanzinstrument der Europäischen Union, um Beschäftigung zu fördern und Arbeitslosigkeit abzubauen, hieß es. Brandenburg verwende die ESF-Mittel für arbeitspolitische Maßnahmen vor allem in den Bereichen Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit, Aus- und Weiterbildung, Fachkräftesicherung, Existenzgründung sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Berlin (epd). Im Streit über das Berliner Volksbegehren zur Enteignung von Wohnungskonzernen will die FDP-Spitze per Grundgesetzänderung dem Vorhaben die juristische Grundlage entziehen. Artikel 15 des Grundgesetzes passe nicht zur sozialen Marktwirtschaft, er sei ein Verfassungsrelikt und aus gutem Grund nie angewandt worden, sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner dem Berliner "Tagesspiegel" (25. April). Den Grundgesetzartikel abzuschaffen wäre ein Beitrag zum sozialen Frieden und würde die Debatte wieder auf das Wesentliche lenken, sagte Lindner.
Laut Grundgesetz-Artikel 15 können Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum überführt werden. Die FDP will nun bei ihrem Bundesparteitag, der am Freitag in Berlin beginnt, über eine Forderung zur Abschaffung des Artikels 15 entscheiden, heißt es in dem Zeitungsbericht weiter. Eine Mehrheit gilt dem "Tagesspiegel" zufolge als sicher. Das Grundgesetz kann vom Bundestag nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden.
Auf Artikel 15 des Grundgesetzes stützt die Berliner Enteignungsinitiative ihre Argumentation. Das am 7. April in Berlin gestartete Volksbegehren hat die Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen zum Ziel. Die Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen" will private Wohnungsgesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, enteignen. Die Wohnungen sollen in Gemeineigentum überführt werden und die betroffenen Unternehmen "deutlich unter Marktwert entschädigt werden". Ziel des Volksbegehrens ist ein Rekommunalisierungsgesetz.
Berlin (epd). Auch Obdachlose können an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen. Wie die Landeswahlleiterin am 26. April in Berlin mitteilte, müssen Personen ohne festen Wohnsitz dafür allerdings die Aufnahme ins Wählerverzeichnis selbst beantragen. "Personen ohne festen Wohnsitz sollten den Antrag am besten beim Wahlamt des Bezirkes stellen, in dem sie sich gewöhnlich aufhalten", erklärte die Landeswahlleitung. Mit dem Antrag erklären die Betroffenen, dass sie zur Wahl des Europäischen Parlaments wahlberechtigt und in keinem Melderegister verzeichnet sind. Der Antrag muss bis Freitag, dem 3. Mai, während der Öffnungszeit im Bezirkswahlamt gestellt werden oder bis spätestens 5. Mai dort eingegangen sein, hieß es weiter.
Berlin (epd). Rechtspopulistische und antidemokratische Einstellungen sind in der deutschen Bevölkerung einer aktuellen Studie zufolge weiter tief verwurzelt. Wie aus der am 25. April in Berlin veröffentlichten sogenannten Mitte-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hervorgeht, neigt jeder fünfte Deutsche (21 Prozent) zu rechtspopulistischen Einstellungen. Das sind ebenso viele wie bei der Erhebung im Jahr 2016. Die Autoren schlussfolgern, die Mitte verliere ihre demokratische Orientierung, und fordern mehr Investitionen in die Demokratiebildung. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erneuerte ihre Forderung nach einem Demokratiefördergesetz.
Die Studie vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld misst im Auftrag der SPD-nahen Stiftung im Turnus von zwei Jahren die Einstellung der Deutschen zur Demokratie und gegenüber Minderheiten wie Asylsuchenden, Einwanderern, Juden, Sinti und Roma sowie Homosexuellen. 1.890 repräsentativ ausgewählte deutsche Staatsbürger wurden dafür von September 2018 bis Februar des laufenden Jahres befragt. Die Studie trägt diesmal den Titel "Verlorene Mitte. Feindselige Zustände".
Die Ergebnisse zeigen nach Worten der Forscher, dass sich rechte Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft verfestigen - "verkrusten", wie es der Leiter des Bielefelder Instituts, Andreas Zick, formulierte. So ist die Ablehnung gegenüber Asylsuchenden weiter gestiegen. Mehr als jeder zweite Deutsche (54,1 Prozent) teilt Einstellungen, die Flüchtlinge abwerten. 2016 lag der Wert bei 49,5 Prozent.
Harte rechtsextremistische Einstellungen werden der Studie zufolge wie in den Vorjahren nur von einer Minderheit geteilt - von 2,4 Prozent im Osten wie im Westen. Weit verbreitet sind der Studie zufolge aber nach wie vor Abwertung von Sinti und Roma (26 Prozent), fremdenfeindliche Einstellungen und Muslimfeindlichkeit (19 Prozent).
Erstmals wurde diesmal auch nach der Zustimmung zu Verschwörungstheorien gefragt. Ergebnis: 46 Prozent der Deutschen glauben, geheime Organisationen hätten großen Einfluss auf politische Entscheidungen. Ein Drittel glaubt, Politiker seien Marionetten "dahinterstehender Mächte", und ein Viertel (24 Prozent) ist davon überzeugt, Medien und Politik steckten "unter einer Decke".
Auf der anderen Seite spricht sich eine überwiegende Mehrheit für die Demokratie und die Werte des Grundgesetzes aus: 86 Prozent der Deutschen halten es für unerlässlich, dass die Bundesrepublik demokratisch regiert wird. 65 Prozent finden, dass es "im Großen und Ganzen" ganz gut funktioniert. 93 Prozent finden, Würde und Gleichheit aller Menschen sollten an erster Stelle stehen. Zugleich ist der Studie zufolge aber auch ein Drittel der Deutschen gegen die Idee gleicher Rechte für alle. Zehn Prozent unterscheiden zwischen "wertvollem" und "unwertem" Leben.
Die Studie regt an, mehr in politische Bildung und Demokratiestärkung zu investieren. "Wir müssen Demokratiebildung und Prävention stärken", schloss sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter der Forderung an. Bundesfamilienministerin Giffey sagte, die Förderung einer lebendigen Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen Vorurteile einsetze, sei eine Daueraufgabe.
Damit unterstrich sie ihr Plädoyer für ein Demokratiefördergesetz, das Initiativen und Organisationen, die derzeit von befristeten Projektmitteln abhängig sind, eine strukturelle Finanzierung sichern soll. "Wir müssen denen verlässlich und dauerhaft den Rücken stärken, die jeden Tag aufs Neue konkret vor Ort gegen Hass und Hetze vorgehen und aktiv unsere Demokratie verteidigen", sagte Giffey. Ihre Amtsvorgängerin Manuela Schwesig (SPD) hatte sich bereits für ein solches Gesetz ausgesprochen, war damit aber auf Widerstand in der großen Koalition gestoßen.
Berlin, Gütersloh (epd). Viele Europäer sehen sich einer Studie zufolge durch die etablierten Parteien nur unzureichend repräsentiert. Das ist das Ergebnis einer europaweiten Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die am 26. April in Berlin vorgestellt wurde. Zugleich bekundeten zwei Drittel der Befragten (68 Prozent), an der Europawahl teilnehmen zu wollen. In Deutschland waren es sogar 73 Prozent. Das wäre ein enormer Anstieg gegenüber den vorangegangenen Wahlen. Allerdings seien "Anhänger von europakritischen Parteien an den politischen Rändern stärker mobilisiert als die noch etwas wahlmüde politische Mitte", sagte Robert Vehrkamp als einer der Autoren der Studie.
2014 lag die Wahlbeteiligung bei Europawahlen in der Europäischen Union bei 42,6 Prozent und 2009 bei 43 Prozent. Dabei verwies Vehrkamp darauf, dass die Absichtserklärungen immer über der tatsächlichen Wahlbeteiligung lägen.
Für die Studie "Europa hat die Wahl - Populistische Einstellungen und Wahlabsichten bei der Europawahl 2019" wurden im Januar in den zwölf größten EU-Staaten mehr als 23.700 Menschen online befragt. Durch die repräsentativen Stichproben auf nationaler Ebene seien insgesamt 82 Prozent aller Wahlberechtigten abgedeckt worden, so Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung. Die Europawahl findet in Deutschland am 26. Mai statt.
"Die Höhe der Wahlbeteiligung wird für das Wahlergebnis und die Zukunft Europas entscheidend sein", betonte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Die Mobilisierung der überwiegend proeuropäischen Mitte sei dafür eine wichtige Voraussetzung.
Laut Studie sind Anhänger von populistischen und extremistischen Parteien besonders EU- und demokratiekritisch eingestellt. In Sachfragen zeigten sich die Wähler der Links- und Rechtspopulisten dennoch stärker gespalten als die Wähler etablierter Parteien. Für das neue EU-Parlament bedeute dies, so Vehrkamp, dass Konsensentscheidungen und positive Mehrheiten noch größere Koalitionen der etablierten Parteien als bisher erforderten. "Je stärker die populistisch-extremen Ränder werden, umso stärker zwingt es die etablierten Parteien zum Konsens." Gelinge dieser Brückenschlag nicht, könnten negative Mehrheiten zur Selbstblockade führen.
Als Ursache für Populismus identifiziert die Studie das Gefühl von Bürgern, durch die Parteien nur unzureichend repräsentiert zu werden. "Wer die weitere Ausbreitung populistischer Einstellungen verhindern will, sollte sich deshalb um eine möglichst gute Repräsentation aller Wähler kümmern", sagte Vehrkamp. Dabei warnte er aber davor, Rhetorik und Themen etwa der AfD einfach zu übernehmen. Diese Strategie sei in der Vergangenheit komplett gescheitert, sagte Vehrkamp unter Verweis auf das von ihm mit erstellte "Populismusbarometer". Vielmehr sollte auf Abgrenzung gegenüber Populisten gesetzt und die Systemfrage "pro oder anti Europa" gestellt werden.
Der Studie zufolge identifizieren sich lediglich etwa sechs von 100 Wahlberechtigten (6,3 Prozent) mit einer Partei. Fast jeder Zweite (49 Prozent) lehne eine oder mehrere Parteien ab. "Viele Bürger entscheiden sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen", erläuterte Vehrkamp. Dabei kassierten laut Umfrage die extremen und populistischen Parteien mit rund 52 Prozent die höchsten Ablehnungswerte. Zugleich erhielten die Rechtspopulisten mit rund zehn Prozent die höchsten und die Linkspopulisten mit rund sechs Prozent relativ hohe Werte bei den positiven Parteiidentifikationen.
"Die populistischen Parteien haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, sich eine stabile Stammwählerbasis zu schaffen. Ihre gleichzeitig hohen Ablehnungswerte zeigten aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistischen Parteien nachzuahmen", so Vehrkamp.
Berlin (epd). Die Zahl der Verfahren mit Korruptionsbezug bei der Staatsanwaltschaft Berlin hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Insgesamt gingen 134 solcher Verfahren ein, wie aus dem am 25. April in Berlin vorgelegten Tätigkeitsbericht der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung hervorgeht. Im Jahr davor waren es demnach 114 Verfahren, im Jahre 2016 insgesamt 110 und im Jahr davor 100 Verfahren. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) betonte, die Bekämpfung von Korruption sei wichtig für den Erhalt der Demokratie.
Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Reiff sagte, ging die Zahl der Beschuldigten indes auf 194 Personen zurück. Im Jahre 2017 waren es noch 211 und davor 185 Beschuldigte gewesen. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung handele es sich aber um verschwindend geringe Zahlen, sagte Reiff. Es gebe natürlich ein großes Dunkelfeld.
Justizsenator Behrendt nannte Korruption ein "Krebsgeschwür" für die Demokratie. Sie untergrabe das Vertrauen in die rechtsstaatlichen Institutionen und müsse daher konsequent verfolgt und geahndet werden. Dabei seien die Behörden in der Regel auf Hinweisgeber angewiesen. Um die Aufmerksamkeit für dieses Thema zu erhöhen, habe die Justizverwaltung auch einen neuen Flyer mit Hinweisen veröffentlicht und an die Verwaltungen verteilt.
Bei der Bekämpfung der Korruption sieht Behrendt "Licht und Schatten". Die Zahl der Korruptionsfälle bewege sich insgesamt auf "mittlerem Niveau", spektakuläre Fälle habe es im zurückliegenden Jahr nicht gegeben.
Nach den Worten des Leitenden Oberstaatsanwalts Reiff wurde 2018 in 15 Verfahren Anklage erhoben. Im Jahr davor waren es 12 Verfahren, 2016 insgesamt 17 Verfahren. Mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurden 102 Verfahren mit Korruptionsbezug.
Reiff berichtete unter anderem über die Anklage gegen einen Polizeibeamten wegen Bestechlichkeit. Er soll gegen regelmäßige Bargeldzahlungen Geheimnisse aus der Polizeiarbeit an Betreiber von Lokalen und Spielkasinos weitergegeben haben. Bei einer weiteren Anklage werde einem Lokalangestellten der deutschen Botschaft in Beirut vorgeworfen, von syrischen Visa-Antragstellern Geldzahlungen angenommen zu haben, um die Terminvergabe zu beschleunigen. Die Staatsanwaltschaft Berlin sei in diesem Falle zuständig, weil das Auswärtige Amt seinen Sitz in Berlin habe, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt.
Oberstaatsanwalt Reiff und Justizsenator Behrendt sagten weiter, dass die sogenannte Forensische Datenanalyse zur Aufdeckung von Korruption in den Berliner Behörden ausgebaut werden solle. Dabei werden Verwaltungsvorgänge auf verdächtige Muster analysiert, also etwa verdächtige Zeiten für Überweisungen oder bestimmte Geldsummen.
Der seit August 2017 tätige Vertrauensanwalt für die Berliner Verwaltung, Rechtsanwalt Fabian Tietz, berichtete von verbesserten Hinweisen und einer größeren Bekanntheit seiner Stelle. Allerdings komme noch immer nur ein kleiner Teil der Hinweise auf mögliche Korruptionsfälle aus der Verwaltung selbst. Hinweisgeber seien stattdessen häufig Bürger.
Frankfurt a.M. (epd). Die Frankfurter Professorin und Islam-Expertin Susanne Schröter erhält im Streit um eine von ihr organisierte Tagung zum muslimischen Kopftuch die Unterstützung ihrer Universität. "Im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit steht es den Fachbereichen, Instituten und Professuren nicht nur frei, Veranstaltungen in eigener Regie und mit eigener thematischer Ausrichtung zu gestalten. Es ist vielmehr ausdrücklich Teil ihrer Aufgaben", heißt es in einer am 26. April veröffentlichten Stellungnahme der Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt, Birgitta Wolff. Das Präsidium sei keine "Diskurspolizei".
Die Frankfurter Islam-Expertin erlebt derzeit einen Shit-Storm in den sozialen Netzwerken. Im Fokus steht die von ihr ins Leben gerufene Konferenz zur Rolle des Kopftuchs an der Goethe-Universität Frankfurt. Unter dem Hashtag "Schröter_raus" fordern einige Studierende eine Absage der Veranstaltung am 8. Mai sowie ihren Rücktritt als Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Sie werfen der Professorin anti-muslimische Ressentiments vor. Der Instagram-Account der Gruppe "Uni gegen Antimuslimischen Rassismus" wurde mittlerweile gelöscht.
Sätze wie "Schröter_raus" würden außerhalb jeglichen sowohl wissenschaftlichen als auch demokratischen Diskurses stehen, heißt es weiter in der Stellungnahme der Universität. Sie seien inakzeptabel. "Solche Äußerungen haben nichts mit den Qualitätsansprüchen eines akademischen Diskurses zu tun und sind allen, die sich als Mitglieder unserer Universität bezeichnen, unwürdig."
Der Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, der frühere Grünen-Abgeordnete Volker Beck und der Islamismus-Experte Ahmad Mansour solidarisierten sich auf ihren Twitter-Profilen mit der Professorin. Schröter selbst schreibt auf ihrer Facebookseite: "Ich möchte mich bei euch allen für die unglaubliche Solidarität bedanken. Ihr seid großartig!"
Unter dem Titel "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" sind für den 8. Mai sieben Referentinnen und Referenten geladen. Mit dabei sind unter anderen die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und Khola Maryam Hübsch, Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde und Trägerin eines Kopftuchs. Im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst wird derzeit die Ausstellung "Contempoary Muslim Fashions" gezeigt. Die Ausstellung steht in der Kritik, das Kopftuch zu verharmlosen. Die Tagung hatte Schröter als Reaktion auf die Debatte um die Ausstellung organisiert.
Frankfurt a.M., Stockholm (epd). Die weltweiten Rüstungsausgaben haben 2018 einen Spitzenwert erreicht. Wie das Friedensforschungsinstitut Sipri am 29. April in Stockholm mitteilte, investierten die Staaten im vergangenen Jahr insgesamt 1.822 Milliarden US-Dollar (etwa 1.635 Milliarden Euro) in ihre Streitkräfte. Das sei der höchste Stand seit 1988. Im Vergleich zu 2017 war es demnach ein Anstieg um 2,6 Prozent. Das entspricht einem Anteil von 2,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Am meisten für Rüstungsgüter ausgegeben haben 2018 die USA, China, Saudi-Arabien, Indien und Frankreich. Ihre Rüstungsetats umfassten 60 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Deutschland liegt auf Rang acht und rückte im Vergleich zu 2017 um einen Platz auf.
Die USA blieben mit Abstand das Land mit dem größten Budget für Militärausrüstung. Erstmals seit 2010 wuchsen die Ausgaben Washingtons um 4,6 Prozent auf insgesamt 649 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Weltmarktanteil von 36 Prozent. Der Anstieg sei auf Programme von 2017 zur Beschaffung neuer Waffen der Regierung von Präsident Donald Trump zurück zu führen, erläuterte Sipri-Forscherin Aude Fleurant.
China steigerte seine Rüstungsausgaben nach Sipri-Schätzungen um fünf Prozent auf 250 Milliarden US-Dollar, mit einem Weltmarktanteil von 14 Prozent. Demnach gab die Volksrepublik 2018 fast zehn Mal mehr für ihre Streitkräfte aus als noch 1994. Saudi-Arabien hingegen drosselte seine Ausgaben um 6,5 Prozent, belegt aber mit geschätzten 67,6 Milliarden US-Dollar trotzdem Platz drei. Dahinter folgt Indien, das seine Investitionen um 3,1 Prozent auf 66,5 Milliarden Dollar steigerte. Frankreich liegt an fünfter Stelle, obwohl es seinen Rüstungsetat leicht um 1,4 Prozent auf 63,8 Milliarden Dollar verringerte.
Deutschland gab im vergangenen Jahr 49,5 Milliarden US-Dollar (etwa 44,4 Milliarden Euro) für Rüstung aus und damit 1,8 Prozent mehr als 2017. Das entspricht einem Anteil von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allerdings plane Deutschland, diesen auf 1,5 Prozent bis 2025 zu steigern, heißt es im Bericht. Die Bundesrepublik wolle bei der globalen Sicherheit eine größere Rolle spielen. Zu den 15 Staaten mit den weltweit größten Militäretats zählten im vergangenen Jahr sieben Nato-Mitglieder: Neben den USA, Frankreich und Deutschland waren das Großbritannien (Platz 7), Italien (Platz 11), Kanada (Platz 14) und die Türkei (Platz 15).
In Asien und Ozeanien sind die Militärausgaben in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich gestiegen. Allein 2018 hat die Region 507 Milliarden US-Dollar in die Rüstung gesteckt. Das war ein Anteil von 28 Prozent an den globalen Militärausgaben. 1988 betrug dieser nur neun Prozent.
Eine Reihe von Staaten in Mittel- und Osteuropa investierten ebenfalls kräftig in Rüstung: So beliefen sich Polens Militärausgaben auf 11,6 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von 8,9 Prozent entsprach. Die Ausgaben der Ukraine wuchsen um 21 Prozent auf 4,8 Milliarden Dollar. Bulgarien, Lettland, Litauen und Rumänien investierten zwischen 18 und 24 Prozent mehr. Dies sei darauf zurück zu führen, dass Russland zunehmend als Bedrohung wahrgenommen werde, erklärte Sipri-Forscher Pieter Wezeman. Die russischen Investitionen hingegen seien in den vergangenen zwei Jahren gesunken. Dennoch lag das Land 2018 mit einem Rüstungsetat von 61,4 Milliarden Dollar weltweit auf dem sechsten Platz. Auch in Teilen Afrikas sanken die Ausgaben: Im Sudan um 49 Prozent, in Angola um 18 Prozent und in Algerien um 6,1 Prozent.
Wittenberg (epd). Das bei mittlerweile zwei Bränden beschädigte Flüchtlingsboot am Schwanenteich der Lutherstadt Wittenberg bleibt als Denkmal erhalten. Der Stadtrat habe am 24. April auf seiner Sitzung mehrheitlich dafür gestimmt, das Flüchtlingsschiff in seinem gegenwärtigen Zustand zu belassen und es in die Gestaltung der Wallanlagen zu integrieren, teilte eine Sprecherin am 25. April in Wittenberg mit.
Für die Gestaltung des "Denkmals der Menschlichkeit, Konsequenz und Rechtsstaatlichkeit" gab es verschiedene Vorschläge. Der Stadtrat entschied sich nun dafür, den jetzigen Zustand zu belassen und zu erhalten. Dabei werden die Kosten für die Beschilderung mit rund 3.500 Euro, für Kontrollen mit 360 Euro sowie für Erhaltungsmaßnahmen mit rund 250 Euro pro Jahr beziffert.
Bei dem Flüchtlingsboot handelte es sich um ein Exponat der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum 2017, das nach dem Ende der Schau von der Stadt übernommen worden war. Das Schiff hatte im Jahr 2013 insgesamt 244 Frauen, Männer und Kinder unversehrt von Libyen nach Sizilien gebracht. In Wittenberg sollte es eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht anregen und später als Denkmal und Ort der Diskussion erhalten bleiben. Das 23 Tonnen schwere Boot trug den Namen al-bahja (Fröhlichkeit, Freude).
In der Nacht vom 9. zum 10. November 2018 wurde das Boot von unbekannten Tätern in Brand gesteckt. Da Brandmittel am Tatort gefunden wurden, wird von einem politisch motivierten Hintergrund der Tat ausgegangen. Bei dem Brand wurde der Aufbau aus Holz zerstört, so dass nun nur noch der Rumpf stehen geblieben ist. Vor mehr als einer Woche wurde ein neuer Brandschaden festgestellt. Dabei handelte es sich um eine etwa einen Quadratmeter große Verrußung. Es wird davon ausgegangen, dass auch dieser Brand vorsätzlich gelegt wurde.
Berlin (epd). Das "Parlament der Bäume" wächst weiter. Auf dem vom Aktionskünstler Ben Wagin geschaffenen Berliner Erinnerungsort für die Mauertoten wurde am 24. April von Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ein neuer Apfelbaum gepflanzt. Das Mahnmal auf dem ehemaligen Todesstreifen in unmittelbarer Nähe des Bundestages umfasst aktuell rund 100 verschiedene Bäume sowie 58 originale Segmente der Berliner Mauer.
Anlass der neuen Baumpflanzung ist den Angaben zufolge der "Tag des Baumes" am 25. April sowie die bevorstehende Europawahl am 26. Mai. Mit der Aktion soll laut Wagin zur Teilnahme an der Europawahl aufgerufen werden. Dabei solle für mehr Klimaschutz, Frieden und Gerechtigkeit gestimmt werden.
Auch die weitere Finanzierung des "Parlaments der Bäume" ist vorerst gesichert. Die Lottostiftung Berlin übergab dazu am Mittwoch einen Förderscheck in Höhe von 175.000 Euro. Laut dem Baumpatenverein, der den Künstler Ben Wagin seit Jahren unterstützt, soll mit dem Geld unter anderem das Mahnmal anlässlich des 30-jährigen Mauerfall-Jubiläums in diesem Jahr zeitweise für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Angedacht sei eine Öffnung von mehreren Wochen im Herbst 2019. Bislang war ein öffentlicher Zugang nur vereinzelt möglich.
Berlins Stadtentwicklungssenatorin räumte ein, dass sich die Politik lange schwer getan habe, das "Parlament der Bäume" langfristig zu sichern. "Inzwischen wird sich niemand mehr wagen, diesen Ort infrage zu stellen", so Lompscher. Die Bundeshauptstadt brauche derartige Erinnerungsorte und "grüne Lungen". Das "Parlament der Bäume" sei beides: Denkmal und Natur. Lompscher betonte zudem: "Der Gedanke, den dieser Ort hat, ist Frieden und Verständigung. Das gilt es nach Europa zu tragen."
Der Europaparlamentarier Michael Cramer (Grüne) erklärte zudem, dass er sich dafür einsetzen wolle, den "Tag des Baumes" künftig zum europäischen Fest- und Gedenktag zu machen. Seit rund 100 Jahren gebe es den "Tag des Baumes" bereits, allerdings nur in Deutschland. "Ein Europa ohne Bäume kann ich mir nicht vorstellen", sagte Cramer und fügte hinzu: "Ohne Bäume gäbe es keine Menschen."
Das "Parlament der Bäume" erinnert seit dem 9. November 1990 an die Mauertoten und die Teilung Deutschlands. Die Anlage auf dem ehemaligen Grenzstreifen an der Spree besteht aus Mauersegmenten, Granitplatten mit den Namen von Maueropfern, Texten, Gemälden, Blumenbeeten und Bäumen, die nach der deutschen Wiedervereinigung unter anderem von mehreren Ministerpräsidenten und Vertretern des öffentlichen Lebens gepflanzt wurden. Seit 2017 steht das Mahnmal mitten im Berliner Regierungsviertel unter Denkmalschutz. Eine langfristige Finanzierung ist bislang noch offen.
Berlin (epd). Das interreligiöse Berliner "House of One" ist wegen finanzieller Zuwendungen der Qatar Foundation International in die Kritik geraten. Das christlich-jüdisch-muslimische Drei-Religionen-Haus wies die Kritik am Freitag zurück. Verbindungen der Stiftung zu islamistischen Organisationen seien dem "House of One" nicht bekannt, sagte Sprecherin Kerstin Krupp dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 26. April in Berlin. Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor den Islamismus-Experten Ahmad Mansour mit den Worten zitiert, die Qatar Foundation International habe Verbindungen zu islamistischen Organisationen. Das "House of One" verspiele durch die finanzielle Unterstützung Sympathien.
Das "House of One" werde von der Qatar Foundation International für ein Jahr mit einem Betrag im niedrigen sechsstelligen Bereich unterstützt, sagte Krupp. Damit würden sechs Teilzeitstellen im Bildungsbereich finanziert. Zwei der Pädagogen erteilten auch Arabisch-Unterricht in der evangelischen Schule Berlin-Mitte. Die Stiftung fördere das "House of One" seit November 2018.
Vor der Entscheidung, die Förderung anzunehmen, habe sich das "House of One" unter anderem bei den Sicherheitsbehörden über die Stiftung erkundigt, sagte Krupp. Vorwürfe gegen die Stiftung seien nicht erhoben worden. Über die Verwendung der Mittel könne das Drei-Religionen-Haus frei entscheiden. Einzige Bedingung sei gewesen, dass auch Arabischunterricht gefördert werde.
"Wir suchen unsere Partner nach ethischen und moralischen Kriterien aus", sagte Imam Kadir Sanci vom Präsidium des "House of One" dem epd: "Das ist der Prüfstein, auf den wir auch laufende Partnerschaften immer wieder stellen." Sollte es zu nachvollziehbaren Anschuldigungen gegen einen Partner kommen, werde die Zusammenarbeit erneut geprüft. Dazu gebe es jedoch im vorliegenden Fall derzeit keinen Anlass. Er selbst stehe für einen "aufgeklärten, zivilen und liberalen Islam", sagte Sanci: "Das ist meine Haltung und die ist mir wichtig."
Anfang März hatte die Berliner Unternehmerin Catherine Dussmann sich aus der Unterstützung für das "House of One" zurückgezogen. Hintergrund waren demnach Vorwürfe gegen den der Gülen-Bewegung nahestehenden muslimischen Partner des Projekts, der eine breite muslimische Beteiligung zu verhindere.
Die Qatar Foundation International hat ihren Schwerpunkt in den USA und fördert nach eigenen Angaben in Deutschland Projekte in Berlin, München, Mannheim und Lüneburg. In Berlin unterstützt die Stiftung nach eigenen Angaben auch die Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft DAFG, das Integrationsprojekt "Give something back to Berlin", die ITW School und den Verein "Be an Angel", der Flüchtlinge bei der Integration unterstützt. In München fördert die Stiftung den Sozialverein WirWerk, in Mannheim die arabische Aiyal-Schule und in Lüneburg die Al Shabah School.
Die Qatar Foundation International mit Sitz in New York wurde nach eigenen Angaben 2009 in Washington gegründet und gehört zur Qatar Foundation. Ziele sind die Förderung von Arabischunterricht und die Förderung des Verständnisses arabischer Gesellschaften und Kulturen. In den USA wurde der Stiftung vorgeworfen, auch antisemitische und islamistische Ressentiments zu verbreiten.
Oranienburg (epd). Am 52. Sachsenhausen-Gedenklauf in Oranienburg wollen sich am 1. Mai mehrere hundert Menschen beteiligen. Bislang seien 311 Anmeldungen für das Sportereignis zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus eingegangen, teilte der brandenburgische Landkreis Oberhavel am 23. April in Oranienburg mit. Im vergangenen Jahr hätten knapp 600 Menschen an dem Gedenklauf teilgenommen. Schirmherr ist Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
"Nicht die sportliche Spitzenleistung steht hier im Vordergrund, sondern das Selbstverständnis von Weltoffenheit und Toleranz", betonte Landrat Ludger Weskamp (SPD): "Dieser Lauf ist der Erinnerung an die Menschen gewidmet, die im Konzentrationslager Sachsenhausen litten und ihr Leben ließen." Wer dabei am historischen Ort an den Start gehe, lege damit auch ein Bekenntnis ab. Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende von ihnen wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.
Der neue Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, werde in diesem Jahr mit einer Gedenkstätten-Staffel antreten, hieß es weiter. Die Läufer können sich an einem 15- und einem 7,5-Kilometer-Lauf sowie einem insgesamt sechs Kilometer langen Staffellauf beteiligen.
1964 wurde der Sachsenhausen-Gedenklauf den Angaben zufolge erstmals ausgetragen. Zu Beginn der 90er Jahre fand er einige Jahre nicht statt. Seit 1995 wird dazu wieder jährlich am 1. Mai eingeladen. Der Termin des Gedenklaufes liegt zwischen dem Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück im April 1945 und dem Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus, dem 8. Mai 1945.
Schlieben-Berga (epd). Brandenburgs Staatskanzleichef Martin Gorholt (SPD) hat am 27. April an die Befreiung der Häftlinge der KZ-Außenstelle Schlieben-Berga (Landkreis Elbe-Elster) vor 74 Jahren erinnert. Dabei forderte er Wachsamkeit und entschiedenes Handeln gegenüber "jedem Anflug von Rassismus, Menschenverachtung und Gewalt". Zugleich würdigte der Staatskanzleichef das Engagement vieler Überlebender und Angehöriger.
Auch heute müssten die Menschen "zusammenstehen gegen rechtsrevisionistische Kräfte, Neonazis, Terroristen", forderte Gorholt. Er fügte hinzu: "Wir müssen unsere Demokratie, unsere Verfassung, unsere Menschlichkeit schützen. Dafür ist Erinnerungskultur entscheidend."
Gorholt äußerte zudem Dankbarkeit gegenüber den Zeitzeugen: "Historisches Lernen gelingt dann besonders gut, wenn es zu persönlichen Begegnungen kommt, wenn Geschichte von Zeitzeugen vermittelt wird. Ihre Anwesenheit, ihre Erinnerungen, ihr Kampf gegen das Vergessen ermutigen uns", so Gorholt.
Der SPD-Politiker würdigte auch das ehrenamtliche Engagement des Vereins KZ-Außenlager Schlieben-Berga. Der Verein halte Kontakt zu Überlebenden und ihren Familienangehörigen in vielen Ländern der Welt und betreue Besucher. "Schlieben-Berga steht heute für aktive und engagierte Erinnerungsarbeit über Generationen und Grenzen hinweg", betonte Gorholt.
In Berga bei Schlieben entstand im Dritten Reich das drittgrößte von insgesamt 136 Außenlagern des KZ Buchenwald. Es wurde vom Rüstungsbetrieb Hasag Hugo Schneider AG betrieben. Bis zu 5.000 Menschen waren dort inhaftiert. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt. Etliche Insassen wurden noch kurz vor der Befreiung in das KZ Theresienstadt verschleppt. Rund 130 Häftlinge wurden am 21. April 1945 durch die Rote Armee befreit.
Brandenburg an der Havel (epd). An die Befreiung der Häftlinge des NS-Zuchthauses Brandenburg-Görden Ende April 1945 ist am 28. April mit einer Gedenkveranstaltung in Brandenburg an der Havel erinnert worden. Im Mittelpunkt des diesjährigen Gedenkens standen die mindestens 80 Norweger, die häufig aufgrund ihres Widerstandes gegen die deutsche Besatzung Norwegens als politische Gefangene im Zuchthaus inhaftiert waren, teilte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mit. Drei Norweger wurden in Brandenburg hingerichtet, drei starben während ihrer Haft, davon mindestens einer an den Folgen seiner Unterernährung.
An der Gedenkveranstaltung zum 74. Jahrestag der Befreiung nahm den Angaben zufolge auch ein Sohn des norwegischen Widerstandskämpfers Martin Edvard Blindheim teil, der von den Nazis zum Tode verurteilt und von der Roten Armee aus der Todeszelle befreit wurde. Die Gedenkveranstaltung mit anschließender Kranzniederlegung fand in den Räumen der ehemaligen NS-Hinrichtungsstätte innerhalb der JVA Brandenburg statt. Im Anschluss lud die Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden zu einer Führung durch die Dauerausstellung im nahegelegenen Direktorenhaus ein.
Im Zuchthaus Brandenburg-Görden habe sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 der Charakter des Strafvollzugs geändert, hieß es. Die Strafanstalt füllte sich mit politischen Gegnern, rassisch Verfolgten und zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Kriminellen. Die Inhaftierten litten unter Überbelegung, Hunger und harten Haftbedingungen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs seien dort auch Männer aus den von NS-Deutschland überfallenen Ländern inhaftiert worden. Ab Sommer 1940 befand sich im Zuchthaus auf dem Görden eine der zentralen Hinrichtungsstätten der NS-Justiz. Die meisten der 2.032 hingerichteten Häftlinge wurden mit der Guillotine ermordet. Am 27. April 1945 befreiten Einheiten der Roten Armee die Gefangenen.
Genf (epd). Mit sorgenvoller Miene mustert der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Botschafter. Dann spricht António Guterres eine existenzielle Warnung aus: "Nationen müssen abrüsten oder sie gehen unter." Im historischen Sitzungssaal der Abrüstungskonferenz wird es still. Die Gesandten Dutzender Länder, die am 25. Februar im Genfer Palais des Nations der UN zusammenkamen, haben Guterres verstanden: Es geht um Sein oder Nichtsein.
Der frühere portugiesische Ministerpräsident präsentierte sich an diesem Tag einmal mehr in seiner Lieblingsrolle als Mahner, der eine Zusammenarbeit der Länder zum Wohle der Menschheit verlangt: Bei der Abrüstung und auf jedem anderen internationalen Feld. Als Antreiber, der unentwegt und wechselnd in Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch die Vorteile des Miteinander beschwört. Kurz: Als Multilateralist. Vor wenigen Tagen fasste der neunte UN-Generalsekretär sein Credo zusammen: "Wir brauchen ein stärkeres Engagement für eine regelbasierte Ordnung, in deren Mittelpunkt eine effektive UN steht."
Am 30. April wird der praktizierende Katholik António Manuel de Oliveira Guterres 70 Jahre alt. Die Glückwünsche dürften aus aller Welt eintreffen, vor allem aus Europa, wo Guterres viele Freunde hat, etwa die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Sie preist Guterres als "Mann von Visionen, Herz und Taten".
Für Feiern dürfte dem ehemaligen Präsidenten der Sozialistischen Internationale kaum Zeit bleiben. Zu ernst sind die Bedrohungen für die Menschheit: Autoritäre Populisten wie US-Präsident Donald Trump sind auf dem Vormarsch. Konflikte wie in Afghanistan, Syrien, Libyen, Jemen, Kongo und der Ukraine zwingen Millionen Menschen in Flucht. Terrorbanden treiben ihr blutiges Unwesen.
Atomwaffenstaaten liefern sich ein neues Wettrennen um die wirksamsten Tötungsinstrumente. Millionen Menschen verhungern jedes Jahr. Und über allem breitet sich der Klimawandel aus, der apokalyptische Folgen für die Menschheit haben könnte. Die Erderwärmung "ist schneller als wir sind", warnt Guterres.
Trotz der massiven Herausforderungen stehen die Vereinten Nationen nicht entschlossen zusammen. Vielmehr lähmen Rivalitäten der Großmächte die Suche nach Lösungen, besonders wenn es um Krieg und Frieden geht. So prangert Guterres, der als Generalsekretär selbst über keine wirkliche Macht verfügt, eine Lähmung im Weltsicherheitsrat an. Die Beziehungen zwischen den drei Großmächten in dem Gremium, USA, Russland und China seien "niemals so schlecht gewesen wie heute", analysiert Guterres.
Schlimmer noch: Trumps USA haben sich vom Multilateralismus verabschiedet. Das wichtigste UN-Mitgliedsland setzt offen auf das Recht des Stärkeren und streicht Mittel für die Weltorganisation zusammen. Das große Pech in der Laufbahn des António Guterres: Genau im selben Monat, im Januar 2017, in dem er in New York Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde, zog Trump als Präsident der USA ins Weiße Haus in Washington ein.
Der Amtsantritt bei den UN war der politische Höhepunkt in Guterres' Leben, das am 30. April 1949 in Lissabon begann. Im Jahr der Nelken-Revolution 1974 trat der Elektroingenieur der Sozialistischen Partei bei und half den Ärmsten in den Slums der portugiesischen Hauptstadt. Der pragmatische Idealist krönte seine nationale Karriere 1995, als er Ministerpräsident wurde. Bis 2002 blieb er Regierungschef. Persönlich musste Guterres 1998 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen: Seine erste Frau starb mit 51 Jahren an Krebs. Später heiratete er erneut.
Von 2005 bis 2015 diente der Mann aus Südeuropa bei den UN als Hochkommissar für Flüchtlinge. Zu seinen vielen Ehrungen wird Guterres am 30. Mai eine neue hinzufügen: Der UN-Generalsekretär erhält in Aachen den Internationalen Karlspreis. Damit, so heißt es, werde sein Einsatz für eine "multilaterale Zusammenarbeit auf der Grundlage der Werte und Ziele der Europäischen Union und der Vereinten Nationen" gewürdigt.
Dubai, Colombo (epd). Teegärten, ein Buddha-Tempel und tropische Natur prägen den malerischen Ort Kandy in Sri Lanka. Doch vor einem Jahr platzte Gewalt in die Idylle: Eine Gruppe aufgebrachter Buddhisten zündete Geschäfte und die Moschee der muslimischen Einwohner an, nachdem bei einem Verkehrsunfall ein buddhistischer Jugendlicher umgekommen war. Das ist kein Einzelfall: Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 verschärfen sich in Sri Lanka die religiösen Spannungen. Doch die Anschläge auf Kirchen und Hotels am Ostersonntag mit rund 360 Toten haben eine neue Dimension.
"In den drei Jahrzehnten Bürgerkrieg haben wir so etwas nicht erlebt", sagt Meenakshi Ganguly, die Südasien-Direktorin der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". Nach dem blutigen Ostersonntag steht Sri Lanka immer noch unter Schock. Islamistische Selbstmordattentäter verübten koordinierte Terroranschläge auf Kirchen und Hotels - mehr als 250 Menschen kamen ums Leben. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich inzwischen zu den Attentaten bekannt. Es ist das erste Mal, dass Sri Lanka Angriffe von Islamisten erlebt. Und es ist auch das erste Mal, dass in dem Tropenstaat Christen so gezielt angegriffen werden.
Sri Lanka ist ein multireligiöses Land: Etwa 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner sind Buddhisten. Hindus stellen gut zwölf Prozent der Bevölkerung, knapp zehn Prozent sind Muslime. Christen machen gut sieben Prozent aus, zumeist sind es Katholiken. Die übrigen sind Anglikaner, Protestanten und Methodisten.
Sri Lankas bewegte Geschichte von Einwanderung und Kolonialismus durch Portugiesen, Niederländer und Briten hat dazu geführt, dass sich Ethnien, Religionen, Sprachen und Kulturen mischten. Religion und ethnische Zugehörigkeit sind auf der Tropeninsel zwar eng verbunden, aber überlappen sich nicht komplett. Die meisten Buddhisten sind Singhalesen, während die meisten Hindus und Christen Tamilen sind. Die meisten Muslime sind ethnische Malaien oder sogenannte Moors. Sie sprechen Singhalesisch oder Tamilisch, je nachdem, in welchem Teil der Insel sie leben.
Der 25 Jahre andauernde Bürgerkrieg, der die Nation tief spaltete, hatte ethnische und keine religiösen Wurzeln. Die Tamilen kämpften um einen unabhängigen Staat in Sri Lanka. Jahrzehntelang besetzten sie weite Teile des Nordens und Ostens der Insel, wo sie einen Parallelstaat bildeten. Die Kampflinie verlief zwischen den tamilischen Separatisten und den Singhalesen, die in Regierung und Armee in der Mehrheit sind. Doch sowohl die Christen als auch die Muslime gerieten immer wieder zwischen die Fronten des Konfliktes, in dem etwa 100.000 Menschen starben. Mindestens zehn Priester wurden getötet.
Die Kirche setzte sich für Versöhnung ein: Während des "Schwarzen Juli" von 1983, als anti-tamilische Pogrome und Unruhen die Insel erschütterten und Hunderte Tamilen getötet wurden, öffneten die Kirchen ihre Türen für Schutzsuchende. Auch die Muslime traf die Gewalt des Krieges. Die tamilischen Separatisten vertrieben einen großen Teil der Gemeinschaft im Norden und Osten des Landes.
Das Ende des Bürgerkriegs mit dem Sieg über die tamilischen Rebellen stärkte die Position der mehrheitlich buddhistischen Singhalesen - auf Kosten der ethnischen und religiösen Minderheiten. Muslime und Christen wurden ausgegrenzt, angegriffen und schikaniert, wobei die Angriffe auf Moscheen und Muslime weit schwerer waren. Im Jahr 2013 griff eine Menschenmenge eine Moschee in Colombo an. Bei mehrtägigen anti-muslimischen Ausschreitungen 2014 wurden mindestens 4 Menschen getötet und 80 verletzt.
Eine Gruppe von muslimischen Rohingya-Flüchtlingen musste 2017 in Colombo in Sicherheit gebracht werden, nachdem eine wütende Menge, angeführt von radikal-buddhistischen Mönchen, ihre Unterkunft gestürmt hatte. Auf Facebook hatten die Aufwiegler verkündet, die Flüchtlinge seien Terroristen, die einen buddhistischen Mönch getötet hätten. Anti-muslimische Ausschreitungen gab es zuletzt 2018, als in Ampara an der Ostküste Gerüchte kursierten, muslimische Restaurants würden Medikamente ins Essen mischen, um Singhalesen unfruchtbar zu machen. Moscheen und Geschäfte wurden angegriffen. Zwei Menschen starben.
All das bietet einen Nährboden für die Radikalisierung junger Muslime. Es scheint aber paradox, dass ausgerechnet Christen das Ziel ihrer Terroranschläge sind, die ebenfalls eine religiöse Minderheit darstellen und selbst Angriffen radikaler Buddhisten ausgesetzt sind. Erst vor einigen Wochen stürmte ein radikaler buddhistischer Mönch mit einigen Leuten einen Gottesdienst bei Colombo und schlug mit einem Palmenzweig auf den Pfarrer ein. Die Gruppe zerstörte Musikinstrumente der Kirche und verprügelte Betende.
Frankfurt a.M., Pretoria (epd). 25 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung sollten in Südafrika wieder Bücher verbrannt werden. Eine Jugendgruppe der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) plante die Verbrennung eines Buches über einen neuen Korruptionsskandal in der Partei. Die Bücherverbrennung wurde zwar abgesagt, bei einer Buchvorstellung in Johannesburg Anfang April wurden jedoch Exemplare öffentlich zerrissen, so dass die Veranstaltung vorzeitig beendet wurde.
Die Aufregung über das Buch "Gangster State" des Journalisten Pieter-Louis Myburgh zeugt nicht nur von Spannungen innerhalb der Regierungspartei, sondern auch von der aufgeheizten Stimmung im Land, wo 25 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen Frustration und Enttäuschung dominieren. Die Euphorie von damals hat sich bei vielen ins Gegenteil gekehrt.
Vom 26. bis 29. April 1994 fanden in Südafrika die ersten freien Wahlen statt. Nelson Mandela kündigte den Beginn einer neuen Epoche an und versprach eine Ära der Hoffnung, der Versöhnung und des Aufbaus einer Nation. Das Land habe die Zeit des Pessimismus, der Spaltung und des Konflikts hinter sich gelassen, sagte er. Das Apartheid-Regime hatte Tausende verbotener Bücher verbrennen lassen, unter anderem in Hochöfen.
Die Wahlen besiegelten das Ende des Regimes, das die schwarze Mehrheit jahrzehntelang unterjocht hatte. In ganz Südafrika bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Alte und Gebrechliche wurden von Angehörigen gestützt, einige sogar getragen. Viele Männer und Frauen hatten ihr ganzes Leben auf diesen Tag gewartet, vor allem die Schwarzen, die zum ersten Mal gleichberechtigt mit den Weißen wählen durften. Stundenlange Wartezeiten konnten sie nicht davon abhalten, ihre Stimme abzugeben.
Viele kamen mit Landsleuten ins Gespräch. "Sie erkannten auf einmal, dass sie alle Südafrikaner waren und sie waren stolz darauf", erinnert sich der emeritierte anglikanische Erzbischof Desmond Tutu in seinem Buch "The Rainbow People of God" (Die Regenbogen-Nation Gottes). Alle hätten sich wie frisch verliebt gefühlt, das ganze Land sei tagelang auf Wolke Sieben geschwebt.
Dabei war der Frieden damals höchst unsicher. Seit der Freilassung Mandelas 1990 waren bei politischen Unruhen und Anschlägen Tausende Menschen getötet worden. Kurz nach Öffnung der Wahllokale zündeten weiße Rechtsextremisten eine Bombe am Johannesburger Flughafen. Schon in den Tagen und Wochen zuvor hatten sie mehrere Anschläge verübt, um einen eigenen "Volksstaat" zu erzwingen. Es gab Tote und Verletzte.
Die friedliche, teils euphorische Stimmung der Wähler konnte jedoch weder durch die Angst vor Gewalt, noch durch erhebliche logistische Pannen getrübt werden. Vor allem in den ländlichen Gebieten der Schwarzen, den früheren Homelands, und den dicht besiedelten Townships am Rande der Städte fehlten zunächst Stimmzettel, Wahlurnen und Wahlkabinen. "Diese Wahl ist weit entfernt von Perfektion, aber noch viel weiter von einem Desaster", bilanzierte der sichtlich erschöpfte Leiter der Wahlkommission, Johann Kriegler.
Internationale Beobachter stimmten ihm zu, dass die erste demokratische Wahl im Großen und Ganzen fair und frei gewesen sei und das Ergebnis den Willen der Wähler widerspiegele. Wenige Tage später verkündete Mandela mit einem Freudentanz und den Worten "Endlich frei!" den Sieg des ANC, der rund 62 Prozent der Stimmen errungen hatte. In den Townships wurde daraufhin die ganze Nacht gefeiert.
25 Jahre später ist die Stimmung umgeschlagen. Wenn am 8. Mai ein neues Parlament und damit auch der Präsident gewählt wird, muss der ANC um seine Mehrheit kämpfen. Die einstige Befreiungsbewegung und Partei Mandelas wird von internen Streitigkeiten und Korruptionsvorwürfen erschüttert. Oppositionsführer Mmusi Maimane von der Demokratischen Allianz sprach gar von einer kriminellen Organisation, die sich für systematische Korruption und Verschwendung öffentlicher Gelder verantworten müsse.
Missmanagement durch die ANC-Regierungen seit 1994 wird auch für den Zustand der Wirtschaft verantwortlich gemacht. Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei weit über 20 Prozent, viele Menschen leben in Armut und in Teilen des Landes gibt es noch immer kein Stromnetz. Vor 25 Jahren überwog die Hoffnung, dies würde sich rasch ändern.
Frankfurt a.M., Khartum (epd). Im Sudan wollen sich Opposition und Militärjunta in einer Übergangsregierung die Macht teilen. Nach monatelangen Protesten der Zivilgesellschaft und einem Militärputsch einigten sich Vertreter beider Seiten am Samstagabend auf die Bildung eines gemeinsamen Übergangsrates, wie die Onlinezeitung "Sudan Tribune" am 28. April berichtete. Wer dem Rat angehören soll, ist allerdings noch umstritten, ebenso wie die Machtverteilung und das Schicksal des abgesetzten Langzeitherrschers Omar al-Baschir.
Mitte Dezember hatte die sudanesische Zivilgesellschaft, insbesondere die Mittelschicht, zunächst gegen steigende Brot- und Spritpreise protestiert. Die Demonstranten forderten jedoch bald den Rücktritt Al-Baschirs mit für den Sudan außergewöhnlichen Massenkundgebungen. Am 11. April stürzte die Armee den Präsidenten und ersetzte ihn durch einen Militärrat. Doch die Menschen forderten eine Zivilregierung und protestierten weiter.
Gespräche über die Bildung einer Übergangsregierung wurden nach einer Unterbrechung Mitte der Woche fortgesetzt. Vertreter des Militärs und der Koalition "Freiheit und Veränderung", der verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen angehören, einigten sich am 27. April auf die Bildung eines gemeinsamen Übergangsrats, der die Funktion eines Präsidenten erfüllen soll. Zudem sollen eine zivile Regierung und ein Parlament ernannt werden.
Ein Streitpunkt blieb jedoch zunächst die Machtverteilung im Übergangsrat. Medienberichten zufolge fordern die Demonstranten eine Mehrheit von acht Vertretern und sieben Militärs. Die Militärjunta dagegen will demnach einen kleineren Rat mit sieben Militär-Angehörigen und drei Zivilisten. Auch über die Regierungsperiode wurde noch keine Einigung erzielt. Das Militär will eine zwei-jährige Übergangszeit, die Zivilgesellschaft fordert vier Jahre. Die Gespräche wurden am 29. April fortgesetzt.
Auch der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) beschäftigt sich mit der Lage im Sudan. Der Sicherheitsrat der Organisation hatte der Militärjunta zunächst 15 Tage Zeit gegeben, um die Macht an eine zivile Regierung abzugeben. Ansonsten wird die Mitgliedschaft des Sudans ausgesetzt. Die Frist verstreicht am 30. April, der Rat will sie Beobachtern zufolge jedoch um drei Monate verlängern.
Oppositionsführer Sadik al-Mahdi forderte derweil, der abgesetzte Al-Baschir müsse an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert werden. Gegen Al-Baschir, der den Sudan 30 Jahre lang autoritär regierte, liegen Haftbefehle des Strafgerichtshofs wegen Völkermords und Kriegsverbrechen in der Krisenregion Darfur vor. Derzeit befindet er sich in einem Hochsicherheitsgefängnis in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.
Der Sudan ist kein Mitgliedsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs und verweigerte bisher eine Zusammenarbeit mit dem Gericht. Al-Mahdi forderte in Khartum, das Land müsse dem Strafgericht beitreten.
Frankfurt a.M., Accra (epd). Das westafrikanische Ghana hat einen Drohnen-Lieferdienst für dringende Medikamente und Blutkonserven gestartet. Das US-Unternehmen Zipline werde dafür zwölf Millionen US-Dollar (10,7 Millionen Euro) für die nächsten vier Jahre bekommen, berichtete der britische Sender BBC am 24. April. Laut der Firma sind bei vollem Betrieb im Mittel 150 Lieferungen pro Tag an mehr als 2.000 Gesundheitseinrichtungen möglich. Maximal könnten es 500 sein. Per SMS oder WhatsApp bestellt, soll die Medizin bereits in 30 Minuten eintreffen. In Ruanda betreibt Zipline bereits einen ähnlichen Lieferdienst.
Präsident Nana Akufo-Addo sprach von einem großen Schritt, um jedem Ghanaer Zugang zu lebensrettender Medizin zu verschaffen. Auch der Generaldirektor des nationalen Gesundheitssystems, Anthony Nsiah-Asare, knüpft an den computergesteuerten Transport auf dem Luftweg große Hoffnungen: "Ghana kann Geld sparen und Leben retten, indem es Drohnen für dringende Medikamentenlieferungen nutzt", sagte er laut dem Portal "GhanaWeb". Kritiker wenden dagegen ein, das Geld würde besser für Kliniken und Ambulanzen eingesetzt.
Berlin, London (epd). Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition haben in der syrischen Stadt Rakka nach Erkenntnissen von Menschenrechtlern mehr als 1.600 Zivilisten das Leben gekostet. Amnesty International und die Organisation Airwars stellten am 25. April in London eine Studie vor, nach der das Militärbündnis im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) Bomben zum Teil nicht zielgenau abwarf und zahlreiche Artillerieangriffe wahllos Zerstörung anrichteten. "Es ist nicht überraschend, dass dabei Hunderte Zivilisten getötet und verletzt wurden", sagte Donatella Rovera, Chefberaterin bei Amnesty International. Mehr als 11.000 Gebäude wurden den Angaben zufolge zerstört.
Den Erkenntnissen nach wurde beispielsweise am Abend des 25. September 2017 ein fünfstöckiges Wohnhaus getroffen. Im Keller hatten zu der Zeit vier Familien Zuflucht gesucht. Mindestens 32 Menschen, unter ihnen 20 Kinder, seien getötet worden. Eine Überlebende wurde zitiert mit den Worten: "Flugzeuge bombardierten und Raketen schlugen rund um die Uhr ein und IS-Scharfschützen waren überall. Man konnte kaum atmen." Sie habe alle verloren, die ihr wichtig waren, ihre vier Kinder, ihren Ehemann, die Mutter und die Schwester." Mit Blick auf die Militärkoalition fügte sie demnach hinzu: "War das Ziel nicht, die Zivilisten zu befreien?"
Innerhalb von knapp zwei Jahren haben die Menschenrechtler über Interviews, Satellitenbilder, Besuche vor Ort und Videoanalysen die direkten Folgen der US-, britischen und französischen Luftangriffe sowie der Artillerieangriffe der Koalitionstruppen untersucht, die von Juni bis Oktober 2017 die IS-Hochburg Rakka im Norden Syriens zurückerobert hatten. Bis dahin hatten die Dschihadisten beinahe vier Jahre in der Stadt geherrscht.
Die Menschenrechtsorganisationen fordern nun die beteiligten Staaten auf, uneingeschränkt aufzuklären, was in Rakka schiefgegangen sei. Denn bei vielen der dokumentierten Fälle könnte es sich um Menschenrechtsverstöße handeln. Die US-geführte Koalition müsse einen unabhängigen Mechanismus einführen, um künftig selbst möglichst zügig ermitteln zu können. Opfer und deren Familien müssten zudem entschädigt werden.
Frankfurt a.M., Cox's Bazar (epd). Die Erinnerung lässt Schmerz und Demütigung wieder aufleben: Wie Soldaten die Frauen und Mädchen zusammentrieben, um sie zu vergewaltigen. Wie Müttern vor den Augen ihrer Kinder die Kleider vom Leib gerissen wurden und sie ihre Töchter nicht vor der Gewalt schützen konnten. Diese und andere Gräuel schilderten Rohingya-Flüchtlinge, die vor Myanmars Armee nach Bangladesch flohen.
Das brutale Vorgehen wurde laut der UN-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, vom Militär befohlen, organisiert und verübt. Auch Grenzpolizisten und Milizen seien an Verbrechen wie Gruppenvergewaltigungen oder sexueller Versklavung beteiligt gewesen. Für diesen Dienstag hat die Bundesregierung den Schutz von Frauen in Konflikten auf die Agenda des UN-Sicherheitsrats gesetzt, in dem Deutschland momentan den Vorsitz hat.
Im April 2018 hatten die UN Myanmars Militär erstmals auf eine internationale Liste von Armeen und Milizen gesetzt, die für sexuelle Gräueltaten in bewaffneten Konflikten berüchtigt sind. Die Verbrechen an den muslimischen Rohingya machte seit der Massenflucht im August 2017 weltweit Schlagzeilen.
Über systematische sexuelle Gewalt gegen Angehörige anderer Minderheiten wird dagegen wenig berichtet. Dabei ist die Armee seit langem dafür berüchtigt, ähnlich brutal gegen Volksgruppen in Bundesstaaten wie Shan und Kachin vorzugehen. Dort kämpfen staatliche Truppen gegen bewaffnete Rebellen, während die Zivilisten die hauptsächlich Leidtragenden sind.
Schon zu Zeiten der Militärdiktatur in Myanmar, die formell 2011 endete, dokumentierten einheimische und internationale Menschenrechtsorganisationen, wie die Armee sexuelle Gewalt als "Kriegswaffe" einsetzte. Als eines der wichtigsten Dokumente gilt der 2002 veröffentlichte Bericht "License to Rape" (Lizenz zum Vergewaltigen). Darin listen die "Shan Menschenrechtsstiftung" und das "Aktionsnetzwerk der Shanfrauen" in 173 Fällen Vergewaltigungen und andere sexuelle Gewalttaten an 625 Frauen und Mädchen von 1996 bis 2001 auf. Diese Verbrechen dienten dazu, die lokale Bevölkerung zu terrorisieren und zu unterjochen, erklärte die Mitverfasserin Charm Tong.
Auch die Burmesische Frauenliga dokumentierte 2014 mehr als 100 Vergewaltigungen an Frauen und Mädchen innerhalb von knapp vier Jahren. Manche Opfer waren erst acht Jahre alt. Die meisten der genannten Verbrechen ereigneten sich im nördlichen Kachin-Staat und im Norden des benachbarten Shan-Staates. Fast die Hälfte seien Gruppenvergewaltigungen gewesen, 28 der Opfer seien danach ermordet worden oder an ihren Verletzungen gestorben. Zugleich gingen die Frauenrechtlerinnen davon aus, dass diese Zahlen nur einen Bruchteil der tatsächlich begangenen Verbrechen darstellten.
Angesichts der Tatsache, dass Militärs und andere Täter im früheren Birma fast ausnahmslos straffrei blieben, sind auch die Aktivistinnen der Frauenorganisation der Karen ernüchtert, die sich mit den verfolgten Rohingya solidarisierten. Ihre Kritik zielt zugleich auf Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die seit 2016 De-facto-Regierungschefin ist. Die Hoffnung, dass mit ihrer Regierung die Gewalt aufhöre, sei bislang vergebens.
Frankfurt a.M., Naypyidaw (epd). Die beiden in Myanmar inhaftierten Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, Wa Lone und Kyaw Soe Oo, müssen im Gefängnis bleiben. Der Oberste Gerichtshof des südostasiatischen Landes wies einen Antrag der Reporter auf Berufung ab, wie Reuters am 23. April mitteilte. Eine Begründung hätten die Richter nicht genannt. Die zwei Journalisten waren im September 2018 wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen zu jeweils sieben Jahren Haft verurteilt worden. International wurde das Verfahren scharf kritisiert.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von "einer schwerwiegenden Ungerechtigkeit und einem dunklen Tag für die Pressefreiheit in Myanmar". Der Fall zeige die Entschlossenheit der Behörden, jede unabhängige Berichterstattung über Gräueltaten des Militärs im westlichen Staat Rakhine zu verhindern, sagte der Amnesty-Chef für Ost- und Südostasien, Nicholas Bequelin. Wa Lone und Kyaw Soe Oo seien keine Einzelfälle, die Zahl politisch motivierter Festnahmen sei in den vergangenen Wochen in beunruhigendem Maße gestiegen. Bequelin rief die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf die myanmarische Regierung zu erhöhen.
Reuters-Justiziarin Gail Gove betonte, weder hätten Wa Lone und Kyaw Soe Oo ein Verbrechen begangen, noch gebe es Beweise dafür. Reuters werde alles tun, um die Reporter so schnell wie möglich freizubekommen.
Die Journalisten waren im Dezember 2017 bei Recherchen über ein Massaker an Angehörigen der muslimischen Rohingya-Volksgruppe verhaftet worden. Ihnen wurde vorgeworfen, Geheimdokumente und eine Karte von Rakhine bei sich gehabt zu haben. Von dort flohen wegen einer brutalen Militäroffensive Ende August 2017 mehr als 700.000 Rohingya nach Bangladesch.
Das Gesetz gegen Geheimnisverrat in Myanmar stammt noch aus der britischen Kolonialzeit. Im Prozess hatte ein Polizist ausgesagt, Wa Lone und Kyaw Soe Oo seien in eine Falle gelockt worden. Ein Vorgesetzter habe die Übergabe der Dokumente lanciert, um sie unter diesem Vorwand festzunehmen.
Erst kürzlich waren die beiden Journalisten neben weiteren Kollegen mit dem Pulitzer-Preis für internationale Berichterstattung geehrt worden. Zudem zeichnete die Unesco Wa Lone und Kyaw Soe Oo mit dem Guillermo-Cano-Preis für Pressefreiheit aus.
Genf (epd). In Malawi hat in einem Pilotprogramm die weltweit erste Impfkampagne zum Schutz gegen die tropische Fieberkrankheit Malaria begonnen. Kinder bis zum Alter von zwei Jahren sollen mit dem Medikament RTS,S geimpft werden, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 23. April in Genf mitteilte. Der Impfstoff sei nach 30 Jahren Forschung die erste Substanz, die das Malaria-Risiko bei Kindern deutlich senken könne. In klinischen Tests habe RTS,S vier von zehn Infektionen verhindert.
In den nächsten Wochen wird das Pilotprogramm auf Ghana und Kenia ausgeweitet. Der Impfstoff der britischen Firma GlaxoSmithKline könnte Zehntausende Kinder vor dem Tod durch Malaria bewahren, sagte der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Weltgesundheitsorganisation erhofft sich von der Erprobung in den drei Ländern wichtige Informationen über den Impfschutz gegen Malaria. GlaxoSmithKline stellt den Angaben nach für das Pilotprogramm bis zu zehn Millionen Dosen gratis zur Verfügung.
Malaria ist eine der gefährlichsten Krankheiten auf der Erde. Laut WHO werden pro Jahr mehr als 200 Millionen Fälle aus etwa 85 Ländern im südlichen Teil der Welt gemeldet. Jedes Jahr sterben rund 435.000 Menschen an Malaria, die meisten davon Kinder.
Typische Symptome der Malaria sind Fieberschübe, Krämpfe sowie Magen- und Darmbeschwerden. In schweren Fällen treten Hirnschäden oder Blutarmut (Anämie) auf. Ohne schnelle Behandlung verläuft die Krankheit oft tödlich. Die gefährlichste Form, die Malaria tropica, kann bei Babys in wenigen Stunden zum Tod führen.
Bei rechtzeitiger Diagnose und Medikamentengabe ist Malaria heilbar. Zur Behandlung empfehlen Mediziner Kombinationspräparate auf Grundlage des pflanzlichen Wirkstoffs Artemisinin. In vielen armen Ländern fehlt Erkrankten allerdings der Zugang zu der rettenden Behandlung. Und mancherorts treten erste Resistenzen auf.
Insgesamt verzeichnete der Kampf gegen Malaria in den vergangenen Jahren dennoch greifbare Erfolge: Laut WHO sank die Todesrate seit dem Jahr 2000 um mehr als 40 Prozent, in Afrika sogar um fast 50 Prozent.
Die Krankheit wird von Plasmodium-Parasiten ausgelöst, die durch Stiche der weiblichen Anopheles-Mücken übertragen werden. Mit Moskitonetzen, die mit Insektiziden behandelt sind, kann das Ansteckungsrisiko stark verringert werden.
New York/Genf (epd). Der UN-Sicherheitsrat hat auf Initiative Deutschlands eine Resolution gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten angenommen. Für den Entwurf stimmten am 23. April in New York 13 Staaten. Russland und China enthielten sich. Die Bundesregierung hatte den Text eingebracht, um wirksamer und schneller gegen Vergewaltigungen in Kriegen vorzugehen.
Die USA hatten zunächst mit einem Veto gegen die Resolution gedroht. Die US-Amerikaner wehrten sich gegen eine Passage über sexuelle und reproduktive Gesundheit, die auch Abtreibungen erwähnte. Die Passage wurde gestrichen.
Mit der Resolution werde sichergestellt, dass sexuelle Gewalt Konsequenzen habe für die Täter, auch in Form von Sanktionen, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Die Welt müsse die Strafverfolgung der Täter sicherstellen. Maas leitete die Sitzung, Deutschland hält im April die Präsidentschaft des Rates.
Der Bundesaußenminister betonte, dass die Opfer ins Zentrum der Aufmerksamkeit gehörten. "Die Resolution ruft deshalb alle UN-Mitgliedstaaten dazu auf, sie zu unterstützen, durch besseren Zugang zur Justiz, medizinische und psychologische Hilfe und Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft." Die Opfer müssten nach ihren schrecklichen Erfahrungen ein Leben in Würde führen können.
Die Resolution lenke zudem den Blick auf diejenigen Opfer von sexueller Gewalt, die nicht genug Aufmerksamkeit bekämen. Maas nannte Jungen und Männer, die geschlechtliche Gewalt erfahren mussten, sowie Mütter und ihre Kinder, die aus Vergewaltigungen hervorgegangen sind.
UN-Generalsekretär António Guterres beklagte, dass Vergewaltigung in vielen Krisenregionen der Welt eine Kriegstaktik sei. "Die meisten dieser Verbrechen werden niemals gemeldet, niemals untersucht und erst recht nicht vor Gericht gestellt", sagte Guterres. Bewaffnete Gruppen, auch Extremisten und Terroristen, setzten auf die Unterwerfung von Frauen und Mädchen - zum Beispiel durch Versklavung oder Zwangsheiraten.
Guterres rief die Regierungen aller Länder auf, mehr für den Schutz der Frauen in Kriegsgebieten zu tun. Wenn Frauen stärker in Politik, Wirtschaft, Sozialleben sowie bei Friedensmissionen und Gesprächen eingebunden würden, würden sie sicherstellen, dass das Thema auch mehr Gewicht bekomme. Die Vereinten Nationen verurteilten sexuelle Gewalt in Konflikten bereits in einigen Resolutionen. Sexuelle Gewalt wird vom Völkerrecht als Kriegsverbrechen eingestuft.
Als Redner eingeladen waren die Friedensnobelpreisträger Nadia Murad und Denis Mukwege. Mukwege forderte entschiedeneres Vorgehen gegen diese "barbarischen Akte". Nötig seien Warnmechanismen und schnelle Reaktionen, um diesen Verbrechen zu begegnen, betonte der kongolesische Arzt, der sich für vergewaltigte Frauen einsetzt.
Murad, die von Kämpfern der Terrormiliz "Islamischen Staat" (IS) als Sexsklavin gefangen gehalten worden war, forderte, dass die Täter, von denen viele noch in Freiheit seien, vor einem internationalen Gericht zur Verantwortung gezogen werden. UN-Ermittler stufen den "Islamischen Staat" als besonders grausam ein. IS-Fanatiker verschleppten und vergewaltigten in den vergangenen Jahren in Syrien und im Irak Tausende Frauen. Viele Opfer überlebten das Martyrium nicht.
Die Menschenrechtlerin Inas Miloud verwies auf die sexuelle Gewalt gegen Frauen in dem Konfliktland Libyen. Sie verlangte vom UN-Sicherheitsrat, sich mit Nachdruck für einen Waffenstillstand einzusetzen. Zudem dürften keine Waffen mehr nach Libyen geliefert werden.
Berlin, Seesen (epd). Bei der Abwehr von Wolfsübergriffen auf Weidetiere setzt der Naturschutzbund (NABU) auf einen besseren Herdenschutz. Der Umweltverband appellierte am 26. April an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), bei dem Thema nach dem Vorbild ihrer EU Kollegen eng zusammenzuarbeiten. Auf einem Hof im niedersächsischen Seesen will der NABU an diesem Sonnabend zudem praktische Herdenschutzmaßnahmen wie wolfsabweisende Zäune sowie den Einsatz von Herdenschutzhunden vorstellen.
Die EU habe kürzlich den Weg für umfassenden Herdenschutz frei gemacht, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller in Berlin. Nicht nur Investitions-, sondern auch Erhaltungs- und indirekte Kosten wie Tierarzthonorare könnten demnach zu 100 Prozent gefördert werden. In einem gemeinsamen Brief hätten EU-Umweltkommissar Karmenu Vella und Landwirtschaftskommissar Phil Hogan betont, dass eine Koexistenz von Mensch und Wolf in Europa nur gelinge, wenn Agrar- und Umweltministerium an einem Strang zögen.
Forderungen nach Bestandsregulierungen sowie Debatten zum günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation seien nicht zielführend, sagte Miller weiter. Die Weiden müssten mit entsprechenden Zäunen umgeben werden, Herdenschutzhunde zum Einsatz kommen und bei Schäden durch Wölfe müsse eine schnelle finanzielle Hilfe für Weidetierhalter greifen: "Wir brauchen mehr Tempo beim Herdenschutz. Guter Herdenschutz verringert Nutztierübergriffe und sorgt dafür, dass Wölfe sich erst gar nicht auf Nutztiere spezialisieren."
Halle (epd). Die Wolfspopulation in Sachsen-Anhalt wächst. Wie das Landesamt für Umweltschutz am 25. April in Halle mitteilte, wurden drei neue Wolfsrudel und ein neues Wolfspaar nachgewiesen. Ein neues Wolfsrudel lebe seit mindestens 2018 im Steckby-Lödderitzer Forst zwischen Aken und Barby. Das habe das Wolfskompetenzzentrum (WZI) anhand von DNA-Proben bereits im März nachweisen können.
Erste Hinweise auf Wölfe habe es in den angrenzenden Gebieten Mosigkauer und Kühnauer Heide bereits 2016 gegeben, teilte das Landesamt weiter mit. Seitdem wurde das Gebiet beobachtet. Mit Hilfe von Fotofallen und der DNA-Analyse wurden nun das männliche Elterntier sowie zwei ebenfalls männliche Welpen, geboren im Mai 2018, bestätigt. Ein weiteres Nachwuchstier wurde im Dezember tot aufgefunden, es starb vermutlich an einer Lungenentzündung.
Zwei weitere Rudel wurden den Angaben zufolge in der Altmärkischen Höhe und der Stresower Heide nachgewiesen. Ein weiteres Wolfspaar sei bei Tangerhütte unterwegs, diese beiden Tiere hätten bislang keinen Nachwuchs.
Ende 2019 wird der neue Monitoringbericht für 2018/2019 veröffentlicht, in den die neuen Erkenntnisse einfließen sollen. Eine genaue Zahl der aktuellen Rudel lässt sich noch nicht benennen, weil auch Tiere wieder abgewandert sein könnten. Der letzte Monitoringbericht für 2017/2018 ging noch von 92 Wölfen im Land aus und registrierte zwölf Rudel, eins davon war grenzübergreifend zu Brandenburg unterwegs. Hinzu kamen zwei Paare, die ebenfalls grenzübergreifend in Richtung Niedersachsen und Sachsen unterwegs waren. Seit 2008 sind die streng geschützten Wölfe in Sachsen-Anhalt wieder heimisch.
Die Behörde wies darauf hin, dass es sehr unwahrscheinlich sei, einem Wolf beim Spaziergang zu begegnen, da die Tiere dämmerungs- und nachtaktiv sind. Ein Zusammentreffen sei selten, aber generell möglich. Man sollte dann nicht auf den Wolf zugehen und dürfe ihn auf keinen Fall anlocken oder füttern. Hunde sollten in Wolfsgebieten grundsätzlich an der Leine gehalten werden.
Berlin (epd). Das Berliner Museum für Naturkunde will in den kommenden Monaten deutschlandweit Gesang, Brutstätten und Bedeutung der Nachtigall untersuchen. Dabei soll erforscht werden, ob Nachtigallen in Dialekten singen, welche Brutstätten sie bevorzugen und welche Sehnsüchte Menschen mit dem Gesang verbinden, wie das Museum am 23. April in Berlin mitteilte. Beteiligen können sich an diesem "Bürgerforschungsprojekt" alle Menschen, die die kostenfreie Smartphone-App "Naturblick" herunterladen.
Damit könnten mit einem Klick anonym oder mit Pseudonym Gesänge aufgezeichnet und mit automatischer Orts- und Zeitangabe mit der Datenbank des Projekts geteilt werden. "Anhand der Ortsangaben untersuchen die Forscherinnen des Teams dann, ob Nachtigallen anderswo auch wirklich anders singen als die Berliner Vögel, wo und in welchen Lebensräumen sich Nachtigallen in eher ländlichen Gebieten aufhalten und ob sie sich von Licht oder Lärm stören lassen", erklärte das Museum.
Hintergrund sind Untersuchungen in Berlin, wonach im vergangenen Frühjahr mehr als 1.100 Menschen die Liebeslieder der in der Hauptstadt vorkommenden Nachtigallen dokumentiert haben, hieß es. Dabei seien mehr als 2.000 neue Strophentypen zu dem bisher wissenschaftlich bekannten Gesangsrepertoire hinzu gekommen, das die Liebeslieder der Nachtigall-Männchen ausmacht.
Die Aufnahmen der Gesänge sollen im Rahmen des Forschungsvorhabens in den kommenden Monaten analysiert und auf regionale Unterschiede hin untersucht werden.
Begleitet wird das Projekt mit mehreren Veranstaltungen. Auftakt ist am Freitag mit der "NachtiGala" im Dinosauriersaal des Museums für Naturkunde. Am 10. Mai findet im Berliner Volkspark Friedrichshain das Event "Picknick & Poesie" statt. Von Ende April bis Anfang Juni wird es den Angaben zufolge zudem jeden Freitag und Samstag eine Mitternachts-Exkursion in einer Berliner Grünanlage geben.
Kamenz (epd). Im vergangenen Jahr wurden im Staatswald in Sachsen zwei Millionen Kubikmeter Holzeinschlagsmenge erfasst. Wie das Statistische Landesamt am 24. April in Kamenz mitteilte, wurde der Großteil mit 84 Prozent oder 1,7 Millionen Kubikmeter durch Schäden verursacht. Dies war mehr als das Neunfache des Durchschnittes von 183.500 Kubikmeter der vorangegangenen 20 Jahre. Hauptursache für den Schadholzanfall waren Schäden durch Wind und Sturm, insbesondere durch die Sturmtiefs "Friederike" und "Fabienne".
Der Holzeinschlag aufgrund von Insektenschäden lag bei 14 Prozent der Schadholzmenge, wie die Statistiker weiter mitteilten. Dies sei mit rund 235.500 Kubikmetern der höchste Wert der vergangenen 20 Jahre gewesen. Deutliche Unterschiede zeigten sich zwischen den einzelnen Holzarten. Der überwiegende Teil der Schadholzmenge entfiel mit 96 Prozent auf Nadelbäume, die gut zwei Drittel der sächsischen Waldfläche einnehmen.
Sachsen ist den Angaben zufolge zu 28 Prozent bewaldet. Damit zähle der Freistaat zu den waldärmeren Bundesländern. Der Holzeinschlag im sächsischen Privatwald, der etwa 45 Prozent der sächsischen Waldfläche umfasst, ist in der Auswertung zur Holzeinschlagsmenge nicht erfasst, so das Landesamt für Statistik.
Marburg (epd). Die Frauenrechtlerin Seyran Ates ist am 27. April in Marburg mit dem Lutherpreis "Das unerschrockene Wort" ausgezeichnet worden. "Der Einsatz für Freiheit und Demokratie ist auch in einem Land wie Deutschland leider nicht einfach und keine Selbstverständlichkeit", sagte die in Berlin lebende Anwältin in ihrer Dankesrede laut Redemanuskript. "Wenn ich mich beklage über einen politischen Islam, wenn ich mich fürchte vor rechtsradikalen Deutschen, dann aus denselben Gründen." Diese Extremisten hätten dieselben Wertvorstellungen, betonte die 56-Jährige.
Millionen von Menschen aus allen sozialen Schichten und allen Strömungen des Islam wünschten sich eine Modernisierung dieser Religion, sagte Ates weiter. Sie wünschten sich, befreit zu werden von Terroristen, Erdöl-Millionären und sogenannten Autoritäten, die den Islam für ihr patriarchales Herrschaftssystem und ihre Bankkonten missbrauchten.
Die Preisverleihung in der Lutherischen Pfarrkirche fand unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt. "Für mich ist das Realität seit 13 Jahren", sagte Ates vor der Festveranstaltung. Seit 2006 stehe sie unter Polizeischutz. Zeitweilig musste sie ihre Kanzlei schließen und ihre Arbeit einstellen. Doch habe "in diesem freien Land" der Staat gesagt, dass das nicht in Ordnung sei. "Das macht am Ende ein freies Land aus." Seit der Eröffnung der von ihr initiierten Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin sei die Gefährdung nochmals gestiegen.
Grund der Angriffe sei, dass sie als Frau in eine Männerdomäne eingetreten sei. "Das sind Dinge, die bestimmte Menschen nicht mögen." Ihre Gegner rege am meisten auf, dass in der Moschee Männer und Frauen gemeinsam und dass Frauen mit und ohne Kopftuch beteten. Frauen könnten das Gebet leiten. Außerdem setze sich die Moschee für Homosexuelle ein. Jeden Freitag rufe eine Frau - mit Kopftuch - zum Gebet.
Es sei der Charakter des Lutherpreises, alles sagen und denken zu können, ohne gefährdet zu sein, sagte Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD). "Dass diese Freiheit nicht selbstverständlich ist, wird uns an Frau Ates bewusst."
Im Andenken an das Wirken Martin Luthers wird "Das unerschrockene Wort" seit 1996 alle zwei Jahre in einer der Lutherstädte vergeben. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Im Bund der Lutherstädte sind 16 Orte in Deutschland zusammengeschlossen, an denen Luther gelebt oder gewirkt hat. Sie würdigen Personen, die Zivilcourage zeigen und sich mit Wort, Tat und Mut gegen Widerstände für die Gesellschaft einsetzen.
Frankfurt a.M., Hamburg (epd). Der TV-Sender Arte darf seine Dokumentation "Gottes missbrauchte Dienerinnen" nach einer einstweiligen Verfügung des Hamburger Landgerichts vorerst nicht mehr zeigen. Das bestätigte der Pressesprecher des Gerichts, Kai Wantzen, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 24. April in Hamburg. In dem Film, der Anfang März ausgestrahlt wurde, geht es um Missbrauch an Nonnen innerhalb der Kirche, vor allem in Frankreich und Afrika. Ein Priester, der in der Doku zu sehen ist, fühlte sich nach Angaben des Gerichts in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und erwirkte am 20. März die einstweilige Verfügung. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst über den Fall berichtet.
Arte hat die Dokumentation aus seiner Mediathek entfernt. Der deutsch-französische Sender mit Sitz in Straßburg will sich jedoch gegen die Verfügung wehren. "Arte hält die Entscheidung aus formalen wie aus sachlichen Gründen für falsch und hat sich daher entschlossen, Widerspruch einzulegen", sagte Sprecherin Claude Savin der Zeitung.
Die Dokumentation war am Abend des 5. März zur besten Sendezeit gelaufen. Sie erreichte in Frankreich einen Marktanteil von 6,6 Prozent; insgesamt hatten damit im Nachbarland dreimal so viele Zuschauer wie sonst eingeschaltet. In Deutschland lag der Marktanteil bei 2,2 Prozent, was doppelt so hoch wie der Durchschnitt ist.
Den Berichten der Ordensfrauen zufolge, die in der Dokumentation von Eric Quintin und Jean Marie Raimbault zu Wort kommen, machten Priester als geistliche Begleiter und Beichtväter die Frauen häufig seelisch von sich abhängig, bevor sie sexuelle Gewalt ausübten. Nonnen, die schwanger wurden, drohte demnach der Ausschluss aus ihrer Gemeinschaft. Sie wurden zur Abtreibung gezwungen. Kirchenoberen wurde vorgeworfen, die Täter zu schützen.
Papst Franziskus hatte Anfang Februar erstmals sexuelle Gewalt gegen Nonnen eingeräumt. Dies sei keine Sache der Vergangenheit, sagte der Papst. Er glaube, dass es immer noch getan werde.
Frankfurt a.M. (epd). ARD und ZDF haben vor der Bundestagswahl 2017 laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung thematisch überwiegend ausgeglichen berichtet. In 56 untersuchten politischen TV-Sendungen habe insgesamt der Bereich "Arbeit/Familien/Soziales" mit 15 Prozent an erster Stelle gelegen, gefolgt von "Migration" mit knapp zwölf und "Außenpolitik" mit elf Prozent, wie die gewerkschaftsnahe Stiftung am 23. April in Frankfurt am Main mitteilte. In den fünf meistgesehen Sendungen sei das Thema Migration aber deutlich stärker gewichtet gewesen. Ausgangspunkt für die Studie war die nach der Wahl mehrfach geäußerte Kritik, die öffentlich-rechtlichen Sender hätten übermäßig über die Themen Flüchtlinge und Islam berichtet und damit die AfD stark gemacht.
Die Analyse der 56 Sendungen ergebe "eine insgesamt eher ausgeglichene Themenverteilung, bei der das Thema 'Migration' im Vergleich zu klassischen Bereichen wie 'Außenpolitik', 'Arbeit/Familie/Soziales' oder 'innere Sicherheit' nicht übermäßig dominant erscheint", hieß es in der Brenner-Studie. In den fünf am meisten gesehenen TV-Sendungen allerdings habe das Migrationsthema einen Anteil von mehr als 20 Prozent an der Gesamtsendezeit gehabt.
In dem Fernsehduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD), das neben ARD und ZDF auch von RTL und Sat.1 redaktionell verantwortet wurde, betrug der Anteil sogar 34 Prozent, wie die Autoren erklärten. Die Bereiche "Arbeit/Familie/Soziales", "Steuern/Finanzen" und "Wirtschaft/Verkehr/Bau" kamen in dem TV-Duell, das hohe Einschaltquoten erreichte, zusammen kaum auf 15 Prozent. Es sei nicht auszuschließen, dass diese von vielen Zuschauern gesehenen Sendungen auch das Meinungsbild über die Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Sender besonders geprägt hätten, hieß es in der Studie mit dem Titel "Agenda-Setting bei ARD und ZDF?".
In Talkshows hingegen habe das Thema Migration entgegen häufig geäußerter Kritik mit rund neun Prozent abgeschlagen auf Platz sechs rangiert und damit weit hinter der Außenpolitik (22 Prozent). Im vergangenen Jahr hatte unter anderen der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, ARD und ZDF vorgeworfen, sie hätten seit 2015 in mehr als 100 Talkshows über die Themen Flüchtlinge und Islam informiert und damit dazu beigetragen, "die AfD bundestagsfähig zu machen". Er forderte eine einjährige Pause für die Sendungen. ARD-Chefredakteur Rainald Becker und sein ZDF-Kollege Peter Frey wiesen die Kritik zurück.
Zimmermann begrüßte am Dienstag die Studie der Leipziger Medienwissenschaftler Marc Liesching und Gabriele Hooffacker für die Brenner-Stiftung. Die Erhebung bestätige "unsere grundsätzliche Kritik bei den fünf meistgesehenen Sendungen im Untersuchungszeitraum", erklärte er. Die Tendenz sei eindeutig. Leider hätten die Wissenschaftler aber nur einen Monat vor der Wahl untersucht, seine Kritik habe sich aber auf die Themensetzung speziell der Talkshows von ARD und ZDF seit 2015 bezogen.
Karlsruhe (epd). Die NPD ist auch vor der höchsten gerichtlichen Instanz mit ihrem Versuch gescheitert, ihre Wahlwerbung im ZDF durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte am 27. April einen entsprechenden Eilantrag der Partei als unbegründet ab. Die Entscheidungen der vorherigen Instanzen lägen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen, erklärten die Verfassungsrichter (AZ.: 1 BvQ 36/19). Damit muss das ZDF einen Wahlwerbespot der NPD am 29. April nicht zeigen.
Der Mainzer Sender hatte argumentiert, der Wahlspot zur Europawahl erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung. Dem waren sowohl das Verwaltungsgericht Mainz als auch das Oberverwaltungsgericht in Koblenz gefolgt. Die Richter am Bundesverfassungsgericht lehnten eine Verfassungsbeschwerde der NPD gegen diese Entscheidungen ab. Ein Eingreifen der Gerichte in die Meinungsfreiheit der NPD sei nicht erkennbar, erklärten die Verfassungsrichter.
Die Wahlwerbung der Partei beschäftigt auch weitere Gerichte, unter anderem in Köln und Münster, wie der Rechtsanwalt der NPD, Peter Richter, dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Neben den Fernsehbeiträgen gehe es auch um Radiospots mit identischem Inhalt.
Mit dem Thema setzt sich auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auseinander, der für die ARD Wahlwerbespots juristisch prüft. Der Sender habe den Beitrag am 25. April zurückgewiesen, da er gegen das Verbot der Volksverhetzung verstoße, sagte Sprecher Justus Demmer dem epd.
Der öffentlich-rechtliche und private Rundfunk ist im Rahmen der politischen Meinungsbildung zur Ausstrahlung von Wahlwerbung verpflichtet. Die Sender müssen den Parteien eine "angemessene Sendezeit" einräumen. Wahlwerbesendungen müssen zudem ausdrücklich als solche gekennzeichnet werden. Fernsehsender versehen Wahlwerbespots normalerweise mit den Hinweis, dass für den Inhalt die jeweilige Partei verantwortlich ist. Die Fernsehsender dürfen einen Spot nur ablehnen, wenn er eindeutig keine Wahlwerbung darstellt oder offensichtlich gegen allgemeine Gesetze, insbesondere Strafvorschriften, verstößt.
Mainz (epd). Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel hat kein Rückkehrrecht zu seinem ehemaligen Arbeitgeber ZDF. Dies sei das Ergebnis einer externen juristischen Expertise, sagte ZDF-Sprecher Alexander Stock am 24. April dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Sender revidiert damit seine zuvor vertretene Rechtsauffassung, an der öffentliche Kritik geübt worden war. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hatte in einem epd-Gespräch gesagt, er sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass Grindel jetzt noch ein gesetzlich geregeltes Rückkehrrecht zum ZDF hätte.
Grindel war am 2. April nach Korruptionsvorwürfen vom Amt des DFB-Chefs zurückgetreten. Er war von 1992 bis 2002 als Journalist beim ZDF beschäftigt, danach saß er bis 2016 für die CDU im Bundestag. Im April 2016 wurde Grindel zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewählt.
Das ZDF hatte kurz nach Grindels Rücktritt erklärt, dass der 57-Jährige "aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft im Bundestag" ein im Abgeordnetengesetz geregeltes Rückkehrrecht habe. Dieses bestehe für Parlamentarier auch dann fort, "wenn sie nach ihrer Abgeordnetentätigkeit andere Aufgaben wahrnehmen".
Der Staatsrechtler von Arnim hatte diese Auffassung in Zweifel gezogen. Die im Gesetz genannten drei Monate, in denen nach Beendigung des Mandats ein Antrag auf Rückkehr gestellt werden muss, seien nach seiner Auffassung eine Ausschlussfrist, "von der es keine Ausnahmen gibt", sagte er dem epd. Der 79-Jährige Juraprofessor gilt als einer der renommiertesten deutschen Rechtswissenschaftler. Er lehrt als Emeritus weiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer.
Das Abgeordnetengesetz regelt unter anderem die "Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines in den Bundestag gewählten Beamten". Sinngemäß gelten die Vorschriften auch für Angestellte von Anstalten des öffentlichen Rechts. Im Gesetz heißt es: "Der Beamte ist auf seinen Antrag, der binnen drei Monaten seit der Beendigung der Mitgliedschaft zu stellen ist, spätestens drei Monate nach Antragstellung wieder in das frühere Dienstverhältnis zurückzuführen." Stelle der Beamte nicht binnen drei Monaten seit der Beendigung der Mitgliedschaft im Bundestag einen entsprechenden Antrag, so ruhten die Rechte und Pflichten "weiter bis zum Eintritt oder bis zur Versetzung in den Ruhestand".
Grindel war am 10. April auch von seinen internationalen Ämtern bei den Fußballverbänden Uefa und Fifa zurückgetreten. Ein arbeitsvertraglich eingeräumtes Rückkehrrecht zum ZDF besteht nach Angaben des Senders nicht.
Berlin (epd). Unter dem Namen "rbbKultur" will der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ab dem 6. Mai sein kulturelles Angebot auch multimedial verbreiten. Mit der neuen Marke schaffe der Sender "einen verlässlichen Anlaufpunkt für alle, die sich für Kultur, Bildung und Wissenschaft aus Berlin und Brandenburg interessieren: im Fernsehen, bei rbbkultur im Radio und alles gebündelt online auf rbbkultur.de", erklärte Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus am 25. April in Berlin. Zuvor hatte der RBB bereits mit dem Informationsangebot rbb24 einen Verbreitungsweg auch im Netz geschaffen.
Herzstück von "rbbKultur" sind den Angaben zufolge das Kulturradio, das seinen Namen in rbbKultur ändert, das gleichnamige TV-Magazin, die Website "rbbkultur.de" sowie eine neue App. Im Online-Angebot fänden die Angebote aus Radio und Fernsehen zusammen, hieß es. Kulturinteressierte fänden hier vielfältige Themendossiers, Rezensionen und Empfehlungen zu aktuellen Kulturereignissen in der Region.
"rbbkultur.de" verstehe sich als Angebot, mit dem der Sender auch jüngere Zielgruppen für die Kulturinhalte gewinnen wolle, sagte der Leiter des Kulturangebotes, Stephan Abarbanell. In der Region sei "rbbkultur.de" eine "einzigartige Plattform".
Ein bundesweites digitales Kulturangebot hatte Mitte Februar das ZDF gestartet. Auf "zdfkultur.de" macht der Sender Kulturinhalte in seiner Mediathek zugänglich und ist selbst als Kulturproduzent tätig - mit 35 Kulturpartnern aus allen Bundesländern.
Berlin (epd). Die Berliner Architekten Jan und Tim Edler arbeiten an einer künstlerischen Dramaturgie der Energiewende, konkret des Ausstiegs aus Atom- und Kohlekraft. Ihre Vision: In den letzten Jahren vor ihrer Abschaltung sollen Deutschlands Kraftwerke riesige und weithin sichtbare Dampfringe als Symbol der Transformation ausstoßen. "Fazit" nennen sie ihr Projekt, das - 33 Jahre nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl - seit 27. April in der gleichnamigen Ausstellung in der Berlinischen Galerie illustriert und erläutert wird.
Für die Gründer des Studios "realities:united" ist die Energiewende nicht nur ein wirtschaftliches und technisches Thema. Kraftwerke und die mit ihnen verbundenen Industrien seien in vielen Regionen - etwa der Lausitz und dem Rheinland - identitätsstiftend, sagte Tim Edler am Freitag bei der Vorstellung des Langzeitprojektes. Insofern sei der Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft auch ein "gigantisches kulturelles Projekt".
Technisch könnte die von den Künstlern geplante "Abschiedsperformance" von 34 infrage kommenden deutschen Kraftwerken so ablaufen: Eine an elastischen Kabeln abgespannte offene Membran wird während der regelmäßigen Wartungsarbeiten in einem begrenzten Bereich des Kühlturms montiert. Diese einfache Apparatur soll vertikal nach oben schnellen, sich schließen und den umgebenden Dampf mit nach oben katapultieren. So werden statt diffuser Dampfschwaden über dem Kühlturm stabile und langlebige Dampfringe geformt.
Die Ausstellung erläutert diesen bereits im 18. Jahrhundert von Daniel Bernoulli entdeckten, physikalischen Effekt. Eine riesige Plakatwand stellt dar, wie die Kühltürme mit den Dampfringen aussehen könnten. Zwei wandhohe Schautafeln zeigen zudem auf, wo in Deutschland Kernenergie-, Braunkohle-, Steinkohle- und Erdgaskraftwerke stehen, welche Leistung sie erzeugen, und wo die Abschaltung erwartet, beschlossen oder schon erfolgt ist.
Für eine Video- und Soundinstallation besuchten die Künstler das Berliner Heizkraftwerk Reuter West in Siemensstadt und geben Einblick in das Innere eines Kühlturms - "eine gigantische Regenanlage", wie Tim Edler sagt. In der Ausstellung einsehbar sind auch die politischen Richtlinien, die den Anstoß zu "Fazit" gaben: das Atomgesetz, das festschreibt, dass der Betrieb von Kernkraftwerken in Deutschland bis zum Jahr 2022 eingestellt wird. Und der Abschlussbericht der Kohlekommission, die ein Ende der Kohlestromversorgung spätestens bis 2038 empfiehlt.
Der Direktor der Berlinischen Galerie, Thomas Köhler, betonte, ein Museum sei auch "ein politischer Ort", der solche Themen aufgreifen müsse. "Fazit" sei daher eigentlich ein Auftakt und werde ergänzt durch eine Veranstaltungsreihe, die nicht komplementär, sondern gleichwertig sei.
Viele Fragen sind auch für die Architekten noch offen: Bisher gebe es den "Grundlagennachweis", dass die Erzeugung der Dampfringe funktioniere, sagte Jan Edler. Nun gehe es darum, "zum Einbau in die Kühltürme zu dürfen". Das heißt konkret: in Gesprächen mit Energieversorgungsunternehmen "viel Überzeugungsarbeit" leisten.
"Das Projekt ist als Vorschlag gemeint", sagte Tim Edler. Als offene Frage, ob eine kulturelle und künstlerische Begleitung der Energiewende machbar und erwünscht sei. Angestoßen werden solle eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Sollten die Pläne von "realities:united" umgesetzt werden, erfordere dies die Beteiligung von Politik und Energiewirtschaft.
Ihre "Rauchzeichen" entwickelten die Edler-Brüder, die auch Initiatoren von Flussbad Berlin, einem Projekt zur gemeinschaftlichen Nutzung des Spreekanals in Berlin-Mitte sind, übrigens schon für ein anderes Projekt: den Neubau eines Müllverbrennungskraftwerks in Kopenhagen. 2013 fiel die Entscheidung gegen die Umsetzung der Kunstinstallation. Die "Schönheit der Ringe" habe sie jedoch bis heute nicht losgelassen, betonte Jan Edler.
Magdeburg (epd). Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste hat rund zwei Millionen Euro für die Provenienzforschung bewilligt. Das Geld soll 20 Projekten zugutekommen, teilte die Einrichtung am 24. April in Magdeburg mit. Die Anträge stammten von Museen, wissenschaftlichen Institutionen, Archiven und einer Privatperson, die die Fördermittel für die dezentrale Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut einsetzen können. Die Projekte hätten Leuchtturmcharakter und seien von ungemeiner Bedeutung für die Provenienzforschung, sagte Gilbert Lupfer, wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste.
Erstmals widmet sich mit der Stiftung Deutsches Optisches Museum Jena ein wissenschaftlich-technisches Museum in privatrechtlicher Trägerschaft der Erforschung seines Sammlungsbestandes auf NS-Raubgut, wie das Zentrum mitteilte. Zudem werden mit der Erschließung des Firmenarchivs Hauswedell & Nolte Transaktionsdaten eines bedeutenden Buch-, Autographen- und Kunst-Auktionshauses durch das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung künftig für die Recherche zur Verfügung stehen.
In Projekten des Kunsthistorischen Instituts der Freien Universität Berlin und der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden arbeiten öffentliche Einrichtungen mit Nachfahren der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zusammen. So sollen die Sammlungen zweier bedeutender jüdischer Unternehmer und Kunstsammler, Abraham Adelsberger und Gustav von Klemperer, rekonstruiert werden.
Seit Beginn der von Bund und Ländern ermöglichten Förderung von Projekten zur Provenienzforschung im Jahr 2008 haben die bis jetzt geförderten Einrichtungen den Angaben zufolge rund 29,81 Millionen Euro erhalten. In diesen Institutionen konnten damit bis heute insgesamt 312 Projekte realisiert werden.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ist der zentrale Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßiger Entziehungen von Kulturgut im 19. und 20. Jahrhundert, das sich heute in Sammlungen deutscher kulturgutbewahrender Einrichtungen befindet. Das Zentrum fördert die Provenienzforschung und dokumentiert Kulturgutverluste in der öffentlich zugänglichen Datenbank "Lost Art".
Wermsdorf (epd). Sachsens größtes Rokoko-Schloss Hubertusburg in Wermsdorf (Landkreis Nordsachsen) hat erstmals seit sechs Jahren wieder seine Tore für Besucher geöffnert. In einer Doppelausstellung mit mehr als 100 Kunstwerken und einer 360-Grad-Videoinstallation wird seit 28. April zur Wiederentdeckung des "verlorenen sächsischen Rokoko" eingeladen, wie die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) erklärten. Die Ausstellungen sind bis zum 6. Oktober zu sehen.
Die SKD-Ausstellung "Friedrich August und Maria Josepha" thematisiert die Hochzeit des sächsischen Kurprinzen mit der österreichischen Kaisertochter im Jahr 1719. Die prunkvolle, einmonatige Hochzeitsfeier sei die größte in der sächsischen Geschichte gewesen. Die Ausstellung führt den Besucher mit mehr als 100 Kunstwerken und Zeitdokumenten des sächsischen Rokoko in den höfischen Alltag des Paares. Zu sehen sind unter anderem prächtiges Silber und Porzellan, eine bemalte königliche Sänfte, Musikinstrumente, Kostüme und Jagdgegenstände.
Die zweite Ausstellung unter dem Titel "Es war die Hochzeit des Jahrhunderts" widmet sich der Geschichte des Gebäudes selbst, das den Angaben nach zu den größten Jagdschlössern Europas gehört. Dazu werden auch die noch unsanierten Räume des Schlosses bespielt. Über eine 360-Grad-Bildschirmpräsentation wird der einst prächtige Hubertussaal wieder sichtbar gemacht. Die verlorene Pracht des 18. Jahrhunderts und des sächsischen Rokokos seien dank der aufwendigen digitalen Animation wieder zu erahnen, hieß es. Die Ausstellung wird von der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH gestaltet.
Magdeburg (epd). Unter dem Titel "Gäste im Dom" wird ab 30. April eine Ausstellung mit Collagen von Martin Hoffmann im Magdeburger Dom gezeigt. Zur Ausstellungseröffnung am 30. April um 18 Uhr gibt es eine Gesprächsrunde über die ökumenische Versammlung vor 30 Jahren in der Dresdner Kreuzkirche, wie ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 23. April in Magdeburg mitteilte. Die ökumenische Versammlung, die am 30. April 1989 endete, wurde zur Ermutigung und zu einer Stichwortgeberin in der frühen Phase der friedlichen Revolution 1989.
Hans-Joachim Döring vom Lothar-Kreyssig-Ökumene-Zentrum der EKM sagte mit Blick auf die Ausstellung: "Martin Hoffmann stellt seine Kollagen vom Alltag in der DDR aus und vor. Sie folgen dem Tageslauf: morgens, mittags, abends. Die Gleichzeitigkeit des Privaten und Öffentlichen verdeutlicht die große Palette der Alltagssituationen. Die normalen, alltäglichen Situationen erscheinen in anderer Zusammenstellung mal zufällig, mal tragisch, mal komisch."
Die Ausstellung im Dom ist nach der Eröffnung bis zum 30. Mai täglich von 10 bis 18 Uhr zu besichtigen. Es handelt sich um eine Kooperationsveranstaltung der Evangelischen Domgemeinde zu Magdeburg, des Lothar-Kreyssig-Ökumene-Zentrums und der Evangelischen Erwachsenenbildung Sachsen-Anhalt.
Martin Hoffmann ist seit 1975 als freischaffender Maler und Grafiker in Berlin und seit 2008 auch in Hamburg tätig. Im Herbst 1981 war er einer der Mitgründer und später der aktiven Teilnehmer des Pankower Friedenskreises. Im Januar 1990 gehörte er zu den Initiatoren beim Aufbau der Arbeit von Amnesty International in der DDR und anschließend in den östlichen Bundesländern. Hoffmann gestaltete bereits in der DDR und auch nach 1990 mehrere Bücher von Christa Wolf sowie nach 1997 zahlreiche Ausstellungen.
Brandenburg an der Havel (epd). Das Domstift zu Brandenburg an der Havel widmet seinem jahrhundertealten Forst eine eigene Ausstellung. Unter dem Titel "Wald im Dom - 700 Jahre Domstiftsforst Seelensdorf" werde die Geschichte des Waldes und seiner Bedeutung für Wirtschaft, Kultur und Freizeit zum Thema gemacht, teilte das evangelische Domstift in Brandenburg an der Havel mit. Da man den Wald "leider nicht in den Dom holen" könne, bediene sich die Ausstellung einer besonderen Inszenierung und lasse das mittelalterliche Gewölbe des ersten Ausstellungsraumes "zum lichten Blätterdach werden", dessen Blattwerk sich mit den Jahreszeiten verändere. Die Ausstellung wird am 9. Mai eröffnet und ist bis zum 10. November zu sehen.
Der Domstiftsforst zähle zur unverzichtbaren Lebensgrundlage des Doms, seit der Brandenburger Bischof Johann von Tuchern vor rund 700 Jahren die Gemarkung Seelensdorf gekauft habe, hieß es. Seitdem sei der Wald nicht nur Materiallieferant und Existenzgrundlage des Doms geblieben, sondern diene inzwischen auch als Begräbnisstätte und Ort der Freizeitgestaltung.
Wieviel Wald im Dom stecke, lasse sich erahnen, wenn man die wuchtigen Balken im Dachstuhl betrachte, hieß es weiter. Bevor ein Baum zum Dachbalken verarbeitet werden kann, müsse er 300 Jahre wachsen. Weniger offensichtlich sei, wieviel Brennmaterial zur Backsteinherstellung nötig gewesen sei. So seien Dokumenten aus Süddeutschland zufolge einst rund 15 Kubikmeter Holz benötigt worden, um 1.000 Steine herzustellen. Mit einem Hektar Wald hätten so 48.000 Steine erzielt werden können.
Die Ausstellung erzähle auch von den Menschen, die über die Jahrhunderte mit dem Forst Seelensdorf in Verbindung standen, hieß es weiter. Ihre Geschichten unter anderem von Holzknechten, Wilddieben, Tagelöhnern und Gutsherren seien in den Akten des Domstiftsarchivs überliefert und würden nun dank moderner Technik in der Ausstellung wieder lebendig und sichtbar.
Früher habe der Wald als gefährlicher Ort gegolten und Menschen seien nicht auf die Idee gekommen, nur zum Zeitvertreib in den Wald zu gehen, hieß es weiter. Zu den "schaurigen Ecken" im Seelensdorfer Forst gehöre das "Teufelsbruch", das als Wohnort des Teufels und seiner Gesellen angesehen worden sei. Im inzwischen versandeten "Jungfernloch" sollen sich unglückliche Mädchen ertränkt haben, die unverheiratet schwanger waren und soziale Ausgrenzung befürchteten. Auf die jüngere Geschichte verwiesen die "Grünbaumdouglasien", die an Kurator Kurt Grünbaum erinnern, der einst Douglasiensamen für den Forst über die innerdeutsche Grenze in die DDR geschmuggelt habe.
Berlin (epd). Der Berliner Martin-Gropius-Bau zeigt seit 25. April eine Fotoausstellung zur afroamerikanischen Identität. Unter dem Titel "The Black Image Corporation" werden in den nächsten drei Monaten unter anderem zehn großformatige Abzüge und mehr als 110 Fotos präsentiert, auf denen meist dunkelhäutige Frauen, Schauspielerinnen und Models sowie andere Protagonisten der Community abgebildet sind, wie der Gropius Bau in Berlin mitteilte. In der "kraftvollen Bildsprache" stehe die "Schönheit und Black Femal Power" im Mittelpunkt, hieß es weiter. Konzipiert wurde die Ausstellung vom US-amerikanischen Konzeptkünstler Theaster Gates.
Gezeigt werden vor allem Arbeiten der beiden US-amerikanischen Pressefotografen Moneta Sleet Jr. (1926-1996) sowie Isaac Sutton (1923-1995). Sleet erhielt 1969 als erster Afroamerikaner den Pulitzerpreis. Er fotografierte unter anderem den jungen Muhammad Ali, Stevie Wonder, Billie Holiday sowie zahlreiche Persönlichkeiten der Bürgerrechtsbewegung wie Martin Luther King Jr. und Malcom X.. Sutton war ein renommierter Modefotograf in Los Angeles.
Die Ausstellung basiert den Angaben zufolge auf dem mehrere Millionen Fotos umfassenden Archiv der Johnson Publishing Company. Mit den Zeitschriften "Ebony" und "Jet" habe der Verlag maßgeblich zur Gestaltung der ästhetischen und kulturellen Sprache der gegenwärtigen afroamerikanischen Identität beigetragen, hieß es weiter. Beide Magazine hätten es sich zur Aufgabe gemacht, positive Alltagsereignisse zu würdigen und die komplexen Realitäten von Afroamerikanern in der Nachkriegszeit abzubilden. "Ebony" und "Jet" seien damit zu zwei der wichtigsten Plattformen für die Darstellung und die Auseinandersetzung mit Themen aus der Perspektive dunkelhäutiger Menschen geworden.
Washington (epd). Wer Pete Seeger (1919-2014) besuchen wollte, musste eine steile Fahrt auf ungeteertem Waldweg unternehmen, hinauf Richtung Mount Beacon, einen Berg rund 100 Kilometer nördlich von New York City. Der Folksänger und seine Ehefrau, Managerin und Mitstreiterin Toshi Seeger hatten sich dort Ende der 40er Jahre ein Häuschen gebaut mit spektakulärem Blick auf den Hudson-Fluss. Doch Luxus sieht anders aus: Noch in seinen 90ern schwang der hochgewachsene, hagere Musiker gelegentlich selbst die Axt fürs Brennholz.
Er habe "Hoffnung für die Menschheit", antwortete Seeger wenige Monate vor seinem Tod im Januar 2014 auf die Frage, warum er noch immer singe und politisch aktiv sei. Seeger, geboren am 3. Mai vor 100 Jahren, war ein Mann mit festem Händedruck. Erst im hohen Alter wurde sein Tenor brüchig.
Das politisches Engagement hat ihn sein Leben lang begleitet, Lieder wie "Sag mir, wo die Blumen sind", "We Shall Overcome", "If I had a hammer" waren Hymnen der Friedens- und Protestbewegung. Noch im Oktober 2011 zog der alte Mann, rote Strickmütze auf dem Kopf, in jeder Hand einen Gehstock, singend mit der Occupy-Bewegung durch Manhattan.
Seeger sei "eingetreten für das, was richtig war", würdigte ihn Barack Obama, er habe die Nation "näher zu dem Amerika gebracht, das wir sein könnten". Und Rocker Bruce Springsteen sagte, Seeger sei ein "Leuchtturm" für Menschen, die soziale Gerechtigkeit suchten. "Erneuerer der Folk-Musik" und "musikalischer Begleiter fortschrittlicher Bewegungen" hieß es in den Nachrufen nach seinem Tod.
Man hörte den Banjo spielenden Seeger eher bei Gewerkschaftsveranstaltungen und auf Friedens- und Umweltkundgebungen als in Konzertsälen und in Fernsehshows. Und er sang oft für Kinder. Wenn er auftrat, hörten die Leute nicht nur zu, sie sangen mit. Als Musiker sei es ihm wichtiger, Lieder "auf die Lippen als in die Ohren der Zuhörer" zu legen, sagte er selbst. Singen bringe Menschen zusammen.
Am 3. Mai 1919 kam er in New York auf die Welt. Seegers Mutter war Geigenspielerin, sein Vater Musikwissenschaftler. Kurz vor Petes Geburt verlor er seine Stelle, weil er Reden gegen den Krieg gehalten hatte.
Radikale Politik und Musik hatten Tradition in Pete Seegers Familie: Ein deutscher Seeger habe die preußische Tyrannei verabscheut und sei nach Amerika ausgewandert, schrieb er über seine Vorfahren. Viele seiner Aufsätze und Briefe sind in dem Band "Pete Seeger in his own Words" von Bob Rosenthal und Sam Rosenthal im Jahr 2012 erschienen. Gelegentlich sang Seeger das aus dem 19. Jahrhundert stammende "Die Gedanken sind frei".
Seeger war ein überzeugter Linker und in Amerika nicht immer und nicht überall beliebt. Um kommerziellen Erfolg ging es ihm ohnehin nicht. Anfang der 40er Jahren, genaue Daten wisse er nicht mehr, habe er mit Woody Guthrie, Autor von "This Land is your Land", manchmal in New York bei Fundraising-Partys für die Kommunistische Partei gesungen, erzählt Seeger.
Doch Parteidisziplin war nicht seine Sache. Unter anderem wegen der Nachrichten über die Moskauer Schauprozesse mit "einem erzwungenen Geständnis nach dem anderen", sei er "ausgestiegen". Doch Seeger blieb "ein Kommunist mit einem kleinen K", wie er es formulierte. Er hatte keine Berührungsängste, 1967 wurde er in der DDR gefeiert.
Das US-Magazin "Mother Jones" hat Auszüge aus Seegers rund 1.800 Seiten dicker FBI-Akte veröffentlicht. 1955 wurde er vom US-Kongressausschuss zum Thema "unamerikanischen Aktivitäten" vorgeladen. Es war die Zeit des strikten Antikommunismus. Er weigere sich, unter Druck persönliche Fragen über seine "philosophischen und religiösen Überzeugungen" zu beantworten, ließ Seeger die Abgeordneten wissen.
Zum 100. Geburtstag sind in vielerorts Konzerte geplant. Der Verlag Smithsonian Folkways Collection bringt ein CD-Box-Set mit Seegers Musik auf den Markt. Darunter seien 20 noch nie gehörte Aufnahmen, wirbt der Verlag.
Bei Obamas Amtseinführung 2009 sangen Seeger und Springsteen "This Land is Your Land", und zwar auch die oft weggelassenen letzten Strophen. Darin geht es um die vielen hungrigen Menschen in den USA und implizit um die Frage, ob die USA wirklich "für dich und mich geschaffen" worden seien. Für Obama war der Sänger offenbar prägend. Er habe ihm gesagt, erzählte Seeger später in einem Interview, "Mr. Seeger, als ich vier Jahre alt war, hat meine Mutter mir ihre Schallplatten vorgespielt."
Erfurt (epd). Nach dem Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame laden die Thüringer Bachwochen am 2. Mai (19.30 Uhr) zu einem Solidaritäts- und Benefizkonzert in den Dom St. Marien in Erfurt ein. Der Vorsitzende des Trägervereins des Festivals und Domorganist Silvius von Kessel sei der Kirche und ihrer Orgel besonders verbunden, sagte ein Sprecher der Bachwochen am 29. April in der Thüringer Landeshauptstadt. Von Kessel habe von 1991 bis 1993 bei Olivier Latry, dem Titularorganist von Notre-Dame, studiert und in Paris ein Jahr später den Abschluss "Diplôme de Concertiste" gemacht, erklärte er die enge Bindung.
Latry habe mehrfach im Erfurter Dom konzertiert, sei Gast der Bachwochen und ebenso Juror beim Internationalen Bach-Liszt Orgelwettbewerb in Erfurt, Weimar und Merseburg gewesen. "Ich bin froh, dass die historische Orgel von Aristide Cavaillé-Coll von den Flammen verschont wurde und gerettet werden konnte", sagte von Kessel. Als Vertreter der großen mitteldeutschen Orgeltradition werden nach seinen Angaben der Organist der berühmten barocken Trost-Orgel in Waltershausen, Theophil Heinke, sowie der Naumburger Wenzelsorganist, Hans Christian Martin, an der Schuke-Orgel des Erfurter Domes zu hören sein.
Die Thüringer Bachwochen stehen in diesem Jahr unter dem Motto "Bach - der Konstrukteur". Sie laden noch bis zum 5. Mai zu insgesamt 53 Veranstaltungen in Thüringer Städte und Gemeinden ein. Neben der Präsentation der Werke von Johann Sebastian Bach (1685-1750) an authentischen Orten wolle man anlässlich des 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums auch den Zusammenhängen und gemeinsamen Idealen von Musik, Architektur und Kunst zwischen Bach und Moderne nachspüren, hatte Geschäftsführer Christoph Drescher bei der Programmvorstellung erklärt.
Zwickau (epd). Mit dem Wirken der Pianistin und Komponistin Clara Schumann (1819-1896), beschäftigt sich ab 9. Mai eine viertägige Konferenz in Zwickau, Dresden und Leipzig. Experten aus Deutschland, Österreich, den USA und Kanada widmen sich verschiedenen Facetten und Funktionen der Musikerin, die als Clara Wieck und spätere Ehefrau Robert Schumanns (1810-1856) acht Kinder zur Welt brachte, wie die Stadtverwaltung Zwickau am 23. April mitteilte. Die musikwissenschaftliche Konferenz steht unter dem Motto "Die Herrlichste von Allen - Clara Schumann zum 200. Geburtstag".
Die Tagung startet den Angaben zufolge mit einem Konzert im Robert-Schumann-Haus Zwickau mit dem Cellisten David Eggert und der kanadischen Pianistin Gili Loftus am originalen Stein-Flügel von Clara Wieck aus dem Jahr 1827. In Clara Schumanns Geburtsstadt Leipzig soll zum Abschluss der Konferenz unter anderem im Musikinstrumentenmuseum über ihre Bedeutung als Lehrerin diskutiert werden. Im Wohnhaus der Schumanns wird die Tagung zudem mit einem Konzert der Sopranistin Miriam Alexandra und des Pianisten Andreas Reuter beschlossen, die in Liedern und Briefen die Künstlerfreundschaft von Clara Schumann und Pauline Viardot-Garcia vorstellen.
Anlässlich des 200. Geburtstags von Clara Schumann wird in Sachsen in diesem Jahr an die Musikerin in besonderer Weise erinnert. So steht etwa auch das diesjährige Zwickauer Schumann-Fest im Juni unter dem Motto "Clara 200". In ihrer Geburtsstadt Leipzig steht ein gesamtes Festjahr mit 170 Konzerten, Ausstellungen und Theaterstücken unter dem Titel "Clara19".
Frankfurt an der Oder (epd). Die Regisseurin Agnieszka Holland erhält den 19. Viadrina-Preis der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung soll am 9. Mai überreicht werden, teilte die Universität mit. Die aus Polen stammende und in Frankreich lebende Regisseurin wähle für ihre Filme Stoffe von historischer und aktueller politischer Brisanz, hinterfrage Propaganda, Institutionen und Personenkult und engagiere sich auch abseits der Leinwand für die Demokratie.
Der Viadrina-Preis wird seit 1999 jährlich an Persönlichkeiten vergeben, die sich um die deutsch-polnische Verständigung verdient gemacht haben. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der frühere polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki, der Regisseur und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, der polnische Komponist Krzysztof Penderecki und der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher.
Agnieszka Holland wurde 1948 in Warschau geboren, studierte an der Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste in Prag und begann ihre Karriere als Regieassistentin von Krzysztof Zanussi und Schülerin von Andrzej Wajda. Heute arbeitet die 70-jährige Regisseurin den Angaben zufolge unter anderem in Frankreich, wo sie seit 1981 auch lebt, sowie in Polen und den USA. Folgen der US-Kultserie "House of Cards" gehörten ebenso zu ihrem umfangreichen Werk wie der für den Oscar nominierte Film "Bittere Ernte" mit Armin Müller-Stahl und "Hitlerjunge Salomon". Mit "Hitlerjunge Salomon" gewann Agnieszka Holland 1992 einen Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film.
Göttingen (epd). Der von den Partnerstädten Göttingen und Torun in Polen gestiftete Samuel-Bogumil-Linde-Literaturpreis geht 2019 an den deutschen Autor Christoph Hein und an den polnischen Schriftsteller Szczepan Twardoch. Die mit jeweils 5.000 Euro dotierte Auszeichnung wird ihnen am 9. Juni in Torun verliehen, wie die Stadtverwaltung Göttingen am 24. April mitteilte. Der Preis wird zum 24. Mal vergeben.
Christoph Hein (Jahrgang 1944) stammt aus Heinzendorf (Schlesien). Er wuchs in Bad Düben bei Leipzig auf und studierte in Leipzig und Berlin Philosophie und Logik. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Autor und Dramaturg an der Volksbühne Berlin. In seinen zahlreichen Romanen und Erzählungen thematisiert er vor allem die deutsch-deutsche Geschichte. Hein erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Von 1998 bis 2000 war er erster Präsident des gesamtdeutschen PEN-Clubs.
Szczepan Twardoch (Jahrgang 1979) gilt als einer der herausragenden Autoren der polnischen Gegenwartsliteratur. Er studierte Soziologie und Philosophie an der Schlesischen Universität in Katowice. Twardoch zählt zur Minderheit der polnischen Schlesier und pflegt in seiner Familie die schlesische Sprache. Für seine Bücher wurde er ebenfalls mehrfach ausgezeichnet.
Der Preis ist nach dem polnischen Sprachforscher Samuel Bogumil Linde (1771-1847) benannt. Er würdigt Autoren, die Menschen, Gesellschaften und Nationen zusammenbringen. Frühere Preisträger waren unter anderen Günter Grass, Siegfried Lenz, Ryszard Kapuscinski, Sarah Kirsch, Marcel Reich-Ranicki, Juli Zeh und Herta Müller. Der Linde-Preis ist der einzige deutsch-polnische Literaturpreis.
Berlin (epd). Mit dem Theaterpreis des Bundes werden in diesem Jahr elf Bühnen aus dem gesamten Bundesgebiet geehrt. Die diesjährigen Gewinner beeindruckten durch außergewöhnliche Produktionen, ihr künstlerisches Gesamtprogramm oder durch strukturelle Zukunftsentscheidungen, die bundesweite Aufmerksamkeit und Wertschätzung verdienten, hieß es in einer Erklärung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) anlässlich der Bekanntgabe der Preisträger am 24. April. Die Preisverleihung findet am 27. Mai im thüringischen Gera statt.
Zu den Preisträgern zählen das Theater Thikwa Berlin, das Piccolo Theater Cottbus, das Theater Erlangen, die Theaterwerkstatt Pilkentafel Flensburg, das Boat People Project aus Göttingen, die Oper Halle, das HELIOS Theater aus Hamm, das Puppentheater Magdeburg, das Landestheater Schwaben in Memmingen, der Ringlokschuppen Ruhr in Mülheim sowie Theater Rampe aus Stuttgart. Jede Auszeichnung ist den Angaben zufolge mit einem Preisgeld von 75.000 Euro verbunden. Insgesamt habe es 119 Bewerbungen gegeben.
"Mit dem Theaterpreis des Bundes, der sich vor allem an kleinere und mittlere Häuser richtet, zeichnen wir in diesem Jahr wieder Theater aus, die vor Ort gesellschaftlich wichtige Debatten anstoßen und die das Leben der jeweiligen Stadtgesellschaften aktiv mitgestalten", sagte Grütters. Dafür bräuchten diese Theater Mut zum künstlerischen Experiment, nicht selten müssten sie auch ihre künstlerische Freiheit verteidigen. Die Auszeichnung sei auch als "Ermutigungspreis" gedacht, mit dem die prämierten Bühnen in ihrem Engagement bestärkt werden sollen. Zugleich solle das Preisgeld den Häusern einen weiteren finanziellen Spielraum für ihr künstlerisches Programm eröffnen.
Werben/Bonn (epd). Für Restaurierungsarbeiten an der Alten Schule in der Hansestadt Werben (Kreis Stendal) stellt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) 10.000 Euro zur Verfügung. Das im 18. Jahrhundert errichtete Baudenkmal ist eines von mehr als 580 Projekten, die die Denkmalschutzstiftung dank Spenden und Mitteln der Lotterie GlücksSpirale allein in Sachsen-Anhalt fördern konnte, wie die Stiftung in Bonn mitteilte.
Die Alte Schule wurde zwischen 1720 und 1725 errichtet. Im Inneren des klassizistischen, zweigeschossigen Fachwerkbaus sind eine Kantor- und Lehrerwohnung untergebracht. Die derzeit leerstehende Alte Schule sei ein Bauwerk von überregionaler, kulturgeschichtlicher und ortsbildprägender Bedeutung, so die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Der Verein Arbeitskreis Werbener Altstadt möchte ein Café in dem Denkmal einrichten.
Der Verein entstand 2004 zunächst als Bürgerinitiative, um sich in der vom demografischen Wandel stark betroffenen, ländlich geprägten und strukturschwachen Altmark für die Erhaltung und Revitalisierung der Werbener Altstadt stark zu machen. Durch sein Engagement konnten bereits zahlreiche Häuser vor dem Abriss und Verfall gerettet werden. Zudem führt der Verein regelmäßig kulturelle Veranstaltungen durch. Für seine langjährigen Aktivitäten wurde er 2016 mit der silbernen Halbkugel des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz ausgezeichnet.
Potsdam (epd). Das niederländische Königspaar besucht im Mai Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande würden in Begleitung mehrerer Ministerinnen vom 21. bis 22. Mai in den beiden Bundesländern erwartet, teilte die brandenburgische Staatskanzlei am 26. April in Potsdam mit. Am Nachmittag des 21. Mai werde Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) das Königspaar empfangen und gemeinsam einen Landwirtschaftsbetrieb in Nauen besuchen.
Auf dem Programm stehen am 21. und 22. Mai in Brandenburg auch ein Besuch beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow, ein Besuch des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und weiterer Einrichtungen im Albert-Einstein-Wissenschaftspark, der Medienstadt Babelsberg und von Schloss Sanssouci. In Geltow seien auch Gespräche der niederländischen Verteidigungsministerin Ank Bijleveld mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über Auslandseinsätze und militärische Zusammenarbeit geplant, hieß es weiter.
Das niederländische Königspaar besucht den Angaben zufolge jedes Jahr ein oder mehrere Bundesländer. Im Mittelpunkt stünden die Wirtschaftsbeziehungen, hieß es.
Bootskapitän Baker Dill (Matthew McConaughey) ist Kriegsveteran und versteckt sich auf einer Karibikinsel vor seiner Vergangenheit. Dort gerät er in den Bann einer Femme fatale (Anne Hathaway). Nichts ist wie es scheint. Was zunächst wie ein Film über Verführung und Raub wirkt, wandelt sich plötzlich in eine Geschichte um einen Jungen, der angesichts eines brutalen Stiefvaters um sein Leben ringt und sich zugleich nach seinem unerreichbaren leiblichen Vater sehnt. Es ist ein Film, der ganz gezielt mit Publikumserwartungen spielt und sich jenseits aller Hollywoodkonventionen bewegt.
Im Netz der Versuchung (USA 2019). R: Steven Knight. B: Steven Knight. Da: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Diane Lane, Jason Clarke. 106 Min.
Reza ist mit Frau und Sohn vor zwei Jahren aus Teheran fort gezogen, um eine Fischfarm zu errichten. Doch von der erhofften ländlichen Idylle keine Spur. Mit der Rückzahlung des Kredits für die Farm ist Reza in Verzug: der Bankangestellte macht ihm den Vorschlag, dass er für die Hälfte der Zinsen, die er der Bank schulde, zwei Monate mit der Ratenzahlung aussetzen könne. Doch Reza weigert sich. Sein Unwille sich bestechen zu lassen, beschwört schließlich eine Spirale der Gewalt herauf. Es ist ein zorniger Film, der sich gegen ein System der Korruption richtet, aber auch Ambivalenzen aufzeigt.
A Man of Integrity – Kampf um die Würde (Iran 2017). R: Mohammad Rasoulof. B: Mohammad Rasoulof. Da: Reza Akhlaghirad, Soudabeh Beizaee, Nasim Adabi, Misagh Zare, Zeinab Shabani, Zhila Shahi. 117 Min.
Liv und Malte verbringen einen wunderbaren Sommerurlaub auf Mallorca. Doch eines Abends dringen drei deutsche Jungs in ihr Ferienhaus ein. Einer der Jungen vergewaltigt Liv, während Malte hilflos zuschauen muss. Zwei Jahre später trifft Malte plötzlich auf den jungen Vergewaltiger, und es kommt schließlich zu Konfrontation und tätlicher Auseinandersetzung. Der Film untersucht behutsam die Alltagsrealität, die auf solch ein traumatisches Erlebnis folgt, besonders, weil Mann und Frau unterschiedlich reagieren. Während Liv einfach nur vergessen will, strebt Malte nach Gerechtigkeit und Rache.
Das schönste Paar (Deutschland/ Frankreich 2018). R: Sven Taddicken. B: Sven Taddicken. Da: Maximilian Brückner, Louise Heyer, Leonard Kunz, Jasna Fritzi Bauer. 95 Min.
Claire will Ordnung in ihre Erinnerungen bringen. Und das geht nur, indem sie sich von Erinnerungsstücken trennt, mit denen sie ihr Haus möbliert hat. Sie veranstaltet einen Trödelmarkt im Garten, bei dem sie sie zu Schleuderpreisen verscherbelt. Die Antiquitätenhändlerin des Dorfes alarmiert ihre Tochter, die ihre Mutter seit einem Streit vor 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Der Film hätte viel erzählen können über Mütter und Töchter, Schuld und Versöhnung, so richtig will das aber nicht gelingen. Dafür ist es aber immer noch ein tolles Schauspiel, Catherine Deneuve auf der Leinwand zuzuschauen.
Der Flohmarkt von Madame Claire (Frankreich 2018). R: Julie Bertuccelli. B: Julie Bertuccelli, Sophie Fillières (nach einem Roman von Lynda Rutledge). Da: Catherine Deneuve, Chiara Mastroianni, Alice Taglioni, Laure Calamy. 94 Min.
www.epd-film.de