Die Berliner Architekten Jan und Tim Edler arbeiten an einer künstlerischen Dramaturgie der Energiewende, konkret des Ausstiegs aus Atom- und Kohlekraft. Ihre Vision: In den letzten Jahren vor ihrer Abschaltung sollen Deutschlands Kraftwerke riesige und weithin sichtbare Dampfringe als Symbol der Transformation ausstoßen. "Fazit" nennen sie ihr Projekt, das - 33 Jahre nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl - seit 27. April in der gleichnamigen Ausstellung in der Berlinischen Galerie illustriert und erläutert wird.

Für die Gründer des Studios "realities:united" ist die Energiewende nicht nur ein wirtschaftliches und technisches Thema. Kraftwerke und die mit ihnen verbundenen Industrien seien in vielen Regionen - etwa der Lausitz und dem Rheinland - identitätsstiftend, sagte Tim Edler am Freitag bei der Vorstellung des Langzeitprojektes. Insofern sei der Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft auch ein "gigantisches kulturelles Projekt".

Technisch könnte die von den Künstlern geplante "Abschiedsperformance" von 34 infrage kommenden deutschen Kraftwerken so ablaufen: Eine an elastischen Kabeln abgespannte offene Membran wird während der regelmäßigen Wartungsarbeiten in einem begrenzten Bereich des Kühlturms montiert. Diese einfache Apparatur soll vertikal nach oben schnellen, sich schließen und den umgebenden Dampf mit nach oben katapultieren. So werden statt diffuser Dampfschwaden über dem Kühlturm stabile und langlebige Dampfringe geformt.

Die Ausstellung erläutert diesen bereits im 18. Jahrhundert von Daniel Bernoulli entdeckten, physikalischen Effekt. Eine riesige Plakatwand stellt dar, wie die Kühltürme mit den Dampfringen aussehen könnten. Zwei wandhohe Schautafeln zeigen zudem auf, wo in Deutschland Kernenergie-, Braunkohle-, Steinkohle- und Erdgaskraftwerke stehen, welche Leistung sie erzeugen, und wo die Abschaltung erwartet, beschlossen oder schon erfolgt ist.

Für eine Video- und Soundinstallation besuchten die Künstler das Berliner Heizkraftwerk Reuter West in Siemensstadt und geben Einblick in das Innere eines Kühlturms - "eine gigantische Regenanlage", wie Tim Edler sagt. In der Ausstellung einsehbar sind auch die politischen Richtlinien, die den Anstoß zu "Fazit" gaben: das Atomgesetz, das festschreibt, dass der Betrieb von Kernkraftwerken in Deutschland bis zum Jahr 2022 eingestellt wird. Und der Abschlussbericht der Kohlekommission, die ein Ende der Kohlestromversorgung spätestens bis 2038 empfiehlt.

Der Direktor der Berlinischen Galerie, Thomas Köhler, betonte, ein Museum sei auch "ein politischer Ort", der solche Themen aufgreifen müsse. "Fazit" sei daher eigentlich ein Auftakt und werde ergänzt durch eine Veranstaltungsreihe, die nicht komplementär, sondern gleichwertig sei.

Viele Fragen sind auch für die Architekten noch offen: Bisher gebe es den "Grundlagennachweis", dass die Erzeugung der Dampfringe funktioniere, sagte Jan Edler. Nun gehe es darum, "zum Einbau in die Kühltürme zu dürfen". Das heißt konkret: in Gesprächen mit Energieversorgungsunternehmen "viel Überzeugungsarbeit" leisten.

"Das Projekt ist als Vorschlag gemeint", sagte Tim Edler. Als offene Frage, ob eine kulturelle und künstlerische Begleitung der Energiewende machbar und erwünscht sei. Angestoßen werden solle eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Sollten die Pläne von "realities:united" umgesetzt werden, erfordere dies die Beteiligung von Politik und Energiewirtschaft.

Ihre "Rauchzeichen" entwickelten die Edler-Brüder, die auch Initiatoren von Flussbad Berlin, einem Projekt zur gemeinschaftlichen Nutzung des Spreekanals in Berlin-Mitte sind, übrigens schon für ein anderes Projekt: den Neubau eines Müllverbrennungskraftwerks in Kopenhagen. 2013 fiel die Entscheidung gegen die Umsetzung der Kunstinstallation. Die "Schönheit der Ringe" habe sie jedoch bis heute nicht losgelassen, betonte Jan Edler.