Ulrike Weyer (45) möchte auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 10. Mai im Kloster Drübeck (Harz) zur Nachfolgerin von Landesbischöfin Ilse Junkermann gewählt werden. Ihr lägen wertschätzende Kommunikation, Aufgabenklarheit sowie eine verständliche Übersetzungsleistung zwischen den Ebenen und Gremien am Herzen, sagte die Superintendentin des Kirchenbezirkes Plauen (Vogtland) dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Für Weyer ist es "der Blick für das Kleine, Übersehene, Verlorene, mit dem sich Kirche von der großen Politik unterscheidet und worin christliche Botschaft vor allem wahrgenommen wird."

epd: Warum möchten Sie Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden?

Weyer: Aus meiner Zeit als Pfarrerin eines großen Kirchspiels und als Superintendentin kenne ich die vielfältigen Herausforderungen des Leitungshandelns im städtischen und ländlichen Raum. Das Bischofsamt bedeutet eine große Ehre, vor allem aber eine große Aufgabe: Nach dem Amtsantritt steht eine Menge Arbeit an, was genaues Wahrnehmen, geduldiges Vertrauen und das Engagement vieler erfordert. Zur Leitungstätigkeit gehört für mich grundlegend die Achtung der unterschiedlichen Ebenen und Gremien mit ihren jeweiligen Kompetenzen und Aufgaben. Verglichen mit einem Getriebe ist jedes der kleinen und großen Zahnräder wichtig, um gut ineinanderzugreifen. Wertschätzende Kommunikation, Aufgabenklarheit sowie eine verständliche Übersetzungsleistung zwischen den Ebenen und Gremien liegen mir am Herzen. Das umsetzen zu können ist zugleich ein großes Geschenk: Mit Haupt- und Ehrenamtlichen, kreativen und engagierten Gemeinden, Einrichtungen und Diensten Kirche weiter zu entwickeln! Ich durfte selber erfahren, wie in kritischen Situationen bei gut geführtem Diskurs auch tragfähige neue und im besten Sinne "begeisternde" Zukunft für Kirche erwachsen kann.

epd: Wo sehen Sie - zehn Jahre nach der Fusion von zwei selbstständigen Landeskirchen - den größten Handlungsbedarf in der EKM?

Weyer: Mit der Fusion zweier Landeskirchen unterschiedlicher Prägung wurde ein mutiger Schritt gegangen. Zehn Jahre erscheinen viel, Herz und Seele schlagen jedoch in einem anderen Takt - neben Strukturen und den großen politischen Themen braucht die persönliche Dimension Beachtung. Die Veränderungsleistung verlangt Respekt. Auch die Zukunft wird Willen zur Neugestaltung, Experimentierfreudigkeit und kluge Schritte erfordern. Die Erfahrungen aus den Gemeinden und Erprobungsräumen sind dabei von unschätzbarem Wert. Vor Ort muss sensibel wahrgenommen werden, was auf dem Weg an Bewahrenswertem "eingepackt" und was zurückgelassen wird. Als Christen können wir vertrauensvoll und angstfrei in die Zukunft gehen gemäß unserem Auftrag, in der Welt das Evangelium zu bezeugen. Dieses in einer säkularisierten Gesellschaft und im pluralen Umfeld inhaltlich neu zu erschließen und zu formulieren wird uns fordern. Im Blick auf die zunehmenden Anforderungen werden Handlungsrahmen und Aufgaben für Haupt- und Ehrenamtliche zu beschreiben sein, was Aufgabe der Leitung ist. Wer Neues wagt, braucht Freiraum, Schutz und Würdigung.

epd: Als geistliches Oberhaupt würden Sie die EKM in allen Sphären der Gesellschaft vertreten. Wie politisch soll Kirche heute sein?

Weyer: Die Säkularisierung als Verlustgeschichte zu verstehen und damit den Rufen nach dem "Untergang" der Kirche Raum zu geben, schwächt uns. Auch wenn wir weniger werden und dichter zusammenrücken müssen, so wird unsere Botschaft nicht kleiner oder unbedeutender. Ich sehe Kirche als souveräne Größe, die ihre Themen setzt und ihre Werte vertritt. Der erkennbare Mangel an Mitgefühl, Barmherzigkeit und Kompromissfähigkeit fordert uns, gerade dafür erkennbar einzustehen. Als große Themen aus dem konziliaren Prozess haben Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung aktuelle Gültigkeit. Im Sinne des Wächteramtes bringt Kirche ihre Themen diskursiv, dialogisch oder mahnend ein. Im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre sollte in den beauftragen Gremien über Form, Art und Weise Konsens herrschen. Pluralität ist ein hohes Gut, dass mir am Herzen liegt und schnell verloren geht, wenn sich Kirche von politischen Standpunkten vereinnahmen lässt. Wir sind "Kirche für viele" und meiner Ansicht nach gut beraten, mehr auf den Ton als auf die Lautstärke gesellschaftlicher Debatten Einfluss zu nehmen. Der Blick für das Kleine, Übersehene, Verlorene ist es, mit dem sich Kirche von der großen Politik unterscheidet und worin christliche Botschaft vor allem wahrgenommen wird.