Friedrich Kramer (54) möchte auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 10. Mai im Kloster Drübeck (Harz) zum Nachfolger von Landesbischöfin Ilse Junkermann gewählt werden. Ihn reize es, die Kirche in schwierigen Ab- und Aufbruchszeiten geistlich zu begleiten, sagte der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Für ihn soll sich die Kirche "als großer zivilgesellschaftlicher Akteur an der politischen Meinungsbildung beteiligen und diese nicht den Parteien überlassen, denn die großen gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich nur im gemeinsamen Diskurs angehen".

epd: Warum möchten Sie Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden?

Kramer: Am Anfang stand die Anfrage, der Ruf von außen und nicht das eigene Wollen. Das finde ich für dieses geistliche Amt ein sehr gutes Verfahren. Dann habe ich überlegt und abgewogen zwischen Ja und Nein, wollte davor fliehen und auf der anderen Seite mich der Aufgabe stellen und habe dann erlebt, dass im Gebet und in den Gesprächen eine innere Zustimmung, ein innerer Ruf, ein klares Ja, gewachsen ist. Mich reizt es, unsere Kirche in schwierigen Ab- und Aufbruchszeiten geistlich zu begleiten. Über das, was nicht mehr geht, mit den Geschwistern zu trauern und getrost und fröhlich neue Wege zu wagen. Vieles werden wir in unserer Kirche neu ausprobieren und denken müssen und dafür habe ich Gaben die ich gerne einbringe. Mich reizt es in Zeiten des Hasses, mit über 900 Liebespredigerinnen und Liebespredigern zusammen zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass sie ihren Dienst frei und fröhlich in Land und Stadt wahrnehmen können. Ich stehe für eine fröhliche, weltoffene, menschenfreundliche und streitbare Kirche.

epd: Wo sehen Sie - zehn Jahre nach der Fusion von zwei selbstständigen Landeskirchen - den größten Handlungsbedarf in der EKM?

Kramer: Der größte Handlungsbedarf besteht für unsere Kirche darin, unseren Auftrag unter den heutigen Bedingungen und Herausforderungen zu erfüllen, nämlich das Evangelium öffentlich zu verkündigen, die Liebe am Nächsten zu üben, Gemeinschaft zu feiern und Zeugnis von Gott in einer säkularen Umwelt abzulegen. Dafür sehe ich vier Felder: Es gilt, den Ruf der Kirche zu verbessern, damit Menschen Lust haben in unserer Kirche mitzutun und stolz sind in unserer Kirche zu sein. Zweitens müssen die massiven Veränderungen verkraftet und theologisch gedeutet werden. Wie können wir in der Diaspora nah bei den Gemeinden sein und eine lebendige und offene Kirche für andere und mit anderen bleiben? Zum Dritten fordert die ökologische Krise unsere Glaubwürdigkeit als Kirche und Organisation heraus, einen nachhaltigen Lebens- und Arbeitsstil zu entwickeln. Es gilt viertens an der Gestaltung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft mitzuwirken und die Frohe Botschaft im säkularen Raum verständlich zur Sprache zu bringen.

epd: Als geistliches Oberhaupt würden Sie die EKM in allen Sphären der Gesellschaft vertreten. Wie politisch soll Kirche heute sein?

Kramer: Die Mitglieder der EKM gehören zum gesamten politischen Spektrum und das ist gut so. Denn das Evangelium wird an alles Volk verkündet und darum auch ganz verschieden verstanden. Die Aufgabe der Kirche ist die Verkündigung der frohen Botschaft der Liebe Gottes, die Gemeinschaft stiftet. Gleichzeitig ist die frohe Botschaft ein öffentlicher Ruf zur Umkehr und Buße und von daher konfrontierend und spaltend. In diesem Spannungsfeld kann Kirche gar nicht unpolitisch reden, wenn das Evangelium zu Versöhnung und Frieden, zu Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit, zur Bewahrung der Schöpfung, zum materiellen Verzicht und zur Entscheidung für Gott und gegen den Mammon ruft. Die Frage ist aber in welcher Weise dies geschieht. Hier hat Kirche dafür einzustehen, dass es eine menschenfreundliche politische Streitkultur gibt. Als großer zivilgesellschaftlicher Akteur soll sich die Kirche an der politischen Meinungsbildung beteiligen und diese nicht den Parteien überlassen, denn die großen gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich nur im gemeinsamen Diskurs angehen.