Karsten Müller (53) möchte auf der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) am 10. Mai im Kloster Drübeck (Harz) zum Nachfolger von Landesbischöfin Ilse Junkermann gewählt werden. Ihn reize die Möglichkeit, das Leben einer Landeskirche in seiner Vielfalt wahrzunehmen und da, wo es notwendig und sinnvoll ist, durch Impulse mitzugestalten, sagte der Pfarrer aus Halle dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Für ihn muss "Kirche politisch sein, aber sie darf nicht politisieren".

epd: Warum möchten Sie Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden?

Müller: Mich fordert der Perspektivwechsel heraus: Aus einer Pfarrstelle für zwei Kirchengemeinden in Halle (Saale) in eine Pfarrstelle, deren Bereich die EKM ist. Der damit verbundenen Leitungsaufgabe sehe ich mit Respekt entgegen. Ich empfinde es als Ehre, dass mir Menschen in der EKM die Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe zutrauen. Für den Fall einer Wahl freue ich mich auf diesen Dienst in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit allen Leitungsorganen unserer Kirche. Mich reizt die Möglichkeit, das Leben einer Landeskirche in seiner Vielfalt wahrzunehmen und da, wo es notwendig und sinnvoll ist, durch Impulse mitzugestalten. Ich bin gespannt auf die Mitarbeit in den kirchlichen Zusammenschlüssen auf gesamtdeutscher Ebene. Ich hoffe, dass ich an die guten ökumenischen Erfahrungen, die ich hier in Halle gemacht habe, auch bei den Bistümern der katholischen Kirche und anderen Kirchen im Bereich der EKM anknüpfen kann.

epd: Wo sehen Sie - zehn Jahre nach der Fusion von zwei selbstständigen Landeskirchen - den größten Handlungsbedarf in der EKM?

Müller: Bei aller Vorsicht im Umgang mit Superlativen - Handlungsbedarf besteht immer wieder neu bei der Frage: Welche Bedingungen und Strukturen sind gut geeignet, damit wir als Kirche in den verschiedenen Arbeitsfeldern unseren Auftrag gut erfüllen können - und welche sind es nicht? Bei weiter zurückgehenden Mitgliederzahlen wird es schwierig, diese Frage zu beantworten - aber sie drängt. Strukturfragen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie sich schnell in den Vordergrund drängen. Im Vordergrund steht aber unser Auftrag, Gottes Wort in die Welt zu bringen. Wir tun gut daran, wenn wir auf dem Weg, der vor uns liegt, uns immer wieder neu von der Kraft unseres Glaubens inspirieren lassen, aus unseren theologischen Wurzeln Orientierung gewinnen und neugierig sind und bleiben auf das, was Gott uns an Ideen und Innovationen schenkt, auf welche neuen Wege er uns schickt. Dabei sollten wir auch Raum für Trauer über das zulassen, was wir nicht mehr tun können oder was seine Zeit hatte. Handlungsbedarf sehe ich auch bei der Debattenkultur in unserer Kirche, wie manche Äußerungen in Kontroversen immer wieder zeigen.

epd: Als geistliches Oberhaupt würden Sie die EKM in allen Sphären der Gesellschaft vertreten. Wie politisch soll Kirche heute sein?

Müller: Kirche muss politisch sein, aber sie darf nicht politisieren. Die Basis unserer Kirche, das Evangelium, wirkt in die Gesellschaft hinein. Die Bergpredigt ist kein Referat hinter verschlossenen Türen gewesen, sondern eine öffentliche Rede. Das christliche Menschenbild taugt nicht dazu, um es hinter Kirchenmauern zu verstecken. Die elementaren Fragen unseres Menschseins sind immer auch politische Fragen. Unsere Aufgabe als Kirche ist es, im Dialog oder auch in der Auseinandersetzung mit politischen Kräften von der biblischen Botschaft her den Freiraum und die Grenzen zu beschreiben, die wir in verschiedenen Politikfeldern sehen. Wenn uns das ohne erhobenen Zeigefinger gelingt, ist es umso besser. Die Erfüllung dieser Aufgabe betrifft alle Bereiche der Kirche: von der Predigt im Gottesdienst bis hin den Stellungnahmen der Kirchenleitung. Wir sollten es uns dabei aber nicht zu einfach machen, und der Versuchung widerstehen, zu schnell auf die Tradition zu verweisen. Ich bin überzeugt, dass unser Glaube uns befähigt, zeitgemäße Antworten auf aktuelle Fragen zu finden und zu geben.