Kirchen

Wie Ochs und Esel in die Krippe einzogen


Die "Knubbenkrippe", geschnitzt aus einem Eichen-Baumstumpfe, stammt von 1962.
epd-bild/Friedrich Sark
Zu Weihnachten dürfen sie in keiner Krippe fehlen: Ochs und Esel neben dem Jesuskind. Ein Blick in die Weihnachtsgeschichte nach Lukas zeigt, dass sie dort gar nicht vorkommen.

Friedlich ruhen Ochs und Esel im Stall von Bethlehem neben der Krippe. Auch bei privaten Krippen, die in der Weihnachtszeit in vielen Haushalten stehen, sind sie Teil der Figuren-Szenerie. Doch in der bekannten Weihnachtsgeschichte nach Lukas kommen sie gar nicht vor. Nicht einmal von einem Stall ist die Rede, geschweige denn von Tieren, die sich um das Jesuskind versammeln. Der Evangelist spricht lediglich von einer Krippe in einer Herberge. Als Besucher kommen die Hirten vom Feld, die sich nach der Ansage eines Engels auf den Weg nach Bethlehem machen. Wer Ochs und Esel finden will, muss im Alten Testament blättern.

Der Prophet Jesaja kündigte bereits 700 Jahre vor der Geburt Jesu dem Volk Israel einen Herrscher an, der Frieden bringen soll. In der Zeit des Propheten herrschten Unruhen im Land, die Menschen konnten sich nicht auf ihre Könige verlassen. Jesaja war damals so etwas wie ein Orakel. Seine Aufgabe war es, den Menschen Mut zu zureden. Er verkündete einen König, der Frieden bringen und ewig herrschen soll. Er sprach dabei von der Geburt eines Sohnes, der Großes vorhat: Nicht mit militärischer Macht, sondern mit Weisheit und geistlicher Stärke soll er Frieden für das Volk Israel bringen.

Auch Ochs und Esel spielten für Jesaja eine Rolle. Sie sind es, die den neuen Herrn erkennen, sagt der Prophet: "Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn." Vermutlich hat Jesaja damit Gott gemeint, den das Volk Israel noch nicht erkennt. Seine Botschaft lautet: Der Messias muss noch kommen. Nach christlicher Auffassung ist das dann durch die Geburt Jesu geschehen. Dass Ochs und Esel aber schon bei der Geburt dabei sind, hat auch Jesaja nicht vorhergesagt.

Sarkophag aus dem Jahre 385 mit bliblischer Dtarstellung

Auch der Prophet Sacharja kündigte etwa 500 Jahre vor Christi Geburt einen neuen König an. Bei ihm spielt der Esel dabei eine wesentliche Rolle. Denn die Menschen werden diesen König erkennen, wenn er auf einem Esel in Jerusalem einreitet. Genau so tat es Jesus an Palmsonntag kurz vor seinem Tod. Daher dachten sich frühe Christen: Wenn der Esel da eine wichtige Rolle spielt, dann muss er das bei der Geburt auch.

Im zweiten und dritten Jahrhundert haben die frühen Christen einen Zusammenhang zwischen den prophetischen Weissagungen und der Geburt Jesu hergestellt. Außerhalb der Bibel, wie wir sie heute kennen, sind in dieser Zeit Schriften entstanden, die die Rede von Ochs und Esel aufgreifen und auf die Geburt Jesu beziehen. In einem Evangelium, das nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurde, heißt es nach der Geburt Jesu, dass Ochs und Esel das Kind in der Krippe verehren.

Diese Schriften sind zwar außerhalb der theologischen Kreise wenig bekannt, das Bild von Ochs und Esel an der Krippe hat sich allerdings in frühchristlicher Zeit durchgesetzt. Schon damals dachten sich bibelfeste Maler, dass Ochs und Esel gut in einen Stall passen. Das zeigt beispielsweise das Gemälde "Die Geburt Christi" von Hans Baldung (1520). Und auf einem Sarkophag aus dem Jahre 385 sind Ochs und Esel neben dem Kind in der Krippe kniend abgebildet.

Die weihnachtliche Botschaft, dass Gott in einem Kind auf die Welt kommt, haben Ochs und Esel damit als Erste begriffen. Den Propheten und frühen Christen zufolge sind gerade sie es, die Gott als das Kind in der Krippe erkennen. Und wenn die beiden Tiere es schon erkennen, so die Botschaft, dann müssten es die Menschen doch auch tun. Damit gehört das Bild von Ochs und Esel an der Krippe zu Weihnachten wie "Oh du fröhliche" und "Stille Nacht".

Marieke Lohse (epd)


Kirchen: Kampf gegen Pandemie Teil der Weihnachtsbotschaft


Engel aus Mund-Nasen-Schutz-Maske
epd-bild/Corinna Buschow
Die Weihnachtsbotschaft soll den Menschen auch im Corona-Lockdown Hoffnung machen, sagen die Spitzen der evangelischen und katholischen Kirche. Die Kirchen ringen derzeit um ein Weihnachtsfest zwischen Eigenverantwortung und Pandemieschutz.

Repräsentanten der beiden großen Kirchen haben dazu aufgerufen, die Bemühungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie als Teil der Weihnachtsbotschaft zu verstehen. Die Liebe und Hoffnung, die mit dieser Botschaft verbunden seien, würden darin konkret, "dass wir Rücksicht aufeinander nehmen und Leben schützen", erklärten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in einem am 17. Dezember verbreiteten "Ökumenischen Wort". Der rheinische Präses Manfred Rekowski unterstrich die seelsorgliche Bedeutung der Weihnachtsgottesdienste für viele.

Plädoyer für Online-Gottesdienste

Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm und der Limburger Bischof Bätzing betonten, dass der Ruf der Engel zu den Hirten in der Weihnachtsgeschichte "Fürchtet euch nicht" in diesen Tagen sehr gebraucht werde. "Denn die Coronalage macht Angst, sie ist ernst", schrieben sie. Noch immer würden viel zu viele Menschen krank, und die Zahl der Toten nehme täglich zu.

Bedford-Strohm warb auch für Online-Gottesdienste an Weihnachten. Schon jetzt zeichne sich ab, dass digitale Formate und Radio- und Fernsehgottesdienste ebenso wie Hausandachten in diesem Jahr ein besonderer Schwerpunkt in der Feier der Weihnachtsgottesdienste sein werden. "Alle Landeskirchen ringen gegenwärtig mit den richtigen Entscheidungen zum Umgang mit den Weihnachtsgottesdiensten", sagte Bedford-Strohm der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (17. Dezember).

Heiligabend-Gottesdienst auf dem Friedhof mit Präses fällt aus

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, verteidigte, dass auf dem Gebiet der rheinischen Kirche jede Kirchengemeinde selbst über ihre Weihnachtgottesdienste entscheiden. "Wir sagen: Die Zentrale ist nicht am klügsten, sondern die Experten für situationsgerechte Lösungen sitzen vor Ort", sagte der leitende Theologe am 17. Donnerstag in Düsseldorf. Gemeinsam mit den Behörden seien Corona-Schutzkonzepte mit Abstandhalten, Masketragen und ohne Gemeindegesang entwickelt worden, die das grundsätzliche Feiern von Gottesdiensten in Gebäuden und im Freien ermöglichten. Einige Gemeinden würden nun Präsenzgottesdienste wegen des erhöhten Infektionsgeschehens absagen, sagte Rekowski. Andere wollten auf ein seelsorgliches Bedürfnis der Menschen reagieren und deshalb unter diesen strengen Auflagen Gottesdienste vor Ort anbieten. "Die Spielregeln gelten für drinnen und für draußen", erläuterte Rekowski.

Ein für Heiligabend geplanter Gottesdienst auf dem Friedhof Wichlinghausen in Wuppertal mit Präses Manfred Rekowski wurden inzwischen abgesagt. Angesichts der aktuellen Pandemie-Lage habe das Leitungsgremium der örtlich zuständigen Kirchengemeinde beschlossen, in den kommenden Wochen auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, teilte das Landeskirchenamt am 19. Dezember in Düsseldorf mit. Sie sollen unter anderem durch digitale Angebote ersetzt werden.

Trotz dieser Absage wird der rheinische Präses an Heiligabend einen Gottesdienst feiern. Er predigt am Nachmittag des 24. Dezember in der Christvesper in der Düsseldorfer Johanneskirche. Dieser Gottesdienst wird live über den Youtube-Kanal der Johanneskirche übertragen.

Käßmann für Präsenzgottesdienst

Auch der Bischofskonferenzvorsitzende Bätzing erklärte, es sei wichtig, dass die Gottesdienste an den Festtagen unter bestimmten Auflagen gefeiert werden können, "damit Christen an diesem Tag ihren Gott verehren und auf diese Weise Trost und Hoffnung erfahren können". Die Kirche wolle ein Äußerstes an Vorsicht praktizieren, um diese Freiheit verantwortlich auszuüben. "Das ist sie auch den Vielen schuldig, die nicht religiös gebunden sind und deren Gesundheit auch nicht gefährdet werden darf", schrieb er in einer von der Bischofskonferenz veröffentlichten Erklärung.

Die evangelische Theologin Margot Käßmann sprach sich auch dafür aus, trotz der Kontaktbeschränkungen an Weihnachten Gottesdienste für Besucher anzubieten. "Für viele Christen sind sie so wichtig wie der Gang zum Lebensmittelladen oder zur Apotheke, weil sie Trost und Ermutigung des Evangeliums genauso dringend brauchen wie Brot oder Medizin", sagte die frühere EKD-Ratsvorsitzende in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Wegen des Anstiegs der Neuinfektionen mit dem Coronavirus prüfen viele Gemeinden derzeit, inwieweit sie Präsenzgottesdienste an Heiligabend feiern können. Die westfälische Kirche und die Lippische Landeskirche hatten ihre Kirchengemeinden aufgefordert, wegen der Corona-Pandemie auf Präsenzgottesdienste zu Weihnachten zu verzichten. Bundesweit sollen die meisten Veranstaltungen weitgehend stattfinden.



Kirchen halten mehrheitlich an Weihnachtsgottesdiensten fest


Präsenzgottesdienst unter Corona-Bedingungen werden auch an Weihnachten gefeiert.
epd-bild/Thomas Lohnes
Evangelische Landeskirchen und katholische Bistümer wollen mehrheitlich Weihnachtsgottesdienste unter strengen Auflagen feiern - eine Ausnahme bilden Westfalen und Lippe. Das letzte Wort haben in den evangelischen Kirchen aber die Gemeinden.

Trotz Lockdown und Kontaktbeschränkungen werden in vielen christlichen Gemeinden an Heiligabend Präsenzgottesdienste unter strengen Hygieneregeln stattfinden können. Hygienekonzepte mit Mindestabständen, Mund-Nasen-Schutz, Gesangsverbot und vielerorts auch Anmeldepflicht sollen das Ansteckungsrisiko für eine Corona-Infektion minimieren, teilten die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer mehrheitlich am 16. Dezember mit. Diese sind nach einer Vereinbarung zwischen Religionsvertretern und dem Bund die Voraussetzung dafür, dass überhaupt Gottesdienste stattfinden dürfen. Ähnliche Regeln gelten in vielen Gemeinden seit Monaten.

Eine Mehrheit der 20 evangelischen Landeskirchen und 27 katholischen Bistümer sprach sich am 16. Dezember dafür aus, Gottesdienste an Heiligabend und Weihnachten stattfinden zu lassen. Ausnahmen sind bislang die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche, wo Gemeinden aufgerufen sind, bis zum 10. Januar auf Gottesdienste in Kirchen, Gemeindehäusern oder unter freiem Himmel zu verzichten. In einem Verzicht sehe die Kirche angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen ihren "Auftrag, der Liebe Gottes zu den Menschen zu entsprechen", erklärte die westfälische Kirche am Abend des 15. Dezember. Die Entscheidungen anderer evangelischer Landeskirchen und katholischer Bistümer würden aber respektiert.

Die sächsische Landeskirche äußerte sich ebenfalls vorsichtig. Gemeinden müssten abwägen. Was möglich sei, müsse nicht voll ausgeschöpft werden, hieß es in einer Mitteilung vom 16. Dezember. Sachsen verzeichnet derzeit sehr hohe Inzidenzen bei Neuinfektionen mit dem Coronavirus.

Rekowski: Gemeinden entscheiden

In der mitgliederstärksten evangelischen Landeskirche, der Landeskirche Hannover, bleibe man bei der Linie, Gottesdienste mit Besuchern am Heiligabend nicht abzusagen, teilte dagegen die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 16. Dezember mit. Die 20 evangelischen Landeskirchen hatten verabredet, die Entscheidung über Präsenzgottesdienste den einzelnen Gemeinden zu überlassen. So sprachen sich mehrere leitende Geistliche, darunter der rheinische Präses Manfred Rekowski, für diese Lösung aus. Aber es gebe nicht den einzig richtigen Weg, betonte er. In der hessen-naussauischen, der pfälzischen, der badischen und der württembergischen Kirche gilt Vergleichbares. Viele katholische Bistümer unterstützen die Möglichkeit zum Gottesdienstbesuch, etwa die Bistümer Köln, Essen, Münster, Speyer und Trier.

Die Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, betonte die hohe Verantwortung der Gemeinden vor Ort. Sie habe großes Verständnis, wenn Gemeinden ihre Präsenzgottesdienste an Weihnachten absagen, sagte sie in einer Videobotschaft an die Gemeinden. Im Zweifel sollten Gottesdienste eher abgesagt werden.

Ausgangssperre verhindert Christmetten

Nach Einschätzung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerischen Landesbischofs, Heinrich Bedford-Strohm, sind Präsenzgottesdienste keine Voraussetzung für die Verbreitung der christlichen Weihnachtsbotschaft, doch auch in Bayern sind evangelische Gottesdienste zu Weihnachten möglich. Bedford-Strohm hatte bereits am 15. Dezember auf Facebook mitgeteilt, dass man sich aber an die Ausgangssperre in Bayern halten werde. Damit entfallen traditionelle Christmetten in der Weihnachtsnacht. Die katholischen Bistümer hingegen hatten Ausnahmen für die Christmetten gefordert. Im benachbarten Baden-Württemberg etwa werden Ausnahmen für Christmetten von der Ausgangssperre gemacht, und auch in Hessen wird an Heiligabend der Beginn der Ausgangssperre in betroffenen Kommunen auf 24 Uhr verschoben.

Der Bund-Länder-Beschluss vom 13. Dezember hatte zu einer erneuten Diskussion darüber geführt, ob Gottesdienste abgesagt werden müssen. Das Angebot von Gottesdienstübertragungen im Fernsehen und Radio sowie im Internet wurde bereits ausgeweitet.



Mehr TV-Gottesdienste an Weihnachten

Selbst wenn der Besuch von Weihnachtsgottesdiensten mit Einschränkungen erlaubt ist: Viele Menschen werden in diesem Jahr lieber darauf verzichten. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben daher ihr kirchliches Angebot an den Weihnachtstagen gegenüber früheren Jahren deutlich erweitert, deshalb kommt es zu einigen Änderungen gegenüber dem Ablauf in den Programmzeitschriften. Weitere Änderungen sind möglich.

An Heiligabend ist ab dem Nachmittag bei ARD, ZDF oder einem der Dritten Programme zu praktisch jeder Uhrzeit ein Gottesdienst zu sehen. Der Reigen beginnt um 14.30 Uhr mit einem Weihnachtsgottesdienst in der evangelischen Auferstehungskirche in Hamburg-Lohbrügge, den der NDR überträgt. Um 15 Uhr folgt der RBB mit einer Ökumenischen Christvesper in der Berliner Gedächtniskirche. Um 16 Uhr sendet der MDR ein Weihnachtsliedersingen mit dem MDR-Kinderchor.

Evangelische Christvesper aus der St. Marien-Kirche in Winsen

ARD und ZDF zeigen am 24. Dezember in ihren Hauptprogrammen jeweils eine evangelische Christvesper: Das Erste überträgt um 16.15 Uhr aus der St. Marien-Kirche in Winsen an der Luhe, das Zweite um 19.15 Uhr: Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, feiert einen Gottesdienst in der Saalkirche Ingelheim. Der NDR überträgt ab 18.45 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst aus dem Bremer Dom.

Die Christmette mit Papst Franziskus aus Rom überträgt der BR ab 19.30 Uhr, das Erste zeigt ab 23.20 Uhr eine katholische Christmette in der Alten Kirche in Lobberich. Im Ökumenischen Seelsorgezentrum des Universitätsklinikums Dresden feiern Landebischof Tobias Bilz, Bischof Heinrich Timmerevers und Pfarrer Christoph Behrens ab 22.40 Uhr eine Christmette, die der MDR überträgt.

Kinderkanal zeigt TV-Film nach Idee von Kirsten Boie

Am Heiligen Abend zeigt der Kinderkanal bereits um 15.45 Uhr eine ganz besondere Einstimmung auf das Weihnachtsfest. Der Kurzfilm "Paule und das Krippenspiel" basiert auf einer Vorlage von Kinderbuchautorin Kirsten Boie: Titelheld Paule, ein schwarzer Junge, soll beim Krippenspiel die Rolle des schwarzen Heiligen Königs Kaspar übernehmen, er würde aber viel lieber den Engel spielen.

Am Ersten Weihnachtstag überträgt der BR ab 10 Uhr einen Gottesdienst mit dem bayerischen Landesbischof und Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) , Heinrich Bedford-Strohm, aus der Matthäuskirche in München. Das ZDF zeigt ab 10.45 Uhr einen katholischen Weihnachtsgottesdienst aus der Stiftsbasilika im österreichischen Rein, gefolgt vom Weihnachtssegen des Papstes ("Urbi et Orbi") um 12 Uhr.

Zusätzlich übertragen auch die Radiosender der ARD und der Deutschlandfunk Gottesdienste. Die Online-Angebote "evangelisch.de" und "katholisch.de" bieten Überblicke über die Fernseh- und Hörfunkgottesdienste.



Propst in Jerusalem: Stark begrenzte Weihnachtsgottesdienste


Erlöserkirche in der Altstadt von Jerusalem
epd-bild/Debbie Hill

Auch im Heiligen Land sind die traditionellen Weihnachtsgottesdienste wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt. "An den Feiertagen werden wir draußen im Innenhof der Propstei eine Reihe kleiner Gottesdienste anbieten", sagte der evangelische Propst in Jerusalem, Joachim Lenz, nach einer Mitteilung der rheinischen Landeskirche vom 15. Dezember. In Israel sind laut Lenz zu Gottesdiensten in Kirchen regulär nur zehn Besucher zugelassen, im Innenhof der Propstei dürfen 20 Menschen teilnehmen.

Zu Weihnachten würden noch keine Reisegruppen in der Stadt sein, sagte der rheinische Pfarrer Lenz, der seit August Propst in Jerusalem ist. Auch israelische Juden, die in den vergangenen Jahren in der Erlöserkirche einfach mal einen deutschen Weihnachtsgottesdienst erleben wollten, würden diesmal nicht kommen. Damit aber niemand vergeblich aus Tel Aviv anreise, gebe es ein Anmeldesystem. "Am zweiten Weihnachtstag laden wir abends zu Christmas Carols im Kreuzgang ein, wo an jedem Bogen der oberen Stockwerke eine Familie stehen und mit Maske in den Innenhof singen kann", erklärte Lenz.

Nur 40 Gläubige in Weihnachtskirche

In der lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem wird es laut Lenz Heiligabend am Nachtmittag einen dreisprachigen Gottesdienst geben. Dieser könne aber nur von 40 Gästen besucht werden, daher werde er zusätzlich live gestreamt. Gemeinsame Wanderungen in größeren Gruppen von Jerusalem nach Bethlehem zum dortigen Gottesdienst seien in diesem Jahr nicht möglich. Die Benediktiner der Dormitio-Abtei auf dem Berg Zion sammelten daher jetzt per Mail und Internet Wünsche und Gebetsanliegen, um sie am Heiligen Abend nach Bethlehem in die Geburtskirche mitzunehmen.

Zu den Aufgaben des Propstes in Jerusalem gehört neben der pastoralen Versorgung der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in Israel und in den palästinensischen Gebieten auch die Leitung der Stiftungseinrichtungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Jerusalem. Zudem ist er in Israel und in Jordanien Repräsentant der EKD.



Weihnachten: Kirchenbünde sprechen den Menschen Mut zu

Die großem Kirchenbünde haben christlichen Gläubigen in der ganzen Welt angesichts der Corona-Krise Mut zugesprochen. Selbst in schwierigsten Zeiten hätten Christinnen und Christen in der Weihnachtszeit immer Zuversicht gefasst, erklärte der Generalsekretär des Weltkirchenrates, Ioan Sauca, am 17. Dezember in Genf in seiner Weihnachtsbotschaft. Der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Panti Filibus Musa, sagte, das Fest werde in diesem Jahr bei vielen nicht dem vertrauten Gang entsprechen, weil man nicht mit lieben Menschen zusammenkommen, in den Kirchen beten oder traditionelle Weihnachtslieder gemeinsam singen könne.

Sauca schrieb, "in einer von Schmerz und Tod gegeißelten Welt ermöglicht uns das Weihnachtsfest, Trost zu finden, unsere Häupter in Hoffnung zu heben und in der Geburt Christi aus tiefem Glauben den Sieg des Lebens und der Liebe zu erkennen". Die räumliche Distanzierung von anderen Menschen und Beschränkungen, die notwendig seien, würden in diesem Jahr ein Dämpfer sein für die Feiern zum Weihnachtsfest, heißt es in der Botschaft des Ökumenischen Rates der Kirchen. "Die Menschen werden um die vielen Toten in aller Welt trauern, aber auch all jenen, die sich mit großem Engagement und Mut um die Kranken kümmern, ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen."

"Licht in der Dunkelheit"

Seit Anfang 2020 bestimme die Corona-Pandemie das Leben, sagte LWB-Präsident Musa. "Wir haben mit Angst und Furcht beobachtet, wie sich die Krankheit von einem Land zum nächsten, von einem Kontinent zum anderen ausbreitete und, was am schmerzlichsten ist, Hunderttausende von Menschenleben forderte", erklärte er. Weiter sagte er: "Möge das Licht in der Dunkelheit unseres Lebens und des Lebens aller Menschen leuchten, so wie es in der ersten Christnacht für die Hirten, die von den Engeln überrascht wurden, erstrahlte."

Auch der Präsident der Conference of European Churches (CEC), Christian Krieger, betonte, dass durch die Pandemie in der Advents- und Weihnachtszeit, die eigene Verwundbarkeit, Verlust und Entbehrung umso mehr präsent sei. Das Weihnachtsevangelium spiegele jedoch auf wunderbare Weise wider, wie Gott Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit begrüße, so wie Jesus als Kind in die Welt hineingeboren worden sei und auf die Liebe und Fürsorge anderer angewiesen sei.

Der Ökumenische Rat der Kirchen mit Sitz in Genf ist eine Gemeinschaft von 350 anglikanischen, protestantischen und orthodoxen Kirchen aus mehr als 110 Ländern, die weltweit über 500 Millionen Christen vertreten. Der Lutherische Weltbund mit Sitz in Genf ist eine Gemeinschaft von 148 lutherischen Kirchen in 99 Ländern, denen über 75,5 Millionen Christinnen und Christen angehören.



Corona-Krise: Kurschus besorgt über Situation von Flüchtlingen


Annette Kurschus
epd-bild//Gerd-Matthias Hoeffchen
Die massenweise Unterbringung von Flüchtlingen in zentralen Einrichtungen in NRW hat immer wieder für Kritik gesorgt. Engagierte der Flüchtlingshilfe und die westfälische Kirche warnen nun vor einer Verschärfung der Lage in der Corona-Pandemie.

Die westfälische Präses Annette Kurschus hat sich besorgt über die Situation von Flüchtlingen in der Corona-Pandemie geäußert. Schärfere Corona-Regelungen dürften nicht zu Einschränkungen der Menschrechte in den Einrichtungen führen, sagte die Präses am 17. Dezember bei einem Online-Gespräch mit Menschen, die sich für die Unterstützung von Flüchtlingen in den Landeseinrichtungen engagieren. Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, plädierte dafür, dass Kirche in den zentralen Unterbringungseinrichtungen Kirche präsenter sein solle.

In dem Online-Gespräch mit der Präses hatten mehrere in der Flüchtlingsbetreuung engagierte Menschen kritisiert, dass durch schärfere Corona-Regelungen die Rechte von Geflüchteten in den zentralen Einrichtungen stark beschnitten würden. So seien Kontakte zu Flüchtlingen stark eingeschränkt, Beschwerden würden nicht mehr bearbeitet und es gebe kaum Informationen über Möglichkeiten der Unterstützung.

Landeskirchenrat: Es darf in Flüchtlingseinrichtungen keine "toten Winkel" geben

Landeskirchenrat Jan-Dirk Döhling, Leiter des Dezernats für gesellschaftliche Verantwortung, erklärte, es dürfe in den Flüchtlingseinrichtungen keine "toten Winkel" geben, in denen de facto rechtsfreie Räume entstünden. Döhling plädierte dafür, dass die zentrale Flüchtlingsunterkünfte flächendeckend regelmäßig von Vertretern der Kirche besucht werden sollten. Es sei wichtig, den Menschen in den Flüchtlinseinrichtungen das Gefühl zu vermitteln, dass die Öffentlichkeit daran interessiert sei, was dort geschehe.

Eine Frau, die bis vor wenigen Tagen in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung gelebt hat, berichtete, dass bereits geplante Verteilungen von geflüchteten Menschen auf die Kommunen in der Corona-Pandemie immer weiter verzögert würden. Viele Menschen in der Einrichtung lebten in Unsicherheit und Angst. Das verursache aggressives Verhalten bei den Flüchtlingen. Eine stärkere Aggressivität gebe es aber auch bei den Mitarbeitern der Einrichtung.

Vertreter der Flüchtlingshilfe beklagten zudem, dass Flüchtlinge ihre Räume nicht verlassen dürften, wenn nicht genug Personal zur Verfügung stünde. Auch würden willkürlich lange Quarantäne-Zeiten angeordnet. Vorgeschlagen wurde unter anderem die Einrichtung von Beiräten für die jeweiligen Landeseinrichtungen. Diese sollten eine Öffnung zur Zivilgesellschaft ermöglichen.

Kurschus dankte ausdrücklich den Menschen, die sich für Unterstützung und Beratung von Flüchtlingen in den Landeseinrichtungen engagieren. Mit einer Reihe digitaler Gespräche tauscht sich die westfälische Präses Kurschus mit Berufsgruppen und gesellschaftlichen Bereichen über die Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen aus. Bis Weihnachten sind weitere "Lockdown-Gespräche" unter anderem mit Medizinern und Pflegekräften geplant.



Rheinische Kirche wählt Präses und Finanzchef neu


Die Kandidatin und zwei Kandidaten für die Rekowski-Nachfolge
epd-bild/EKiR
Wichtige Personal- und Finanzentscheidungen, Debatten über zentrale Themen: Trotz der Corona-Pandemie tagt im Januar die rheinische Landessynode. Allerdings nicht wie gewohnt in Bad Neuenahr, sondern ausschließlich per Videokonferenz.

Die Evangelische Kirche im Rheinland entscheidet Mitte Januar über einen neuen leitenden Theologen und einen neuen Finanzchef. Die erstmals per Videokonferenz tagende Landessynode verabschiedet zudem den Haushalt für 2021 und diskutiert kirchliche Zukunftsperspektiven, wie die zweitgrößte deutsche Landeskirche am 16. Dezember in Düsseldorf ankündigte. Weitere Themen der fünftägigen Beratungen sind Flucht und Migration, Klimaschutz und Friedensethik. Das ursprünglich geplante Schwerpunktthema Seelsorge entfällt. Die rheinische Kirche hat 2,45 Millionen Mitglieder in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen.

Für acht Jahre wählt die Synode bei ihrer Tagung vom 11. bis 15. Januar einen neuen Präses. Dieser vertritt die Landeskirche künftig in der Öffentlichkeit und übt den Vorsitz in Landessynode und Kirchenleitung aus.

Der 62-jährige Amtsinhaber Manfred Rekowski, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, geht nach achtjähriger Amtszeit als leitender Theologe im März in den Ruhestand. Um seine Nachfolge bewerben sich der aus Bayern stammende Theologieprofessor Reiner Knieling (57), der Leiter der Evangelischen Akademie Frankfurt, Thorsten Latzel (50), und die Superintendentin des Kirchenkreises An Sieg und Rhein, Almut van Niekerk (53), die als erste Frau in das Leitungsamt gewählt werden könnte.

Flüchtlinge, Klimaschutz und Finanzen beschäftigen Landessynode

Weil Finanzdezernent Bernd Baucks (58) nach achtjähriger Amtszeit seine Bewerbung um eine Wiederwahl zurückzog, entscheidet die Landessynode am 14. Januar auch über den künftigen Finanzchef. Einziger Kandidat ist der aus Mönchengladbach stammende Diplom-Kaufmann Volker Leimert (53), der zurzeit bei der Evangelischen Zusatzversorgungskasse in Darmstadt arbeitet.

Für die Leitung des Bildungsbereichs kandidieren Amtsinhaberin Henrike Tetz (57) und der Theologe Marco Sorg (53), Dozent am Pädagogischen Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen. Darüber hinaus wählen die rund 200 stimmberechtigten Mitglieder der Landessynode bei ihrer Tagung mehrere nebenamtliche Mitglieder der 15-köpfigen Kirchenleitung - sie ist das wichtigste Gremium nach der Synode.

Der Haushalt für 2021 wird coronabedingt auf der Basis von fünf Prozent geringeren Kirchensteuereinnahmen als 2019 geplant. Die Finanzabteilung erwartet ein Defizit von 7,5 Millionen Euro, das aus Rücklagen gedeckt werden muss. Für finanzielle Entlastung der 668 rheinischen Kirchengemeinden soll sorgen, dass bis zu 85 Millionen Euro weniger in die Versorgungskasse für die Pfarrerpensionen fließen. Darein geht aber immer noch knapp jeder fünfte Kirchensteuer-Euro.

Wegen der Corona-Pandemie tagt das oberste Gesetzes- und Entscheidungsorgan der rheinischen Kirche ausschließlich digital. Lediglich die Kirchenleitung und die Ausschussvorsitzenden kommen für die Synode an einem gemeinsamen Ort, im Landeskirchenamt in Düsseldorf, zusammen.

Der scheidende Präses Rekowski nannte als ein zentrales Thema, das auch nach seinem Ausscheiden bleiben werde, die Bereitschaft zu Veränderungen des kirchlichen Lebens nicht nur aufgrund nötiger Sparanstrengungen. Es gelte, weiterhin mutig und experimentierfreudig zu sein. "Nicht locker lassen" werde die rheinische Kirche auch bei ihrem Einsatz für Flüchtlinge, kündigte der Theologe an. "Es gibt neben Corona noch andere wichtige Fragen, wo Menschen auf der Strecke bleiben, zu Tode kommen, ums Leben gebracht werden oder unter furchtbaren Bedingungen leben."



Kirchentag 2025 kommt nach Hannover

Alle zwei Jahre kommen rund 100.000 Christen zum evangelischen Kirchentag und bringen eine Großstadt in Feststimmung. In fünf Jahren gastiert die Veranstaltung erneut in der niedersächsischen Landeshaupstadt und kehrt damit an ihre Wurzeln zurück.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2025 findet in Hannover statt. Der Rat der Stadt beschloss am 17. Dezember mit fraktionsübergreifender Mehrheit, das fünftägige Protestantentreffen mit rund 100.000 Teilnehmern offiziell in die niedersächsische Landeshauptstadt einzuladen, wie Stadt und Organisatoren mitteilten. Das Präsidium des Kirchentages hatte sich bereits vorab auf Hannover als möglichen Ausrichter der Großveranstaltung festgelegt, da andere Bewerbungen nicht vorliegen.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, der Kirchentag sei herzlich in Niedersachsen willkommen: "Viele von uns haben die evangelischen Kirchentage in Hannover in allerbester Erinnerung - insbesondere den letzten im Jahr 2005." Der alle zwei Jahre stattfindende evangelische Kirchentag kehrt damit insgesamt zum vierten Mal in seine Gründungsstadt zurück.

Der hannoversche Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) betonte: "Hannover ist ein idealer Ort für dieses Fest - bunt, divers und weltoffen." Die Stadt wird gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers Gastgeberin des 39. Kirchentages sein. Sie will sich mit vier Millionen Euro auch finanziell an der Ausrichtung beteiligen. Hannover rechnet mit insgesamt rund 2.000 Einzelveranstaltungen auf dem Gelände der Deutschen Messe AG, im Stadtgebiet und in der Region Hannover.

25 Millionen Euro Kosten

Für den Kirchentag werden nach Angaben von Stadt und Organisatoren Kosten von insgesamt rund 25 Millionen Euro zu decken sein. Rund ein Viertel davon werde durch Eigenmittel wie Teilnehmerentgelte oder Spenden finanziert. Das Land Niedersachsen hatte bereits im Juni sieben Millionen Euro zugesagt. Die hannoversche Landeskirche übernimmt ebenfalls sieben Millionen Euro. Der Bund steuert 500.000 Euro bei. "Der Kirchentag in Hannover ist für uns alle ein großer Gewinn", sagte der evangelische Landesbischof Ralf Meister: "Gerade das nun zu Ende gehende Jahr hat uns schmerzlich gezeigt, wie sehr wir aus persönlichen Begegnungen leben."

Der Deutsche Evangelische Kirchentag wurde im Jahr 1949 in Hannover gegründet. Gemeinsam mit Freunden initiierte damals der Jurist und Politiker Reinold von Thadden-Trieglaff (1891-1976) die von der Amtskirche unabhängige Bewegung. Auch in den Jahren 1967 und 1983 war der Kirchentag in Hannover zu Gast.

Im kommenden Jahr sollte der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt am Main stattfinden, das Treffen wird aber wegen der Corona-Pandemie überwiegend digital ausgerichtet. 2023 wird der 38. Evangelische Kirchentag in Nürnberg gefeiert.



Ökumenischer Kirchentag 2021 von zu Hause


"schaut hin": Der Ökumenische Kirchentag wird nur digital stattfinden.
epd-bild/OeKT
Eine Großveranstaltung mit Tausenden Menschen im Mai in Frankfurt? Das erschien der Stadt und den Veranstaltern des Ökumenischen Kirchentags angesichts der Corona-Pandemie derzeit nicht planbar. Er wird nicht abgesagt, sondern digital werden.

Keine externen Besucher, keine Massenveranstaltungen, nur vollständig digitales Programm: Der Ökumenische Kirchentag (ÖKT) 2021 in Frankfurt am Main wird nicht so stattfinden, wie er geplant war. Das gaben die Veranstalter am 17. Dezember bekannt. Grund dafür sei die Corona-Pandemie, die eine zuverlässige Planung für kommendes Jahr unmöglich mache. Die Entscheidung ist auch eine Absage an das bekannte Format des Kirchentags als Glaubensfest mit mehr als hunderttausend Besuchern. Ursprünglich sollte er vom 12. bis 16. Mai in Frankfurt stattfinden.

Stattdessen wird es laut Veranstaltern ein stark konzentriertes und volldigitales Programm am Samstag, 15. Mai, geben. Wie genau das Programm aussehen wird, soll Anfang kommenden Jahres bekanntgegeben werden.

Doch auch vor Ort soll es Angebote geben: einen zentralen Eröffnungsgottesdienst an Christi Himmelfahrt, konfessionelle Gottesdienste am Samstagabend und einen Schlussgottesdienst am Sonntag. Alle Gottesdienste sollen bundesweit übertragen und in den Heimatgemeinden mitgefeiert werden können.

"Der ÖKT kommt zu ihnen nach Hause"

Nach Gesprächen mit den zuständigen Behörden zur Einschätzung der Lage und zu einem möglichen Hygienekonzept sei deutlich geworden: Der 3. ÖKT werde anders - konzentrierter, dezentraler, digitaler, erklärten die Veranstalter. Damit werde dem Gesundheitsschutz in Frankfurt Rechnung getragen.

"Da die Menschen nicht nach Frankfurt kommen können, kommt der 3. ÖKT zu ihnen nach Hause. Wir laden alle dazu ein, den ÖKT in der Kirchengemeinde, im Verband oder im Freundeskreis mitzuerleben", sagte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Präsident des ÖKT. "schaut hin" sei mehr als das Mitverfolgen am Bildschirm, sagte er in Bezug auf das Leitwort des Kirchentags "schaut hin".

"Wir wissen um die Hoffnung der Menschen auf Begegnung und gelebte Gemeinschaft. Deshalb werden wir alles daransetzen, um diese mit neuen Formaten zu erfüllen", sagte die evangelische ÖKT-Präsidentin Bettina Limperg.

"Vieles Liebgewonnene aus der Tradition der Kirchen- und Katholikentage kann unter Pandemiebedingungen nicht stattfinden: der Abend der Begegnung, große feierliche Gottesdienste, Diskussionsforen mit vielen hundert Besuchern, Workshops und vieles mehr. Das schmerzt", sagte Limburger katholische Bischof, Georg Bätzing. Er ist einer der Gastgeber.

"Etwas völlig Neues kann entstehen"

Gleichzeitig betonte Bätzing, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, dass es wichtig sei, am Ökumenischen Kirchentag festzuhalten. Eine Absage sei keine Alternative, sagte er. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, sagte als zweiter Gastgeber: "Jetzt kann ganz entspannt und ohne Druck etwas völlig Neues entstehen." Die gastgebenden Kirchen würden sich inhaltlich in das neue Programm einbringen.

Der 3. Ökumenische Kirchentag wird gemeinsam vom Deutschen Evangelischen Kirchentag und vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken organisiert. Noch im September hatten die Organisatoren als Reaktion auf die Corona-Pandemie geplant, die Teilnehmerzahl auf 30.000 zu begrenzen und nach einem strengen Hygienekonzept zu verfahren. Am ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 hatten mehr als 200.000 Menschen teilgenommen, beim zweiten in München 2010 waren es mehr als 130.000.

Im Jahr 2022 soll Ende Mai ein Katholikentag in Stuttgart stattfinden. Für 2023 lädt der Deutsche Evangelische Kirchentag für Anfang Juni nach Nürnberg ein. Diese sollen nun noch ökumenischer gestaltet werden, so Sternberg.



Kirchen fordern Stopp aller Waffenexporte an Libyen


Demonstration vor dem Reichstag gegen Waffenhandel (Februar 2019)
epd-bild/Jürgen Blume
Die Bundesregierung betont stets ihre restriktive Politik bei Rüstungsexporten. Die Kirchen halten diese Rhetorik für wenig glaubwürdig - und fordern ein Gesetz.

Die Kirchen fordern die Bundesregierung zu einem Stopp aller Waffenexporte an Kriegsparteien in Libyen und im Jemen auf. In dem am 17. Dezember vorgestellten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) heißt es, dass zudem sämtliche Rüstungslieferungen an Staaten "ausnahmslos zu versagen" seien, die gegen das UN-Waffenembargo in Libyen verstoßen. Der katholische GKKE-Vorsitzende, Prälat Karl Jüsten, warf der Bundesregierung in Berlin mangelnde Glaubwürdigkeit vor und sprach von einer wachsenden "Kluft zwischen restriktiver politischer Rhetorik und einer alles anderen als restriktiven Praxis".

Empfängerstaaten deutscher Rüstungsgüter versorgten die Konfliktakteure in Libyen mit Waffen, Soldaten und Söldnern oder unterstützten sie gar mit Luftangriffen, sagte er. Das geschehe trotz Waffenembargo der Vereinten Nationen, welches die Irini-Mission der Europäischen Union im Mittelmeer durchzusetzen versuche. Konkret verwies Jüsten auf Rüstungsexporte an die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und die Türkei. Selbst die unmittelbare Beteiligung an Kriegen führe nicht zum Stopp aller Ausfuhrgenehmigungen und Exporte, kritisierte er. Die "diversen politischen Zielkonflikte" zwischen außen- und sicherheitspolitischen sowie wirtschaftspolitischen Interessen würden oftmals in einem "diffusen Graufeld" ausgetragen.

Forderung nach Kontrollgesetz

Kirchen und Friedensinitiativen sowie einige Oppositionsparteien fordern seit langem ein Rüstungsexportkontrollgesetz, weil die geltenden Regelungen zu unverbindlich sind. Es gibt auf EU-Ebene den "Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union", wonach Exportgenehmigungen zu verweigern sind, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Waffen zur internen Repression oder für "schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht" verwendet werden. Allerdings dürfen die EU-Staaten hierbei im eigenen Ermessen handeln. Das von Deutschland ratifizierte internationale Waffenhandelsabkommen (ATT) mit ähnlichem Inhalt sieht wiederum bei Vertragsbruch keinerlei Sanktionen vor.

Der Anfang 2018 ausgehandelte Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält ebenfalls eine Selbstverpflichtung: Er sieht einen Rüstungsexportstopp an alle unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligten Staaten vor. Die GKKE forderte, dass den Worten Taten folgen und alle Rüstungsexporte an Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition untersagt werden. Dazu gehören ihren Angaben nach auch Ägypten, Bahrain, Kuwait, Jordanien, Senegal, Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Acht Milliarden Euro

Die Vorsitzende der Fachgruppe Rüstungsexporte, Simone Wisotzki, begrüßte, dass der Waffenexportstopp für Saudi-Arabien verlängert wurde. Dieser war von der Bundesregierung im Oktober 2018 nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul verhängt worden. Wisotzki kritisierte, dass es aber sogenannte Retransfers von Rüstungsgütern gegeben habe, die dadurch über Umwege in das arabische Königreich gelangt sind: So wurden laut Bericht zwischen Januar 2019 und Juni 2020 "elektronische Systeme für militärisches Aufklärungs- und Nachrichtenwesen" im Wert von 4,6 Millionen Euro aus Frankreich reexportiert. Saudi-Arabien wird - ebenso wie den Vereinigten Arabischen Emiraten - vorgeworfen, bei Luftangriffen im Jemen nicht zwischen militärischen und zivilen Objekten zu unterscheiden. Damit verstoßen sie gegen das Völkerrecht.

Der evangelische GKKE-Vorsitzende, Prälat Martin Dutzmann, wies auf weitere Schwachstellen bei der Rüstungsexportkontrolle hin - und zwar auf europäischer Ebene. In der EU müssten Entscheidungen über Rüstungsexporte einer breiten Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen, forderte er. Deutschland müsse seine Vetomöglichkeit bei Gemeinschaftsprojekten zudem erhalten. 2019 wurden in Deutschland Rüstungsexporte im Rekordwert von mehr als acht Milliarden Euro genehmigt.



Bedford-Strohm verteidigt zivile Seenotrettung

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat den Einsatz der Kirche für Geflüchtete auf dem Mittelmeer verteidigt. Man könne über Migration und Flüchtlingspolitik streiten, "aber man kann diese Menschen nicht ertrinken lassen", sagte Bedford-Strohm am 20. Dezember in einem digitalen Gottesdienst aus Berlin-Neukölln.

Bedford-Strohm, der aus München zugeschaltet war, forderte die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die zivile Seenotrettung im Mittelmeer nicht weiter behindert werde. Für ihn als Christen gehe es bei der Unterstützung von Geflüchteten nicht nur um eine politische oder ethische, sondern auch um eine geistige Frage, sagte der bayerische Landesbischof mit Verweis auf die Fluchtgeschichte des neugeborenen Jesuskindes in der Bibel.

Der Gottesdienst des Evangelischen Kirchenkreises Neukölln stand unter dem Motto "... denn sie hatten keinen Raum" und sollte an die Schutzsuchenden an Europas Außengrenzen erinnern. An dem aus der Martin-Luther-Kirche in Neukölln per Livestream und als Videokonferenz übertragenen Gottesdienst nahmen den Angaben zufolge mehr als 3.000 Menschen vor ihren Bildschirmen teil. Im Anschluss wurde zu Spenden für "United4Rescue" aufgerufen, das von der EKD initiierte Bündnis zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung.



Bischof Stäblein: Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist enorm

Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein beobachtet in der Corona-Krise einen "enormen Zusammenhalt" in der Gesellschaft. Es gebe zwar "sehr starke Pole", die sich lautstark äußerten, aber 60 bis 90 Prozent halten "in unheimlicher Weise zusammen", sagte Stäblein im Deutschlandfunk: "Ich möchte, dass wir das nicht kleinreden."

Zugleich werde aber "die Ungeduld größer," sagte Stäblein. Es sei eine "große Herausforderung, noch einen Moment miteinander Geduld zu üben". An die Politik appellierte er, nicht noch einmal "falsche Hoffnungen zu machen". Die Versprechen von Anfang November, die nicht gehalten werden konnten, täten im Dezember "besonders weh".

Mit Blick auf Pflegeheime und Krankenhäuser sagte er, es sei wichtig vor Ort zu sein: "Wir sind da, wo Menschen krank sind, wo Menschen sterben." Die Toten dürften keine Zahl bleiben. Vielmehr müsse der Toten gedacht und die Trauernden müssten begleitet werden.

In der Debatte über Gottesdienste am Weihnachtsfest sagte Stäblein, es sei "ganz schwer, in dieser Situation den richtigen Weg zu finden." Es sei eine Frage, "die uns als Kirchen ganz zerrissen macht". Er könne beide Seiten verstehen - sowohl jene, die freiwillig auf Gottesdienste verzichten, als auch jene, die "gerade jetzt mit öffentlichem Gebet für die Menschen und für die Gesellschaft da sein wollen". Beide Positionen seien richtig. Es gehe darum, in evangelischer Freiheit zu entscheiden, was "dem Schutz des Nächsten dienlich" sei. "Ich bin aber auch ganz bei denen, die sagen, wir halten die Kirchen offen, machen Gebete in kleiner Zahl, halten uns ganz streng an die Vorschriften", sagte der Bischof.



Sozialpolitischer Aschermittwoch der Kirchen zum Thema Pflege

Die gesellschaftliche Bedeutung des Pflegebereichs steht im Blickpunkt des Sozialpolitischen Aschermittwochs der Kirchen am 17. Februar. Unter der Überschrift "Lebensrelevant! Was ist uns Pflege wert?" diskutieren der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, mit Experten aus dem Sozialbereich, wie das Ruhrbistum am 18. Dezember ankündigte.

Als Veranstaltungsort ist die Katholische Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr vorgesehen. Die von der Wolfsburg und der Evangelischen Akademie im Rheinland vorbereitete Diskussion ist den Angaben zufolge als Hybridveranstaltung geplant, so dass Gäste auch online teilnehmen können.



Kirche enthebt umstrittenen Pastor Latzel des Dienstes

Die Bremische Evangelische Kirche hat den wegen Volksverhetzung verurteilten Pastor Olaf Latzel vorläufig des Dienstes enthoben. In der vorigen Woche hatte die Kirchenleitung diesen Schritt bereits beschlossen, sollte Latzel nicht freiwillig einer Ruhevereinbarung für die Dauer des laufenden Disziplinarverfahrens zustimmen. Nach Rücksprache mit seinem Verteidiger habe Latzel eine solche Vereinbarung am 16. Dezember jedoch abgelehnt, sagte Kirchensprecherin Sabine Hatscher. Daraufhin sei ihm der Bescheid über seine vorläufige Dienstenthebung ausgehändigt worden. Diese beziehe sich auf sämtliche Bereiche seines Dienstes.

Der leitende Theologe der bremischen Kirche, Pastor Bernd Kuschnerus, hatte einige Tage zuvor erklärt, es sei nach Überzeugung der Kirchenleitung nicht möglich, dass ein wegen Volksverhetzung verurteilter Pastor während der Dauer des Disziplinarverfahrens weiter seinen Dienst tut. Dies gelte gerade auch, solange die Verurteilung nicht rechtskräftig ist.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Latzel ist Pastor der evangelischen St.-Martini-Gemeinde in der Bremer Innenstadt. Er war am 25. November vor dem Amtsgericht wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro (Az: 96 Ds 225 Js 26577/20). In der Urteilsbegründung sagte Richterin Ellen Best, Latzel habe in einem auf Youtube verbreiteten "Eheseminar" zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil Latzels Verteidiger Berufung eingelegt hat.

Solange das Urteil nicht endgültig ist, bleibe das kirchliche Disziplinarverfahren weiterhin ausgesetzt, erläuterte Hatscher. Gegen den Bescheid der Dienstenthebung sei ein Widerspruch zunächst beim Disziplinargericht der Bremischen Evangelischen Kirche und in einer weiteren Instanz bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) möglich. Da es sich um ein laufendes Verfahren und eine vorläufige Dienstenthebung handle, blieben Latzels Bezüge davon unberührt.



Vertuschungsvorwurf gegen Woelki: Opfer widerspricht dem Erzbischof

Im Fall des Missbrauchsvorwurfs gegen einen Düsseldorfer Priester, den der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki 2015 nicht nach Rom gemeldet hatte, hat sich das mutmaßliche Opfer zu Wort gemeldet. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" (16. Dezember) berichtet, widerspricht der Betroffene Woelkis Darstellung, er habe an der Aufklärung nicht mitwirken wollen. Dies könne er "so nicht bestätigen", schreibe der Mann in einer E-Mail an den Düsseldorfer "Express". Er habe "detailliert über die Tat berichtet und habe gebeten, soweit wie möglich außen vor gelassen zu werden", heißt es in dem Schreiben, das dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vorliegt. "Eine generelle Verweigerung der Mithilfe hat aber nicht stattgefunden."

Das Erzbistum habe auf Anfrage bestätigt, dass der Betroffene sich nach den Medienberichten in der vergangenen Woche auch bei Woelki gemeldet habe, schreibt die Zeitung weiter. Es habe Gespräche zwischen dem Kardinal und dem Betroffenen gegeben. Über die Inhalte habe das Erzbistum keine Auskunft gegeben, aber mitgeteilt, dass "aktuelle Erkenntnisse" aus dem Gespräch nun "eine Chance zu weiterer Aufklärung" böten.

Woelki wird Vertuschung vorgeworfen, weil er 2015 nach der Prüfung von Personalakten einen mutmaßlichen Missbrauchsfall nicht an den Apostolischen Stuhl in Rom gemeldet hatte. Das Erzbistum begründet dies damit, dass der beschuldigte Pfarrer wegen Demenz und eines Schlaganfalls nicht ansprechbar gewesen sei und das Opfer sich nicht in der Lage gesehen habe, "sich weiter zur Sache zu äußern". Nach dem Lautwerden der Vorwürfe hat der Kölner Erzbischof nach eigenen Angaben Papst Franziskus gebeten, sein Vorgehen zu prüfen.



Vatikan-Regeln für Meldung von Missbrauchsfällen lassen Spielräume

Seit dem der Vorwurf gegen den Kölner Erzbischof Woelki erhoben wird, er habe einen Missbrauchsfall vertuscht, streiten Kirchenrechtler über die bestehenden Regeln. Trotz Verschärfung der Meldeplicht lassen päpstliche Normen Ermessensspielraum.

Als Missbrauchsskandale der US-amerikanischen Kirche vor zwanzig Jahren die Weltöffentlichkeit erschütterten, beauftragte der damalige Papst Johannes Paul II. die vatikanische Glaubenskongregation mit der kirchenrechtlichen Aufarbeitung. Mit wachsendem Bewusstsein für die Schwere dieser "delicta graviora" verschärften seine Nachfolger die Regeln für den Umgang mit sexuellen Übergriffen auf Minderjährige und Schutzbedürftige sowie deren Vertuschung.

Bereits unter dem polnischen Papst wurde die Devise der "Null-Toleranz" ausgegeben. Doch auch die jüngste Verschärfung, die Papst Franziskus im vergangenen Jahr nach dem Missbrauchsgipfel im Vatikan erließ, lässt erhebliche Spielräume.

Vatikanische Kirchenrechtler betonen zwar, die Pflicht, Verdachtsfälle zu prüfen, gelte bereits seit dem Papstschreiben "Sacramentorum Sanctitatis Tutela" (Der Schutz der Heiligkeit der Sakramente) von 2001 von Papst Johannes Paul II. Der amtierende Papst verschärfte die Pflicht, in dem er in seinem Dekret "Vos estis lux mundi" (Ihr seid das Licht der Welt) vom vergangenen Jahr unterlassene Meldungen an den Vatikan mit Strafen belegte. Doch die Kirchenrechtler im Vatikan sind überzeugt, dass der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki nicht verpflichtet war, einen Missbrauchsfall, von dem er 2015 Kenntnis erlangte, an die Glaubenskongregation zu melden.

Fall wurde während Zeit von Erzbischof Joachim Meisner bekannt

In dem Fall, in dem Woelki in der vergangenen Woche Vertuschung vorgeworfen wurde, erhielt das mutmaßliche Opfer 2011 eine Entschädigung. Nachdem Woelki 2014 Erzbischof von Köln wurde, verzichtete er darauf, die Untersuchung des Falls nachzuholen, die sein Vorgänger Joachim Meisner unterlassen hatte. Der beschuldigte Pfarrer sei aufgrund eines Schlaganfalls und fortgeschrittener Demenz nicht ansprechbar gewesen, teilte die Erzdiözese mit. Gleichzeitig habe der Anzeigeerstatter deutlich gemacht, er sehe sich nicht in der Lage, "sich weiter zur Sache zu äußern".

Für eine Klärung des Sachverhalts wäre aus Sicht der Erzdiözese "jedoch eine persönliche Konfrontation zwingend erforderlich gewesen". Eine Voruntersuchung muss laut Handbuch der Glaubenskongregation für den Umgang mit Missbrauchsfällen vom vergangenen Sommer "detailliertere Informationen hinsichtlich der Tatsachen, der Umstände und der strafrechtlichen Zurechenbarkeit sammeln".

Das Ergebnis einer solchen Voruntersuchung muss dem im Juli erlassenen "Vademecum zu einigen Fragen in den Verfahren zur Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger" zufolge an die Glaubenskongregation gemeldet werden. Im vorliegenden Fall sah Woelki sich nach Angaben der Diözese aufgrund mangelnder Möglichkeiten, beide Seiten anzuhören und miteinander zu konfrontieren, außer Stande, eine solche Untersuchung durchzuführen.

Keine Verpflichtung

Das "Vademecum" verpflichtet nicht dazu, auch dann die Glaubenskongregation zu informieren, wenn es nicht zu einer Voruntersuchung kommt, betont aber, es sei "ratsam", dies zu tun. Als Woelki nach Angaben des Bistums 2015 den Fall prüfte, informierte er Rom weder über den Fall noch über die Entscheidung, keine Voruntersuchung durchzuführen.

Woelki hat Papst Franziskus darum gebeten, die Vorwürfe gegen ihn zu klären. Auch der Münsteraner Bischof Felix Genn prüft gemäß dem kanonischen Recht als dienstältester Bischof der zuständigen Kirchenprovinz die Aufnahme kirchenrechtlicher Ermittlungen gegen seinen Amtsbruder.

Bettina Gabbe (epd)


Erzbistum Köln verliert Kommunikationsdirektor Günther

Der Kommunikationsdirektor im Generalvikariat des Erzbistums Köln, Markus Günther, verlässt die Diözese. Er gehe beruflich neue Wege und kehre zu seiner Familie in die USA zurück, teilte das Erzbistum am 15. Dezember mit. Der Journalist und Autor, der vor zwei Jahren seine Tätigkeit im Erzbistum begonnen hatte, wolle sich fortan ganz auf seine schriftstellerische Tätigkeit konzentrieren, hieß es. "Ich gehe im Guten und freue mich darauf, wieder mehr Zeit für meine Familie und mehr Zeit zum Schreiben zu haben", zitiert das Erzbistum Günther.

Als Kommunikationsdirektor verantwortete Günther die Aufgaben der 40-köpfigen Hauptabteilung Medien und Kommunikation und baute unter anderem die Social Media Kanäle des Erzbistums aus. Darüber hinaus war er Mitglied im Lenkungsteam für die aktuelle Etappe des Pastoralen Zukunftsweges und diözesaner Beauftragter für den Reformprozess in der katholischen Kirche, den sogenannten Synodalen Weg.

Vor seiner Tätigkeit für das Erzbistum war Günther für zahlreiche deutsche und US-amerikanische Zeitungen tätig, darunter die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Los Angeles Times". Zudem war er mehrere Jahre Auslandskorrespondent in Brüssel und Washington sowie Chefredakteur der "Augsburger Allgemeinen" und Autor mehrerer Bücher.

Die Aufgaben des Kommunikationsdirektors im Erzbistum übernimmt kommissarisch Hermann-Josef Johanns, früherer Geschäftsführer des Weltjugendtags in Köln und des Domradios. Johanns war auch mit leitenden Verwaltungs- und Kämmereraufgaben der Regionalrendantur Mitte-Ost im Erzbistum betraut. Die mit dem Eintritt in den Ruhestand von Christoph Heckeley am 31. Oktober freigewordene Stelle des Pressesprechers wird von dem PR-Experten Oliver Schillings kommissarisch wahrgenommen.

"Wir sind den beiden dankbar, dass sie in unruhigen Zeiten für den Übergang der Hauptabteilung im Besonderen und dem Erzbistum Köln im Ganzen ihre Erfahrung zur Verfügung stellen", sagte Generalvikar Hofmann.

Die Leitung des Erzbistums steht derzeit wegen der Nichtveröffentlichung einer Studie zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche an Kindern und Schutzbefohlenen massiv in der Kritik. Auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki steht in der Kritik und muss sich des Vorwurfs erwehren, er habe Ermittlungen gegen einen des Missbrauchs beschuldigten Pfarrer vertuscht.




Kirchenkreise

"Weihnachtswagen" verbreitet am Heiligabend frohe Botschaft


Künstler Jacques Tilly (von links), Pastor Thomas Gerhold und Thorsten Ruhnau stellten den Wagen am 17. Dezember vor.
epd/Hans-Jürgen Bauer
Unter dem Motto "Wir bringen Licht in die Heilige Nacht" bringt ein Weihnachtswagen am 24. Dezember in Ratingen die frohe Botschaften zu den Menschen nach Hause. Zum Abschluss ist ein "großes Finale" um 22.30 Uhr vor der Friedenskirche geplant.

Ein vom Düsseldorfer Künstler Jacques Tilly gestalteter "Weihnachtswagen" wird am Heiligabend durch Ratingen fahren. "Wir haben uns für das Weihnachtsfest eine 'rheinische Antwort' auf Corona überlegt", erläuterte Pastor Thomas Gerhold von der evangelischen Friedenskirche in Ratingen-Ost am 16. Dezember bei der Vorstellung des Projekts. "Die Kirche bleibt zu. Wir bringen die Weihnachtsbotschaft nach draußen zu den Menschen."

Unter dem Motto "Wir bringen Licht in die Heilige Nacht" sind den Angaben zufolge Stopps an mehreren Plätzen mit kurzen Gottesdiensten, Straßentheater und Straßenmusik und ein "großes Finale" um 22.30 Uhr auf dem Platz vor der Friedenskirche geplant. Auf dem Weihnachtswagen des Karnevalswagenbauers Tilly sind zwei Sterne mit Schweif zu sehen. Der eine hat die Form des Coronavirus und trägt die Aufschrift "Dieser Stern verglüht", der andere ist der Stern von Bethlehem, auf dem "Sein Licht leuchtet ewig" steht.



Gottesdienst-Absage: Superintendenten appellieren an Gemeinden

Die allermeisten evangelischen Gemeinden in Westfalen werden nach Einschätzung von Superintendentinnen und -intendenten die dringende Empfehlung der Landeskirche befolgen, bis zum Ende des Lockdowns am 10. Januar auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Die "Schutzbedürftigkeit des Lebens" sei bei der gemeinsam mit der westfälischen Präses Annette Kurschus und der Kirchenleitung "unter Schmerzen" getroffenen Entscheidung handlungsleitend gewesen, sagte der Bielefelder Superintendent Christian Bald am 16. Dezember. Angesichts der Sorge vor nochmaligen Verschärfungen der Corona-Regeln in der Weihnachtswoche habe man zudem "Klarheit schaffen wollen".

Der Superintendent des Kirchenkreises Tecklenburg, André Ost, erklärte in Lengerich, alle müssten ihren Beitrag dazu leisten, Kontakte zu reduzieren, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Er habe sich allerdings im Vorfeld des Beschlusses "eine bessere Abstimmung unter den Landeskirchen und Bistümern" gewünscht. Bisher haben unter den Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nur die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche ihren Gemeinden ausdrücklich den Verzicht auf jegliche Präsenzgottesdienste nahegelegt. Ost ging in seiner Stellungnahme davon aus, dass die meisten Gemeinden der am 15. Dezember veröffentlichten Empfehlung folgen.

Superintendentin Holtz betont Seelsorge-Angebote

Im Kirchenkreis Hattingen-Witten haben nach Angaben einer Sprecherin bereits fast alle Gemeinden entschieden, während des gesamten Lockdowns auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Superintendentin Julia Holtz betonte, es fänden zwar keine Gottesdienste statt, "aber Seelsorge sehr wohl". Die Kirche lasse "auch und gerade an Weihnachten" niemanden alleine. Alle Gemeinden wollten an den Feiertagen stundenweise ihre Kirchen zum Gebet und für seelsorgerliche Gespräche öffnen, zudem hätten alle Online- und Streaming-Angebote geplant, kündigte der Kirchenkreis an.

Auch die Kirchenkreise Hamm, Herne und Vlotho verwiesen auf alternative Angebote, an denen "mit Hochdruck" gearbeitet werde. Per Internet werde es Krippenspiele, Andachten und auch Gottesdienste geben, hieß es aus Hamm. Auch hier hätten einige Presbyterien bereits der Empfehlung der Landeskirche entsprechend, Gottesdienste in den Kirchen abgesagt.

Die Herner Superintendentin Claudia Reifenberger hob hervor, die "letzte Entscheidung, aber auch die letzte Verantwortung" liege vor Ort. Sie hoffe aber, dass die Presbyterien sich dem dringenden Rat der Landeskirche anschließen. Es sei anzuerkennen, dass Gottesdienstangebote der drastischen Reduzierung von Kontakten und Begegnungen "und damit dem Kern aller Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie" entgegenstünden, sagte Reifenberger.

"Gebot der Vernunft"

Ihre Dortmunder Amtskollegin Heike Proske bezeichnete es als "Gebot der Vernunft", auf Ansammlungen von Menschen zu verzichten. Proske bedauerte, dass vieles, was Haupt- und Ehrenamtliche "mit viel Energie, Aufwand und Organisationstalent" geplant hätten, "um den sehr ausgefeilten und guten Hygiene-Konzepten gerecht zu werden, in diesem Jahr nicht umgesetzt werden könne".

Der Superintendent von Lüdenscheid-Plettenberg, Christof Grote, räumte ein, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, widerspreche vollkommen dem christlichen Verkündigungsauftrag. Auf der anderen Seite müsse man sich fragen, ob man es angesichts erschreckend hoher Zahlen von Corona-Patienten auf den Intensivstationen und von Verstorbenen verantworten könne, dass sich so viele Menschen treffen. Er wisse, wie schwer die Entscheidung die Kirchengemeinden treffen werde, sagte Grote.

Im Kirchenkreis Minden habe Superintendent Michael Mertins die Gemeinden "dringend gebeten", den Empfehlungen der westfälischen Kirchenleitung zu folgen, teilte eine Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mit. In einer Pfarrkonferenz wurde demnach am 16. Dezember die Situation besprochen. Erst danach lasse sich sagen, ob es eine gemeinsame Linie gebe.

Auch in den westfälischen Kirchenkreisen Unna und Siegen werden bis zum 10. Januar 2021 keine Präsenzgottesdienste gefeiert. Stattdessen bieten die Gemeinden zum Beispiel Internet-Gottesdienste an, öffnen ihre Kirchen und laden zur Feier von Gottesdiensten zu Hause ein, wie Sprecher beider Kirchenkreise am 18. Dezember mitteilten. Die Entscheidung für den Verzicht auf die Gottesdienste in den Kirchen oder im Freien sei nirgendwo leichtgefallen, hieß es von beiden Seiten.

"Es schmerzt, wenn Menschen durch diese Maßnahme enttäuscht werden"

Besonders im Blick auf den Heiligen Abend und die Weihnachtsfeiertage schmerze es, "wenn Menschen durch diese Maßnahme enttäuscht werden", erklärte der Evangelische Kirchenkreis Siegen. Man wolle aber damit einen Beitrag zu einem erweiterten Gesundheitsschutz aller Gottesdienstbesucher leisten, der noch über die "nachweislich sicheren" Schutzkonzepte für Gottesdienste hinausgehe. Der Kirchenkreis sprach von einem "Gebot der Vernunft" und einem Zeichen der Solidarität und Nächstenliebe, die Anzahl der Kontakte von Menschen auch durch den Verzicht auf Gottesdienste zu minimieren.

Die alternativen Weihnachtsangebote der Kirchengemeinden finden sich auf www.kirchenkreis-siegen.de beziehungsweise auf www.evangelisch-in-unna.de. Der Evangelische Kirchenkreis Unna gestaltet darüber hinaus gemeinsam mit dem katholischen Dekanat Unna ein dreistündiges Weihnachtsprogramm im Lokalradio Antenne Unna. Die Sendung wird an Heiligabend, 24. Dezember, von 15 bis 18 Uhr ausgestrahlt und wird auch danach in der Mediathek des Senders zu hören sein.



Viele Online-Gottesdienste an Weihnachten

Die beiden großen christlichen Kirchen werden auch an Weihnachten während des Lockdowns verstärkt im Internet präsent sein. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verwiesen am 21. Dezember jeweils auf Übersichten zu Online-Gottesdiensten auf ihren Internetseiten.

Unter "Kirche.tv" sammelt die Bischofskonferenz die großen Rundfunk- und Online-Gottesdienste während der Weihnachtsfeiertage. Diese Liste werde fortlaufend aktualisiert, hieß es. Wer online einen evangelischen Gottesdienst besuchen möchte, wird in der Internet-Datenbank auf der Seite der EKD fündig. Unter "weihnachtsgottesdienste.de" findet sich eine Auswahl an Angeboten aus den 20 evangelischen Landeskirchen.

So werden am Heiligabend Familiengottesdienste, Christvespern und Christmetten online übertragen, gestreamt wird zum Beispiel die Christmette im Kölner Dom am Heiligabend um 18 Uhr. Unter dem Leitwort "Fürchtet Euch nicht!" feiern der EKD-Ratsvorsitzende Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, einen ökumenischen Online-Weihnachtsgottesdienst an Heiligabend. Der Gottesdienst wird als Livestream ab 16 Uhr auf Youtube übertragen.



WDR 5 überträgt Radiogottesdienst zu Weihnachten aus Bochum

Die Radiosender WDR 5 und NDR Info übertragen am 26. Dezember einen Radiogottesdienst aus der Bochumer Pauluskirche. Der Bochumer Superintendent Gerald Hagmann und Pfarrer Constantin Decker leiten den Gottesdienst, der am zweiten Weihnachtstag um 10 Uhr beginnt. Der Gottesdienst hat das Motto "Trübe Nacht - Glänzendes Licht" und erinnert an eine Choralzeile aus dem bei dem Gottesdienst vorgetragenen Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach.

Kirchenmusikdirektor Arno Hartmann (Orgel) wird bei dem Oratorium von Thibaud Robinne an der Trompete und einem vierstimmigen Chor begleitet. "Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Radiogottesdienst ein Angebot haben, an dem wirklich alle Menschen in Bochum und darüber hinaus teilhaben können", sagte Superintendent Hagmann. Der Termin stand schon länger fest und erweist sich nun aufgrund der Corona-Pandemie und der geltenden Kontaktbeschränkungen als besonders günstig.

Internet: www.kirche-im-wdr.de



Diakonie speist Obdachlose unter strengen Corona-Vorgaben

Die Diakonie Dortmund bietet an Heiligabend 120 wohnungslosen Menschen eine warme Mahlzeit. Die traditionelle Speisung finde unter strengen Schutzauflagen statt, teile das Diakonische Werk mit. Die sonst übliche Andacht und die Musik müssten wegen der Corona-Pandemie diesmal entfallen.

Die eingeladenen und bereits namentlich erfassten Besucher essen den Angaben zufolge in zwei Gruppen zu je 60 Personen, die sich wiederum auf zwei große Säle im Tagungshaus Reinoldinum verteilen. Nach der ersten Gruppe werden beide Räume gründlich gereinigt. Vor dem Zutritt werde die Körpertemperatur der Gäste gemessen, die zudem FFP2-Masken erhalten, wie es weiter hieß. Zum Abschluss sollen die Obdachlosen, wie in jedem Jahr, eine Geschenktüte erhalten.



Wuppertaler Künstler-Krippe ab Heiligabend mit Jesus-Kind

Nach rund vierwöchiger Arbeit an der Künstler-Krippe auf dem Laurentiusplatz in Wuppertal-Elberfeld wird das Kunstwerk an Heiligabend fertiggestellt. Die Künstlerin Annette Marks wird um 12 Uhr das Jesus-Kind in die Krippe legen, wie die katholische Citykirche Wuppertal ankündigte. Anschließend werde Pastoralreferent Werner Kleine das Martyrologium, die alte traditionelle Ankündigung des Weihnachtsfestes, singen und die Weihnachtsbotschaft nach dem Matthäus-Evangelium verkünden. Der Gottesdienst könne online mitgefeiert werden, hieß es.

Die Künstler-Krippe besteht den Angaben zufolge aus einer fünf Meter langen und zwei Meter hohen bemalten Wand, vor der an Heiligabend ein Kinderwagen steht, in den das Jesus-Kind gelegt wird. Die Künstlerin Annette Marks hatte bereits im vergangenen Jahr eine Künstler-Krippe gestaltet.




Gesellschaft

Berlin erinnert an Terroropfer vom Breitscheidplatz


Gedenken am Ort des Anschlags
epd-bild/Christian Ditsch
Zwölf Glockenschläge für zwölf Tote: Vor vier Jahren verübte ein Attentäter einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Zum Jahrestag erinnert die Hauptstadt an die Opfer. Die Überlebenden kämpfen weiter mit den Folgen.

Zum vierten Jahrestag des islamistisch motivierten Terroranschlags ist am 19. Dezember am Berliner Breitscheidplatz an die Opfer erinnert worden. Nach einem ökumenischen, live im Netz übertragenen Gottesdienst aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurden am Gedenkort direkt neben der Kirche Blumen und Kränze niedergelegt. Um 20.02 Uhr, dem Zeitpunkt des Anschlags, erklangen zwölf Glockenschlägen für die zwölf Todesopfer.

An der Gedenkfeier nahmen neben Angehörigen der Opfer und Überlebenden unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (beide SPD), sowie die Opferbeauftragten des Bundes und des Landes, Edgar Franke und Roland Weber, teil.

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagte in seiner Predigt, nach dem 19. Dezember 2016 sei die Geschichte Berlins "nicht mehr dieselbe wie vorher". "Solche blutigen Erinnerungen hören nie auf weh zu tun." Der Jahrestag des Attentats erinnere daran, "zu welcher Gewalt Menschen in der Lage sind". Zugleich rief er dazu auf, die Erinnerung auch als Herausforderung zu sehen, "alles zu tun", damit sich derartige Ereignisse nicht wiederholen.

An der Liturgie des Gottesdienstes war auch der evangelische Bischof Christian Stäblein beteiligt. Pfarrer Martin Germer verlas im Anschluss am Mahnmal vor der Kirche die Namen der Todesopfer.

Am 19. Dezember 2016 steuerte der islamistische Attentäter Anis Amri einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und tötete zwölf Menschen. Dutzende weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Seit Dezember 2017 erinnert ein über den Platz verlaufender "Riss" aus Bronze an den Terrorakt. Die Namen der Opfer wurden in die Treppenstufen eingraviert. Bereits am Nachmittag wurden zahlreiche Kränze, Blumen und Kerzen am Gedenkort abgelegt.

Kritik an der Hilfe für die Opfer

Derweil ist erneut Kritik an der Hilfe für die Opfer laut geworden. Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Franke, hatte bereits am 18. Dezember schnellere Hilfen für Betroffene angemahnt. Politisch habe sich zwar einiges getan. Die Bürokratie bei Anträgen und Gutachten sei jedoch für viele Betroffene eine weitere Belastung.

Franke forderte auch mehr Aufklärung über das Attentat. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages sei für die Betroffenen sehr wichtig. Ihnen helfe Klarheit über die Hintergründe. Franke forderte alle Sicherheitsbehörden auf, "mit größter Transparenz zur Aufklärung beizutragen".

Berlins Regierender Bürgermeister Müller erklärte, seit dem Anschlag seien zwar vielfältige Vorkehrungen getroffen worden. Es bestehe aber weiterhin Terrorgefahr, dies zeigten auch die islamistischen Anschläge in diesem Jahr in Frankreich.

Eine Vertreterin der Opfer des Anschlages warf der Bundesregierung mangelnden Aufklärungswillen vor. Zwar bemühe sich der Untersuchungsausschuss im Bundestag. "Die Bundesregierung aber verwehrt weiterhin viele wichtige Informationen", sagte Astrid Passin in der "tageszeitung" (Ausgabe vom 19. Dezember). Passin hat bei dem Anschlag am 19. Dezember 2016 ihren Vater verloren. Für die Opfer und Betroffenen des Anschlages sei in den vergangenen Jahren etwa durch Gesetzesänderungen einiges getan worden. Es gebe aber noch viele Defizite bei der Einzelfall-Unterstützung, sagte die 47-Jährige.



Persönliche Botschaften erstrahlen am Schloss Bellevue


Lichtinstallation am Schloss Bellevue
epd-bild/Christian Ditsch
Bundespräsident Steinmeier hat seinen Amtssitz mit "persönlichen Lichtblicken" erhellt.

Persönliche Botschaften haben als "Lichtblicke" auf der Fassade von Schloss Bellevue geleuchtet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am 15. Dezember in Berlin zum Start der Lichtinstallation an seinem Amtssitz, er wolle den Ort "mit den persönlichen Lichtblicken" von ganz vielen Menschen erhellen.

Statt vorweihnachtlichem Trubel erlebe das Land nun Leere und Stille, betonte er. "Die Corona-Pandemie, so scheint es jedenfalls, hat unser Land in Dunkelheit gehüllt." Es falle schwer, in diesen Momenten von Zuversicht zu sprechen. Und doch gebe es Hoffnung, die sich in diesen Tagen "millionenfach in Impfstoff" verwandele.

Steinmeier würdigte die Solidarität der Menschen untereinander und sagte: "Mein persönlicher Lichtblick in diesem Jahr sind die Vernunft und der Zusammenhalt, mit denen sich die meisten in unserem Land dem Virus entgegenstellt haben."

"Sind mit Sorgen und Wünschen nicht allein"

Viele Menschen aus ganz Deutschland hätten ihm von ihren eigenen, ganz persönlichen Lichtblicken geschrieben, fügte der Bundespräsident hinzu. So schreibe ein Mann aus Berlin beispielsweise: "Ich wünsche mir von Herzen, dass wir uns wieder umarmen können, um uns zu trösten, aufzubauen oder einfach Wärme zu zeigen."

Steinmeier sagte, es könne Trost spenden, zu wissen: "Wir sind mit unseren Sorgen und Wünschen nicht allein." Die Illumination des Duos Detlef Hartung und Georg Trenz sollten noch bis einschließlich 17. Dezember jeweils zwischen 16.30 und 22.00 Uhr an der Schlossfassade leuchten.



Zwischen Vereinsamung und Sehnsucht

In der zweiten Welle der Corona-Pandemie verspüren viele gerade eine Pandemiemüdigkeit. Doch das Ende der Krise ist noch nicht in Sicht. Wie hält man durch, wenn fehlt, was sonst guttut: Nähe, Berührung, Begegnung, Bewegung?

Niemand hat es gerade leicht, aber manche haben es besonders schwer: Alleinerziehende in einer Ein-Zimmer-Wohnung in München etwa, die sich selbst und ein Kind durch eine zweiwöchige Quarantäne bringen müssen, oder alleinlebende Singles, die sich eine eigene Familie wünschen, Senioren, die auf Pflege angewiesen sind, Jugendliche, die ihre Freunde nicht treffen dürfen. "So viele Menschen sind der Pandemie müde geworden und fühlen sich hilflos", sagt der Eichstätter Theologe und Familientherapeut Peter Wendl. Und das liegt neben den Ängsten und der Unsicherheit oft entweder an zu viel und erzwungener Nähe oder an fehlender Nähe zu anderen Menschen.

Zum einen entsteht durch verordnete Kontaktbeschränkungen und Quarantäne ein hohes Maß an Isolation. "Astronauten oder Seeleute beispielsweise werden eigens dafür geschult, das aushalten zu lernen", sagt Wendl, der eine Broschüre zum Thema "Durchhalten in der Corona-Krise" herausgegeben hat. Zum anderen spüre man gerade, wie sehr man von anderen Menschen abhängig sei. "Wir empfinden Einsamkeit und Sehnsucht, in dieser Spannung leben wir gerade", sagt der Paar- und Familientherapeut, der am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt unter anderem zum Thema Fernbeziehung forscht.

Zeitliche Perspektive wichtig

Aus den Erkenntnissen über Fernbeziehungen lasse sich einiges ableiten für den Umgang mit der Pandemie, sagt Wendl. Derzeit befinde man sich vielfach in einer Art Fernbeziehung: mit Familienmitgliedern, Freunden oder sogar im Homeoffice mit Kolleginnen und Kollegen. Um damit besser zurechtzukommen, müsse man sich erstens bewusstmachen, was der Grund für die Fernbeziehung sei. Ein Job in einer anderen Stadt - oder wie derzeit die Pandemie. Die Motivation, jetzt die Kontaktbeschränkungen durchzuhalten, sei zwar durch die Bedrohungssituation einigermaßen vorhanden, sagt Wendl, dennoch falle es einigen immer schwerer, die Maßnahmen zu akzeptieren.

Zweitens ist laut Wendl eine zeitliche Perspektive wichtig. Aus der Resilienzforschung wisse man, dass Menschen sehr belastbar seien und auch über ihre Grenzen hinauswachsen könnten, wenn sie wüssten, wie lange sie durchhalten müssen. Daher gelte es, die momentanen Herausforderungen in überschaubaren Etappen anzugehen. Derzeit gehe zudem vieles verloren, was für ein besseres Durchhalten wichtig sei, wie die Vorfreude auf eine Reise oder auf Treffen mit Freunden.

Drittens komme es darauf an, auch alleine einen erfüllenden Alltag zu kultivieren. "Wir müssen lernen, diese Zeit jetzt für uns zu nutzen", sagt Wendl. Auch das habe Grenzen, wenn Menschen existenzielle Ängste und Sorgen hätten.

Laut dem Berliner Psychologen und Achtsamkeitstrainer Boris Bornemann kann jetzt auch eine gute Zeit sein, das eigene Leben zu entrümpeln. Hinter einer initialen Panik durch abgesagte Treffen lauere oft ein wohltuender innerer Friede. "Wir sollten Vertrauen und Mut haben, die Leere auszuhalten", sagt Bornemann.

Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen

Entscheidend sei schließlich, in welcher Lebensphase man sich gerade befinde, sagt Wendl. Jugendliche würden gerade auf ihr Schüler-Dasein reduziert. Für sie seien Kontaktbeschränkungen besonders schmerzhaft, weil die Peergroup sogar wichtiger sein könne als die eigenen Eltern. Auch Senioren, Alleinlebende und Singles gehörten zu denjenigen, die nun besondere Belastungen aushalten müssten.

Doch es gibt auch Orientierungen, die in der Krise helfen. Zunächst müsse man sich klarmachen, dass Gefühlsschwankungen jetzt ganz normal seien, rät Wendl. Es sei zudem wichtig, neben der eigenen Not auch die Not der anderen wahrzunehmen und lindern zu helfen. Viele seien derzeit dünnhäutiger und aggressiver, die Kehrseite sei Sensibilität. Es sei daher hilfreich, nachsichtiger als sonst zu sein, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen und seinen Lieben ein Zeichen der Verbundenheit zu schicken - gerade jetzt in der Weihnachtszeit. Die eigene Bedürftigkeit zu zeigen, sich anderen zuzumuten, dadurch entstehe auch Verbundenheit. Listen mit Vorhaben für die Post-Corona-Zeit seien hilfreich, denn sie seien nichts anderes als Hoffnung, so Wendl.

Von Franziska Hein (epd)


WHO rät zum Masketragen bei Weihnachtsfeiern

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt das Masketragen bei privaten Weihnachtsfeiern zur Verhinderung von Corona-Infektionen. Selbst kleine häusliche Zusammenkünfte könnten ein besonders hohes Risiko für eine Ansteckung mit der Krankheit Covid-19 bergen, warnte das WHO-Regionalbüro für Europa am 16. Dezember in Kopenhagen.

Die Teilnehmerzahlen bei Feierlichkeiten sollten begrenzt sein, die Menschen sollten den nötigen physischen Abstand halten und regelmäßig lüften, riet die WHO. Wenn möglich sollten Zusammenkünfte an Weihnachten sowie Silvester und Neujahr im Freien abgehalten werden. Das Tragen von Masken und das Abstandhalten im Familien- und Freundeskreis seien zwar unangenehm, trügen aber zur Sicherheit und Gesundheit aller Menschen bei.

Religiöse Feierlichkeiten wie Messen dürften in dem Corona-Winter nicht wie üblich abgehalten werden, hieß es von der WHO Europa. Wenn möglich sollten sie im Freien stattfinden oder von der Dauer und Teilnehmerzahl begrenzt sein. Die Anwesenden sollten Masken tragen, Abstand halten und die Hände sauber halten.

Weiter hohes Risiko

Trotz einiger fragiler Fortschritte bleibe die Übertragung von Covid-19 in Europa weit verbreitet und intensiv, hieß es weiter. Es bestehe ein hohes Risiko eines nochmaligen Anstiegs der Fallzahlen in den ersten Wochen und Monaten des kommenden Jahres.

Das WHO-Regionalbüro mit Sitz in der dänischen Hauptstadt ist für 53 Länder zuständig.



Corona: EU-Bürger wollen engere Zusammenarbeit der Länder


Ein Mann checkt seine Corona-Warnapp nach Risiko-Begegnungen
epd-bild/Heike Lyding

Die Bürger der EU-Staaten zeigen laut einer aktuellen Befragung eine hohe Bereitschaft, in der Corona-Pandemie die Verhaltensregeln ihrer Regierungen anzuwenden. Zugleich befürworten sie weit überwiegend, die Krise durch eine engere Zusammenarbeit ihrer Länder zu meistern, wie die Bertelsmann Stiftung bei der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse am 15. Dezember in Gütersloh erklärte. Die europäischen Staats- und Regierungschefs könnten für ihre gemeinsame Krisenpolitik weiterhin auf die Unterstützung einer großen Mehrheit der Bürger zählen.

Der Studie zufolge stimmten 89 Prozent der Befragten aus 27 EU-Ländern der Aussage zu, die Europäische Union soll eine größere Rolle in der Bekämpfung der Pandemie spielen. Noch etwas mehr (91 Prozent) meinen, die Mitgliedsstaaten müssten in der Krise enger zusammenarbeiten. Nur knapp die Hälfte (47 Prozent) glaubt demnach, ihr Land ist stark genug, die Pandemie alleine bewältigen zu können. In Deutschland und den Niederlanden erklärten dies jedoch mit 60 beziehungsweise 70 Prozent deutlich mehr Befragte.

Mehrheit hält sich an Schutzvorgaben

90 Prozent der Befragten gaben laut der Untersuchung an, sich immer oder meistens an die an ihrem Wohnort gültigen Verhaltensempfehlungen zu halten. Nach einzelnen Verhaltensweisen gefragt, erklärten 70 Prozent, außerhalb ihres Hauses bei mehr als fünf Anwesenden stets oder überwiegend einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. 90 Prozent waschen oder desinfizieren nach eigenen Angaben ihre Hände, nachdem sie Kontakt mit anderen Menschen hatten oder an öffentlichen Orten waren.

Für die Studie hatte das Berliner Marktforschungsunternehmen Dalia Research den Angaben zufolge im Juni fast 13.000 Menschen in den nach Austritt Großbritanniens nun 27 EU-Mitgliedsländern befragt. Die Ergebnisse ständen für die EU insgesamt und die Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien, die Niederlande und Belgien, hieß es. Bei den "eupinions"-Befragungen der Bertelsmann Stiftung werden regelmäßig Einschätzungen zu europäischen Themen unter Bürgern der EU-Mitgliedsstaaten gesammelt.



Schulen: Land NRW setzt im neuen Jahr auf Stufenmodell

Das NRW-Schulministerium setzt zum Start der Schulen nach den Winterferien auf ein Stufenmodell, um die Wiederaufnahme des Unterrichts im kommenden Jahr sicherzustellen. In der ersten Stufe findet landesweit Präsenzunterricht unter Berücksichtigung der aktuellen Vorgaben des Corona-Infektionsschutzes statt, wie Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) am 21. Dezember in Düsseldorf erklärte. In Stufe 1+ seien Erweiterungen im Rahmen der in NRW gültigen "Hotspot-Strategie" für besonders vom Infektionsgeschehen betroffene Schulen in Kommunen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 200 vorgesehen. Die Ordnungsbehörden in den Kreisen oder kreisfreien Städten könnten dann in Abstimmung mit den zuständigen Ministerien Einschränkungen des Schulbetriebs anordnen. Das kann zum Beispiel ein Wechselmodell von Präsenz- und Distanzunterricht ab der Jahrgangsstufe 8 sein, allerdings mit Ausnahme der Abschlussklassen.

Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht möglich

Stufe 2 greift bei einem erhöhten Infektionsgeschehen und macht Gebauer zufolge eine Grundsatzentscheidung der Landesregierung erforderlich. Sie kann landesweit einen eingeschränkten Schulbetrieb beispielsweise mit einem Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht ab der Jahrgangsstufen 8 (außer bei Abschlussklassen) vorsehen. Bei einer besonders kritischen Infektionslage könne es zudem notwendig werden, dass die Landesregierung über noch weitergehende Einschränkungen entscheiden müsse. Sie hoffe aber, diese verschärften Maßnahmen nicht gefällt werden müssen, betonte die Ministerin. Nähere Details dazu nannte sie zunächst nicht.

Gebauer geht davon aus, dass auf Basis des Stundenplans der Schulbetrieb ab dem 11. Januar wiederaufgenommen werden kann. Zuvor gebe es noch eine Kultusministerkonferenz am 4. Januar zu dem Thema und am 5. Januar eine Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs mit der Bundeskanzlerin. "Mit unserem derzeitigen Stufenmodell kommen wir dem Wunsch vieler Schulen nach größtmöglicher Planungssicherheit und einer frühzeitigen Information nach", betonte sie. Am 7. Januar sollten die Schulen über das weitere Vorgehen informiert werden. Die vom Deutschen Kinderschutzbund geforderte Verlängerung der Weihnachtsferien bis Ende Januar lehnte Gebauer als "nicht praktikabel" ab.

Lehrkräfte sollen FFP-2-Masken erhalten

Nach Ansicht von Gebauer hat sich die Entscheidung des Ministeriums bewährt, in den Schulen unter Berücksichtigung der Hygieneregeln auf Präsenzunterricht zu setzen. So hätten im bisherigen ersten Schulhalbjahr zwischen 95 und 99 Prozent der Schülerinnen und Schüler den analogen Unterricht besucht. Bei den Lehrkräften hätten lediglich 3 bis 7 Prozent in den Distanzunterricht gewechselt. Zugleich sei die Digitalisierung der Schulen weiter vorangetrieben worden.

Gebauer kündigte überdies an, alle Lehrkräfte und das weitere Personal an den Schulen für die Zeit bis zu den Osterferien mit FFP-2-Masken auszustatten. Die Verteilung der Masken werde über die Schulträger erfolgen.



Geschlossene Bibliotheken der Hochschulen erschweren Studium


Verlassene Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume

Studierendenvertretungen aus NRW und weiteren Bundesländern fordern mit Blick auf geschlossene Hochschulbibliotheken, dass Abgabefristen oder Prüfungen verschoben werden. "Aufgrund der besonderen Situation müssen alle Abgabefristen entsprechend verlängert werden", erklärte die Koordinatorin des Landes-Asten-Treffens NRW, Amanda Steinmaus, am 18. Dezember in Dortmund in einer Stellungnahme, die auch im Namen des studentischen Bundesverbandes FZS sowie der Landesstudierendenvertretungen aus Sachsen und Baden-Württemberg abgegeben wurde. Promovierende und Studierende seien für Arbeiten und Prüfen auf den Zugang zu Fachliteratur angewiesen.

Die FZS-Vorständin Carlotta Kühnemann warnte davor, dass geschlossene Bibliotheken zulasten der Studierenden gingen: "Einige Hochschulen haben bereits reagiert, an anderen Hochschulen wurden bisher jedoch keine nachteilsausgleichenden Maßnahmen ergriffen."

Der Sprecher der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg, Andreas Bauer, ergänzte: "Für Studierende mit Kindern oder anderen Pflegeaufgaben bedeutet eine Schließung der Bibliotheken auch, dass sie in den nächsten Wochen keinen ruhigen Ort mehr zum Arbeiten haben." Sobald die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wirkten, "sollten Bibliotheken daher unter strengen Hygieneregeln wieder öffnen dürfen".



Appell für Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland

Zelte im Winter, zu wenig Toiletten, Gewalt: Die katastrophalen Zustände in griechischen Flüchtlingscamps lassen neue Forderungen nach einer Aufnahme der Menschen in Deutschland laut werden. Bundestagsabgeordnete senden einen "Weihnachtsappell".

Angesichts der schlechten Lebensdingungen im griechischen Flüchtlingscamp Kara Tepe gibt es neue Forderungen nach einer Ausweitung der Aufnahme Schutzsuchender in Deutschland. Mit einem "Weihnachtsappell" wendeten sich am 17. Dezember mehr als 240 Bundestagsabgeordnete mit der Forderung an die Bundesregierung, die Hilfe für die Menschen dort zu verstärken. Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mahnte einen Ausbau der zugesagten Kontingente an. "Die Bilder von dort sind herzzerreißend und nicht hinnehmbar", erklärte der deutsche Repräsentant Frank Remus mit Blick auf die Lager in Griechenland.

Drei Monate nach dem Brand des Lagers Moria lebten Menschen noch immer unter menschenunwürdigen Bedingungen auf den griechischen Inseln oder auf dem Festland, heißt es in dem Brief der Bundestagsabgeordneten, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Die humanitäre Situation im Übergangslager Kara Tepe sei sogar schlechter als in Moria, heißt es darin weiter. Die Unterkünfte seien nicht winterfest, Toiletten und Duschen fehlten und es komme immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.

"Menschen gehen vor die Hunde"

Die Parlamentarier fordern die Bundesregierung auf, die bisherige Aufnahme in Deutschland zu beschleunigen, die Zahl der Aufnahmen zu erhöhen und sich auf EU-Ebene verstärkt für eine europäische Lösung einzusetzen. Eine konkrete Zahl für weitere Aufnahmen wird in dem Schreiben nicht genannt. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl forderte, alle dort ausharrenden Menschen aufzunehmen. Deren Situation sei unerträglich, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Das Reden von einer europäischen Lösung sei ein Vertrösten auf den Sanktnimmerleinstag. "In der Zwischenzeit gehen die Menschen psychisch und physisch vor die Hunde", erklärte er.

Nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" harren 15.000 Frauen, Männer und Kinder auf den griechischen Inseln aus. Die Hilfsorganisation beobachtet nach eigenen Angaben eine stetige Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Menschen. Allein in diesem Jahr seien 49 Kinder nach Suizidversuchen oder mit Suizidgedanken behandelt worden.

Die Bundesregierung hatte in diesem Jahr, vor allem nach dem Brand in Moria, die Aufnahme von insgesamt rund 2.750 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland zugesagt. Dazu gibt es verschiedene Programme unter anderem für unbegleitete Minderjährige und kranke Kinder und deren Familien und Familien. Teilweise sind sie bereits abgeschlossen. Wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag mitteilte, sind bislang 1.519 Menschen aus Griechenland eingereist.

88 Flüchtlinge angekommen

Am 17. Dezember landete nach Angaben des Innenministeriums ein weiterer Flug mit 88 Flüchtlingen aus Griechenland in Hannover. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kommen die meisten von ihnen aus Afghanistan. Nach Innenministeriumsangaben waren 19 kranke Kinder an Bord.

Deutschland hat damit nach UNHCR-Angaben weit mehr Flüchtlinge aufgenommen als andere EU-Staaten. Demnach wurden in diesem Jahr 2.000 Flüchtlinge aus Griechenland auf andere Länder verteilt, drei Viertel damit nach Deutschland. Es sei wichtig, dass Deutschland vorangegangen sei, sagte der UNHCR-Repräsentant Remus. Auf dem Erreichten könne man sich aber nicht ausruhen.

Erstunterzeichner des Briefs der Bundestagsabgeordneten sind die Parlamentarierinnen Luise Amtsberg (Grüne), Ulla Jelpke (Linke), Gyde Jensen (FDP) und Ulli Nissen (SPD) sowie der CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer. Prominente Unterzeichner sind unter anderem die Parteichefinnen Annalena Baerbock (Grüne) und Saskia Esken (SPD) sowie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU).



Wissenschaftlerin: Flüchtlingsstimmen fehlen in Medien

Die Medienwissenschaftlerin Christine Horz plädiert dafür, mehr Menschen, die geflohen sind, in den Medien zu beschäftigen. In deutschen Medien fehlten ihre Stimmen, sagte die Professorin für "Transkulturelle Medienkommunikation" der Technischen Hochschule Köln am 16. Dezember bei einer Online-Diskussion des Kölner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM). Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe die Aufgabe, diesen Teil der Bevölkerung zu repräsentieren.

Die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation "Save the Children" Deutschland, Susanna Krüger, erklärte, dass ihre Organisation mittlerweile die Leistungen von Geflüchteten, etwa in der Organisation von Lagern, in den Mittelpunkt der Öffentlichkeitsarbeit rücke. Lange seien Hilfsorganisationen der Überzeugung gewesen, sie bekämen Spenden nur in Fällen von akuter Not. Das träfe nicht mehr zu, sagte sie. Frühzeitige Berichterstattung über eine Hungersnot in Somalia habe sogar dazu beitragen können, dass die Politik diese rechtzeitig wahrnahm und gegensteuerte. Im Corona-Jahr 2020 hätten Deutsche weit mehr gespendet als erwartet, fügte Krüger hinzu.



Deutschland muss keinen Schadenersatz für Luftangriff zahlen

Deutschland muss für einen von einem Bundeswehroffizier angeforderten Luftangriff im afghanischen Kundus den Angehörigen der getöteten zivilen Opfer keinen Schadenersatz zahlen. Betroffene können nach dem Völkerrecht keine unmittelbare Entschädigungs- und Ersatzansprüche geltend machen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 16. Dezember veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 477/17)

Konkret ging es um einen Luftangriff in der Nähe des afghanischen Kundus in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009. Taliban-Kämpfer hatten zuvor zwei Tanklastwagen entführt, die auf einer Sandbank liegengeblieben waren. Ein in Afghanistan eingesetzter Oberst der Bundeswehr befürchtete, dass die Fahrzeuge als "rollende Bomben" gegen ein Bundeswehrlager eingesetzt werden könnten. Er forderte daher Luftunterstützung an.

Daraufhin zerstörten zwei US-Kampfflugzeuge die Tanklastwagen. Bei dem Luftschlag kamen rund 100 Menschen ums Leben, darunter zahlreiche Zivilisten und Kinder. Zwei Angehörige von Opfern forderten von Deutschland eine Entschädigung. Der Angriff sei rechtswidrig gewesen. Der Oberst hätte von den Zivilisten in der Nähe der Tanklaster wissen müssen. Deutschland müsse für seine Amtspflichtverletzung Schadenersatz zahlen.

Kein Anspruch aus Völkerrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe wies Amtshaftungsansprüche mit Urteil vom 6. Oktober 2016 zurück (AZ: III ZR 140/15). Weder aus dem allgemeinen Völkerrecht noch aus dem nationalen Amtshaftungsrecht ließen sich Ansprüche ableiten. "Schadenersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen stehen grundsätzlich nur dem Heimatstaat zu, der seinen Staatsangehörigen diplomatischen Schutz gewährt", nicht aber Einzelpersonen.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass sich zumindest aus dem unmittelbaren Völkerrecht keine Schadenersatzansprüche Einzelner ergeben. Allerdings seien Amtshaftungsansprüche nach deutschem Recht - anders als der BGH dies gesehen hat - nicht generell ausgeschlossen. Ob in einem bewaffneten Konflikt eine Amtspflichtverletzung vorliege, bemesse sich nach dem Grundgesetz, dem Soldatengesetz und dem humanitären Völkerrecht. Nicht jede Tötung von Zivilisten stelle danach einen Verstoß dar.

Im vorliegenden Fall habe der Oberst bei Erteilung des Angriffsbefehls aber alle Erkenntnisquellen genutzt und "eine gültige Prognoseentscheidung getroffen und somit keine Amtspflichtverletzung begangen". Gegen das Willkürverbot sei nicht verstoßen worden. Das Urteil des BGH sei damit im Ergebnis richtig.



Naturschützer warnen vor Pestizid-Belastungen bei Christbäumen

Einen weit verbreiteten Pestizideinsatz bei Weihnachtsbäumen kritisieren der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und der BUND Naturschutz in Bayern (BN). Ein bundesweiter Labortest habe ergeben, dass die Bäume teilweise auch mit gefährlichen Pestiziden belastet seien, teilten die Verbände am 16. November in Nürnberg und Berlin mit. Bei 14 von 23 untersuchten Weihnachtsbäumen fanden sich demnach Rückstände von Giften.

Sieben der neun gefundenen Pestizide zählten zu den gefährlichsten, die derzeit in der EU eingesetzt werden, hieß es. Die Verbände hatten Nadeln von 23 Weihnachtsbäumen aus acht Bundesländern von einem unabhängigen Labor auf Rückstände von knapp 140 Pestiziden untersuchen lassen. Die untersuchten Bäume stammten laut BN überwiegend von deutschen Plantagen und wurden stichprobenartig an 23 Verkaufsstellen in Baumärkten, Gartencentern und im Straßenverkauf erworben.

"Herbizide, Insektizide und Fungizide"

Die Weihnachtsbaum-Tests belegten über die Jahre hinweg, "dass in konventionellen Weihnachtsbaumplantagen Herbizide, Insektizide und Fungizide eingesetzt werden", sagte der BN-Landesvorsitzende Richard Mergner. Der Einsatz von Pestiziden auf Plantagen sei vor allem ein Problem für die Artenvielfalt. Die Gifte gelangten in Böden und Gewässer, sie töteten und schädigten Insekten und zerstörten Lebensräume von Nützlingen, hieß es. Vier der gefundenen Wirkstoffe seien hochgiftig für Bienen. Besonders kritisch sei die hohe Mehrfachbelastung. Die Wechselwirkung der Einzelstoffe auf die menschliche Gesundheit sei nahezu unbekannt.

Mehr als ein Viertel der getesteten Bäume war mit mindestens zwei Wirkstoffen belastet, ein Achtel enthielt sogar Rückstände von drei Pestiziden. Der BN riet den Verbrauchern, zertifizierte Bio-Weihnachtsbäume oder Bäume direkt aus dem Wald vom Förster und Waldbesitzer zu kaufen. Um sich für eine Reduktion der Pestizide einzusetzen, könnten Bürger bei der Europäischen Bürgerinitiative "Bienen und Bauern retten" unterschreiben.



Verpackter Ausnahmezustand


Die Menschen in Deutschland produzieren in der Corona-Krise mehr Müll.
epd-bild/Heike Lyding
Schon vor Corona wuchs der Müllberg in Deutschland. In der Pandemie führen To-Go-Gastronomie und Online-Bestellungen nun zu noch mehr Abfall. Eine vorübergehende Ausnahmesituation, glauben Konsumforscher. Umweltverbände sehen das skeptisch.

Alles zum Mitnehmen, alles verpackt, to go oder geliefert: Thomas Fischer holt jeden Tag solche Flyer aus dem Briefkasten der Deutschen Umwelthilfe am Hackeschen Markt in Berlin. Im Viertel gibt es viel Gastronomie - "und gerade besonders viel Müll", sagt der Leiter der Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe: "Wir müssen aufpassen, dass die Corona-Krise nicht auch eine Müllkrise wird."

Tatsächlich meldete der Grüne Punkt in Köln im ersten Lockdown ab März zehn Prozent mehr Verpackungsmüll in den gelben Tonnen. Auch kommunale Entsorger wie die Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) hatten im Frühjahr zweistellige Müllzuwächse. "An einigen Hotspots im öffentlichen Raum wie dem Opernplatz hat sich der Müll verdoppelt", berichtet FES-Sprecher Stefan Röttele. Das "Symbol der Pandemie" nannte auch die Stadt Nürnberg im Sommer ihre Pizzakarton-Berge in den Parks. Durch ein Alkoholverkaufsverbot und niedrigere Temperaturen sei das im laufenden Lockdown aber "nicht ganz so ausgeprägt", berichtet Röttele aus Frankfurt. Tatsächlich liege seit Corona in manchen Wohngebieten weniger Müll auf der Straße.

Neue Müll-Hotspots

Das deckt sich mit den Einschätzungen des Verbandes kommunaler Unternehmen: Es gibt in den Städten neue Müll-Hotspots durch To-Go-Verpackungen, etwas mehr Hausmüll, dafür etwas weniger Gewerbemüll, sagte eine Sprecherin. Eine statistische Auswertung von 2020 gibt es noch nicht. "Solange wir noch mit den akuten Folgen der Pandemie zu tun haben, sind Einwegverpackungen ein Mittel, um der Gastronomie wenigstens einen Teil der normalen Einkünfte zu sichern", erklärte der Verband auf Anfrage. "Für die Zeit danach wünschen wir uns jedoch endlich eine Kehrtwende weg von der Einweg- hin zur Mehrwegkultur."

Die macht gerade nicht nur eine Corona-Pause. 18,9 Millionen Tonnen Verpackungsmüll sind 2018 in Deutschland angefallen - so viel wie noch nie zuvor, zeigen die Zahlen des Bundesumweltamtes vom November. Einen Teil des Anstiegs führt das Amt auf To-Go-Gastronomie und den steigenden Kauf von - aufwendig verpackten - Fertiggerichten zurück. "Corona wirft uns noch weiter zurück", fürchtet Thomas Fischer von der Umwelthilfe.

Dabei ist Mehrweg mit den Corona-Regeln vereinbar: Pfand-Gefäße wandern schließlich in die Industriespülmaschine, selbst mitgebrachte Schüsseln können in einem abgetrennten Bereich befüllt werden, schreibt der Lebensmittelverband in einer Hygienehandreichung für Gastronomen. Viele Gastronomen scheuten aber noch davor zurück.

"Branche mit dem Rücken zur Wand"

Und die Kunden? "Corona ist eine Ausnahmesituation", sagt Jan-Fredrik Stahlbock von der Gesellschaft für Konsumforschung. Öffne die Gastronomie wieder normal, gehe der To-Go-Verzehr auch wieder zurück. "Eigentlich ist die Greta-Bewegung präsent, der viele Müll fällt den Leuten auch auf." 38 Prozent der Deutschen kaufen aktiv umweltbewusst, weitere 42 Prozent sind dem Thema zugeneigt, zeigt seine aktuelle Studie. Sie "würden sich im Zweifel für das umweltfreundlichere Angebot entscheiden." Dieses Bewusstsein verschwinde durch den Lockdown auch nicht auf Dauer.

Ab 2022 sollen Gastronomen hierzulande zudem verpflichtend Mehrweg-Alternativen anbieten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband reagiert empört auf den gerade bekanntgewordenen Gesetzentwurf von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): "Einer Branche, die mit dem Rücken zur Wand steht, jetzt mit einem solchen Vorstoß zu begegnen, ist eine Zumutung", sagt Sprecher Leopold Schramek. Mehrweg oder Einweg sei eine Unternehmensentscheidung, die "maßgeblich davon abhängt, ob es gute und bezahlbare Alternativen zum Einwegkunststoff gibt".

Die gibt es durchaus, sagt Umweltschützer Thomas Fischer. 2.000 Partner hat zum Beispiel der Münchener Anbieter Recup, der ein bundesweites Pfandsystem für Kaffeebecher und inzwischen auch Schüsseln organisiert. Der leere Becher kann bei allen Partnern zurückgegeben werden und laut Unternehmen mindestens 500 Mal gespült werden. "Die Corona-Müllberge zeigen, wie dringend solche Alternativen gebraucht werden: Man muss sie nur nutzen."

Miriam Bunjes (epd)


Das erste Smartphone unterm Weihnachtsbaum


Mädchen mit ihren Handys
epd-bild / Gustavo Alabiso
Zu Weihnachten wird es wieder unter vielen Christbäumen liegen: das erste Smartphone fürs Kind. Medienpädagogen warnen Eltern davor, ihre Kinder beim Umgang mit dem Gerät sich selbst zu überlassen.

Charlene deGuzmans Freundinnen haben ausschließlich Augen für ihr Smartphone. Ganz gleich, ob sie zusammen Kaffee trinken oder ein Konzert besuchen: Alle starren nur auf den kleinen Bildschirm in ihrer Hand. In ihrem millionenfach auf Youtube geklickten Film "I forgot my phone" dokumentiert die US-Schauspielerin, wie übermäßiger Smartphone-Konsum echte soziale Kontakte und Erlebnisse verhindert.

So etwas wünschen sich Eltern in der Regel nicht, wenn sie ihren Kindern das heiß ersehnte erste Smartphone unter den Christbaum legen. Doch mit verlockenden Spielen, Apps, Streaming-Angeboten und sozialen Medien ist das Smartphone nicht nur ein scharfer Konkurrent anderer Freizeitbeschäftigungen, sondern birgt auch Gefahren. Eltern sollten ihre Kinder im Umgang mit dem Smartphone auf keinen Fall sich selbst überlassen, warnt Kristin Langer, Mediencoach bei der vom Bundesfamilienministerium geförderten Initiative "SCHAU HIN!".

Landesmedienanstalt rät zum "Surfschein"

Die Weihnachtstage kann man gut dafür nutzen, zusammen das Geschenk zu entdecken. "Wir empfehlen den Surfschein, den Eltern gut gemeinsam mit den Kindern machen können", sagt Medienpädagogin Kristin Langer. Mit diesem Angebot der Website internet-abc.de der Landesanstalt für Medien NRW können Kinder durch ein interaktives Quiz alles über sicheres Surfen sowie Wichtiges zu sozialen Netzwerken lernen. Ist dann der Surfschein bestanden, wissen Eltern, dass die Kinder die wichtigsten Regeln kennen. "Dennoch sollten die Eltern dranbleiben und sich verantwortlich fühlen", sagt Langer.

Laut JIM-Studie besitzen 84 Prozent der Zwölf- bis 13-Jährigen ein Smartphone, ältere Jugendliche haben praktisch alle ein mobiles Endgerät. Ein Großteil der Kinder bekomme spätestens beim Wechsel auf die weiterführende Schule ein internetfähiges Handy, teilweise auch schon im Grundschulalter, beobachtet Langer. Dabei hätten Kinder in der Regel erst im Alter von elf bis zwölf Jahren die Reife, Gefahren im Netz zu erkennen. "Das erste eigene Smartphone schaffen Eltern am besten erst dann an, wenn das Kind weiß, wie es sich selber im Internet schützen kann", sagt Langer.

Feste Zeiten vereinbaren

Medienpädagogen raten, in jedem Fall Regeln für die Nutzung des Smartphones zu vereinbaren. Zum einen sollte eine Höchstdauer für die Bildschirmnutzung festgelegt werden, die alle Geräte einschließt. Als Orientierung empfiehlt die Initiative "SCHAU HIN!" für ältere Kinder und Jugendliche zehn Minuten Medienzeit pro Lebensjahr am Tag oder eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche. Sechs- bis Zehnjährige sollten aber nicht länger als eine Stunde am Tag vor Bildschirmen sitzen.

"Gut ist, wenn Eltern mit ihren Kindern besprechen, warum sie bestimmte Regeln einführen", sagt Langer. Hilfreich kann dabei auch ein "Mediennutzungsvertrag" sein, für den die Landesanstalt für Medien NRW eine Vorlage im Internet anbietet.

Zusätzlich sollten Eltern technische Vorkehrungen treffen, um ihre Kinder zu schützen, erklärt Birgit Kimmel von Klicksafe, einer EU-Initiative für Sicherheit im Internet. Sie empfiehlt, am Smartphone auf jeden Fall den Jugendschutzfilter zu aktivieren und sicherzustellen, dass Bluetooth, Ortungsdienste und In-App-Käufe ausgeschaltet sind. Anleitungen dazu gibt es zum Beispiel auf der Website Klicksafe.de.

Privatsphäre wahren, Sicherheitseinstellungen vornehmen

Außerdem sollte das Kind Apps nur gemeinsam mit den Eltern installieren, sagt Kimmel. Eltern können das Herunterladen durch die Einrichtung der dazu notwendigen PIN-Nummer kontrollieren. "Dann empfehlen wir dringend, dass Eltern bei allen Apps, die geladen werden, gemeinsam mit den Kindern die Privatsphäre und Sicherheitseinstellungen vornehmen." Das Profil sollte immer auf "nicht öffentlich" gestellt sein.

Zusätzlich gibt es sogenannte Kinderschutz-Apps, die auf das Handy geladen werden können. Viele Eltern schätzten an diesen Programmen, dass damit die Online-Zeiten begrenzt und jugendgefährdende Websites herausgefiltert werden könnten, beobachtet Kimmel. "Aber diese Programme sind nur eine Hilfe. Sie bieten niemals einen hundertprozentigen Schutz", warnt die Pädagogin. Regeln beim Surfen mit dem Smartphone seien trotzdem nötig.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen könnten Kinder auf verstörende Inhalte im Internet stoßen oder Opfer von Mobbing in den sozialen Medien werden, weiß Kimmel. Deshalb sei es wichtig, dass Mütter und Väter ihren Kindern beispielsweise frühzeitig zeigten, wie sie unangenehme Kontakte blockieren können. Kinder müssten auch wissen, dass sie Belästigungen und Beleidigungen nicht hinnehmen müssen. "Eltern sollten ihren Kindern das Gefühl vermitteln, dass sie in so einem Fall jederzeit Hilfe suchen können und sollen."

Claudia Rometsch (epd)


Pfadfinder übergeben Friedenslicht an Landtag und Staatskanzlei

Das Friedenslicht aus Bethlehem ist am 15. Dezember in Düsseldorf bei Landtag und Landesregierung von Nordrhein-Westfalen angekommen. Der Ring Deutscher Pfadfinder- und Pfadfinderinnenverbände NRW übergab das Licht an den Landtagspräsidenten André Kuper (CDU), wie die Verwaltung des Landtags mitteilte. "Das Friedenslicht aus Bethlehem soll uns daran erinnern, wie zerbrechlich unsere Freiheit ist, aber auch wie wichtig es ist, gemeinsam diese Grenzen zu überwinden. Und es ist ein Licht der Hoffnung in diesem Corona-Winter", sagte Kuper.

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärte am Abend auf einem Empfang einer Delegation des Pfadfinderrings rdp NRW, das Friedenslicht aus Bethlehem sei weltweit ein Symbol der Hoffnung und der Aussöhnung. "Wir können trotz der derzeit gebotenen Abstände und Grenzen des Miteinanders gemeinsam als Gesellschaft diese schwierige Zeit überwinden." Der Verzicht auf physische und emotionale Nähe fordere alle und jeden Einzelnen. "Möge das Licht durch diese herausfordernde und manchmal auch dunkle Zeit leiten und die Kraft spenden, Differenzen und Grenzen zu überwinden."

Die Friedenslichtaktion steht in diesem Jahr unter dem Motto "Frieden überwindet Grenzen". Jedes Jahr legt das Friedenslicht einen 3.000 Kilometer langen Weg zurück, um nach Nordrhein-Westfalen zu gelangen. Das Friedenslicht aus Bethlehem wird als Zeichen für Solidarität und Gemeinschaft seit 1986 jährlich in der Geburtsgrotte Jesu Christi in Bethlehem entzündet und nach Wien gebracht. Seit 1994 verteilen die Pfadfinder es auch in Deutschland. Bis zum Heiligen Abend wird das Licht in Gottesdiensten in den Gemeinden weitergegeben. Von dort tragen es die Pfadfinder in Familien, Krankenhäuser und Schulen, in Verbände, öffentliche Einrichtungen, in Altenheime und zu Obdachlosen, in Moscheen und Synagogen.



Stadt Köln ruft für Silvester zu bunt beleuchteten Fenstern auf

Ein besonderes Lichtfeuerwerk trotz Raketen- und Böllerverbot soll es in der Silvesternacht in Köln geben. Unter dem Motto "Licht an. Jahr aus." hat die Stadt Köln am 17. Dezember die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ihre Fenster bunt zu bekleben oder zu bemalen. Am 31. Dezember sollen die Haushalte dann pünktlich um 0 Uhr das Licht dahinter einschalten und fünf Minuten lang hin und wieder aufleuchten lassen. Die städtischen Kindertagesstätten seien in die Aktion eingebunden und bastelten bunte Fensterdekorationen, hieß es.

"2020 hat uns viel abverlangt", erklärte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). "Wir haben auf Kontakte, Feiern und damit auf unsere Geselligkeit verzichtet. Aber wir haben durchgehalten, weil wir zusammenhalten." Genau das solle auch das gemeinschaftliche Fenster-Lichtfeuerwerk am letzten Tag des Jahres zeigen. "Uns ist es wichtig, dieses Jahr mit einer positiven Aktion zu beenden", ergänzte der Leiter des Kölner Presseamtes, Alexander Vogel.



Lirim Ziberi ist neuer Sprecher des Koordinationsrates der Muslime

An der Spitze des Koordinationsrates der Muslime (KRM) gibt es einen Wechsel. Lirim Ziberi von der Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) ist neuer Sprecher des obersten Gremiums der Muslime in Deutschland, wie der KRM am 15. Dezember in Köln mitteilte. Der Berliner übernimmt das Amt turnusgemäß von Burhan Kesici, dem Vorsitzenden des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland.

Ziberi dankte seinem Vorgänger und verwies darauf, dass die Bewältigung der derzeitigen Corona-Pandemie eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" sei. "Wir Muslime haben in der Vergangenheit Verantwortung übernommen und werden es auch in Zukunft tun", betonte er. Zugleich schickte der neue KRM-Sprecher allen Christinnen und Christen gute Wünsche zum bevorstehenden Weihnachtsfest: "Meinen christlichen Mitbürgern wünsche ich trotz Lockdown und Kontaktbeschränkungen eine angenehme Weihnachtszeit."

Im Koordinationsrat der Muslime sind seit 2007 die großen islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland zusammengeschlossen. Diese sind die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, der Zentralrat der Muslime (ZMD) und der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ). 2019 schlossen sich noch der Zentralrat der Marokkaner in Deutschland (ZRMD) und die Union der Islamischen Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) dem KRM an.




Soziales

Weihnachten: 20 Minuten Besuchszeit im Altenheim


In einem evangelischen Seniorenzentrum in Wiesbaden.
epd-bild/Andrea Enderlein
Senioreneinrichtungen sind von der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind extrem gefährdet, Heimleiter und Pflegekräfte überlastet. Sie bemühen sich dennoch, etwas Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen.

Für Elisabeth Hirsch, Minna Wickel und Anita Konrad ist eigentlich alles wie immer im Advent. Die drei Seniorinnen sind fröhlich. Angst vor Corona haben die Bewohnerinnen des Altenpflegeheims Kronberg nicht. Das Foyer ist festlich geschmückt, ein Tannenbaum steht neben Nikolausfiguren. Hier im hessischen Dietzhölztal, der nördlichsten Gemeinde des Lahn-Dill-Kreises, scheint die Welt noch in Ordnung.

Bisher gab es in diesem Heim, das zum Diakonischen Werk Bethanien mit der Zentrale in Solingen gehört, keine Coronafälle. Und das obwohl sie hier möglich machen, was andernorts längst gestrichen ist: Singkreise, Andachten, selbst eine Nikolausfeier gab es – nur fand diese draußen statt, mit Feuerschale, Bläsern und Hütten, an denen es Bratwurst, Glühwein und Waffeln gab.

Wer wann kommen durfte, war streng nach Wohnbereich unterteilt. "Rund 5.000 Stunden Arbeitszeit hat es uns seit Ausbruch der Pandemie gekostet, alles neu zu organisieren", sagt Ute Reeh, die den sozialen Dienst leitet. Allein die Koordinierung der Besuche von Angehörigen bedeutet nach ihren Worten einen erheblichen Mehraufwand. Jeder Bewohner im Seniorenzentrum darf pro Woche drei Mal Besuch bekommen. Und nun muss das Personal auch noch die Schnelltests stemmen.

"Wie soll das funktionieren?"

"Die Pflegeeinrichtungen brauchen dringend Hilfe von außen, um Corona-Tests durchzuführen", erklärt Nora Roßner, Referentin für Alter und Pflege des Deutschen Caritasverbandes. "Denn die Personaldecke ist ohnehin schon dünn. "Deshalb müssten für die Tests pensionierte Ärzte, die Bundeswehr oder Medizin-Studierende aushelfen, sonst packen die Heime das nicht."

Für die fällt ohnehin genug Arbeit an: So muss jede Senioreneinrichtung beim Gesundheitsamt ein Testkonzept vorlegen, bevor es Corona-Tests bestellen darf. Das hat auch Günther Schlott gemacht, Leiter des Ludwig-Eibach-Hauses, eines evangelischen Seniorenzentrums in Wiesbaden. Mehrere Wochen ist das schon her, sein Konzept wurde zwar genehmigt - auf die Tests wartet er jedoch noch immer. "Wir sind ziemlich auf uns allein gestellt", sagt Schlott ernüchtert. Das ist kein Einzelfall. Bundesweit sei "der Umsetzungsdruck für die Heimleitungen und deren Mitarbeiterinnen Wahnsinn", sagt Caritas-Referentin Roßner.

Theorie und Praxis klaffen auch bei den geplanten Impfungen weit auseinander. "Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, dass es nächste Woche losgeht mit dem Impfen", sagt Schlott. "Aber wie soll das funktionieren?" Priorität beim Impfen haben die Über-80-Jährigen; allein in Wiesbaden sind das 18.500 Menschen. Die Bewohner der Altenheime sind da noch nicht mitgezählt. "Das Impfzentrum Wiesbaden erwartet eine Dosis von 3.500 Impfungen – und für einen wirksamen Schutz muss pro Person doppelt geimpft werden", erklärt er.

"Das fehlt"

Für die Bewohner im Ludwig-Eibach-Haus läuft das Leben größtenteils weiter wie bisher. Es wird gebastelt und gebacken, Weihnachtsbäume werden geschmückt, Rätselrunden finden statt – nur eben getrennt nach Etagen. Was fehlt? "Mal in den Arm genommen zu werden", sagt Johannes Schnepp aus dem Heimbeirat. "Und dass ich meinen Sohn oder meine Tochter an Weihnachten bloß zwanzig Minuten sehen kann, das schmerzt", ergänzt Irmhild Rufli aus dem Heimbeirat.

Für Angehörige gibt esales ein Betretungsverbot, nur das Besuchercafé ist geöffnet. Einmal pro Woche darf jeder Heimbewohner dort eine Stunde einen Menschen von draußen treffen. An Weihnachten ist der Andrang zu groß, da sind es nur 20 Minuten. Zusätzlich sind aber "Fensterbesuche" möglich, und das Heim stellt Tablets zur Verfügung, damit die Bewohner über Videotelefonie mit ihren Familien sprechen können.

Heimleiter Schlott und sein Team geben sich alle Mühe, Weihnachten so schön wie möglich zu gestalten. Auch einen Gottesdienst haben sie vorbereitet: Der wird an Heiligabend auf großen Fernsehbildschirmen ausgestrahlt. Doch die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, ist enorm. "Ein unkontrolliertes Ausbruchsgeschehen bedeutet Todesfälle", sagt Schlott. "Wenn wir auch nur einen Fehler machen, tragen wir daran eine Mitschuld."

Elisa Rheinheimer-Chabbi (epd)


Spahn legt Verordnung zur Impf-Reihenfolge vor


Die Impfungen sollen am 27. Dezember beginnen.
epd-bild/Thomas Lohnes
Direkt nach Weihnachten soll es mit den Corona-Impfungen losgehen. Dafür gibt es jetzt eine Verordnung, die die Reihenfolge festlegt: Zuerst sind über 80-Jährige dran. Gesundheitsminister Spahn mahnt: "Der Winter wird noch lang."

Die Corona-Impfungen für die Hochrisikogruppen werden sich nach Worten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wochenlang hinziehen. Bis die über 80-Jährigen, die Pflegeheimbewohner und deren Pflegekräfte geimpft seien, werde es mindestens ein bis zwei Monate dauern, sagte Spahn am 18. Dezember vor Unterzeichnung der Coronavirus-Impfverordnung in Berlin. "Das heißt für uns alle: Der Winter wird noch lang."

Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich ähnlich: "Die bevorstehende wahrscheinliche Zulassung des ersten Impfstoffs gibt natürlich Hoffnung, wird uns aber das Problem natürlich nicht lösen", sagte er in Berlin. "Realistisch müssen wir uns darauf einrichten, dass sicherlich die Monate Januar und Februar noch zu den schwersten gehören, die wir in dieser Pandemie haben."

Die Verordnung gilt rückwirkend zum 15. Dezember. Sie sieht drei Gruppen vor, die vorrangig geimpft werden sollen: solche mit "höchster Priorität", mit "hoher Priorität" und mit "erhöhter Priorität". Der Minister sagte: "Die Schwächsten zu schützen, ist das erste Ziel." Und jeder zweite Todesfall im Zusammenhang mit Covid-19 betreffe Menschen über 80.

"Don't call us, we'll call you"

Spahn erläuterte, wer geimpft werden solle, werde von den zuständigen Stellen informiert. Er rief dabei zur Geduld auf und zitierte einen Aufruf der britischen Gesundheitsbehörden. "Die Briten können das immer besser ausdrücken, weil es dann irgendwie freundlich und doch klar klingt: Don't call us, we'll call you", sagte er - auf Deutsch also: Rufen Sie uns nicht an, wir werden Sie anrufen.

"Beim Impfen geht es nicht um Wertschätzung, sondern um Schutz", begründete er noch einmal die Impf-Reihenfolge. Erreicht werden sollten bei den ersten Durchgängen auch jene Menschen über 80, die zu Hause gepflegt werden. Mobile Impfteams würden gezielt auch in diese Bereiche gehen. Als Beispiel nannte Spahn die Stadt Nürnberg, die Impfbusse habe. Sobald mehr Impfstoff zur Verfügung stehe, könnten Zug um Zug mehr Menschen geschützt werden.

Laut Verordnung sind in der Gruppe, die mit "höchster Priorität Anspruch auf Schutzimpfung" haben neben den Hochbetagten und ihren Pflegekräften auch Personen, "die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit einem sehr hohen Expositionsrisiko" in Bezug auf Covid-19 tätig sind - "insbesondere auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, in Rettungsdiensten". Konkret genannt werden dabei auch "Leistungserbringer der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, in den Impfzentren" sowie Personen, die zum Beispiel in der Onkologie oder Transplantationsmedizin tätig sind, wo Patienten im Falle einer Infektion massiv gefährdet wären.

Zwölf Millionen Impfdosen im ersten Quartal

Spahn bekräftigte, dass mit dem Impfen am 27. Dezember begonnen werden soll. Alle Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen würden über Weihnachten daran arbeiten, dass es dann losgehen könne. Er ging - nach aktuellem Stand - davon aus, dass es im ersten Quartal 11 bis 13 Millionen Impfdosen geben wird. Dabei sei die Zulassung weiterer Impfstoffe - einer schon im Januar - wahrscheinlich, was die Impfmengen noch vergrößern werde. Dadurch würden im Zeitverlauf die Übergänge bei den Impfprioritäten fließend. Die Verordnung werde regelmäßig angepasst werden müssen.

Im Gegensatz zu den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt es in der Verordnung des Gesundheitsministers nicht sechs sondern drei Kategorien. Während er und sein Ministerium in der dritten Gruppe mit "erhöhter Priorität" seien - ebenso wie Lehrer und Erzieher - gehören Bereitschaftspolizisten, die bei Demonstrationen von Coronaleugnern eingesetzt werden, in die zweite Gruppe mit "hoher Priorität". Spahn betonte, er selbst könne sich aussuchen, wer ihm begegne, ein Polizist bei einer "Querdenker"-Demo im Einsatz nicht.

Wenn indes die Phase erreicht sei, in der die dritte Impfgruppe an die Reihe komme, gebe es womöglich schon genügend Impfstoff, dass "in Richtung Sommer" allen ein Impfangebot gemacht werden könne.



Land NRW sieht sich für Impfstoff-Verteilung gerüstet

Die NRW-Landesregierung geht davon aus, dass ab dem 27. Dezember auch in Nordrhein-Westfalen mit den Impfungen gegen Corona begonnen werden kann. "Nordrhein-Westfalen ist bereit für den Impfstoff", sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am 16. Dezember in Düsseldorf. Man erwarte, dass die Zustimmung der zuständigen Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zu dem Impfstoff der Firma Biontech/Pfizer am 21. Dezember erfolgt. Wie viele Impfdosen in einer ersten Tranche nach NRW gelangen, sei derzeit noch unklar.

Eine logistische Herausforderung sei, dass der Impfstoff bei minus 70 Grad Celsius transportiert werden müsse, betonte Laschet. Die Impfdosen sollen aus einem Lager in Belgien in zentrale Verteilstellen in NRW gebracht werden, über die Verteilung in den Kommunen entscheiden die Landkreise und kreisfreien Städte dann auf Basis der Empfehlung der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts. Es ist geplant, zunächst Menschen ab 80 Jahren, Bewohner in Pflege- und Senioreneinrichtungen sowie dort Beschäftigte zu impfen. Auch Beschäftigte ambulanter Pflegedienste sowie medizinischer Bereiche stehen an ersten Stelle.

Mögliche Lieferengpässen in ersten Monaten

Am 17. Dezember hatten Laschet und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) mit Vertretern der Kommunen, der kommunalen Spitzenverbände, Ärztekammern und den Kassenärztlichen Vereinigungen den Stand der Vorbereitungen beraten. "Wenn der Startschuss für die Impfungen fällt, werden Impflogistik, die Impfzentren, ausreichend Personal und Material sowie ein Terminmanagement vorhanden sein", betonte Laumann. Aufgrund von möglichen Lieferengpässen könne es in den ersten Monaten aber zu Verzögerungen kommen.

Personelle Engpässe bei der Impfung erwartet Laumann jedoch nicht: Er habe "nicht den geringsten Zweifel, dass immer genügend Personal zur Verfügung steht". Laut der Landesregierung haben sich bislang 13.800 Freiwillige aus medizinischen oder pflegerischen Bereichen gemeldet, die bei der Verimpfung helfen wollen.

Rund 50 Impfzentren sind einsatzbereit

Seit dem 15. Dezember sind die 53 Impfzentren in Nordrhein-Westfalen einsatzbereit. Neben den Impfzentren setzen die Planungen auf mobile Teams etwa in Altenheimen und die eigenständige Impfung des Krankenhauspersonals. Mit dieser Struktur können laut Land schätzungsweise etwa 90.000 Impfungen pro Tag erfolgen, davon etwa 60.000 in den Impfzentren. Es ist geplant, dass die Impfstellen an sieben Tagen pro Woche von 8 bis 20 Uhr geöffnet sind.

Laschet unterstrich die Freiwilligkeit der Impfung, das bleibe "oberste Priorität". Zugleich verwies der Ministerpräsident trotz der bald anlaufenden Impfungen darauf, dass die Corona-Regeln weiterhin Bestand haben und einzuhalten seien. Minister Laumann erklärte, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW derzeit bei 172,5 liege, damit habe sich die Situation gegenüber dem 1. November, dem Beginn des Teil-Lockdowns, nicht wesentlich verändert. Gleichwohl gebe es in NRW aktuell noch ausreichend Plätze zur Behandlung von Covid-19-Patienten in den Intensivstationen der Krankenhäuser.



Diakonie und Caritas fordern Unterstützung für Pflegeheime

Die tägliche Arbeit zwischen Pflege, Tests und Besuchen ist laut Diakonie RWL zurzeit kaum zu schaffen. "Wir fühlen uns zerrissen", sagt Vorstand Christian Heine-Göttelmann. Es brauche dringend mehr Unterstützung.

Diakonie und Caritas beklagen eine Überlastung des Personals in Altenheimen und Behinderteneinrichtungen durch zusätzliche Corona-Tests und die bevorstehenden Impfungen und fordern dringend mehr Unterstützung. "Wir haben derzeit einen Krankenstand von rund 30 Prozent bei unseren Mitgliedseinrichtungen", erklärte Christian Heine-Göttelmann, Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL), am 18. Dezember in Düsseldorf. Die Pflegekräfte müssten dringend durch Freiwillige oder Mitarbeiter von Hilfswerken und Bundeswehr entlastet werden, um Pflege, Corona-Tests und Impfungen zu gewährleisten.

Tests und Impfvorbereitungen überlasten Personal zusätzlich

Bereits jetzt sei die tägliche Arbeit zwischen Pflege, Tests und Besuchen kaum zu schaffen, berichtete Heine-Göttelmann. "Wir fühlen uns zerrissen: Besuche müssen unbedingt weiter möglich sein - gleichzeitig sehen wir, dass die Testungen und bald die Impfungen zusätzlich zur regulären Arbeit anfallen." Für die Impfungen sei ein hoher Aufwand an organisatorischer Vorbereitung notwendig, die die Alten- und Pflegeheime nicht noch zusätzlich leisten könnten. "Die Landespolitik darf die Einrichtungen mit dieser Mehrbelastung nicht alleine lassen und die Impfvorbereitung nicht alleine auf die Pflegekräfte abwälzen", betonte der Vorstand.

Auch der Diözesancaritasverband Münster erklärte, für die Umsetzung der Vorgaben der Landes NRW zu mehr Corona-Tests unter Mitarbeitern und Bewohnern von Pflegeheimen fehle das notwendige Personal. Die Leitungen der 205 Caritas-Altenheime im Bistum Münster sähen sich von der Landesregierung allein gelassen und berichteten von Überlastung.

Die Pflegeheime sollten anders als im Frühjahr "auf jeden Fall für Besucher offen bleiben", erklärte Caritasdirektor Heinz-Josef Kessmann. Es sei aber schwierig, dies angesichts der "sich ständig ändernden und immer aufwendigeren Regelungen" zu gewährleisten. "Wir haben definitiv nicht das Personal für mehr Tests", erklärte Rainer Schmidt-Dierkes vom Altenheim der Heilig-Geist-Stiftung in Dülmen. Wolle man die Verordnungen buchstabengetreu erfüllen, müsse eine Person ganztägig dafür abgestellt werden.



Sorge um soziale Angebote

Nur ein Drittel der sozialen Einrichtungen hält die staatlichen Rettungsschirme zur Milderung der Einbußen durch die Corona-Pandemie für auskömmlich. Das geht aus einer Umfrage der Bank für Sozialwirtschaft hervor, aus der die Präsidenten der Diakonie und des Caritasverbandes, Ulrich Lilie und Peter Neher, am 16. Dezember in Berlin erste Ergebnisse vorstellten.

Lilie sagte, 46 Prozent der Einrichtungen könnten trotz der Hilfen die Einbußen nicht kompensieren. Befragt worden waren die Vorstände oder Geschäftsführungen von 500 Unternehmen des Sozial- und Gesundheitswesens. Als wesentliche Herausforderungen nannten sie Mehrinvestitionen aufgrund der Pandemie, etwa für Baumaßnahmen, Digitalisierung und Personal sowie Umsatzeinbußen und erhebliche Personalengpässe. Die Studie dauert noch an.

Die Rettungsschirme seien eine große Hilfe, erklärte Lilie, sie könnten aber nicht alles auffangen. Außerdem sei bereits heute absehbar, dass die Hilfen über den 31. März des kommenden Jahres hinaus verlängert werden müssten.

Personallage größtes Problem

Akut seien die Einrichtungen und Dienste mit den Vorbereitungen der Weihnachtszeit gefordert, erklärten die Präsidenten. Es stelle sie vor enorme Herausforderungen, die Isolation der Bewohnerinnen und Bewohner bei zugleich größtmöglichem Schutz zu vermeiden. Das größte Problem sei die Personalsituation, betonten Lilie und Neher. Das gelte auch für die zusätzlichen Tests in den Einrichtungen.

Diakonie-Chef Lilie sagte, Schnelltests könnten auch von geschulten Pflegeassistenten und externen Zusatzkräften, etwa Rettungssanitätern, durchgeführt werden. Es sei jetzt die Solidarität aller vonnöten. Bund und Länder hatten verpflichtende Tests für das Personal vereinbart. Die Kosten übernimmt der Bund, die Vorschriften machen die Länder. Einige schreiben inzwischen verpflichtende Tests für Besucher in Regionen mit hohen Infektionszahlen vor.

Schon vor der Pandemie seien zu wenige Pflegekräfte im Einsatz gewesen, bilanzierte Lilie. Die Mitarbeitenden seien erschöpft. Dennoch werde es in den meisten Häusern Weihnachtsfeiern und spezielle Besuchsregelungen geben, versicherten die beiden Präsidenten. "Besuche müssen möglich bleiben, darauf müssen wir unsere gemeinsamen Anstrengungen richten", sagte Lilie.

Caritas-Präsident Neher appellierte an jeden Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen für den Schutz alter Menschen in der Pandemie und für die, die es besonders schwer hätten. Er sagte, dafür seien nicht nur die Altenheime und die Wohlfahrtsverbände zuständig, sondern "die ganze Gesellschaft". An die Adresse von Kritikern, die den Kirchen vorwerfen, in der Krise nicht genug für die Menschen da zu sein, sagte Neher: "Wenn Caritas und Diakonie da sind, dann ist Kirche da."



Neuer evangelischer Ausbildungsverbund Ruhrgebiet

Im Ruhrgebiet bieten sich Schulabgängern neue Chancen für Ausbildungen im Gesundheits- und Pflegebereich. Die Evangelische Stiftung Augusta, die Diakonie Ruhr und die Evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel schließen sich für bessere Bildungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen zusammen, wie die Träger gemeinsam in Witten, Herne und Bochum mitteilten. Die drei Partner kooperieren ab sofort als Ausbildungsverbund Ruhrgebiet und bieten zusammen insgesamt 1.000 Plätze für Pflegeausbildungen und Gesundheitsberufe an. Für Auszubildende heiße das unter anderem: kurze Fahrtwege und umfassende Praxismöglichkeiten, erklärte Thomas Drathen, Vorstand der Stiftung Augusta.

Zusammen 1.000 Ausbildungsplätze

Durch die Verbindung zahlreicher Fachabteilungen und mehrerer Pflegeschulstandorte würden Lücken geschlossen und der Pflegeberuf gewinne weiter an Attraktivität, hieß es. Neben der generalistischen Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann sollen auch neuere Berufsbilder wie Operationstechnische oder Anästhesietechnische Assistenz (kurz OTA beziehungsweise ATA) gefördert werden sowie Gesundheitsberufe beispielsweise im Bereich der intensivmedizinischen Weiterbildung. Weitere Ausbildungen, unter anderem im kaufmännischen Bereich, sowie zahlreiche Fachweiterbildungen ergänzen das Angebot.

Neue Auszubildende sind weiterhin bei einem Träger angestellt, können aber die für sie nächstgelegene Pflegeschule nutzen, wie die Kooperationspartner erläuterten. Zusätzlich haben die Azubis die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Ausbildung in gewünschten Fachbereichen aller Häuser des Verbunds zu arbeiten. „Wir möchten uns damit gegen den Trend zur Zentralisierung stellen und den Auszubildenden stattdessen nah an ihrem Wohnort begegnen“, erklärte Jens Koch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr.

Informationen im Internet: www.diakonie-ruhr.de/pflegeschule, www.diakonie-ruhr.de/azubi, www.comenius-berufskolleg.de, www.evkhg-herne.de/index.php?id=936, www.evk-witten.de/karriere/pflegefachschule, www.augusta-akademie.de



Studie: Psychiatrische Kliniken brauchen deutlich mehr Personal

Die psychiatrischen Krankenhäuser in Deutschland leiden einer aktuellen Studie zufolge unter einer massiven Unterversorgung mit psychiatrischen Pflegekräften. Dies gelte insbesondere für die tagesklinische Behandlung, in der Gerontopsychiatrie und der Intensivbehandlung, erklärte die Fachhochschule der Diakonie am 18. Dezember in Bielefeld-Bethel anlässlich der Publikation der Untersuchung. Die Studie liefere erstmals wissenschaftlich gesicherte konkrete Zahlen für den Pflegepersonalbedarf in der Erwachsenenpsychiatrie und in der Psychosomatik.

Der tatsächliche Bedarf an Pflegekräften liege deutlich über dem vorgegebenen Personalschlüssel in der psychiatrischen Pflege, erklärte die Pflegewissenschaftlerin Jacqueline Rixe. Laut der Studie müssten etwa auf einer allgemeinen Psychiatriestation mit 18 Betten vier Patienten auf eine Pflegekraft kommen. Nach der seit 1990 gültigen Psychiatrie-Personalverordnung muss sich jedoch eine Pflegeperson um sechs Kranke kümmern.

Tätigkeitsfelder gewachsen

Die Tätigkeitsfelder in der psychiatrischen Pflege hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich erweitert, sagte Rixe. Neben krankheitsbezogenen Interventionen seien für die Personalbemessung zum Beispiel auch die Patienten-Begleitung, Angebote der Tagesstruktur oder die Gewährleistung der Patientensicherheit relevant. Auch der Therapie- und Pflegebedarf der Kranken habe zugenommen, betonte die Expertin.

Die Autoren der Studie, Michael Löhr und Dorothea Sauter, hätten mit der Studie ein "wertvolles Instrument" für die Ermittlung des Personalbedarfs eines Krankenhauses entwickelt, hieß es weiter. Dies sei in Zukunft eine wichtige Verhandlungsgrundlage für Kostenträger und Kliniken erklärte Löhr, der als Honorarprofessor an der FH der Diakonie tätig ist.

Die Betheler Fachhochschule hatte die Untersuchung im Auftrag der Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie durchgeführt. Für die einjährige Studie wurden den Angaben zufolge aus der Literatur alle psychiatrischen Pflegetätigkeiten ermittelt und anschließend bundesweit 117 Pflegeexperten und -expertinnen aus rund 50 Kliniken und Einrichtungen befragt.



Wenn nur noch Video-Plattformen Treffen ermöglichen


Hannelore Penzkofer
epd-bild/Rudolf Stumberger
Selbsthilfegruppen sind eine wichtige Säule im Kampf gegen Folgen von Krankheit oder Behinderung. Corona beeinträchtigt auch ihre Arbeit. Längst nicht alle Gesprächsangebote lassen sich leicht ins Internet verlagern, wie der Blick nach München zeigt.

Insgesamt 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen soll es bundesweit geben, deren Mitglieder ihre Problembewältigung in die eigenen Hände nehmen. Doch im Lockdown sind reale Treffen meist nicht mehr möglich. Viele Mitglieder vermissen den Halt, den ihnen die Gruppe gibt. Ein Situationsbericht aus München.

"Für mich ist die Selbsthilfegruppe extrem wichtig", sagt Peter Lehan. Der 57-Jährige leidet wie die anderen zwölf Mitglieder an einer bipolaren psychischen Störung. Dabei wechselt das Gefühlsleben von unbegründeter Hochstimmung hin zu tiefen Depressionen. 15 Monate hat er in innerhalb von drei Jahre in Kliniken verbracht, bekam aber seiner Meinung nach "keine wirkliche Hilfe".

Die fand er erst in der Selbsthilfegruppe, die ihm nach eigener Aussage mittlerweile fast zur Familie geworden ist. "Wir sprechen auf Augenhöhe miteinander", sagt Lehan. "Die Ärzte wissen viel, haben die Krankheit aber nicht selbst erlebt." Einmal die Woche traf man sich vor Corona im Münchner Selbsthilfezentrum im Westend.

Regelung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich

Im Zentrum berichtet Geschäftsführer Klaus Grothe-Bortlik über die bayerische Corona-Regelung für Selbsthilfegruppen: "Suchtgruppen dürfen sich weiter treffen, sonstige Gruppen unter einer fachlichen Leitung." Wobei das "fachliche" auch durch langjährige Erfahrung in der Leitung einer Gruppe gewährleistet sei. Prinzipiell stünde also einem Zusammenkommen mit Abstand und Mundschutz, der nur zum Sprechen abgenommen werden dürfe, nichts entgegen. Aber, so erklärt Grothe-Bortlik: "Viele Gruppen treffen sich nicht, weil sie sich als Risikogruppe sehen."

Die Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Einen schnellen Überblick gibt die "Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen" (Nakos) in Berlin auf ihrer Website.

An die 250 Selbsthilfegruppen kamen bisher unter dem Dach des Selbsthilfezentrums München zusammen, was jetzt wegen fehlender großer Räumlichkeiten, in denen Abstände eingehalten werden können, schwierig ist. Viele Gruppen haben deshalb das digitale Angebot des Zentrums angenommen, sich über Videokonferenzen im Internet zusammenzuschalten. Auch die Bi-Polar-Gruppe von Peter Lehan trifft sich jetzt virtuell: "Mir wäre eine Präsenzgruppe lieber, aber es ist besser als gar keine Gruppe."

Videochat mit 14 Leuten

Im Münchner Stadtteil Untergiesing öffnet Hannelore Penzkofer ihr Laptop und loggt sich in eine Plattform ein. "Ein ganz, ganz positive Erfahrung ist das", sagt sie und nimmt Kontakt zu den Mitgliedern ihrer Gruppe auf. Neulich waren 14 Leute per Video und vier über das Telefon mit dabei.

Die 72-jährige Münchnerin ist Sprecherin des Bundesverbands Polio und leitet seit sieben Jahren die Münchner Gruppe mit ihren 104 Mitgliedern. Diese eint, dass sie an Kinderlähmung erkrankten und heute mit körperlichen Einschränkungen leben. Man traf sich einmal im Monat in einem Raum des Bogenhausener Krankenhauses. Seit Corona aber waren diese Treffs nicht mehr möglich.

Hedwig Haag hat ein Nottelefon eingerichtet, um mit den Mitgliedern sprechen zu können, und es gibt auch eine Telefon-Online-Gruppe, also eine Art Konferenzschaltung. Die 62-Jährige ist Vorsitzende der Deutschen Dystonie Gesellschaft e.V. und Leiterin der Münchner Selbsthilfegruppe. Dystonie ist eine Bewegungsstörung, die unterschiedliche Formen annehmen kann. Die Krankheit ist unheilbar, aber die Folgen lassen sich lindern. Bundesweit gibt es 40 Selbsthilfegruppen mit 1.600 Mitgliedern.

Vor Corona trafen sich die Mitglieder der Münchner Gruppe monatlich und machten auch gemeinsam Ausflüge. Sich gegenseitig aufzubauen und abzulenken, das stehe wie bei vielen anderen Gruppen im Vordergrund, was jetzt jedoch schwierig sei. Viele Mitglieder bleiben lieber zu Hause, sie wollen kein Risiko eingehen. "Die Situation ist schlimm", sagt Haag: "Viele sind sehr einsam." Die Telefon-Online-Gruppe sei gut, aber, aber "das persönliche Treffen ist doch das A und O".

Rudolf Stumberger (epd)


Theologischer Vorstand verlässt Kreuznacher Diakonie

Der Theologische Vorstand der Stiftung Kreuznacher Diakonie, Pfarrer Christian Schucht, hat sein Amt niedergelegt. "Da es sein Wunsch ist, wie ganz zu Beginn seines Weges, in der Kirche im pastoralen Dienst zu arbeiten, wird er in Kürze wieder eine Aufgabe in der Evangelischen Kirche im Rheinland übernehmen", teilte das Kuratorium der Stiftung am 18. Dezember mit. Kommissarisch übernehme seine Stellvertreterin Sabine Richter das Amt.

Der gebürtige Wittener hatte 2007 in der Stiftung Kreuznacher Diakonie im Krankenhaus angefangen. "Im Diakonie Krankenhaus Bad Kreuznach und Kirn prägte er mehr als acht Jahre die Seelsorge und gab unseren Patienten und deren Angehörigen in schweren Zeiten mit seinen Worten und seiner Begleitung Halt und Orientierung", hieß es. Das Kuratorium hatte ihn zum 1. Oktober 2017 zum theologischen Vorstand berufen und im Februar 2018 wurde er ins Amt eingeführt. Zuvor hatte er diese Position bereits seit Januar 2016 in kommissarischer Funktion inne.

Die Kreuznacher Diakonie ist Trägerin von sozialen Einrichtungen in Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland. Rund 6.800 Mitarbeiter sind nach eigenen Angaben für sie tätig.



KD-Bank trotz Corona-Krise mit Geschäftsjahr 2020 zufrieden

Stabiles Betriebsergebnis, Jahresüberschuss sowie Zuwächse im Kreditgeschäft - trotz Corona. Die Bank für Kirche und Diakonie blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) sieht sich trotz der Folgen der Corona-Krise für die Wirtschaft auf einem guten Kurs. Für das ablaufende Geschäftsjahr 2020 geht das Kreditinstitut mit Sitz in Dortmund von einem gegenüber 2019 stabilen Betriebsergebnis und Jahresüberschuss sowie Zuwächsen im Kreditgeschäft aus. Auch verfüge die Bank weiter über eine angemessene Eigenkapitalbasis, berichtete der Vorstandsvorsitzende Ekkehard Thiesler am 14. Dezember auf der digitalen Generalversammlung.

"Wir sind zuversichtlich, dass wir auch für die nächsten Jahre gut aufgestellt sind", sagte Thiesler. Wachstumsimpulse erwarte er dabei auch von dem durch die Corona-Krise beflügelten Trend zu nachhaltigen Investitionen, die inzwischen bei 72 Prozent aller institutionellen Investoren Berücksichtigung fänden. Nachhaltige Anlagen hätten sich zuletzt deutlich besser als der Gesamtmarkt entwickelt. Zudem wolle die EU-Kommission als ein Treiber dieser Entwicklung die europäische Wirtschaft zur nachhaltigsten Ökonomie der Welt machen.

Auch Thiesler geht davon aus, dass sich die Corona-Krise trotz der anstehenden Impfungen "noch weit bis ins nächste Jahr" hinziehen werde. Diakonische Einrichtungen hätten die Folgen von Corona in diesem Jahr zum Teil mit Belegungsproblemen und Umsatzrückgängen bei zugleich erhöhtem Aufwand für Hygiene- und Schutzmaßnahmen gespürt. "Wir haben versucht, schnell und flexibel zu helfen", betonte er.

In der Organisation habe KD-Bank im Verlauf der Corona-Krise vom digitalen Banking und den Möglichkeiten zum Homeoffice profitiert, in das bis zu 50 Prozent aller Mitarbeiter geschickt worden seien. Die Bank sei so stets handlungsfähig geblieben und habe die Krise intern bislang "sehr gut gemeistert", erklärte der Vorstandschef.

Stabiler Gewinn und Zuwächse im Kreditgeschäft erwartet

Für 2020 rechnet die KD-Bank nach Angaben des Vorstands mit einem vergleichbaren Jahresüberschuss von zuletzt 9,2 Millionen Euro. Das Kreditgeschäft soll um zehn Prozent auf 2,2 Milliarden zulegen. Dies sei ein "hervorragendes Ergebnis" und eine Bestätigung für ihren Auftrag, betonte Thiesler. Die Bilanzsumme soll sogar um ein Fünftel auf rund sieben Milliarden Euro steigen, die Kundeneinlagen in gleicher Höhe auf 5,8 Milliarden Euro. Bei den Kundenwertpapieren erwartet das Institut ein Plus von zwei Prozent auf 3,8 Milliarden Euro.

Mit Blick auf das vorangegangene Geschäftsjahr 2019 war die KD-Bank eines der wenigen Kreditinstitute, die eine Dividende ausgezahlt haben. Aus dem Bilanzgewinn in Höhe des Jahresüberschusses gab es eine Ausschüttung von 1,7 Millionen Euro an die Teilhaber.

Die KD-Bank ist eine Genossenschaftsbank und gehört Kirche und Diakonie. Mit rund 4.200 Mitgliedern zählt sie nach eigenen Angaben zu den größten Kirchenbanken Deutschlands. Repräsentanten aus Kirche und Diakonie wirken im Aufsichtsrat und Beirat mit. Zu ihren Kunden gehören die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihren Landeskirchen, kirchliche Einrichtungen und Stiftungen sowie Freikirchen. Hinzu kommen soziale Unternehmen wie Krankenhäuser, Hospize, Pflegedienste, Behindertenwerkstätten und Kindertagesstätten.



Kossen zum Werkvertrags-Verbot: "Froh, dass dieser Tag gekommen ist"


Peter Kossen
epd-bild / Uwe Lewandowski

Der Menschenrechtler und katholische Theologe Peter Kossen zeigt sich erfreut über das am 16. Dezember im Bundestag beschlossene Verbot von Werkverträgen und die strenge Einschränkung der Leiharbeit in der Fleischindustrie. "Ich bin froh, dass dieser Tag endlich gekommen ist und das Gesetz zum 1. Januar wirksam werden kann", sagte Kossen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Regelung schaffe endlich Rechtssicherheit für die überwiegend aus Südosteuropa stammenden Arbeitsmigranten. Sie würden in die Stammbelegschaft aufgenommen, wo dann auch Betriebsräte für sie zuständig seien. Zugleich mahnte Kossen schärfere Kontrollen an.

Die Behörden hätten angekündigt, dass sie jährlich fünf Prozent der Betriebe überprüfen könnten. Das sei ein Schwachpunkt, sagte der Lengericher Gemeindepfarrer, der seit Jahren die menschenunwürdigen Bedingungen für Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie im Nordwesten Deutschlands anprangert. "Dann wird jeder Betrieb nur alle 20 Jahre einmal kontrolliert. Das ist viel zu wenig. Die Szene ist mafiös verseucht und hat in der Vergangenheit schon viele andere Gesetze umgangen." Da müssten die Behören genauer hinsehen.

"Aufmerksamkeit ist weiter notwendig"

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sei weiterhin notwendig, betonte der katholische Priester des Bistums Münster. Er werde jedenfalls weiterhin auf Missstände aufmerksam machen. Der Theologe hatte immer wieder auf den Missbrauch von Werkvertrags- und Leiharbeit zum Zweck von Lohn- und Sozialdumping hingewiesen und von Sklaverei und Menschenhandel gesprochen.

Kossen fordert jetzt ähnliche Regelungen wie die am Mittwoch beschlossene auch für andere Branchen, wie etwa die Logistik. Auch das Wohnungsproblem sei durch das neue Gesetz noch nicht gelöst. Die Arbeiterinnen und Arbeiter blieben weiter der Gefahr von Mietwucher und von menschenunwürdiger Unterbringung ausgesetzt. Es seien zu wenige bezahlbare Wohnungen auf dem Markt.

Nach langem Ringen hatten sich Union und SPD Ende November auf strengere Regeln für die Arbeit in der Fleischindustrie geeinigt. Werkverträge sollen verboten, Leiharbeit nur noch in Ausnahmen möglich sein. Das mehrfach wegen des Streits verschobene Arbeitsschutzkontrollgesetz wurde am Mittwoch vom Bundestag verabschiedet und soll Anfang 2021 in Kraft treten.

epd-Gespräch: Martina Schwager


Diakonie Saar unterstützt Seenotrettung mit Weihnachtsgrußverzicht

Die Diakonie Saar verzichtet in diesem Jahr erneut auf den Versand von Weihnachtskarten. Stattdessen spende sie 2.000 Euro an das kirchlich initiierte Seenotrettungsbündnis "United4Rescue" und schließe sich dem Bündnis als Partner an, teilte die Diakonie Saar am 16. Dezember in Neunkirchen mit. "Mit unserer diesjährigen Weihnachtsspende möchten wir bewusst ein Zeichen setzen, dass wir in Zeiten der Corona-Beschränkungen die Not der Flüchtlinge im Mittelmeer nicht vergessen dürfen", sagte Diakoniepfarrer Udo Blank. "Dass Menschen auf der Flucht ertrinken, weil ihre Rettung politisch nicht gewollt ist, ist für Christen unerträglich."



Ultraschall als "Babyfernsehen" wird verboten

Das sogenannte "Babyfernsehen" in der Schwangerschaft wird ab dem kommenden Jahr verboten. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) teilte am 17. Dezember in Essen mit, damit sollten Embryos vor einer unnötigen, zu hohen Strahlendosis geschützt werden. Es handelt sich um Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft, die nicht medizinisch begründet sind und von den Krankenkassen auch nicht bezahlt werden. Das Verbot wird über eine neue Verordnung im Strahlenschutzgesetz umgesetzt, teilte der MDS mit.

Moderne Ultraschallverfahren liefern gestochen scharfe Bilder von ungeborenen Kindern im Mutterleib. In der Regel besteht keine medizinische Notwendigkeit für solche Untersuchungen. Bei den Eltern sind sie aber beliebt: Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung von 2016 zeigte, dass vier von fünf Frauen dieses Angebot einer sogenannten IGeL-Leistung annehmen - also einer Leistung, die sie individuell bezahlen müssen.

Die Schwangerenvorsorge ist in den deutschen Mutterschaftsrichtlinien geregelt. Neben anderen Leistungen bieten sie schwangeren Frauen drei Ultraschall-Termine an. Sollte dabei festgestellt werden, dass mit der Entwicklung des Embryos etwas nicht stimmt, übernehmen die Kassen weitere Untersuchungen.



Land zeichnet neun Projekte mit dem Inklusionspreis NRW aus

Neun herausragende Projekte und Initiativen sind in diesem Jahr mit dem Inklusionspreis NRW ausgezeichnet worden. Die Auszeichnungen sind mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und gingen an Initiativen aus Bad Münstereifel, Duisburg, Düren, Gütersloh, Köln, Lemgo, Mönchengladbach, Münster und Viersen, wie das NRW-Sozialministerium am 18. Dezember in Düsseldorf mitteilte. "Die Auszeichnung soll sowohl die Wertschätzung für diese Projekte zeigen, als auch eine Signalwirkung für möglichst viele Nachahmer haben", sagte Minister Karl-Josef Laumann (CDU), der die Preise im Rahmen einer Online-Verleihung übergab.

Motto lautete "Teilhabe durch Digitalisierung"

Die Hauptkategorie der Preisverleihung stand unter dem Motto "Teilhabe durch Digitalisierung". Laumann: "Wir haben diese Kategorie als Schwerpunkthema ausgewählt, weil die Digitalisierung auch im Bereich der Inklusion immer mehr an Bedeutung gewinnt und neue Chancen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen schafft." Der 1. Preis ging an das "Netzwerk Inklusion mit Medien – Nimm!" aus Duisburg, der 2. Preis an das "Inklusive Social Media Team You Tube Kanal Behindert – so what!" aus Mönchengladbach und der 3. Preis an das Projekt "Digitale Assistenz-Chancen für Industrie, Bildung und Inklusion" aus Gütersloh.

Darüber hinaus wurden vier Fachpreise an "AfB – social & green IT" aus Düren, das Chor-Projekt "iChor" aus Köln, das Kanubauprojekt dreier Lemgoer Schulen ("Alle in einem Boot") und das Projekt "Justiz in Leichter Sprache" aus Bad Münstereifel vergeben. Darüber hinaus wurden zwei Sonderpreise in den Kategorien "Sport" und "Heimat ohne Hindernisse" ausgelobt. Preisträger in diesen Kategorien war der inklusive Tanzverein "Funky" aus Münster beziehungsweise das Projekt "Virtuelle Gedenkstätte" aus Viersen.




Medien & Kultur

Gericht erlaubt Einbau von Schröders "Reformationsfenster"


Ortstermin im Prozess um das "Reformationsfenster" im Oktober
epd-bild/Jens Schulze
Mehr als zwei Jahre lang sorgte das vom Künstler Markus Lüpertz entworfene "Reformationsfenster" für Kontroversen in Hannover und weit darüber hinaus. Ein Architekten-Erbe wollte den Einbau verhindern. Doch ein Gerichtsurteil schafft nun Klarheit.

Das von Altkanzler Gerhard Schröder (76, SPD) gestiftete "Reformationsfenster" für die evangelische Marktkirche in Hannover darf im kommenden Jahr wie geplant eingebaut werden. Das Landgericht Hannover erlaubte am 14. Dezember in Hannover die Installation des 13 Meter hohen Kunstwerks, das von dem Künstler Markus Lüpertz (79) entworfen wurde. (AZ: 18 O 74/19) Die Richter wiesen damit eine Klage des Architekten-Erben Georg Bissen zurück, der sich auf die Urheberrechts seines Stiefvaters Dieter Oesterlen (1911-1994) berufen hatte. Oesterlen hatte die im Krieg zerstörte spätgotische Kirche nach 1946 wiederaufgebaut und neu gestaltet.

In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter Florian Wildhagen, der Einbau des Buntglasfensters werde die Wirkung des Raums zwar beeinträchtigen. "Wir sind aber zu der Entscheidung gekommen, dass ein Eingriff ins Urheberrecht gerechtfertigt werden kann." Die Richter stuften die Marktkirche als "Gebrauchskunstwerk" ein, das nicht unveränderlich bleiben müsse wie ein Denkmal: "Der Urheber muss sich darauf einrichten, dass sich im Laufe der Zeit Änderungen des Gebrauchs ergeben."

"Alle Sinne ansprechen"

In dem 40-seitigen Urteil hält das Gericht fest, dass das neue Fenster zwar den Lichteinfall und die Blickachsen verändere. Doch die roten Backsteinwände und der Fußboden blieben unberührt. Die Richter stützen sich bei ihrer Abwägung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit. Der Kirche müsse zugestanden werden, ihre Lehren nicht nur über das Wort zu verbreiten, sondern auch durch Kunst oder Musik, sagte Wildhagen: "Es geht darum, alle Sinne des Menschen anzusprechen."

Das Fenster zeigt eine große weiße Figur, die den Reformator Martin Luther (1483-1546) darstellen soll, sowie zahlreiche Einzelmotive mit Bezug zur Reformation. Für kontroverse Diskussionen sorgen unter anderem fünf große schwarze Fliegen, die für das Böse und die Vergänglichkeit stehen sollen.

"Könnte wegweisend sein"

Der Vorstand der Marktkirche begrüßte das Urteil. "Es kann wegweisend für vergleichbare Fälle sein", sagte der Vorsitzende Reinhard Scheibe nach dem Ende des Prozesses. Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann betonte: "Das Fenster wird ein touristischer Magnet für Hannover werden."

Der Kirchenvorstand der Marktkirche hatte die Herstellung des Fensters bereits vor einigen Monaten bei der Glasmanufaktur Derix im hessischen Taunusstein in Auftrag gegeben. Es ist schon halb fertig. Altkanzler Schröder hat es der Marktkirche als Ehrenbürger von Hannover gespendet und die bisherigen Kosten für die Herstellung nach Angaben der Kirche bereits beglichen. Anlass war das 500. Reformationsjubiläum 2017. Die Gesamtkosten werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Schröder wollte dafür Vortragshonorare weitergeben. Der Architekten-Erbe Bissen kann innerhalb von vier Wochen Berufung gegen das Urteil einlegen.



Steinmeier: Beethoven ist pure Emotion


Originalhandschrift Ludwig van Beethovens der berühmten 9. Sinfonie in D-Moll op. 125 aus dem Jahr 1824 befindet sich im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin.
epd-bild/Christian Ditsch
Im Beethovenjahr 2020 wurden coronabedingt viele Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. An Beethovens 250. Tauftag wurde der Komponist aber mit einem Online-Konzert und einem Gottesdienst gewürdigt. Der Bundespräsident meldete sich per Video.

Mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem im Internet live übertragenen Jubiläumskonzert ist am 17. Dezember in Bonn an Geburtstag und Tauftag Ludwig van Beethovens vor 250 Jahren erinnert worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Komponisten (1770-1827) als außergewöhnlichen Künstler. An der Fassade des Bonner Münsters wurde zudem ein neues Kapitell mit Beethovens Namenskürzel "BTHVN" enthüllt.

Der Gottesdienst wurde in der Bonner St.-Remigius-Kirche gefeiert, in der Beethoven am 17. Dezember 1770, vermutlich einen Tag nach seiner Geburt, getauft wurde. Der Taufstein ist erhalten. Der Bonner Superintendent Dietmar Pistorius wandte sich in seiner Predigt gegen Kritik daran, dass Konzerte und andere Kulturveranstaltungen coronabedingt ausfallen, Gottesdienste aber unter Schutzvorkehrungen gehalten und von Gläubigen besucht werden dürfen. Er plädierte dafür, Kirche und Kultur in ihrer Bedeutung und unterstützenden Wirkung für die Menschen als gleichwertig zu betrachten. Kultur und Kirche seien vereint im selben Boot.

Der evangelische Theologe wies außerdem darauf hin, dass die Verehrung von Beethovens genialem Werk nicht die Bewunderung für alltägliche menschliche Leistungen schmälern sollte. Es bestehe "nur ein gradueller Unterschied zwischen seinen außergewöhnlichen Leistungen in der Musik zur Lebensleistung von Menschen, die nicht berühmt werden, aber täglich mehr erschaffen, als sie sich selbst zutrauten". Pistorius bezog sich in seiner Predigt etwa auf die Leistungen von Krankenschwestern und Pflegern sowie Ärztinnen und Ärzten in der Pandemie.

Daniel Barenboim dirigiert West-Eastern Divan Orchestra

Im Jubiläumskonzert am Abend spielten Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra Beethovens drittes Klavierkonzert sowie seine fünfte Symphonie, die "Schicksalssymphonie". Zum Auftakt der Veranstaltung wurde per Video eine zuvor aufgezeichnete Festrede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übertragen. Er würdigte Beethoven als außergewöhnlichen Künstler. "Ob in Wien, Berlin, Paris oder London: Beethoven war in. Er ist es bis heute, als meistgespielter Komponist der Welt."

"Milliarden kennen seine Töne", sagte Steinmeier. Selbst wer nie Musikunterricht hatte, kenne seine "Gassenhauer" wie den Beginn der Fünften Symphonie, die Ode an die Freude oder die Mondscheinsonate, "und wenn auch nur als Handy-Klingelton oder als Filmmusik". Beethovens Musik sei pure Emotion, sagte der Bundespräsident weiter. "Diese Sprache verstehen alle Menschen." Gefühle wie Trauer und Wut, Liebe und Überschwang, Freundschaft und Freude teilten alle miteinander. "Deshalb versteht man seine Musik auf der ganzen Welt."

Ludwig van Beethoven ist einer der weltweit am meisten gespielten Komponisten. Er wurde in Bonn geboren und lebte ab dem Alter von 22 Jahren in Wien, wo er auch starb. Beethoven gilt als Vollender der Klassik und Wegbereiter der Moderne.



Ein TV-Lagerfeuer an Weihnachten

Corona schränkt unser Leben auch an Weihnachten ein. Wenn es darum geht, Kontakte zu reduzieren, ist das Weihnachtsprogramm im Fernsehen eine willkommene Ablenkung. Ein Highlight im Ersten ist im Beethoven-Jahr der Fernsehfilm "Louis van Beethoven".

Das Fernsehen ist schon seit geraumer Zeit nur noch in Ausnahmefällen ein Lagerfeuer, an dem sich die ganze Familie versammelt. Zu diesen Ausnahmen zählt die Weihnachtszeit. Während die Privatsender ihr Weihnachtsprogramm größtenteils mit Wiederholungen und TV-Premieren von Kinofilmen bestreiten, bieten ARD und ZDF an den Feiertagen viel Familienfreundliches.

Da sind zunächst einmal die ARD-Märchen. Der fünfzigste Film der Reihe "Sechs auf einen Streich", "Das Märchen vom goldenen Taler", wird am ersten Weihnachtsfeiertag um 13.50 Uhr gezeigt. Die Geschichte ist eine klassische Heldinnenreise: Seit ein Lumpensammler einst einen goldenen Taler gestohlen hat, ist dem Dorf Überall jegliche Lebensfreude abhandengekommen. Also macht sich das mutige Mädchen Anna Barbara (Valerie Sophie Körfer) auf den Weg, um die Münze zurückzuholen. Der verschlagene Unhold lässt sich zwar auf einen Handel ein, will sie aber natürlich übers Ohr hauen. Regisseur Cüneyt Kaya hat aus diesem Märchen ein optisches Ereignis gemacht.

Künstlerischer Höhepunkt

Die Hauptfigur des Films "Der starke Hans" (26. Dezember, 13.50 Uhr) ist dem Titel zum Trotz ebenfalls weiblich: Prinzessin Sarah soll den Lackaffen Herzog Egbert heiraten, liebt aber schon seit Kindheitstagen den starken Hans. Als sich Egbert mit der düsteren Hüterin des Waldes verbündet, stößt selbst die unerschrockene Sarah an ihre Grenzen. Bianca Nawrath verkörpert die junge Frau als ebenso attraktive wie kluge moderne Filmheldin, die dem Schurken sogar im Zweikampf trotzt.

Künstlerischer Höhepunkt des TV-Angebots an Weihnachten ist das biografische ARD-Drama "Louis van Beethoven" am 25. Dezember um 20.15 Uhr. Niki Steins zwei Stunden langer Film ist ein großes Werk, das Ludwig van Beethoven in drei Lebensphasen zeigt. Tobias Moretti verkörpert den alten Mann als unleidlichen Misanthropen, und bei den Darstellern für das achtjährige Wunderkind und den 16-jährigen jungen Mann sind Stein mit dem Jungpianisten Colin Pütz und Anselm Breisgott zwei echte Glücksgriffe gelungen.

Mit einem "Tatort" aus Ludwigshafen endet der besinnliche Teil des TV-Programms: Nach der Ermordung eines Clubbesitzers spricht alles für einen tödlichen Streit unter Konkurrenten, doch die Spur führt schließlich bis in höchste Landesregierungskreise. "Unter Wölfen" (26. Dezember, 20.15 Uhr) ist durchaus spannend, hat aber auch einige Schwächen.

Mehr Fernsehgottesdienste

Wem auch an Weihnachten der Sinn eher nach Unterhaltung steht, der braucht nicht auf Shows zu verzichten: Zum achten Mal in Folge zeigt das ZDF "Heiligabend mit Carmen Nebel". Gäste sind unter anderem Ireen Sheer, Rolando Villazón und Alfons Schuhbeck. Anders als gewohnt fällt in diesem Jahr allerdings die ebenfalls traditionelle "Helene-Fischer-Show" am Ersten Feiertag aus: Aufgrund der Corona-Beschränkungen gibt es keine aktuelle Show, stattdessen präsentiert die Sängerin die Höhepunkte ihrer Karriere.

Kinohighlight bei ProSieben ist am 25. Dezember "Ocean's Eight": In dem Spinoff der "Ocean's Eleven"-Trilogie plant diesmal eine weibliche Betrügertruppe um Sandra Bullock einen gewagten Coup.

Das kirchliche TV-Angebot ist wegen der Pandemie insbesondere an Heiligabend deutlich erweitert worden. ARD und ZDF übertragen jeweils eine evangelische Christvesper: das Erste um 16.15 Uhr aus Winsen an der Luhe, das Zweite um 19.15 Uhr aus Ingelheim. Der BR überträgt um 19.30 Uhr die Christmette mit Papst Franziskus aus Rom und das Erste zeigt um 23.20 Uhr eine Christmette in der Alten Kirche in Lobberich. Am ersten Feiertag überträgt das ZDF ab 10.45 Uhr einen katholischen Weihnachtsgottesdienst aus der Stiftskirche Rein in Österreich, gefolgt vom Weihnachtssegen des Papstes ("Urbi et Orbi") um 12 Uhr.

Bereits um 15.45 Uhr stimmt der Kinderkanal am Heiligen Abend auf das Weihnachtsfest ein. Der Kurzfilm "Paule und das Krippenspiel" basiert auf einer Vorlage von Kinderbuchautorin Kirsten Boie: Titelheld Paule, ein schwarzer Junge, soll beim Krippenspiel die Rolle des ebenfalls schwarzen Heiligen Königs Kaspar übernehmen, er würde aber viel lieber den Engel spielen.

Tilmann P. Gangloff (epd)


Das Lied "O du fröhliche" hatte einen schweren Start


Porträt des Pädagogen Johannes Daniel Falk (1768-1826) mit dem Notenblatt seines bekannten Weihnachtsliedes "O du fröhliche" (Archivild)
epd-bild/Maik Schuck

Das 200 Jahre alte Weihnachtslied "O du fröhliche" wurde anfangs von der evangelischen Kirche kritisch beäugt. Noch in den 1950er Jahren hatten viele Gesangbücher den Hinweis, das Lied sei für den gottesdienstlichen Gebrauch "nur bedingt geeignet", schreibt Privatdozent Jan Peter Grevel in einem am 16. Dezember in Stuttgart verbreiteten Beitrag für die württembergische Landeskirche. Erst mit dem Gesangbuch aus dem Jahr 1996 gehört es unter der Nummer 44 zum festen Bestandteil gottesdienstlicher Lieder.

Grevel, der im württembergischen Oberkirchenrat die Stabsstelle "Visitation und theologische Grundsatzfragen" versieht, nennt mehrere Ursachen für den schweren Start für "O du fröhliche". Ursprünglich sei es für Kinder geschrieben und vor allem bei Krippenspielen an Heiligabend gesungen worden. Anfang des 20. Jahrhunderts war für die evangelischen Kirchen aber noch der 1. Weihnachtstag das Hauptfest gewesen. Christvesper und Christmette am 24. Dezember seien beispielsweise 1912 im kirchlichen Gesetz zu den Feiertagen noch nicht einmal erwähnt - weder in Württemberg noch in Baden.

Siegeszug mit Radio und Schallplatte

Mit der zunehmenden Bedeutung des Heiligabends in der kirchlichen Praxis habe das Lied nach dem Zweiten Weltkrieg an Popularität gewonnen. Radiogottesdienste und Schallplattenaufnahmen hätten ebenso dazu beigetragen wie die Komposition des Dresdner Kantors Rudolf Mauersberger, der eine weit verbreitete "Christvesper nach Worten der Bibel und des Gesangbuchs" zusammenstellte, das auch das weihnachtliche Kinderlied enthielt.

Die drei Strophen des Lieds "O du fröhliche" münden jeweils in den Vers "Freue, freue dich, o Christenheit!". Es wird zum Abschluss des Heiligabendgottesdienstes im Stehen gesungen. Viele Gemeinden löschen dabei das Hauptlicht in der Kirche, so dass nur der Weihnachtsbaum und die Kerzen erstrahlen.



Neubau des Historischen Archivs Köln steht

Rund elf Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs in der Kölner Südstadt ist der Neubau am Eifelwall weitgehend fertiggestellt. Das Gebäude wird das Historische Archiv und das Rheinische Bildarchiv beherbergen, wie die Stadtverwaltung am 20. Dezember mitteilte. Auf einer Gesamtfläche von etwa 22.600 Quadratmetern stehen dem Stadtarchiv rund 50 Regalkilometer und 460 Planschränke zur Verfügung. Das Bildarchiv verfügt über weitere rund 2,2 Regalkilometer Lagerfläche. Der Neubau bietet Arbeitsplätze für rund 150 Mitarbeiter, im Lesesaal stehen 45 Plätze für die Arbeit mit Archivgut zur Verfügung. Die Planungs- und Baukosten betragen vorbehaltlich der noch ausstehenden Schlussrechnungen rund 90 Millionen Euro.

"Europas modernstes kommunales Archiv"

Die Gebäudetechnik gehe nun nach und nach in Betrieb, die Schlussabnahmen folgten, hieß es. Ab dem kommenden Frühjahr soll das Gebäude technisch genutzt werden können, der genaue Bezugstermin steht noch nicht fest. "Planerisch wie baulich wurde hier Großartiges realisiert. Entstanden ist Europas modernstes kommunales Archiv mit einer Gebäudetechnik, wie sie so noch nie entwickelt und verbaut wurde", sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). Bei der Architektur wurden sehr hohe Anforderungen an die Klimastabilität gelegt. Das Gebäude verfügt über eine "Hüllflächentemperierung" für den Magazinbaukörper, Geothermie und Photovoltaik.

Der architektonische Entwurf stammt aus dem Büro "Waechter + Waechter Architekten Darmstadt". Die Höhe der Mantelbebauung mit drei Geschossen bleibt unter den Traufhöhen der umliegenden Bebauung mit vier bis fünf Wohngeschossen.

Der Neubau wurde nötig, weil das Historische Archiv der Stadt Köln am Waidmarkt am 3. März 2009 eingestürzt war. Ursache waren unsachgemäße Tiefbauarbeiten bei der Kölner Nord-Süd-Stadtbahn. Durch die Wucht des Einsturzes brachen auch zwei angrenzende Häuser zusammen: Zwei Bewohner kamen dabei ums Leben.

Zum Zeitpunkt des Einsturzes hatten sich rund 27 laufende Kilometer Akten, etwa 62.000 Urkunden, 329.000 Karten, Pläne und Plakate, 500.000 Fotos sowie annähernd 2.500 Tonträger und Videos in dem Archiv befunden. In der rund zweieinhalb Jahre dauernden Bergungsphase konnten 95 Prozent davon geborgen werden. Die Stadt veranschlagt den Gesamtschaden auf mindestens 1,3 Milliarden Euro.



Berlinale findet 2021 in zwei Teilen statt

Die Berlinale 2021 findet wegen der Corona-Pandemie in zwei Teilen statt. Zur 71. Ausgabe der Internationalen Filmfestspiele werde es Anfang März einen virtuellen Filmwettbewerb ausschließlich für Branchenvertreter geben, teilten Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian am 18. Dezember in Berlin mit. Für das Publikum sei im Juni ein Sommer-Event mit zahlreichen Filmvorführungen in den Kinos und auch Open Air geplant.

Eine Internationale Jury werde im März die Filme sichten und über die Bärenpreise entscheiden, teilte die Festivalleitung mit. Dem Publikum sollen die Preisträgerinnen und Preisträger dann im Juni präsentiert werden. Zum Auftakt des Sommer-Events sei auch eine festliche Eröffnung geplant. Das Berlinale-Onlineangebot für das Fachpublikum finde zudem parallel zum European Film Market statt.

"Mit der Veränderung des Festivalformats 2021 haben wir die Möglichkeit, die Gesundheit aller Gäste zu schützen und den Neustart der Kinobranche zu unterstützen", sagte Rissenbeek. Die Zweiteilung ermögliche es, die beiden Säulen der Berlinale - den Filmmarkt und das Festival - zu erhalten. Das Publikum könne im Juni "wie ein Neustart, 70 Jahre nach der ersten Ausgabe des Festivals" die Filmemacherinnen und Filmemacher sowie ihre Teams feiern, betonte Chatrian.

Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals der Welt. Mit mehr als 325.000 verkauften Eintrittskarten gilt sie zudem als weltweit größtes Publikumsfestival. Ursprünglich sollte die Berlinale wie immer im Februar stattfinden.



98 Filme beim digitalen Filmfestival Max Ophüls Preis

Das 42. Filmfestival Max Ophüls Preis lädt vom 17. bis 24. Januar dazu ein, 98 Filme auf seiner eigenen Streaming-Plattform zu entdecken. "Wir haben das Festival von links nach rechts mehrfach umgedreht", sagte Festivalleiterin Svenja Böttger am 16. Dezember in Saarbrücken. Seit Sommer habe die Festivalleitung sich mit verschiedenen Corona-Szenarien auseinandergesetzt und dann Anfang November endgültig entschieden, auf eine digitale Ausgabe umzuschwenken.

"Wir sind sehr dankbar, dass kein einziger Förderer, kein einziger Sponsor abgesprungen ist", erklärte Böttger. Deswegen könne auch die Preisverleihung stattfinden. "Das finden wir gerade in diesen Zeiten ein sehr tolles und wichtiges Signal", betonte sie. So könnte das Festival auch einen Beitrag leisten, dass die Filmschaffenden die nötige Aufmerksamkeit bekämen und im nächsten Jahr Projekte anschieben könnten. Insgesamt treten 50 Filme im Wettbewerb um 16 Preise mit einem Gesamtwert von 118.500 Euro an - darunter zwölf Spielfilme, zehn Dokus, zehn mittellange Filme und 18 Kurzfilme.

Programmvorstellung am 23. Dezember

Das gesamte Programm werde am 23. Dezember online gestellt, der Vorverkauf beginne am 10. Januar 2021, sagte Böttger. Nach der Eröffnung gingen alle Filme am 18. Januar um zehn Uhr online. Die eigens entwickelte Streaming-Plattform basiere auf der Blockchain-Technologie und sorge für einen Sicherheitsstandard beim Kopierschutz und könne auch den Festivalcharakter erhalten. So gebe es nur eine bestimmte Zahl an Tickets und die Filme seien nur während der Festivalwoche in Deutschland verfügbar. "Wir möchten, dass die Filme nach uns noch kuratiert und gezeigt werden", betonte sie.

Der künstlerische Leiter Oliver Baumgarten erklärte, dass zu den meisten Filmen Zoom-Konferenzräume mit den Filmemachern geplant seien. Das sei zwar nicht das gleiche wie die regulären Gespräche nach den Filmvorführungen, aber andere Lösungen seien zu schwierig.

Dokumentarfilm "A Black Jesus" eröffnet Festival

Eröffnet wird das Filmfestival vom Dokumentarfilm "A Black Jesus". Der Debütfilm von Luca Lucchesi beleuchtet die Verehrung einer schwarzen Jesus-Statue in seinem sizilianischen Heimatdorf und die Spannungen, als eine Gruppe dort untergebrachter Geflüchteter aus Afrika an der religiösen Tradition teilhaben möchte. Die Eröffnungsveranstaltung wird am 17. Januar ab 19.30 Uhr kostenfrei über die Streaming-Plattform verfügbar sein. "A Black Jesus" ist dann ab 20 Uhr kostenpflichtig abrufbar.

Benannt ist das Festival nach dem in Saarbrücken geborenen Regisseur Max Ophüls (1902-1957). Es gilt als eines der wichtigsten Filmfestivals für deutschsprachige Nachwuchsfilmemacher. Den undotierten Ehrenpreis für seine Verdienste um den jungen Film erhält dieses Mal der Regisseur Wim Wenders.



Charlie-Hebdo-Prozess: 30 Jahre Haft für Hauptbeschuldigten

Im Prozess um den Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" hat ein Pariser Gericht mehrere Angeklagte zu hohen Haftstrafen verurteilt. Der Hauptbeschuldigte muss für 30 Jahre ins Gefängnis.

Knapp sechs Jahre nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" hat ein Pariser Sondergericht die Komplizen der Attentäter am 16. Dezember zu Haftstrafen zwischen vier und 30 Jahren verurteilt. Alle elf vor Gericht anwesenden Angeklagten wurden für schuldig befunden, sechs von ihnen aber von der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung freigesprochen. Ihre Taten gelten als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Der anwesende 35-jährige Hauptangeklagte Riza Polat wurde wegen Beihilfe zum terroristischen Mord zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte Strafen von fünf Jahren Haft bis lebenslänglich für die 14 Angeklagten für Beihilfe zum Mord gefordert. Die Angeklagten wurden aber nach der Beweislage für die Einzelpersonen verurteilt. Für Polat hatte die Staatsanwaltschaft lebenslänglich gefordert, was 30 Jahren Haft entspricht. Der französische Staatsbürger türkischer Herkunft wurde einer Schlüsselrolle bei der Vorbereitung der Attentate für schuldig befunden, aber vom Vorwurf der terroristischen Vereinigung freigesprochen. Die Verteidigung kann in den kommenden zehn Tagen gegen das Urteil Berufung einlegen, Staatsanwaltschaft und Nebenkläger könnten auch einen neuen Prozess in sechs Monaten gerichtlich fordern.

Zwölf Morde in Redaktion

Bei dem Überfall auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" am 7. Januar 2015 hatten Said und Chérif Kouachi zwölf Mitarbeiter des Magazins getötet. Die Brüder waren zwei Tage später von der Polizei in einem Industriegebäude nordöstlich von Paris aufgespürt und erschossen worden. Auch Amedy Coulibaly wurde von der Polizei bei der Geiselnahme am 9. Januar 2015 im koscheren Supermarkt Hyper Cacher getötet, nachdem er vier Menschen jüdischen Glaubens ermordet hatte sowie eine Polizistin am Vortag im Pariser Vorort Montrouge.

Drei der Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt, sie hatten sich kurz nach den Anschlägen abgesetzt, darunter die Lebensgefährtin von Coulibaly: Hayat Boumeddienne wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Finanzierung von Terrorismus zu 30 Jahren Haft verurteilt. Der Tod der Brüder Belhoucine im Irak wurde nie offiziell bestätigt, der Ältere der geflüchteten Brüder, Mohamed Belhoucine, gilt als der religiöse Mentor des Supermarkt-Geiselnehmers Coulibaly. Er wurde für schuldig befunden, das Bekennerschreiben im Namen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geschrieben zu haben. Mohamed Belhoucine wurde wegen "Komplizenschaft" bei terroristischen Verbrechen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, sein jüngerer Bruder Mehdi zu 20 Jahren Haft.

Die Täter leugneten während des Verfahrens, von den Terrorplänen der Attentäter, der Brüder Kouachi, gewusst zu haben. Angehörige und Überlebende schilderten ihr Leid. Videos riefen die schrecklichen Geschehnisse vor fünf Jahren in Erinnerung. "Charlie Hebdo" sei zum Symbol für Meinungsfreiheit geworden, sagte Anwalt Richard Malka während der Verhandlungen.

Neuer Anschlag während des Prozesses

Der drei Monate dauernde Prozess fand unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen im Pariser Justizpalastes statt, mit 90 akkreditierten Journalisten und rund 200 Nebenklägern. Der als historisch geltende Prozess wurde gefilmt. Er hatte coronabedingt statt im Mai erst am 2. September begonnen. Die Verhandlung musste dann einen Monat lang ausgesetzt werden, weil der Hauptangeklagte Polat positiv auf Covid-19 getestet worden war.

Während des Prozesses wurde Frankreich erneut Opfer des Terrors: Ein Attentäter griff vor den ehemaligen Redaktionsräumen von "Charlie Hebdo" zwei Menschen an. Die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty löste Entsetzen aus wie auch der Anschlag in einer Kathedrale in Nizza.

Die Anschlagsserie vom Januar 2015 hatte international für Entsetzen gesorgt. Zehntausende Menschen demonstrierten in Paris unter dem Motto "Ich bin Charlie", der damalige Präsident François Hollande wurde auf dem Gedenkmarsch von zahlreichen ausländischen Staatschefs und Politikern begleitet, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).



Pfarrer Thomas Weiß in PEN aufgenommen

Neben zahlreichen sehr bekannten Namen wie Daniel Kehlmann und Frank Schätzing ist jetzt auch ein evangelischer Pfarrer Mitglied des Schriftstellerverbands PEN-Zentrum Deutschland. Es sei eine große Freude und Anerkennung seiner literarischen Arbeit, sagte der Theologe und Lyriker Thomas Weiß am 16. Dezember dem epd. Der 59-jährige ist Leiter der Evangelischen Erwachsenen- und Familienbildung in der badischen Landeskirche in Karlsruhe. Er wurde im Dezember zusammen mit 40 weiteren Autorinnen und Autoren aufgenommen.

Seit 1998 veröffentlicht Weiß seine Werke in Zeitschriften, Anthologien und etlichen Gedichtbänden. Er ist Mitglied in der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik in Leipzig und im Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. Derzeit arbeitet der Autor, der eine Krebserkrankung und eine schwere Covid-19-Erkrankung überstanden hat, an einem Erzählband über den Dichterpfarrer Johann Peter Hebel. Zuletzt ist von Weiß im Drey-Verlag (Gutach) sein Lyrikband "im wort laut" erschienen.

Von Rilke inspiriert

Seine ersten Schreibversuche startete Weiß als Jugendlicher mit einem nach Rainer Maria Rilke formulierten Liebesgedicht, an dem er gescheitert sei, sagte er. Zum Schreiben ermutigt haben ihn auch die Gedichte der Schriftstellerinnen Hilde Domin und Rose Ausländer. Im Studium der evangelischen Theologie in Bielefeld und Heidelberg begann seine erste intensivere Beschäftigung mit dem Verfassen von Gedichten.

Mit den diesjährigen Neuaufnahmen, die vor einer Woche bekannt gegeben wurden, umfasst das PEN-Zentrum Deutschland künftig 785 Mitglieder. Um in den Schriftstellerverband aufgenommen zu werden, muss ein Autor oder eine Autorin von zwei PEN-Mitgliedern auf der Mitgliederversammlung vorgeschlagen werden.



Start für Humboldt Forum


Das Berliner Humboldt Forum.
epd-bild/Rolf Zöllner
Das Humboldt Forum ist fertig. Es soll Ort "kontroverser Debatten und interkultureller Verständigung" sein und sich auch mit der deutschen Kolonialgeschichte befassen, kündigte Kulturstaatsministerin Grütters zum Start des neuen Museums in Berlin an.

Deutschlands neues Kultur-Vorzeigeprojekt ist gestartet: Das Humboldt Forum in Berlin wurde am 16. Dezember als "Museum neuen Typs" von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) offiziell eröffnet. Für das Publikum fand coronabedingt per Livestream eine digitale Eröffnung statt.

Im kommenden Jahr werden die verschiedenen Ausstellungsbereiche für Besucher in weiteren Etappen zugänglich gemacht. Das Humboldt Forum zeigt im teilrekonstruierten Berliner Schloss unter anderem Exponate aus aller Welt und soll Plattform für "vielfältige Kunst- und Kulturerlebnisse" werden.

Das Humboldt Forum hat eine Gesamtfläche von fast 100.000 Quadratmetern, davon rund 40.000 Quadratmeter Nutz- und Ausstellungsfläche. Architekt des Humboldt Forums ist der Italiener Franco Stella.

Vorausgegangen waren sieben Jahre Bauzeit und Kostensteigerungen auf voraussichtlich 644 Millionen Euro. Zudem gab es Streit zum Bau und zur teilweisen Rekonstruktion des früheren Hohenzollern-Schlosses. Kritik gibt es zudem am Umgang mit kolonialer Raubkunst im Humboldt Forum. Mehrere Exponate, die in dem Prestigebau gezeigt werden, sollen laut Experten auf umstrittenem Weg nach Deutschland gekommen sein.

Senator mahnt Aufarbeitung des Kolonialismus an

Grütters sagte zur Eröffnung, das Humboldt Forum solle für den Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten "in Deutschland Maßstab und Vorbild sein". Nicht die eigene Weltanschauung werde in den Mittelpunkt gestellt, "sondern die der Kulturen Afrikas, Amerikas, Asiens und Ozeaniens". Das Vermächtnis der Namensgeber, der Brüder Alexander und Wilhelm Humboldt, "sich die Welt mit eigenen Augen anzuschauen, dem Fremdem zu begegnen statt es abzuwehren und abzuwerten, ist heute aktueller denn je", sagte Grütters.

Auch der Generalintendant und Chef der Stiftung Humboldt Forum, Hartmut Dorgerloh, kündigte an, dass sich das neue Museum mit postkolonialen Kritiken und "der zu lange vergessenen Geschichte des Kolonialismus und seinen bis heute andauernden Folgen wie Diskriminierung und Rassismus" befassen werde. Dazu gehöre auch das Thema Restitution. "Es geht um Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Menschenrechte", sagte Dorgerloh.

Vor der Eröffnung hatte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) eine konsequente Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus angemahnt. "Wir brauchen die Auseinandersetzung um den europäischen Kolonialismus, um die Frage, wie es zu dieser massiven Spaltung zwischen Nord und Süd gekommen ist", sagte Lederer dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Öffentlich zugänglich

Mit dem Humboldt Forum sei "etwas völlig Neues" mit einem "großartigen Anspruch" entstanden, sagte unterdessen Berlins Regierender Bürgermeister Müller. Auch Bundestag und Bundesregierung hätten dazu ein Statement gegeben, die Welt in die Mitte Berlins einzuladen, um "über die Brüche unserer gemeinsamen Geschichte sich auszutauschen und Lehren für die Zukunft zu ziehen", so Müller.

Teile des Humboldt Forums wie der Schlüterhof sind jederzeit öffentlich zugänglich. Damit soll auch ein neues Stadtquartier in Berlin entstehen.



Mit Drucklufthammer und Meißel auf der ewigen Baustelle


Andreas Böhm
epd-bild/Judith Kubitscheck
Seit Jahrhunderten bewahren Bauhütten das Wissen über tradierte Handwerkstechniken und wollen dieses auch in Zukunft lebendig halten. Nun gehören sie zum Weltkulturerbe der Unesco. Zu Besuch in der Münsterbauhütte Ulm.

Das Klopfen der Drucklufthämmer ist schon am Eingang der Münsterbauhütte zu hören: In der Werkstatt am Fuße des Ulmer Münsters bearbeiten mehrere Steinmetze verschiedene Sandsteinblöcke für die Restaurierung des weltweit höchsten Kirchturms. "Der Lärm ist Musik in meinen Ohren", sagt Hüttenmeister Andreas Böhm, der derzeit für rund 20 Handwerker verantwortlich ist.

Die traditionsreiche Arbeit des Bauhüttenwesens in Europa ist nun in das internationale Unesco-Register guter Praxisbeispiele zum Erhalt Immateriellen Kulturerbes eingetragen. In Bauhütten arbeiten Steinmetze und andere Handwerker wie beispielsweise Schreiner, die mit ihrem über Jahrhunderte weitergegebenen Wissen Kirchengebäude instand halten.

Bereits zwei Wochen lang arbeitet Steinmetzmeister Marinus Bair in der Münsterbauhütte an einer Kreuzblume. Das kreuzförmige Ornament aus Blumen und Blättern ist nun in der Endphase. Seine Meißel haben gehärtete Stahlspitzen, die wesentlich länger scharf bleiben als die von früheren Generationen. "Aber unsere Formsprache und unser Werkzeug bleibt trotzdem traditionell", betont er.

Mittelalterliche Handwerkskunst und moderne Technik

Ein Steinmetzlehrling lernt in der Münsterbauhütte den Umgang mit Hammer und Meißel von der Pike auf und bearbeitet den Stein traditionell, um das Handwerk von Grund auf zu lernen und ein Gespür für den Stein zu entwickeln, erklärt Böhm, der gelernter Steinmetzmeister, Steintechniker, Restaurator und Betriebswirt ist. "Doch in der alltäglichen Arbeit werden druckluftgetriebene Hämmer genutzt, um rationeller arbeiten zu können und die Handgelenke zu schonen."

Steinmetzgesellin Jessica Gläser arbeitet gerade an einem Pfeilersegment für den Hauptturm. Der Sandsteinblock wurde maschinell vorbearbeitet und nun geht es mit der Hand weiter - ein Zusammenspiel aus mittelalterlicher Handwerkskunst und moderner Technik.

Moderne Technik wird auch in den Büros des Münsterbauamtes benutzt: Dort sitzt Steintechniker Richard Géczi, der für die Erstellung aller Pläne verantwortlich ist. Auf dem Bildschirm zeigt er das dreidimensionale Modell eines aus Stein gearbeiteten, spitzen gotischen Türmchens, einer sogenannten Fiale. Per Hand- oder Laserscanner ist er in der Lage, Teile des Münsters festzuhalten, zu ergänzen und dann die Informationen in einer zweidimensionale Darstellung zu visualisieren. Diese daraus gewonnenen Schablonen und Werklisten sind dann die Grundlage für die Arbeit der Steinmetzen am Stein.

Restaurator Rouven Lambert hält die Arbeiten der vergangenen Monate in einer Datenbank fest. Wichtig sei eine akribische Dokumentation, damit auch die Nachwelt nachvollziehen könne, wann jeder Stein wo im Münster mit welchem Material bearbeitet wurde. Er zeigt das Bild eines Steines, der "geschlämmt" wurde, also eine flächenüberlagernde dünne Schicht aus Feinsanden mit Bindemittel erhalten hat, die den Stein etwas besser vor Umwelteinflüssen und Verwitterung schützt. Im 19. und 20. Jahrhunderte führte saurer Regen zu starken Beschädigungen der Natursteine. Heute sorgen beispielsweise Winde, Starkregen oder Bewuchs für Bauschäden.

1844 wiedereröffnet

Die Münsterbauhütte wurde für den Bau des Münsters ab 1377 bis 1543 betrieben und zum Weiterbau ab 1844 wieder eröffnet. Seit der Vollendung des Münsters im Jahre 1890 kümmert sich die Bauhüttenmannschaft um dessen Restaurierung - eine Arbeit ohne Ende. Im Winter finden in der Werkstatt die Steinmetzarbeiten statt - im Sommer werden die gebauten Teile versetzt oder Steine am Außengebäude restauriert.

Den Hüttenmeister fasziniert es, ein solches Jahrhundertprojekt Tag für Tag auf ein machbares Niveau herunterzubrechen. Für die derzeitige Renovierung des Hauptturms über zehn Jahre würden alleine 5.000 Steine benötigt. Diese kommen zum größten Teil aus münstereigenen Steinbrüchen aus der Region.

Böhm schätzt die kollegiale Zusammenarbeit unter den anderen Dom - und Münsterbauhütten wie zum Beispiel in Köln und Freiburg. Da gute Steinmetze allerdings rar seien, komme es auch zur Konkurrenz um die besten Handwerker. Mittlerweile sei es aber wieder attraktiver, Steinmetz zu werden und sich an einer Bauhütte ausbilden zu lassen. "Es ist faszinierend, etwas zu restaurieren, was Jahrhunderte alt ist und etwas zu gestalten, was Jahrhunderte überdauern wird."

Judith Kubitscheck (epd)


Ruhrgebiet bringt sich als Weltkulturerbe ins Gespräch


Lichtinstallation am Dortmunder "U", Wahrzeichen der Stadt
epd-bild/Friedrich Stark

Denkmalpfleger und historisch Interessierte wollen das Ruhrgebiet auf die Bewerberliste für das Weltkulturerbe der Unesco setzen. Die "Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet" soll nach dem Wunsch der in Dortmund ansässigen "Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur" 2023 als Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen auf die deutsche Vorschlagliste, die sogenannte Tentativliste, der Kulturministerkonferenz gesetzt werden, wie die Stadt Dortmund am 15. Dezember mitteilte. Aus der Tentativliste resultiert eine spätere Bewerbung bei der Kultur- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen, Unesco.

Die "Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet" sei eine der dichtesten und bedeutendsten Industrieregionen der Welt, gab die Stadt die Einschätzung der Stiftung wieder. Die durch ehemalige Steinkohlebergwerke, Kokereien und Eisenhütten geprägte Landschaft mit ihrem dichten Verkehrsnetz, einer wasserwirtschaftlichen Infrastruktur und industriebedingten Wohnsiedlungen sei ein herausragendes Beispiel für die technologischen und architektonischen Entwicklungen, die mit der Ansiedlung von Schwerindustrie einhergehen. Mit der Bewerbung soll die Einzigartigkeit dieser Ära aufgezeigt werden, die die Zeit von 1870 bis in die 1950er Jahre umfasst.

21 Orte spiegeln Wandel im Revier wider

Auf Dortmunder Stadtgebiet befinden sich unter anderem die Zechen Zollern II/IV, Gneisenau, die Kokerei Hansa und der Dortmunder Hafen. Die Liste für die "Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet" umfasst insgesamt 21 Elemente. Auch das Verwaltungsgebäude der Dortmunder Union, die Spitzkegelhalden Hallerey, diverse Eisenbahnlinien sowie die Siedlung Kolonie Landwehr gehören dazu.

Noch sei völlig offen, welches Projekt auf der deutschen "Tentativliste" vorne steht und bei der Unesco als bundesdeutsches Projekt vorgeschlagen wird, hieß es. Doch sollte das Ruhrgebiet den Welterbestatus erhalten, werde es verstärkt darum gehen, die unter Schutz gestellten Elemente zu erhalten und bei allen zukünftigen Planungen angemessen zu berücksichtigen.

Das Welterbekomitee der Unesco listet weltweit anerkannte Welterbestätten auf. Beim Welterbekomitee sind auch die Tentativlisten der einzelnen Staaten mit möglichen Kandidaten hinterlegt. Aus dieser Liste darf jeder Staat pro Jahr maximal zwei Stätten für die Aufnahme in die Welterbeliste nominieren.



Dortmunder Stadtbeschreiberin Judith Kuckart stellt Hörfilm online

Die erste Dortmunder "Stadtbeschreiberin" Judith Kuckart stellt am 24. Dezember ihren in Dortmund entstandenen Hörfilm "Hörde Mon Amour" online. Das ursprünglich als Erzähltheater konzipierte Projekt habe sich coronabedingt nicht verwirklichen lassen, teilte die Stadt Dortmund am 17. Dezember mit. Deshalb habe die Berliner Schriftstellerin umgeplant und gemeinsam mit Menschen aus dem Stadtteil Hörde als "Heimat-Experten" und Theaterschauspielern als professionellen Sprechern den gut einstündigen Film produziert.

Kuckart ist die erste Dortmunder "Stadtbeschreiberin". Das 2020 erstmals vergebene sechsmonatige Literatur-Stipendium soll künftig jährlich ausgelobt werden. Die Stipendiatin oder der Stipendiat bekommt eine Wohnung in Dortmund gestellt und 1.800 Euro Honorar im Monat. Kuckart lebt seit August und noch bis Ende Januar in Dortmund. Ihr Interesse am Stadtteil Dortmund-Hörde hängt den Angaben zufolge mit ihrer Biografie zusammen. Die gebürtige Schwelmerin verbrachte einen Teil ihrer Kindheit bei Verwandten in einer Bergarbeiter-Siedlung in Hörde.



Wuppertaler Ausstellung zum Engels-Jahr präsentiert sich im Internet

Für die anlässlich des Engels-Jahres 2020 konzipierte Ausstellung "Vision und Schrecken der Moderne – Industrie und künstlerischer Aufbruch" im Wuppertaler Von der Heydt-Museum gibt es nun eine digitale Einführung. Anhand ausgewählter Werke und Themen können sich virtuelle Besucher mit der Schau beschäftigen und informieren, wie eine Sprecherin des Museums am 17. Dezember mitteilte. Wegen der Corona-Pandemie ist die Ausstellung, die eigentlich am 17. November eröffnet werden sollte, derzeit geschlossen. Momentan sei unklar, wann die Schau präsentiert werden könne, hieß es.

In der digitalen Einführung können die Nutzer die Schau anhand ausgewählter Gemälde, Grafiken und Skulpturen "durchwandern". Die Ausstellung umfasst acht Kapitel und geht der Frage nach, wie sich die kulturellen und sozialen Aspekte der Industrialisierung in der Kunst vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart niedergeschlagen haben.

Die präsentierten Werke greifen Themen wie Technik, die Lebensbedingungen des Proletariats, die Veränderungen der Landschaft und des urbanen Lebens sowie den Wandel der Wahrnehmung unter dem Einfluss der Technik auf. Die Einführung im Internet zeigt in Texten und Videosequenzen Werke von Künstlern wie Max Klinger, Käthe Kollwitz, Otto Dix sowie Bernd und Hilla Becher.



Leipzig bekommt neuen Thomaskantor

Der Kirchenmusiker Andreas Reize (45) wird neuer Leiter des Thomanerchores Leipzig. Der 45-jährige gebürtige Schweizer ist am 18. Dezember in einer Sondersitzung des Stadtrates einstimmig gewählt worden. Er erhielt 49 von 49 abgegebenen Stimmen. Reize soll im September 2021 auf Thomaskantor Gotthold Schwarz (68) folgen, der Ende Juni 2021 aus dem Amt scheidet. Der 1212 gegründete Thomanerchor ist einer der berühmtesten Knabenchöre der Welt. Johann Sebastian Bach (1685-1750) leitete den Chor 27 Jahre lang.

Reize leitet derzeit das Cantus Firmus Vokalensemble und das Cantus Firmus Consort-Orchester im schweizerischen Solothurn. Zudem ist er Musikdirektor der Oper Waldegg und seit 2007 Leiter der "Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn". Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hatte zuvor erklärt, die Stadt erwarte von Reize neue musikalische Impulse. Seine umfassende Ausbildung und seine Erfahrungen eröffneten neue Perspektiven für die kommenden Jahre.



Jan Hofer nimmt Abschied unter Tränen


Jan Hofer im Newsroom
epd-bild/Stephan Wallocha
Mehr als drei Jahrzehnte lang führte Jan Hofer mit fester Stimme und stets souverän durch die "Tagesschau". Doch beim Abschied von der bekanntesten Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen war der 68-Jährige merklich gerührt.

Ende einer Ära bei der "Tagesschau": Nach fast 36 Jahren hat sich Jan Hofer am 14. Dezember vom Fernsehpublikum verabschiedet. Sichtlich bewegt bedankte sich der 68-Jährige am Ende der 20-Uhr-Ausgabe bei den Zuschauern und für die vielen guten Wünsche, die ihn zu seinem Ruhestand erreicht hätten. "Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser überwältigen Anzahl", sage der Chefsprecher mit Tränen in den Augen und ungewohnt wackliger Stimme. Ein großer Dank gelte auch den Kolleginnen und Kollegen vor und hinter der Kamera, in der Redaktion und in der Technik sowie dem Team der Sprecher und Moderatoren.

"Alle haben nur ein Bestreben, und das ist, für Sie die beste Nachrichtensendung zu machen. Und das soll auch so bleiben", sagte Hofer und band sich zum Zeichen seines Abschieds die Krawatte ab. "Guten Abend, meine Damen und Herren, machen Sie es gut", waren seine letzten Worte, bevor er an Jessy Wellmer als Moderatorin einer ARD-Sondersendung zur Corona-Pandemie überleitete.

"Verlässlicher Begleiter"

Hofers Nachfolger als Chefsprecher der "Tagesschau" wird Jens Riewa (57), der in der Sendung vor dem Wetterbericht einen Beitrag zu dessen Abschied anmoderiert hatte, der humorvoll auf die wechselnde Anzugs- und Krawattenmode seit Mitte der 80er Jahre anspielte, einige wenige Pannen aufspießte und bedeutende Ereignisse der Zeitgeschichte Revue passieren ließ. NDR-Intendant Joachim Knuth nannte Hofer einen "so verlässlichen Begleiter eines Abends, dass ich ihn sehr vermissen werde".

Neu in das Sprecher-Team rücken nach Hofers Abschied Julia-Niharika Sen (53) und Constantin Schreiber (41). Hofer hatte vor seiner letzten Sendung bereits angekündigt, sich in der Zeit danach nicht komplett aus den Medien zu verabschieden, sondern möglicherweise Podcasts zu produzieren.

Hofer volontierte nach dem Studium der Betriebswirtschaft in Köln bis 1976 im Hörfunk und arbeitete für die Deutsche Welle, den Deutschlandfunk und den Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Köln. 1985 kam er zur "Tagesschau", wo er seit 2004 Chefsprecher war. Hofer moderierte zudem Unterhaltungssendungen wie "Showbiss" und "Swing-Raritäten" vom Hessischen Rundfunk (HR) sowie die "NDR Talk Show". Bis 2012 war Hofer 21 Jahre lang Gastgeber der "Riverboat-Talkshow" des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Bundesweit tritt er auch als Moderator von Business-Veranstaltungen auf.



Saarlodris wieder zurück im SR-Fernsehen

Die grüne saarländische Familie Saarlodris ist wieder im Fernsehprogramm des Saarländischen Rundfunks (SR) zu sehen. "Lange musste unser SR-Publikum auf die ursaarländische Familie verzichten - jetzt sind sie - zur Freude aller - widda do", sagte SR-Intendant Thomas Kleist in Saarbrücken. Ihre Wiedergeburt sei ein Zeichen dafür, dass Traditionen auch im digitalen Zeitalter ihren Platz hätten. Premiere feierten die Saarlodris am 17. Dezember um 19.20 Uhr im "aktuellen bericht".

Die Zeichentrickfiguren waren laut SR zwischen 1984 und 2000 im Fernsehen zu sehen. Die Clips der mit Blättern bekleideten grünen Familie liefen als Werbetrenner - zuerst als dreiköpfige Familie mit "die Mamma", "de Babba" und dem Sohn, ab 1989 dann zusätzlich mit Tochter. Nach dem Ende ihrer Fernsehkarriere nutzte die Unternehmenskommunikation die Familie für Werbemaßnahmen wie etwa zum 60. SR-Jubiläum. Zuletzt waren sie als Corona-Abstandsmahner und als Ampellichter in Saarbrücken zu sehen.

Früher hätte das Schlagerduo "Cindy & Bert" den Saarlodris Stimme gegeben, heute seien es die SR-Moderatorinnen Verena Sierra, Celina Fries und SR-Moderator Christian Job, hieß es. "Die Saarlodris wurden von der Hahn Film AG und ihrem Chef Gerhard Hahn, der die Figuren Anfang der Achtziger Jahre erschaffen hat, optisch aufgepeppt und ins Jahr 2020 geführt", sagte der SR-Fachbereichsleiter Programmkoordination Sascha Klei. In den kommenden Wochen und Monaten sollen laut SR nach und nach über 60 neue Spots veröffentlich werden.



Evangelischer Film des Jahres: "Niemals selten manchmal immer"

Der Film "Niemals Selten Manchmal Immer" von Eliza Hittman ist von der Evangelischen Filmjury zum Film des Jahres 2020 gekürt worden. Das teilte das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) am 17. Dezember in Frankfurt am Main mit. Der Film erzählt von einer jungen Frau in einer US-amerikanischen Kleinstadt, die ungewollt schwanger wird und die Schwangerschaft abbrechen lassen will.

Die Regisseurin behandele in extremer Verdichtung und mit größter Umsicht ein Thema, das auch nach mehr als hundertjährigem Kampf um Geburtenkontrolle ein Minengelände sei, begründete die Jury ihre Entscheidung. "Es sind dieser umfassende Blick und die subtile Erzählweise, die aus 'Niemals Selten Manchmal Immer' mehr als einen politischen Film machen: Sie machen ihn zu einem großen Film." Der Film des Jahres wird jeweils aus den zwölf Filmen des Monats ausgewählt, die die Jury zuvor gekürt hat.

Die Preisverleihung fällt der Mitteilung zufolge in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie aus. Die Vorsitzende der Jury der Evangelischen Filmarbeit, Margrit Frölich, hat anlässlich der Auszeichnung mit Regisseurin Eliza Hittman ein Interview geführt, das auf Youtube online abrufbar ist.

"Niemals Selten Manchmal Immer" lief auf der Berlinale 2020 und erhielt dort bereits den Großen Preis der Jury. In deutschen Kinos lief der Film ab dem 1. Oktober. Die Evangelische Filmjury ehrt auch den Verleih Universal Pictures Germany, der den Film hier in die Kinos gebracht hat.




Entwicklung

Heil: Merkel und Scholz werden über Lieferkettengesetz verhandeln


Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, vor einem Kampagnenplakat für ein Lieferkettengesetz (Arvchivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Seit sieben Monaten streiten drei Ministerien um ein Lieferkettengesetz und kommen nicht zu einer Lösung. Arbeitsminister Heil ist sauer, Entwicklungsminister Müller enttäuscht. Im Januar wird auf höchster Ebene weitergesprochen.

Der Streit um ein Lieferkettengesetz soll im Januar auf höchster Ebene geklärt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am 17. Dezember in Berlin, da die Verhandlungen der zuständigen Minister keinen Erfolg gehabt hätten, werde es im Januar ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) geben. Dabei werde hoffentlich eine Klärung erreicht. Noch gebe es die Chance, ein Gesetz in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach zu bringen, betonte er.

Mit einem Lieferkettengesetz sollen große deutsche Unternehmen in die Verantwortung genommen werden, wenn ihre ausländischen Partner gegen Menschenrechte verstoßen. Heil hatte gemeinsam mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) schon vor Monaten Eckpunkte erarbeitet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte jedoch nicht, dass deutsche Unternehmen bei Verstößen gegen menschenrechtliche Anforderungen im Ausland auch hierzulande haftbar werden und stellte sich quer. Müller zeigte sich von den Verhandlungen "enttäuscht". Heil sagte: "Ich bin ziemlich sauer." Das Lieferkettengesetz geht auf den "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" (NAP) aus dem Jahr 2016 zurück, der auch im Koalitionsvertrag bekräftigt wird.

"Werde nicht lockerlassen"

Der Arbeitsminister betonte, dass er kein "Placebo" wolle. Er werde zäh verhandeln und "nicht lockerlassen". Wesentlicher Knackpunkt ist Heil zufolge die Frage, wie die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert und sanktioniert wird. Er wolle kein Gesetz, das nur Berichtspflichten vorsehe. "Es darf nicht einfach ein Berichtsfriedhof für Unternehmen sein." Man habe sich an entscheidenden Punkten verhakt, sagte er und nannte die zivilrechtliche Haftung. Beim Streit darum, ab welcher Unternehmensgröße das Gesetz gelten soll, sah Heil wiederum Möglichkeiten für einen Kompromiss. Bislang hatten Heil und Müller vorgesehen, dass große Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten unter das Lieferkettengesetz fallen. Altmaier will ab einer höheren Beschäftigtenzahl ansetzen.

Heil argumentierte mit "bedrückenden" Zahlen zur Ausbeutung: So arbeiteten 1,4 Milliarden Menschen weltweit unter menschenunwürdigen Bedingungen. 25 Millionen Menschen seien Opfer von Zwangsarbeit und Sklaverei. 152 Millionen Kinder würden gezwungen, zu arbeiten - die Hälfte von ihnen sei jünger als zwölf Jahre. "Wenn Kinder in Coltan-Minen arbeiten müssen, wenn Näherinnen in Textilfabriken verbrennen, dann geht uns das etwas an: Es geht um unsere Produkte in Deutschland."

Müller erklärte, er halte am Ziel eines wirksamen Lieferkettengesetzes in dieser Legislaturperiode fest, "um Kinderarbeit zu stoppen und Menschenrechtsstandards für deutsche Produkte umzusetzen". Er betonte zugleich mit Blick auf die vorerst gescheiterten Verhandlungen: "Ich bin sehr enttäuscht."

"Missliche Hängepartie"

Auch das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" übte Kritik. Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel erklärte: "Die guten Vorschläge der Minister Müller und Heil liegen seit August auf dem Tisch, sind aber immer und immer wieder von der Tagesordnung des Kabinetts abgesetzt worden." Die Spitzen der Koalition sollten so schnell wie möglich dafür sorgen, "dass die missliche Hängepartie beendet und ein sanktionsbewehrtes Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht wird, das auch die zivilrechtliche Haftung regelt".

Amnesty International äußerte sich ebenfalls enttäuscht. Der Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, Markus N. Beeko, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Gerade in der Corona-Pandemie wollen die Verbraucher und Verbraucherinnen darauf vertrauen können, dass die Produkte, die sie kaufen, nicht auf dem Rücken von Menschen hergestellt wurden, die nicht einmal ein Minimum an Arbeits- und Gesundheitsschutz haben."

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, rief die Bundesregierung auf, internationale Standards zu setzen.



Kirchliche Hilfswerke appellieren an Spendenbereitschaft

Die kirchlichen Hilfswerke haben vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie an die Spendenbereitschaft der Bürger appelliert. Wegen des Lockdowns sehe man mit Sorge, dass die Möglichkeiten des Gottesdienstbesuchs an Heiligabend und Weihnachten weiter eingeschränkt werden könnte, heißt es in einer am 15. Dezember veröffentlichten Mitteilung von "Brot für die Welt" und Adveniat. In evangelischen Kirchengemeinden ist die Kollekte an Heiligabend und Weihnachten traditionell für "Brot für die Welt" bestimmt, in katholischen Gemeinden für Adveniat.

Gemeinsam haben die beiden Werke die ökumenische Website www.weihnachtskollekten.de eingerichtet. Brot für die Welt und Adveniat bieten zusätzlich zu den bisherigen Spenden-Möglichkeiten verschiedene Varianten der Online-Spende an, beispielsweise über einen QR-Code. Vielen Gemeindebriefen liege ein Zahlschein bei, und natürlich gebe es auch die klassischen Spendentüten, die zum Beispiel im Gemeindebüro abgegeben werden könnten, heißt es in der Mitteilung.

Ein Großteil der Menschen im globalen Süden leide unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, denn viele Einkommensmöglichkeiten für Tagelöhner oder Straßenverkäuferinnen seien weggebrochen. Eine soziale Absicherung gebe es nicht. Spenden und Kollekten seien daher in diesem Jahr besonders wichtig, um die Folgen der Corona-Pandemie aufzufangen, betonten die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, und Adveniat-Hauptgeschäftsführer, Pater Michael Heinz, in ihrem Appell.



Uni-Institut: Zwei neue Kriege in diesem Jahr

Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (Akuf) der Universität Hamburg hat in diesem Jahr 29 kriegerische Konflikte registriert, einen mehr als 2019. Der bewaffnete Konflikt in der sudanesischen Region Darfur sei 2020 beendet worden, teilte die Akuf am 14. Dezember mit. Dagegen eskalierte Ende September der ohnehin fragile Waffenstillstand zwischen Aserbaidschan und Armenien in der Region Bergkarabach. Dieser Krieg konnte jedoch im November unter Vermittlung Russlands durch einen Waffenstillstand beendet werden. In der Region Tigray im Norden Äthiopiens steigerte sich Anfang November ein weiterer Konflikt in einen Krieg.

Die von Kämpfen zahlenmäßig am stärksten betroffene Weltregion war 2020 den Angaben zufolge Afrika mit zehn Kriegen und bewaffneten Konflikten. Dazu zählten unter anderen die Konflikte in Burundi, dem Ostkongo, Nigeria (Boko Haram), Mosambik und Somalia. Es folgte die Region Nordafrika, West- und Zentralasien mit neun Kriegen, etwa in Afghanistan, dem Irak, dem Jemen, Syrien und der Türkei (Kurden). In Asien wurden acht kriegerische Konflikte gemeldet, darunter in Kaschmir, Myanmar, Pakistan, den Philippinen und Südthailand. In Lateinamerika (Kolumbien) und in Europa (Ukraine) war jeweils ein Krieg zu verzeichnen.

Mehr Aufmerksamkeit für Libyen

Vor allem der Krieg in Libyen erhielt eine größere Aufmerksamkeit, wie es weiter hieß. Im Fokus stand dabei einerseits der Vorstoß der Truppen unter General Chalifa Haftar auf die Hauptstadt, der nur mit türkischer Unterstützung für die Regierung in Tripolis gestoppt wurde. Anderseits fanden auch die Bemühungen um einen Friedensprozess zwischen den beiden Hauptkriegsparteien Beachtung.

Die Akuf führt die jährliche Erhebung seit 1986 durch. Krieg definiert sie als einen gewaltsamen Massenkonflikt, an dem zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt sind. Dabei muss es sich zumindest bei einer Seite um reguläre Streitkräfte der Regierung handeln. Zudem muss auf beiden Seiten ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation des Kampfes gegeben sein. Gelegentliche oder spontane Zusammenstöße gelten damit nicht als Kriege. Bewaffnete Konflikte sind gewaltsame Auseinandersetzungen, bei denen die Kriterien für einen Krieg nicht in vollem Umfang erfüllt sind.



Entwicklungsministerium: Kein Zahlungsstopp an Äthiopien

Anders als die EU-Kommission setzt die Bundesregierung derzeit keine Zahlungen an Äthiopien wegen des Tigray-Konflikts aus. Künftige Zusagen würden allerdings an Bedingungen knüpfen, erklärte eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums am 17. Dezember dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die äthiopische Regierung halte an ihrem tiefgreifenden Reformprozess auch seit Ausbruch der Krise fest. Für diesen Prozess brauche die Regierung in Addis Abeba verlässliche internationale Unterstützung. "Deutschland ist bereit, Äthiopien diese Unterstützung weiterhin zu gewähren", sagte die Sprecherin. Deshalb halte das Ministerium derzeit keine Zahlungen zurück. Die Programme der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit würden fortgeführt.

Das Ministerium will den Angaben zufolge allerdings eine weitere Finanzierung der Reformen nur unter Vorbehalt zusagen und die Auszahlung an Bedingungen knüpfen: Das sind die Abhaltung der wegen Corona abgesagten Parlamentswahlen, ein glaubhafter politischer Prozess zur Lösung des Tigray-Konflikts und ein erfolgreicher Abschluss von Umschuldungverhandlungen mit China, dem wichtigstem Gläubiger Äthiopiens. "Wir wollen damit gerade zum jetzigen Zeitpunkt die äthiopische Regierung an ihren Kurs wirtschaftlicher und politischer Reformen binden", erläuterte die Ministeriumssprecherin. Die Bundesregierung agiere im Einklang mit der EU und anderen Gebern.

Region abgeschottet

Die EU hat eine Zahlung von 90 Millionen Euro Budgethilfe für den äthiopischen Staatshaushalt ausgesetzt, die vor Jahresende fällig wäre. Die Zahlung wurde daran geknüpft, dass humanitären Helfern voller Zugang zur Krisenregion Tigray gewährt wird, die ethnisch motivierte Gewalt endet und Telefon- und Internetverbindungen wieder hergestellt sind. Ihre Entwicklungs- und humanitäre Hilfe führt die EU weiter.

Anfang November hatten in der Region Tigray Kämpfe zwischen der äthiopischen Armee und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) begonnen. Die Region ist weitgehend abgeschottet, humanitäre Hilfe nur begrenzt möglich. Die äthiopische Regierung hat die Kämpfe für beendet erklärt. Unabhängige Berichte dazu gibt es nicht. Mehr als 50.000 Menschen sind in den Sudan geflohen.



Nigerianische Regierung: Mehr als 300 entführte Schüler frei

Knapp eine Woche nach ihrer Entführung sind der nigerianischen Regierung zufolge Hunderte Schüler freigelassen worden. 344 Jungen befänden sich in der Obhut der Sicherheitsbehörden und würden demnächst mit ihren Familien wiedervereinigt, teilte der Gouverneur des Bundesstaats Katsina, Aminu Bello Masari, am 17. Dezember auf Twitter mit. Ob damit alle Schüler, die am 11. Dezember aus einem Internat in der Stadt Kankara verschleppt wurden, frei sind, war zunächst unklar.

Der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari begrüßte die Freilassung der Jungen. Dies sei eine große Erleichterung für das ganze Land und die internationale Gemeinschaft, erklärte Buhari. Eine bewaffnete Gruppe hatte die Jungenschule im Norden des Landes angegriffen und Hunderte Schüler verschleppt. Wie viel Jungen entführt wurden und wer für die Tat verantwortlich ist, blieb zunächst unklar.

Unklarheit über Täter

Gouverneur Masari sagte in einem Interview mit der Deutschen Welle am Donnerstagabend, lokale Milizen hätten die Jungen entführt. Durch Verhandlungen sei ihre Freilassung erreicht worden. Masari betonte, es sei kein Lösegeld bezahlt worden. Am 17. Dezember war ein Video aufgetaucht, das der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram zugeschrieben wurde und das die entführten Schüler zeigen sollte. Zuvor soll sich Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau bereits zu der Tat bekannt haben.

Im Norden Nigerias sind mehrere bewaffnete Milizen aktiv, darunter auch islamistische Gruppen. Der Regierung zufolge gibt es Anzeichen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Boko Haram und lokalen Gruppen. Boko Haram hat nach Schätzungen von Unicef seit 2013 mehr als 1.000 Kinder in Nigeria entführt. Am 14. April 2014 hatte die Terrorgruppe 276 Schülerinnen aus einer Schule im Ort Chibok im Norden des Landes verschleppt und damit weltweit für Schlagzeilen gesorgt. 57 Mädchen konnten seither fliehen, 107 wurden befreit, von den anderen 112 fehlt noch immer jede Spur.



Neue Richter für Internationalen Strafgerichtshof gewählt

Der Internationale Strafgerichtshofs in Den Haag bekommt zwei neue Richter. Die britische Juristin Joanna Korner und der stellvertretende georgische Justizminister Gocha Lordkipanidze wurden von einer Mehrheit der 123 Mitgliedsstaaten für neun Jahre gewählt, wie der Präsident der Versammlung der Vertragsstaaten, O-Gon Kwon, am 19. Dezember auf Twitter mitteilte. Der Strafgerichtshof verfolgt Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

Insgesamt 18 Richter sind am Strafgerichtshof in Den Haag tätig, darunter der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Bertram Schmitt. Auf der jährlichen Versammlung der Mitgliedsstaaten in New York müssen in diesem Jahr insgesamt sechs neue Richter gewählt werden. Eine Abstimmung über die Nachfolge von Chefanklägerin Fatou Bensouda wurde wegen Uneinigkeit über einen Kandidaten auf unbestimmte Zeit verschoben. Bensoudas Mandat endet im Juni.