Berlin (epd). Die Kirchen fordern die Bundesregierung zu einem Stopp aller Waffenexporte an Kriegsparteien in Libyen und im Jemen auf. In dem am 17. Dezember vorgestellten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) heißt es, dass zudem sämtliche Rüstungslieferungen an Staaten "ausnahmslos zu versagen" seien, die gegen das UN-Waffenembargo in Libyen verstoßen. Der katholische GKKE-Vorsitzende, Prälat Karl Jüsten, warf der Bundesregierung in Berlin mangelnde Glaubwürdigkeit vor und sprach von einer wachsenden "Kluft zwischen restriktiver politischer Rhetorik und einer alles anderen als restriktiven Praxis".
Empfängerstaaten deutscher Rüstungsgüter versorgten die Konfliktakteure in Libyen mit Waffen, Soldaten und Söldnern oder unterstützten sie gar mit Luftangriffen, sagte er. Das geschehe trotz Waffenembargo der Vereinten Nationen, welches die Irini-Mission der Europäischen Union im Mittelmeer durchzusetzen versuche. Konkret verwies Jüsten auf Rüstungsexporte an die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und die Türkei. Selbst die unmittelbare Beteiligung an Kriegen führe nicht zum Stopp aller Ausfuhrgenehmigungen und Exporte, kritisierte er. Die "diversen politischen Zielkonflikte" zwischen außen- und sicherheitspolitischen sowie wirtschaftspolitischen Interessen würden oftmals in einem "diffusen Graufeld" ausgetragen.
Forderung nach Kontrollgesetz
Kirchen und Friedensinitiativen sowie einige Oppositionsparteien fordern seit langem ein Rüstungsexportkontrollgesetz, weil die geltenden Regelungen zu unverbindlich sind. Es gibt auf EU-Ebene den "Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union", wonach Exportgenehmigungen zu verweigern sind, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Waffen zur internen Repression oder für "schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht" verwendet werden. Allerdings dürfen die EU-Staaten hierbei im eigenen Ermessen handeln. Das von Deutschland ratifizierte internationale Waffenhandelsabkommen (ATT) mit ähnlichem Inhalt sieht wiederum bei Vertragsbruch keinerlei Sanktionen vor.
Der Anfang 2018 ausgehandelte Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält ebenfalls eine Selbstverpflichtung: Er sieht einen Rüstungsexportstopp an alle unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligten Staaten vor. Die GKKE forderte, dass den Worten Taten folgen und alle Rüstungsexporte an Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition untersagt werden. Dazu gehören ihren Angaben nach auch Ägypten, Bahrain, Kuwait, Jordanien, Senegal, Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Acht Milliarden Euro
Die Vorsitzende der Fachgruppe Rüstungsexporte, Simone Wisotzki, begrüßte, dass der Waffenexportstopp für Saudi-Arabien verlängert wurde. Dieser war von der Bundesregierung im Oktober 2018 nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul verhängt worden. Wisotzki kritisierte, dass es aber sogenannte Retransfers von Rüstungsgütern gegeben habe, die dadurch über Umwege in das arabische Königreich gelangt sind: So wurden laut Bericht zwischen Januar 2019 und Juni 2020 "elektronische Systeme für militärisches Aufklärungs- und Nachrichtenwesen" im Wert von 4,6 Millionen Euro aus Frankreich reexportiert. Saudi-Arabien wird - ebenso wie den Vereinigten Arabischen Emiraten - vorgeworfen, bei Luftangriffen im Jemen nicht zwischen militärischen und zivilen Objekten zu unterscheiden. Damit verstoßen sie gegen das Völkerrecht.
Der evangelische GKKE-Vorsitzende, Prälat Martin Dutzmann, wies auf weitere Schwachstellen bei der Rüstungsexportkontrolle hin - und zwar auf europäischer Ebene. In der EU müssten Entscheidungen über Rüstungsexporte einer breiten Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen, forderte er. Deutschland müsse seine Vetomöglichkeit bei Gemeinschaftsprojekten zudem erhalten. 2019 wurden in Deutschland Rüstungsexporte im Rekordwert von mehr als acht Milliarden Euro genehmigt.