Berlin (epd). Der Streit um ein Lieferkettengesetz soll im Januar auf höchster Ebene geklärt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am 17. Dezember in Berlin, da die Verhandlungen der zuständigen Minister keinen Erfolg gehabt hätten, werde es im Januar ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) geben. Dabei werde hoffentlich eine Klärung erreicht. Noch gebe es die Chance, ein Gesetz in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach zu bringen, betonte er.
Mit einem Lieferkettengesetz sollen große deutsche Unternehmen in die Verantwortung genommen werden, wenn ihre ausländischen Partner gegen Menschenrechte verstoßen. Heil hatte gemeinsam mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) schon vor Monaten Eckpunkte erarbeitet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte jedoch nicht, dass deutsche Unternehmen bei Verstößen gegen menschenrechtliche Anforderungen im Ausland auch hierzulande haftbar werden und stellte sich quer. Müller zeigte sich von den Verhandlungen "enttäuscht". Heil sagte: "Ich bin ziemlich sauer." Das Lieferkettengesetz geht auf den "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" (NAP) aus dem Jahr 2016 zurück, der auch im Koalitionsvertrag bekräftigt wird.
"Werde nicht lockerlassen"
Der Arbeitsminister betonte, dass er kein "Placebo" wolle. Er werde zäh verhandeln und "nicht lockerlassen". Wesentlicher Knackpunkt ist Heil zufolge die Frage, wie die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert und sanktioniert wird. Er wolle kein Gesetz, das nur Berichtspflichten vorsehe. "Es darf nicht einfach ein Berichtsfriedhof für Unternehmen sein." Man habe sich an entscheidenden Punkten verhakt, sagte er und nannte die zivilrechtliche Haftung. Beim Streit darum, ab welcher Unternehmensgröße das Gesetz gelten soll, sah Heil wiederum Möglichkeiten für einen Kompromiss. Bislang hatten Heil und Müller vorgesehen, dass große Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten unter das Lieferkettengesetz fallen. Altmaier will ab einer höheren Beschäftigtenzahl ansetzen.
Heil argumentierte mit "bedrückenden" Zahlen zur Ausbeutung: So arbeiteten 1,4 Milliarden Menschen weltweit unter menschenunwürdigen Bedingungen. 25 Millionen Menschen seien Opfer von Zwangsarbeit und Sklaverei. 152 Millionen Kinder würden gezwungen, zu arbeiten - die Hälfte von ihnen sei jünger als zwölf Jahre. "Wenn Kinder in Coltan-Minen arbeiten müssen, wenn Näherinnen in Textilfabriken verbrennen, dann geht uns das etwas an: Es geht um unsere Produkte in Deutschland."
Müller erklärte, er halte am Ziel eines wirksamen Lieferkettengesetzes in dieser Legislaturperiode fest, "um Kinderarbeit zu stoppen und Menschenrechtsstandards für deutsche Produkte umzusetzen". Er betonte zugleich mit Blick auf die vorerst gescheiterten Verhandlungen: "Ich bin sehr enttäuscht."
"Missliche Hängepartie"
Auch das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" übte Kritik. Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel erklärte: "Die guten Vorschläge der Minister Müller und Heil liegen seit August auf dem Tisch, sind aber immer und immer wieder von der Tagesordnung des Kabinetts abgesetzt worden." Die Spitzen der Koalition sollten so schnell wie möglich dafür sorgen, "dass die missliche Hängepartie beendet und ein sanktionsbewehrtes Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht wird, das auch die zivilrechtliche Haftung regelt".
Amnesty International äußerte sich ebenfalls enttäuscht. Der Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, Markus N. Beeko, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Gerade in der Corona-Pandemie wollen die Verbraucher und Verbraucherinnen darauf vertrauen können, dass die Produkte, die sie kaufen, nicht auf dem Rücken von Menschen hergestellt wurden, die nicht einmal ein Minimum an Arbeits- und Gesundheitsschutz haben."
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, rief die Bundesregierung auf, internationale Standards zu setzen.