Deutschland muss für einen von einem Bundeswehroffizier angeforderten Luftangriff im afghanischen Kundus den Angehörigen der getöteten zivilen Opfer keinen Schadenersatz zahlen. Betroffene können nach dem Völkerrecht keine unmittelbare Entschädigungs- und Ersatzansprüche geltend machen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 16. Dezember veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 477/17)

Konkret ging es um einen Luftangriff in der Nähe des afghanischen Kundus in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009. Taliban-Kämpfer hatten zuvor zwei Tanklastwagen entführt, die auf einer Sandbank liegengeblieben waren. Ein in Afghanistan eingesetzter Oberst der Bundeswehr befürchtete, dass die Fahrzeuge als "rollende Bomben" gegen ein Bundeswehrlager eingesetzt werden könnten. Er forderte daher Luftunterstützung an.

Daraufhin zerstörten zwei US-Kampfflugzeuge die Tanklastwagen. Bei dem Luftschlag kamen rund 100 Menschen ums Leben, darunter zahlreiche Zivilisten und Kinder. Zwei Angehörige von Opfern forderten von Deutschland eine Entschädigung. Der Angriff sei rechtswidrig gewesen. Der Oberst hätte von den Zivilisten in der Nähe der Tanklaster wissen müssen. Deutschland müsse für seine Amtspflichtverletzung Schadenersatz zahlen.

Kein Anspruch aus Völkerrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe wies Amtshaftungsansprüche mit Urteil vom 6. Oktober 2016 zurück (AZ: III ZR 140/15). Weder aus dem allgemeinen Völkerrecht noch aus dem nationalen Amtshaftungsrecht ließen sich Ansprüche ableiten. "Schadenersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen stehen grundsätzlich nur dem Heimatstaat zu, der seinen Staatsangehörigen diplomatischen Schutz gewährt", nicht aber Einzelpersonen.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass sich zumindest aus dem unmittelbaren Völkerrecht keine Schadenersatzansprüche Einzelner ergeben. Allerdings seien Amtshaftungsansprüche nach deutschem Recht - anders als der BGH dies gesehen hat - nicht generell ausgeschlossen. Ob in einem bewaffneten Konflikt eine Amtspflichtverletzung vorliege, bemesse sich nach dem Grundgesetz, dem Soldatengesetz und dem humanitären Völkerrecht. Nicht jede Tötung von Zivilisten stelle danach einen Verstoß dar.

Im vorliegenden Fall habe der Oberst bei Erteilung des Angriffsbefehls aber alle Erkenntnisquellen genutzt und "eine gültige Prognoseentscheidung getroffen und somit keine Amtspflichtverletzung begangen". Gegen das Willkürverbot sei nicht verstoßen worden. Das Urteil des BGH sei damit im Ergebnis richtig.