Knapp sechs Jahre nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" hat ein Pariser Sondergericht die Komplizen der Attentäter am 16. Dezember zu Haftstrafen zwischen vier und 30 Jahren verurteilt. Alle elf vor Gericht anwesenden Angeklagten wurden für schuldig befunden, sechs von ihnen aber von der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung freigesprochen. Ihre Taten gelten als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Der anwesende 35-jährige Hauptangeklagte Riza Polat wurde wegen Beihilfe zum terroristischen Mord zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte Strafen von fünf Jahren Haft bis lebenslänglich für die 14 Angeklagten für Beihilfe zum Mord gefordert. Die Angeklagten wurden aber nach der Beweislage für die Einzelpersonen verurteilt. Für Polat hatte die Staatsanwaltschaft lebenslänglich gefordert, was 30 Jahren Haft entspricht. Der französische Staatsbürger türkischer Herkunft wurde einer Schlüsselrolle bei der Vorbereitung der Attentate für schuldig befunden, aber vom Vorwurf der terroristischen Vereinigung freigesprochen. Die Verteidigung kann in den kommenden zehn Tagen gegen das Urteil Berufung einlegen, Staatsanwaltschaft und Nebenkläger könnten auch einen neuen Prozess in sechs Monaten gerichtlich fordern.

Zwölf Morde in Redaktion

Bei dem Überfall auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" am 7. Januar 2015 hatten Said und Chérif Kouachi zwölf Mitarbeiter des Magazins getötet. Die Brüder waren zwei Tage später von der Polizei in einem Industriegebäude nordöstlich von Paris aufgespürt und erschossen worden. Auch Amedy Coulibaly wurde von der Polizei bei der Geiselnahme am 9. Januar 2015 im koscheren Supermarkt Hyper Cacher getötet, nachdem er vier Menschen jüdischen Glaubens ermordet hatte sowie eine Polizistin am Vortag im Pariser Vorort Montrouge.

Drei der Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt, sie hatten sich kurz nach den Anschlägen abgesetzt, darunter die Lebensgefährtin von Coulibaly: Hayat Boumeddienne wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Finanzierung von Terrorismus zu 30 Jahren Haft verurteilt. Der Tod der Brüder Belhoucine im Irak wurde nie offiziell bestätigt, der Ältere der geflüchteten Brüder, Mohamed Belhoucine, gilt als der religiöse Mentor des Supermarkt-Geiselnehmers Coulibaly. Er wurde für schuldig befunden, das Bekennerschreiben im Namen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geschrieben zu haben. Mohamed Belhoucine wurde wegen "Komplizenschaft" bei terroristischen Verbrechen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, sein jüngerer Bruder Mehdi zu 20 Jahren Haft.

Die Täter leugneten während des Verfahrens, von den Terrorplänen der Attentäter, der Brüder Kouachi, gewusst zu haben. Angehörige und Überlebende schilderten ihr Leid. Videos riefen die schrecklichen Geschehnisse vor fünf Jahren in Erinnerung. "Charlie Hebdo" sei zum Symbol für Meinungsfreiheit geworden, sagte Anwalt Richard Malka während der Verhandlungen.

Neuer Anschlag während des Prozesses

Der drei Monate dauernde Prozess fand unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen im Pariser Justizpalastes statt, mit 90 akkreditierten Journalisten und rund 200 Nebenklägern. Der als historisch geltende Prozess wurde gefilmt. Er hatte coronabedingt statt im Mai erst am 2. September begonnen. Die Verhandlung musste dann einen Monat lang ausgesetzt werden, weil der Hauptangeklagte Polat positiv auf Covid-19 getestet worden war.

Während des Prozesses wurde Frankreich erneut Opfer des Terrors: Ein Attentäter griff vor den ehemaligen Redaktionsräumen von "Charlie Hebdo" zwei Menschen an. Die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty löste Entsetzen aus wie auch der Anschlag in einer Kathedrale in Nizza.

Die Anschlagsserie vom Januar 2015 hatte international für Entsetzen gesorgt. Zehntausende Menschen demonstrierten in Paris unter dem Motto "Ich bin Charlie", der damalige Präsident François Hollande wurde auf dem Gedenkmarsch von zahlreichen ausländischen Staatschefs und Politikern begleitet, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).