Bielefeld (epd). Die allermeisten evangelischen Gemeinden in Westfalen werden nach Einschätzung von Superintendentinnen und -intendenten die dringende Empfehlung der Landeskirche befolgen, bis zum Ende des Lockdowns am 10. Januar auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Die "Schutzbedürftigkeit des Lebens" sei bei der gemeinsam mit der westfälischen Präses Annette Kurschus und der Kirchenleitung "unter Schmerzen" getroffenen Entscheidung handlungsleitend gewesen, sagte der Bielefelder Superintendent Christian Bald am 16. Dezember. Angesichts der Sorge vor nochmaligen Verschärfungen der Corona-Regeln in der Weihnachtswoche habe man zudem "Klarheit schaffen wollen".
Der Superintendent des Kirchenkreises Tecklenburg, André Ost, erklärte in Lengerich, alle müssten ihren Beitrag dazu leisten, Kontakte zu reduzieren, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Er habe sich allerdings im Vorfeld des Beschlusses "eine bessere Abstimmung unter den Landeskirchen und Bistümern" gewünscht. Bisher haben unter den Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nur die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche ihren Gemeinden ausdrücklich den Verzicht auf jegliche Präsenzgottesdienste nahegelegt. Ost ging in seiner Stellungnahme davon aus, dass die meisten Gemeinden der am 15. Dezember veröffentlichten Empfehlung folgen.
Superintendentin Holtz betont Seelsorge-Angebote
Im Kirchenkreis Hattingen-Witten haben nach Angaben einer Sprecherin bereits fast alle Gemeinden entschieden, während des gesamten Lockdowns auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Superintendentin Julia Holtz betonte, es fänden zwar keine Gottesdienste statt, "aber Seelsorge sehr wohl". Die Kirche lasse "auch und gerade an Weihnachten" niemanden alleine. Alle Gemeinden wollten an den Feiertagen stundenweise ihre Kirchen zum Gebet und für seelsorgerliche Gespräche öffnen, zudem hätten alle Online- und Streaming-Angebote geplant, kündigte der Kirchenkreis an.
Auch die Kirchenkreise Hamm, Herne und Vlotho verwiesen auf alternative Angebote, an denen "mit Hochdruck" gearbeitet werde. Per Internet werde es Krippenspiele, Andachten und auch Gottesdienste geben, hieß es aus Hamm. Auch hier hätten einige Presbyterien bereits der Empfehlung der Landeskirche entsprechend, Gottesdienste in den Kirchen abgesagt.
Die Herner Superintendentin Claudia Reifenberger hob hervor, die "letzte Entscheidung, aber auch die letzte Verantwortung" liege vor Ort. Sie hoffe aber, dass die Presbyterien sich dem dringenden Rat der Landeskirche anschließen. Es sei anzuerkennen, dass Gottesdienstangebote der drastischen Reduzierung von Kontakten und Begegnungen "und damit dem Kern aller Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie" entgegenstünden, sagte Reifenberger.
"Gebot der Vernunft"
Ihre Dortmunder Amtskollegin Heike Proske bezeichnete es als "Gebot der Vernunft", auf Ansammlungen von Menschen zu verzichten. Proske bedauerte, dass vieles, was Haupt- und Ehrenamtliche "mit viel Energie, Aufwand und Organisationstalent" geplant hätten, "um den sehr ausgefeilten und guten Hygiene-Konzepten gerecht zu werden, in diesem Jahr nicht umgesetzt werden könne".
Der Superintendent von Lüdenscheid-Plettenberg, Christof Grote, räumte ein, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, widerspreche vollkommen dem christlichen Verkündigungsauftrag. Auf der anderen Seite müsse man sich fragen, ob man es angesichts erschreckend hoher Zahlen von Corona-Patienten auf den Intensivstationen und von Verstorbenen verantworten könne, dass sich so viele Menschen treffen. Er wisse, wie schwer die Entscheidung die Kirchengemeinden treffen werde, sagte Grote.
Im Kirchenkreis Minden habe Superintendent Michael Mertins die Gemeinden "dringend gebeten", den Empfehlungen der westfälischen Kirchenleitung zu folgen, teilte eine Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mit. In einer Pfarrkonferenz wurde demnach am 16. Dezember die Situation besprochen. Erst danach lasse sich sagen, ob es eine gemeinsame Linie gebe.
Auch in den westfälischen Kirchenkreisen Unna und Siegen werden bis zum 10. Januar 2021 keine Präsenzgottesdienste gefeiert. Stattdessen bieten die Gemeinden zum Beispiel Internet-Gottesdienste an, öffnen ihre Kirchen und laden zur Feier von Gottesdiensten zu Hause ein, wie Sprecher beider Kirchenkreise am 18. Dezember mitteilten. Die Entscheidung für den Verzicht auf die Gottesdienste in den Kirchen oder im Freien sei nirgendwo leichtgefallen, hieß es von beiden Seiten.
"Es schmerzt, wenn Menschen durch diese Maßnahme enttäuscht werden"
Besonders im Blick auf den Heiligen Abend und die Weihnachtsfeiertage schmerze es, "wenn Menschen durch diese Maßnahme enttäuscht werden", erklärte der Evangelische Kirchenkreis Siegen. Man wolle aber damit einen Beitrag zu einem erweiterten Gesundheitsschutz aller Gottesdienstbesucher leisten, der noch über die "nachweislich sicheren" Schutzkonzepte für Gottesdienste hinausgehe. Der Kirchenkreis sprach von einem "Gebot der Vernunft" und einem Zeichen der Solidarität und Nächstenliebe, die Anzahl der Kontakte von Menschen auch durch den Verzicht auf Gottesdienste zu minimieren.
Die alternativen Weihnachtsangebote der Kirchengemeinden finden sich auf www.kirchenkreis-siegen.de beziehungsweise auf www.evangelisch-in-unna.de. Der Evangelische Kirchenkreis Unna gestaltet darüber hinaus gemeinsam mit dem katholischen Dekanat Unna ein dreistündiges Weihnachtsprogramm im Lokalradio Antenne Unna. Die Sendung wird an Heiligabend, 24. Dezember, von 15 bis 18 Uhr ausgestrahlt und wird auch danach in der Mediathek des Senders zu hören sein.