Stuttgart (epd). Das 200 Jahre alte Weihnachtslied "O du fröhliche" wurde anfangs von der evangelischen Kirche kritisch beäugt. Noch in den 1950er Jahren hatten viele Gesangbücher den Hinweis, das Lied sei für den gottesdienstlichen Gebrauch "nur bedingt geeignet", schreibt Privatdozent Jan Peter Grevel in einem am 16. Dezember in Stuttgart verbreiteten Beitrag für die württembergische Landeskirche. Erst mit dem Gesangbuch aus dem Jahr 1996 gehört es unter der Nummer 44 zum festen Bestandteil gottesdienstlicher Lieder.
Grevel, der im württembergischen Oberkirchenrat die Stabsstelle "Visitation und theologische Grundsatzfragen" versieht, nennt mehrere Ursachen für den schweren Start für "O du fröhliche". Ursprünglich sei es für Kinder geschrieben und vor allem bei Krippenspielen an Heiligabend gesungen worden. Anfang des 20. Jahrhunderts war für die evangelischen Kirchen aber noch der 1. Weihnachtstag das Hauptfest gewesen. Christvesper und Christmette am 24. Dezember seien beispielsweise 1912 im kirchlichen Gesetz zu den Feiertagen noch nicht einmal erwähnt - weder in Württemberg noch in Baden.
Siegeszug mit Radio und Schallplatte
Mit der zunehmenden Bedeutung des Heiligabends in der kirchlichen Praxis habe das Lied nach dem Zweiten Weltkrieg an Popularität gewonnen. Radiogottesdienste und Schallplattenaufnahmen hätten ebenso dazu beigetragen wie die Komposition des Dresdner Kantors Rudolf Mauersberger, der eine weit verbreitete "Christvesper nach Worten der Bibel und des Gesangbuchs" zusammenstellte, das auch das weihnachtliche Kinderlied enthielt.
Die drei Strophen des Lieds "O du fröhliche" münden jeweils in den Vers "Freue, freue dich, o Christenheit!". Es wird zum Abschluss des Heiligabendgottesdienstes im Stehen gesungen. Viele Gemeinden löschen dabei das Hauptlicht in der Kirche, so dass nur der Weihnachtsbaum und die Kerzen erstrahlen.