Berlin (epd). Im Streit um das Verlangen einer Kirchenmitgliedschaft bei Stellenbewerbern ruft die Diakonie das Bundesverfassungsgericht an. Wie der Bundesverband am 19. März in Berlin mitteilte, hat das evangelische Werk Verfassungsklage gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts und ein vorhergehendes des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eingelegt. Beide Gerichte hatten im vergangenen Jahr entschieden, dass Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in jedem Fall von Stellenbewerbern die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche verlangen dürfen. Dadurch sehe man sich in unzulässiger Weise im verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht beschränkt, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.
"Wir brauchen Klarheit darüber, dass unser Recht auf Selbstbestimmung nicht durch EU-Recht ausgehöhlt wird", sagte Lilie. Er verwies auf den Vertrag zur Arbeitsweise der EU, der Religionsgemeinschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten vor Beeinträchtigung schütze. Der EuGH habe die deutsche Rechtslage nicht angemessen beachtet und außerhalb seines Mandats gehandelt, sagte Lilie. Die Klage in Karlsruhe richtet sich deswegen nicht nur gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, sondern auch gegen das der Luxemburger Richter.
Die hatten entschieden, dass eine Religionsgemeinschaft ihr sogenanntes Ethos, also ihre Wertegrundlage, selbst festlegen darf. Mit Verweis auf die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU hatten sie aber auch entschieden, dass das Verlangen einer Kirchenzugehörigkeit von Stellenbewerbern "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" sowie gerichtlich überprüfbar sein muss. Darin sieht die Diakonie ein Problem: "Mit unserer Verfassungsklage wenden wir uns dagegen, dass theologische Kernfragen von Juristen entschieden werden", sagte Lilie.
"Wir sind aus gutem Grund evangelisch. Deshalb müssen wir auch die Möglichkeit haben, unser evangelisches Profil deutlich zu machen", sagte der Theologe dem epd. Das gelte auch für die Möglichkeit, "dass wir zunächst grundsätzlich von unseren Mitarbeitenden erwarten, dass sie evangelisch sind", sagte der Diakonie-Präsident. Es gebe bereits Ausnahmen und Öffnungsregelungen im kirchlichen Arbeitsrecht. "Aber wir möchten selbst entscheiden können, wann von diesem Grundsatz abgewichen werden kann", sagte Lilie.
Im konkreten Fall, über den die Gerichte zu entscheiden hatten, ging es um die Berlinerin Vera Egenberger, die sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung erfolglos für eine Referentenstelle beworben hatte. Die konfessionslose Bewerberin klagte auf Entschädigung, weil sie eine Diskriminierung aus religiösen Gründen annahm. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr im vergangenen Oktober eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu.
Egenberger bedauerte die Entscheidung der Diakonie. "Ich halte den Schritt nicht für hilfreich, da die Diakonie an alten Strukturen festhalten will, die sich längst überlebt haben", sagte sie dem epd. Der Schritt habe sich jedoch abgezeichnet, sagte Egenberger. In der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht im vergangenen Oktober hatte die dortige Richterin selbst gesagt, es könne gut sein, dass das letzte Wort in Karlsruhe gesprochen werde. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisierte die Diakonie. Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler warf dem Wohlfahrsverband vor, an "überkommenen Mustern" festzuhalten.
Düsseldorf (epd). Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, kritisiert die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt für die Integration von Flüchtlingen. Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), den Kommunen die Kostenerstattung für die Unterkunft und für die Integration von Flüchtlingen zu streichen beziehungsweise in reduzierte Pauschalen umzuwandeln, setze ein völlig falsches Zeichen, schreibt Rekowski am 20. März im "Präsesblog" der rheinischen Kirche. Es stünden die Bemühungen um eine gelungene Integration auf dem Spiel.
Auch wenn die Zahl der Asylsuchenden momentan niedrig sei, ändere dies nichts an der Tatsache, dass Integration Geld kostet, erklärte Rekowski, der auch Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. "Integration kostet Geld, das der Staat aufbringen muss, weil es ein gesamtgesellschaftliches Interesse an gutem Zusammenleben in unserem Land gibt." Prozesse wie eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt bräuchten Zeit. "Durch eine kurzsichtige Finanzpolitik kann vieles von dem, was bereits erreicht wurde, schnell wieder kaputt gemacht werden."
Vom Bund forderte der Theologe eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung, damit in den Kommunen eine erfolgreiche Integration beginnen könne. Mit diesen Finanzmitteln sei auch eine Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements von Ehrenamtlichen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden verbunden, erklärte Rekowski. "Die Pläne des Finanzministers dürfen dieses große Engagement nicht gefährden."
Ähnlich hatte sich am 20. März auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Hartmut Dedy, geäußert. Auch wenn seit 2016 die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden deutlich gesunken sei, gehe es um die bereits hier lebenden Menschen, sagte Dedy im WDR5-Morgenecho. Er kritisierte die von Bundesfinanzminister Scholz geplante Absenkung der Bundesgelder von derzeit rund 4,7 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 an. Dies sei nicht einmal ein Drittel. Doch mit Blick auf weiterhin benötigte Kitas, Schulen und Sprachkurse werde weiterhin eine verlässliche Finanzierung etwa in der heutigen Höhe benötigt.
Auch die Ministerpräsidenten von NRW und dem Saarland, Armin Laschet und Tobias Hans (beide CDU), wenden sich entschieden gegen die Pläne. Wer bei der Integration kürze und hoch verschuldete Kommunen mit sozialen Brennpunkten alleine lasse, habe jede Sensibilität für gesellschaftliche Prioritäten verloren, hatte Laschet kritisiert. Hans unterstrich am 20. März, dass das Saarland und andere Bundesländer nicht über entsprechende finanzielle Rücklagen verfügten, um die Bundeskürzungen, wie sie von Scholz ins Spiel gebracht worden seien, auszugleichen. Der Bundesfinanzminister mache es sich zu leicht, wenn er seine Haushaltsprobleme auf dem Rücken der Länder und Kommunen zu lösen versuche, kritisierte Hans einen Tag vor der Konferenz der Regierungschefs der Länder in Berlin.
Bremen (epd). Der Mann lacht gerne. Das zeigen schon die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln von Bernd Kuschnerus. Und er kann zuhören, mit direktem Blick für sein Gegenüber. Was für den Theologen Alltag ist und ihm selbst nicht groß erwähnenswert scheint, kann in den kommenden Jahren ordentlich helfen, falls der 56-Jährige zum Schriftführer und damit zum leitenden Geistlichen der Bremischen Evangelischen Kirche gewählt wird. Am 28. März steht die Personalie auf der Tagesordnung, wenn sich das Parlament der Kirche mit rund 150 Delegierten zur Frühjahrstagung trifft.
Bisher ist der gebürtige Bremer der einzige Kandidat für das Amt, das derzeit und noch bis Juni Renke Brahms innehat. Der 62-Jährige war über zwei Legislaturperioden in den vergangenen zwölf Jahren Schriftführer der einzigen Landeskirche Deutschlands, die sich nur auf städtisches Gebiet erstreckt. Schriftführer - so heißt hier das Amt des leitenden Geistlichen. In der Nazizeit gab es den letzten Bremer Bischof, linientreu. Seither ist der Begriff verbrannt.
Für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidiert Brahms nicht. Seit Anfang Februar ist er theologischer Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung in der Lutherstadt Wittenberg, noch nebenamtlich, ab Sommer dann hauptamtlich.
Also wird eine Nachfolge gesucht. Schon seit Monaten ist der Name Kuschnerus im Gespräch. Auch, weil der verheiratete Vater von vier erwachsenen Kindern seit langem Stellvertreter von Brahms ist und als exzellenter Theologe gilt. Vor zwölf Jahren hatte er schon einmal als Schriftführer kandidiert - und gegen den Noch-Amtsinhaber verloren. Seither ist er als Vize oft öffentlich aufgetreten, beispielsweise in Diskussionen um Sonntagsschutz und Bestattungskultur - meist verbunden mit einem Dur-gestimmten Gemüt: hell, klar, zugewandt.
Ein christlich orientiertes Elternhaus, die Konfirmandenzeit, die kirchliche Jugendarbeit und sein Zivildienst waren wichtige Meilensteine, die bei Kuschnerus das Interesse für ein späteres Theologiestudium in Kiel und Marburg weckten. "Als Zivildienstleistender war ich im Bremer Rot-Kreuz-Krankenhaus eingesetzt, habe kranke Menschen versorgt, Sterbende begleitet - das hat mich berührt", erinnert sich Kuschnerus, der sich seit knapp 20 Jahren mit seiner Frau Ingeborg eine Gemeinde-Pfarrstelle teilt.
Noch vor Dienstantritt als Zivi musste er in einer Gewissensprüfung im Kreiswehrersatzamt seine Motivation zur Kriegsdienstverweigerung verteidigen. Später wurde er als Rädelsführer eines Zivi-Streiks identifiziert und einvernommen. Frieden sei für ihn kein abstraktes Thema, betont Kuschnerus und fügt hinzu: "Friedlich miteinander umzugehen und sich für den Frieden einzusetzen, das gehört für mich zusammen." Dazu passt das Modell der Themenzentrierten Interaktion, das er schon als Jugendlicher kennengelernt hat und das auf soziales Lernen und persönliche Entwicklung in Gruppen abzielt.
Ihm sei die Rolle des Moderators wichtig, unterstreicht Kuschnerus. Tatsächlich ist sie ihm wie auf den Leib geschneidert, denn in der Kirche hat sich der Theologe den Ruf eines erfolgreichen Vermittlers selbst in schwierigen Konflikten erarbeitet. Das könnte auch zukünftig gefragt sein, denn möglicherweise nehmen die Verteilungskämpfe in der kleiner werdenden Kirche mit abnehmender Finanzkraft zu. Noch hat die bremische Kirche in 61 Gemeinden rund 190.000 Mitglieder. Aber die Zahl sinkt.
Trotzdem bleibe die Kirche in der Gesellschaft wichtig, betont Kuschnerus: "Zum Beispiel bei ethischen Themen, beim Klimaschutz, bei sozialen Fragen." Und als Beispiel für eine Gemeinschaft der Vielfalt, ergänzt der promovierte Pastor und verweist gerne auf die Mitarbeiterschaft in bremischen Gemeinden, Werken und Einrichtungen, zu der knapp 2.200 Beschäftigte aus 35 Ländern mit 28 Sprachen gehören.
Selbst in seiner Freizeit schimmert sein ausgleichendes Wesen durch, denn Kuschnerus praktiziert die betont defensive japanische Kampfkunst Aikido. "Spannend ist daran auch, sich mit dieser ganz anderen Kultur auseinanderzusetzen. Da lernt man Fairness und den sorgfältigen Umgang mit anderen."
Das kann ihm im Gespräch mit kirchenfernen Menschen helfen, die er stärker in den Blick nehmen will. Dafür müsse sich die kirchliche Sprache ändern, Angebote müssten offener werden. Aber wenn es hart auf hart kommt, ein kirchlicher Standpunkt mit Nachdruck vertreten werden muss - kann er dann auch Attacke? Durchaus, versichert Kuschnerus mit fester Stimme, macht aber auch klar: "Nie belehrend."
Stuttgart (epd). Die württembergische Landessynode hat die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglicht. Mit 65 von 90 Stimmen verabschiedeten die Synodalen am 23. März in Stuttgart mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit ein Gesetz, das Segnungsgottesdienste für Schwule und Lesben weder vorschreibt noch generell verbietet. Bundesweit einmalig ist, dass das Gesetz auch schon Personen des "dritten Geschlechts" einbezieht.
Dem Beschluss zufolge können bis zu einem Viertel der württembergischen evangelischen Kirchengemeinden "gleichgeschlechtlichen Paaren oder Paaren, von denen zumindest eine Person weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht angehört", einen Segnungsgottesdienst nach einer zivilen Eheschließung anbieten. Zugleich hält die Präambel fest, dass es zum Ja oder Nein in dieser Frage "keinen Ausgleich auf einem Mittelweg, sondern nur die Möglichkeit, getrennte Wege zu eröffnen" gebe.
Synodalpräsidentin Inge Schneider zeigte sich erleichtert, dass es der Synode in dem Gesetz gelungen sei, einen Weg in Einheit zu gehen trotz gegensätzlicher und doch gleichermaßen biblisch begründeter Standpunkte. Landesbischof Frank Otfried July würdigte, dass Betroffene begleitet würden in ihrer Lebensentscheidung. Was die Synode geleistet habe, sei ein beispielhaft auch für die Gesellschaft, nämlich um Verständigung zu ringen, Unterschiede klar zu benennen und die Gemeinsamkeit zu betonen.
Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Christian Heckel, sagte bei der Einbringung des Gesetzes, dieses respektiere das Gewissen. Es öffne zugleich den Weg zu einem geordneten Gottesdienst, der nicht der willkürlichen Gestaltung Einzelner überlassen bleibe.
Der Theologische Ausschuss würdigte, dass der jetzt gewählte Gesetzestext zwei Formen der Bibelauslegung nebeneinander stehen lasse, wie der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl als Ausschussvorsitzender sagte. Gohl hob hervor, dass beide Positionen - die derjenigen, die biblisch begründet Gottesdienste für homosexuelle Paare ablehnen, und derjenigen, die einen solchen Gottesdienst für jedes Paar, das sich unter Gottes Segen stellen wolle, für biblisch geboten halten - schrift- und bekenntnisgemäß seien.
Bislang war für homosexuelle Paare in der württembergischen Landeskirche eine Segnung im privaten Rahmen, aber kein öffentlicher Gottesdienst möglich. Von den 20 Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nimmt nun lediglich noch die Landeskirche Schaumburg-Lippe keine Segnungen vor. Die Evangelische Landeskirche in Baden etwa hat 2016 mit der "Trauung für alle" homosexuelle Paare und heterosexuelle vollständig gleichgestellt. Weltweit lehnen die katholische Kirche, Orthodoxe, die meisten Freikirchen und viele evangelische Kirchen auf anderen Kontinenten die öffentliche Segnung von Schwulen und Lesben ab.
Außer mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Eheleute befasste sich das württembergische Kirchenparlament auf seiner Frühjahrstagung unter anderen mit den Themen Finanzen, Europa, Umweltschutz und Kulturarbeit.
Berlin (epd). Der evangelische Bischof Markus Dröge hat den möglichen Ausschluss von Kirchenmitgliedern von der Gemeindeleitung wegen menschenfeindlichen Verhaltens verteidigt. Die von der Kirchenleitung der Berlin-brandenburgischen Landeskirche vorgeschlagene Prüfung der Wählbarkeit "als Gesinnungsschnüffelei zu diffamieren", sei Unsinn, sagte der Bischof der Landeskirche der Berliner Wochenzeitung "Die Kirche" (Ausgabe vom 24. März).
Im November stehen in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) Gemeindekirchenratswahlen an. Dafür wurde vor einigen Tagen eine Handreichung der Kirchenleitung vorgelegt, die Hilfestellung bei der Vorbereitung der Wahlen geben soll und Kriterien für den Ausschluss von Leitungsämtern erläutert.
Der AfD-Politiker Jörg Meuthen hatte das in einem Beitrag bei Facebook als "Gesinnungsschnüffelei" bezeichnet und die Landeskirche als "Gesinnungspolizei" bezeichnet. Dagegen wehrt sich Bischof Dröge. Als menschenfeindlich im Sinne der Kirchenregelung gelte, wenn Personen oder Gruppierungen "aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" diffamiert, bedroht oder herabgewürdigt werden, sagte Dröge: "Wer so etwas vertritt oder einer Vereinigung angehört, die so etwas vertritt, oder diese unterstützt, kann bei uns nicht in den Gemeindekirchenrat gewählt werden."
Dies gelte für alle, "ob rechtsextrem, rechtspopulistisch oder linksextrem", oder wenn Gewalt in irgendeiner Weise befürwortet werde, betonte Dröge: "Nur faktisch ist nicht bekannt, dass es bei uns irgendwelche Linksextremen gibt, die vorhaben, sich in einen Gemeindekirchenrat wählen zu lassen." Dass die Handreichung nicht auf linksextreme Haltungen eingehe, war auch öffentlich kritisiert worden.
Die AfD sei von ihrem Programm her zwar nicht als menschenfeindlich einzustufen, sagte Dröge: "Aber es gibt genug Mitglieder und Repräsentanten der AfD, die sich menschenfeindlich äußern." Dies müsse man sich dann genau anschauen.
Bielefeld (epd). Nach den Anschlägen auf zwei Moscheen in Neuseeland hat der Islambeauftragte der westfälischen Landeskirche Muslimen die Solidarität von Christen versichert. "Wenn Gläubige einer anderen Religion Unrecht erleiden und Grausam erleiden, können wir, Christinnen und Christen, nicht unbeteiligt zuschauen", schreibt der Islambeauftragte Ralf Lange-Sonntag in einem am 21. März in Bielefeld veröffentlichten Brief an muslimische Verbände. Die Taten würden auch zentrale Werte des Christentums verletzten, "den Frieden auf der Welt und die Gerechtigkeit für alle Menschen, unabhängig von Herkunft und Religion".
Die Attentäter wollten Hass und Unfrieden säen und die Menschheit spalten, erklärte der Theologe weiter. Christen und Muslime dürften dem Hass und der Gewalt nicht das letzte Wort lassen. "Lassen Sie uns bei allem Schmerz und Leid gemeinsam Zeichen setzen für eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit", rief Lange-Sonntag auf. Die Attentate seien ein Anschlag auf die weltweite Gemeinschaft der Muslime gewesen, "denen wir uns verbunden fühlen, mit den wir trauern und mit denen wir beten".
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) rief zu einem Schweigemarsch gegen Islam- und Menschenfeindlichkeit auf. Bei einem Anschlag auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch durch mutmaßlich einen Täter am 15. März waren mindestens 50 Menschen getötet und 50 verletzt worden.
Bad Salzuflen (epd). Kirchenvertreter haben sich für eine stärkere Einmischung in die Debatte um Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgesprochen. "Wir müssen vor allem mit der Politik tiefer ins Gespräch eintauchen", sagte der Pfarrer für Ökumene und Mission, Flucht und Migration der Lippischen Landeskirche, Dieter Bökemeier, zum Abschluss einer öffentlichen Konsultation der Lippischen Landeskirche am 23. März in Bad Salzuflen. Allerdings dürfe es nicht bei einem schriftlichen Papier bleiben: "Kirche muss künftig vermehrt eigenes Engagement entwickeln." Als Beispiel nannte Bökemeier Patenschaften für zivile Friedensdienstmitarbeiter.
Nach den Worten des Militärbischofs der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Sigurd Rink, muss ein Mandat des UN-Sicherheitsrats die Voraussetzung für jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr bleiben. Das sei möglicherweise nicht bei allen der aktuell zwölf Einsätze mit deutscher Beteiligung der Fall. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit müsse man allerdings auch sehr differenziert betrachten, was einmal das Ziel gewesen und was möglicherweise daraus geworden sei, sagte Rink.
Der Autor und Friedensdienst-Experte Martin Quack forderte eine Abkehr von der "Sicherheitslogik", die auf Abwehr von Gefahren, Abschottung und Abgrenzung setze, hin zu einer "Friedenslogik." Die meisten globalen Probleme würden durch gewaltsam ausgetragene Konflikte lediglich massiv verschärft: das betreffe Flüchtlinge, Armut und Umweltzerstörung. Diese Probleme könnten ohne einen anderen Umgang mit Konflikten nicht überwunden werden, erklärte Quack, der Hilfsorganisationen und andere Akteure der internationalen Zusammenarbeit berät.
Hauptmann Martin Waltemathe, Presseoffizier der Panzerbrigade 21, räumte ein, dass es auch in Teilen der Bundeswehr durchaus kritische Einschätzungen zu einigen der Auslandseinsätze gebe. Die Verantwortung für diese Einsätze trage die Politik.
Aus Sicht des Pfarrers und Friedensbeauftragten der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Lutz Krügener, ist das Nichts-Tun in Konfliktsituationen keine Option. Er erinnerte an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der sich um den Menschen kümmerte, der unter die Räuber gefallen war. Es gelte nicht, Einsätze zu rechtfertigen, doch der Blick müsse auf den leidenden Menschen gerichtet werden. Hier müsse Kirche Strategien entwickeln und konkret werden. In Hannover beispielsweise werde man Orte, in denen Friedensarbeit stattfinden, künftig fördern.
Der Friedensbeauftragte der Lippischen Landeskirche, Christian Brehme, bezeichnete die gerade auch von Teilnehmern der Bundeswehr ausgegangenen Impulse als äußerst wertvoll für den künftigen Diskussionsprozess. "Zu spüren, dass auch hier manche Auslandseinsätze kritisch gesehen werden und stärkeres Engagement bei zivilen Konfliktlösungen eingefordert wird, zeigt uns, dass die Politik stärker unter Druck gesetzt werden muss", sagte der Pfarrer.
Zu der zweitägigen Konsultation waren zahlreiche Fachleute aus Kirche, Gesellschaft und Bundeswehr eingeladen worden, die Erfahrungen mit Bundeswehr-Auslandseinsätzen sowie theologische und rechtliche Grundlagen aus verschiedenen Perspektiven beleuchten sollten. Im Herbst will sich die Lippische Landessynode ausführlich mit dem Friedensthema beschäftigen, das in ihrem Bereich besondere Aufmerksamkeit genießt: Teile der im lippischen Augustdorf stationierte Panzerbrigade 21 waren mehrfach zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr kommandiert.
Bonn, Dortmund (epd). Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) will mit einer Menschenkette ein sichtbares Zeichen für den Frieden auf dem Kirchentag in Dortmund setzen. Unter dem Motto "Vertraue dem Frieden und lebe ihn!" werde das Leitwort des diesjährigen Kirchentages "Was für ein Vertrauen" aufgegriffen, kündigte die AGDF am 18. März in Bonn an. Die Friedensaktion soll am 22. Juni in der Dortmunder Innenstadt stattfinden. Aktionspartner sind das Dortmunder Friedensforum, der Internationale Versöhnungsbund, ICJA Freiwilligenaustausch weltweit und das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk IBB.
"Wir wollen zeigen, worauf wir unser Vertrauen setzen, nämlich in die Kraft der Gewaltfreiheit, in einen solidarischen und schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen, in Völkerverständigung und Multilateralismus, in eine offene und vielfältige Gesellschaft, in ein gemeinsames und weltoffenes Haus Europa und in den Gott der Gerechtigkeit und des Friedens", erklärte die AGDF-Vorsitzende Christine Busch.
Mit der Menschenkette will die AGDF auch Appelle an die Politik verbinden. So fordert der Friedensverband von den politisch Verantwortlichen, die Rüstungsausgaben zu senken und stattdessen die Mittel für zivile Krisenprävention und gewaltfreie Konfliktbearbeitung auszubauen. Außerdem solle sich Deutschland wie auch andere europäische Staaten dem UN-Atomwaffen-Verbotsvertrag anschließen, verlangte die AGDF. Weitere Forderungen sind ein sofortiger Stopp von Waffenexporten in Krisen- und Kriegsgebiete, die Umwandlung der Rüstungsindustrie zu ziviler Produktion, sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Auch die Kirchen sollen mit dieser Aktion in den Blick genommen werden. So erwarte die AGDF von den Kirchen ein eindeutiges Bekenntnis zu einem Frieden, der in der Liebe und Gewaltlosigkeit Jesu gründet, erklärte der AGDF-Geschäftsführer Jan Gildemeister. "Und mit Blick auf die kommende EKD-Synode in Dresden wünschen wir uns klare Entscheidungen und Impulse auf dem Weg zu einer Kirche des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung."
Dortmund (epd). Als gelebter Dortmunder sei er bei der Suche nach Unterkünften voll mit dabei, erklärte der mehrfache Weltmeister und amtierende deutsche Meister im Paracycling am 19. März in Dortmund. Auch für Menschen mit Behinderung benötigt der Kirchentag noch Schlafplätze. Bislang fehlten noch 5.300 Betten, erklärte der Kirchentag.
Kirchentagspräsident Hans Leyendecker sagte, er erhoffe sich durch die sportliche Unterstützung einen großen Schub für die Bettensuche. "Bislang haben wir noch viel zu wenige private Unterkünfte, die wir aber dringend benötigen", betonte Leyendecker.
Für die Großveranstaltung sucht der Kirchentag insgesamt 8.000 Privatquartiere. In Dortmund und zehn umliegenden Städten wird daher mit Hochdruck dafür geworben, Gästen eine einfache Übernachtungsmöglichkeit und ein Frühstück anzubieten.
Zum 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 19. bis 23. Juni werden bis zu 100.000 Dauerteilnehmer und viele tausend Tagesbesucher erwartet. Die Zahl der Tagesgäste könnte nach Einschätzung der Kirchentags-Verantwortlichen in Dortmund besonders groß sein, weil in dem Ballungsraum viele Menschen zu Hause wohnen bleiben. Das Protestantentreffen steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen". Auf fast 2.400 Veranstaltungen sollen neben Glaubensfragen auch gesellschaftliche Themen wie Migration, Umwelt und Frieden in den Blick gerückt werden.
Hamburg (epd). Er war selbst für die großstädtischen Hamburger Verhältnisse ein ungewöhnlicher Pastor, den Bischöfin Maria Jepsen vor 25 Jahren als Deutschlands ersten evangelischen Aids-Pastor präsentierte: Rainer Jarchow hatte 1980 nach seinem Coming-out als Homosexueller den Pastorendienst quittiert und war als Schafhirte für zwei Jahre auf die griechische Insel Itharka gezogen. In seinem neuen Arbeitsfeld kannte er sich aus: 1984 hatte Jarchow die Aids-Hilfe Köln aufgebaut und drei Jahre später die Deutsche Aids-Stiftung "positiv leben" gegründet.
Der erste Hamburger Aidsgottesdienst wurde bereits im Juli 1992 in der altehrwürdigen Hauptkirche St. Katharinen gefeiert. Einzelne Aids-Andachten gab es auch schon in der Friedenskirche Altona. Doch ein Pastor nur für HIV-Infizierte und Aidskranke war bundesweit ein Novum. Er sei selbst sehr verwundert, dass man ihn gewählt habe, bekannte Jarchow bei seiner Vorstellung 1994 in großer Offenheit. Die Kirche habe bislang viel zu wenig für Aids-Kranke getan.
Er werbe für Kooperation, kündigte Jarchow damals an, aber er werde Streit auch nicht aus dem Wege gehen. Knapp zwei Jahre dauerte es dann auch nur bis zum ersten öffentlichen Eklat, als Jarchow im Gottesdienst zwei schwule Männer segnete. Das sei "Gotteslästerung", sagte der Hamburger Pastor Ulrich Rüß, Vorsitzender der konservativen "Sammlung um Bibel und Bekenntnis". Eine solche Segnung stehe im Widerspruch zum biblischen Zeugnis und der christlichen Ethik.
Doch Jarchow erhielt umgehend Beistand von Bischöfin Maria Jepsen. Es handele sich hierbei keinesfalls um eine "Trauung", betonte sie. Wenn Menschen den Wunsch hätten, auf ihrem gemeinsamen Weg in verantwortlicher Lebensweise als Christen "Gottes Zuspruch" zu erhalten, sollte ihnen das nicht verweigert werden.
In den vergangenen 25 Jahren hat sich der Umgang mit Aids fundamental verändert. Anfangs glich eine Aids-Diagnose einem Todesurteil. 1996 kamen die ersten wirksamen Medikamente auf den Markt, mussten aber alle paar Stunden geschluckt werden und schränkten das Leben sehr ein.
Doch als dank des medizinischen Fortschritts die akute Todesgefahr zurückging, verschwand das Thema auch aus den Medien. Detlev Gause, von 2004 bis 2018 Jarchows Nachfolger als Aidspastor, betrachtete die Entwicklung auch kritisch. Wenn eine Gesellschaft wenig über HIV und Aids wisse, grenze sie erst recht aus, sagte er seinerzeit. "Man lässt die Leute damit vereinsamen", sagt Gause.
Seit Herbst vorigen Jahres hat Hamburg mit Thomas Lienau-Becker einen neuen Aids-Seelsorger. Auch wenn eine HIV-Infektion heute durch Medikamente gut behandelt werden könne, sei die Diagnose HIV immer noch prägend für das weitere Leben, sagt der ehemalige Kieler Propst. "Aids ist kein Thema wie jedes andere." Dabei könnten Infizierte, bei denen das Virus erfolgreich unter die Nachweisgrenze unterdrückt wurde, keine Menschen mehr infizieren. Mit der Aidsseelsorge gehe die Kirche auch auf Menschen zu, deren Lebenswelt eher ungewöhnlich für eine typische Kirchengemeinde sei.
Mittlerweile ist aus der Ein-Mann-Aidsseelsorge "ein kleiner Betrieb" geworden, wie Lienau-Becker sagt. Ein sechsköpfiges Team mit Psychologen und Sozialpädagogen ist dort hauptamtlich tätig. Dazu kommen rund 20 feste Ehrenamtliche.
Gefeiert wird das Jubiläum der Aidsseelsorge am letzten März-Wochenende. In einem Festgottesdienst am 31. März predigt Bischöfin Kirsten Fehrs. Einen Monat später steht ein weiteres Fest an: Mit Aids-Pastor Lienau-Becker wird am 28. April der 300. Aids-Gottesdienst gefeiert.
Köln (epd). Unter dem Motto "Tu, was du glaubst! Gemeinde in der Nachfolge" haben sich am 23. März 2.500 Christen, darunter 1.400 Kinder und Jugendliche, zur Missionale 2019 in Köln getroffen. "Wir wollen die Menschen zu missionarischer Gemeindearbeit motivieren", sagte Pfarrer Christoph Nötzel, Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzender des Missionale-Trägerkreises, zu Beginn der Veranstaltung. Seit 1981 lädt der Trägerkreis, der aus Mitgliedern mehrerer Landes- und Freikirchen sowie Werken der Kirchen besteht, zu dem Treffen in Köln ein.
"Wir wollen eine Missionale, die nach innen ermutigt, die aber auch zum Aufbruch nach außen Mut macht", erklärte Nötzel. Er habe eine "gewisse Müdigkeit" in den Gemeinden beobachtet. Die gründe sich darauf, dass vielerorts die Landeskirche mit ihren Vorgaben die Tagesordnungen bestimme. So sei etwa der Spardruck demotivierend. Er empfahl den Gemeinden, den Weg aus dem "Hamsterrad der Selbstbeschäftigung" zu suchen. Es gehe darum, nach außen zu tragen, "was wir glauben".
Die Missionale-Teilnehmer trafen sich in acht Foren, in denen es zum Beispiel um die Gemeindekultur ging. "Wir wollen zeigen, wie eine Gemeinde aussehen kann, die von Gottes gutem Geist getragen wird", sagte Nötzel. Themen waren auch neue Glaubenskurse für Kinder und Erwachsene, Arbeit für und mit Migranten und die "missionale Gemeinde", die unter dem Leitspruch "Suchet der Stadt Bestes" gemeinsam mit anderen lokalen Akteuren Gemeinschaft stiftet und politisch Einfluss ausübt. "Da muss Kirche aber noch lernen, dass sie nicht allein das Sagen hat", erklärte Nötzel.
Bielefeld (epd). Der Experte für Notfallseelsorge der westfälischen Landeskirche, Ralf Radix, übernimmt ab April das Referat Seelsorge und Beratung im Bielefelder Landeskirchenamt. Der 54-jährige Theologe werde zunächst für zwei Jahre neben seinen Aufgaben als Seelsorger bei Feuerwehr und Rettungsdiensten zentrale Verantwortung für die Seelsorge in der Evangelischen Kirche von Westfalen tragen, erklärte das Landeskirchenamt am 20. März in Bielefeld. Radix trete damit die kommissarische Nachfolge von Kirchenrätin Daniela Fricke an, die seit Jahresbeginn landeskirchliche Beauftragte für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung ist.
Das Arbeitsfeld Seelsorge sei von großer Bedeutung, erklärte das Landeskirchenamt weiter. Zu dem breiten Spektrum gehörten der kirchliche Dienst in der Polizei, die Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge sowie Hospizarbeit, die Telefonseelsorge und die Notfallseelsorge. Radix werde die dort eingesetzten Pfarrer begleiten, die zuständigen Gremien koordinieren, mit Kostenträgern und staatlichen Partnern verhandeln. Zudem werde er die konzeptionelle Arbeit in Seelsorge und Beratung vorantreiben.
Bielefeld, Lübbecke (epd). Ein in einer diakonischen Einrichtung im Evangelischen Kirchenkreis Lübbecke tätiger Pfarrer ist mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden worden. "Es wurden Vorwürfe erhoben, er habe die sexuelle Selbstbestimmung einer erwachsenen Bewohnerin durch das Zeigen eines anstößigen Fotos verletzt", teilte die Evangelische Kirche von Westfalen am 23. März in Bielefeld mit. Das Landeskirchenamt habe ein Disziplinarverfahren eingeleitet und Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet, um die Vorwürfe zu klären. Bis dahin gelte die Unschuldsvermutung, teilte die westfälische Kirche mit.
Düsseldorf, Krefeld (epd). Der Krefelder Pfarrer Volker Hülsdonk wird neuer evangelischer Polizeiseelsorger in Düsseldorf. Wie die Evangelische Kirche im Rheinland am Freitag mitteilte, wird der 54-jährige Theologe voraussichtlich zum 1. Mai in die Landespfarrstelle für Polizeiseelsorge im Bereich Düsseldorf wechseln. Hülsdonk ist dann für die Polizeipräsidien Düsseldorf, Mönchengladbach und Wuppertal sowie die Kreispolizeibehörden Mettmann, Neuss und Viersen zuständig.
Der Pfarrer der Kirchengemeinde Krefeld-Oppum tritt damit die Nachfolge von Bianca van der Heyden an. Sie ist seit Dezember 2018 als Leitende Landespfarrerin für Notfallseelsorge der rheinischen Kirche tätig.
Volker Hülsdonk wurde 1965 in Wesel geboren. Er studierte evangelische Theologie in Wuppertal, Heidelberg und Bonn. Nach einem Vikariat in Moers-Asberg und beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt Duisburg-Niederrhein war er zunächst Pfarrer in der Kirchengemeinde Krefeld-Süd und ab 2011 in der Kirchengemeinde Krefeld-Oppum. Als Notfallseelsorger hat er sich seit 15 Jahren im ökumenischen Notfallseelsorgeteam Krefeld engagiert. Er hat außerdem eine Ausbildung zum Supervisor absolviert. Hülsdonk ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Mülheim an der Ruhr (epd). Die evangelische Kirche in Mülheim an der Ruhr gedenkt des pietistischen Predigers, Autors und Lieddichters Gerhard Tersteegen. Zum 250. Todestag findet am 31. März in der Petrikirche ein Festgottesdienst mit dem rheinischen Präses Manfred Rekowski statt, wie der Kirchenkreis am 25. März ankündigte. Am 3. April werde dann im Rahmen einer Feierstunde ein Gedenkstein vor der Petrikirche enthüllt.
Tersteegen, geboren 1697 in Moers, erlangte als Prediger, Schriftsteller und Kirchenlieddichter Bekanntheit auch über den deutschsprachigen Raum hinaus. Tersteegen, der für eine Kaufmannslehre nach Mülheim gekommen war, gründete dort zunächst ein eigenes Geschäft, das er später wieder aufgab. Als Broterwerb arbeitete er unter anderem als Leineweber und später als Seidenbandweber. Nach 1728 gab er das Weben auf, um sich ganz seiner Tätigkeit als Prediger zu widmen. Für seine theologische Tätigkeit fand er persönliche Mäzene und war auf Spenden angewiesen. Predigtreisen führten ihn bis nach Holland. 1769 starb er.
Gerhard Tersteegen beeinflusste maßgeblich die junge protestantische Erweckungsbewegung und den radikalen Pietismus, wandte sich aber stets gegen eine Abkehr von der Staatskirche. Individuelle Frömmigkeit und tägliches Bibelstudium waren für Tersteegen grundlegend. Zu seinem Wohnsitz, dem heutigen Tersteegenhaus nahe der Petrikirche in der Altstadt, sollen zahlreiche Menschen gekommen sein, um dem Prediger zu lauschen. Das Liederbuch "Geistliches Blumengärtlein Inniger Seelen" ist Tersteegens am weitesten verbreitete Schrift. "Ich bete an die Macht der Liebe" ist ein Liedtext, der zum sogenannten Großen Zapfenstreichs der Bundeswehr gehört.
Hannover (epd). Das von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) angeregte "Reformationsfenster" für die Marktkirche in Hannover soll nach einem Beschluss des Kirchenvorstandes trotz Kritik an dem Projekt angefertigt werden. Das Gremium entschied am 20. März, das Fenster nach einem Entwurf des Künstlers Markus Lüpertz in Auftrag zu geben. "Der Kirchenvorstand trifft diese Entscheidung nach mehrjähriger intensiver Debatte, die für ein Jahrhundert-Projekt wie das Reformationsfenster auch notwendig gewesen ist", sagte Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann.
"Wir haben uns eingehend mit den zustimmenden und ablehnenden Positionen beschäftigt", sagte die evangelische Pastorin. Der Kirchenvorstandsvorsitzende Reinhard Scheibe bekräftigte: "Unserer Auffassung nach hat eine Kirchengemeinde das Recht, über die Gestaltung ihres Kirchenraumes zu entscheiden und ihren Gestaltungswillen durchzusetzen. Eine Kirche dient der Religionsausübung und ist kein Museum."
Der Erbe des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1994), Georg Bissen, hatte Widerspruch gegen das 13 Meter hohe Buntglasfenster angemeldet, das Schröder (74) der evangelischen Kirche schenken will. Bissen hält das geplante Fenster für nicht vereinbar mit dem architektonischen Konzept seines Stiefvaters. Der in Tokio lebende Rechtsanwalt verwaltet die Urheberrechte an der Neugestaltung der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg durch Oesterlen.
Der Entwurf von Markus Lüpertz (77), einem Freund Schröders, setzt sich in zahlreichen Symbolen mit dem Leben und Werk des Reformators Martin Luther (1483-1546) auseinander. Luther erscheint als große weiße Gestalt. Für kontroverse Diskussionen sorgen vor allem fünf Fliegen als Symbol des Bösen und der Vergänglichkeit.
Altkanzler Schröder hatte angekündigt, er wolle der Marktkirche als Ehrenbürger von Hannover das Fenster schenken. Allein die Kosten für Material, Herstellung und Einbau werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Zur Finanzierung will Schröder Vortragshonorare von Verbänden und Unternehmen in Deutschland weitergeben.
Nach dem Beschluss müsse die Marktkirche nun in Abstimmung mit der landeskirchlichen Aufsicht und dem Denkmalschutz den Auftrag zur Anfertigung des Reformationsfensters vertraglich ausarbeiten, hieß es.
Düsseldorf, Saarbrücken (epd). Zehntausende Menschen haben am 23. März in vielen deutschen Städten gegen die geplante Reform des EU-Urheberrechts demonstriert. In Nordrhein-Westfalen sind der Polizei zufolge rund 20.000 Demonstranten auf die Straße gegangen. Demnach protestierten unter anderem in Köln 8.000, in Düsseldorf 4.000, in Dortmund 3.500 sowie in Aachen und Bielefeld jeweils 1.000 Menschen. Weitere Demonstrationen gabe es auch in Münster, Paderborn und Lippstadt. Die Proteste seien friedlich und aggressionsfrei verlaufen, erklärte die Polizei.
In Berlin versammelten sich nach Angaben der Polizei wiederum mehr als 10.000 Teilnehmer auf dem Potsdamer Platz zu einem Protestzug zum Brandenburger Tor. In München gingen 40.000 Menschen auf die Straße. Die Kritiker der Urheberrechtsnovelle, die das EU-Parlament am 26. März verabschieden will, befürchten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet durch sogenannte Upload-Filter. Diese Filter sollen beim Hochladen prüfen, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind.
Zu den bundesweiten Demonstrationen hatten Bündnisse aus Bürgerrechts- und Internetorganisationen sowie Parteien aufgerufen. Die Initiative "Save the Internet" verzeichnete auf ihrer Internetseite Demonstrationen in mehr als 40 deutschen Städten. Außerdem waren Protestmärsche in vielen Städten im europäischen Ausland angekündigt, darunter Paris, Athen, Amsterdam und Warschau.
In Düsseldorf hieß es auf Transparenten und Flugblättern: "Save our Internet", "Error - Demokratie not found", " Pro Kulturfreiheit" oder auch "Zensur wird zur Diktatur". Andere Slogans lauteten: "Diesel-Filter statt Upload-Filter" oder "Article 13 kills free Speech". Die Reform werde "massive Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit und die Vielfalt des Internets haben", warnten Redner.
In Hannover gingen mehr als 3.200 Demonstranten auf die Straße, in Hamburg rechnete die Polizei mit etwa 3.000. Rund 5.000 Menschen demonstrierten laut Polizei in Frankfurt am Main friedlich für ein weiterhin freies Internet. In Saarbrücken zogen nach Angaben der Polizei und der Veranstalter mehr als 2.000 Menschen mit Fahnen, Transparenten und Trillerpfeifen vom Tbilisser Platz vor dem Saarländischen Staatstheater durch die Innenstadt zur Europagalerie.
In Karlsruhe und Stuttgart demonstrierten jeweils rund 5.000 Menschen. Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, erklärte auf Twitter, Konzerne und ihre Algorithmen dürften nicht darüber entscheiden, "welcher Content auf ihren Plattformen erscheint". Allerdings gehöre es zum christlichen Menschenbild, "das geistige Eigentum anderer zu wahren", betonte der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Das Europaparlament stimmt am 26. März in Straßburg über die umstrittene Reform ab. Nach dem Willen ihrer Befürworter soll sie das Urheberrecht fit für das Internet machen. Gegner befürchten vor allem durch Artikel 13 eine Einschränkung der Netzkultur. Ebenfalls in der Kritik steht Artikel 11, der ein Leistungsschutzrecht für Verleger einführen würde.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, verteidigte die geplante Novelle. Es sei "doch nicht gerecht", wenn nur der US-Internetkonzern Google mit geistigem Eigentum Gewinne mache, sagte Timmermans den Zeitungen der Funke Mediengruppe (23. März). "Daher versuchen wir, das über europäische Gesetzgebung zu regeln. Wir müssen Künstlerinnen und Künstler schützen."
Brüssel (epd). Die Reform des EU-Urheberrechts ist auf der Zielgeraden: Am 26. März will das Europaparlament das umstrittene Vorhaben verabschieden. Ziel ist die Anpassung des Urheberrechts an das Internet-Zeitalter. Der federführende Europaabgeordnete Axel Voss (CDU) hält das Gesetz für gelungen - die Schattenberichterstatterin Julia Reda (Piratenpartei, Grünen-Fraktion) warnt vor einem Ende des Internets, wie wir es kennen. Im Zentrum des Streits stehen die "Uploadfilter" - ein Wort, das im Gesetz selbst gar nicht zu finden ist. Der Evangelische Pressedienst (epd) stellt die Hauptargumente der Kontrahenten gegenüber.
Der CDU-Politiker Axel Voss setzt sich für die Reform ein. Das Urheberrecht sei für Autoren, Künstler und Schauspieler existenziell, werde im Internet aber massenhaft verletzt. Denn auf vielen Plattformen würden Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte nach Belieben hochladen. Derzeit hafteten rechtlich vor allem die Nutzer selbst, macht Voss geltend. Sie würden einerseits etwa von Abmahn-Anwälten zur Kasse gebeten. Zum anderen könnten die Rechteinhaber aber häufig Nutzer nicht ausfindig machen oder diese den angerichteten Schaden nicht zahlen.
Die Reform erlege nun den Internetfirmen eine klare Haftung auf. Sie verdienten schließlich Geld mit den Werken, argumentiert Voss. Die Plattformen müssten Lizenzen erwerben oder unerlaubtes Hochladen verhindern. Ausnahmen kämen etwa Wikipedia zugute. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) müssten allerdings sogenannte aktive Plattformen wie Youtube ohnehin schon jetzt haften, fügt Voss hinzu: "Eigentlich schreiben wir nur das weiter fort, was der EuGH hier gesagt hat."
Zur Durchsetzung des Urheberrechts verlange das Gesetz von den Internetfirmen größtmögliche Anstrengungen nach industrieüblichen Standards. Zwar sei der Einsatz von "Identifizierungssoftware" nicht verboten, räumt Voss ein. Doch von "Uploadfiltern" sprechen will er nicht. Denn die Software reagiere nur auf von den Rechteinhabern bereitgestellte Daten. "Es werden dann also auch nur diese Werke erkannt und nicht jeder Upload gefiltert." Solche Software werde übrigens beispielsweise von Youtube schon jahrelang eingesetzt. Der immer wieder vorhergesagte Niedergang der Meinungsfreiheit sei ausgeblieben.
Einen Schub für die Meinungsfreiheit erwartet Voss vom neuen Leistungsschutzrecht in Artikel 11 des Gesetzes. Es zielt auf Plattformen wie Google, die zum Beispiel Ausschnitte von Texten und Fotos aus Online-Angeboten der Zeitungen anzeigen. Ausnahmen gäbe es etwa für die bloße Verlinkung und sehr kurze Textausschnitte. Voss' Argument ähnelt dem für Artikel 13: Die Verleger sollten etwas vom Kuchen abhaben, den sie mit gebacken haben.
Die Piratenpolitikerin Julia Reda ist gegen die Reform. Die den Firmen auferlegten größtmöglichen Anstrengungen hält sie für unerfüllbar. Denn die Unternehmen müssten für jeden potenziellen Post Lizenzen erwerben, mithin für "alle Inhalte der Welt, die unter das Urheberrecht fallen".
Darüber hinaus müssten, mit einigen Ausnahmen, künftig alle Internetdienste alles in ihrer Macht Stehende tun, um mögliche unerlaubte Kopien urheberrechtlich geschützter Werke zu blockieren. "Das geht nur mit Uploadfiltern", warnt Reda.
Die neue Haftung der Firmen habe schwerwiegende Folgen, befürchtet die Parlamentarierin. Sie werde nämlich zu Überreaktionen führen, "um auf der sicheren Seite zu sein – mit umso mehr Einschränkungen für unsere Redefreiheit".
Beim Leistungsschutzrecht ist Reda ähnlich kritisch. Die Wiedergabe von mehr als "einzelnen Worten oder sehr kurzen Textausschnitten" von Nachrichten werde künftig nur mit Lizenz möglich sein. Was "sehr kurz" konkret heiße, würden am Ende aber Gerichte entscheiden müssen. Und bis dahin, warnt Reda, "wird beim Setzen von Links (mit Anreißern) große Unsicherheit herrschen". Kritiker befürchten zudem, dass Suchmaschinen kleinere Medien einfach aus den Ergebnissen herausnehmen könnten und so die Meinungsfreiheit und -vielfalt im Internet leide.
Berlin (epd). Angesichts des geplanten Brexits haben leitende Geistliche zum Zusammenhalt der europäischen Christen aufgerufen. Der Berliner Bischof Markus Dröge erklärte am 24. März in einem gemeinsamen Gottesdienst mit der Londoner Bischöfin Sarah Mullally im Berliner Dom: "Wir halten zusammen, auch wenn es in Europa Kräfte gibt, die lieber aufs Neue nationalistische Wege gehen wollen." Mullally sagte, es sei wichtig zu erkennen, "dass wir mehr gemeinsames als Trennendes besitzen". Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sprach sich im Brexit-Chaos für enge Bande zu den Christinnen und Christen in Großbritannien aus.
Mullally sagte, die britische Gesellschaft sei wegen des geplanten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union derzeit sehr gespalten, viele lebten "mit einem tiefen Gefühl der Unsicherheit". "Wir leben in unsicheren Zeiten und trotz aller offensichtlichen politischen Unterschiede haben wir mehr gemeinsam als uns trennt", betonte sie. Die anglikanische Bischöfin war auf Einladung Dröges in Berlin. Der Berliner evangelische Bischof wird am 31. März in der Londoner St. Paul's Cathedral predigen.
Dröge sagte mit Blick auf den Brexit, das vereinte Europa sei ein großartiges Friedens- und Versöhnungsprojekt. Der Friede dürfe deshalb nicht aufs Spiel gesetzt werden. "Angesichts auseinanderstrebender Kräfte in Europa werden wir als Christen deshalb ganz bewusst umso enger zusammenstehen", sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Samstag im RBB-Hörfunk.
Mit dem Besuch Mullallys in Berlin und seinem Gegenbesuch in London solle deutlich gemacht werden, "dass wir gemeinsam die europäische Idee aufrecht halten, ganz praktisch hier vor Ort", erklärte Dröge: "Wir wollen ein vereintes und friedliches Europa." Denn der Gedanke von Europa beschränke sich nicht auf eine Zollunion oder eine Reiseregion ohne Grenzkontrollen. Europa sei vor allem eine Wertegemeinschaft.
Landesbischof Meister sagte, aus seiner Sicht wäre es ein "Geschenk", wenn die vollständige Kirchengemeinschaft der Kirche von England mit den evangelischen Kirchen in Deutschland erreicht würde. "Das ist eine theologische Frage, und wir sind dabei Fenster und Türen zu öffnen, so dass sich am Ende ein anglikanischer Pastor problemlos auf eine Pfarrstelle in Deutschland und eine Pastorin aus einer EKD-Kirche in England bewerben kann", sagte Meister dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Hannover.
Er halte die politische Entwicklung in Großbritannien im Ringen um den EU-Austritt für "völlig absurd". "Wie kann sich eine politische Elite in einem zutiefst demokratischen Land soweit von den Belangen eines funktionierenden Staates und den Interessen der Bevölkerung entfernen?", fragte Meister, der sich als Ko-Vorsitzender der Meissen-Kommission für die Partnerschaft zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Anglikanischen Kirche in England engagiert. Er sprach von einem "politischen Desaster", in dem Eitelkeiten, Narzissmus und Missgunst innerhalb der politischen Klasse die Oberhand gewonnen hätten über besonnene Diplomatie und das Gemeinwohl einer Nation.
Der Exekutivsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen, Sören Lenz, wandte sich gegen einen erstarkten Populismus in Europa. Wenn die "Ultra-Brexit-Befürworter" in Großbritannien argumentierten, das Volk habe gesprochen, müsse gefragt werden, wer denn überhaupt das Volk sei, sagte Lenz bei einer Diskussionsveranstaltung der Evangelischen Akademie im Saarland am Samstag im französischen Forbach. Wichtig sei der "Mut zum Widerspruch und dazu Kompromisse zu schließen". Die Kirche spiele dabei eine große Rolle, den Raum zu bieten, um zu reden und auch kontroverse Diskussionen zu führen.
Brüssel (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Handreichung zur Europawahl Ende Mai veröffentlicht, die seit dem 22. März auch gedruckt erhältlich ist. Die vom Brüsseler EKD-Büro verfasste Broschüre erklärt, wie das Europaparlament in Straßburg und Brüssel funktioniert, teilte die EKD in Hannover mit. Sie stellt zudem die Spitzenkandidaten der deutschen Parteien vor und nennt wichtige Punkte aus deren Wahlprogrammen.
Die EKD will mit der Handreichung auch zeigen, wie relevant die EU-Politik für Christen ist. "Die Zukunft der EU geht uns als Kirchenmitglieder etwas an. Viele der großen Herausforderungen vom Klimawandel, der Digitalisierung, über Asyl und Migration und den sozialen Zusammenhalt bis hin zur Friedenssicherung können nur gemeinsam bewältigt werden", schreibt die Leiterin des Brüsseler Büros, Katrin Hatzinger. In der Broschüre werden unter anderem Beispiele für die Arbeit der EU in de Bereichen Migrations-, Klima- und Bildungspolitik in der zu Ende gehenden Legislaturperiode vorgestellt.
Die Europawahlen finden europaweit vom 23. bis 26. Mai statt, in Deutschland am 26. Mai. Nach derzeitigem Stand wird die Zahl der Abgeordneten wegen des Brexits von 751 auf 705 verringert, 96 von ihnen kommen aus Deutschland. Die Broschüre kann unter www.ekd.de/handreichung-europawahlen-2019-44078.htm heruntergeladen oder bei der EKD kostenlos als Druckexemplar bestellt werden.
Straßburg/Hannover (epd). Deutsche Bischöfe haben die Europäer zu mehr Zusammenhalt aufgerufen. Auch die Kirchen müssten daran mitarbeiten, "Europa als Friedensprojekt mitzugestalten", erklärte der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, am 18. März in Straßburg nach einer Klausurtagung. Frank-Otfried July, Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes, forderte die Kirchen zum Einsatz gegen neuen Nationalismus und Rassismus sowie gegen Sprachunfähigkeit in Europa auf.
"Die Kirchen in Europa müssen mit ihren Netzwerken zeigen, dass Europa eine Gemeinschaft ist", fügte der württembergische Landesbischof July hinzu. Die Klausurtagung der VELKD-Bischofskonferenz ging am Montag nach vier Tagen zu Ende. "Straßburg, die europäischste der Städte Europas, ist ein Symbol dafür, dass Frieden und Versöhnung möglich sind", sagte der hannoversche Landesbischof Meister auf einem Empfang der Union Protestantischer Kirchen von Elsass und Lothringen (UEPAL). Meister würdigte die Gründung der UEPAL vor 13 Jahren als wichtige Stärkung der protestantischen Stimme in Europa.
Die Kirchen in Europa hätten den Auftrag, für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde einzutreten, "damit es keinen Konflikt, keinen Krieg, keine Gewalt zwischen den Völkern in Europa mehr gibt", hieß es weiter. Die Klausurtagung wurde gemeinsam mit dem Institut für Ökumenische Forschung in Straßburg veranstaltet. Ein Studientag am 16. März beschäftigte sich mit dem Thema "Bischöfliches Amt, lutherische Identität und Leitung in der Kirche". An der Tagung nahmen die Mitglieder der VELKD und internationale ökumenische Gäste teil. An einer Diskussion beteiligten sich die Europaabgeordneten Arne Lietz (SPD) und Rainer Wieland (CDU).
Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) mit Sitz in Hannover ist ein Zusammenschluss von sieben Landeskirchen in Bayern, Braunschweig, Hannover, Mitteldeutschland, Norddeutschland, Sachsen und Schaumburg-Lippe. Die VELKD repräsentiert rund neun Millionen Gemeindeglieder. Leitender Bischof ist Landesbischof Meister, stellvertretender Leitender Bischof ist Landesbischof Carsten Rentzing aus Dresden.
Bielefeld (epd). Der scheidende EU-Politiker Elmar Brok (CDU) wünscht sich einen intensiveren Dialog zwischen Kirchen und der EU. Ein Dialog, wie es ein Artikel über die Arbeitsweise der EU vorsehe, finde statt, "aber ich finde, er müsste intensiver und stringenter geführt werden", sagte Brok der Bielefelder evangelischen Wochenzeitung "Unsere Kirche" (Ausgabe 24. März). "Das sollten die Kirchen von der EU-Kommission einfordern." Die Grundidee des Artikel 17 des Vertrags zur Arbeitsweise der EU sei, dass es auch Konsultationspflichten gebe, etwa wenn es um konkrete Gesetzgebung gehe: "Es reicht nicht aus, wenn man sich ein- oder zweimal im Jahr zum netten Gedankenaustausch trifft."
An die Kirchen appellierte der EU-Politiker, Kritik konkreter zu äußern. "Wenn sie mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind, sollten sie Ross und Reiter benennen." Häufig sei nur von "der Politik" die Rede. Wenn man aber alle in einen Topf werfe, verärgere man auch die, die im Sinne der Kirche bereits handelten, monierte Brok.
Außer beim Arbeitsrecht erwartet Brok keine weiteren Einschränkungen durch EU-Recht für die Kirchen in Deutschland. Im Arbeitsrecht könne das der Fall sein, "aber sicher nur begrenzt". Die EU achte laut dem Artikel 17 den Status, den weltanschauliche Gemeinschaften nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen. Von daher greife europäische Gesetzgebung in diesem Bereich nicht unmittelbar.
Bei der europäischen Einigung seien zunächst mehr Impulse von der katholischen Kirche ausgegangen, erklärte Brok. Mit ihrer Orientierung auf Rom sei die katholische Kirche immer national und europäisch gewesen. Auf evangelischer Seite habe man sich eher über das Friedenskonzept dem Thema Europa angenähert und damit mittlerweile eine hohe Übereinstimmung erzielt. Größere Probleme gebe es hingegen in Ländern mit orthodoxen Kirchen. Eine mangelnde Bereitschaft, sich zu öffnen, wirke sich negativ auf den Demokratisierungsprozess in diesen Ländern und auf ihren Blick auf Europa aus.
Düsseldorf, Saarbrücken (epd). Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sitzen in den deutschen Parlamenten immer noch viel weniger Frauen als Männer. Im Bundestag und fast allen Landtagen liegt der Anteil der weiblichen Abgeordneten unter einem Drittel, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) ergab. In mehreren Ländern gibt es Initiativen für Parité-Gesetze nach dem Vorbild Brandenburgs. Dort hat der Landtag Ende Januar eine verbindliche Frauen-Quote für die Landeslisten der Parteien bei Landtagswahlen beschlossen. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) spricht von einer überfälligen Diskussion.
In Brandenburg hat der Landtag Ende Januar eine verbindliche Frauen-Quote für die Landeslisten der Parteien bei Landtagswahlen beschlossen. Die Kandidatenlisten sollen künftig abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden. Das Gesetz soll Mitte 2020 in Kraft treten und gilt noch nicht für die Landtagswahl am 1. September.
Im Bundestag ist der Anteil weiblicher Abgeordneter nach der Wahl 2017 auf 31,3 Prozent gesunken. Vor allem rund um den Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts im Januar wurden auch hier Forderungen nach einer gesetzlichen Verankerung der Parität laut. Konkrete Initiativen aus den Reihen des Parlaments liegen bislang aber nicht vor.
Das Land mit dem bundesweit höchsten Frauenanteil im Landtag ist Thüringen: Unter den 91 Parlamentariern sind aktuell 38 Frauen, das entspricht fast 42 Prozent. Noch in diesem Monat will das Landesparlament über einen Entwurf der rot-rot-grünen Regierungskoalition für ein Paritätsgesetz beraten. Es würde zum 1. Januar 2020 und damit erst nach der Landtagswahl im Oktober in Kraft treten.
Das Schlusslicht beim Frauen-Anteil bildet derzeit Sachsen-Anhalt mit lediglich knapp 22 Prozent weiblichen Abgeordneten. Ein Entwurf der oppositionellen Linken für ein Parité-Gesetz wurde kürzlich im Magdeburger Landtag diskutiert.
Im nordrhein-westfälischen Landtag haben die Frauen einen Anteil von 27,1 Prozent. Dort lehnen die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP ein Gesetz nach dem Vorbild Brandenburgs aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken ab. Der Landtag des Saarlandes hat einen Frauenanteil von 33 Prozent. Die CDU-Fraktion teilte dem epd mit, dass sie ein Paritätsgesetz als Eingriff in die Wahlfreiheit ablehne.
In den meisten übrigen Ländern sitzen maximal ein Drittel Frauen im Landtag. Darüber liegen außer Thüringen lediglich noch Brandenburg mit knapp 40 Prozent und Bremen mit 36 Prozent. Über Paritätsgesetze wird auch in Bayern, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt diskutiert, meist auf Antrag der Grünen, der SPD oder der Linken. Gegner verweisen allerdings auf verfassungsrechtliche Bedenken. Ihrer Ansicht nach würden quotierte Kandidatenlisten gegen die Wahlfreiheit verstoßen.
Bundestagsvizepräsidentin Roth sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass "wir 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch sehr weit von einer gerechten Beteiligung der Frauen im Parlament entfernt sind, es derzeit sogar mit einem sinkenden Frauenanteil in unseren Parlamenten zu tun haben". Der Bundestag falle mit seinem Frauenanteil von nur rund 31 Prozent "zurück ins letzte Jahrhundert", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei ein Staatsziel. Die Durchsetzung der Parität in den Parlamenten müsse wenn nötig gesetzlich geregelt werden.
Düsseldorf (epd). Die Opposition von SPD und Grünen im Düsseldorfer Landtag will nach brandenburgischem Vorbild auch für Nordrhein-Westfalen ein Paritätsgesetz auf den Weg bringen. Das sieht ein am 22. März in Düsseldorf von beiden Parteien vorgestelltes Eckpunktepapier vor. Ziel ist, dass alle Parteien bei künftigen Landtagswahlen verpflichtet werden, ihre Landeslisten mit genauso vielen Frauen wie Männern zu besetzen. SPD und Grüne wollen zusammen mit Rechtsexperten bis zum Jahresende einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.
Angesichts eines "desaströsen" Frauenanteils auf allen politischen Ebenen in Deutschland von nur einem Drittel oder darunter sei es dafür höchste Zeit, erklärten die frauenpolitischen Sprecherinnen von SPD und Grünen, Anja Butschkau und Josefine Paul. Im NRW-Landtag ist demnach der Frauenanteil nach seinem Höchststand im Jahr 2000 wieder rückläufig. Lag er damals noch bei 34,84 Prozent, sind es in der laufenden Legislaturperiode 27,1 Prozent.
Der Brandenburger Landtag hatte im Januar als erstes Parlament in Deutschland ein solches Paritätsgesetz mit der Mehrheit der Abgeordneten der rot-roten Landesregierung aus SPD und Linke beschlossen. Es soll dort am 30. Juni 2020 in Kraft treten. CDU und AfD stimmten dagegen, weil sie das Gesetz für verfassungswidrig halten.
Die Befürworter einer Paritätsregelung sehen diese in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert. "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", heißt es dort. Und weiter: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Rechtsexperten bezweifeln jedoch, dass ein Paritätsgesetz verfassungskonform sein könnte. Denn Artikel 38 des Grundgesetztes garantiert freie und gleiche Wahlen, wobei zur Wahlfreiheit ein freies Wahlvorschlagsrecht gehört. Das aber könne verletzt werden, wenn die Parteien nicht mehr frei entscheiden könnten, welche Kandidaten sie auf welchen Listenplatz aufstellen, argumentieren Verfassungsrechtler.
Durch das geplante NRW-Gesetz solle "keine Person von der Möglichkeit ausgeschlossen" werden, für ein Landtagsmandat auf einer Landesliste zu kandidieren, heißt es nun in dem Eckpunktepapier von SPD und Grünen. "Lediglich die Option, auf jedem Listenplatz zu kandidieren, wird durch die Pflicht zur geschlechterquotierten Listenaufstellung eingeschränkt."
Anja Butschkau und Josefine Paul setzen bei dem Vorhaben zudem auf Überparteilichkeit: "Wir wollen die anderen Parteien einladen, sich daran zu beteiligen", betonte die Sozialdemokratin Butschkau. Man wolle deshalb auf die frauenpolitischen Sprecherinnen der beiden Regierungsparteien zugehen.
In Frankreich ist schon seit 2001 durch das Parité-Gesetz eine geschlechterparitätische Besetzung von Wahllisten vorgegeben. Mit einem Frauenanteil im Parlament von 38,8 Prozent gehört das Land inzwischen zu den Vorreitern in Europa.
Düsseldorf (epd). In der Düsseldorfer Staatskanzlei ist seit 22. März ein Porträt der ehemaligen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu sehen. Kraft und ihr amtierender Nachfolger Armin Laschet (CDU) enthüllten das Porträt im Rahmen einer feierlichen Zeremonie, wie die Staatskanzlei mitteilte. Mit dem Bild von Kraft wird die Galerie der ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen nun komplettiert. Erstmals wird dabei eine Fotografie statt eines Gemäldes präsentiert. Die Aufnahme stammt von dem renommierten Fotografen Jim Rakete.
"Mit dem Porträt von Hannelore Kraft begehen wir heute eine gute Tradition, die wir pflegen und fortführen", sagte Ministerpräsident Laschet. Die Porträts der ehemaligen Ministerpräsidenten seien immer ein besonderer Anziehungspunkt für Gäste der Staatskanzlei.
Kraft hatte NRW von 2010 bis 2017 regiert. "Ich freue mich, dass Jim Rakete das Porträt fotografiert hat", sagte sie. "Ich schätze ihn als Künstler und als Mensch sehr."
Die Galerie mit den Porträts der ehemaligen Ministerpräsidenten befindet sich in der Büroetage des Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei. Sie zeigt alle früheren NRW-Regierungschefs seit Rudolf Amelunxen (1946-1947).
Münster, Ramstein-Miesenbach (epd). Bei Datennutzungen der US-Militärbasis Ramstein für Drohnenangriffe sieht das Oberverwaltungsgericht Münster die Bundesregierung zur Überprüfung verpflichtet. Im Fall von durch US-Drohnen getötete Menschen im Jemen entschied das Gericht in einem am 19. März veröffentlichten Urteil, dass die Bundesrepublik prüfen müsse, ob die Angriffe im Einklang mit dem Völkerrecht stehen (AZ: 4 A 1361/15). Deutschland müsse gegenüber den USA auf der Einhaltung des Völkerrechts bestehen. Menschenrechtsorganisationen forderten die Bundesregierung auf, die Unterstützung von Drohnenangriffe über die US-Basis Ramstein zu stoppen.
Die Bundesrepublik habe ihre Schutzpflicht für das Leben der Kläger im Jemen nicht ausreichend erfüllt, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Es gebe gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die USA bewaffnete Einsätze im Jemen durchführten, die zumindest zum Teil gegen das Völkerrecht verstießen. Informationen, die dem Gericht vorliegen, würden die zentrale Rolle der Satelliten-Relaisstation in Ramstein für bewaffnete Drohneneinsätze im Jemen belegen.
In der Berufungsverhandlung ging es um die Klage einer Familie aus der Region Hadramaut im Osten des Jemen. Beim Beschuss mit US-Raketen am 29. August 2012 wurden ihren Angaben zufolge ein Onkel und ein Schwager getötet. Nach Ansicht der Kläger dient eine Satelliten-Relaisstation in Ramstein dafür, die Daten für die Drohnenangriffe im Jemen und anderen Ländern in die USA zu übermitteln. Von dort würden die Drohnen gesteuert.
Bewaffnete Drohnen seien zwar nicht generell vom Völkerrecht untersagt, führte das Gericht aus. Gezielte militärische Gewalt durch bewaffnete Drohneneinsätze sei jedoch nur auf Grundlage des humanitären Völkerrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes zulässig. Danach dürfen sich Angriffe nur gegen Kämpfer der am Konflikt beteiligten Gruppen richten. Ein generelles Verbot der Nutzung der US-Basis Ramstein für solche Drohneneinsätze lehnte das Gericht ab.
Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) begrüßte die Entscheidung. Deutschland müsse endlich das Drohnenprogramm mit Nutzung Ramsteins stoppen, erklärte Andreas Schüller vom ECCHR in Berlin. Die US-Drohnenangriffe verstießen gegen die Menschenrechte. Das Europäische Zentrum unterstützte die Kläger aus dem Jemen.
Die Linkspartei forderte, die Bundesregierung müsse sich jetzt umgehenden Zugang zur US-Luftwaffenbasis in Ramstein verschaffen. Sie müsse aufklären, ob der Stützpunkt für "den rechtswidrigen Drohnenkrieg in Asien und Afrika genutzt" werde, verlangte der europapolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Andrej Hunko. Die US-Basis in Ramstein müsse geschlossen werden.
In einem weiteren Fall wegen US-Drohnenangriffe scheiterte am 19. März ein Somalier vor dem Oberverwaltungsgericht auch in zweiter Instanz mit einer Klage gegen Deutschland. Nach Auffassung des Gerichts konnten die Angaben des Mannes nicht bestätigt werden, dass dessen Vater tatsächlich bei einem Drohnenangriff ums Leben gekommen sei (AZ: 4 A 1072/16). Die Oberverwaltungsrichter bezweifelten zudem, dass Anfang 2012 die Satelliten-Relaisstation in Ramstein schon fertiggestellt war. Der Angriff ereignete sich in einem von der afrikanischen Terrorgruppe Al-Shabaab kontrollierten Gebiet nahe der somalischen Hauptstadt Mogadischu.
Berlin (epd). Nach Jahren der Steigerung drohen dem Entwicklungsministerium nach den Plänen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in den kommenden Jahren Kürzungen. Das Bundeskabinett beschloss am 20. März in Berlin die Eckwerte für den Haushalt 2020 und den Finanzplan bis 2023. Der Beschluss sieht vor, dass der Haushalt des Entwicklungsministeriums im kommenden Jahr 10,2 Milliarden Euro umfasst - genauso viel wie in diesem Jahr. Für die kommenden Jahre sind jeweils rund 500 bis 800 Millionen Euro weniger vorgesehen. Das sorgt für heftige Kritik von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Nichtregierungsorganisationen.
Müller hatte seinen Protest bereits vor wenigen Tagen in einem Brief übermittelt. Nach Angaben einer Sprecherin hat er in der Kabinettssitzung auch eine entsprechende Erklärung abgegeben. Müller sieht nach eigenen Angaben die Arbeitsfähigkeit seines Ministeriums gefährdet. Internationale Verpflichtungen sind nach Angaben seines Hauses im Haushalt nicht durchfinanziert. Das betrifft demnach den Entwicklungsfonds für Afrika und ein Mittelstandsförderprogramm für deutsche Unternehmen in Afrika. Diese Verpflichtungen könnten nur erreicht werden, wenn an anderer Stelle gekürzt werde, erklärte das Ministerium.
Bundesfinanzminister Scholz verteidigte bei der Vorstellung der Eckwerte seine Pläne. Deutschland werde mit dieser Finanzplanung voraussichtlich weiterhin zweitgrößter Geber sogenannter ODA-Mittel bleiben, sagte Scholz am Mittwoch in Berlin. Das Land werde seiner internationalen Verantwortung gerecht. Der Haushalt des Entwicklungsministeriums war in den vergangenen Jahren stets erhöht worden. 2015 betrug er rund 6,5 Milliarden Euro, 2017 schon rund 8,5 Milliarden Euro.
Das Ziel, die sogenannte ODA-Quote zu erreichen, kann mit dem nun auf den Weg gebrachten Haushalt nach Einschätzung des Entwicklungsministeriums nicht eingehalten werden. Nach der Richtlinie der Vereinten Nationen sollen die Industriestaaten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Unterstützung der armen Länder zur Verfügung stellen. Die Quote hat Deutschland nur einmal erreicht im Jahr 2016, weil damals die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland angerechnet wurden. Derzeit spricht das Entwicklungsministerium von einer Stabilisierung bei rund 0,5 Prozent, was dem Niveau von 2015 entsprechen würde.
Entwicklungsorganisationen kritisierten vor diesem Hintergrund die Haushaltsplanungen. Es werde zu schmerzhaften Kürzungen in Sachen Entwicklungsfinanzierung kommen, erklärte "Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Entgegen den Beteuerungen der Koalition werde die ODA-Quote sinken. Der entwicklungspolitische Verband Venro erklärte, eine solche Finanzplanung mache es Deutschland unmöglich, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen und einen fairen Beitrag zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung zu leisten.
Vizekanzler Scholz übe "Verrat an all den Menschen, die in extremer Armut leben", kritisierte auch der Deutschland-Direktor der Organisation One, Stephan Exo-Kreischer. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung sprach von einem "Sparen am falschen Ende".
Endgültig beschließt der Bundestag in der Regel kurz nach der Sommerpause über den Bundeshaushalt, der für 2020 insgesamt Ausgaben in Höhe von 362,6 Milliarden Euro vorsieht. Bis dahin kann es noch einige Änderungen an den Finanzplänen geben. Im parlamentarischen Verfahren will sich Müller nach Ankündigungen seines Ministeriums noch für Nachbesserungen einsetzen.
Frankfurt a.M. (epd). Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke werfen der Bundesregierung vor, ein verbindliches Abkommen zur Verantwortung von Unternehmen für die Menschenrechte zu blockieren. "Es ist ein Skandal, dass Deutschland schweigt, wenn internationale menschenrechtliche Standards für die Wirtschaft geschaffen werden sollen", sagt Karolin Seitz von der nichtstaatlichen Organisation Global Policy Forum in Bonn, die vor allem die Vereinten Nationen beobachtet. Seit 2014 verhandelt eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats in Genf über ein solches Abkommen.
Alle Staaten waren aufgefordert, einen ersten Entwurf eines Abkommens bis 28. Februar zu kommentieren. Doch die EU und Deutschland kamen dem nicht nach. Als Bremser vermutet Seitz das Wirtschafts- und das Finanzministerium, während Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) für gesetzliche Regelungen für faire Arbeitsbedingungen entlang ganzer Lieferketten wirbt - und von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unterstützt wird. Die Federführung wiederum liegt beim Auswärtigen Amt.
Aus dem Außenamt verlautete, dass EU und ihre Mitgliedstaaten die Verhandlungen der Arbeitsgruppe "kritisch-konstruktiv" begleiten und in dem Prozess "geschlossen" aufträten. Die Stellungnahme werde von der EU-Delegation abgegeben. Die Bundesregierung lehne verbindliche Verpflichtungen für Unternehmen nicht grundsätzlich ab, hieß es weiter. So habe man sich erfolgreich für eine Verankerung des Ziels nachhaltiger globaler Lieferketten in den Prozessen der wichtigsten Industrieländer (G7) und der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) engagiert.
In Deutschland gibt es bereits einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der auf Freiwilligkeit setzt. Bis 2020 soll die Hälfte aller Firmen mit mindestens 500 Beschäftigten Sorgfaltspflichten in ihren Geschäftspraktiken verankern. "Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen", heißt es im Koalitionsvertrag.
Das geplante Abkommen, über das in Genf verhandelt wird, soll internationale Standards für Sorgfaltspflichten und die Haftung von Firmen festlegen, also den Rahmen für Lieferkettengesetze bilden. Seitz kritisiert, dass Deutschland sich nicht an den inhaltlichen Debatten beteiligt, ebensowenig die EU, Japan und Australien - sowie die USA, die dem UN-Menschenrechtsrat ohnehin den Rücken kehrten.
Die Initiative zu einem Abkommen über Wirtschaft und Menschenrechte ging vor allem von Ländern des Südens aus, wie Seitz betont. "Die Afrikanische Union und südamerikanische Staaten unterstützen die Verhandlungen", sagt sie. Das Abkommen würde Unternehmen zu einer sorgfältigen Prüfung verpflichten, dass sie bei ihren Aktivitäten in fernen Ländern keine Grundrechte verletzen. Dabei geht es etwa um Landrechte, Gewerkschaftsfreiheit, Wasserqualität oder Gesundheit. "Das ist vor allem in fragilen Staaten wichtig, in denen der Schutz der Menschenrechte nicht gewährleistet ist", sagt Seitz. Unternehmen dürften etwa nicht davon profitieren, Arbeitnehmerrechte einzuschränken.
Ein verbindliches internationales Abkommen sei auch deshalb nötig, weil ärmere Staaten nicht wagten, eigene Gesetze zu beschließen, aus Angst, Investoren zu verschrecken. Doch das hat auch eine andere Seite: "Rechtssicherheit ist für Unternehmen sehr attraktiv", sagt die Politologin. Zugleich sollte das Abkommen dafür sorgen, "dass Opfer besser zu ihrem Recht kommen", sagt sie und nennt Prozesshilfen, Sammelklagen, Verjährungsfristen und Entschädigungen, die es zu regeln gelte.
Für Seitz ist nur schwer nachvollziehbar, warum sich die Bundesregierung an den Beratungen der Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats nicht stärker beteiligt. "Die europäische Ebene ist gut und schön, aber warum geht man nicht gleich auf die internationale Ebene?" fragt sie. Der Verweis auf Brüssel könnte auch ein Manöver sein, das Vorhaben zu verzögern und zu verwässern. Immerhin hätten die Verhandlungen in Genf die Debatten in vielen Ländern befeuert. Frankreich etwa habe schon seit 2017 ein Gesetz zu Sorgfaltspflichten für multinationale Konzerne.
Berlin, München (epd). Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, hat scharfe Kritik an Flüchtlingshelfern geäußert. "Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen - ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte", sagte Sommer der "Welt am Sonntag". Wenn solche Organisationen geplante Abschiebungstermine öffentlich machten, versuchten sie, "den Staat bei Abschiebungen zu behindern". Der bayerische Flüchtlingsrat wies die Kritik zurück und erklärte, Warnungen vor Abschiebeterminen seien dringend notwendig.
Der Bamf-Chef sagte, Flüchtlingsräte seien der Meinung, "dass sich jeder das Land seines Aufenthalts selbst aussuchen soll". Ihr Vorgehen gegen Abschiebungen solle "mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden soll". So etwas dürfe der Staat nicht hinnehmen.
Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums zur verbesserten Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern sieht vor, dass künftig derjenige bestraft werden kann, der Betroffene unmittelbar vor einer bevorstehenden Rückführungsmaßnahme warnt. Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl haben dies bereits kritisiert.
Der bayerische Flüchtlingsrat verteidigte die Praxis von Warnhinweisen vor Abschiebeterminen. Denn das bayerische Innenministerium etwa schrecke nicht davor zurück, "Familien auseinanderzureißen, Menschen aus der Ausbildung abzuschieben und Kranke in ein Land ohne medizinische Versorgungsmöglichkeiten zu schicken". Sprecher Stephan Dünnwald sagte am 24. März, Sommer wolle mit seiner Kritik lediglich vom Versagen seiner Behörde ablenken.
Die 16 Flüchtlingsräte der Bundesländer vertreten die vielen lokalen Flüchtlingsräte und Migrantenorganisationen ihrer jeweiligen Länder und sind Mitglieder von Pro Asyl, dem wichtigsten Interessenverband für Flüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber. Viele Flüchtlingsräte verbreiten im Internet und auf Flugblättern Abschiebungstermine und empfehlen Betroffenen, sich an diesen Tagen nicht an ihrer Meldeadresse aufzuhalten.
Sommer bezeichnete ferner die aktuelle Zahl der Asylanträge in Deutschland als "zu hoch". Im vergangenen Jahr seien 162.000 Asylerstanträge registriert worden, sagte Sommer der Zeitung: "Das ist vergleichbar mit einer Großstadt, die jährlich zu uns kommt." Lediglich 35 Prozent der Antragsteller erhielten aber einen Schutzstatus.
"Wir sehen also ganz deutlich, dass viele Menschen hierher kommen, ohne einen Asylgrund zu haben", sagte der Bamf-Chef. Obwohl er "Grenzen der Belastbarkeit eines Staates" ausmache, sprach Sommer sich gegen eine Zielmarke für Asylanträge aus. "Wenn jemand mit einem berechtigten Asylgrund herkommt, dann müssen wir diesen auch anerkennen und können nicht statistisch vorgehen", betonte er.
Berlin, Düsseldorf (epd). Gemeinsam mit dem Verein Pro Asyl hat die Düsseldorfer Rockband "Die Toten Hosen" dem Bundestag mehr als 40.000 Unterschriften gegen Rassismus und Flüchtlingsfeindlichkeit übergeben. "In unserem Land haben Menschen Angst", sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth (Grüne), bei der Entgegennahme der Unterschriftensammlung am 20. März in Berlin. Sie begrüßte die Aktion als "Appell an die Humanität".
Unter dem Motto "Wir geben keine Ruhe - Gemeinsam gegen Rassismus" hatten "Die Toten Hosen" Besucher ihrer Konzerte dazu aufgerufen, gegen Rassismus und Rechtspopulismus Stellung zu beziehen. Bei 37 Auftritten kamen so 41.501 Unterschriften zusammen. Mitarbeiter von Pro Asyl hätten die Konzertbesucher zudem in Informationsgesprächen aufgeklärt, sagte Breiti, Gitarrist der Band. Für ihn sei die Unterschriftensammlung eine "Kampagne für das friedliche Zusammenleben".
Roth sagte, dass sich Bürger für ein offenes Europa aussprechen, sei aktuell besonders wichtig. Die Grünen-Politikerin verwies unter anderem auf die Drohung des italienischen Innenministers Matteo Salvini, Flüchtlingshelfer auf dem Mittelmeer zu bestrafen. "Das europäische Wertefundament stirbt, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken", warnte sie.
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, forderte, Deutschland müsse "in einem zerbröselnden Europa der Fels in der Brandung sein und das Recht auf Asyl verteidigen". Pläne, Schutzsuchende zurück nach Südeuropa zu schicken, bezeichnete er als "Wasser auf den Mühlen der Rechtspropaganda". Stattdessen müsse sich Deutschland solidarisch mit den EU-Grenzstaaten zeigen. Europäische Binnengrenzen dichtzumachen, sei illegal.
In Deutschland gebe es jährlich rund 2.000 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte, sagte Burkhardt. "Dieser Rassismus trifft die Menschen in ihrem Menschsein, in ihrer Menschenwürde", kritisierte er. Die Unterzeichner setzten sich daher für eine konsequente Aufklärung und Ahndung rassistisch motivierter Gewalt ein. Zudem müssten die Opfer die Chance haben auszusagen. Für diese Menschen sei daher ein Bleiberecht notwendig.
Die Unterzeichner fordern die Politik darüber hinaus auf, das Asylrecht nicht zu verschärfen und aktiv gegen rassistische Stimmungsmache einzutreten. Bundestags-Vizepräsidentin Roth kündigte an, die Unterschriften schnellstmöglich an den zuständigen Innenausschuss weiterzugeben.
Düsseldorf (epd). Der Wechsel zur längeren Schulzeit bis zum Abitur ist in Nordrhein-Westfalen einen Schritt weiter: Das Landeskabinett stimmte am 19. März einem Entwurf von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) für eine geänderte Ausbildungs- und Prüfungsordnung in der ersten Sekundarstufe zu. "Das neue G9 geht auf die Zielgerade", erklärte Ministerin Gebauer in Düsseldorf. Nun muss noch der Schulausschuss des Landtags dem Vorstoß zustimmen. Neben der neuen Stundentafel an G9-Gymnasien geht es auch um den Fremdsprachenunterricht.
Kinder und Jugendliche sollen den Angaben zufolge bis zur zehnten Klasse bis zu 188 Wochenstunden zum Gymnasium gehen. Damit stünden Gymnasiasten die gleiche Anzahl an Wochenstunden wie Schülern an anderen Schulformen zur Verfügung. Die zweite Fremdsprache lernen die Schüler den Plänen zufolge ab der 7. Klasse. Zuvor starteten sie bereits ein Jahr früher.
Zudem liegen bereits 21 Kernlehrpläne für verschiedene Fächer vor, darunter auch für das Fach Wirtschaft-Politik, das ab dem Schuljahr 2019/20 an den Gymnasien neu eingeführt wird, wie es hieß. Schüler sollten ökonomisches Grundwissen und Verbraucherkompetenz erhalten. Gleichzeitig werde ihre historisch-politische Bildung gestärkt. Zu den Unterrichtsinhalten für G9-Gymnasien können Verbände noch bis Anfang April Stellung nehmen. Vor dem Schuljahresbeginn würden den Schulen Beispiele für schulinterne Curricula zur Verfügung gestellt, erklärte das Ministerium.
Der nordrhein-westfälische Landtag hatte im Juli 2018 beschlossen, dass die Gymnasien ab dem Schuljahr 2019/2020 grundsätzlich von der achtjährigen Gymnasialzeit, genannt G8, zu G9 zurückkehren. Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre, das sogenannte Turbo-Abitur, war zum Schuljahr 2008/2009 von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) eingeführt und von allen Parteien im Landtag unterstützt worden. In der Schulpraxis hagelte es jedoch regelmäßig Kritik von Lehrern und Eltern.
Düsseldorf (epd). Der Unterrichtsausfall an den Schulen Nordrhein-Westfalens im ersten Schulhalbjahr 2018/19 liegt bei 4,8 Prozent. Darin enthalten seien sowohl ersatzlos ausgefallene Stunden (3,3 Prozent) sowie eigenverantwortliches Arbeiten (1,5 Prozent), wie das Schulministerium am 21. März in Düsseldorf mitteilte. Das sind nach Angaben des Schulministeriums die ersten Ergebnisse einer erstmals flächendeckenden Erhebung. "Wir wollen wissen, wie viel Unterricht wirklich ausfällt", erklärte Gebauer. Dafür müssten möglichst alle Schulen ganzjährig in den Blick genommen werden. Genau das leistet die neue flächendeckende Erhebung.
Im Schuljahr 2017/18 habe der Ausfalls mit 5,1 Prozent 0,3 Prozentpunkte höher als im ersten Halbjahr dieses Schuljahr gelegen, hieß es. Allerdings seien in den Vorjahren keine flächendeckende Erhebungen über das ganze Jahr an allen Schulen gemacht worden. Bei Stichprobenuntersuchungen der Vorjahre wurden zudem im Jahr 2015/16 insgesamt drei Prozent und 2014/15 2,6 Prozent Unterrichtsausfall ermittelt.
Gebauer warf der rot-grünen Vorgängerregierung vor, die Negativentwicklung jahrelang ignoriert zu haben. Schwerpunkte der aktuellen Bildungspolitik seien die Lehrkräfteversorgung sowie die Lehrkraftgewinnung.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW kritisierte, nötig seien nicht genauere Messdaten, sondern Entlastungen für die Lehrer. Mehr Bürokratie trage nicht dazu bei, erklärte der Landesvorsitzende Stefan Behlau in Dortmund. "Die Schulen leiden an Personalmangel. Ohne Personal fällt Unterricht aus." Der Verband forderte eine langfristige Personalplanung mit einer Vertretungsreserve. Zudem müsse der Beruf attraktiver gemacht werden, etwa durch gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
Düsseldorf (epd). Der Lehrkräftemangel an deutschen Schulen hat sich nach Angaben des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) verschlimmert. Eine Umfrage im Auftrag des Verbands habe ergeben, dass der Lehrermangel mittlerweile 50 Prozent der Schulen betrifft, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann am 22. März beim Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf. Jede zweite Schule kämpfe um die besten Lehrerinnen und Lehrer. Der Verband hatte das Institut forsa beauftragt, bundesweit insgesamt 1.232 Schulleitungen zu befragen.
An den Schulen sind der Befragung zufolge durchschnittlich elf Prozent der zur Verfügung stehenden Stellen nicht besetzt. "An mehr als jeder dritten Schule sind es sogar noch mehr", sagte der VBE-Bundesvorsitzende.
In Berlin unterrichteten beispielsweise mittlerweile oft Seiteneinsteiger, betonte Beckmann. Meist hätten diese keine pädagogische Qualifikation. "Die Gefahr ist groß, hier ganze Schülergenerationen zu verlieren," warnte er. Der VBE-Vorsitzende machte "jahrelange Fehlplanung und maßloses Draufsatteln neuer Aufgaben" für die Situation verantwortlich.
Sorgen bereitet den Schulleitungen der Umfrage zufolge, dass mehr Eltern versuchen, ihre Vorstellungen mit allen Mitteln durchzusetzen. 18 Prozent aller Schulleitungen hätten dies beklagt, im Vorjahr seien es noch zwölf Prozent gewesen, sagte Beckmann. Außer dem Lehrermangel machten den Schulleitungen auch Inklusion, Integration sowie Arbeitsbelastung Schwierigkeiten. "Es fehlen essenzielle Voraussetzungen für gutes Lehren und Lernen", betonte der VBE-Bundesvorsitzende.
Köln (epd). Der mittlerweile in Bonn lebende Komiker und TV-Moderator Hape Kerkeling erhält die Auszeichnung "Rheinlandtaler" des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Kerkeling sei einer von 29 Männern und Frauen, die in diesem Jahr die Würdigung für ihr kulturelles Engagement in der Region bekämen, teilte der LVR am 21. März in Köln mit. Sie leisteten vor Ort "wichtige Arbeit, die viel zu häufig unbeachtet bleibt", sagte der Vorsitzende des LVR-Kulturausschusses, Jürgen Rolle. "Sie sind als Botschafterinnen und Botschafter für die rheinische Kultur unterwegs."
Die künftigen Preisträger kommen aus allen Städten und Kreisen im Rheinland, die im Zuständigkeitsgebiet des LVR liegen. Ihre zumeist ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder betreffen unter anderem Archäologie, Denkmalpflege, Landes- und Regionalgeschichte, Mundart, Naturschutz oder grenzübergreifendem Engagement in den Benelux-Staaten. Die Auszeichnungen werden ab April nicht öffentlich im Wohn- und Wirkungsumfeld der diesjährigen Preisträger überreicht.
Seit 1976 verleiht der LVR den "Rheinlandtaler" an Menschen, die sich zumeist ehrenamtlich um die rheinische Kultur verdient gemacht haben. Mittlerweile wurden 1.370 Frauen und Männer damit ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehören unter anderem die Kabarettisten Konrad Beikircher und Hanns Dieter Hüsch, die Band "Bläck Fööss" oder der Büttenredner Willibert Pauels.
Bremen (epd). Was da in Tütchen auf dem großen Tisch der Bremer Saatgut-Tauschbörse liegt, braucht noch Fantasie. Kleine Körner, mal grau, mal bräunlich. Aber mit Potenzial. "Ruthje"-Samen beispielsweise versprechen eine leuchtend rote und leicht herzförmige Tomate, mit ausgewogenem Süße-Säure-Verhältnis. Daneben liegen Samen der "Roten Zora", die mild-aromatische Früchte hervorbringen soll. Und wer zur "Baba" greift, kann sich möglicherweise im Sommer über Riesentomaten mit massenweise Fruchtfleisch freuen. Die Tomaten-Vielfalt auf der Tauschbörse ist enorm.
Und alle Saaten - egal ob Tomaten, Möhren, Erbsen oder Zucchini - haben hier eines gemeinsam: Sie sind samenfest. "Das heißt, jeder kann sie selbst vermehren", erläutert Umweltaktivistin und Gartenfachberaterin Rike Fischer von der Initiative "Bremen im Wandel", die die Börse mit organisiert hat. Im herkömmlichen Handel sind Saaten dieser Art kaum noch zu finden, sondern fast nur noch sogenannte "Hybride" - Saaten für Pflanzen, die sich nicht nachzüchten lassen, sondern jedes Jahr neu gekauft werden müssen.
Saatgut-Tauschbörsen mit regionalen Sorten wie im alten Bremer Güterbahnhof oder das große Saatgut-Festival in Düsseldorf mit Tausenden Besuchern haben gerade mächtig Konjunktur. "Ihre Zahl verdoppelt sich jedes Jahr", sagt Susanne Gura aus Bonn, Vorsitzende des bundesweiten Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt: "Früher hat das kaum jemanden interessiert, heute ist es fast schon eine Volksbewegung." Für die Agrarexpertin ist es wichtig, die weltweite Ernährungssicherheit durch Sortenvielfalt zu erhalten.
Doch genau die sei gefährdet, warnt Saatgut-Gärtner Max Rehberg aus dem niedersächsischen Westen. "Die zehn größten Saatgut-Konzerne kontrollieren 70 Prozent des Weltmarktes, in Deutschland sind es fünf Unternehmen mit 95 Prozent Marktanteil." Produziert werde nur, was sich in großen Mengen verkaufen lasse. Vielfalt rechne sich für die Konzerne nicht.
Mit fatalen Folgen, meint Anja Banzhaf, Garten- und Saatgutaktivistin aus Göttingen. Böden und Klima seien vielfältig, die Pflanzen müssten es deshalb auch sein. Nur ein großer Genpool ermögliche es, Sorten zu entwickeln, die sich an Umweltveränderungen anpassen könnten. Für Banzhaf haben diese Zusammenhänge auch eine politische Seite. Denn wer das Saatgut kontrolliere, kontrolliere einen Großteil des Nahrungsmittelangebots, sagt sie. Ein Buch von ihr zum Thema trägt deshalb den Titel: "Wer die Saat hat, hat das Sagen."
Wie es um die Gemüse-Vielfalt tatsächlich bestellt ist, dokumentiert eine Studie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die vergangenes Jahr erschienen ist. Demnach sind von 7.000 Sorten und Arten, die es zwischen 1836 bis 1956 in Deutschland noch gab, 75 Prozent verschwunden. Weitere 16 Prozent der ursprünglichen Gemüsevielfalt gelten als gefährdet, weil ihr Saatgut innerhalb Europas nur noch in Genbanken oder bei verschiedenen Saatgutinitiativen existiert. Die übrigen neun Prozent werden bis heute angebaut.
Gleichzeitig wachsen die Konzerne, die Saatgut patentieren und verkaufen. Heute sei Saatgut, das von jeder Pflanze im Überfluss produziert werde, größtenteils zur Ware geworden, meint Rike Fischer: "Tauschbörsen setzen dem etwas entgegen."
Und auch Biogärtner wie Jan Bera, der im Umland von Bremen einen Hof nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft führt: Einen großen Teil der Saaten, die er für die Anzucht in seinen Gewächshäusern braucht, vermehrt er selbst und passt sie so ideal an die Produktionsbedingungen auf dem Hof an. In seiner Saatgut-Schatzkammer schlummern Hunderte unterschiedlicher Samensorten, beispielsweise von Tomaten, Mais, Kohl, Auberginen und Mangold.
"Pflanzen, hacken, ernten - das ist mir zu wenig", sagt der 38-Jährige. Jahrtausendelang habe die Vielfalt der Pflanzen die Ernährung der Menschen gesichert. Über Generationen seien die Saaten weitergegeben worden. Heute dagegen arbeiteten die meisten Bauern mit gekauftem Material, das für die maschinelle Produktion optimiert worden sei. "Aber Vielfalt ist ein Kulturgut, das sich die Menschheit erarbeitet hat - und wir sind dabei, es auf die Müllkippe zu schmeißen", kritisiert Bera.
Gärtner wie Max Rehberg züchten deshalb auch neue Sorten, die sie mit einer Open-Source-Lizenz versehen, um sie vor einer profitorientierten Patentierung durch Konzerne zu schützen. So vermehrt Rehberg beispielsweise die "Sunviva", eine robuste Freiland-Tomatensorte mit leuchtend gelben Früchten und fruchtigem Aroma, die der Göttinger Saatgut-Hersteller Culinaris vertreibt.
Jeder darf die Sorte kostenlos verwenden, weitergeben und Geld damit verdienen. Wer nicht selbst vermehren will, dem empfiehlt Rehberg den Besuch von Börsen wie in Bremen oder Düsseldorf und appelliert: "Tauscht Saatgut, kauft samenfeste Bioware." Damit auch künftig regionale und alte Gemüse-Sorten wie der Pflücksalat "Ochsenzunge", die Stangenbohne "Klosterfrauen" oder die Pastinake "Schleswiger Schnee" eine Überlebenschance haben.
Schwerte (epd). Die Evangelischen Kirche von Westfalen ruft ihre 490 Kirchengemeinden und ihre Einrichtungen zur Teilnahme an der diesjährigen "Earth Hour" auf. Am 30. März sollten sie ein Zeichen für den Klimaschutz setzen und um 20.30 für 60 Minuten die Beleuchtung ihrer Kirchen und Gebäude abstellen, sagte der Umweltpfarrer der westfälischen Kirche, Volker Rotthauwe, am 19. März in Schwerte. "Es ist eine einfache, aber wirksame Aktion, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen." Im Bereich der westfälischen Kirche sind am 30. März etwa die Reinoldikirche in Dortmund und die evangelische Tagungsstätte "Haus Villigst" in Schwerte dabei.
Die Umweltorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) rief die Klimaschutzaktion 2007 ins Leben, die mittlerweile als größte ihrer Art gilt. Im vergangenen Jahr nahmen nach WWF-Angaben 7.000 Städte in 181 Ländern an der "Earth Hour" teil. In Deutschland beteiligten sich über 300 Städte und Gemeinden. Für eine Stunde versanken das Brandenburger Tor in Berlin, die Dresdner Frauenkirche und die Frankfurter Skyline in Dunkelheit. In Nordrhein-Westfalen waren 72 Städte dabei, unter anderem blieben der Kölner Dom, das historische Rathaus in Münster und die Bäume an der Düsseldorfer Königsallee unbeleuchtet.
Erkelenz (epd). Rund 3.000 Menschen haben nach Angaben von Braunkohlegegnern mit einem Sternenmarsch am 23. März für den Erhalt der durch den Tagebau Garzweiler bedrohten Dörfer demonstriert. Die Polizei sprach von rund 1.800 Teilnehmern. Zu Fuß und per Rad hatten sich Bewohner betroffener Orte, angereiste Bürger aus den Braunkohlerevieren in der Lausitz sowie Umweltaktivisten am frühen Nachmittag auf den Weg gemacht. Mit Transparenten, auf denen "Retten statt roden" oder "Alle Dörfer bleiben" zu lesen war, hatten die Teilnehmer ihren Forderungen Nachdruck verliehen.
Zum Auftakt im Erkelenzer Stadtteil Immerath, der bereits zum großen Teil abgerissen ist, betonte Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dass keine Dörfer mehr zerstört oder Bäume gefällt werden dürften. Nach seinen Worten ist mit dem Kohlekompromiss eine Halbierung der Kohleförderung bis 2022 vereinbart worden. Dadurch sei es nicht mehr notwendig, Menschen umzusiedeln und ihre Dörfer abzureißen. Die Siedlungen, in denen die Leute leben, hätten zudem eine lange Geschichte, die Ursprünge reichten bis ins zwölfte Jahrhundert zurück, hob Janzen hervor.
Bei der Abschlusskundgebung im Erkelenzer Stadtteil Keyenberg kritisierten Vertreter der Initiative "Bürger für Buir" und der Waldpädagoge Michael Zobel das Vorgehen der Kohle-Konzerne. Darüber hinaus betonten sie, dass sich auch das Land für eine Änderung der Abbaupläne einsetzen sollte, um die bewohnten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich und Berverath zu erhalten. Schüler der Bewegung "Fridays for Future" unterstrichen die Notwendigkeit des Ausstiegs aus der Kohle, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Nach Angaben der Polizei kam es zu keinen Zwischenfällen, die Demonstration sei friedlich verlaufen. Der nordrhein-westfälische BUND-Geschäftsführer Jansen kritisierte allerdings, dass Absperrungen der Polizei die Anreise von Demonstranten behindert hätten. Eine Sprecherin der Heinsberger Polizei widersprach dieser Darstellung. Es habe Absperrungen auf Landstraßen gegeben, diese seien aber erforderlich gewesen, um die Sicherheit der Demonstranten zu gewährleisten, die dort unterwegs waren.
Zu der Aktion hatten Umweltorganisationen wie der BUND, Greenpeace, die Klima-Allianz Deutschland sowie die Initiative "Alle Dörfer bleiben" aufgerufen.
Essen, Erkelenz (epd). Der Essener Energiekonzern RWE hat die für den Tagebau nötigen Umsiedlungen im Vorfeld einer Demonstration verteidigt. Umsiedlung von Dörfern und ihren Einwohnern seien unvermeidlich, hieß es in einem am 22. März vom Unternehmen verbreiteten Informationsblatt. "Sie ist eine der schwierigsten Aufgaben, die der Bergbau mit sich bringt." Anwohner und Umweltorganisationen demonstrierten am 23. März für den Erhalt von Dörfern in Erkelenz, weil sie sich vom Braunkohletagebau Garzweiler bedroht fühlen.
RWE betonte unterdessen, die Umsiedlungen müssten aus "energiewirtschaftlichen Gründen planmäßig und vollständig abgeschlossen werden". Es sei oberstes Ziel, die wirtschaftliche Situation der Menschen nicht zu gefährden und die Dorfgemeinschaft zu erhalten. Die Kohle im Umfeld des Tagebaus Garzweiler werde schon in den frühen 2020er-Jahren benötigt. Auch die Kohlekommission habe die Umsiedlungen nicht infrage gestellt, argumentierte das Unternehmen.
David Dresen von der Initiative "Alle Dörfer bleiben" verwies hingegen auf den bevorstehenden Kohleausstieg. Trotzdem drohe seiner Heimat die Abbaggerung. "Wir leben weiter mit der Unsicherheit, ob wir bleiben können oder dazu gedrängt werden, unser Zuhause zu verlassen", unterstrich er.
Umweltorganisationen wie der BUND, Greenpeace und die Klima-Allianz Deutschland forderten von der NRW-Landesregierung, die Tagebauplanung so zu ändern, dass die noch bewohnten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich und Berverath am Tagebau Garzweiler erhalten werden. An die Bundesregierung appellierten sie in ihrem Demoaufruf, weitere Braunkohlekapazitäten an den Kraftwerksstandorten Neurath und Niederaußem stillzulegen.
Der Tagebau Garzweiler wird nach Angaben von RWE Keyenberg 2023/24 erreichen, die Nachbardörfer in den Folgejahren. Mit fast 60 Prozent der Anwesen in den fünf betroffenen Orten habe das Unternehmen eine Einigung erzielt, über weitere 15 Prozent werde derzeit verhandelt. 19 Prozent der Fälle seien noch offen. In den Dörfern lebten ursprünglich 1.550 Menschen, wie RWE mitteilte.
Düsseldorf (epd). Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) will die Wälder im Land besser auf den Klimawandel vorbereiten. Der Waldbau müsse Vorsorge treffen und Risiken minimieren, etwa durch Konzepte für Mischwälder, erklärte Heinen-Esser am 18. März in Düsseldorf. Zum Internationalen Tag der Wälder (21. März) hob sie hervor: "Derzeit benötigt die Waldwirtschaft akute Hilfe." Dafür stünden in diesem Jahr rund 1,2 Millionen Euro zusätzliche Fördermittel von Bund und Land zur Verfügung.
Die Folgen des Klimawandels hinterließen schon jetzt deutlich sichtbare Spuren in den nordrhein-westfälischen Wäldern: Stürme im Winter und Frühjahr, Trockenheit im Sommer sowie die Ausbreitung des Borkenkäfers bedeuteten Stress für alle Baumarten. Das Umweltministerium, die Forstwirtschaft und Spitzenvertreter aus der Waldwirtschaft kündigten an, die Wälder gemeinsam fit für das künftige Klima machen zu wollen.
Ziel sei es, vor allem privaten und kommunalen Waldbesitz zu unterstützen, hieß es. Neben Beratungsangeboten brauche es auch strukturelle und finanzielle Hilfen, erklärte die Ministerin. "Neben den bereits beschlossenen und derzeit umgesetzten Hilfsmaßnahmen werden weitere Unterstützungen erforderlich sein."
Der "Tag des Waldes" wurde 1971 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) als Reaktion auf die globale Waldvernichtung ausgerufen. Seit 2012 gilt der 21. März als internationaler "Tag der Wälder", an dem die Wichtigkeit aller Arten von Wäldern und Bäumen gewürdigt werden soll. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto "Wald und Bildung".
Düsseldorf (epd). Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert von der nordrhein-westfälischen Landesregierung, den Wasserverbrauch nachhaltiger zu steuern. "Das Dürrejahr 2018 hat einen Vorgeschmack darauf geliefert, dass angesichts der Klimaveränderungen die Ressource Wasser für die Trinkwasserversorgung, die Industrie und die Landwirtschaft zukünftig nicht gesichert ist", erklärte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht am 21. März in Düsseldorf zum Weltwassertag (22. März). Zur Ressourcenschonung empfiehlt der Umweltexperte, die Entgeltpflicht für Wasserentnahme auch auf landwirtschaftliche Betriebe auszudehnen.
Bei Niedrigwasser der Flüsse sollte das Land zudem Ausnahmegenehmigungen für Kühlwassereinleitungen aus Chemiebetrieben und Kraftwerken nicht mehr erteilen. Die Landwirtschaft in NRW habe sich in den vergangenen Jahrzehnten hin zu wasserintensiven Kulturen mit Mais- und Gemüseanbau entwickelt, sagte Sticht. So werde in den Jahren mit Trockenperioden rund um die Uhr mit großen Drehsprengern beregnet. Um die Felder zu bewässern, würden auch zunehmend Pumpen in die Bäche und Flüsse gehängt. In Niedrigwasserperioden bedrohe das das Gewässerökosystem zusätzlich. Eine verpflichtende Zahlung für Agrarbetriebe kann seiner Ansicht nach ein geeignetes Mittel sein, um die Wasserentnahme zu reduzieren.
Der BUND sieht zudem eine Gefahr für Fische und Pflanzen in den Flüssen nahe von Kraftwerken und Industriebetrieben, die ihr Kühlwasser in die Gewässer ablassen. "Hohe Wassertemperaturen sind extrem schädlich für die Fischfauna", betonte Sticht. Zusätzliche Wärmefrachten müssten deshalb unterbunden werden.
Dortmund, Düsseldorf (epd). Das ökologische Computerspiel "MineHandy" ist Vorreiter-Projekt im Bereich Ressourcenschonung in der Leistungsschau der KlimaExpo.NRW. Das Spiel, das ökologische und soziale Herausforderungen bei der Herstellung von Mobiltelefonen behandelt, erhielt die Urkunde zur Aufnahme in die landesweite Leistungsschau von Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium, Christoph Dammermann in Düsseldorf, wie das Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) in Dortmund mitteilte. Seit 2014 zeichnet die KlimaExpo.NRW Projekte und Akteure aus, die den Herausforderungen im Klimaschutz mit besonderem Engagement begegnen.
An der Entwicklung von "MineHandy" waren den Angaben zufolge auch das MÖWe-Amt der westfälischen Landeskirche und das Südwind-Institut in Bonn beteiligt. "Mit dem Spiel wollen wir bei Jugendlichen das Interesse dafür wecken, was Menschen in anderen Teilen der Welt zur Produktion unserer Smartphones auf sich nehmen, und wie es besser laufen könnte", erklärte die Bildungsreferentin zu "Brot für die Welt"-Themen im Amt für MÖWe, Johanna Schäfer.
"MineHandy" basiert auf dem Computerspiel Minecraft. Die Spieler können dabei in die Rolle eines Journalisten schlüpfen, der auf einer Recherchereise die Bedingungen der Rohstoffgewinnung, der Handyproduktion und Elektroschrottentsorgung kennenlernt. Dabei sind Aufgaben zu lösen und in Gesprächen mit den Bewohnern der Minecraft-Welt werden Informationen für einen Artikel gesammelt.
Download von Spiel und Begleitheft: www.handyaktion-nrw.de/minehandy
Frankfurt a.M. (epd). Die Geburt des ersten Kindes ist für viele Paare ein magischer Augenblick: Der Wunsch nach dem ersehnten Baby hat sich erfüllt, das Glück ist perfekt. Eigentlich ein Grund, um beruflich etwas kürzer zu treten und so viel Zeit wie möglich zu Hause mit dem Nachwuchs zu verbringen. Doch tatsächlich arbeiten Väter sogar häufiger als Männer ohne Nachwuchs. Im Jahr 2017 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamts 91 Prozent der Väter im Alter zwischen 18 und 64 Jahren berufstätig. Bei kinderlosen Männern lag der Anteil bei nur 77 Prozent.
Und nicht nur das: Väter arbeiteten den Angaben zufolge auch häufiger in Vollzeit. Während 94 Prozent der Väter die volle Stundenzahl ableisteten, taten das nur 88 Prozent der kinderlosen Männer. Der Soziologe Harald Rost vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg macht dafür vor allem finanzielle Gründe verantwortlich: "Vor dem ersten Kind sind meistens beide berufstätig, dann geht in der Regel die Frau in Elternzeit, wodurch das Familieneinkommen sinkt." Es entstünden aber zusätzliche Kosten, etwa durch die Anschaffung einer Babyausrüstung und der Einrichtung eines Kinderzimmers. "Durch eine Erweiterung ihrer Erwerbstätigkeit wollen Väter den Einkommensverlust ausgleichen."
Zwar sei es durchaus so, dass Väter heute eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder spielen wollten. "Und auch die Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen, hat sich erhöht." So gingen mittlerweile 35 Prozent aller Väter nach der Geburt in Elternzeit - allerdings in aller Regel nur für zwei Monate. "Nur fünf bis sechs Prozent aller Väter arbeiten Teilzeit. Hier klaffen Wunsch und Realität noch weit auseinander", sagte Rost dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Kindheits- und Familienforscher Dominik Krinninger vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Osnabrück spricht sogar von einer "Retraditionalisierung" nach der Erfüllung des Kinderwunsches: "Bei Paaren gibt es vorher oft eine klare Übereinkunft in puncto faire Aufteilung, wer sich wie um das Kind kümmert und wer welche Aufgaben etwa im Haushalt übernimmt." Nach dem ersten Kind stellten sich jedoch schnell traditionelle Muster ein: Mehrheitlich sei es die Frau, die fortan weniger erwerbstätig sei und den Großteil des Haushalts erledige. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts arbeiten 71 Prozent aller Mütter, aber weniger als ein Drittel tut dies in Vollzeit.
"Tatsächlich haben wir heute in den Krippen eine Situation wie vor 40 Jahren in den Kindergärten", sagt Krinninger. Damals besuchte nur etwa ein Drittel der Drei- bis Sechsjährigen den Kindergarten, heute sind es mehr als 90 Prozent. Bei den unter Dreijährigen sind heute rund 30 Prozent in institutioneller Betreuung. "Ein Kindergartenbesuch ist die Norm, ein Krippenbesuch nicht."
Warum sich Paare zunehmend wieder für eine traditionelle Rollenverteilung entscheiden, habe viele Gründe, meint der Pädagoge. Oft sei es schwierig, überhaupt einen Krippenplatz zu bekommen. Zudem müsse er mit vertretbarem Aufwand für die Eltern zu erreichen sein: "Wenn er am anderen Ende der Stadt liegt, lässt sich das nur schlecht in den Alltag integrieren." Gleichzeitig spielten die Erwartungen an die Geschlechter eine nicht zu unterschätzende Rolle: "Für viele Paare ist es besser vorstellbar, dass die Frau zurücksteckt. Hier kommen - oft unbewusst - gesellschaftliche Muster zum Tragen: Vorstellungen von Männlichkeit und Mütterlichkeit."
Das sieht auch die Dortmunder Psychologin und Psychotherapeutin Cornelia Wien so: "Gesellschaftlich sind wir immer noch nicht wirklich in der Gleichberechtigungsphase angekommen." Bei beruflich erfolgreichen Müttern mache sich sehr schnell ein Schuldbewusstsein bemerkbar, dass die Karriere auf Kosten der Familie gehe. "Das ist bei Männern in aller Regel nicht gegeben."
Frauen stünden unter einem besonderen Druck, viel mehr als Männer: "Sie möchten überall super sein, im Beruf und zu Hause mit den Kindern und dem Partner." Wenn beide Eltern voll arbeiten gingen, sei das meistens nur mit Unterstützung von außen machbar: "Und dann muss man entweder sehr gut verdienen oder den Zugriff auf Oma und Opa haben."
Berlin (epd). Eltern mit geringen Einkommen werden durch höhere staatliche Leistungen entlastet. Der Bundestag beschloss am 21. März in Berlin mit den Stimmen der Koalition eine Erhöhung des Kinderzuschlags für Geringverdiener. Außerdem sollen bedürftige Kinder höhere Zuschüsse für Schulsachen und Vereinsbeiträge bekommen. Die Opposition kritisierte, die Änderungen reichten nicht aus, um die Kinderarmut zu verringern.
In der abschließenden Debatte zu dem Gesetz sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), von den erhöhten Leistungen profitierten insbesondere alleinerziehende Mütter und Väter. Es sei höchste Zeit, dass mehr für diese Eltern getan werde, weil sie besonders viel leisten müssten. Er habe das als Sohn einer alleinerziehenden Mutter selbst erlebt, sagte Heil.
Heil und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatten das "Starke-Familien-Gesetz" gemeinsam vorgelegt. Insgesamt sollen vier Millionen Kinder höhere Leistungen erhalten. Kinder denen die Bildungs- und Teilhabeleistungen für Hartz-IV-Empfänger zustehen, bekommen vom nächsten Schuljahr an Schulessen und Monatsfahrkarten, ohne dass die Eltern zuzahlen müssen. Für Schulmaterialien gibt es 150 statt bisher 100 Euro, für Vereinsbeiträge 15 statt zehn Euro.
Der Kinderzuschlag für Geringverdiener steigt zum 1. Juli von 170 auf 185 Euro pro Monat. Alleinerziehende werden bessergestellt, weil der Unterhalt für ihre Kinder nicht mehr voll, sondern nur noch zu 45 Prozent auf den Zuschlag angerechnet wird. Bisher gehen sie meistens leer aus. Außerdem soll die Beantragung des Zuschlags vereinfacht und die Berechnung so verändert werden, dass er langsamer abschmilzt, wenn die Eltern mehr verdienen. Heute beantragen viele Eltern den Zuschlag nicht, weil das zu kompliziert ist und sie ihn komplett einbüßen, wenn sie nur wenige Euro zu viel verdienen.
Die Opposition erklärte, das Gesetz enthalte zwar Verbesserungen und lange überfällige Korrekturen, doch sei es insgesamt zu wenig ehrgeizig. Die Parteichefin der Grünen, Annalena Baerbock, kritisierte, der Kinderzuschlag komme bei zwei von drei Familien nicht an. Während die Koalition für das Baukindergeld und die Kindergelderhöhung sechs Milliarden Euro ausgebe, seien für Kinder aus armen Familien nur 1,3 Milliarden Euro eingeplant: "Damit setzt man keine Priorität bei der Bekämpfung von Kinderarmut", kritisierte Baerbock. Dies habe die Koalition aber angekündigt.
Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), sprach hingegen von einem "konkreten, guten Gesetz", das vielen Familien spürbare Verbesserungen bringen werde. Der Kinderzuschlag sei eine der wichtigsten familienpolitischen Leistungen, weil er die Eltern stärke, die arbeiten, sagte Weinberg.
Lügde, Koblenz (epd). Eklatante Defizite in der Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte sind nach Ansicht der Koblenzer Politikwissenschaftlerin Kathinka Beckmann in hohem Maße verantwortlich dafür, dass Jugendämter in Deutschland Gewalt gegen Kinder immer wieder übersehen. In vielen Hochschulen und Universitäten werde dieses Thema gar nicht oder zu wenig beleuchtet, sagte Beckmann in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Studium sei eine Breitbandausbildung und decke das gesamte Spektrum der Sozialen Arbeit von Kindern über Senioren bis zur Suchthilfe ab.
Auch deshalb hielten es die Fachkräfte oft nicht für möglich, dass Gewalt und organisierte sexuelle Kriminalität gegen Kinder auch in ihrem eigenen Einzugsbereich vorkomme, sagte die Professorin der Hochschule Koblenz. Sie nähmen Hinweise, wie es sie auch beim mutmaßlich tausendfachen sexuellen Missbrauch von Kindern in Lügde in NRW und in Gifhorn offenbar gegeben habe, gar nicht ernst. "Jeder weiß, dass Fälle wie in Lügde und Gifhorn nur die Spitze des Eisbergs sind. Aber die wenigsten ertragen es, sich das vorzustellen." Es gelte deshalb, eine Haltung dazu zu entwickeln und zu kultivieren.
Auf einem Campingplatz im lippischen Lügde an der Grenze zu Niedersachsen sollen mehr als 30 Kinder jahrelang von drei Männern sexuell missbraucht worden sein. Unter den Opfern war auch das Pflegekind des Hauptverdächtigen. Das örtliche Jugendamt kannte den Mann. In einer Wohngruppe in Gifhorn sollen offenbar ebenfalls über Jahre junge Mädchen missbraucht worden sein. Unter Verdacht steht ein Ehepaar, das die Gruppe über 25 Jahre geleitet hat.
Beckmann sagte, die Arbeit der Fachkräfte in den Jugendämtern sei verantwortungsvoll und eine große Herausforderung. Sie müssten etwa die aktuelle Gesetzlage parat haben, die Alarmsignale bei Kindern erkennen und bei Hausbesuchen die Familiendynamik durchschauen können. Auch bei Einarbeitung der jeweils neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hapere es gewaltig. Die Wissenschaftlerin hat im vergangenen Jahr eine repräsentative Studie über die Arbeit der 563 Jugendämter in Deutschland vorgelegt.
Ein Drittel der Behörden haben demzufolge gar kein Einarbeitungsmodell. Die übrigen haben zwar eines, bei 56 Prozent von ihnen betrage die Einarbeitungszeit aber weniger als drei Monate: "Danach kann ich gut in einer Cocktailbar arbeiten, aber nicht in einer so verantwortungsvollen Aufgabe", kritisierte Beckmann, die auch Sozialpädagogin ist. In den 1990er Jahren habe es im Anschluss an das Studium noch ein Anerkennungsjahr für Berufsanfänger gegeben. Mit dem Bolognaprozess und der Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen sei das weggefallen.
Aus all diesen Gründen sei die Fluktuation in den Jugendämtern sehr hoch, sagte die Expertin. Das führe zu einem weiteren Hindernis bei der Erkennung von Gewalt gegen Kinder: Nur in 23 Prozent der Fälle wechselt die Zuständigkeit im Laufe des Verfahrens nicht. In 34 Prozent wechselt sie dreimal oder häufiger. Zudem mangele es in den meisten Jugendämtern an ausreichend Personal. Die Zahl der Fälle, für die eine Fachkraft zuständig sei, variiere zwischen den empfohlenen 35 und mehr als 100.
Beckmann bemängelte darüber hinaus das Fehlen bundeseinheitlicher fachlicher Standards für die Arbeit der Jugendämter. Die gebe es weder für die Risiko-Einschätzung beim Thema Gewalt noch für die Vorbereitung und Begleitung von Pflegefamilien. Auch eine Aufsicht für die Jugendämter und Beschwerdestellen existierten nicht.
Düsseldorf (epd). Die Freie Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen hat eine Schieflage auf dem Ausbildungsmarkt kritisiert. In NRW gebe es noch immer mehr Bewerber als Ausbildungsplätze, erklärten die Wohlfahrtsverbände am 19. März. Nach ihrem Arbeitslosenreport fanden im vorigen Ausbildungsjahr rund 22.000 Bewerber nicht die gewünschte Lehrstelle, während knapp 10.000 Plätze unbesetzt blieben. Bundesweit klagen Arbeitgeber hingegen über einen Mangel an Auszubildenden.
Von Oktober 2017 bis September 2018 kamen dem Bericht zufolge auf knapp 134.000 gemeldete Bewerber etwa 116.000 gemeldete Ausbildungsstellen. "Das ist besorgniserregend, zumal es bundesweit erstmals seit 1994 wieder mehr Lehrstellen als Bewerber gab", erklärte der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Christian Heine-Göttelmann. Bis Ende September 2018 blieben 7.000 Bewerber ohne Stelle. Weitere 15.000 waren zwar immer noch auf der Suche, nahmen aber an einer berufsqualifizierenden Maßnahme teil.
Besonders betroffen sind laut Report Jugendliche mit Hauptschulabschluss. Nicht einmal jeder zweite von ihnen schafft den direkten Übergang in die Lehre. "Es birgt sozialen Sprengstoff, wenn Unternehmen sich über Fachkräftemangel beschweren, sich aber von Hauptschülern abwenden", kritisierte Heine-Göttelmann. Die Betriebe müssten sich für sie öffnen.
Mehr als 33.000 junge Menschen unter 25 Jahren hatten zudem im September 2018 keine Berufsausbildung und befanden sich dem Arbeitslosenreport zufolge im Langzeitleistungsbezug. Ihre Zahl stieg in den vergangenen drei Jahren um rund drei Prozentpunkte. Insgesamt mehr als ein Jahr arbeitslos gemeldet waren im Januar 2019 in NRW rund 258.300 Menschen. Das sind etwa 40 Prozent aller Arbeitslosen.
Berlin (epd). Ein neuer Pflege-TÜV soll alten Menschen und ihren Angehörigen vom kommenden Jahr an die Suche nach einem guten Heim erleichtern. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) gab am 20. März in Berlin bekannt, die neuen Prüfungen sollten im November dieses Jahres beginnen. Bis Ende 2020 sollen alle Heime geprüft werden. Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung und Sozialverbände begrüßten den Beschluss.
Der Vorstand des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer, sagte, gute und weniger gute Qualität werde erkennbar. Diese neue Transparenz sei längst überfällig. Die bisherigen Pflegenoten stehen seit Jahren in der Kritik, weil sie zu positiv und einheitlich ausfallen. Die Durchschnittsnoten in allen Bundesländern bewegen sich nach Angaben des GKV-Spitzenverbands zwischen 1,1 und 1,4.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) begrüßte, dass nun endlich ein Konzept für ein neues Beurteilungssystem auf dem Tisch liege: "Ein Pflege-TÜV, bei dem fast jedes Heim Traumnoten bekommt, bringt nichts." Das neue Konzept müsse nun schnell in die Praxis kommen, sagte Spahn.
Künftig sollen laut GKV-Spitzenverband Ernährung, Körperpflege und Wundversorgung geprüft werden sowie die Anstrengungen einer Einrichtung, die Mobilität ihrer Bewohner zu erhalten oder Druckgeschwüren vorzubeugen. Bewertet wird auch, ob und wie oft die alten Menschen durch Bettgitter oder Gurte fixiert werden. Damit soll die eigentliche Pflege und Betreuung der Bewohner bei der Prüfung stärker im Fokus stehen als heute.
Schließlich soll auch das Pflegeheim selbst bewertet werden, etwa die Personalausstattung, die Erreichbarkeit oder ob Interessenten probewohnen können. Die Ergebnisse werden auf den Seiten der Kranken- und Pflegekassen veröffentlicht und in den Einrichtungen ausgehängt. Darauf hatte sich am Dienstagabend der erweiterte Qualitätsausschuss Pflege von Krankenkassen und Heimbetreibern verständigt.
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, lobte die Einigung auf den neuen Pflege-TÜV als Durchbruch. Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", künftig werde nicht mehr bewertet, ob und wie etwa ein Heim ein Konzept zur Dekubitusvermeidung aufgeschrieben habe, sondern "ob ein Pflegebedürftiger sich wundgelegen hat oder nicht. Das war überfällig".
Ein neues Prüfverfahren hätte eigentlich schon bis März 2017 entwickelt werden müssen. Die künftigen Regeln basieren auf Vorschlägen von Pflegewissenschaftlern, die diese dem Qualitätsausschuss im September vergangenen Jahres vorgelegt hatten.
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, begrüßte den künftigen Pflege-TÜV und sagte, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sei es wichtig, dass die Informationen verständlich aufbereitet würden. Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte, jedes Jahr müssten mehr als 300.000 Pflegebedürftige eine stationäre Einrichtung finden. Ein Pflege-TÜV müsse eine schnelle Einschätzung ermöglichen.
In Deutschland beziehen rund 3,4 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung. Rund 820.000 Pflegebedürftige werden in Heimen betreut.
Saarbrücken (epd). Der Sozialverband VdK Saarland hat einfachere Regelungen für Pflegebedürftige angemahnt, damit diese besser Hilfen im Alltag nutzen können. "Wir brauchen einen leichteren Zugang zu haushaltsnahen Dienstleistungen", erklärte der VdK-Landesvorsitzende Armin Lang am 18. März in Saarbrücken. Der Entlastungsbetrag für haushaltsnahe Dienstleistungen müsse einfacher bei den Pflegekassen abgerufen werden können.
Sein Verband berate immer wieder Menschen mit einem niedrigen Pflegegrad, aber hohem Unterstützungsbedarf. Wollten sie den monatlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro nutzen, fänden sie keinen Dienst, der den geringen Stundenumfang und die förderbaren Dienste anbietet. Der Landesverband appellierte an das Saar-Sozialministerium, diese Regeln anzupassen, damit die Unterstützung abgerufen werden könne.
Außerdem sollten Nachbarn oder Bekannte haushaltsnahe Dienstleistungen verrichten dürfen, forderte der Sozialverband. Dafür könnten von ihnen höchstens Weiterbildungen wie ein Erste-Hilfe-Kurs, eine Hygiene-Schulung und eine Anleitung zum Umgang mit Demenz-Patienten verlangt werden. Der Geschäftsführer des Landesverbands, Peter Springborn, sprach sich für eine zügige Umsetzung und möglichst unbürokratische Antragstellung aus.
Der Verband kritisierte zudem, den Betreuungsdiensten fehle die finanzielle Sicherheit, um die Hilfen im Haushalt anzubieten. Es vergingen oft bis zu sechs Monate, bis die Pflegekassen den Pflegebedürftigen diese Leistungen erstatten, für die die Betreuungsdienste häufig in Vorleistung treten. "Gerade für kleine Betriebe gefährdet diese Praxis deren Existenz", beklagte Springborn. Die Leistungen müssten innerhalb von maximal 28 Tagen bezahlt werden, forderte er.
Berlin (epd). Der Gen-Test auf eine mögliche Trisomie des ungeborenen Kindes könnte bei Risikoschwangerschaften schon bald zur Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen werden. Der für die Einstufung von Kassenleistungen zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 22. März sein Stellungnahmeverfahren eingeleitet. In einem nach seiner Sitzung in Berlin dazu veröffentlichten Beschlussentwurf plädiert er dafür, die Tests zur Kassenleistung zu machen. Angesichts der Risiken invasiver Untersuchungen sowie der belegten hohen Testgüte der geprüften Verfahren sogenannter nicht-invasiver Pränataldiagnostik sehe er eine Anerkennung als medizinisch begründet an, sagte der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken. Eine endgültige Entscheidung über die Tests wird frühestens im August erwartet.
Hecken ergänzte, es gehe nach dem Beschluss des G-BA "ausdrücklich um die Anwendung des Tests bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken". "Es geht nicht etwa um eine Reihenuntersuchung aller Schwangeren", unterstrich er. Die Patientenvertretung im Ausschuss plädiert dafür, die Tests generell erst ab der zwölften Schwangerschaftswoche zur Kassenleistung zu machen und die Beratung der Frauen zu erweitern. Abtreibungen sind nach diesem Zeitraum nicht mehr ohne weiteres möglich.
Der G-BA muss darüber entscheiden, ob die Gen-Tests, die am Blut der Schwangeren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine mögliche Trisomie beim ungeborenen Kind erkennen, künftig von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden sollen. Bislang müssen Mütter die Tests privat bezahlen, während Fruchtwasseruntersuchung oder Plazentabiopsie, die dies auch untersuchen, aber ein Risiko für Fehlgeburten bergen, von der Kasse übernommen werden. Der nicht-invasive Test ist praktisch risikofrei, weil nur der Mutter Blut abgenommen wird.
Im Verfahren zur sind nun Expertengremien wie die Bundesärztekammer, die Gendiagnostik-Kommission oder der Deutsche Ethikrat aufgefordert, schriftlich Einschätzung abzugeben. Zudem ist eine mündliche Anhörung geplant. Die abschließende Beratung wird nach Angaben des G-BA voraussichtlich im August sein.
Der Test ist umstritten. Vor allem Behindertenvertretungen kritisieren eine mögliche Zulassung als Kassenleistung. Sie befürchten ein Screening, an dessen Ende sich kaum noch Eltern für behinderte Kinder entscheiden und damit der Druck auf Behinderte selbst wächst. Im Bundestag setzt sich eine große Gruppe von Abgeordneten für eine ethische Debatte über die Tests ein. In der zweiten Aprilwoche soll es dazu eine Orientierungsdebatte im Parlament geben.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Selbsthilfe sowie 26 weitere Verbände veröffentlichten am 22. März eine gemeinsame Stellungnahme unter dem Titel "Ja zur Vielfalt des menschlichen Lebens!". Eine Übernahme der Bluttests in den Leistungskatalog der Krankenkassen werde dazu führen, "die Angst vor Behinderung zu verstärken" und "die Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen zu verschärfen", erklärten die Unterzeichner anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages.
Statt eine Finanzierung durch die Krankenkassen zu ermöglichen, sollten nach Angaben der BAG Selbsthilfe bessere Beratungsangebote durch die Beteiligung der Behindertenselbsthilfe für die Eltern geschaffen werden. "Wer solche Möglichkeiten zu vorgeburtlichen Selektion schafft, sendet damit vor allem die Botschaft, dass behinderte Menschen in unserer Gesellschaft unerwünscht sind", mahnte der Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe, Martin Danner.
Köln (epd). Florian Lintz hatte trotz seiner Behinderung immer das Ziel, einen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt zu bekommen. "Ich habe eine Zeit lang in der Krankenpflege gearbeitet. Man hat mir auch gesagt, dass ich kognitiv relativ fit bin", sagt der junge Mann. "Aber ich musste dann wegen Mobbing aufhören", berichtet er. Nun ist Florian Lintz glücklich. Ab April wird er zusammen mit sechs weiteren Menschen mit geistiger Behinderung zur Bildungsfachkraft an Hochschulen qualifiziert.
Am 19. März fiel in Köln der offizielle Startschuss für das Projekt "Inklusive Bildung NRW", das erstmals Behinderte in Nordrhein-Westfalen zu Experten in eigener Sache ausbildet. "Die Teilnehmer sollen dazu beitragen, dass Studierende darauf achten, sich auf die Belange Behinderter einzustellen", erklärt die Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Bildungsministerium, Annette Storsberg (CDU), das Ziel des Lehrgangs.
Florian Lintz und die sechs anderen Teilnehmer sollen drei Jahre lang zu Inklusions-Experten qualifiziert werden. Nach Abschluss der Ausbildung durch das Institut für Inklusive Bildung NRW werden sie Lehrkräften und Studierenden an nordrheinwestfälischen Hochschulen die speziellen Bedürfnisse und Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen vermitteln. Gefördert wird das Projekt vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und der Kämpgen-Stiftung.
Mit Unterstützung einer pädagogischen Assistenz oder einer hauptamtlichen Lehrkraft werden die Bildungsfachkräfte Seminare und Workshops abhalten, etwa zu Themen wie Barrierefreiheit oder die Anforderungen an einen inklusionsorientierten Arbeitsplatz. Ziel sei es, die beiden gesellschaftlich getrennten Welten der hochschulischen Exzellenz und der sogenannten geistigen Behinderungen miteinander zu verbinden, erklärte Claudia Paul vom Institut für Inklusive Bildung NRW.
"Das ist eine tolle Idee", freut sich Jennifer Cöllen. Die 24-Jährige, die derzeit in einer Kölner Behindertenwerkstatt arbeitet, hat bereits Erfahrungen in einem Projekt mit Studierenden gesammelt. "Ich freue mich darauf, anderen viel zu vermitteln." Auch sie hat bei einem Praktikum im Einzelhandel erfahren, wie wenig die Arbeitswelt auf Menschen mit Behinderungen eingestellt ist.
Das Projekt "Inklusive Bildung NRW" will bereits bei den Studierenden ein Bewusstsein für die Bedürfnisse von Behinderten wecken. "Das Projekt soll langfristig und innovativ zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention beitragen", sagt Storsberg. Diese schreibt die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen vor.
"Es ist ein tolles und lange überfälliges Experiment", sagt der Präsident der Technischen Hochschule Köln, Stefan Herzig. Die Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule ist Partner des Projekts. Es sei Zeit, die Perspektive zu öffnen und Behinderte zu Experten in eigener Sache zu machen.
Die Bildungsfachkräfte sollten zunächst am Studiengang Kindheitspädagogik und Soziale Arbeit eingesetzt werden, sagt Paul. Geplant sei aber die Ausdehnung auf weitere Studienfächer. Denkbar sei zum Beispiel die Schulung von Architekturstudenten, damit diese in ihrer späteren Berufspraxis die Belange Behinderter besser berücksichtigen könnten.
Ziel ist es, den Einsatz der künftigen Bildungsfachkräfte auf möglichst viele nordrhein-westfälische Hochschulen auszudehnen. Dazu sollen entsprechende Kooperationen vereinbart werden. In Schleswig-Holstein, das einzige Bundesland, wo bereits ein entsprechendes Projekt läuft, funktioniert das bereits sehr gut. Dort schulten die Bildungsfachkräfte mit geistiger Behinderung im vergangenen Jahr insgesamt 3.400 nicht behinderte Menschen.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung soll den Bildungsfachkräften eine reguläre Anstellung im ersten Arbeitsmarkt angeboten werden. Dazu ist die Gründung eines Inklusionsunternehmens vorgesehen. Florian Lintz freut sich über diese Chance. "Ich will zeigen, dass ich nicht das bin, was man unter einem klassischen Menschen mit Behinderung versteht. Ich will zeigen, was ich kann."
Düsseldorf (epd). Das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland jährt sich am 26. März zum zehnten Mal. Die Sozial- und Behindertenverbände ziehen eine durchwachsene Bilanz der bisher erfolgten Reformen. Bei der BAG-Selbsthilfe komme "nur eingeschränkte Feierlaune auf", sagte Geschäftsführer Martin Danner im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Wo steht das Land nach zehn Jahren verschiedenster Reformen im Behinderten- und Sozialrecht?
Danner: Es sind Schritte in die richtige Richtung erkennbar, zum Beispiel mit dem Bundesteilhabegesetz. Doch die Liste der Lebensbereiche, in denen noch Handlungsbedarf besteht, ist lang. Zu nennen sind die Felder Bildung und Ausbildung, Teilhabe am Arbeitsleben und auch die Barrierefreiheit, zu der auch private Unternehmen verpflichtet werden müssen. Dazu kommt auch Nachholbedarf etwa beim Gewaltschutz, der Rehabilitation, beim Diskriminierungsschutz und auf dem Feld der Selbstbestimmung. Bei uns als Dachverband kommt zum zehnjährigen Jubiläum des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention nur eingeschränkte Feierlaune auf.
epd: Welche bereits erreichten Meilensteine würden Sie benennen?
Danner: Als Meilensteine lassen sich die bisherigen Maßnahmen wohl nicht bezeichnen. Viele Einzelregelungen sind beschlossen worden, hinzu kommen verschiedene Gesetzespakete wie die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes. Positiv zu erwähnen ist auch die regelmäßige Förderung von Programmen, Projekten und Institutionen zur besseren Beratung von Menschen mit einer Behinderung. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Inhalte regelmäßig unzulänglich und zuweilen nur bedingt verbindlich sind.
epd: Wie ließe sich der Einfluss der Selbsthilfe auf das Reformtempo erhöhen?
Danner: Mit der gesetzlich verankerten Förderung der Selbsthilfe wird diese überhaupt erst in die Lage versetzt, als Interessenvertretung auch Einfluss auf Gesetzesprojekte zu nehmen. Die Vielfalt der Selbsthilfe, die mehrere Millionen Menschen vertritt, hat durchaus eine politische Schlagkraft. Das ist den politisch Verantwortlichen auch bewusst. Für viele Organisationen ist aber dennoch die Finanzierungsfrage der entscheidende Punkt. Ohne genügend Geld lässt es sich nun mal nicht arbeiten. Deshalb wäre für viele Verbände eine dauerhafte und verbindliche institutionelle Förderung mehr als hilfreich.
Köln (epd). Frauen mit Behinderungen finden nach Beobachtung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) schlechter Zugang zu Beratungsangeboten. "Derzeit kommen nur sehr wenige behinderte Frauen in Frauenberatungsstellen", sagte die LVR-Gleichstellungsbeauftragte Verena Mäckle dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Köln. Grund sei, dass Frauenhäuser, Gleichstellungs- oder Mütter-Beratungsstellen sowie Anlaufpunkte für Frauen in Krisen kaum auf Klientinnen mit Behinderungen eingestellt seien. Der LVR machte am 21. März mit der Fachtagung "Beratung für Frauen inklusiv gestalten - Schritte in die Zukunft" in Köln auf das Thema aufmerksam.
Für körperbehinderte Frauen scheitere der Besuch in einer Beratungsstelle oft schon an der fehlenden Barrierefreiheit, beobachtet Mäckle. Blinde, gehörlose oder geistig behinderte Frauen brauchten eine spezielle Ansprache. "Die normale Beratungslandschaft ist darauf bei allem guten Willen nicht vorbereitet." Dabei seien Frauen mit Behinderungen in vielen Fällen doppelter Diskriminierung ausgesetzt. So würden sie zum Beispiel immer wieder Opfer von Gewalt.
"Um Frauen mit Behinderungen besser zu erreichen, können zunächst schon kleine Schritte etwas bewirken", sagte Mäckle. Dazu wolle der LVR Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen mit der Tagung anregen. "Es hilft schon, wenn Einrichtungen darüber nachdenken, wie sie behinderte Frauen besser erreichen", betonte die Expertin. So könne beispielsweise die Verwendung einfacher Sprache die Hemmschwelle für geistig behinderte Frauen oder Migrantinnen mit wenig Deutsch-Kenntnissen senken. Eine Maßnahme seien Faltblätter in einfacher Sprache, zum Beispiel zu Hilfsangeboten bei sexueller Belästigung.
Eine weitere Möglichkeit sei die bessere Vernetzung von Einrichtungen für Behinderte einerseits und Frauenberatungsstellen auf der anderen Seite, sagte Mäckle. Damit sich die Beratungsstellen auf behinderte Frauen einstellen könnten, brauchten sie letztlich aber auch entsprechende personelle Ressourcen. Dabei seien die Träger der Einrichtungen gefordert, betonte die Gleichstellungsbeauftragte.
Düsseldorf (epd). Bei der inzwischen zehnten Operngala im Opernhaus Düsseldorf für die Deutsche Aidsstiftung sind am 23. März 110.000 Euro als Reinerlös zusammengekommen. Die bisher zehn Veranstaltungen in Düsseldorf erzielten somit einen Gesamterlös von über 1,5 Millionen Euro, wie die Veranstalter am 24. März mitteilten. Der Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein, Christoph Meyer, sagte, dass die Gala nicht nur ein musikalisches Fest, sondern auch ein inspirierendes Signal der Solidarität sei.
Die elf Sängerinnen und Sänger Angela Brower, Tara Erraught, Rosa Feola, Aurelia Florian, Federica Lombardi, Ruzan Mantashyan, Yosep Kang, Levy Sekgapane, Bogdan Talos, Jorge Espino und der kurzfristig eingesprungene Bogdan Baciu traten den Angaben zufolge vor 1.300 Zuschauern auf. Sie seien ohne Gage aufgetreten und hätten die Zuschauer mit Arien und Duetten aus Opern und Operetten begeistert, hieß es.
Der Erlös der Operngala fließt den Angaben zufolge in die Hilfen der Deutschen Aids-Stiftung in Düsseldorf, NRW und Mosambik, wo der Zyklon Idai kürzlich Gesundheitszentren des Dream-Programms zerstört hat. Dort werden HIV-positive Frauen während der Schwangerschaft in Gesundheitszentren betreut.
Frankfurt a.M. (epd). Wenn Eva Schulz im Webvideo-Format "Deutschland3000" politische Ereignisse erklärt oder Nemi El-Hassan für "Jäger & Sammler" gesellschaftlichen Phänomenen auf den Grund geht, ist das im Jahr 2019 eigentlich nichts Außergewöhnliches. Sie sprechen über Rechtsextremismus, recherchieren, was in der Bildungspolitik falsch läuft oder was hinter deutschen Waffenexporten steckt.
Ein Blick auf den Webvideo-Kosmos zeigt allerdings: Dass El-Hassan und Schulz sich als junge Frauen mit politischen Themen auseinandersetzen, ist bei Youtube und Co nicht gerade Normalität.
Frauen kommen in beliebten Youtube-Videos nur halb so oft vor wie Männer, ergaben Studienergebnisse, die die MaLisa-Stiftung im Januar 2019 unter dem Titel "Weibliche Selbstinszenierung in den neuen Medien" veröffentlichte. Zu fast 70 Prozent waren Männer die Hauptakteure. Frauen zeigten sich vor allem im privaten Raum, gaben Schmink- und Modetipps und präsentierten Hobbys wie Basteln, Handarbeit und Kochen.
Bei dem jungen öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerk "Funk" sieht das anders aus. Dort haben sich Frauen etabliert wie eben Eva Schulz und Nemi El-Hassan, aber auch Salwa Houmsi im politischen Informations- und Debattenformat "Jäger & Sammler", die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim mit Wissenschaftsthemen bei "maiLab" oder Ariane Alter mit dem Challenge-Format "Das schaffst du nie!".
In Formaten wie etwa "Auf Klo", dem Instagram-Account "Mädelsabende" oder der Webserie "Druck" werden zudem Erwartungen an Körperbilder, Lebensentwürfe, Sexualität oder Verhalten von Mädchen und Frauen kritisch infrage und auf den Kopf gestellt.
Weibliche Presenterinnen seien zu Beginn gar nicht so leicht zu finden gewesen, sagte Programmgeschäftsführer Florian Hager vor zwei Jahren zum Start von Funk: "Wenn man in diesen Youtube-Wald reinruft, kommen vor allem Inhalte für Jungs und mit Jungs raus. Das hat mich auch überrascht."
Heute nach dem Programm befragt, sagte die stellvertretende Programmgeschäftsführerin Sophie Burkhardt dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Es geht uns um einen aufgeklärten Umgang mit Normen und darum, dass wir unseren Nutzerinnen und Nutzer verschiedene Typen von Personen anbieten, mit denen sie sich auseinandersetzen oder auch identifizieren können." Das sei beispielsweise auch beim Thema Migrationshintergrund und Religion wichtig.
In der Altersspanne der Funk-Zielgruppe, 14- bis 29-Jährige, sei das besonders wichtig, sagt Kathrin Müller, Kommunikationswissenschaftlerin in Münster und Sprecherin der Fachgruppe "Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht" bei der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften. Wenn Jugendliche sich in medialen Bildern nicht wiederfänden, schränke sie das ein, vermittele das Gefühl, unnormal zu sein oder gesellschaftlich nicht akzeptiert zu werden. Studien zeigten: Junge Menschen nehmen die medial vermittelten Geschlechterbilder als Vorbilder an.
"Wichtig ist einfach eine bewusste Auseinandersetzung damit, wie wir sozialisiert wurden und welche gesellschaftlichen Erwartungen eventuell dahinter stehen", sagt Müller. So zeigt die MaLisa-Studie auch, dass Stereotype offenbar besonders gut bezahlt werden. "Eine starke eigene Meinung schmälert deinen finanziellen Wert, weil sich dann bestimmte Firmen nicht mehr mit dir zeigen wollen", wird eine Youtuberin zitiert.
Andere Youtuberinnen berichteten ebenfalls von Hürden, die ein Ausbrechen aus dem Mode- und Schönheitskomplex erschweren. Dazu gehörten auch eng gefasste Nutzererwartungen und dementsprechend kritische bis bösartige Kommentare, wenn sie diesen widersprächen.
Bei Funk ist dieser finanzielle Druck - die Abhängigkeit von Followerzahl und Werbepartnern - durch die öffentlich-rechtliche Finanzierung natürlich geringer. So kann Raum entstehen für Formate, die sich kritisch mit Rollenerwartungen beschäftigen. Auf dem Kanal "Okay" spricht Youtuberin Annika Gerhard beispielsweise über ihre Erfahrungen als junge, lesbische Frau. Bei "Mädelsabende" geht es um Fragen wie "Warum gilt Körperbehaarung bei Frauen als unattraktiv?" oder "Warum rutschen alleinerziehende Mütter besonders schnell in die Armut?".
Dass das Thema Rollenerwartungen auch Männer betrifft, geht dabei manchmal noch unter: "Stereotype Geschlechterbilder wirken ja nicht nur auf Frauen und Mädchen", sagt Müller. Viele Themen, die ursprünglich eher als weiblich galten, wie Kindererziehung und Familienleben, die Auseinandersetzung mit Emotionen oder Mode und Schönheit seien Männern mittlerweile auch wichtig.
Bei Funk schaue man sich immer mal wieder die eigenen Formate an, suche nach Lücken bei den Identifikationsmöglichkeiten, sagt die stellvertretende Programmgeschäftsführerin Sophie Burkhardt: "Und wenn wir ein Ungleichgewicht haben, gucken wir, was können wir machen, um mehr Pluralität herzustellen. Und da sind wir noch nicht am Ende."
Leipzig (epd). Die Leipziger Buchmesse ist am 24. März mit einem neuen Besucherrekord zu Ende gegangen. Seit dem 21. März wurden rund 286.000 Besucher in den Messehallen und beim Lesefest "Leipzig liest" gezählt, wie die Veranstalter mitteilten. Das waren 15.000 Besucher mehr als im Vorjahr und 1.000 mehr als 2017.
Messegesellschaft und Buchbranche zeigten sich zufrieden. Der Besucherandrang habe "einmal mehr die Kraft und Faszination des Wortes" bestätigt, erklärte Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe. Insgesamt präsentierten sich 2.547 Aussteller aus 46 Ländern mit ihren Neuerscheinungen.
Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, sprach von Aufbruchsstimmung auf der Leipziger Buchmesse. "Verlage und Buchhandlungen gehen selbstbewusst neue Wege, um das Buch wieder stärker in den Alltag der Menschen zu bringen", sagte Riethmüller. Zudem sei ein deutliches Zeichen für Toleranz, Freiheit und Vielfalt gesetzt worden.
Während der vier Messetage wurden mehr als 20 Preise verliehen. Die US-russische Journalistin und Schriftstellerin Masha Gessen erhielt den mit 20.000 Euro dotierten Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung. Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Preis der Leipziger Buchmesse ging an Anke Stelling (Belletristik), Harald Jähner (Sachbuch/Essayistik) und Eva Ruth Wemme (Übersetzung).
Auf dem Messegelände und in der ganzen Stadt wurden an rund 500 Orten in 3.400 Veranstaltungen die Neuheiten des Frühjahrs vorgestellt. Großen Zuspruch fand auch wieder die Manga-Comic-Con. Rund 104.000 Buchmesse-Besucher statteten auch diesem Genre einen Besuch ab. Schwerpunktthema in diesem Jahr war "Übersetzen im Comic".
Eröffnet worden war die Buchmesse am 20. März von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im Leipziger Gewandhaus. Offizielles Gastland war Tschechien. Präsentiert wurden mehr als 70 neue Übersetzungen für den deutschsprachigen Markt. Außerdem standen 55 tschechische Autorinnen und Autoren auf 130 Veranstaltungen Rede und Antwort. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte zur Eröffnung gesagt, ein Gastlandauftritt biete Besuchern die Möglichkeit zu lernen und zu verstehen, warum es in anderen Ländern andere Ansichten gebe.
Premiere hatte auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse der Programmschwerpunkt "The Years of Change 1989-1991. Mittel-, Ost- und Südosteuropa 30 Jahre danach" gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, äußerte sich zum Abschluss zufrieden über die acht Diskussionsrunden mit Schriftstellern, Journalisten und Zeitzeugen. Es habe sich gezeigt, "wie wertvoll es ist, neue Allianzen einzugehen". Literatur bereichere "als Kommunikationsmittel, sensible Zeitzeugin der Gegenwart und Seismographin der Zukunft" die politische Bildung mit ungewöhnlichen Perspektiven. Die nächste Leipziger Buchmesse ist für den 12. bis 15. März 2020 geplant.
Frankfurt a.M./Neuruppin (epd). Theodor Fontane ist heute präsent wie wenige andere Dichter des 19. Jahrhunderts: Seine Frauenfiguren wie "Effi Briest" faszinieren noch immer, Romane und Erzählungen sind Schullektüre, Balladen wie "Der Herr von Ribbeck auf Ribbeck" kennt fast jedes Kind. In diesem Jahr rückt der große Romancier des poetischen Realismus noch einmal besonders in den Blick: Vor 200 Jahren, am 30. Dezember 1819, wurde er in Neuruppin geboren. Am 30. März startet das Land Brandenburg das Jubiläumsjahr zu seinen Ehren.
"Sensationell" findet es der Vorsitzende der Theodor-Fontane-Gesellschaft, Roland Berbig, dass Fontane ein solches Jubeljahr gewidmet werde - einem Dichter, der "gar nicht geeignet ist, aufs Podest gehoben zu werden und als Vorbild zu fungieren". Allerdings wende sich das Interesse momentan mehr dem Regionalen zu, der "Mark". "Das literarische Werk, das seinen europäischen Rang begründet, steht in der zweiten Reihe. Zu Unrecht", bedauert der Berliner Literaturwissenschaftler.
Das Märkische hat Fontane berühmt gemacht, vor allem mit seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" und mit seinem Spätwerk "Der Stechlin" (1897). Es ist die Heimat Fontanes. In Neuruppin kam er als Sohn eines Apothekers hugenottischer Abstammung zur Welt. Er selbst wurde - trotz literarischer Neigungen - ebenfalls Apotheker; doch übte er diesen Beruf sehr halbherzig aus und schmiss ihn 1849 ganz hin.
Er sind unruhige Jahre für Fontane. Während des Vormärz radikalisiert er sich immer stärker und wird zum überzeugten Republikaner. Politische Artikel, die er veröffentlicht, sind so entschieden wie später nie mehr. Seine finanzielle Lage ist unterdessen prekär. "Bräutigams- und Geldcalamitäten" drücken ihn, wie ein Freund schreibt. Es dauerte Jahre, bis er sich 1850 finanziell in der Lage sah, seine Verlobte Emilie Rouanet-Kummer zu heiraten.
Er hatte, überraschend genug, begonnen, als Journalist für den zuvor so heftig bekämpften preußischen Staat zu arbeiten. Über zwei Jahrzehnte lang war Fontane Korrespondent, Theaterkritiker und Reise-Autor, bevor er sich erst sehr spät ganz der Dichtung widmete. Er schrieb für die erzkonservative "Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung"; er war mehrere Jahre (1855-1859) als Presseagent in London tätig, wo er im preußischen Auftrag Berichte in deutsche und englische Zeitungen lancierte, und er begann nach der Rückkehr nach Berlin, Reiseberichte zu verfassen. Mehrere Jahre verdingte er sich als Theaterkritiker für die "Vossische Zeitung".
Dennoch wollte Fontane, dessen viele Reisen wohl auch von einem Getriebensein zeugten, vor allem Poet sein. Die Pressearbeit verstand er als Broterwerb und beklagte selbst eine "Gedoppeltheit des Daseins". Dabei hat der Dichter auf vielfältige Weise von der journalistischen Arbeit profitiert. "In der Realität haben sich beide Sphären durchmischt", sagt Roland Berbig. Fontane habe seine Bildung durch Zeitungen erhalten, sein erster Roman "Vor dem Sturm" (1878) etwa sei erwachsen aus Presseartikeln aus der Mark Brandenburg.
Der journalistisch beobachtende Blick auf die Gesellschaft, aber auch der des Redakteurs auf seine Zielgruppe waren für Fontane stilprägend. "Das Dialogische ist ein Grundelement Fontanes", sagt Berbig. Der Schreiber wisse, dass er einen "gewissen Zungenschlag haben muss, um (bei den Lesern) um anzukommen".
1876 entschließt sich Fontane, als "freier Schriftsteller" zu arbeiten. In den vor ihm liegenden 22 Jahren wird er die 14 Romane und Erzählungen schreiben, die seinen Ruhm begründen - immer stärker zurückgezogen und zeitweise von Krankheiten gezeichnet. Mehr als die mitunter kritische Ehefrau unterstützt Tochter Martha (Mete) den Vater. Sie ist eines von sieben Kindern der Fontanes, von denen drei schon früh nach der Geburt starben.
Ab 1880 veröffentlicht er Gesellschaftsromane und Erzählungen in rascher Folge, jährlich erscheint ein neues Buch: 1883 "Schach von Wuthenow", eine Auseinandersetzung mit preußischer Geschichte und adeligem Ehrenkodex; 1887 "Irrungen, Wirrungen", ein Roman über eine unstandesgemäße Liebesbeziehung. In "Unwiederbringlich" (1892) und "Effi Briest" (1896) erzählt Fontane ebenso feinfühlend, ja liebevoll wie scharfsinnig analysierend das Scheitern zweier Ehen beziehungsweise Ehebruchgeschichten.
Auch wenn er die vorgegebene Gesellschaftsordnung nicht infrage stellt, kritisiert Fontane doch erstarrte moralische Konventionen und das Inhumane, das ihnen innewohnt. Seine Romane polarisieren. Der Adel, dem Fontane immer freundlich gesonnen war, wendet sich von ihm ab. "Wird denn die gräßliche Hurengeschichte nicht bald aufhören?", empört sich ein Mitinhaber der "Vossischen Zeitung", als sie die "Irrungen, Wirrungen" abdruckt. Maßgebliche Kritiker zeigen sich indes begeistert und feiern Fontane als einen der ersten Dichter der Nation.
Passend zu einer Zeit, in der das Bürgertum an Einfluss und Status gewinnt, geht es in "Frau Jenny Treibel" (1893) auch um sozialen Aufstieg durch Heirat. Wie viele soziale und seelische Katastrophen ein solcher Aufstieg mit sich bringen kann, ist für Berbig heute noch ein subtiles Thema - und vielleicht sogar ein Grund, aktuell Fontane zu lesen. Wie sagt die Berliner Schriftstellerin Annett Gröschner? "Mir läuft in Berlin alle zwei Minuten eine 'Jenny Treibel' über den Weg."
Mit dem "Stechlin" (1897) hinterließ Fontane wiederum einen märkischen und zugleich politischen Roman. Das Erscheinen als Buch im Jahr darauf erlebte er nicht mehr, der Dichter starb am 20. September 1898 in Berlin.
Die Skepsis und Desillusionierung, mit der der alte Fontane seine Zeit beurteilt, ist groß - trotz des humanen "heiteren Darüberstehens" in seinem unvergleichlichen Erzählton. Auch das macht ihn zu einem modernen Autor.
Detmold (epd). Mehr als 270 Künstler aus mehr als 30 Nationen sind beim diesjährigen Musik- und Literaturfestival "Wege durch das Land" ab 10. Mai in Ostwestfalen-Lippe zu erleben. Unter dem Motto "Aufbruch!" werden bis zum 28. Juni kreative Konzepte mit Uraufführungen, Eigenproduktionen und Auftragsarbeiten an ungewöhnlichen Orten geboten, wie die Veranstalter am 22. März in Detmold ankündigten. An Schauspielern sind Eva Mattes, Rufus Beck, Dietmar Bär und Maren Kroymann vertreten. Musikalisch seien erstmals auch Elektro und Hip-Hop zu erleben, hieß es.
Das diesjährige Thema "Aufbruch" soll an historischen Wegmarken erinnern: An den Anfang der Weimarer Republik 1919, die Gründung beider deutschen Staaten 1949 und den Fall der Mauer 1989. "Die Literatur hatte in der DDR eine existenzielle Funktion, sie war ein Leseland", sagte Albrecht Simons von Bockum Dolffs, der gemeinsam mit Helene Grass das Festival leitet. Als prägende Persönlichkeiten der DDR-Zeit werden Volker Braun und Reiner Kunze, beide über 80-jährig, persönlich aus ihren Werken lesen. Zugleich ist der 25-jährige Lukas Rietzschel eingeladen, der seine Erfahrungen in Sachsen seit der Wendezeit beschreibt.
Eröffnet wird das Festival am 10. Mai im Theater in Park in Bad Oeynhausen traditionell mit der "Rede an die Sprache", die in diesem Jahr von dem Autor Clemens Meyer vorgetragen werde. Den Abschluss bildet ein dreitägiges Finale auf Gut Holzhausen. Vom 26. bis 28. Juli werde der Schauspieler Ulrich Noethen den ehemaligen Schafstall solistisch und gemeinsam mit weiteren Künstlern zur Bühne verwandeln. Für die 20. Auflage des Festivals wurden sieben neue Spielorte einbezogen, unter anderem das Preußenmuseum in Minden und das Weserrenaissance-Museum im Schloss Brake.
Volker Kutscher, Autor historischer Krimis, stellt in der Oetker-Halle in Bielefeld seinen neuen Roman "Marlow" vor. Kutschers erster Roman um den Ermittler Gereon Rath, "Kalter Fisch", wurde als TV-Mehrteiler "Babylon Berlin" verfilmt. Die Autorin Karen Duve wird im Schafstall von Schloss Wehrden ihren Text über Annette von Droste-Hülshoff vortragen. Zwei Veranstaltungen in der Wehrburg Spende und auf Gut Holthausen in Büren richten sich speziell an Familien mit Kindern. Im Schloss Wendlinghausen wird als Neuerung des Festivals eine Theatercollage aufgeführt. Ein Abend mit Annette Frier und Meike Droste ist dem Werk von Robert Gernhardt gewidmet.
Finanzielle und organisatorie Krisen des Festivals seien überwunden, erklärte der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung, Klaus Schumacher. Inzwischen gehöre auch der Kreis Herford wieder zum Kreis der elf Gesellschafter. Das Stammkapital wurde von 29.000 auf 99.000 Euro erhöht. Im Jahr 2016 war das Festival in finanzielle Schieflage geraten war, als das NRW-Kulturministerium die Rückzahlung von nicht ordnungsgemäß verwendeten Zuschüssen zurückgefordert hatte. Seit 2017 wird das Festival wieder vom NRW-Kulturministerium gefördert.
Bremen (epd). Mal ist es Kunst, mal einfach nur Kitsch: Mit einer großen Ausstellung würdigt die Kunsthalle Bremen das berühmte Grimmsche Märchen der Bremer Stadtmusikanten, das vor 200 Jahren erstmals veröffentlicht wurde. Unter dem Titel "Tierischer Aufstand" zeigt die Präsentation bis zum 1. September die Wege von Esel, Hund, Katze und Hahn durch Literatur, Kunst, Kram und schließlich von Bremen in die Welt. "Mit den Stadtmusikanten geht es um moralisch brisante Themen, die bis heute hoch aktuell sind", sagte Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg am 22. März.
"Zieh' lieber mit uns fort, etwas Besseres als den Tod findest du überall", lautet der legendäre Satz aus dem populären Märchen, durchaus sozialrevolutionär. Grunenberg führte aus, für was die Worte und mit ihnen das Tierquartett bis heute stehen: "Es geht um Vertreibung, Alter, Vergänglichkeit, um soziale Unterschiede, Solidarität und die Macht der Musik als Protest." Jennifer Smailes, mit Manuela Husemann Kuratorin der Ausstellung, sagte, das Märchen zeige, dass strategische Allianzen wichtig seien, um Ziele wie ein würdevolles Leben zu erreichen.
Das illustriert die Kunsthalle gemeinsam mit dem Staatsarchiv Bremen und zeigt in sieben Räumen nach Angaben von Husemann rund 300 Exponate - vom Kunstwerk bis zum Souvenir-Kitsch, der sich wie geschnitten Brot verkauft. Und das mit kuriosem Hintergrund: Denn obwohl die vier Märchenfiguren in der Erzählung nie in der Hansestadt angekommen sind, sind die Tiere und ihr Sehnsuchtsort doch zu einer begrifflichen Einheit geworden.
Spektakulärer Hingucker vor der Kunsthalle ist eine Arbeit des belgischen Künstlers Maarten Vanden Eynde unter dem Titel "Pinpointing Progress". Er türmt mit seiner Skulptur keine Tiere, sondern in Lettland produzierte Fahrzeuge und Apparate. Wie präparierte Insekten fixiert er die Objekte mit einer riesigen Nadel.
In den Sälen thematisieren Künstler wie der Italiener Maurizio Cattelan, der Südkoreaner Gimhongsok, der Engländer Martin Creed und der US-Amerikaner Jeff Koons in ganz unterschiedlichen Spielarten das Motiv der Pyramide. "Sie ist zum charakteristischen Markenzeichen des Grimmschen Textes geworden und spielt bei der künstlerischen Bearbeitung als verdichtete Formel des gemeinsamen Einbruchs in das Räuberhaus eine große Rolle", verdeutlichte Husemann.
In der Ausstellung sind nach Angaben des Direktors des Bremer Staatsarchivs, Konrad Elmshäuser, unter anderem Erstausgaben des Märchens zu sehen. Dokumentiert werde auch der spannende Prozess der Einbürgerung der Stadtmusikanten in Bremen, der eigentlich erst um 1900 eingesetzt habe. "Vorher scheinen die armen Tiere die Bremer nicht sehr interessiert zu haben." Erst dann setze eine Identifikation ein und es seien Denkmäler und Gemälde im öffentlichen Raum entstanden.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt zweifellos in der Vielfalt der Objekte, die heute mit Bezug auf die Stadtmusikanten zu finden sind. So werden nicht nur die älteste Bremer Stadtmusikanten-Skulptur aus dem Bremer Ratskeller gezeigt, sondern auch Studien zur 1953 am Bremer Rathaus aufgestellten weltbekannten Tierpyramide des Bildhauers Gerhard Marcks. Die Ausstellung ist überdies zentraler Bestandteil des "Bremer Stadtmusikantensommers 2019", mit dem die Stadt in diesem Jahr das Jubiläum der Erstveröffentlichung 1819 in den "Kinder- und Hausmärchen" der Brüder Grimm feiert.
Duisburg (epd). Zwei Meistern der Moderne widmet das Lehmbruck Museum in Duisburg seine neue Ausstellung: seinem Namensgeber Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) und dem französischen Bildhauer Auguste Rodin (1840-1917). Unter der Überschrift "Schönheit" richtet die bis zum 28. Juli terminierte Schau dabei den Blick auf die "schöne Epoche", die Belle Epoque. Anlass ist der 100. Todestag des 1881 in einfachsten Verhältnissen im Duisburger Stadtteil Meiderich geborenen Lehmbruck am 25. März 1919, wie der Duisburger Kulturdezernent Thomas Krützberg am 21. März sagte.
Zu sehen sind Skulpturen, Büsten und Torsi von Lehmbruck und seinem "Vorbild und väterlichen Freund" Rodin, wie Museumsdirektorin Söke Dinkla sagte. Ergänzt werden sie durch Exponate von Bildhauern ihrer Zeit und Werke einiger von ihnen beeinflusster Künstler, darunter Alexander Archipenko, Hans (Jean) Arp, Constantin Brancusi, Camille Claudel oder Henri Matisse. Gezeigt werden mehr als hundert Werke aus den eigenen Beständen sowie Leihgaben aus zahlreichen nationalen und internationalen Museen.
"Mit Werken, die Kunstgeschichte geschrieben haben, gibt die Schau einen Überblick über alle Schaffensperioden beider Künstler", sagte Dinkla. Dabei treten ausgewählte Arbeiten Lehmbrucks und Skulpturen von Rodin "in einen Dialog und zeigen, wie sich das Schönheitsideal und das damit verbundene Menschenbild im Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert verändert haben". An den Arbeiten von Lehmbruck und Rodin hätten sich zu deren Lebzeiten die kritischen Geister geschieden. Zu Beginn der Moderne habe ein neues Kunst- und Schönheitsverständnis klassische Dogmen ersetzt.
Beim Rundgang durch die Ausstellung im von Lehmbruck-Sohn Manfred 1964 errichteten Museum werde deutlich, dass "die Kunst die Instanz des Schönen" sei, sagte die Museumschefin. Die gezeigten Werke beider Künstler würden "nach wie vor als schön empfunden". NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) nannte in ihrem Grußwort zur Ausstellung Rodin und Lehmbruck "Ausnahmekünstler des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts".
Lehmbruck lernte Rodin nach seiner Übersiedlung nach Paris 1910 kennen und wurde von dessen Werk inspiriert. Dennoch dauerte es nicht lange, bis Lehmbruck, der durch die imposante Marmorfigur "Die große Stehende" in Paris bereits bekannt und erfolgreich war, "sich von Rodins Werk emanzipierte", wie Dinkla erläuterte. Deutlich wird das unter anderem bei der Gegenüberstellung von Rodins berühmtem "Denker" und der Figur "Kopf eines Denkers", die Lehmbruck viele Jahre später schuf.
Lehmbruck dehnte nach den Worten von Dinkla die Körper seiner Skulpturen, wie etwa bei der 1913 entstandenen Figur "Emporsteigender Jüngling". Im Vergleich dazu können Ausstellungsbesucher Rodins "Schreitender Mann" sehen, der um 1900 herum entstanden ist. Gerade in dieser Gegenüberstellung zahlreicher Werke beider Künstler liegt der Reiz der Duisburger Schau, die zudem mit riesigen Fototapeten als Kulisse für die Skulpturen zeigt, wie die Arbeiten in der Zeit zwischen dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert präsentiert wurden.
Daneben präsentiert die Ausstellung auch ganz frühe Arbeiten Lehmbrucks wie etwa die Figur "Die Badende" aus dem Jahr 1902 oder die Statue "Mutter und Kind" von 1907. Ausstellungsbesucher erfahren zudem, dass Lehmbruck 1913 der einzige deutsche Bildhauer war, der in der Ausstellung "Armory Show" in New York, Boston und Chicago als deutscher Bildhauer zeitgenössischer Kunst über den Atlantik kam.
Eine zweite, bis zum 8. September terminierte Schau im Lehmbruck Museum vermittelt Einblicke in die private und künstlerische Biografie des Künstlers, der sich am 25. März 1919 in Berlin das Leben nahm. Zu sehen sind selten gezeigte Frühwerke, die zusammen mit historischen Fotos den Werdegang Lehmbrucks erlebbar machen. Auch über seine Zeit an der Kunstgewerbeschule und später als Student an der Kunstakademie Düsseldorf wird informiert. Ausgespart werden auch nicht seine letzten Lebensjahre in Zürich und Berlin.
Bonn (epd). Sie schreien hysterisch, weinen und raufen sich die Haare: Drei Jahre nach dem Ende des Kommunismus trat Michael Jackson vor 100.000 Fans in Bukarest auf und versetzte sie in Ekstase. In Rumänien sei eine "Jacksonmania" ausgebrochen, sagt Dan Mihaltianu, der in einer Videoinstallation das Zusammentreffen des kapitalistischen Pop-Spektakels mit der postkommunistischen Gesellschaft thematisierte.
Von der "Jacksonmania" war die westliche Welt bereits in den 80er Jahren ergriffen worden. Michael Jackson sei die große Ikone der Popmusik der letzten 50 Jahre sagt der Leiter der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs. "Es gibt wenige Musiker, die so einen Status erreicht haben." Das zeige sich auch in seinem enormen Einfluss auf die bildende Kunst, der bislang noch nicht beleuchtet worden sei. Mit der Ausstellung "Michael Jackson: On The Wall" will die Bundeskunsthalle dem nun Rechnung tragen.
Die Schau präsentiert bis zum 14. Juli insgesamt 134 Werke von 53 Künstlern, die durch Michael Jackson inspiriert wurden, darunter Arbeiten von Andy Warhol, Paul McCarthy oder Isa Genzken. Die Ausstellung keine Hommage an den "King of Pop", betont Wolfs. Es gehe nicht um Jacksons Biographie und es würden auch keine Devotionalien gezeigt. "Es ist eine rezeptionsästhetische Ausstellung." Im Mittelpunkt stehe die "Kunst als Medium, auf ein kulturelles Phänomen zu schauen."
Obwohl die von der britischen National Portrait Gallery entwickelte Ausstellung bereits in London sowie im Pariser Grand Palais gezeigt wurde, ist sie erst jetzt in die Diskussion geraten. Die Bundeskunsthalle war wegen der Schau im Vorfeld scharf kritisiert worden, nachdem neue Missbrauchs-Vorwürfe gegen Jackson aufgetaucht waren.
In der im Januar veröffentlichten US-Fernsehdokumentation "Leaving Neverland" beschuldigen zwei Männer den Popmusiker, sie als Kind sexuell missbraucht zu haben. Die Bundeskunsthalle wolle die Ausstellung dennoch zeigen, weil Jackson zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Kultur des 20. Jahrhunderts gehöre, argumentiert Wolfs.
Den veränderten Rahmenbedingungen durch die neuen Anschuldigungen wollen die Ausstellungsmacher durch ergänzende Wandtexte Rechnung tragen, die die Vorwürfe thematisieren. Die Anschuldigungen seien "schockierend", heißt es darin. Zudem will das Ausstellungshaus das Thema Missbrauch in einer Podiumsdiskussion aufgreifen, und zwar am 7. April, einen Tag nach der Ausstrahlung des Films "Leaving Neverland" im deutschen Fernsehen.
Die Ausstellung belegt vor allem die Faszination vieler Künstler von dem Phänomen Michael Jackson. Entscheidend für seine Adelung als Ikone war die Begegnung mit Andy Warhol, der den Popstar bei Auftritten fotografierte und 1984 eine Serie von Siebdruckporträts von ihm anfertigte. 25 Jahre später schuf Warhols früherer Mitarbeiter David LaChapelle als Reaktion auf Jacksons Tod ein großformatiges Triptychon unter dem Titel "American Jesus".
Dort erscheint der Popstar etwa als Erzengel Michael. LaChapelle sieht Jackson nach eigenen Worten als engelsgleiches Geschöpf. Er zieht eine Parallele zwischen Jackson und Jesus. "Wir haben ihn verurteilt, obwohl er unschuldig war." - Angesichts der neuen Vorwürfe ein pikantes Statement.
Besonders eindrücklich nachvollziehbar wird die künstlerische Rezeption Jacksons als Pop-Ikone am Beispiel von Jeff Koons "Michael Jackson and Bubbles". Koons Arbeit, eine weiß-goldene Skulptur nach einem Foto von Michael Jackson und seinem Haus-Schimpansen Bubbles, ist nicht im Original zu sehen. Das Werk sei zu fragil gewesen, sagt Wolfs. Aber es ist präsent in einer Fotografie Louise Lawlers mit dem Titel "Michael". Auch Paul McCarthy griff das Motiv auf und schuf eine überlebensgroße goldene Skulptur von Jackson mit seinem Schimpansen.
Die Ausstellung belegt vor allem eines: Die Pop-Kultur-Ikone Michael Jackson schlug auch viele Künstler in ihren Bann. Aufgebrochen wird die Maske der Selbstinszenierung jedoch nur in wenigen Arbeiten. Eine der Ausnahmen ist Lorraine O’Gradys Fotoserie "The First and Last of the Modernists", die Jackson und den französischen Poeten Charles Baudelaire gegenüberstellt. Hier erscheint Jackson auf einem späten Foto zerbrechlich und vom Star-Leben gezeichnet.
Bonn (epd). "Es ist völlig verfehlt, mit einem moralischen Urteil an ästhetische Objekte heranzugehen", sagte der an der Uni Siegen tätige Experte für Medienethik und Ästhetik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Ende Januar veröffentlichte Film-Dokumentation "Leaving Neverland" hatte die Debatte über die Missbrauchs-Anschuldigungen gegen den 2009 verstorbenen Popmusiker erneut entfacht. Radiosender in Kanada und Neuseeland strichen daraufhin seine Songs aus dem Programm. Die Bundeskunsthalle war dafür kritisiert worden, eine Ausstellung zu zeigen, die das Werk Jacksons in den Mittelpunkt stellt.
Es gebe keinen Grund, die Schau nicht zu zeigen, sagte Leschke. "Wir haben seit der europäischen Aufklärung die Regel, dass Kunst moralische Bedeutung sticht. Das heißt, dass wir es für bedeutsamer halten, ein ästhetisches Objekt zunächst einmal unabhängig von den persönlichen, moralischen Qualifikationen des Produzenten zu beurteilen." Voraussetzung sei allerdings, dass es sich tatsächlich um ein Werk von ästhetischem Wert handele. Bei einer Hinwendung zur Popkultur könne das durchaus strittig sein, gab Leschke zu bedenken.
Grundsätzlich sei die Person des Künstlers aber zunächst einmal uninteressant, wenn es um die ästhetische Betrachtung des Werkes gehe. Schließlich habe es im Laufe der Geschichte unzählige Künstler gegeben, die als Person moralische Fehltritte begingen. An der Bedeutung ihres Werkes habe das nichts geändert. Derzeit lasse sich aber beobachten, dass diese Trennung zwischen Werk und Produzent zunehmend moralischen Bedenken zum Opfer falle. Dies schränke die Freiheit der Kunst ein: "Wir leben in einer Zeit, in der man versucht, mit moralischen Urteilen ästhetische Bedeutungsvielfalt zu reduzieren."
Berlin (epd). Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Redaktionen kritisiert, die das Täter-Video des Terroranschlags in der neuseeländischen Stadt Christchurch veröffentlicht haben. "Es steht für mich außer Frage, dass journalistische Medien nicht das Video des Attentäters zeigen dürfen, auch nicht in längeren Ausschnitten", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am 18. März in Berlin. Beim Deutschen Presserat sind bis Montagmittag allein gegen die Veröffentlichung des Videos bei "Bild.de" 35 Beschwerden eingegangen, wie eine Sprecherin des Selbstkontrollorgans dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.
Bei dem Anschlag auf zwei Moscheen waren am 15. März 50 Menschen ums Leben gekommen. Der Attentäter hatte seine Tat gefilmt und live auf Facebook verbreitet. "Bild.de" hat Ausschnitte der Aufnahmen veröffentlicht. Es könne nicht sein, dass das soziale Netzwerk das Video des Attentäters millionenfach lösche und hierzulande einzelne Boulevardmedien Teile des Films auf ihren Digitalseiten zeigten, kritisierte Überall. Facebook hatte am Wochenende bekannt gegeben, in den ersten 24 Stunden nach dem Anschlag 1,5 Millionen Videos der Tat entfernt zu haben.
Bei "Bild.de" zu sehen ist unter anderem der Täter, wie er seine Waffe auspackt und auf eine Moschee zugeht. Opfer und brutale Szenen sind nicht zu sehen. Nach den ersten Szenen bricht das Video bei "Bild.de" ab. Auf der Website heißt es dazu: "Ab hier zeigt BILD keine Filmsequenzen mehr aus dem Video des rechtsextremen Killers, nur noch Standbilder. Die Bewegtbild-Szenen sind unerträglich."
Nach Angaben des Presserats wird geprüft, ob das Zeigen des Videos gegen Artikel 11 des Pressekodex verstößt. Darin heißt es unter anderem, dass sich die Presse bei der Berichterstattung über Gewalttaten nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen lassen solle.
"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt hatte die Veröffentlichung verteidigt. Journalismus sei dazu da, Bilder der Propaganda und Selbstdarstellung zu entreißen und sie einzuordnen. "Erst die Bilder verdeutlichen uns die erschütternde menschliche Dimension dieser Schreckenstat", schrieb Reichelt in einem am Freitag bei "Bild.de" veröffentlichten Kommentar. Journalismus dürfe solche Bilder nicht sozialen Netzwerken überlassen.
Den Presserat habe zudem eine weitere Beschwerde gegen die Berichterstattung in der gedruckten "Bild"-Zeitung vom 16. März erreicht, sagte die Sprecherin. Vier weitere Beschwerden richteten sich gegen die Titelseite der Berliner Boulevardzeitung "B.Z.".
Das Blatt hatte mit Blick auf den Attentäter von Christchurch und den Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz vom Dezember 2016 getitelt: "Er tötete Unschuldige aus Rache für den Terror am Breitscheidplatz". Die Zeitung bezog sich dabei darauf, dass auf einem der Gewehre des Täters "For Berlin" ("für Berlin") stand. Die Beschwerdeführer kritisierten die Schlagzeile unter anderem als islamfeindlich, wie die Sprecherin sagte. Der Presserat prüft nun, ob er Verfahren gegen "Bild" und "B.Z." einleitet.
Berlin, Remscheid (epd). An der Spitze des Deutschen Kulturrates steht erstmals in der 38-jährigen Geschichte des Spitzenverbandes eine Frau. Der Sprecherrat des Kulturrates wählte am 20. März die Musikwissenschaftlerin und Direktorin der in Remscheid ansässigen Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW, Susanne Keuchel, zur Präsidentin, wie der Spitzenverband der Bundeskulturverbände in Berlin mitteilte. Sie folgt auf den Cellisten und Dirigenten Christian Höppner, der den Kulturrat seit 2013 als Präsident leitete.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach von einem guten Signal an Kultureinrichtungen in ganz Deutschland. "Auf weibliche Vorbilder wie Susanne Keuchel kommt es an, wenn wir sicherstellen wollen, dass künftig noch mehr Frauen an den Schaltstellen der Kultur und Medien sitzen", sagte Grütters. Grütters fördert nach eigenen Angaben das Projektbüro "Frauen in Kultur und Medien" beim Deutschen Kulturrat. Geschäftsführer des Kulturrates bleibt weiterhin Olaf Zimmermann.
Keuchel nannte als drängende Herausforderungen für Kunst und Kultur unter anderem Globalisierung, Populismus, Digitalisierung und die Nachhaltigkeitsagenda 2030. Der Deutsche Kulturrat wurde 1981 als politisch unabhängige Arbeitsgemeinschaft kultur- und medienpolitischer Organisationen und Institutionen von bundesweiter Bedeutung gegründet mit dem Ziel, der "Dachverband der Dachverbände" zu werden. Mitglieder sind unter anderem der Deutsche Musikrat, die Deutsche Literaturkonferenz, der Deutsche Kunstrat, der Deutsche Designtag und der Rat für Baukultur und Denkmalkultur.
Oberhausen (epd). Die diesjährigen Kurzfilmtage in Oberhausen präsentieren vom 1. bis 6. Mai das frühe Kurzfilmschaffen des russischen Dokumentarfilmers und Regisseurs Alexander Sokurov. Gezeigt werden unter anderem das Frühwerk "Maria" über eine Kolchosbäuerin, "Soviet Elegy" von 1989 über den späteren russischen Präsidenten Boris Jelzin und "Robert. A Fortunate Life" über den Maler Hubert Robert aus dem Jahr 1996, wie die Veranstalter am 20. März ankündigten. Für seine Arbeiten wurde Sokurov mehrfach ausgezeichnet. Der Filmemacher wird als Gast der Kurzfilmtage erwartet und seine Arbeiten persönlich vorstellen. Am 3. Mai leitet er eine Meisterklasse für Filmstudierende.
Für "Soviet Elegy" erhielt Sokurov den Großen Preis der Kurzfilmtage. Den zweiten Großen Preis gewann er in Oberhausen 1996 für "Oriental Elegy", einen Hauptpreis 1997 für "Robert. A Fortunate Life". 2017 wurde Sokurov von der Europäischen Filmakademie mit dem Europäischen Filmpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. In seinen kurzen Filmen ebenso wie in Langfilmen wie "Moloch" (1999), "Russian Ark" (2002) oder "Faust" (2011), für den er 2011 den Goldenen Löwen in Venedig gewann, habe Sokurov eine unverwechselbare Filmsprache entwickelt, hieß es. Kunstvoll bette er seine Figuren in größere Kontexte wie Familie, Zeitgeschichte und Gesellschaft ein.
Alexander Sokurov wurde den Angaben nach 1951 im Verwaltungsbezirk Irkutsk als Sohn eines Offiziers geboren. 1968 begann er an der Universität Gorki ein Geschichtsstudium und arbeitete während des Studiums als Regieassistent für das Fernsehen in Gorki. Mit 19 produzierte er seine ersten dokumentarischen Fernsehsendungen. 1975 begann er ein Produktionsstudium am Moskauer Staatsinstitut für Filmografie. Für das Lenfilm-Studio machte Sokurov ab 1980 seine ersten Spielfilme. Am Leningrader Dokumentarfilmstudio entstanden seine Dokumentarfilme. Bis Mitte der 1980er Jahre wurden seine Filme in der Sowjetunion nicht öffentlich gezeigt.
Bonn (epd). Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sucht wieder Schulprojekte, die sich mit Baudenkmälern als Teil des historischen Kulturerbes befassen. Bis zum 20. Mai können sich weiterführende Schulen aller Schulformen für die Teilnahme am Programm "denkmal aktiv - Kulturerbe macht Schule" im Schuljahr 2019/20 bewerben, wie die Stiftung am 18. März in Bonn ankündigte. Bei der Durchführung der Projekte werden die ausgewählten Bildungseinrichtungen fachlich und organisatorisch begleitet und finanziell mit rund 2.000 Euro unterstützt.
Die Beschäftigung der Schulteams mit dem Kulturdenkmal ihrer Region findet im Unterricht, in schulischen Arbeitsgemeinschaften oder als Ganztagsangebot statt. Projekte können historische Einzelbauten, Denkmalensembles, Welterbestätten, Grünanlagen oder historische Elemente einer Kulturlandschaft thematisieren.
Maputo (epd). Zehn Tage nach dem Zyklon "Idai" in Südostafrika ist die Zahl der Toten am Wochenende weiter gestiegen. Der britische Sender BBC ging am 24. März von mehr als 700 Todesopfern aus, 417 in Mosambik, 259 in Simbabwe und 56 in Malawi. Hilfswerke meldeten erste Fälle von Cholera und weiteten ihre Nothilfe aus. Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore sagte: "Die Lage wird schlimmer werden, bevor sie sich bessert."
Noch hätten die Hilfsorganisationen gerade erst begonnen, das Ausmaß der Zerstörung zu erfassen, erklärte Fore am Wochenende bei einem Besuch in Beira. Ganze Dörfer stünden unter Wasser. Schulen, Gesundheitszentren und andere Gebäude seien niedergerissen worden. Der Zyklon und die Überschwemmungen hätten eine Fläche von rund 3.000 Quadratkilometern zerstört.
Unicef schätzt die Zahl der Betroffenen allein in Mosambik auf 1,8 Millionen, darunter eine Million Kinder. Zur Verschlechterung der Lage könnten weitere Regenfälle beitragen sowie das Bersten von Dämmen an Flussläufen oberhalb der teilweise noch immer überfluteten Gebiete. Nach Angaben des mosambikanischen Umweltministers Celso Correia suchten rund 90.000 Menschen in Notunterkünften Zuflucht.
UN-Generalsekretär António Guterres rief die Weltgemeinschaft auf, mehr Ressourcen für die Hilfe in Mosambik bereitzustellen. Die 20 Millionen Dollar (knapp 18 Millionen Euro), die die Vereinten Nationen als Ersthilfe zur Verfügung gestellt hätten, reichten nicht aus, hieß es in einer am 23. März veröffentlichten Erklärung.
Jennifer Bose von der Hilfsorganisation Care sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), neben Zelten und Baumaterial werde vor allem Trinkwasser gebraucht. Eine Woche nach der Katastrophe seien die ersten Cholerafälle aufgetreten. Das stehende Wasser begünstige auch andere Durchfallerkrankungen und Malaria.
Helfer vergleichen die schwierige logistische Lage inzwischen mit der nach Katastrophen wie dem Tsunami in Asien 2004 oder dem Erdbeben in Nepal 2015. Das Welternährungsprogramm (WFP) stuft die Krise seit dem Wochenende mit der höchsten Warnstufe drei ein, wie im Jemen, dem Südsudan oder Syrien. Mindestens 600.000 Menschen seien vor den Fluten auf der Flucht, sagte ein WFP-Sprecher. Die Zahl der Hilfsbedürftigen steige rapide an.
In der mosambikanischen Hauptstadt Maputo und dem stark zerstörten Beira trafen am Wochenende zahlreiche Experten aus aller Welt ein, um Nothilfe zu leisten. So wollten beispielsweise die Welthungerhilfe und das Hilfswerk SOS Kinderdörfer ihre Präsenz im Krisengebiet verstärken. Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) trafen bereits am 23. März ein. THW-Experten sollen zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen mit einer Kapazität von 10.000 Litern pro Stunde installieren, wie ein Sprecher mitteilte.
In der zweitgrößten mosambikanischen Stadt mit rund 600.000 Einwohnern konnten am Wochenende Teile der beschädigten Strom- und Wasserversorgung wieder instandgesetzt werden, wie die Zeitung "O País" online berichtete. Auch seien vom Wasser weggespülte Abschnitte wichtiger Verbindungsstraßen von und nach Beira provisorisch repariert worden. Der Flughafen habe den vollen Betrieb wieder aufgenommen und sich zum Anlauf-Zentrum von Helfern und Journalisten entwickelt, weil es dort Strom und Internet gebe.
Maputo (epd). Sie schleppen Säcke mit Reis, Mehl und Bohnen oder Wasserkanister und Kleidungspakete: In der Hauptstadt Maputo haben Freiwillige Hilfsgüter für die Flutopfer in der Region Beira gesammelt und ein Schiff beladen. "Wir brauchen mehr Container", sagte Joana Martins, Koordinatorin der Aktion "Unidos por Beira", der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa. Die Katastrophe im Norden Mosambiks hat eine Welle der Hilfsbereitschaft in dem afrikanischen Land ausgelöst. Die Zeit drängt. Hunderttausenden Menschen fehlt es nach dem Zyklon "Idai" am Allernötigsten.
Die Regierung schätzt, dass Tausende Menschen immer noch von Wassermassen eingeschlossen sind. Die Lage sei kritisch, sagte Umweltminister Celso Correia dem britischen Sender BBC. Nach seinen Worten stehen 3.000 Quadratkilometer unter Wasser, eine Fläche größer als das Saarland. Und es kommt mehr Regen.
Viele Mosambikaner in der Hauptstadt machen sich große Sorgen um Angehörige. Raphaela Soares, die ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat ihre Mutter im tausend Kilometer entfernten Beira nur einmal gesprochen, ganz kurz, am Montag nach dem Zyklon. Da ging es der alten Frau noch einigermaßen gut, das Haus war nur leicht beschädigt. Aber alle saßen im Dunkeln, ohne Strom und Wasser, der Akku im Handy der Mutter war fast leer. Seitdem hat Soares nichts mehr gehört.
Mosambik mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Dennoch beteiligen sich viele an der Sammel- und Spendenbewegung. Soares sagt, Lebensmittel seien in Beira kaum zu bekommen und wenn, dann zu astronomischen Preisen. "Es kommt nichts 'rein in die Stadt", weil die Straßen zerstört seien. Mit Freunden hat Soares Kontakt zu einer Fluggesellschaft aufgenommen, die nun jeden Tag 200 Kilo Hilfsgüter mit nach Beira nimmt. Auch DHL in Maputo bietet gratis Spendentransporte nach Beira an.
"Kerzen sind wichtig und Streichhölzer", sagt Soares. Tabletten, um das Wasser zu desinfizieren, waren das erste, was sie losschickte. Auch Medikamente gegen Durchfall und Malaria werden gebraucht. Außerdem Kleidung, Decken, Hygieneartikel. Und Geld. Vor allem Geld. Um ihrer Mutter stundenlanges Anstehen am Bankschalter zu ersparen, schickt sie Geld über Gewährsleute, die es persönlich überbringen.
"Unidos por Beira" (Vereint für Beira) hat als erstes Ziel, 14.000 Tonnen Hilfsgüter ins Flutgebiet zu schicken. Über Facebook werden Helfer zusammengetrommelt und im Minutentakt Informationen ausgetauscht: Wer fliegt als nächstes nach Beira? Welche Straße ist bis wohin befahrbar? Auch gibt es Tipps für Spender in Südafrika, damit sie ihre Hilfspakete durch den Zoll bekommen.
Durch den Zyklon und die schweren Regenfälle sind 1,7 Millionen Menschen in Not geraten. Helfen ist angesichts dieser Katastrophe zur Staatsraison geworden. Präsident Filipe Nyusi rief zur Solidarität auf. Parlamentarier spendeten, und Präsidentensohn Jacinto Nyusi gab umgerechnet rund 24.000 Euro für Lebensmittel, wie die regierungsnahe Zeitung "Noticias" berichtete. Auch Privatunternehmen spendeten, der US-Ölkonzern Exxon 300.000 US-Dollar, der Konkurrent Anadarko 200.000 Dollar.
Neben Kirchen, Vereinen, Läden und Schulen engagieren sich auch Künstler für die Flutopfer. Für den 23. März war ein Konzert des Zambezi String Quartetts in französischen Kulturzentrum in Maputo geplant. Besucher wurden um eine Lebensmittelspende gebeten - haltbare Lebensmittel sollen es sein, für Beira.
Bonn, Genf (epd). Weltweit haben 2,1 Milliarden Menschen nicht durchgängig Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dies geht aus dem Weltwasserbericht der Unesco hervor, der am 19. März in Genf vorgestellt wurde. 4,3 Milliarden Menschen könnten keine sicheren Sanitäranlagen nutzen. Besonders gering sei der Zugang zu sauberem Wasser bei ohnehin benachteiligen Menschen wie solchen, die in Armut leben, Flüchtlingen sowie Land- und Slumbewohnern, erklärte die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur zum Weltwassertag am 22. März.
"Sicheres Wasser und sichere sanitäre Einrichtungen sind Menschenrechte", sagte Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission. "Doch für Milliarden Menschen sind diese Rechte nicht verwirklicht", erklärte sie. Über zwei Milliarden Menschen lebten ohne sicheres Trinkwasser, 844 Millionen müssten mindestens eine halbe Stunde täglich für die Wasserbeschaffung aufwenden oder hätten gar keinen Zugang.
Selbst in Europa und in Nordamerika haben 57 Millionen Menschen keine Wasserleitungen in ihren Häusern, wie Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay bei der Vorstellung des Berichts erklärte. Auch der Zugang zu grundlegenden Sanitäranlagen bleibe 36 Millionen Menschen in Europa und Nordamerika verwehrt. Unter anderem seien indianische Gemeinschaften in Kanada stark benachteiligt. 40 Prozent von ihnen verfügten nur über minderwertiges Trinkwasser - mit gesundheitlichen Folgen.
Die Hälfte der Menschen weltweit mit unzureichendem Zugang zu sicherem Trinkwasser lebt dem Bericht zufolge in Afrika. Lediglich 24 Prozent der Bevölkerung in den Ländern südlich der Sahara haben demnach Zugang zu sicherem Trinkwasser. Nur 28 Prozent nutzten sanitäre Einrichtungen, die sie nicht mit anderen Haushalten teilen müssen. Unterschiede zeigten sich auch zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land. Slum-Bewohner zahlen demnach häufig zehn bis zwanzig Mal so viel für Wasser wie Bewohner von wohlhabenden Vierteln und erhalten dafür oft Wasser von schlechterer Qualität. Dabei seien Stadtbewohner meist bessergestellt als Bewohner ländlicher Regionen.
Mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit leben in Staaten mit sogenanntem hohen Wasserstress. In diesen Staaten werden mehr als ein Viertel der erneuerbaren Wasserressourcen genutzt. Jüngste Schätzungen zeigten, dass über 50 Staaten von Wasserstress betroffen sind, heißt es in dem Bericht: 31 Länder wie Mexiko und China nutzen zwischen 25 Prozent und 70 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen, weitere 22 Länder mehr als 70 Prozent. Dazu zählen Ägypten und Pakistan.
In Deutschland werden den Angaben zufolge seit 15 Jahren weniger als 20 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen genutzt. Deutschland sei auf einem guten Weg, "doch wir sind Mitverursacher der großen Probleme in anderen Weltregionen, durch den Import etwa von Baumwolle oder Rindfleisch, deren Herstellung teils gewaltige Wasserressourcen benötigt", mahnte Burchardt.
Frankfurt a.M. (epd). Tuberkulose bleibt nach Ansicht von Experten eines der drängendsten Gesundheitsprobleme weltweit. Auch nach der neuesten Statistik für das Jahr 2017 sei die Infektionskrankheit wieder eine der zehn häufigsten Todesursachen gewesen, erklärte die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) in Würzburg. Demnach starben rund 1,6 Millionen Menschen an der Infektionskrankheit, schätzungsweise zehn Millionen steckten sich neu an, darunter eine Million Kinder.
Trotz aller Anstrengungen der Weltgemeinschaft sei ein Ende der weltweiten TB-Epidemie nicht in Sicht, betonte die DAHW zum Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März. Dafür gibt es vor allem drei Gründe: Armut und katastrophale Lebensverhältnisse, das tödliche Zusammenspiel mit dem Aids-Virus und dass die Medikamente in zunehmendem Maße gar nicht mehr wirken. Manche Erreger sind den Experten zufolge inzwischen gegen alle bekannten Medikamente resistent.
Die weitaus meisten TB-Fälle werden in Entwicklungs- und Schwellenländern registriert. Vor allem in Afrika südlich der Sahara spielt die Immunschwächekrankheit Aids den Tuberkulosebakterien in die Hände: Ist das Immunsystem geschwächt, können die Erreger leicht angreifen. Auch Armut und unsägliche Lebensbedingungen öffnen den TB-Bakterien Tür und Tor. Katastrophale beengte Wohnverhältnisse wie in den Slums der Megastädte begünstigen die TB, die sich durch Tröpfcheninfektion verbreitet.
Dabei ist Tuberkulose in den meisten Fällen durch Antibiotika heilbar, die Ansteckungskette kann durchbrochen werden. "Wenn Tuberkulose früh erkannt und behandelt wird, ist das der beste Schutz vor einer Ausbreitung", betonte DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm. Dazu sei ein uneingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung entscheidend. Deshalb müssten arme Länder unterstützt werden, Lücken in den nationalen Gesundheitssystemen zu schließen.
Bei der Suche nach effektiven und verträglichen Medikamenten gegen multirestistente Tuberkulose seien die Regierungen der reichen Länder sowie die Pharmaunternehmen gefragt, die Forschung zu intensivieren und neue Medikamente bezahlbar zu halten. "Das Überleben eines Betroffenen darf nicht von seinem Wohnort und Geldbeutel abhängen", erklärte Kömm.
In Deutschland wurden nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) im vergangenen Jahr 5.429 Tuberkulose-Fälle registriert. Damit blieben die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr etwa auf gleichem Niveau. Um das Ziel der WHO zu erreichen, die Krankheit bis 2050 zu eliminieren, seien daher auch in Deutschland zusätzliche Anstrengungen in der Tuberkulose-Kontrolle nötig, erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler in Berlin.
Ein Viertel bis ein Drittel der Menschheit trägt nach Schätzungen den Erreger in sich. Im Normalfall ist der Körper stark genug, sie in Schach zu halten. Hunger und Mangelernährung jedoch reißen die Barriere ebenso nieder wie immenser Stress - etwa bei Krieg und Flucht. Bei den in Deutschland erkrankten Patienten handelte es nach RKI-Angaben zu fast drei Vierteln um zugewanderte Menschen.
Berlin (epd). Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat an die Bundesregierung appelliert, alle Rüstungsexporte an Saudi-Arabien und an alle am Krieg im Jemen beteiligten Staaten zu untersagen. "Ein Land, das die Menschenrechte mit Füßen tritt und im Jemen zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und weiteren Staaten einen brutalen Krieg unter grober Missachtung des humanitären Völkerrechts führt, darf keine Waffen und Rüstungsgüter aus Deutschland erhalten", erklärte der evangelisch-katholische Arbeitsverbund zur Entwicklungspolitik am 20. März in Berlin anlässlich des Ende März auslaufenden Moratoriums für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Dieses hatte die Bundesregierung nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi verhängt.
"Selbst eine weitere befristete Verlängerung des Moratoriums wäre deshalb völlig unangemessen", erklärte Prälat Martin Dutzmann, der evangelische GKKE-Vorsitzende. Die GKKE forderte die Bundesregierung auf, bis auf weiteres sämtliche Rüstungsexporte - einschließlich Komponenten - an Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Kriegs-Koalition zu untersagen und alle bereits erteilten Genehmigungen sofort zu widerrufen. Zu den Staaten der Kriegs-Koalition im Jemen gehören neben Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch Ägypten, Bahrain, Jordanien, Kuwait, Marokko, Senegal und der Sudan.
Darüber hinaus solle sich die Bundesregierung in der EU für ein Waffenembargo gegen diese Staaten einsetzen und den französischen und britischen Forderungen nach einer Lockerung der europäischen Regeln zum Rüstungsexport entschieden entgegentreten, hieß es weiter: "Der Gemeinsame Standpunkt der EU zur Ausfuhr von Militärgütern und Militärtechnologie ist für alle Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich." Er lege unter anderem fest, dass der Export von Rüstungsgütern zu untersagen sei, wenn ein eindeutiges Risiko besteht, dass diese zur Verletzung des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden.
"Wer die EU stärken will, sollte sich dafür einsetzen, bestehende Regelwerke zu stärken, anstatt sie zu missachten", sagte Prälat Karl Jüsten, der katholische Vorsitzende der GKKE. Als gemeinsame Stimme der beiden großen Kirchen in Deutschland will die GKKE nach eigenen Angaben dem "Gedanken der einen Welt in unserem Land politisches Gewicht verleihen". Sie führt Dialoge mit Parlament, Regierung und gesellschaftlichen Interessengruppen zu Fragen der Nord-Süd-Politik und der Entwicklungszusammenarbeit.
Bogotá (epd). "Es handelt sich um die größte Flüchtlingskrise in der jüngeren Geschichte Lateinamerikas", sagte der Repräsentant des Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Kolumbien, Jozef Merkx, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in der Hauptstadt Bogotá. Das wären knapp 16 Prozent der Bevölkerung. Im vergangenen Jahr seien täglich etwa 5.000 Menschen über die Grenzen geflohen. Etwa 3,4 Millionen Venezolaner hätten bereits außerhalb der Heimat Zuflucht gesucht, 2,7 Millionen davon hielten sich in einem lateinamerikanischen Land auf, vor allem in Kolumbien.
Nach der Anerkennung von Oppositionsführer Juan Guaidó als Übergangspräsident durch Kolumbien im Januar 2019 ließ Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro die offiziellen Grenzübergänge schließen. Jetzt kommen Merkx zufolge täglich mehr als 1.000 Venezolaner auf illegalen Wegen nach Kolumbien, die gefährlich sind und von bewaffneten Banden kontrolliert werden. "Wir haben jetzt keine Kontrolle mehr", sagte der UN-Vertreter. Bewaffnete Banden, die sogenannten Colectivos, bedrohten die Menschen auf venezolanischer Seite und verlangten eine Gebühr für den Grenzübertritt. "Es ist eine sehr kritische Situation. Die Menschen müssen bezahlen, es gibt Gewalt, auch sexuelle Gewalt."
Viele Venezolaner kämen nach Kolumbien, weil sie medizinische Hilfe bräuchten, sagte Merkx. In Gesundheitsstützpunkten würden sie kostenlos versorgt. "Viele Menschen, vor allem chronisch Kranke, kommen regelmäßig und gehen dann zurück nach Venezuela."
Kolumbien nimmt aktuell die meisten venezolanischen Flüchtlinge auf. Derzeit leben 1,1 Millionen Venezolaner in dem Nachbarland, rund 25 Prozent von ihnen in der Hauptstadt Bogotá. Die Kolumbianer zeigten eine große Solidarität, sagte der UN-Vertreter. Aber es gebe Fälle von Fremdenfeindlichkeit, sexueller Gewalt und Arbeitsausbeutung. Auch die noch aktive Guerilla ELN und kriminelle Banden rekrutierten die Flüchtlinge. "Das passiert leider täglich", sagte er: "Unsere Aufgabe ist es, die Flüchtlinge zu schützen."
Neben den venezolanischen Flüchtlingen hat auch die Zahl der kolumbianischen Vertriebenen in der Grenzregion wieder zugenommen. Seit Januar 2018 mussten den UN zufolge mehr als 130.000 Menschen aus Gebieten fliehen, wo Guerilla und paramilitärische Banden um die Vorherrschaft streiten. "Es ist eine sehr schwierige Situation. In Kolumbien gibt es zwei Flüchtlingskrisen", sagte Merkx. Nach Jahrzehnten Bürgerkrieg hat Kolumbien mit 7,7 Millionen Menschen die weltweit höchste Zahl von Binnenflüchtlingen.