Bonn (epd). "Es ist völlig verfehlt, mit einem moralischen Urteil an ästhetische Objekte heranzugehen", sagte der an der Uni Siegen tätige Experte für Medienethik und Ästhetik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Ende Januar veröffentlichte Film-Dokumentation "Leaving Neverland" hatte die Debatte über die Missbrauchs-Anschuldigungen gegen den 2009 verstorbenen Popmusiker erneut entfacht. Radiosender in Kanada und Neuseeland strichen daraufhin seine Songs aus dem Programm. Die Bundeskunsthalle war dafür kritisiert worden, eine Ausstellung zu zeigen, die das Werk Jacksons in den Mittelpunkt stellt.
"Kunst sticht moralische Bedeutung"
Es gebe keinen Grund, die Schau nicht zu zeigen, sagte Leschke. "Wir haben seit der europäischen Aufklärung die Regel, dass Kunst moralische Bedeutung sticht. Das heißt, dass wir es für bedeutsamer halten, ein ästhetisches Objekt zunächst einmal unabhängig von den persönlichen, moralischen Qualifikationen des Produzenten zu beurteilen." Voraussetzung sei allerdings, dass es sich tatsächlich um ein Werk von ästhetischem Wert handele. Bei einer Hinwendung zur Popkultur könne das durchaus strittig sein, gab Leschke zu bedenken.
Grundsätzlich sei die Person des Künstlers aber zunächst einmal uninteressant, wenn es um die ästhetische Betrachtung des Werkes gehe. Schließlich habe es im Laufe der Geschichte unzählige Künstler gegeben, die als Person moralische Fehltritte begingen. An der Bedeutung ihres Werkes habe das nichts geändert. Derzeit lasse sich aber beobachten, dass diese Trennung zwischen Werk und Produzent zunehmend moralischen Bedenken zum Opfer falle. Dies schränke die Freiheit der Kunst ein: "Wir leben in einer Zeit, in der man versucht, mit moralischen Urteilen ästhetische Bedeutungsvielfalt zu reduzieren."