Bonn (epd). Sie schreien hysterisch, weinen und raufen sich die Haare: Drei Jahre nach dem Ende des Kommunismus trat Michael Jackson vor 100.000 Fans in Bukarest auf und versetzte sie in Ekstase. In Rumänien sei eine "Jacksonmania" ausgebrochen, sagt Dan Mihaltianu, der in einer Videoinstallation das Zusammentreffen des kapitalistischen Pop-Spektakels mit der postkommunistischen Gesellschaft thematisierte.
Von der "Jacksonmania" war die westliche Welt bereits in den 80er Jahren ergriffen worden. Michael Jackson sei die große Ikone der Popmusik der letzten 50 Jahre sagt der Leiter der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs. "Es gibt wenige Musiker, die so einen Status erreicht haben." Das zeige sich auch in seinem enormen Einfluss auf die bildende Kunst, der bislang noch nicht beleuchtet worden sei. Mit der Ausstellung "Michael Jackson: On The Wall" will die Bundeskunsthalle dem nun Rechnung tragen.
Die Schau präsentiert bis zum 14. Juli insgesamt 134 Werke von 53 Künstlern, die durch Michael Jackson inspiriert wurden, darunter Arbeiten von Andy Warhol, Paul McCarthy oder Isa Genzken. Die Ausstellung keine Hommage an den "King of Pop", betont Wolfs. Es gehe nicht um Jacksons Biographie und es würden auch keine Devotionalien gezeigt. "Es ist eine rezeptionsästhetische Ausstellung." Im Mittelpunkt stehe die "Kunst als Medium, auf ein kulturelles Phänomen zu schauen."
Neue Vorwürfe zehn Jahre nach Tod des Stars
Obwohl die von der britischen National Portrait Gallery entwickelte Ausstellung bereits in London sowie im Pariser Grand Palais gezeigt wurde, ist sie erst jetzt in die Diskussion geraten. Die Bundeskunsthalle war wegen der Schau im Vorfeld scharf kritisiert worden, nachdem neue Missbrauchs-Vorwürfe gegen Jackson aufgetaucht waren.
In der im Januar veröffentlichten US-Fernsehdokumentation "Leaving Neverland" beschuldigen zwei Männer den Popmusiker, sie als Kind sexuell missbraucht zu haben. Die Bundeskunsthalle wolle die Ausstellung dennoch zeigen, weil Jackson zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Kultur des 20. Jahrhunderts gehöre, argumentiert Wolfs.
Den veränderten Rahmenbedingungen durch die neuen Anschuldigungen wollen die Ausstellungsmacher durch ergänzende Wandtexte Rechnung tragen, die die Vorwürfe thematisieren. Die Anschuldigungen seien "schockierend", heißt es darin. Zudem will das Ausstellungshaus das Thema Missbrauch in einer Podiumsdiskussion aufgreifen, und zwar am 7. April, einen Tag nach der Ausstrahlung des Films "Leaving Neverland" im deutschen Fernsehen.
Warhol-Ikone und Erzengel
Die Ausstellung belegt vor allem die Faszination vieler Künstler von dem Phänomen Michael Jackson. Entscheidend für seine Adelung als Ikone war die Begegnung mit Andy Warhol, der den Popstar bei Auftritten fotografierte und 1984 eine Serie von Siebdruckporträts von ihm anfertigte. 25 Jahre später schuf Warhols früherer Mitarbeiter David LaChapelle als Reaktion auf Jacksons Tod ein großformatiges Triptychon unter dem Titel "American Jesus".
Dort erscheint der Popstar etwa als Erzengel Michael. LaChapelle sieht Jackson nach eigenen Worten als engelsgleiches Geschöpf. Er zieht eine Parallele zwischen Jackson und Jesus. "Wir haben ihn verurteilt, obwohl er unschuldig war." - Angesichts der neuen Vorwürfe ein pikantes Statement.
Maske der Selbstinszenierung
Besonders eindrücklich nachvollziehbar wird die künstlerische Rezeption Jacksons als Pop-Ikone am Beispiel von Jeff Koons "Michael Jackson and Bubbles". Koons Arbeit, eine weiß-goldene Skulptur nach einem Foto von Michael Jackson und seinem Haus-Schimpansen Bubbles, ist nicht im Original zu sehen. Das Werk sei zu fragil gewesen, sagt Wolfs. Aber es ist präsent in einer Fotografie Louise Lawlers mit dem Titel "Michael". Auch Paul McCarthy griff das Motiv auf und schuf eine überlebensgroße goldene Skulptur von Jackson mit seinem Schimpansen.
Die Ausstellung belegt vor allem eines: Die Pop-Kultur-Ikone Michael Jackson schlug auch viele Künstler in ihren Bann. Aufgebrochen wird die Maske der Selbstinszenierung jedoch nur in wenigen Arbeiten. Eine der Ausnahmen ist Lorraine O’Gradys Fotoserie "The First and Last of the Modernists", die Jackson und den französischen Poeten Charles Baudelaire gegenüberstellt. Hier erscheint Jackson auf einem späten Foto zerbrechlich und vom Star-Leben gezeichnet.