Berlin, München (epd). Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, hat scharfe Kritik an Flüchtlingshelfern geäußert. "Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen - ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte", sagte Sommer der "Welt am Sonntag". Wenn solche Organisationen geplante Abschiebungstermine öffentlich machten, versuchten sie, "den Staat bei Abschiebungen zu behindern". Der bayerische Flüchtlingsrat wies die Kritik zurück und erklärte, Warnungen vor Abschiebeterminen seien dringend notwendig.
Der Bamf-Chef sagte, Flüchtlingsräte seien der Meinung, "dass sich jeder das Land seines Aufenthalts selbst aussuchen soll". Ihr Vorgehen gegen Abschiebungen solle "mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden soll". So etwas dürfe der Staat nicht hinnehmen.
Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums zur verbesserten Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern sieht vor, dass künftig derjenige bestraft werden kann, der Betroffene unmittelbar vor einer bevorstehenden Rückführungsmaßnahme warnt. Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl haben dies bereits kritisiert.
"Grenzen der Belastbarkeit"
Der bayerische Flüchtlingsrat verteidigte die Praxis von Warnhinweisen vor Abschiebeterminen. Denn das bayerische Innenministerium etwa schrecke nicht davor zurück, "Familien auseinanderzureißen, Menschen aus der Ausbildung abzuschieben und Kranke in ein Land ohne medizinische Versorgungsmöglichkeiten zu schicken". Sprecher Stephan Dünnwald sagte am 24. März, Sommer wolle mit seiner Kritik lediglich vom Versagen seiner Behörde ablenken.
Die 16 Flüchtlingsräte der Bundesländer vertreten die vielen lokalen Flüchtlingsräte und Migrantenorganisationen ihrer jeweiligen Länder und sind Mitglieder von Pro Asyl, dem wichtigsten Interessenverband für Flüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber. Viele Flüchtlingsräte verbreiten im Internet und auf Flugblättern Abschiebungstermine und empfehlen Betroffenen, sich an diesen Tagen nicht an ihrer Meldeadresse aufzuhalten.
Sommer bezeichnete ferner die aktuelle Zahl der Asylanträge in Deutschland als "zu hoch". Im vergangenen Jahr seien 162.000 Asylerstanträge registriert worden, sagte Sommer der Zeitung: "Das ist vergleichbar mit einer Großstadt, die jährlich zu uns kommt." Lediglich 35 Prozent der Antragsteller erhielten aber einen Schutzstatus.
"Wir sehen also ganz deutlich, dass viele Menschen hierher kommen, ohne einen Asylgrund zu haben", sagte der Bamf-Chef. Obwohl er "Grenzen der Belastbarkeit eines Staates" ausmache, sprach Sommer sich gegen eine Zielmarke für Asylanträge aus. "Wenn jemand mit einem berechtigten Asylgrund herkommt, dann müssen wir diesen auch anerkennen und können nicht statistisch vorgehen", betonte er.