Frankfurt a.M. (epd). Die Geburt des ersten Kindes ist für viele Paare ein magischer Augenblick: Der Wunsch nach dem ersehnten Baby hat sich erfüllt, das Glück ist perfekt. Eigentlich ein Grund, um beruflich etwas kürzer zu treten und so viel Zeit wie möglich zu Hause mit dem Nachwuchs zu verbringen. Doch tatsächlich arbeiten Väter sogar häufiger als Männer ohne Nachwuchs. Im Jahr 2017 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamts 91 Prozent der Väter im Alter zwischen 18 und 64 Jahren berufstätig. Bei kinderlosen Männern lag der Anteil bei nur 77 Prozent.
Und nicht nur das: Väter arbeiteten den Angaben zufolge auch häufiger in Vollzeit. Während 94 Prozent der Väter die volle Stundenzahl ableisteten, taten das nur 88 Prozent der kinderlosen Männer. Der Soziologe Harald Rost vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg macht dafür vor allem finanzielle Gründe verantwortlich: "Vor dem ersten Kind sind meistens beide berufstätig, dann geht in der Regel die Frau in Elternzeit, wodurch das Familieneinkommen sinkt." Es entstünden aber zusätzliche Kosten, etwa durch die Anschaffung einer Babyausrüstung und der Einrichtung eines Kinderzimmers. "Durch eine Erweiterung ihrer Erwerbstätigkeit wollen Väter den Einkommensverlust ausgleichen."
Wunsch und Realität klaffen "noch weit auseinander"
Zwar sei es durchaus so, dass Väter heute eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder spielen wollten. "Und auch die Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen, hat sich erhöht." So gingen mittlerweile 35 Prozent aller Väter nach der Geburt in Elternzeit - allerdings in aller Regel nur für zwei Monate. "Nur fünf bis sechs Prozent aller Väter arbeiten Teilzeit. Hier klaffen Wunsch und Realität noch weit auseinander", sagte Rost dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Kindheits- und Familienforscher Dominik Krinninger vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Osnabrück spricht sogar von einer "Retraditionalisierung" nach der Erfüllung des Kinderwunsches: "Bei Paaren gibt es vorher oft eine klare Übereinkunft in puncto faire Aufteilung, wer sich wie um das Kind kümmert und wer welche Aufgaben etwa im Haushalt übernimmt." Nach dem ersten Kind stellten sich jedoch schnell traditionelle Muster ein: Mehrheitlich sei es die Frau, die fortan weniger erwerbstätig sei und den Großteil des Haushalts erledige. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts arbeiten 71 Prozent aller Mütter, aber weniger als ein Drittel tut dies in Vollzeit.
Situation wie vor 40 Jahren
"Tatsächlich haben wir heute in den Krippen eine Situation wie vor 40 Jahren in den Kindergärten", sagt Krinninger. Damals besuchte nur etwa ein Drittel der Drei- bis Sechsjährigen den Kindergarten, heute sind es mehr als 90 Prozent. Bei den unter Dreijährigen sind heute rund 30 Prozent in institutioneller Betreuung. "Ein Kindergartenbesuch ist die Norm, ein Krippenbesuch nicht."
Warum sich Paare zunehmend wieder für eine traditionelle Rollenverteilung entscheiden, habe viele Gründe, meint der Pädagoge. Oft sei es schwierig, überhaupt einen Krippenplatz zu bekommen. Zudem müsse er mit vertretbarem Aufwand für die Eltern zu erreichen sein: "Wenn er am anderen Ende der Stadt liegt, lässt sich das nur schlecht in den Alltag integrieren." Gleichzeitig spielten die Erwartungen an die Geschlechter eine nicht zu unterschätzende Rolle: "Für viele Paare ist es besser vorstellbar, dass die Frau zurücksteckt. Hier kommen - oft unbewusst - gesellschaftliche Muster zum Tragen: Vorstellungen von Männlichkeit und Mütterlichkeit."
Karriere auf Kosten der Familie
Das sieht auch die Dortmunder Psychologin und Psychotherapeutin Cornelia Wien so: "Gesellschaftlich sind wir immer noch nicht wirklich in der Gleichberechtigungsphase angekommen." Bei beruflich erfolgreichen Müttern mache sich sehr schnell ein Schuldbewusstsein bemerkbar, dass die Karriere auf Kosten der Familie gehe. "Das ist bei Männern in aller Regel nicht gegeben."
Frauen stünden unter einem besonderen Druck, viel mehr als Männer: "Sie möchten überall super sein, im Beruf und zu Hause mit den Kindern und dem Partner." Wenn beide Eltern voll arbeiten gingen, sei das meistens nur mit Unterstützung von außen machbar: "Und dann muss man entweder sehr gut verdienen oder den Zugriff auf Oma und Opa haben."