Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sitzen in den deutschen Parlamenten immer noch viel weniger Frauen als Männer. Im Bundestag und fast allen Landtagen liegt der Anteil der weiblichen Abgeordneten unter einem Drittel, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) ergab. In mehreren Ländern gibt es Initiativen für Parité-Gesetze nach dem Vorbild Brandenburgs. Dort hat der Landtag Ende Januar eine verbindliche Frauen-Quote für die Landeslisten der Parteien bei Landtagswahlen beschlossen. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) spricht von einer überfälligen Diskussion.

In Brandenburg hat der Landtag Ende Januar eine verbindliche Frauen-Quote für die Landeslisten der Parteien bei Landtagswahlen beschlossen. Die Kandidatenlisten sollen künftig abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden. Das Gesetz soll Mitte 2020 in Kraft treten und gilt noch nicht für die Landtagswahl am 1. September.

Im Bundestag ist der Anteil weiblicher Abgeordneter nach der Wahl 2017 auf 31,3 Prozent gesunken. Vor allem rund um den Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts im Januar wurden auch hier Forderungen nach einer gesetzlichen Verankerung der Parität laut. Konkrete Initiativen aus den Reihen des Parlaments liegen bislang aber nicht vor.

Thüringen vorn

Das Land mit dem bundesweit höchsten Frauenanteil im Landtag ist Thüringen: Unter den 91 Parlamentariern sind aktuell 38 Frauen, das entspricht fast 42 Prozent. Noch in diesem Monat will das Landesparlament über einen Entwurf der rot-rot-grünen Regierungskoalition für ein Paritätsgesetz beraten. Es würde zum 1. Januar 2020 und damit erst nach der Landtagswahl im Oktober in Kraft treten.

Das Schlusslicht beim Frauen-Anteil bildet derzeit Sachsen-Anhalt mit lediglich knapp 22 Prozent weiblichen Abgeordneten. Ein Entwurf der oppositionellen Linken für ein Parité-Gesetz wurde kürzlich im Magdeburger Landtag diskutiert.

Im nordrhein-westfälischen Landtag haben die Frauen einen Anteil von 27,1 Prozent. Dort lehnen die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP ein Gesetz nach dem Vorbild Brandenburgs aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken ab. Der Landtag des Saarlandes hat einen Frauenanteil von 33 Prozent. Die CDU-Fraktion teilte dem epd mit, dass sie ein Paritätsgesetz als Eingriff in die Wahlfreiheit ablehne.

In den meisten übrigen Ländern sitzen maximal ein Drittel Frauen im Landtag. Darüber liegen außer Thüringen lediglich noch Brandenburg mit knapp 40 Prozent und Bremen mit 36 Prozent. Über Paritätsgesetze wird auch in Bayern, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt diskutiert, meist auf Antrag der Grünen, der SPD oder der Linken. Gegner verweisen allerdings auf verfassungsrechtliche Bedenken. Ihrer Ansicht nach würden quotierte Kandidatenlisten gegen die Wahlfreiheit verstoßen.

Bundestagsvizepräsidentin Roth sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass "wir 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch sehr weit von einer gerechten Beteiligung der Frauen im Parlament entfernt sind, es derzeit sogar mit einem sinkenden Frauenanteil in unseren Parlamenten zu tun haben". Der Bundestag falle mit seinem Frauenanteil von nur rund 31 Prozent "zurück ins letzte Jahrhundert", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei ein Staatsziel. Die Durchsetzung der Parität in den Parlamenten müsse wenn nötig gesetzlich geregelt werden.