Theodor Fontane ist heute präsent wie wenige andere Dichter des 19. Jahrhunderts: Seine Frauenfiguren wie "Effi Briest" faszinieren noch immer, Romane und Erzählungen sind Schullektüre, Balladen wie "Der Herr von Ribbeck auf Ribbeck" kennt fast jedes Kind. In diesem Jahr rückt der große Romancier des poetischen Realismus noch einmal besonders in den Blick: Vor 200 Jahren, am 30. Dezember 1819, wurde er in Neuruppin geboren. Am 30. März startet das Land Brandenburg das Jubiläumsjahr zu seinen Ehren.

"Sensationell" findet es der Vorsitzende der Theodor-Fontane-Gesellschaft, Roland Berbig, dass Fontane ein solches Jubeljahr gewidmet werde - einem Dichter, der "gar nicht geeignet ist, aufs Podest gehoben zu werden und als Vorbild zu fungieren". Allerdings wende sich das Interesse momentan mehr dem Regionalen zu, der "Mark". "Das literarische Werk, das seinen europäischen Rang begründet, steht in der zweiten Reihe. Zu Unrecht", bedauert der Berliner Literaturwissenschaftler.

Das Märkische hat Fontane berühmt gemacht, vor allem mit seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" und mit seinem Spätwerk "Der Stechlin" (1897). Es ist die Heimat Fontanes. In Neuruppin kam er als Sohn eines Apothekers hugenottischer Abstammung zur Welt. Er selbst wurde - trotz literarischer Neigungen - ebenfalls Apotheker; doch übte er diesen Beruf sehr halbherzig aus und schmiss ihn 1849 ganz hin.

Prekäre Lage

Er sind unruhige Jahre für Fontane. Während des Vormärz radikalisiert er sich immer stärker und wird zum überzeugten Republikaner. Politische Artikel, die er veröffentlicht, sind so entschieden wie später nie mehr. Seine finanzielle Lage ist unterdessen prekär. "Bräutigams- und Geldcalamitäten" drücken ihn, wie ein Freund schreibt. Es dauerte Jahre, bis er sich 1850 finanziell in der Lage sah, seine Verlobte Emilie Rouanet-Kummer zu heiraten.

Er hatte, überraschend genug, begonnen, als Journalist für den zuvor so heftig bekämpften preußischen Staat zu arbeiten. Über zwei Jahrzehnte lang war Fontane Korrespondent, Theaterkritiker und Reise-Autor, bevor er sich erst sehr spät ganz der Dichtung widmete. Er schrieb für die erzkonservative "Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung"; er war mehrere Jahre (1855-1859) als Presseagent in London tätig, wo er im preußischen Auftrag Berichte in deutsche und englische Zeitungen lancierte, und er begann nach der Rückkehr nach Berlin, Reiseberichte zu verfassen. Mehrere Jahre verdingte er sich als Theaterkritiker für die "Vossische Zeitung".

Dennoch wollte Fontane, dessen viele Reisen wohl auch von einem Getriebensein zeugten, vor allem Poet sein. Die Pressearbeit verstand er als Broterwerb und beklagte selbst eine "Gedoppeltheit des Daseins". Dabei hat der Dichter auf vielfältige Weise von der journalistischen Arbeit profitiert. "In der Realität haben sich beide Sphären durchmischt", sagt Roland Berbig. Fontane habe seine Bildung durch Zeitungen erhalten, sein erster Roman "Vor dem Sturm" (1878) etwa sei erwachsen aus Presseartikeln aus der Mark Brandenburg.

"Dialogische ist Grundelement"

Der journalistisch beobachtende Blick auf die Gesellschaft, aber auch der des Redakteurs auf seine Zielgruppe waren für Fontane stilprägend. "Das Dialogische ist ein Grundelement Fontanes", sagt Berbig. Der Schreiber wisse, dass er einen "gewissen Zungenschlag haben muss, um (bei den Lesern) um anzukommen".

1876 entschließt sich Fontane, als "freier Schriftsteller" zu arbeiten. In den vor ihm liegenden 22 Jahren wird er die 14 Romane und Erzählungen schreiben, die seinen Ruhm begründen - immer stärker zurückgezogen und zeitweise von Krankheiten gezeichnet. Mehr als die mitunter kritische Ehefrau unterstützt Tochter Martha (Mete) den Vater. Sie ist eines von sieben Kindern der Fontanes, von denen drei schon früh nach der Geburt starben.

Ab 1880 veröffentlicht er Gesellschaftsromane und Erzählungen in rascher Folge, jährlich erscheint ein neues Buch: 1883 "Schach von Wuthenow", eine Auseinandersetzung mit preußischer Geschichte und adeligem Ehrenkodex; 1887 "Irrungen, Wirrungen", ein Roman über eine unstandesgemäße Liebesbeziehung. In "Unwiederbringlich" (1892) und "Effi Briest" (1896) erzählt Fontane ebenso feinfühlend, ja liebevoll wie scharfsinnig analysierend das Scheitern zweier Ehen beziehungsweise Ehebruchgeschichten.

Auch wenn er die vorgegebene Gesellschaftsordnung nicht infrage stellt, kritisiert Fontane doch erstarrte moralische Konventionen und das Inhumane, das ihnen innewohnt. Seine Romane polarisieren. Der Adel, dem Fontane immer freundlich gesonnen war, wendet sich von ihm ab. "Wird denn die gräßliche Hurengeschichte nicht bald aufhören?", empört sich ein Mitinhaber der "Vossischen Zeitung", als sie die "Irrungen, Wirrungen" abdruckt. Maßgebliche Kritiker zeigen sich indes begeistert und feiern Fontane als einen der ersten Dichter der Nation.

"Heiteres Darüberstehen"

Passend zu einer Zeit, in der das Bürgertum an Einfluss und Status gewinnt, geht es in "Frau Jenny Treibel" (1893) auch um sozialen Aufstieg durch Heirat. Wie viele soziale und seelische Katastrophen ein solcher Aufstieg mit sich bringen kann, ist für Berbig heute noch ein subtiles Thema - und vielleicht sogar ein Grund, aktuell Fontane zu lesen. Wie sagt die Berliner Schriftstellerin Annett Gröschner? "Mir läuft in Berlin alle zwei Minuten eine 'Jenny Treibel' über den Weg."

Mit dem "Stechlin" (1897) hinterließ Fontane wiederum einen märkischen und zugleich politischen Roman. Das Erscheinen als Buch im Jahr darauf erlebte er nicht mehr, der Dichter starb am 20. September 1898 in Berlin.

Die Skepsis und Desillusionierung, mit der der alte Fontane seine Zeit beurteilt, ist groß - trotz des humanen "heiteren Darüberstehens" in seinem unvergleichlichen Erzählton. Auch das macht ihn zu einem modernen Autor.