Bremen (epd). Der Mann lacht gerne. Das zeigen schon die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln von Bernd Kuschnerus. Und er kann zuhören, mit direktem Blick für sein Gegenüber. Was für den Theologen Alltag ist und ihm selbst nicht groß erwähnenswert scheint, kann in den kommenden Jahren ordentlich helfen, falls der 56-Jährige zum Schriftführer und damit zum leitenden Geistlichen der Bremischen Evangelischen Kirche gewählt wird. Am 28. März steht die Personalie auf der Tagesordnung, wenn sich das Parlament der Kirche mit rund 150 Delegierten zur Frühjahrstagung trifft.
Bisher ist der gebürtige Bremer der einzige Kandidat für das Amt, das derzeit und noch bis Juni Renke Brahms innehat. Der 62-Jährige war über zwei Legislaturperioden in den vergangenen zwölf Jahren Schriftführer der einzigen Landeskirche Deutschlands, die sich nur auf städtisches Gebiet erstreckt. Schriftführer - so heißt hier das Amt des leitenden Geistlichen. In der Nazizeit gab es den letzten Bremer Bischof, linientreu. Seither ist der Begriff verbrannt.
Hell, klar, zugewandt
Für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidiert Brahms nicht. Seit Anfang Februar ist er theologischer Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung in der Lutherstadt Wittenberg, noch nebenamtlich, ab Sommer dann hauptamtlich.
Also wird eine Nachfolge gesucht. Schon seit Monaten ist der Name Kuschnerus im Gespräch. Auch, weil der verheiratete Vater von vier erwachsenen Kindern seit langem Stellvertreter von Brahms ist und als exzellenter Theologe gilt. Vor zwölf Jahren hatte er schon einmal als Schriftführer kandidiert - und gegen den Noch-Amtsinhaber verloren. Seither ist er als Vize oft öffentlich aufgetreten, beispielsweise in Diskussionen um Sonntagsschutz und Bestattungskultur - meist verbunden mit einem Dur-gestimmten Gemüt: hell, klar, zugewandt.
Frieden kein abstraktes Thema
Ein christlich orientiertes Elternhaus, die Konfirmandenzeit, die kirchliche Jugendarbeit und sein Zivildienst waren wichtige Meilensteine, die bei Kuschnerus das Interesse für ein späteres Theologiestudium in Kiel und Marburg weckten. "Als Zivildienstleistender war ich im Bremer Rot-Kreuz-Krankenhaus eingesetzt, habe kranke Menschen versorgt, Sterbende begleitet - das hat mich berührt", erinnert sich Kuschnerus, der sich seit knapp 20 Jahren mit seiner Frau Ingeborg eine Gemeinde-Pfarrstelle teilt.
Noch vor Dienstantritt als Zivi musste er in einer Gewissensprüfung im Kreiswehrersatzamt seine Motivation zur Kriegsdienstverweigerung verteidigen. Später wurde er als Rädelsführer eines Zivi-Streiks identifiziert und einvernommen. Frieden sei für ihn kein abstraktes Thema, betont Kuschnerus und fügt hinzu: "Friedlich miteinander umzugehen und sich für den Frieden einzusetzen, das gehört für mich zusammen." Dazu passt das Modell der Themenzentrierten Interaktion, das er schon als Jugendlicher kennengelernt hat und das auf soziales Lernen und persönliche Entwicklung in Gruppen abzielt.
Ruf eines erfolgreichen Vermittlers
Ihm sei die Rolle des Moderators wichtig, unterstreicht Kuschnerus. Tatsächlich ist sie ihm wie auf den Leib geschneidert, denn in der Kirche hat sich der Theologe den Ruf eines erfolgreichen Vermittlers selbst in schwierigen Konflikten erarbeitet. Das könnte auch zukünftig gefragt sein, denn möglicherweise nehmen die Verteilungskämpfe in der kleiner werdenden Kirche mit abnehmender Finanzkraft zu. Noch hat die bremische Kirche in 61 Gemeinden rund 190.000 Mitglieder. Aber die Zahl sinkt.
Trotzdem bleibe die Kirche in der Gesellschaft wichtig, betont Kuschnerus: "Zum Beispiel bei ethischen Themen, beim Klimaschutz, bei sozialen Fragen." Und als Beispiel für eine Gemeinschaft der Vielfalt, ergänzt der promovierte Pastor und verweist gerne auf die Mitarbeiterschaft in bremischen Gemeinden, Werken und Einrichtungen, zu der knapp 2.200 Beschäftigte aus 35 Ländern mit 28 Sprachen gehören.
Ausgleichendes Wesen
Selbst in seiner Freizeit schimmert sein ausgleichendes Wesen durch, denn Kuschnerus praktiziert die betont defensive japanische Kampfkunst Aikido. "Spannend ist daran auch, sich mit dieser ganz anderen Kultur auseinanderzusetzen. Da lernt man Fairness und den sorgfältigen Umgang mit anderen."
Das kann ihm im Gespräch mit kirchenfernen Menschen helfen, die er stärker in den Blick nehmen will. Dafür müsse sich die kirchliche Sprache ändern, Angebote müssten offener werden. Aber wenn es hart auf hart kommt, ein kirchlicher Standpunkt mit Nachdruck vertreten werden muss - kann er dann auch Attacke? Durchaus, versichert Kuschnerus mit fester Stimme, macht aber auch klar: "Nie belehrend."