Dresden (epd). Der von Carsten Rentzing angekündigte Rücktritt trifft die ohnehin zerrissene evangelische Landeskirche ins Mark - überraschend und schonungslos. Seit Jahren gibt es äußerst kontrovers geführte Diskussionen zwischen unterschiedlichen Glaubensströmungen, die auch regional festzumachen sind - auf der einen Seite die konservativen, bibel- und bekenntnisorientierten Christen im Erzgebirge und im Vogtland und im Gegensatz dazu die Liberalen in und um Leipzig und in weiteren großen Städten.
Gebraucht werden dort Führungspersönlichkeiten, die kontroverse Positionen moderieren und zusammenbringen. Rentzing wollte das, so erklärte er es jedenfalls. Bei seinem Amtsantritt sagte er, er wolle der Bischof aller Gemeindemitglieder sein. Auch in seiner Erklärung zum Rücktritt betonte er: Sein oberstes Ziel sei die Einheit der Kirche. Er habe die verschiedenen Positionen innerhalb der Landeskirche wieder einander näher bringen wollen. Am Ende räumte er sein Scheitern dabei ein: "Ich muss mit großem Bedauern feststellen, dass die aktuelle Diskussion um meine Person diesem Ziel schadet."
Der Rückzug des Bischofs vom Amt verschärft die Situation und könnte zugleich eine Chance für die Kirche sein. Denn falls die Kirchenleitung am Montag dem Rücktritt Rentzings zustimmt - was zu erwarten ist - beginnt die Suche nach einem Nachfolger. Die Landeskirche muss dann zeigen, welche Konsequenzen sie aus dem Fall zieht.
Der Weltanschauungsbeauftragte der sächsischen Landeskirche, Harald Lamprecht, schlägt vor, dass künftige Bischofsbewerber ihre Vereinsmitgliedschaften offenlegen. Von denjenigen, die sich für ein hohes Amt bewerben, sollten zumindest dem Wahlausschuss bestehende Engagements und eingegangene Verpflichtungen bekannt sein, sagte er dem epd. Rentzing hatte seine als Student eingegangene Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung bei seiner Wahl 2015 verschwiegen. Nach vier Jahren im Amt wurde kürzlich zudem öffentlich, dass er zwischen 1989 und 1992 Texte für die rechtskonservative Zeitschrift "Fragmente" verfasst hat.
Nachdem sich die sächsische Kirchenleitung von Rentzing aufgrund der von ihr als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" eingestuften Texten distanziert hatte, wurde die Spaltung der Kirche in Sachsen offensichtlich. Im Internet tauchte eine anonym verfasste Petition auf, die sich für den Verbleib des Bischofs im Amt einsetzt und von einer "Schmutzkampagne" gegen ihn spricht. Eingestellt ist der Text auf einer in Spanien gegründeten umstrittenen Plattform.
Lamprecht bezeichnete die Petition als "ein Manöver der Neuen Rechten", die vorhandene persönliche Sympathien für Bischof Rentzing und seine konservative Grundhaltung missbrauche. Dabei betonte er: Grund des angekündigten Rücktritts sei nicht, das der Bischof ein Konservativer ist, sondern dass er die Kirche über seine Biografie getäuscht habe. Das führe auch zu der Frage, inwieweit diese Details wirklich Vergangenheit für Rentzing seien.
Was die verschiedenen Positionen der Kirchenmitglieder angeht, unterscheide sich Sachsen nicht grundsätzlich von anderen Landeskirchen, sagte Lamprecht. Dieselbe Bandbreite an Meinungen sei auch an anderen Orten zu finden, etwa in Baden-Württemberg. Dort gebe es schon länger "fest organisierte Parteien innerhalb der Landeskirche, sogenannte Gesprächskreise".
Auch in Sachsen zeichne sich zunehmend eine solche Parteienbildung ab. Die Gründung der "Sächsischen Bekenntnis-Initiative" habe diese Entwicklung forciert. Solche Initiativen verstellten aber "den Blick auf die Vielfalt der Wirklichkeit und der möglichen Positionen", sagte Lamprecht.
Mit dem erwarteten Rücktritt besteht jetzt - wie schon während der jahrelangen Diskussion um die Homo-Ehe - die Gefahr, dass sich eine größere Zahl von konservativen Christen von der Landeskirche abwendet. Wer die Bibel ernst nimmt, "wird sich nicht leichtfertig von der Gemeinschaft der Christen lösen, sondern gemeinsam um die angemessene Gestalt der Kirche ringen", appellierte der Weltanschauungsbeauftragte. Dies brauche die Bereitschaft, aufeinander zu hören.
Für die Landeskirche stellen sich nun existenzielle Fragen: Wie weiter? Falls Rentzing entbunden wird, welche Nachfolgerin oder welcher Nachfolger hilft der Kirche weiter? Was muss möglicherweise auch die Landessynode als gewähltes Organ leisten? Darüber wird nicht zuletzt auf der bevorstehenden Synodentagung im November in Dresden zu beraten sein.
Dresden/Leipzig (epd). Nach dem angekündigten Rücktritt von Sachsens evangelischem Landesbischof Carsten Rentzing wünscht sich der Leipziger Pfarrer Frank Martin eine intensive Aufarbeitung. "Wir müssen als Landeskirche sehen, wie wir mit der Sache umgehen und wie wir uns in der gesellschaftlichen Debatte neu aufstellen", sagte Martin am 14. Oktober dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Leipzig. "Gerade auch mit Blick auf die rechtsnationalen Tendenzen im sächsischen Landtag müssten wir deutlicher Stellung beziehen", erklärte er.
Martin ist Teil einer Gruppe von Pfarrern, die Rentzing Ende September in einer Online-Petition zu einer Distanzierung "von allen nationalen, antidemokratischen und menschenfeindlichen Ideologien" und von der Neuen Rechten aufgefordert hatte. Hintergrund ist auch ein Vortrag Rentzings in der Berliner "Bibliothek des Konservatismus" 2013, die dem Umfeld der Bewegung zugerechnet wird. Weiter forderten die Autoren eine Erklärung, warum Rentzing bis heute Mitglied in einer schlagenden Studentenverbindung ist.
Landeskirchensprecher Matthias Oelke sagte dem epd am 14. Oktober, weder Rentzings Vergangenheit noch die seiner drei Mitbewerber seien im Zuge der Bischofswahl 2015 gesondert überprüft worden. Rentzings Lebenslauf mit Theologiestudium und langjährigem Pfarramt im Erzgebirge habe dazu auch keinerlei Anlass gegeben. In dem Bewerbungsprozess sei es "in erster Linie um die Gegenwart und um die Zukunft von Kirche" gegangen, sagte Oelke.
Kritiker Martin sagte, er halte es für "sehr problematisch", wenn nun in konservativen Kirchenkreisen kolportiert werde, Rentzing sei "ein Paulus". "Paulus hat sich von seiner Vergangenheit getrennt. Rentzing hat das nie getan", betonte Martin. Laut biblischer Überlieferung hatte sich die Figur des Saulus von einem Verfolger der ersten Christen zu dem erfolgreichen Missionar und Theologen Paulus gewandelt.
Am Freitag hatte Bischof Rentzing überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Er wolle Schaden von seiner Kirche abwenden, erklärte er und schrieb: "Positionen, die ich vor 30 Jahren vertreten habe, teile ich heute nicht mehr."
Tags darauf wurde bekannt, dass er als Student von 1989 bis 1992 Texte in der Zeitschrift "Fragmente" verfasst und das Blatt auch mit herausgegeben hat. Die Leitung der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens stufte die Texte als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Sie seien "aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretbar".
Über eine rechtsextreme oder nationalistische Denkweise Rentzings sei bisher in der kirchlichen Öffentlichkeit nichts bekannt gewesen, erklärte die Landeskirche weiter. Umso "verstörender" seien die jetzt bekanntgewordenen Texte.
Der Bischof ist derzeit im Urlaub. Die Kirchenleitung will am 21. Oktober über weitere Schritte entscheiden. Formal bleibt Rentzing bis dahin im Amt. Seine Aufgaben übernimmt Stellvertreter Thilo Daniel.
Rentzing steht seit Jahren immer wieder in der Kritik. Der als äußerst konservativ geltende Theologe lehnt unter anderem die Segnung homosexueller Paare ab und wurde wiederholt dafür kritisiert, sich nicht deutlich zum Erstarken der AfD zu positionieren. 2015 war er von der Landessynode nur mit knapper Mehrheit zum Bischof gewählt worden.
Dresden (epd). Nach der Rücktrittsankündigung von Sachsens evangelischem Bischof Carsten Rentzing hat die Diakonie im Freistaat ihr von Mitmenschlichkeit geprägtes Leitbild betont. Die Erkenntnisse, die zum Rücktritt des Bischofs geführt hätten, habe man "mit großer Bestürzung und Betroffenheit zur Kenntnis genommen", erklärte Diakoniedirektor Dietrich Bauer am 14. Oktober in Dresden. Die Diakonie nehme die Aufgabe der sozialen Arbeit in der Landeskirche wahr und habe täglich mit Zehntausenden Menschen Kontakt. Es erscheine deshalb dringend geboten, "unser diakonisches Leitbild und unsere Motivation noch einmal öffentlich zu machen".
"Es ist unser evangelischer Auftrag, Menschen, die Unterstützung benötigen, zu helfen", erklärte die Diakonie. Jeder, der diese Hilfe in Anspruch nehmen wolle, sei "willkommen, unabhängig von Religion und Konfession, Herkunft und Nationalität".
Rentzing hatte am Freitag seinen Rücktritt angekündigt. Er wolle Schaden von seiner Kirche abwenden, hieß es zur Begründung. Tags darauf wurde bekannt, dass Rentzing als Student vor rund 30 Jahren Texte in der Zeitschrift "Fragmente" verfasst und das Blatt auch mit herausgegeben hat. Die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens stufte die Texte als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Sie seien "aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretbar".
Rentzing steht seit Jahren in der Kritik. Der als sehr konservativ geltende Theologe lehnt unter anderem die Segnung homosexueller Paare ab und wurde wiederholt dafür kritisiert, sich nicht deutlich zum Erstarken der AfD zu positionieren.
Dresden (epd). Der Präsident des sächsischen Landeskirchenamtes, Hans-Peter Vollbach, bedauert den Umgang von Landesbischof Carsten Rentzing mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Die aktuelle Problemlage sei der Tatsache geschuldet, dass Rentzing "zögerlich mit seiner Vergangenheit umgegangen ist oder zumindest Fragen offengelassen hat", sagte Vollbach dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 16. Oktober in Dresden. Ob dies bewusst oder unbewusst geschehen sei, könne er nicht beurteilen.
Die Landeskirche gehe davon aus, dass Rentzing bis heute Kontakt zum Leiter der Berliner "Bibliothek des Konservatismus", Wolfgang Fenske, hat, erklärte Vollbach weiter. Dies werfe "natürlich neue Fragen auf", die jedoch nur Rentzing beantworten könne. Nach Angaben der Landeskirche hatte Fenske auch an Rentzings Amtseinführung als Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens 2015 teilgenommen. Die Bibliothek wird dem Umfeld der Neuen Rechten zugeordnet.
Rentzing hatte am Freitag nach anhaltender Kritik an seiner Person überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Tags darauf wurde bekannt, dass er als Student vor rund 30 Jahren Texte in der Zeitschrift "Fragmente" verfasst und das Blatt auch mit herausgegeben hat. Die Leitung der sächsischen Landeskirche stufte die Texte am Sonntag als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Sie seien "aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretbar".
Der 52 Jahre alte Rentzing gilt als konservativer Theologe, der etwa die Segnung homosexueller Paare ablehnt. Er stand immer wieder in der Kritik, unter anderem, weil er sich nicht deutlich von der AfD absetzte. Zuletzt war Kritik an seiner Mitgliedschaft in einer schlagenden Studentenverbindung sowie an einem Vortrag in der "Bibliothek des Konservatismus" 2013 laut geworden.
Vollbach sagte auf die Frage, ob die Vergangenheit von Bischofskandidaten in Sachsen künftig genauer geprüft werde: "Ich gehe fest davon aus, dass das so sein wird". Dies könne etwa Mitgliedschaften in "Vereinen, Parteien, Burschenschaften oder anderen Organisationen" betreffen, ergänzte er.
Rentzing befindet sich derzeit im Urlaub. Vollbach sagte, die Kirchenleitung habe keinen Kontakt zu ihm, bemühe sich aber darum, auch um zu klären, ob der Bischof persönlichen oder geistlichen Beistand brauche.
Die Kirchenleitung will am Montag entscheiden, ob sie Rentzings Rücktrittsangebot annimmt. Sollte sie dies tun, gelte es zu beraten, wann ein Verfahren für die Nachfolge beginnen könnte, sagte Vollbach. Rentzing selbst werde nach jetzigem Stand nicht an der Sitzung teilnehmen.
Dresden (epd). Nach dem Fall des sächsischen Bischofs Carsten Rentzing hat der dortige kirchliche Weltanschauungsbeauftragte Harald Lamprecht gefordert, dass künftige Kandidaten für das Leitungsamt Vereinsmitgliedschaften nennen. "Ich halte es grundsätzlich für notwendig, dass diejenigen, die sich für ein hohes Amt bewerben, ihre bestehenden Engagements und eingegangene Verpflichtungen offenlegen", sagte Lamprecht dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dresden. Die Offenlegung aller aktuell bestehenden Mitgliedschaften gegenüber dem Wahlausschuss sollte selbstverständlich sein, ergänzte er.
Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing hatte seine als Student eingegangene Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung bei seiner Wahl verschwiegen. Nach vier Jahren im Amt wurde zudem öffentlich, dass er zwischen 1989 und 1992 Texte für die rechtskonservative Zeitschrift "Fragmente" verfasst hat. Am Montag will die Kirchenleitung darüber entscheiden, ob sie Rentzing vom Bischofsamt entbindet. Er selbst hat seinen Rücktritt angekündigt.
Die Petition, die auf einer umstrittenen Plattform für den Verbleib des Bischofs wirbt, stuft Lamprecht als "ein Manöver der Neuen Rechten" ein, die vorhandene persönliche Sympathien für Bischof Rentzing und seine konservative Grundhaltung missbrauche. Was auf den ersten Blick vielleicht wie Sympathie und Unterstützung aussehe, sei bei genauer Betrachtung Kalkül zur Stimmungsmache und zur Spaltung der Gemeinden, sagte er.
Lamprecht appellierte an konservative Christen, sich mit den Gründen der Entscheidung Rentzings zu beschäftigen, "um nicht - möglicherweise absichtsvoll gestreuten - Falschdarstellungen auf den Leim zu gehen". Grund des angekündigten Rücktritts sei nicht, das der Bischof ein Konservativer sei, sondern dass er die Kirche über seine Biografie getäuscht habe, sagte Lamprecht, der Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens ist.
Rentzing habe versucht, einen Teil seiner Vergangenheit zu verheimlichen. "Das führt zu der Frage, inwieweit dies wirklich Vergangenheit für ihn ist, oder an welchen Stellen möglicherweise doch auch die Gegenwart bestimmt", sagte er.
Dresden (epd). Nach dem angekündigten Rücktritt des sächsischen Bischofs Carsten Rentzing haben seine beiden Amtsvorgänger zur Einheit der Kirche aufgerufen. Ohne den nötigen inhaltlichen Auseinandersetzungen auszuweichen, müsse das Bemühen um Frieden und Versöhnung leitend sein, betonten die beiden früheren sächsischen Landesbischöfe, Volker Kreß und Jochen Bohl, am Sonntagabend in Dresden in einer gemeinsamen Erklärung.
"Die Ereignisse in der Landeskirche haben in den letzten Tagen viele Menschen erschreckt, gar verstört", heißt es in dem Aufruf. Es schmerze, dass die Polarisierung der Gesellschaft auch in der Kirche angekommen sei. Christen seien in einer solchen Situation gefordert, "besonnen zu bleiben, trotz unterschiedlicher Erfahrungen und Überzeugungen einander zuzuhören" und sich um Verständnis zu bemühen. Denn das Christsein bewähre sich darin, "gerade im Streit um den richtigen Weg Nächstenliebe zu praktizieren", erklärten die beiden Altbischöfe.
Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing hatte am 11. Oktober überraschend seinen Rücktritt erklärt. Er war zuvor in die Kritik geraten, seine als Student eingegangene Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung lange verschwiegen zu haben. Nach vier Jahren im Amt wurde zudem öffentlich, dass er zwischen 1989 und 1992 Texte für die rechtskonservative Zeitschrift "Fragmente" verfasst hat. Unterdessen sind Unterschriftenaktionen gestartet, die den Verbleib des Bischofs im Amt fordern. Die Kirchenleitung wollte am Montagabend darüber entscheiden, ob sie Rentzing vom Bischofsamt entbindet.
Volker Kreß war von 1994 bis 2004 Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Jochen Bohl von 2004 bis 2015.
Hannover, Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bekommt einen Antisemitismusbeauftragten. Der Berliner Theologe Christian Staffa, Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin, soll der erste "Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus" der EKD werden. Das hat der EKD-Rat am 18. Oktober in Hannover beschlossen, wie die EKD mitteilte. "Nicht erst der zutiefst beschämende Anschlag von Halle hat das bedrohliche Ausmaß antisemitischer Gewaltbereitschaft gezeigt", sagte der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.
Das neue Amt bringe zum Ausdruck, dass die evangelische Kirche unverrückbar an der Seite ihrer jüdischen Schwestern und Brüder stehe. Sie mache aber auch deutlich, dass die evangelische Kirche nicht zuletzt aus der Verantwortung für eigenes jahrhundertelanges Versagen jeder Form von Judenfeindschaft und Verachtung wachsam gegenübertreten werde. "Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen einander aus", sagte Bedford-Strohm.
Staffa solle das Amt zunächst für die Dauer der Ratsperiode wahrnehmen, teilte die EKD mit - also bis 2021. Zu seinen Aufgaben gehöre die Unterstützung der Kirchenleitungen der 20 EKD-Gliedkirchen bei ihren Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus. Der Antisemitismusbeauftragte ist wie andere Beauftragungen des Rates ein Nebenamt. Staffa soll das Amt ab sofort ausüben.
Christian Staffa wurde 1959 in Essen geboren und studierte in Berlin, Tübingen und Prag evangelische Theologie. Seit 1999 war er Geschäftsführer von Aktion Sühnezeichen, die internationale Freiwilligendienste für junge Menschen vermittelt. Der promovierte Theologe engagiert sich für den jüdisch-christlichen Dialog und hat sich mehrfach beruflich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandergesetzt. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Die Einsetzung eines EKD-Antisemitismusbeauftragten geht wesentlich auf den ehemaligen Kasseler Bischof Martin Hein zurück, der erstmals im August vergangenen Jahres dieses Amt in der evangelischen Kirche gefordert und in den zurückliegenden Monaten verstärkt darauf gedrungen hatte. Er freue sich, dass der Rat der EKD seinem Vorstoß nun gefolgt sei, sagte Hein dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag.
Hein nannte die Berufung Staffas eine "überzeugende Entscheidung". Wichtig sei es nun, dass sich der EKD-Beauftragte mit den Antisemitismusbeauftragten auf Ebene der Bundesländer, des Bundes und der Europäischen Union vernetze und zugleich die evangelische Kirche selbst in den Blick nehme. "Da tut sich negativ mehr, als wir glauben", sagte Hein, der im September als kurhessischer Bischof in den Ruhestand verabschiedet worden war.
Berlin (epd). Der erste Antisemitismusbeauftragte der evangelischen Kirche, Christian Staffa, sieht für sein Amt eine spezielle Verantwortung für die Bekämpfung von Judenhass unter Christen. Zu Recht werde auf das Versagen der Kirchen bei dem Thema hingewiesen, sagte Staffa in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Statt Judenhass zu bekämpfen, hätten die Kirchen ihn "oft genug bis hin zum Mörderischen gestärkt". Die kirchliche Tradition habe sich zu unrecht antijüdisch positioniert, sagte Staffa unter anderem mit dem Verweis auf den Juden Jesus Christus.
Nach biblisch theologischer Botschaft müssten alle Christen "Antisemitismusbeauftragte" sein, sagte Staffa und ergänzte: "Denn Antisemitismus ist Unglaube". Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte Staffa am Freitag zum ersten Antisemitismusbeauftragten berufen. Der Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin soll das Amt zunächst bis 2021 ausüben. Das Amt soll für die Solidarität der Kirche mit der jüdischen Gemeinschaft stehen und zugleich Verantwortung für die eigene Geschichte deutlich machen, hieß es am Freitag zur Begründung.
Was den Antisemitismus für Christen so attraktiv gemacht hat, sei weitestgehend unverstanden, sagte Staffa. Der Theologe sprach von einem möglichen Mechanismus: "Die eigenen Glaubensdefizite einerseits und Abgründe andererseits werden auf 'den Juden' projiziert und an ihm bekämpft." Der eigene Unglaube finde so ein Ventil. "Der Nährboden ist das christliche Selbstbild, das mit den eigenen Defiziten und Schuldgefühlen nicht umzugehen weiß. Darüber muss viel mehr gesprochen werden", sagte Staffa.
Der neue Beauftragte plädierte dafür, deutlich zu machen, wie sehr christliche und jüdische Traditionen zusammenhingen. "In der Berliner Landeskirche haben wir eine Broschüre produziert, in der wir anhand der gottesdienstlichen Liturgie jüdische Elemente aufzeigen und Möglichkeiten der Bewusstmachung dieser Verwobenheit mit der jüdischen Tradition und Gegenwart im gottesdienstlichen Handeln anbieten", sagte er.
Weimar (epd). Die christlichen Kirchen müssen aus Sicht des Leiters des Berliner Instituts Kirche und Judentum (IKJ), Christoph Markschies, stärker gegen Antisemitismus vorgehen. Auch unter Christen gebe es antisemitische Ressentiments, schrieb der Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität in einem Gastbeitrag für die in Weimar erscheinende mitteldeutsche Kirchenzeitung "Glaube + Heimat" (Ausgabe zum 20. Oktober). "Es gibt in den christlichen Kirchen nicht nur eine unselige Tradition der Judenfeindschaft, sondern nach wie vor schlimme Entgleisungen", so der Theologe.
Gegenüber absurden Positionen müsse man betonen, dass die Juden das von Gott erwählte Volk seien. "Wer dieses Volk angreift, greift auch die Christen an", unterstrich Markschies. Wer die Hebräische Bibel für einen fremden Text erkläre, entfremde sich vom Christentum. Durch die Ereignisse von Halle sei hoffentlich noch mehr Menschen deutlich geworden, dass Christen an die Seite ihrer jüdischen Geschwister gehörten.
In Halle waren vor einer Woche in der Nähe einer Synagoge zwei Menschen erschossen worden. Ein rechtsextremistischer Angreifer hatte zuvor gewaltsam versucht, in die Synagoge einzudringen, in der gerade ein Gottesdienst stattfand.
Das Institut Kirche und Judentum an der Humboldt-Universität ist ein Werk der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Das Institut will wissenschaftlich korrekte Informationen über die Geschichte und Gegenwart des Judentums für die theologische Ausbildung und die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Erfurt (epd). Thüringens Jüdische Landesgemeinde bekommt in zwei Jahren eine neu Tora-Rolle. Diese Abschrift der ersten fünf Bücher der hebräischen Bibel, der Tora, sei ein Geschenk der beiden großen Kirchen im Land, kündigten die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und das Bistum Erfurt am 14. Oktober in einer gemeinsamen Erklärung an. Zur festlichen Zeremonie zum Beginn der Abschrift würden am 23. Oktober in der Neuen Synagoge der Landeshauptstadt neben dem Vorsitzenden der Landesgemeinde, Reinhard Schramm, auch Landesbischof Friedrich Kramer (EKM) und sein katholischer Amtsbruder Ulrich Neymeyr erwartet, hieß es.
Bei der Zeremonie wird der Berliner Rabbiner Reuven Yaacobov, der als ausgebildeter "Sofer" die Berechtigung zum Schreiben der Tora-Rolle hat, mit einem Federkiel den ersten Buchstaben auf das Pergament setzen. Es handele sich um ein B(eth), mit dem das hebräische Wort "Bereschit" (deutsch: im Anfang) beginne, erklärte Bistumssprecher Peter Weidemann. Anschließend dauere es etwa noch 24 Monate, ehe alle 304.805 Buchstaben auf die Rolle übertragen sein werden. Anschließend werde die Rolle an die Landesgemeinde übergeben, wo sie im Gottesdienst zum Einsatz kommen soll.
Erhalte eine jüdische Gemeinde in Deutschland eine neue Tora-Rolle, stamme diese in der Regel aus Israel. "Dort wird sie unter Einhaltung vielfältiger ritueller Vorschriften von einem Sofer angefertigt", erläuterte Weidemann. Bei einer "Zeremonie des letzten Buchstaben" werde mit einem Fest in der Gemeinde, für die die neue Tora-Rolle bestimmt sei, die Abschrift beendet. In Deutschland sei das ein sehr seltenes Ereignis, so der Bistumssprecher.
Praktisch einmalig ist nach seiner Darstellung indes ein Fest, das dem Schreiben des ersten Buchstabens gewidmet ist. So könne sich selbst Thüringens Landesrabbiner Alexander Nachama nicht an eine einzige derartige Zeremonie in Deutschland erinnern, sagte Weidemann.
Sofer Yaacobov werde in den kommenden Monaten immer wieder nach Erfurt kommen, um öffentlich an der Tora-Rolle zu arbeiten, kündigte das Bistum an. Dazu seien bisher sechs Veranstaltungen geplant, bei der auch Gemeindemitglieder an der Arbeit beteiligt würden. Allerdings dürften sie nicht aktiv werden, sondern legten ihre Hand auf den schreibenden Arm des Sofers. Am 23. Oktober solle diese Ehre auch den beiden Bischöfen Kramer und Neymeyr zuteilwerden, so Weidemann.
Über die Kosten des Vorhabens wollte er sich nicht äußern. Bei der neuen Tora-Rolle handele es sich um ein Geschenk und da rede man nicht über den Preis, sagte Weidemann. Klar sei, "das wird nicht ganz billig".
Mit ihrem Geschenk wollten die beiden Kirchen die enge Verbundenheit von Juden und Christen unterstreichen, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Bistum und mitteldeutscher Kirche. Das Projekt sei zugleich Teil und ein Höhepunkt des Themenjahrs "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen", das mit dem jüdischen Neujahrsfest im Herbst 2020 starten soll. Das Themenjahr ist eine gemeinsame Idee von EKM, Bistum Erfurt und der Jüdischen Landesgemeinde und wird von der Landesregierung unterstützt.
"Sofer" (hebräisch: Schreiber) schreiben von Hand Tora-Rollen oder Dokumente wie Heiratsverträge. Sie werden eigens dafür ausgebildet.
Berlin (epd). Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) will den christlich-islamischen Dialog vorantreiben. Der Dialog sei in den vergangenen Jahren spannungsreicher geworden, sagte Landesbischof Markus Dröge am 14. Oktober in Berlin bei der Vorstellung einer neuen kirchlichen Orientierungshilfe für Begegnungen mit Muslimen und Kontakte zu islamischen Organisationen. Für manche Menschen stehe bereits "der Dialog unter Verdacht", betonte Dröge. Dadurch entstehe eine feindliche Haltung gegenüber Muslimen.
Die Gefahr eines Generalverdachts auch gegenüber denen, die den Dialog führen, stehe im Raum, betonte Dröge. Die Debatte müsse dringend versachlicht werden. Die bereits "spannungsgeladene Situation" habe sich in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek. Die Antwort darauf sei jedoch "nicht weniger, sondern mehr Dialog".
Ziel sei auch, eine vertrauensvolle Basis zu finden, auf der auch kritische Fragen wie die Haltung zu den Menschenrechten und die Rolle der Frau thematisiert werden können, sagte Dröge: "Ein Dialog ist dann ein guter Dialog, wenn die eigenen Positionen auch benannt werden." Die "heiklen Themen und die heißen Eisen" müssten im Dialog angesprochen werden. Mazyek betonte, für den Dialog sei es wichtig, dass niemand seine Überzeugungen ablegen müsse. Jeder müsse für seinen Wahrheitsanspruch, seine Botschaft und seine Religion einstehen. Für den Dialog der Religionen gebe es inzwischen auch mehrere Kirchenbeauftragte in der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland.
Vertrauen zu wagen und auf Dialog zu setzen, bedeute nicht, dabei blauäugig und naiv zu sein, betonte der landeskirchliche Pfarrer für den interreligiösen Dialog, Andreas Goetze. Es sei jedoch "an der Zeit, nicht nur gegenseitig Forderungen" zu stellen, sagte Dröge. Der christlich-muslimische Dialog brauche ein neues Fundament.
Die fast 150 Seiten starke Broschüre mit Internettipps und Literaturverzeichnis gibt Informationen über muslimisches Leben in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz, über islamische Vereine und Organisationen, religiöse Traditionen. Ein Glossar erläutert Begriffe wie Scharia, Zuckerfest, Hodscha und Moschee und die "Fünf Säulen des Islam". Das Kapitel "Kontakte knüpfen mit einer Moscheegemeinde" gibt Hinweise für den Aufbau von Beziehungen.
Auch kritische Fragen sind nicht ausgespart. Voraussetzung für eine "gesellschaftlich bedeutsame und öffentlich wahrgenommene Zusammenarbeit" sei, dass alle Beteiligten die Menschenrechte, das Grundgesetz und das Gewaltmonopol des weltanschaulich neutralen Rechtsstaats anerkennen, heißt es in der Orientierungshilfe. Das bedeute jedoch nicht, dass dies bei christlich-muslimischen Begegnungen auf lokaler Ebene bereits vorab eingefordert werden müsse. Auch Christen werde schließlich keine Distanzierung von Kreuzzügen, Ketzerverbrennungen und Missbrauchsskandalen abverlangt.
Die Orientierungshilfe soll auch bundesweit in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) genutzt werden können, sagte Goetze. Die Broschüre sei ein Beitrag zur Förderung des Dialogs, betonte Mazyek: "Insgesamt finde ich es ein starkes Papier."
Potsdam/Berlin (epd). Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch haben dem Berliner Landesbischof Markus Dröge zum 65. Geburtstag gratuliert. Dröge sei ein "Demokrat durch und durch", erklärte Woidke am 15. Oktober in Potsdam. Er kenne den Theologen als "Mann klarer Worte", der stets deutlich und unmissverständlich in seiner Haltung sei, betonte Woidke in einem Glückwunschbrief an den Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Dröge wird am 15. Oktober 65 Jahre alt.
Dröge stehe für eine "ökumenische Zusammenarbeit, die sich bewährt und Früchte trägt", erklärte Erzbischof Koch am 15. Oktober in Berlin. Dafür sowie für seine Offenheit, Freundschaft, für "gute Gespräche, manche Auseinandersetzungen und ein großes Vertrauen" gebühre ihm großer Dank.
Dass Dröge Sohn eines Diplomaten ist, habe er "in doppelter Hinsicht" als sehr angenehm wahrgenommen, betonte Koch. Er schätze die diplomatische und besonnene Art des Theologen "und gleichzeitig die im wahrsten Sinne des Wortes ökumenische, weltläufige Sicht auf die Welt, als deren Nabel wir Deutsche uns allzu oft missverstehen". Koch dankte Dröge zugleich für sein "gesellschaftspolitisches Engagement immer in einem guten Miteinander".
Dröge führe "immer aufs Neue das Gespräch mit Gleichgesinnten und Andersdenkenden", betonte Woidke: "Sie werden nicht müde, unsere Demokratie zu verteidigen und aktives Handeln für eine menschlichere Welt einzufordern." Vor der Lebensleistung des Theologen habe er "größten Respekt" und danke zugleich dafür.
Markus Dröge wurde am 16. Oktober 1954 in Washington D.C. in den USA geboren, war Pfarrer und Superintendent in Koblenz und wurde 2009 in Berlin zum Nachfolger von Bischof Wolfgang Huber gewählt. Der promovierte Theologe, der auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört, geht nach zehnjähriger Amtszeit als Bischof Mitte November in den Ruhestand. Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige Berliner Propst Christian Stäblein gewählt.
Bischof Dröge habe sich in seiner Amtszeit als Brückenbauer zwischen Ost und West, aber auch zwischen den unterschiedlich geprägten Regionen der Landeskirche verstanden, erklärte die evangelische Landeskirche. Einer der Schwerpunkte seiner Amtszeit sei die Weiterführung des Reformprozesses gewesen. Bischof Dröge sei es ein großes Anliegen, für die ganz unterschiedlichen Regionen der Landeskirche belastbare Strukturen zu erarbeiten, damit die evangelische Kirche als eine "einladende, den Menschen zugewandte und auch gesellschaftlich engagierte Kirche erlebbar" sei.
Auch der christlich-jüdische und der interreligiöse Dialog seien ein wichtiges Thema Dröges, betonte die Landeskirche. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Amtszeit war die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus.
Dröge wird nach Angaben der Landeskirche bis zum Ende der Wahlperiode 2021 im Rat EKD weiterarbeiten und Aufsichtsratschef im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung bleiben. Auch die Mittelost-Kommission der EKD wird er weiter leiten und den Vorsitz in den Kuratorien der Stiftungen beibehalten, die die Arbeit der EKD in der Erlöserkirche und auf dem Ölberg in Jerusalem tragen.
Berlin (epd). Die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz kommt vom 23. bis 26. Oktober zu ihrer diesjährigen Herbsttagung zusammen. Auf der Tagesordnung der Beratungen in Berlin stehen unter anderem Reform- und Finanzfragen, die Neubesetzung der theologischen Leitung des Konsistoriums und die Einführung eines eigenes Intranets für die gesamte Landeskirche. Geplant ist unter anderem die Verabschiedung eines rund 417 Millionen Euro umfassenden Haushalts für 2020, für 2021 sind rund 426 Millionen Euro vorgesehen.
Bei der Synodentagung wird Bischof Markus Dröge zum letzten Mal in einem Bischofswort zu gesellschaftspolitischen und kirchlichen Fragen Stellung beziehen. Seine zehnjährige Amtszeit endet Mitte November mit seinem Ruhestand. Nachfolger im Bischofsamt wird Propst Christian Stäblein. Die Synode will in der kommenden Woche auch über die Nachfolge im Propstamt entscheiden. Kandidatinnen sind die Theologinnen Christina-Maria Bammel und Barbara Hustedt. Beide sind im Konsistorium der Landeskirche in Berlin tätig.
Die 114 Kirchenparlamentarier vertreten gut 900.000 evangelische Christen in Berlin, Brandenburg und der Region Görlitz in Sachsen. Mitglieder der Synode sind neben Bischof und Propst unter anderem die Vorsitzende der bundesweiten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und frühere Bundesministerin Irmgard Schwaetzer, der Jurist und frühere Verwaltungschef des Deutschen Bundestags, Harro Semmler, die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Sabine Kunst, und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann.
Berlin (epd). Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat erneut mehr Kirchensteuern eingenommen. Von Januar bis Juli 2019 seien in Berlin und Brandenburg knapp 6,5 Prozent und in Sachsen knapp 3,7 Prozent mehr Kirchensteuern eingegangen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, heißt es in einer Vorlage der Kirchenleitung für das Kirchenparlament, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Die Synode kommt in der kommenden Woche zu ihrer Herbsttagung in Berlin zusammen.
Hintergrund seien die gute Wirtschaftslage und die Entwicklung der Löhne und Gehälter im Gebiet der Landeskirche, hieß es weiter. Trotz sinkender Gemeindemitgliederzahlen seien die Kirchensteuereinnahmen in den vergangenen Jahren deshalb regelmäßig gestiegen.
2018 seien rund 259 Millionen Euro Kirchensteuern eingenommen worden, knapp vier Prozent mehr als im Vorjahr, hieß es. Davon seien fast zehn Millionen Euro Steuern auf Kapitalerträge gewesen. Für 2019 soll ein knapp 409 Millionen Euro umfassender Nachtragshaushalt beschlossen werden, vorgesehen waren bisher rund 395 Millionen Euro.
Für 2020 sind im vorliegenden Haushaltsentwurf rund 417 und für 2021 rund 426 Millionen Euro eingeplant. Im Finanzierungsprogramm für Stadtkirchen und Gemeindestandorte sind für 2020 und 2021 jeweils 1,5 Millionen Euro vorgesehen. Zehn Prozent der für die beiden kommenden Jahren erwarteten Kirchensteuereinnahmen sollen in die sogenannte Versorgungsrückstellung gehen. Damit sollen vor allem Pensionen und andere Verpflichtungen gegenüber Pfarrern und Kirchenbeamten abgesichert werden.
Potsdam/Berlin (epd). Die Debatte über den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms wird erneut Thema in der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. In einer "Frage an die Kirchenleitung", die bei der Synodentagung beantwortet werden soll und dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, bittet der Potsdamer Synodale Harald Geywitz unter anderem um Auskunft darüber, wie das kirchliche Konzept von Friedens-, Versöhnungs- und Bildungsarbeit am ehemaligen Standort der Garnisonkirche derzeit umgesetzt wird.
Weiter fragt Geywitz, ob es "über den einmal jährlich stattfindenden Potsdamer Friedensdiskurs hinaus, auf den die Resonanz eher gering ist, weitere Aktivitäten" gibt. Der Synodale erbittet mit Blick auf die Friedens- und Versöhnungsarbeit auch Auskunft darüber, ob "zukünftige Schwerpunktsetzungen oder entsprechende Planungen bekannt" sind und wie und mit welchen Mitteln sie umgesetzt werden.
In Potsdam sorgt unterdessen ein Vorstoß der Initiative "Mitteschön", das Kirchenschiff als Konzertsaal wieder aufzubauen, für Diskussionen. Dies hatte vor einigen Jahren bereits Brandenburgs Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) vorgeschlagen. Die Initiative "Potsdam ohne Garnisonkirche" forderte am Freitag erneut einen "Bau- und Förderstopp für die Turmkopie".
Die Garnisonkirche wurde 1945 weitgehend zerstört und 1968 abgerissenen. Derzeit wird ein Neubau des Kirchturms nach historischem Vorbild errichtet. Das Projekt ist in der Stadt umstritten. Die preußische Militärkirche wurde 1933 von den Nazis zur Reichstagseröffnung genutzt.
Berlin (epd). Die 24. Kunstauktion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) zugunsten von Migranten- und Flüchtlingsprojekten hat am Wochenende 28.000 Euro erbracht. Allein die Auktion vom Sonntag in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche habe 22.000 Euro eingespielt, sagte eine Sprecherin am 14. Oktober dem evangelischen Pressedienst (epd). Unter den Hammer kamen 112 Werke darunter Arbeiten von Kani Alavi, Elvira Bach, Max Beckmann, aber auch von jungen Künstlern wie Christian Awe, Judith Crawford, Christin Lutze und Mirjam Siefert.
Weitere rund 450 Werke wurden am Samstag und Sonntag im Galerieverkauf angeboten. Dieser erbrachte den Angaben zufolge 6.000 Euro. Die Schirmherrschaft für die Kunstauktion hatten die Entertainerin Gayle Tufts und Bischof Markus Dröge. Der Gesamterlös kommt traditionell Projekten für Flüchtlinge und Migranten zugute, die von der Landeskirche getragen oder gefördert werden. In den bisher 24 jährlichen Auktionen sind insgesamt mehr als 810.000 Euro zusammengekommen.
Sacrow (epd). Einst von der DDR-Grenze abgeriegelt und entstellt, inzwischen Unesco-Weltkulturerbe: 1844 wurde die Sacrower Heilandskirche an der Havel vor den Toren Potsdams eingeweiht. Wie ein antikes Schiff, das am Flussufer vor Anker liegt, wird sie mitunter poetisch beschrieben. Doch 1961 fiel das Werk des preußischen Baumeisters Ludwig Persius der Politik zum Opfer. Die deutsch-deutsche Grenze verlief quer über das Kirchengelände. Der Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren war auch für das Denkmal eine Befreiung.
1961 wurde in der evangelischen Kirche der letzte Weihnachtsgottesdienst nach dem Mauerbau gefeiert, erst 1989 nach Öffnung der Grenze der nächste. Die Gemeinde der Sacrower Heilandskirche habe dies mit Unterstützung des Senats und des DDR-Übergangsregierungschefs Hans Modrow (SED) erreicht, schreibt der damalige West-Berliner Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD) in seinen Erinnerungen über diesen Gottesdienst: "Man hatte Stühle, Kerzen und eine Bauheizung hergeschafft."
"Es war ein merkwürdiges Gefühl, als Manfred Stolpe uns vor der Hinterlandmauer empfing und an den Warnschildern des Grenzgebiets vorbei durch den Grenzzaun ins Niemandsland geleitete", schreibt Momper: "Ich empfand Beklemmung, als ich an den unbesetzten Wachtürmen vorbei durch den Todesstreifen ging."
Mit dem Bau der Mauer wurde einst der Glockenturm im italienischen Stil zum Teil der DDR-Grenzanlagen, die Betonplatten wurden direkt neben den Turm gesetzt. Wenige Tage nach dem Weihnachtsgottesdienst 1961 wurde der Innenraum samt Altar und Orgel auf dem von den DDR-Grenztruppen streng bewachten Gelände zerstört. Eine weitere Nutzung war damit nicht mehr möglich. Knapp drei Jahrzehnte stand die evangelische Kirche dann im DDR-Niemandsland im Sperrgebiet der Grenzanlagen.
Der angrenzende, einst von Peter Joseph Lenné angelegte Landschaftspark und das nahegelegene Gutshaus wurden vom Zoll der DDR genutzt. Garagen, andere Gebäude und eine Anlage zur Ausbildung von Zollhunden mit nachgebauter Grenzübergangsstelle wurden im Park errichtet.
Die Sacrower Heilandskirche war zwar noch von West-Berlin aus zu sehen, aber weder von Ost noch West aus zu erreichen. Mitte der 80er Jahre wurde auf Initiative des damaligen West-Berliner Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker (CDU) nach langen Verhandlungen zwischen Kirche und DDR-Regierung die Fassade der Kirche instandgesetzt.
Von West-Berlin aus habe man "voller Staunen und Sehnsucht" zur Kirche hinüberblicken können, hat sich Weizsäcker einmal in einem Interview erinnert: "Die Heilandskirche stand da ungenutzt, allmählich verfallend." Dem späteren Bundespräsidenten, der damals auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehörte, gelang es, Mittel dafür aufzutreiben, obwohl die Heilandskirche für viele nicht ganz vorn auf der Prioritätenliste stand. Die EKD habe vor allem für die Gemeindehäuser in der DDR etwas tun wollen, hat Weizsäcker in dem Interview gesagt: "Und ich für die Heilandskirche."
Nur wenige Jahre später war die Kirche dann plötzlich wieder zugänglich. Selten habe die Beseitigung der Grenzanlagen der DDR auch optisch eine so befreiende Wirkung gehabt wie an der Sacrower Kirche, haben die Veranstalter der Reihe "Kulturland Brandenburg" die jüngste Geschichte des Bauwerks vor einigen Jahren zusammengefasst. Ein "selten schöner Ort" habe so durch den Mauerfall wiederhergestellt werden können.
Seit 1990 gehört die Heilandskirche mit ihren zierlichen Fassadenstreifen aus blau glasierten Kacheln, ihrem Säulengang am Wasser und dem freistehenden Glockenturm zum Unesco-Weltkulturerbe. Nach dem Ende der DDR konnte auch der Innenraum restauriert werden. Die Kirche ist zum beliebten Ausflugsziel und Hochzeitsort geworden. Seit 1995 werden dort wieder regelmäßig Gottesdienste gefeiert, einmal im Jahr wird zum Abschluss der Wassersportsaison zum Sportschiffer-Gottesdienst unter freiem Himmel eingeladen.
Die Geschichte der Heilandskirche und des Heiligabend-Gottesdienstes habe ihn immer besonders berührt, sagt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge: "Die Mauer stand noch, doch die Todeszone hatte ihren Schrecken verloren." Menschen aus Ost und West hätten in dem entkernten Gotteshaus dicht an dicht beieinandergestanden, betont Dröge: "Im Niemandsland ereignete sich so am 24. Dezember 1989 das Wunder der Weihnacht."
Frankfurt a.M. (epd). Als die Wahl gelaufen war, gab Margot Käßmann einen Einblick in ihr Gefühlsleben. Sie zitierte am Vormittag des 28. Oktober 2009 vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Ulm ihre Großmutter. "Wem der liebe Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch die Kraft es auszufüllen", habe die Oma ihr nach der Ordination zur Pfarrerin mit auf den Weg gegeben. "Auf diese Kraft hoffe ich", sagte Käßmann wenige Minuten nach ihrer Wahl zur EKD-Ratsvorsitzenden - als erste Frau in dieses Amt.
Während es rückblickend nahezu vorgezeichnet schien, dass die damals 51 Jahre alte prominente Theologin zur obersten Repräsentantin der deutschen Protestanten aufsteigt, war das für Käßmann vor zehn Jahren keineswegs klar: "Dass die Synode sich für mich entscheidet, als geschiedene Frau, war alles andere als vorhersehbar."
Zwei Wochen vor der EKD-Tagung habe sie noch einmal mit engen Freunden beraten. "Die Anforderungen vor allem in Bezug auf die mediale Präsenz waren enorm gestiegen", erinnert sich Käßmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wolfgang Huber hatte Maßstäbe gesetzt: Das waren große Schuhe, in die ich treten würde."
Von der intensiven Selbstbefragung ist nach Beginn der Synodenberatungen Ende Oktober in Ulm wenig zu erahnen. Bei ihrer souveränen Vorstellungsrede am Sonntagabend zeigt die damalige hannoversche Landesbischöfin einmal mehr ihre Gabe, zugleich als versierte Theologin, fromme Christin und Frau mitten im Leben aufzutreten.
Bei der Wahl in den Rat am folgenden Dienstag bekommt sie das mit Abstand beste Ergebnis der 13 Gewählten: 103 von 145 abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang. "Da wusste ich: Die evangelische Kirche will mich als Ratsvorsitzende", erinnert sich Käßmann. In den nächsten Tag mit der Wahl zur Vorsitzenden sei sie entsprechend gelassen gegangen, 132 Ja-Stimmen von 142 abgegebenen Voten entfallen auf Käßmann.
Damit hatte sich die EKD für eine weibliche Doppelspitze entschieden, nachdem die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt im Mai als Präses an die Spitze der Synode gewählt worden war. Nach dem Votum für Käßmann sagte Göring-Eckardt, die Doppelspitze zweier Frauen sei "wunderbar normal evangelisch".
Zehn Jahre lang steht Käßmann bei der Ratswahl 2009 bereits an der Spitze der hannoverschen Landeskirche, ist neben dem Ratsvorsitzenden Huber das mit Abstand prominenteste Gesicht der evangelischen Kirche. Im Gegensatz zum Amtsvorgänger wirkt die zierliche Frau mit den kurzen schwarzen Haaren nahbarer, auch weil die Mutter von vier Töchtern sehr offen mit persönlichen Schicksalsschlägen wie dem Scheitern ihrer Ehe und ihrer Brustkrebserkrankung umgeht.
Schnell zeigt sich in den nächsten Wochen, wie das Ehrenamt als Ratsvorsitzende die hannoversche Bischöfin parallel zur Leitung der größten Landeskirche fordert. Käßmanns beherztes Eintreten gegen eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik sorgt für Schlagzeilen. Nachdem sie in einer Predigt den Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" ausgesprochen hat, setzt eine intensive Debatte über den Bundeswehreinsatz ein. Schließlich kommt es zu einem Treffen Käßmanns mit Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) und einer Einladung des Verteidigungsministers, sich doch selbst in Afghanistan ein Bild zu machen.
Zu der Reise kommt es nicht mehr. Nach nicht einmal vier Monaten im Amt tritt Käßmann am 24. Februar 2010 von allen kirchlichen Leitungsämtern zurück und zieht damit die Konsequenz aus einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss. 2012 wird Käßmann Botschafterin des EKD-Rates für das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr geht sie mit 60 Jahren in den Ruhestand. Auch wenn heute die Familie mit inzwischen sechs Enkelkindern mehr Raum im Leben der Ruheständlerin einnimmt, bleibt die prominente Protestantin als Autorin, Gastpredigerin und Vortragsreisende öffentlich präsent.
Dass ihr als erste Frau an der EKD-Spitze mit Nikolaus Schneider und Heinrich Bedford-Strohm wiederum zwei Männer gefolgt sind, betrachtet Käßmann gelassen. Seit ihrer Wahl vor zehn Jahren sei klar, dass Frauen in der evangelischen Kirche alle Leitungsämter offenstehen. Dass es bis heute deutlich weniger Bischöfinnen als Bischöfe gibt, könne auch daran liegen, dass Frauen nicht so stark nach Ämtern streben. "Sie fragen sich häufiger, was das Leben eigentlich ausmacht, und kommen dabei oft zu anderen Antworten als Männer."
München/Stockholm (epd). Lachend stehen Claudia Häfner und ihre Freundin Katarina Freisleder vor dem Gebäude der Technischen Universität München. Zur Amtsübergabe des neuen Präsidenten tragen beide ein figurbetontes, knielanges schwarzes Kleid mit weißem, ringförmigem Stehkragen, einem Kollar. Die zwei Frauen sind Pfarrerinnen der Evangelischen Hochschulgemeinde an der TU und Fans der Kleidung von "Casual Priest".
Hinter "Casual Priest" steht die schwedische Modedesignerin Maria Sjödin. Die Idee kam ihr vor etwa 17 Jahren: Eine befreundete Pfarrerin bat sie darum, ihr ein Oberteil zu entwerfen. Sie war nicht glücklich mit der herkömmlichen Kleidung für Geistliche, die offensichtlich für Männer entworfen wurde.
Sjödin entdeckte eine Marktnische. "Maßgeschneidert, modern, selbstbewusst und stylish", so beschreibt sie ihre Kollektion für Pfarrerinnen. Genug potenzielle Kundinnen sind da: 40 Prozent der Geistlichen in der evangelisch-lutherischen Kirche in Schweden sind weiblich. Auch in Deutschland studieren mehr Frauen als Männer Theologie. Und auch in der Bundesrepublik gibt es außer der klassischen Talarschneiderei keine Boutique, die geistliche Mode speziell für Frauen anbietet.
"Ich will, dass sich Frauen im kirchlichen Dienst wohlfühlen und Selbstbewusstsein ausstrahlen", sagt Sjödin. Beim Design orientiert sich die Schwedin am klassischen Kollarhemd mit breitem weißem Stehkragen, einem Erkennungszeichen für Geistliche. Sjödin benutzt aber moderne Stoffe und Schnitte. Die Kleider, T-Shirts und Langarmhemden sind im Online-Shop neben Schwarz auch in Blau, Khaki, Grau und gemustert erhältlich. Die meisten Käuferinnen erreicht die Modemacherin über die sozialen Netzwerke. Auf dem Berliner Kirchentag 2017 stellte sie ihre Kollektion in einem Pop-up-Store aus.
Unter den Hashtags "#casualpriest" und "#casualprieststories" posten Pfarrerinnen aus aller Welt Fotos mit Kleidungsstücken der Designerin. Neben Deutschland, den USA, Österreich und Norwegen kommen die meisten der inzwischen rund tausend Beiträge aus Schweden. Hier tragen einige Frauen das Kollarhemd in Kombination mit einer bunten Blumen-Bluse oder auffälligem Schmuck.
Claudia Häfner mag es lieber dezent. Mit dem Talar fühle sie sich bei beruflichen Terminen außerhalb der Kirche oft verkleidet, erzählt sie. "Und unpraktisch ist er auch", ergänzt sie und lacht. Treppenlaufen, Taufe im See, alles wird zur Herausforderung mit dem langen Gewand.
Ihr schlichtes, schwarzes "Casual Priest"-Kleid trägt sie bei akademischen Veranstaltungen oder auch einem Laternenumzug. "Ich bin total überzeugte Christin und möchte, dass ich erkannt werde und Leute sich trauen, mich anzusprechen", sagt Häfner.
Bisher habe sie fast nur positive Reaktionen auf ihr Outfit bekommen, erzählt die vierfache Mutter. Vor allem junge Leute seien angetan. Auch ihre Kinder fänden ihre neue Berufskleidung cool. Bald möchte sich die Theologin ein weiteres Kleid kaufen. "Da warte ich noch auf einen Anlass", sagt Häfner. Schließlich sind die Kleidungsstücke mit 200 bis 300 Dollar nicht günstig.
Josephine Teske hat sich trotzdem gleich vier Teile bestellt. Die 33-jährige Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Büdelsdorf in Schleswig-Holstein ist noch relativ frisch im Amt. Schnell habe sie festgestellt, dass Menschen sie nach dem Gottesdienst ohne Talar nicht mehr erkennen. Oft sei sie als junge, blonde Frau nicht ernst genommen worden, erinnert sie sich zurück.
"Casual priest" hat sie im Internet gefunden. Seitdem ist die Pfarrerin etwa bei Empfängen mit der Kollarmode gekleidet. Und seitdem, so berichtet die zweifache Mutter, komme sie plötzlich auch etwa mit Politikern ins Gespräch.
Für Männer hat Designerin Sjödin ebenfalls einige Modelle im Sortiment. Die hat Steve Kennedy Henkel vor einigen Jahren für sich entdeckt. Der 31-jährige Pfarrer an der Erlöserkirche München trägt entweder sein schwarzes T-Shirt oder sein marineblaues Langarmshirt aus der "Casual Priest"-Serie unter dem Talar. Bei außerkirchlichen Terminen wie zum Beispiel Konfirmandenelternbesuchen kombiniert er die Teile mit Jeans und Chucks. Mit dem Kollarshirt fühle er sich trotzdem seriös, sagt der junge Geistliche, der sich in der bayrischen Landeskirche um den Pfarrer-Nachwuchs kümmert.
Auch er höre überwiegend Komplimente für seinen Look. Viele wollten wissen, wo er Hemd und Shirt gekauft hat. Nur einige ältere Kollegen seien skeptisch. Sie würden das Kollar immer noch mit "katholisch" assoziieren, erzählt der Münchner. "Ich will, dass Kirche sichtbar und sexy in der Öffentlichkeit auftritt", betont er. Auf seinem Instagram-Profil lädt der modebegeisterte Pfarrer regelmäßig Selfies mit seinen Kollarshirts hoch.
Auch Josephine Teske postet Bilder in Casual-Priest-Kleidung auf Instagram. "Ich möchte anderen Frauen zeigen: Guckt! So was gibt's für uns", sagt die junge Theologin und betont: "Ich verstecke meinen Körper nicht, nur weil ich ein Amt innehabe."
Berlin (epd). Die katholische Kirche will sich anders als die evangelische nicht an einem eigenen Schiff zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer beteiligen. Er sehe im Moment nicht, "dass wir das auch noch tun sollten", sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am 16. Oktober in Berlin. "Die Deutsche Bischofskonferenz wird da jetzt nicht ein eigenes Schiff auf den Weg bringen. Das ist nicht unsere Aufgabe", sagte Marx.
Der Kardinal sagte, die europäische Grenze dürfe keine Grenze des Todes sein. Jede zivile Aktion könne er verstehen und unterstützen. Dennoch blieb er bei seiner Zurückhaltung gegenüber den Plänen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Nach einer Resolution des Kirchentags hatte sie entschieden, gemeinsam mit anderen Organisationen einen Verein zu gründen, der ein eigenes Rettungsschiff ins Mittelmeer entsenden will. Als Kirche müsse man auch zugeben, dass man kein politischer Akteur sei, sagte Marx.
Frankfurt an der Oder (epd). Zur ersten deutsch-polnischen ökumenischen Konsultation der Bischöfe an Oder und Neiße sind am 15. Oktober fast 20 evangelische und katholische Theologen aus beiden Ländern zusammengekommen. Der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch betonte in seiner Predigt zur Eröffnung der Konsultation in Frankfurt an der Oder, zwischen Deutschland und Polen gebe es trotz der Geschichte von menschlichem Leid und Krieg viele Gemeinsamkeiten.
Dazu zählten Brücken sozialer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Art, familiäre Bindungen und der christliche Glaube, betonte Koch in dem Gottesdienst in der evangelischen Sankt-Gertraud-Kirche. Auch das gemeinsame Gedenken am 1. September an den Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem deutschen Überfall auf Polen 1939 stehe für die Hoffnung auf ein friedvolles Miteinander in einem vereinten Europa.
Nach Angaben der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sind künftig regelmäßige deutsch-polnische ökumenische Konsultationen geplant, um auf Grundlage der "Charta Oecumenica" die gute Nachbarschaft der Kirchen zu vertiefen und einen Beitrag zur europäischen Versöhnung und Annährung zu leisten. Als Auftakt-Termin sei bewusst der Namenstag der Heiligen Hedwig, der Patronin Schlesiens und deutsch-polnischen Brückenbauerin, gewählt worden, hieß es weiter.
Berlin (epd). Die Sonderbriefmarke zu Weihnachten zugunsten der freien Wohlfahrtspflege zeigt in diesem Jahr ein klassisches Motiv: die Geburt Christi. Abgebildet ist das Motiv eines Kirchenfensters der Kathedrale Notre-Dame in Chartres. Es zeigt die Krippenszene aus der Weihnachtsgeschichte. Am 14. Oktober wurde die Sondermarke in Berlin präsentiert. Sie feiert in diesem Jahr 50. Geburtstag. 1969 wurde die erste dieser Weihnachtsbriefmarken in den Verkauf gebracht.
Seitdem werden die Weihnachtsmarken mit einem Aufpreis als Spende von der Post verkauft. In diesem Jahr kostet die Marke 1,20 Euro. 40 Cent davon kommen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zugute. Seit 1969 brachten die Marken nach Angaben des Bundesfinanzministeriums einen Erlös von rund 119 Millionen Euro.
Die Kathedrale im französischen Chartres wurde den Angaben zufolge zwischen 1194 und 1260 erbaut. Sie gehört zu den größten gotischen Bauwerken in Europa und beherbergt die älteste Sammlung von Farbglanzfenstern. Das auf der Marke abgebildete Motiv stammt demnach von einem der ältesten Fenster.
Weimar, Hannover (epd). Die "Orgel des Monats" Oktober der Stiftung Orgelklang steht im thüringischen Großobringen im Norden Weimars. Der Erhalt des fast 200 Jahre alten Instrumentes in der Kirche St. Peter und Paul werde mit 4.000 Euro unterstützt, teilte die Stiftung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 14. Oktober in Hannover mit. Ab dem kommenden Jahr soll die Orgel vermehrt auch für Konzerte zur Verfügung stehen, hieß es.
Schöpfer des zweimanualigen Instruments ist den Angaben zufolge Johann Christian Adam Gerhardt (1780-1837), der letzte Vertreter einer bekannten Familie von Orgelbauern in Ostthüringen. Experten loben laut Stiftung die handwerkliche Qualität und die Klangvielfalt der Orgel, die vollständig wiederhergestellt werden soll.
Nach den Windladen und den Pfeifen werde derzeit das Pedal der Gerhardt-Orgel saniert. Dabei handele es sich um das letzte Puzzlestück der umfassenden Sanierung. Die Gesamtkosten liegen den Angaben zufolge bei rund 85.000 Euro.
Zum 200-jährigen Geburtstag des Instruments im Frühjahr 2020 soll das Instrument mit einem Gottesdienst und einem Konzert wieder eingeweiht werden. Neben dem Einsatz bei Gottesdiensten und Konzerten soll die Orgel auch für Studierende der Weimarer Musikhochschule zur Verfügung stehen, kündigte die Stiftung an.
Die Stiftung Orgelklang präsentiert jeden Monat ein Instrument. 2019 will sie nach eigenen Angaben 14 Projekte in einem Gesamtumfang von 59.000 Euro unterstützen. Seit 2010 habe sie 187 Förderungen mit einem Gesamtumfang von mehr als 1,3 Millionen Euro zugesagt.
Dessau-Roßlau (epd). Mit einem Festwochenende am 25. und 26. Oktober feiert die Evangelische Grundschule Dessau ihre Gründung vor 20 Jahren. Getragen wird die Schule seit 2012 von der Evangelischen Landeskirche Anhalts, der Hort seit der Schulgründung von der Anhaltischen Diakonissenanstalt, wie ein Sprecher der anhaltischen Landeskirche am 18. Oktober in Dessau-Roßlau mitteilte. Am 25. Oktober gibt es unter anderem einen Thementag für die Schüler mit der Aufführung eines Musicals und um 17 Uhr einen Festgottesdienst in der Petruskirche Dessau sowie einen Empfang am Abend im Andachtsraum der Schule.
Am 26. Oktober ist ein Treffen mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern der Grundschule geplant. Bildungsdezernentin und Oberkirchenrätin Ramona Eva Möbius aus dem Dessauer Landeskirchenamt sagte, dass es jedes Jahr wieder Wartelisten für die ersten Klassen gebe, zeige, dass das Konzept der Schule aufgehe. "Die evangelischen Schulen in Trägerschaft unserer Landeskirche sind sinn- und werteorientiert ausgerichtet und wollen helfen, Überzeugungen zu bilden. Die Schulgemeinschaft orientiert sich am christlichen Menschenbild", so Möbius.
Die Evangelische Grundschule Dessau hat den Angaben zufolge derzeit 163 Schülerinnen und Schüler und ein Team aus 17 Pädagoginnen. Die anhaltische Landeskirche ist auch Trägerin weiterer Grundschulen in Köthen, Bernburg und Zerbst. Die Dessauer Schule wurde nach Köthen als zweite evangelische Schule in Anhalt im Jahr 1999 gegründet. Trägerin bis 2012 war die Diakoniegesellschaft Wohnen und Arbeiten.
Magdeburg (epd). Der Caritasverband für das Bistum Magdeburg steht ab Januar unter einer neuen Leitung. Die 54-jährige Cornelia Piekarski wurde am 15. Oktober von Bischof Gerhard Feige zur neuen Direktorin ernannt, wie ein Sprecher des Caritasverbandes am 15. Oktober in Magdeburg mitteilte. Damit werde sie Mitglied in einem dreiköpfigen Vorstand sein, gemeinsam mit Domkapitular Thomas Thorak als Vorstandsvorsitzenden und Ralf Breuer als Finanzvorstand. Piekarski folgt dann zum Jahresanfang 2020 auf Klaus Skalitz, der seit 2013 als Diözesan-Caritasdirektor fungierte und in den Ruhestand geht.
Cornelia Piekarski ist gebürtige Berlinerin und studierte Sozialpädagogik und Sozialarbeit sowie Organisationsentwicklung in Berlin und Kassel. Über ein Jahrzehnt lang war sie als Bereichs- und Einrichtungsleitung bei der Caritas Kinder- und Jugendhilfe gGmbH tätig, weitere zwölf Jahre als Geschäftsführerin des Albert-Schweitzer-Kinderdorfes Berlin. Bischof Feige lobte ihre breiten Fachkenntnisse in den unterschiedlichsten Feldern der sozialen Arbeit: "Sie kennt ehrenamtliches wie professionelles Engagement in kirchlichen Strukturen."
Piekarski kündigte an, die christliche Wertehaltung durch den konkreten Einsatz für die Menschen im Bistum erlebbar werden zu lassen. Dazu zählte nach ihren Worten auch die klare und eindeutige Positionierung zu sozialpolitischen Themen. Zudem wolle sie den Fokus auf die sozialräumliche Entwicklung in den Städten und vor allem in den ländlichen Regionen des Bistums richten.
Berlin (epd). Eine der großen Krankenkassen, die DAK, mischt sich in die Debatte um die steigenden Eigenbeiträge von Pflegeheimbewohnern ein und fordert hohe Steuerzuschüsse zur Entlastung. Der Vorstandschef der DAK und frühere saarländische Gesundheitsminister Andreas Storm sagte am 16. Oktober in Berlin bei der Vorstellung des "Pflegereports 2019", wenn nichts geschehe, treibe man schon Mitte der 2020er Jahre eine halbe Generation von Heimbewohnern in die Sozialhilfe.
Heute sind etwa 30 Prozent auf Sozialhilfe angewiesen, weil ihre Rente für die Pflege im Heim nicht reicht. Einer Allensbach-Umfrage im Auftrag der DAK zufolge haben knapp 80 Prozent der Bevölkerung die Befürchtung, dass sie trotz der Pflegeversicherung bei einer Pflege im Heim sämtliche Ersparnisse verlieren würden.
Der für den DAK-Pflegereport verantwortliche Pflegewissenschaftler Thomas Klie sagte, die Bevölkerung habe genaue Vorstellungen davon, was Pflege koste, und schätze ihre Situation richtig ein. Er drang darauf, nicht nur die Belastungen bei stationärer Pflege zu reduzieren, sondern vor allem die Bedingungen für die Pflege zu Hause zu verbessern. Viele Angehörige verzichteten auf Beruf, soziale Kontakte und selbst die Erhaltung der eigenen Gesundheit, um die Pflege zu schaffen und hätten außerdem noch finanzielle Sorgen.
Wissenschaftler haben im Auftrag der DAK errechnet, dass die Pflegeversicherung bis 2045 zu einem Viertel über Steuergelder finanziert werden müsste, damit die Eigenanteile der Menschen in der Heimpflege zunächst bei 450 Euro im Monat gedeckelt werden könnten. Derzeit müssen Heimbewohner im Bundesdurchschnitt 662 Euro zur Pflege dazuzahlen, je nach Bundesland deutlich mehr oder weniger. Nach dem DAK-Modell würden die Eigenanteile in den kommenden 25 Jahren langsam analog zur Lohnentwicklung steigen und 2045 noch unter dem heutigen Wert liegen.
Ohne Reform wären die Eigenanteile den Berechnungen zufolge in 25 Jahren doppelt bis dreimal so hoch. Die Deckelung würde die Steuerzahler schrittweise zunächst einstellige Milliardenbeträge und in 25 Jahren rund 18 Milliarden Euro jährlich kosten. Dem DAK-Pflegereport zufolge sind mehr als die Hälfte der Bürger (58 Prozent) der Meinung, dass die steigenden Ausgaben für die Pflege aus Steuermitteln finanziert werden und die Eigenanteile begrenzt werden sollten.
Rund 3,7 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Etwa ein Viertel davon werden stationär im Pflegeheim betreut. Die Ausgaben der Pflegeversicherung sind zwischen 2015 und 2018 von 29 auf 41 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen.
Die Diakonie Deutschland, die Pflegeheime- und -dienste betreibt und ebenfalls für eine Begrenzung der Eigenanteile eintritt, wertete die Initiative der DAK als Zeichen für den Reformdruck in der Pflege. Die Gesellschaft müsse sich ein realistisches Bild von den steigenden Kosten machen und diese gerecht verteilen, erklärte Vorstandsmitglied Maria Loheide.
Der Beitrag zur Pflegeversicherung ist zu Beginn dieses Jahres erneut angehoben worden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte erklärt, dies werde bis 2022 ausreichen. Es müsse aber eine Grundsatzdebatte über die künftige Finanzierung der Pflege geführt werden.
Berlin (epd). Eine Generation meldet sich zu Wort und will Taten sehen. Die größte Angst haben die 12- bis 25-Jährigen heute vor der Umweltzerstörung, wie aus der 18. Shell-Jugendstudie hervorgeht, die am 15. Oktober in Berlin vorgestellt wurde. Die Studie bestätigt Trends der vergangenen Jahre, findet aber auch neue Entwicklungen. Mindestens ein Drittel der Jugendlichen ist inzwischen empfänglich für populistische Positionen. Neun Prozent stimmen rechtspopulistischen Positionen insgesamt zu.
Ein anderes Drittel verstärkt das politische Engagement. Es sind diejenigen, die sich ohnehin für Politik interessieren. Sie sind gut gebildet, zunehmend weiblich, insgesamt aber eine Minderheit. Die "Fridays for Future"-Bewegung zum Klimaschutz ist die bekannteste Form dieses Engagements weitab von der klassischen Politik. Mehr als zwei Drittel aller Jugendlichen (71 Prozent) sagen, die Politiker kümmerten sich nicht um ihre Anliegen.
Dennoch ist die Zufriedenheit mit der Demokratie gestiegen, besonders im Osten Deutschlands, von 54 Prozent im Jahr 2015 auf 66 Prozent laut der aktuellen Shell-Jugendstudie 2019. Die Politikverdrossenheit ist eine Politiker- und Parteienverdrossenheit. Die Demokratie mit ihren Institutionen und Garantien wird von der Mehrheit nicht infrage gestellt. Zudem gleichen sich 30 Jahre nach der Maueröffnung die Haltungen in West und Ost weiter an.
Fragen nach ihren Ängsten beantwortet die junge Generation ebenso eindeutig wie Fragen nach ihren Werten. Umweltzerstörung (71 Prozent) und der Klimawandel (65 Prozent) stehen an der Spitze der Befürchtungen. Die Jugendlichen beobachten aber auch eine wachsende Feinseligkeit im öffentlichen Leben, ein neuer Aspekt, nach dem die Forscher erstmals fragten.
Die Angst vor einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit übersteigt mit 52 Prozent klar die Angst vor weiterer Zuwanderung (33 Prozent). Dafür mag auch eine Rolle spielen, dass knapp ein Drittel der jungen Generation inzwischen entweder selbst einen Migrationshintergrund hat oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Die junge Generation ist der Studie zufolge insgesamt tolerant, werteorientiert, pragmatisch und leistungsbereit. Das hat sich seit den frühen 2000er Jahren noch verstärkt. Familienleben, eine gute Beziehung zu den Eltern, Freunde und die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben stehen weiter hoch im Kurs. Viele junge Menschen können sich aber nicht vorstellen, wie sie das alles unter einen Hut bringen sollen. Das zeigte sich bei der Frage, wie sie leben wollen, wenn sie 30 Jahre alt sind und ein zweijähriges Kind haben. Die Mehrheit der jungen Frauen und Männer findet, dass die Frau dann beruflich kürzer treten muss. Mehr als zwei Drittel wollen einmal Kinder haben.
Die Shell-Jugendstudie wurde von einem Forscherteam um den Bielefelder Politikwissenschaftler Mathias Albert erarbeitet, zu dem auch der frühere Leiter der Studie, Klaus Hurrelmann von der Berliner Hertie School of Governance, gehört. Das Münchner Meinungsforschungsinstitut Kantar Public befragte dazu von Januar bis März dieses Jahres 2.572 Jugendliche im Alter von zwölf bis 25 Jahren. Der Shell-Konzern beauftragt seit 1953 unabhängige Wissenschaftler mit der Erstellung von Jugendstudien.
Nürnberg, Berlin (epd). Ein hoher Bildungsgrad ist einer Studie zufolge der sicherste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Personen ohne Berufsausbildung haben demnach ein fünfmal höheres Risiko, ohne Job zu sein als Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung oder mit Hochschulabschluss, teilte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am 15. Oktober in Nürnberg mit. Die Arbeitslosenquote bei den Personen mit Berufsausbildung lag 2018 bei 3,4 Prozent, während sie bei Personen ohne Berufsausbildung 17,4 Prozent betrug.
Bei den Akademikern lag der Wert laut IAB bei zwei Prozent. Im Gesamtdurchschnitt lag die Arbeitslosenquote im Vorjahr bei 5,3 Prozent. Die IAB-Zahlen weichen insgesamt geringfügig von den amtlichen Zahlen ab, weil den Berechnungen des zur Bundesagentur für Arbeit zählenden Instituts eine andere Datenbasis zugrunde liegt.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte in Berlin die Bundesregierung auf, ein Recht auf Weiterbildung zu verankern und das Nachholen eines Berufsabschlusses finanziell stärker zu fördern. Ihren Angaben nach hat bundesweit jeder zweite Arbeitslose (52,6 Prozent) keinen Berufsabschluss.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich ein Ein-Euro-Job mehr lohne als eine Aus- oder Weiterbildung, sagte die Gewerkschafterin. Wenn eine Weiterbildung mit Abschluss zwei Jahre dauere und lediglich der Hartz-IV-Regelsatz gezahlt werde, sei die Wahrscheinlichkeit des Abbruchs groß. Sie warb dafür, das Arbeitslosengeld während einer Umschulung um 15 Prozentpunkte zu erhöhen.
Potsdam (epd). Zum UN-Weltarmutstag am 17. Oktober hat Brandenburgs Landesarmutskonferenz zu wirksameren Maßnahmen gegen Armut aufgerufen. Es sei ein Bündnis von Politik und Gesellschaft nötig, "das Armut in allen Bevölkerungsschichten konsequent bekämpft", erklärte der Sprecher von Brandenburgs Landesarmutskonferenz, Andreas Kaczynski, am 16. Oktober in Potsdam. Erforderlich seien unter anderem eine Kindergrundsicherung und ein transparentes und vor Armut schützenden Rentensystem.
Zudem müssten die sozialen Strukturen in ländlichen Räumen gestärkt und eine Gesundheitsförderung insbesondere für Erwerbslose auf kommunaler Ebene etabliert werden, forderte Kaczynski, der Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Landesverbandes Brandenburg ist. Armutsbekämpfung sei nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit. Ihre Vermeidung sei auch volkswirtschaftlich sinnvoll, weil "immense Folgekosten beispielsweise in der Gesundheitsversorgung" so verringert werden könnten.
In Brandenburg lebten nach wie vor 15 Prozent der Menschen in Armut, betonte Kaczynski. Betroffen seien vor allem Kinder unter 18 Jahren (20,1 Prozent), junge Menschen unter 25 Jahren (24,4 Prozent) und Alleinerziehende (17,5 Prozent).
Die Vereinten Nationen erklärten den Angaben zufolge 1992 den 17. Oktober zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut. Die Landesarmutskonferenz (lak) in Brandenburg ist ein Bündnis aus mehr als 30 Verbänden, Vereinen, Kirchen, Initiativen und gesellschaftlichen Gruppen und engagiert sich seit mehr als zehn Jahren gegen Armut im Bundesland.
Berlin (epd). Der Deutsche Frauenrat (DF) stellt der Bundesregierung zur Halbzeit der Legislaturperiode kein gutes Zeugnis für ihre Gleichstellungspolitik aus. "Zugesagte Meilensteine, die die Strukturen weiterentwickeln würden, wurden nicht gesetzt", erklärte die stellvertretende Verbandsvorsitzende Lisi Maier am 18. Oktober in Berlin. "Wir fordern die Bundesregierung auf, jetzt tätig zu werden." Auf dem Feld der Geschlechtergerechtigkeit müsse deutlich mehr geschehen.
Der Frauenrat vermisst eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie mit einem entsprechenden Aktionsplan sowie ein unabhängiges Bundesinstitut für Gleichstellung. Zentrale Forderungen des DF fehlten bereits im Koalitionsvertrag: ein Paritätsgesetz auf Bundesebene, eine Reform des Ehegattensplittings und die Abschaffung von Minijobs. Dagegen begrüßte der Verband das Förderprogramm "Gewalt gegen Frauen", die Einführung der Brückenteilzeit und die Aufwertung von Pflegeberufen.
Der Deutsche Frauenrat ist die politische Interessenvertretung von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen und damit nach eigenen Angaben die größte Frauenlobby Deutschlands.
Berlin (epd). Die Koalition will es Opfern sexueller Gewalt leichter machen, zum Arzt zu gehen und die Spuren sichern zu lassen, auch wenn sie noch keine Anzeige erstattet haben. Dafür sollen künftig die Krankenkassen zahlen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte am 17. Oktober in Berlin, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch seien furchtbare Verbrechen, die mit aller Konsequenz verfolgt werden müssten.
Häufig fehlten jedoch eindeutigen Beweise, weil viele Opfer im ersten Moment nicht die Kraft hätten, direkt zur Polizei zu gehen, sagte Spahn weiter: "Wir helfen nun, damit frühzeitig eindeutige Beweise durch Ärzte anonym gesichert werden können, um mögliche Täter später auch zu überführen."
Künftig sollen die Krankenkassen die sogenannte vertrauliche Spurensicherung in Arztpraxen und Kliniken erstatten, auch wenn die Betroffenen vorher nicht bei der Polizei Anzeige erstattet haben. Bislang müssen Gewaltopfer in solchen Fällen die Kosten vielerorts selbst übernehmen, weil es keine einheitliche Regelung gibt. Einige Bundesländer übernehmen die Kosten, andere nicht. Werden die Spuren nach oder gleichzeitig mit der Erstattung einer Strafanzeige gesichert, dann übernimmt die Polizei die Kosten.
Die Leistungen der Krankenkassen zur vertraulichen Spurensicherung sollen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums unter anderem die Dokumentation von Verletzungen, die Sicherung von Spermaspuren, die Untersuchung auf K.O.-Tropfen, Alkohol und etwaige Laborleistungen umfassen. Ärzte und Krankenhäuser sollen diese Leistungen mit den Kassen abrechnen, ohne dass die untersuchte Person von der Krankenkasse identifiziert werden kann.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich selbst kenne das Probleme noch aus meiner Zeit als Hausärztin und begrüße es ausdrücklich, dass wir mit einem Änderungsantrag die vertrauliche Spurensicherung zu einer Kassenleistung machen. Damit kommen wir einer langjährigen Forderungen von Betroffenen und Verbänden nach." Es werde sichergestellt, dass die Anonymität von Opfern sexualisierter Gewalt gewahrt werde und neben der ärztlichen Behandlung künftig auch Spuren dokumentiert würden, ohne dass die Betroffenen dafür auch noch zahlen müssten, sagte Dittmar weiter.
Die neue Kassenleistung soll über einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Union und SPD im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Masernschutzgesetzes beschlossen werden.
München (epd). "Fairteiler" steht auf dem Blatt Papier, das mit Tesafilm auf die Tür des Kühlschranks geklebt wurde. Darunter wird mit Hilfe von Strichmännchen erklärt, was man darf und was man zu lassen habe. "Nicht alles anfassen" und "Nicht alles mitnehmen", heißt es da. Im Kühlschrank selbst liegen ein paar grüne Salate und Kohlrabi-Knollen. Daneben, in einem Holzregal, finden sich in einer Bäckerkiste Brezeln und ein Kastenbrot. Hier, im "Eine-Welt-Haus" in München, ist eine Verteilstelle für Nahrungsmittel, an der sich jeder kostenlos bedienen kann. Aufgefüllt wird sie von den Mitgliedern von Foodsharing, einem Verein, der sich nach eigener Aussage um die "Rettung" von Lebensmitteln kümmert, die sonst im Abfall landen würden.
Die Lebensmittel stammen unter anderen vom Bioladen "Vollkorner". Es handelt es sich etwa um Gemüse, das zum Geschäftsschluss am Abend übrig bleibt und am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden kann. Oder um "abgelaufene" Milch und Joghurt, bei denen also das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. Dann schlägt die Stunde von Daniel Nagy. Der 33-Jährige kommt mit seinen Taschen in den Bioladen, um Filialleiter Simon Gruber zu fragen, ob er "abholen kann, was übrig geblieben ist".
Nagy hat sich vor fünf Jahren der Foodsharing-Bewegung angeschlossen. Diese nimmt sich der Lebensmittel an, die ansonsten von Läden und Unternehmen weggeworfen würden, holt sie ab und verbraucht sie oder verteilt (englisch: to share) sie an andere - zum Beispiel über die "Fairteiler"-Kühlschränke.
Die Foodsharing-Bewegung wurde 2012 in Berlin gegründet. Heute gibt es einen Dachverband der lokalen Initiativen mit bundesweit 30.000 Mitgliedern. In München besteht seit 2014 eine derartige Gruppe mit fast 800 Mitgliedern.
Nagy versteht sich als "Botschafter", wie er sagt. Sein Ziel: "Ich will die Menschen über Lebensmittelverschwendung aufklären und zeigen, was man dagegen tun kann, auch zu Hause." Denn allein in München wanderten pro Tag an die 168 Tonnen an Nahrungsmitteln in den Abfall. "Uns geht es zu gut, wir wissen nicht mehr zu schätzen, was die Natur uns gibt", sagt Nagy.
Der Verein Foodsharing hat sich klare Regeln gegeben: Verderbliche Lebensmittel wie Fisch, Geflügel, Fleisch, rohe Eierspeisen und zubereitete Lebensmittel sowie Medikamente sind ausgeschlossen. Daran müssen sich die Aktivisten halten, die Lebensmittel einsammeln.
Auf der Homepage des Vereins findet sich darüber hinaus ein Leitfaden, der über den sicheren Umgang mit Lebensmitteln aufklärt. Beschrieben wird etwa, was man bei der Reinigung der Kühlschränke, beim Transport von Nahrung oder hinsichtlich des Mindesthaltbarkeitsdatums beachten sollte. "Lebensmittel an andere weiterzugeben ist eine sehr menschliche aber auch verantwortungsvolle Situation", schreibt der Verein in dem Ratgeber.
Warum machen die Betriebe - in München sind es laut Foodsharing rund 100 - mit? "Das gehört zu unserer Unternehmenskultur", sagt "Vollkorner"-Filialleiter Gruber. "Wir wollen Lebensmittel nicht wegwerfen." Nagy ergänzt: "Letztlich profitieren auch die Firmen, denn sie sparen sich Müllgebühren." Er selbst verbraucht das eingesammelte Essen für sich selbst oder gibt es an Freunde weiter. Bedürftigkeit spielt bei Foodsharing anders als wie bei der Tafel keine Rolle.
Berlin (epd). Die Gründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel, Sabine Werth, warnt vor der selbst ernannten Lebensmittelretter-Branche. Mit Unternehmen wie dem vor zwei Jahren gegründeten Start-up Sirplus und dem schwedischen Matsmart bekomme die Tafel "zahlende Konkurrenz", sagte Werth der "Berliner Zeitung" (16. Oktober). Beide seien nur vermeintlich Sozialunternehmen, sondern reine Wirtschaftsunternehmen, die dem Handel Lebensmittel abkaufen, die das Haltbarkeitsdatum überschritten haben und die sie preiswert an alle weiterverkaufen. "Auch an Besserverdienende", sagte Werth.
Es empöre sie, dass die Unternehmen dort "ihre Fühler ausstrecken, wo die Tafel unterwegs ist", sagte die Tafel-Vorsitzende: "Sie bezahlen für die Ware Geld, zwar nur einen kleinen Betrag. Aber sie verdienen mit dem Verkauf." Und für die Händler sei es interessanter, die Ware zu verkaufen, als sie der Tafel zu spenden. "Zumal sie auf gespendete Waren auch noch Steuern zahlen müssen. Das kann es nicht sein", so Werth. Es sei bereits zu spüren, dass die Tafeln weniger bekommen.
Sirplus wirbt im Internet damit, ein bundesweit agierendes Social Impact Start-up gegen Lebensmittelverschwendung zu sein. In Berlin betreibt das Unternehmen aktuell vier "Rettermärkte". Für sie seien die Tafeln Partner, heißt es: "Wir holen das ab, was andere aus verschiedenen Gründen nicht retten können." Das schwedische Unternehmen Matsmart hat nach eigenen Angaben bislang 3.700 Tonnen Lebensmittel in Schweden und Finnland vor dem Wegwerfen bewahrt. Nun will es gemeinsam mit Metro in Deutschland einsteigen.
Berlin (epd). Die Berliner Stadtmission hat am 18. Oktober mit dem Bau ihres "Zentrums am Zoo" begonnen. Für Betroffene von Armut und Obdachlosigkeit soll bis zum nächsten Sommer auf 500 Quadratmetern in den Katakomben des Bahnhofs Zoo ein breitgefächertes Angebot für soziale und psychiatrische Beratungen entstehen, wie die Stadtmission in der Bundeshauptstadt ankündigte.
Die Baukosten werden mit rund 2,4 Millionen Euro angegeben. Die Fertigstellung wird für Frühsommer 2020 angestrebt. Die Deutsche Bahn stellt für 25 Jahre kostenlos die Räumlichkeiten zur Verfügung. Fördergelder kommen unter anderem von der Deutschen Klassenlotterie.
Die Bauarbeiten begannen in Anwesenheit von Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) mit dem symbolischen Einriss einer Mauer in den Räumen der ehemaligen Polizeistation. Nach Fertigstellung des neuen Zentrums sollen auch Räume für Begegnungen zur Verfügung stehen. Dort könnten sich Interessierte interaktiv zu den Themen Armut und Obdachlosigkeit informieren.
Die Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo versorgt täglich zwischen 500 und 700 Obdachlose mit Kleidung und Lebensmitteln und bietet Waschmöglichkeiten in einem sogenannten Hygienezentrum. Schätzungen zufolge leben in der Bundeshauptstadt zwischen 5.000 und 6.000 Menschen sichtbar auf der Straße. Das Zentrum wird den Angaben zufolge von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Ehefrau Elke Büdenbender unterstützt.
Berlin (epd). Die Einigung der Berliner Koalition aus SPD, Linken und Grünen auf einen Mietendeckel hat ein geteiltes Echo hervorgerufen. Der Berliner Mieterverein begrüßte die angestrebte Neuregelung, nach der Mieten für fünf Jahre nicht erhöht werden sollen. Damit sei der Weg frei für eine öffentlich-rechtliche Mietpreisbegrenzung, die Exzesse der vergangenen Jahre zumindest teilweise repariere und vor weiteren Steigerungen schütze, erklärte Geschäftsführer Rainer Wild am 19. Oktober in Berlin. Heftige Kritik kam von der CDU.
Die Koalition hatte sich am Freitagabend auf Eckpunkte für den Mietendeckel verständigt. In einem Video-Statement im Kurznachrichtendienst Twitter erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), dass die Mieten in der Hauptstadt für fünf Jahre eingefroren werden sollen. Ab 2022 soll es aber einen Inflationsausgleich in Höhe von 1,3 Prozent geben.
Zudem sollen "unanständig hohe Mieten", die mehr als 20 Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen, auch abgesenkt werden können, sagte Müller. Gleichzeitig sollen die Wohnungsgenossenschaften Müller zufolge bei derzeit extrem niedrigen Mieten eine Umlagemöglichkeit für Investitionen bekommen.
Grundlage für die Preise soll eine Miettabelle für das Jahr 2013 sein, wie die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, erklärte. Nach ihren Angaben werden 1,5 Millionen Haushalte in Berlin durch den Mietendeckel "geschützt und entlastet".
Der Mieterverein in Berlin warnte allerdings auch vor Enttäuschungen. Das Gesetz werde Geduld erfordern und Streit hervorrufen, erklärte der Verein. Das Mietendeckelgesetz werde vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben, erklärten demgegenüber der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Burkhard Dregger, und deren wohnungspolitischer Sprecher, Christian Gräff. Sie warfen der Koalition vor, Verunsicherung hervorgerufen zu haben und damit den Wohnungsneubau zu bremsen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak sprach von "Planwirtschaft" und forderte, die Regelung im Wege einer abstrakten Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht zu stoppen. Er verwies auf Regelungen des Bundesgesetzgebers wie die Mietpreisbremse. Der rot-rot-grüne Senat in Berlin maße sich an, die dort sorgfältig vorgenommene Abwägung durch seine eigene zu ersetzen. Das sei nicht akzeptabel, erklärte der Rechtspolitiker.
Bonn (epd). Die "Grünen Damen und Herren" haben zu ihrem 50. Gründungsjubiläum mehr Unterstützung für ihre ehrenamtliche Arbeit in Krankenhäusern und Altenheimen gefordert. Die Tätigkeit für hilfebedürftige Menschen werde nicht hinreichend finanziell abgesichert, sagte Käte Roos, Vorsitzende der Evangelischen Kranken- und Altenhilfe e.V., dem Dachverband der "Grünen Damen und Herren" am 16. Oktober in Bonn. "Wenn dieses freiwillige Engagement Zukunft haben soll, muss es regelhaft refinanziert werden."
Der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen, Franz Müntefering, bezeichnete die "Grünen Damen und Herren" als Zukunftsidee. Er forderte eine bessere Förderung ehrenamtlicher Dienste für ältere Menschen durch die Kommunen.
Derzeit werde die Arbeit der "Grünen Damen und Herren" über Mitgliedsbeiträge finanziert, sagte Roos. Damit könnten die Kosten für Verwaltung, Fortbildung und Organisation der 450 Ortsgruppen jedoch nicht gedeckt werden. Deshalb sei die Evangelische Kranken- und Altenhilfe im Gespräch mit den Trägern der Krankenhäuser und Altenheime sowie den Ministerien, um die Finanzierung zu sichern. Sowohl Kirchen und Politik als auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft müssten Interesse daran haben, die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer dauerhaft abzusichern. Derzeit werbe der Hilfsverband um Fördermitgliedschaften der etwa 600 Krankenhäuser und Altenheime, in denen Grüne Damen und Herren tätig seien. Bislang seien 136 Einrichtungen dem Verein beigetreten.
Roos und Vorstandsmitglied Dieter Hackler sprachen sich zudem für eine Fusion der Evangelischen Kranken- und Altenhilfe mit der Katholischen Krankenhaus-Hilfe aus. Dadurch werde die Arbeit beider Organisationen gestärkt werden.
Müntefering betonte, die Arbeit der "Grünen Damen und Herren" sei "keine Veranstaltung von gestern". Vielmehr handele es sich um ein ausbaufähiges Zukunftsmodell. Immer mehr alte Menschen lebten alleine und hätten keine Angehörigen in der Nähe, die sich um sie kümmern könnten, wenn sie krank würden. Müntefering forderte die Kommunen auf, aufsuchende ehrenamtliche Dienste für alte Menschen zu unterstützen. Es brauche dazu auch gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Fürsorge für alte Menschen regelten. "Wir brauchen ein Altershilfestrukturgesetz", sagte der frühere SPD-Vorsitzende.
Unterstützung erhielten die "Grünen Damen und Herren" auf ihrer Jubiläums-Veranstaltung in Bonn auch von Vertretern aus Politik, Kirche und Wohlfahrtsverbänden. Maria Loheide, Sozialpolitischer Vorstand der Diakonie in Deutschland, mahnte, das Engagement der "Grünen Damen und Herren" sei nicht zum Nulltarif zu haben, sondern brauche einen professionellen Rahmen, der die Arbeit auf ein zuverlässiges Fundament stelle.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte die Ehrenamtler in einem Grußwort als "leuchtendes Vorbild". Auch das Bundesfamilienministerium hob die Bedeutung der ehrenamtlichen Helfer hervor. "Mit ihrem Engagement für kranke und für alte Menschen leisten die Grünen Damen und Herren einen wichtigen Beitrag zur Mitmenschlichkeit und zur gegenseitigen Fürsorge in unserer Gesellschaft", sagte Staatssekretärin Juliane Seifert in Bonn. Ziel ihres Ministeriums sei es, eine gesellschaftliche Kultur der Wertschätzung und Anerkennung für dieses Engagement zu fördern.
Die "Grünen Damen" waren 1969 in Bonn von Brigitte Schröder, der Ehefrau des damaligen Außen- und späteren Verteidigungsministers Gerhard Schröder (CDU), gegründet worden. Erster Einsatzort der ehrenamtlichen Helferinnen in ihren lindgrünen Kitteln war das Evangelische Krankenhaus Düsseldorf. 1979 nahm der erste "Grüne Herr" den Dienst auf. Heute besuchen nach Angaben der Organisation bundesweit rund 8.000 Frauen und Männer Menschen in knapp 600 Altenheimen und Krankenhäusern. Sie machen für Patienten kleine Besorgungen, haben Zeit für ein Gespräch.
Osnabrück (epd). Georgios Antonellis (21) sorgt in seiner Klasse gern für Lacher. "Wodka und Wein", antwortet der Grieche mit einem Augenzwinkern auf die Frage seiner Sitznachbarin, welche Getränke sie für die gemeinsame Tour einkaufen sollten. Das Motto ihres Dialogs lautet "Ein Ausflug mit dem Rad". Die Teilnehmer des Integrationskurses für Zugewanderte der Volkshochschule Osnabrücker Land sollen das freie Sprechen üben. Ende November steht die Prüfung an. Antonellis und die Rumänin Timona Ursu (23) meistern die Aufgabe ohne Probleme. "Das ist ein starker Kurs", lobt Lehrerin Marta Szmuk (62).
Dennoch werden wahrscheinlich nicht alle zwölf Teilnehmer die Prüfung bestehen. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), haben 2018 bundesweit nur etwas mehr als die Hälfte der Absolventen das höchste Kursziel B1 erreicht, ein Drittel das niedrigere Level A2.
Das Integrationskurssystem in Deutschland wird vom Bamf koordiniert. Es vermittelt EU-Bürger ebenso wie Flüchtlinge oder andere Zuwanderer. Der Anteil der B1-Absolventen ist seit 2015 kontinuierlich gesunken. Dafür macht das Amt vor allem die gestiegene Zahl der Analphabeten verantwortlich, die spezielle Kurse besuchen und kaum das B1-Niveau erreichen.
Experten sehen aber auch Mängel im System. Andrea Daase, Sprachwissenschaftlerin an den Universitäten Bielefeld und Bremen, kritisiert, die Niveaustufen seien zu starr und die Tests zu standardisiert. Sie stammten aus der Fremdsprachenpädagogik und würden den individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Zuwanderer nicht gerecht. Viele Inhalte hätten mit der Lebenswirklichkeit der Menschen nichts zu tun und seien für sie unverständlich.
Viele Zuwanderer täten sich schwer mit dem Unterrichts- und Prüfungssystem, berichtet auch Abteilungsleiterin Tanja Pöhler von der VHS Osnabrücker Land. Zahlreiche Flüchtlinge müssten sich überhaupt erst an selbstständiges Lernen mit Büchern gewöhnen. Der Prüfungsdruck führe mitunter zu bizarren Ergebnissen: "Teilnehmer lernen Beispieltests aus dem Internet auswendig und geben sie eins zu eins wieder."
Das Bamf erklärt auf seiner Homepage, dass die Kursangebote kontinuierlich an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmer angepasst würden, unter anderem mit Kursen für unterschiedliche Zielgruppen, Qualifizierung der Lehrenden für den Umgang mit Traumata und der Förderung von Lern- und Sozialbegleitung.
Kursleiterin Szmuk übt in diesen Wochen im Unterricht mit ihren Schülerinnen und Schülern für die Prüfung. Der Test sei auch Lernmotivation, sagt sie. Immerhin ist das B1-Zertifikat Voraussetzung für die Teilnahme an weiteren Sprachkursen für Beruf oder Studium. So möchte Albashayer Alkhuder (21) aus Syrien ihr Pharmazie-Studium fortführen, das sie mit der Flucht vor dem Krieg abbrechen musste. Niramon Niemeyer (33) aus Thailand hofft auf eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Liliana Kurea (50) aus Rumänien bringt ihre Motivation so auf den Punkt: "Wer nicht gut Deutsch spricht, landet bei einer Zeitarbeitsfirma."
Tanja Pöhler von der VHS hält die Kursdauer von 600 Stunden für zu kurz. Ursprünglich seien die 2005 erstmals angebotenen Integrationskurse mit 1.000 Stunden gestartet, sagt sie.
Katja Bielefeld, Leiterin des Migrationszentrums im Landkreis Osnabrück, sieht bei der Vermittlung in die Kurse durch das Bamf mit Hilfe von Einstuftungstests Mängel. "Die Behördenmitarbeiter kennen weder die Personen noch die Gegebenheit vor Ort." Erreichbarkeit mit dem Bus, Kinderbetreuung in Randstunden, Schichtarbeit, chronische Erkrankungen, psychische Probleme - all das bleibe unberücksichtigt. Die Folge: Kursteilnehmer springen ab.
Der Landkreis steuere mit einem eigenen Projekt gegen, das auch von anderen Kommunen schon angefragt worden sei, sagt Bielefeld: Im "Kooperativen Integrationsmanagement für Migranten" achten Experten vor Ort darauf, dass die Bedürfnisse der Zuwanderer bei der Kurszuweisung berücksichtigt werden.
Im Kurs von Marta Szmuk haben bislang alle durchgehalten - auch Merwan Kanjo (37), der schon vor 19 Jahren aus Syrien kam und sich ein Deutsch mit vielen Fehlern angeeignet hat. Oder Sergio Karakas (34) aus Moldawien, der nach dem Unterricht jede Nacht als Lkw-Fahrer arbeitet. Die Kursleiterin ist zuversichtlich: "Sehr viele werden die B1-Prüfung schaffen."
Frankfurt a.M. (epd). Seit Elijah laufen kann, ist er immer wieder davongerannt. Elijah ist Autist und nimmt Dinge anders wahr als Nicht-Autisten. "Wenn andere Kinder Mama oder Papa nicht mehr sehen, dann rufen sie - aber Elijah war das völlig egal", erzählt seine Mutter Leonie Richter (Name geändert). Zwei "extreme Situationen", bei denen Elijah als kleiner Junge zeitweise verschwunden sei, hätten sie traumatisiert, sagt Richter.
Neben der Furcht, dass Elijah alleine nicht zurückfindet, sei auch immer die Angst dagewesen, dass "böse Menschen" seine schutzlose Situation ausnützen könnten. Vor anderthalb Jahren beschlossen die Richters deshalb, einen GPS-Tracker für Elijah zu kaufen, um ihren mittlerweile neunjährigen Sohn im Notfall jederzeit wiederfinden zu können. "Das GPS gibt uns jetzt einfach Sicherheit", sagt Richter. "Im Notfall kann ich nachschauen, wo er ist."
Ein GPS-Tracker überträgt die Position des Gerätes in Echtzeit. Eltern können so am Smartphone nachverfolgen, wo ihr Kind sich im Augenblick aufhält. Neben Smartphones, die grundsätzlich eine GPS-Funktion besitzen, gibt es spezielle GPS-Tracker für Kinder. Zu kaufen sind sie etwa als bunte Uhren, Anhänger für den Schulranzen oder als Einlagen für die Schuhe. Hersteller werben: Eltern wissen durch die GPS-Geräte immer, wo sich ihr Kind aufhält.
Dass Kinder verschwinden oder entführt werden könnten, gehört wohl zu den größten Ängsten von Eltern. Die intensive Berichterstattung der Medien bei Einzelfällen suggeriert laut Bundeskriminalamt ein hohes Gefährdungspotenzial für alle Kinder. Die Statistik zeigt jedoch, dass der Anteil der Kinder, deren Verbleib auch nach längerer Zeit nicht geklärt ist, sehr gering ist.
Bei Kindern im Autismus-Spektrum wie bei Elijah kann es der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, noch nachvollziehen, dass Eltern sich ein GPS-Gerät anschaffen: "Ich würde aber immer in den Vordergrund stellen - auch bei solchen Kindern - die Geräte nur zeitweise einzusetzen."
Ansonsten ist Beckmann strikt gegen GPS-Tracker. Er sieht in den Geräten eine Gefahr für die Entwicklung der Kinder: "Man behindert dadurch das Selbstständigwerden." Wichtiger sei, Kinder frühzeitig über Gefahren aufzuklären, das Verhalten gegenüber Fremden abzusprechen und klare Regeln zu vereinbaren. Zudem wendet Beckmann ein, dass Kinder durch Ortungsgeräte nicht besser geschützt seien. "Vorfälle können auch durch das Tracking nicht verhindert werden", sagt er. "Sie schaffen eher eine trügerische Sicherheit."
Obwohl die Mehrheit der Eltern ihre Kinder nicht per GPS ortet, kann sich das doch nahezu die Hälfte der Mütter und Väter vorstellen, wie eine Befragung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Dezember 2017 ergab. Die andere Hälfte, die sich gegen eine Nutzung von GPS-Geräten aussprach, sah in einer Überwachung ein zu starkes Eindringen in die Privatsphäre des Kindes. Außerdem fanden viele Eltern, dass man seinem Kind auch vertrauen können müsse. Rund ein Drittel der Befragten sorgte sich zudem um den Datenschutz: Sie fürchteten den Zugriff Dritter auf die Daten.
Die Kritikpunkte der befragten Eltern teilt auch Marc Urlen vom Deutschen Jugendinstitut. "Kinder von klein auf zu überwachen, ist nicht okay", findet er. Zudem kritisiert Urlen erhebliche Sicherheitsmängel bei GPS-Trackern für Kinder: "Teilweise lassen sie sich leicht von Dritten anpeilen." Ein Vergleichstest aus dem Jahr 2017 stützt Urlens Kritik: Das AV-Test Institut prüfte sechs Kinderuhren mit GPS-Funktion, und bei allen stellten die Tester "erschreckende Sicherheitslücken" fest.
Die meisten Anbieter der getesteten GPS-Kinderuhren gewährleisteten den Datenschutz nicht ausreichend. Sie sammelten neben den Standortinformationen weitere sensible Daten wie etwa Rufnummern und Vitaldaten des Kindes. Im Test zeigten sich alle Kinderuhren darüber hinaus anfällig für sogenanntes Call ID Spoofing: Dabei ist es möglich, die wahre Identität des Absenders zu verschleiern. Zeigt die Uhr dem Kind an, dass Anrufe oder Textnachrichten von Mutter, Vater oder Oma stammen, muss das nicht zwingend der Fall sein.
"Das Sicherheitsbedürfnis der Eltern wird ausgenutzt", ist sich Urlen vom Deutschen Jugendinstitut sicher. "Sehr bedenkliche Geräte werden auf den Markt geworfen, weil es eine Nachfrage gibt."
Auch an Schulen sind GPS-Tracker mittlerweile ein Thema. "Bei uns ist das Problem nach den vergangenen Weihnachtsferien aufgekommen", erzählt Anke Schneider, Schulleiterin einer Grundschule in Hessen. Nachdem immer mehr Kinder GPS-Uhren trugen, entschloss sich die Schulleitung dazu, die Ortungsgeräte erst einmal zu verbieten. "Wir sehen einfach keine Notwendigkeit, dass Kinder solche Uhren tragen", sagt Schneider.
Leonie Richter erzählt, dass es ihr nie in den Sinn gekommen sei, Elijah das GPS-Gerät mit in den Kindergarten oder in die Schule zu geben. Er trage das Ortungsgerät meist nur in den Ferien oder in einer fremden Stadt. "Im Dorf lassen wir ihm die Freiheit", sagt die Mutter von zwei Kindern. Für ihre Tochter, die keine Autistin ist, würde sie auch nie ein GPS-Gerät kaufen, betont Richter. "Klar habe ich bei beiden Kindern Angst, dass sie verloren gehen. Aber ich muss auch lernen loszulassen."
Magdeburg (epd). In einem bewegenden Gottesdienst ist am 14. Oktober in der Marktkirche in Halle der Opfer des rechtsextremen Anschlags in der Saalestadt gedacht worden. Rund 800 Menschen nahmen an dem Gedenkgottesdienst in dem bis auf den letzten Platz voll besetzten Gotteshaus teil, darunter auch Angehörige und Freunde der Opfer. Diejenigen, die nicht mehr in der Kirche Platz fanden, konnten auf dem Marktplatz die Übertragung des Gottesdienstes verfolgen. Dort hatten sich etwa 1.000 Menschen um ein Meer aus Blumen und Kerzen versammelt.
Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, hielt die Predigt. Er sagte, die Tür zur Synagoge habe gehalten, das sei das Wunder von Halle, aber zwei Menschen seien ermordet worden, dass sei die Wunde von Halle, die nicht so schnell verheilen werde. Zwei Menschen seien mitten in der Stadt ermordet worden, es hätte jeden treffen können.
Mit deutlichen Worten verurteilte Kramer Rechtsextremismus und Antisemitismus: "Da zieht einer los, um Juden abzuschlachten, und tötet zwei Menschen, als sei es ein Computerspiel." Kramer sprach von "asozialen Abwegen". Er fügte hinzu, auch die Kirchen hätten einst die Türen für den Judenhass geöffnet, das habe viele Hirne und Herzen vergiftet. Aber die Kirchen hätten dann auch angefangen aufzuräumen und die Judenfeindschaft vor die Tür gesetzt. Die Gesellschaft müsse "den Antisemitismus vor die Tür setzen", so Kramer.
Der Bischof sagte weiter: "Ein Angriff auf eine Synagoge ist auch ein Angriff auf die Kirchen." Und es gebe nichts feigeres als Menschen im Gebet anzugreifen. "Menschen im Gebet sind wehrlos. Sie haben keine Waffen, sie öffnen ihre Hände vor Gott", sagte Kramer.
An dem Gottesdienst nahmen auch der katholische Bischof Gerhard Feige vom Bistum Magdeburg und Kirchenpräsident Joachim Liebig von der Evangelischen Landeskirche Anhalts teil. Zudem waren Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD), Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD), Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Bildungsminister Marco Tullner (CDU) gekommen.
Die Kollekte des Gedenkgottesdienstes ist für die Hilfsorganisation Weißer Ring e.V. bestimmt, die Opfer von Gewalt unterstützt. Die Marktkirche soll auch in den kommenden Tagen offen bleiben und für Gebete und als Rückzugsort zur Verfügung zu stehen.
Bei dem Anschlag am Mittwoch in Halle wurden eine 40-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann erschossen. Auf der Flucht schoss der Täter auf eine weitere 40-Jährige und einen 41-Jährigen, die dabei schwer verletzt wurden. Der schwer bewaffnete Mann hatte zuvor versucht, in die Synagoge einzudringen, was misslang. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort zu diesem Zeitpunkt insgesamt 51 Gläubige versammelt. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven.
Halle (epd). Der Brandenburger Aktionskünstler Rainer Opolka hat am 15. Oktober vier seiner großen Bronzewölfe gegenüber der Synagoge in Halle aufgestellt. Gemeinsam mit der Vorsitzenden des Fördervereins "Denkmal für die ermordeten Juden Europas", Lea Rosh, wollte Opolka mit der Aktion vor dem jüdischen Gotteshaus, das am vergangenen Mittwoch ins Visier eines Attentäters geraten war, auf die Zunahme rechtsradikaler Gewalt aufmerksam machen. Bei dem Anschlag wurden zwei Menschen getötet.
Zwei der Wölfe trugen Pistolen. Ursprünglich wollte das Ordnungsamt der Stadt Halle nach Angaben von Opolka ihre Aufstellung nicht genehmigen, weil sie mit den Pistolen auf die Synagoge zielen sollten. Genehmigt wurde die Aktion schließlich doch, wenn die Pistolen in andere Richtungen zeigen. Zudem wurden am Dienstag auch mehrere Plakate aufgehängt. Die Skulpturen sollten am Dienstagnachmittag wieder abtransportiert werden. Der Künstler denkt nach eigenen Angaben über eine größere Aktion auf dem Marktplatz von Halle nach.
Opolka und Rosh warnten, es gebe im Land Tausende gewaltbereite Neonazis und eine AfD, die sich nach rechts radikalisiere: "Wo Polizei abgebaut, Nationalsozialismus-Verharmloser in Talkshows eingeladen und Hassveranstaltungen auf Marktplätzen und im Netz toleriert werden, darf man sich nicht wundern, wenn sich der Hass in Blutorgien wie in Halle entlädt", erklärten beide.
"Jüdisches Leben in Deutschland ist in Gefahr", warnte Opolka. Er reflektiere die Situation mit seinen künstlerischen Mitteln. Alle Menschen müssten sich gegen Antisemitismus und vor jüdische Menschen stellen, sagte er.
Opolka hat den Angaben zufolge vor vier Jahren insgesamt 80 Wölfe in Bronze gegossen. Er stelle sie dort auf, "wo Menschenrechte und Demokratie gefährdet sind", erklärte der Künstler. Bislang war er an 16 Orten mit den Wölfen präsent, unter anderem in Berlin, Potsdam, Dresden, München und in Chemnitz. Zuletzt standen einige der Wölfe unter anderem in Kassel nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Halle (epd). Mehrere Tausend Menschen haben am 19. Oktober bei einem Gedenkkonzert Solidarität mit den Opfern des Anschlags in Halle bekundet. Wie ein Polizeisprecher am Sonntag auf Anfrage sagte, waren an der Spitze 16.000 Gäste auf dem Marktplatz in Halle versammelt. Das Programm startete am frühen Nachmittag mit rund 5.000 Besuchern. Die Veranstaltung mit unter anderem den Musikern Alice Merton, Max Giesinger, Joris sowie Mitgliedern des MDR-Rundfunkchores und der Oper Halle ging bis in den späten Abend.
Veranstalter waren der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), die Sender Radio Brocken, 89.0 RTL, Radio SAW, Rockland und die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung gemeinsam mit der Stadt Halle. Das Konzert stand unter der Überschrift "#HalleZusammen - Schulterschluss für ein tolerantes und friedliches Miteinander".
Neben den Auftritten der Ensembles und Künstler waren auch Gespräche geplant. Die Veranstalter wollten nach eigenen Angaben "ein starkes Signal für ein offenes und friedliches Miteinander und eine Botschaft gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus setzen".
Bei dem antisemitisch und rechtsextremistisch motivierten Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann erschossen. Auf der Flucht schoss der Täter auf eine weitere 40-Jährige und einen 41-Jährigen, die dabei schwer verletzt wurden. Der schwer bewaffnete Mann hatte zuvor versucht, in die Synagoge einzudringen, was misslang. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort zu diesem Zeitpunkt insgesamt 51 Gläubige versammelt.
Halle (epd). Nach dem rechtsextremen Terroranschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle diskutiert die Politik über eine mögliche Mitverantwortung der AfD. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machten die Partei politisch mitverantwortlich für den Anschlag. Der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hingegen sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen der AfD und der Tat.
Scholz sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (16. Oktober) auf die Frage, ob die geistigen Brandstifter von Halle auch bei der AfD zu suchen seien: "Die AfD kann ihre Verantwortung in dieser Frage nicht verleugnen." Die rassistisch motivierte Tat sei "in einem Milieu entstanden, das nicht nur im Netz, sondern auch in Landtagen und im Bundestag Parolen von rechts ruft". Die ehemalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte in einem Gastbeitrag in der "Rheinischen Post" (16. Oktober), Teile der AfD und Rechtsextreme hätten eine gemeinsame ideologische Basis.
Finanzminister Scholz betonte, dass bei Bedarf Sicherheitsbehörden und Polizei auf mehr Geld zur Bekämpfung des Rechtsterrors zählen könnten: "Ich werde stets die nötigen Mittel für den Schutz unserer Verfassung und unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stellen." Zugleich hob der Vizekanzler hervor, dass der Kampf gegen Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.
Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete die AfD als "eine Gefahr für die Demokratie". Der Verfassungsschutz entdecke in Unterorganisationen der Partei regelmäßig antisemitische Stereotype. Social-Media-Posts der Partei würden teilweise "die Grenze zur Volksverhetzung stark strapazieren". Wenn Abgeordnete der AfD "von 'Volksverrätern' und 'Invasoren' sprechen, oder eine 'erinnerungspolitische Wende um 180 Grad' fordern, tragen sie eine erhebliche moralische Mitverantwortung an den rechtsextremistischen Übergriffen, die unser Land in diesem Jahr bereits mehrfach erschüttert haben", sagte sie.
Haseloff erklärte dagegen, er sehe keine direkte Mitverantwortung der AfD als Partei. Das sei für ihn nur ein Teil in einem Gesamtpaket von Ursachen, sagte er im Mitteldeutschen Rundfunk: "Es gibt sicherlich Einzelzuordnungen, die möglich sind, auch politisch, aber es ist zu einfach, es auf eine Komponente herunterzubrechen." Er bezeichnete den Anschlag als "Zäsur": "Es gibt die Zeit davor, und die Zeit danach", sagte er. "Es war die schlimmste Woche, die ich in meinem Leben bisher hatte. Menschlich - und als Politiker ist man ja auch Mensch - habe ich so etwas noch nicht erlebt."
Bei dem Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen. Außerdem verletzte der mutmaßliche Täter Stephan B. zwei weitere Menschen. Schwer bewaffnet hatte er zuvor versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort 51 Gläubige versammelt. Der Generalbundesanwalt erließ gegen ihn Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuches.
Berlin (epd). Mit einem Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus will die Bundesregierung auf den rechtsterroristischen Anschlag in Halle reagieren. Nach der Betroffenheit, der Trauer und dem Leid in der vergangenen Woche müsse man "auch wirklich Taten folgen lassen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am 17. Oktober im Bundestag. In der kurzfristig angesetzten Debatte zur Bekämpfung von Antisemitismus stellte er ein Maßnahmenpaket vor, das er am 18. Oktober auch bei einem Sondertreffen mit den Innenministern der Länder besprechen will.
Zu Seehofers Maßnahmenpaket gehören ein besserer Schutz jüdischer Einrichtungen und Pläne für mehr Personal zur Bekämpfung von Rechtsextremismus für das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Zudem kündigte der Innenminister eine konsequente Prüfung zum Verbot rechtsextremistischer Vereinigungen an.
Seehofer stellte sich zudem hinter die Forderung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die Anbieter von Internetplattformen verpflichten will, Morddrohungen und Volksverhetzungen an die Strafverfolgungsbehörden zu melden. Auch Lambrechts Forderung nach einer Verschärfung im Waffenrecht stimmte Seehofer zu. "Waffen gehören nicht in die Hände von Extremisten", betonte Lambrecht in der Bundestagsdebatte. Per Abfrage bei den Sicherheitsbehörden will sie das künftig ausschließen. Lambrecht forderte zudem eine Strafverschärfung für Beleidigungen in sozialen Netzwerken.
Seehofer kündigte zudem Verbesserung bei der Prävention von Rechtsextremismus und Antisemitismus an. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erneuerte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) ihre Forderung nach einem Demokratie-Fördergesetz, das Initiativen, die bislang auf Projektmittel angewiesen sind, eine verlässliche Finanzierung sichern soll. Die Union hatte das bislang abgelehnt, ein Beschluss der CDU vom Montag hatte nun aber auch eine verlässliche Finanzierung für solche Initiativen verlangt.
Bei dem Anschlag von Halle am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann zwei Menschen erschossen und auf der Flucht zwei weitere schwer verletzt. Der Täter hatte zuvor versucht, in die Synagoge einzudringen, was misslang. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven.
Zu Beginn der Bundestagssitzung waren die Abgeordneten zum Gedenken an die Opfer aufgestanden. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verurteilte zu Beginn der Sitzung, dass in Reaktionen auf Twitter "auf diese von Judenhass getriebene Tat weiter mit Ab- und Ausgrenzung von Menschen gespielt wird". Mit dem Teilen dieser Reaktionen stelle man sich außerhalb des Grundkonsens', sagte er.
"Das gilt erst Recht für Mitglieder dieses Hauses", ergänzte Schäuble. Mitglieder von Union, SPD, Linken, Grünen und FDP hatten sich am Mittwoch mit einer gemeinsamen Erklärung vom Vorsitzenden des Rechtausschusses, dem AfD-Abgeordneten Stephan Brandner, distanziert, weil dieser am Tag nach dem Anschlag einen Tweet geteilt hatte, in dem zwischen "deutschen" Opfern und denen in Moscheen und Synagogen unterschieden wurde. Brandner wird darin der Rücktritt vom Ausschussvorsitz nahegelegt.
Halle (epd). Für die Opfer des antisemitischen Anschlages in Halle ist ein Spendenkonto eingerichtet worden. Dafür verantwortlich ist der Verein Zeit-Geschichte(n) e.V., unterstützt von der Stadt Halle und der Stadtwerke Halle GmbH, wie die Stadtverwaltung am 14. Oktober in Halle mitteilte. Nach dem Anschlag waren bei der Stadtverwaltung Anfragen zu Spendenmöglichkeiten für die Angehörigen der Ermordeten sowie für die Betroffenen eingegangen.
In Halle waren am 9. Oktober eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen worden. Der schwer bewaffnete Täter wollte in die Synagoge im Paulusviertel eindringen, was misslang. Zu dem Zeitpunkt hatten sich in der Synagoge insgesamt 51 Menschen zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versammelt. Der 27-Jährige hat seine Tat gestanden und bestätigt, dass er aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven handelte.
Halle (epd). Beim ökumenischen Gedenkgottesdienst für die Opfer des rechtsextremistischen Anschlags sind in der halleschen Marktkirche insgesamt 3.500 Euro Kollekte zusammen gekommen. Die Kirche werde die Spendengelder komplett an die Hilfsorganisation Weißer Ring e.V. weiterleiten, teilte ein Sprecher des Evangelischen Kirchenkreises Halle-Saalkreis am 16. Oktober in Halle mit. Die bundesweit tätige Hilfsorganisation begleitet und unterstützt Opfer von Kriminalität und deren Angehörige. Auch in Halle leiste der Weiße Ring im Bedarfsfall schnelle und unbürokratische Hilfe für Betroffene von Straftaten, hieß es.
Beim nächsten Friedensgebet am 21. Oktober um 17 Uhr wird der Weiße Ring in der Marktkirche wieder zu Gast sein und im Anschluss an das Gebet über die Arbeit und Struktur der Organisation berichten, wie der Sprecher ankündigte. An dem Gedenkgottesdienst am vergangenen Montag nahmen rund 800 Menschen in der Marktkirche teil. Das Gotteshaus war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Gottesdienst wurde auch auf dem Marktplatz übertragen. Die Predigt hielt der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer.
Bei dem Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen. Außerdem verletzte der mutmaßliche Täter Stephan B. zwei weitere Menschen. Schwer bewaffnet hatte er zuvor versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort 51 Gläubige versammelt. Der Generalbundesanwalt erließ gegen ihn Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuches.
Magdeburg (epd). Eine mobile Polizeiwache soll künftig die hallesche Synagoge schützen. Diese Polizeiwache sei kurzfristig von der Landespolizei Niedersachsen zur Verfügung gestellt worden, teilte das Innenministerium am 18. Oktober in Magdeburg mit. Besetzt werde die Wache mit mehreren Beamten der Polizei rund um die Uhr. Es ist die erste mobile Polizeiwache vor einer jüdischen Einrichtung in Sachsen-Anhalt.
Die Errichtung solcher Polizeiwachen ist ein Baustein des Zehn-Punkte-Maßnahmenpakets, das Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Anfang dieser Woche vorgestellt hat. Das Ministerium strebt die Errichtung weiterer Polizeiwachen an. Dazu will das Ministerium ein Investitionsprogramm für mobile Polizeiwachen in Sachsen-Anhalt initiieren. Zudem soll der Landesregierung auch vorgeschlagen werden, mit den jüdischen Gemeinden eine Vereinbarung über bauliche Sicherheitsmaßnahmen an Synagogen und deren Finanzierung abzuschließen.
Stahlknecht sagte, er habe mit Vertretern der jüdischen Gemeinden besprochen, wie der Schutz ihrer Einrichtungen konkret aussehen müsse. Die am Freitag in der Stadt Halle erfolgte Maßnahme erhöhe deutlich sowohl Sichtbarkeit als auch Ansprechbarkeit von Polizei vor Ort, sagte er.
Bei dem rechtsextremistischen Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen. Außerdem verletzte der mutmaßliche Täter Stephan B. zwei weitere Menschen. Schwer bewaffnet hatte er zuvor versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort 51 Gläubige versammelt.
Berlin (epd). Mehr als 100 Personen haben am 20. Oktober eine Menschenkette vor der Neuen Synagoge in Berlin gebildet. Die Aktion während des Abschlusses des jüdischen Laubhüttenfestes sollte für "Solidarität in Trauer und Angst" mit den Juden in Berlin stehen, erklärte das Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. Symbolisch schirmten die Teilnehmer der Demonstration, die sich gegenseitig unterhakten, die Synagoge in der Oranienburger Straße ab.
An der Aktion nahm auch der Berliner Propst und künftige Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, teil. "Die Verbundenheit von Christen und Christinnen mit ihren jüdischen Geschwistern ist elementarster Ausdruck unseres Glaubens", hatte Stäblein zuvor erklärt: "Ihre Synagogen haben wir zu schützen wie unseren Augapfel. Sie sollen sicher unter uns wohnen und ihren Glauben leben und feiern."
Auch Vertreter der katholischen Kirche und der muslimischen Gemeinschaft hatten ihre Teilnahme angekündigt. Die beiden Kirchen wollten in den Sonntagsgottesdiensten für die Teilnahme werben.
Berlin (epd). Nach dem Anschlag von Halle wollen die Innenminister von Bund und Ländern rasch mit einem Maßnahmenpaket auf die rechtsextremistische Bedrohung reagieren. Bei einem Sondertreffen in Berlin verständigten sich die Ressortchefs der Bundesländer mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf insgesamt zehn Punkte, darunter einen besseren Schutz von Synagogen, eine Verschärfung des Waffenrechts, strengere Regeln für Internetanbieter und mehr Ressourcen für die Behörden. Die Maßnahmen sollen schnell umgesetzt, möglichst schon am 23. Oktober im Bundeskabinett besprochen werden, sagte Seehofer nach dem Treffen.
Synagogen und jüdische Einrichtungen sollen - nach Absprache vor Ort - dem Papier zufolge künftig besser durch die Polizei geschützt werden. Seehofer zufolge soll der Bund zudem Mittel bereitstellen, wenn ein baulicher Schutz sinnvoll ist. Der Mann, der in er vergangenen Woche in Halle zwei Menschen erschoss, wollte eigentlich in die dortige Synagoge eindringen. Er scheiterte an der gesicherten Eingangstür.
Seehofer unterstrich zudem die Notwendigkeit von Verschärfungen im Waffenrecht. Die rechtsextremistische Szene sei außerordentlich gewaltbereit und waffenaffin. "Daraus muss die Politik eine Konsequenz ziehen", sagte er. Per Regelabfrage soll künftig vermieden werden, dass Extremisten Waffen erwerben dürfen. Auch bestehende Erlaubnisse könnten den Angaben zufolge mit einer Änderung zurückgezogen werden.
Das "Maßnahmenbündel", wie der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), das Paket nannte, sieht zudem unter anderem konsequente Vereinsverbote und mehr Prävention vor. Die Innenminister stellen sich zudem hinter die Forderung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die Anbieter von Internetplattformen verpflichten will, strafrechtlich relevante Inhalte von Nutzern zu melden. Bislang sind sie nur verpflichtet, diese Inhalte binnen einer Frist zu löschen.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) betonte, dass die Innenminister auch für einen besseren Schutz von Kommunalpolitikern vor Hass und Bedrohungen plädieren. Lambrecht hatte vorgeschlagen, den Paragrafen, der üble Nachrede gegen Politiker ahndet, so abzuändern, dass er anders als jetzt auch auf Kommunalpolitiker Anwendung findet. Zudem soll das Bundesinnenministerium prüfen, wie extremistische Umtriebe von Beamten disziplinarrechtlich verfolgt werden können. Dabei gehe es um Einzelfälle, nicht um die bloße Mitgliedschaft in Vereinigungen, sagte Pistorius: "Niemand von uns will einen Radikalenerlass."
Bei dem Anschlag von Halle am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann zwei Menschen erschossen und auf der Flucht zwei weitere schwer verletzt. Der Täter hatte zuvor versucht, in die Synagoge einzudringen, was misslang. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven. Nach Einschätzung der Behörden wollte er in der Synagoge ein Blutbad anrichten.
Magdeburg (epd). Nach dem rechtsextremistischen Anschlag in Halle hat die sachsen-anhaltische Grünen-Fraktion einen Aktionsplan gegen Antisemitismus und Hasskriminalität vorgelegt. Die Vorsitzende der bündnisgrünen Landtagsfraktion, Cornelia Lüddemann, sagte am 17. Oktober in Magdeburg, der Angriff in Halle sei kein Alarmsignal mehr, sondern ohne Frage eine Zäsur. Sie sei immer noch tief erschüttert und fassungslos. Aufklärung, Bildung und Prävention müssten deutlich verstärkt werden, aber auf der Grundlage einer ehrlichen und klaren Analyse der Situation. Zudem gehe es um einen besseren Schutz jüdischer Einrichtungen und die Stärkung von Polizei und Sicherheitsbehörden.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Sebastian Striegel, sagte: "Es geht jetzt nicht mehr um die bloße Verteidigung der Demokratie, sondern um ein aktives Zurückkämpfen." Dies müsse gesellschaftlicher Grundkonsens sein und brauche konkrete Maßnahmen. Dabei gehe es nicht nur um jüdische Mitbürger, sondern auch um andere betroffene Minderheiten im Land, beispielsweise Muslime.
Die Grünen sprechen sich für eine konsequente Strafverfolgung von Hasskriminalität aus, so Striegel. Dazu müsse bei einer Staatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt ein Referat mit diesem Schwerpunkt eingerichtet werden. Zudem sei ein Antisemitismusbeauftragter bei der Generalstaatsanwaltschaft notwendig. Der in Sachsen-Anhalt seit November 2018 zuständige "Ansprechpartner für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus" sollte zudem diese Aufgabe hauptamtlich und nicht nur im Nebenamt ausüben.
Mit den sachsen-anhaltischen Koalitionspartnern von CDU und SPD, die ebenfalls einzelne Maßnahmen vorgelegt hätten, werde man über die Pläne beraten, sagte Striegel. Das Land müsse hier trotz schwieriger Haushaltverhandlungen Prioritäten setzen. Einige Maßnahmen kosteten auch nicht viel Geld. Als Beispiel nannte er die Überprüfung des Ausbildungsstandes von Pädagogen. Maßnahmen in anderen Bereichen würden dagegen Geld kosten, seien aber notwendig. Die Grünen wollen unter anderem auch Lehrer und Lehrerinnen in ihrer Ausbildung und mit Fortbildungen für das Thema sensibilisieren. Die Äußerungen der Mutter des Attentäters, einer Grundschullehrerin, in den Medien bezeichnete Lüddemann als erschreckend.
In einem Interview mit dem Fernsehsender RTL hatte die Mutter über ihren Sohn gesagt, er habe "nix gegen Juden in dem Sinne. Er hat was gegen die Leute, die hinter der finanziellen Macht stehen. Wer hat das nicht"? Zudem suche er "nach den Menschen, die die weißen Menschen verunglimpfen".
Bei dem Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen. Außerdem verletzte der mutmaßliche Täter Stephan B. zwei weitere Menschen. Schwer bewaffnet hatte er zuvor versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort 51 Gläubige versammelt. Der Generalbundesanwalt erließ gegen B. Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuches.
Berlin (epd). Rund 250 Menschen haben am 18. Oktober in Berlin an den Beginn der nationalsozialistischen Deportationen von Juden aus Berlin vor 78 Jahren erinnert. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte bei der Gedenkfeier am Mahnmal "Gleis 17" am Bahnhof Berlin-Grunewald mit Blick auf den Holocaust, der deutsche Weg in das Verderben sei weder zufällig, noch unausweichlich gewesen. Aus der deutschen Geschichte erwachse die gemeinsame Verantwortung aller, gegen Antisemitismus aufzustehen. Der Anschlag in Halle in der vergangenen Woche habe das Ausmaß der Gewaltbereitschaft verdeutlicht.
Auch Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) rief dazu auf, sich gegen Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen einzusetzen. In der Nazizeit habe sich die Vernichtung der Juden vor aller Augen vollzogen, "kaum einer wagte zu intervenieren, leistete Widerstand", sagte Münch bei der Gedenkfeier, die von Schülern des Berliner John-Lennon-Gymnasiums und der Holocaustüberlebenden Ingeborg Geißler mitgestaltet wurde. An dem Gedenken nahmen unter anderem auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff teil.
Am 18. Oktober 1941 verließ der erste sogenannte Osttransport den Berliner Bahnhof Grunewald in Richtung Litzmannstadt, heute Lodz. In dem Zug waren mehr als 1.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer. Insgesamt wurden in der NS-Zeit mehr als 50.000 Berliner Juden ermordet. Ab 1942 fuhren Deportationszüge auch vom Anhalter Bahnhof und vom Güterbahnhof Moabit. Ziele waren Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager unter anderem in Minsk, Riga, Warschau, Theresienstadt, Sobibor und Auschwitz.
Seit 2011 wird am Bahnhof Grunewald an die Deportationen erinnert. Die Initiative dazu ging von der Schriftstellerin und Holocaust-Überlebenden Inge Deutschkron aus. Das Denkmal "Gleis 17" wurde von der Deutschen Bahn 1998 als Mahnmal zur Erinnerung an die Rolle der Reichsbahn im Dritten Reich errichtet.
Andreas Nachama, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum und Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, forderte bei der Gedenkveranstaltung die Deutsche Bahn auf, sich mehr für den Erhalt des Gedenkortes "Gleis 17" einzusetzen. Neben "spontaner Vegetation" sei der Ort durch Bauvorhaben gefährdet. Für den Ort sei es wichtig, dass dessen "Güterbahnhof-Umgebung" erhalten werde, sagte Nachama.
Oranienburg (epd). Wegen Volksverhetzung und Störung der Totenruhe in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen muss ein 69-jähriger Mann aus der Bodenseeregion 4.000 Euro Geldstrafe zahlen. Der Einspruch gegen den Strafbefehl sei zurückgenommen worden, teilte das Amtsgericht Oranienburg am 15. Oktober mit. Der Strafbefehl sei damit rechtskräftig, eine weitere Hauptverhandlung werde es deshalb nicht geben. (Az.: 18 Cs 114/19)
Der Mann war im Juli 2018 mit einer AfD-Besuchergruppe in Sachsenhausen und hatte dabei die Existenz von Gaskammern unter dem NS-Regime angezweifelt. Die Gruppe war auf Einladung von AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel in der Region und wurde wegen massiver Störungen aus der Gedenkstätte verwiesen.
Der Prozess gegen den Mann am 8. Oktober war zunächst geplatzt, weil der Angeklagte nicht erschienen war und eine ordentliche Ladung nicht nachgewiesen werden konnte. Am Folgetag sei dann bei Gericht eine Mitteilung mit Datum vom 30. September über eine schwere Erkrankung des Angeklagten sowie seine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit eingegangen.
Damit stehe auch fest, dass der Mann die Ladung zu dem Gerichtstermin rechtzeitig erhalten habe, betonte das Gericht. Die Zustellungsurkunde war nicht beim Gericht eingegangen. Deshalb konnte bei der Verhandlung am 8. Oktober keine Entscheidung getroffen werden.
Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende von ihnen wurden ermordet oder starben auf andere Weise. 1942 wurde in Sachsenhausen eine Vernichtungsanlage mit Krematorium, Genickschussanlage und später eingebauter Gaskammer errichtet.
Berlin (epd). Nach der Ablehnung des Roland Berger Preises für Menschenwürde durch zwei Preisträger hat die Stiftung die für 21. Oktober geplante Festveranstaltung abgesagt. Hintergrund der Ablehnung sind Berichte über mögliche NS-Verbindungen des Vaters des Stifters, Georg Berger. Mit der Absage der Preisverleihung wolle er weiteren Schaden von seiner Stiftung abwenden und den Geist der Auszeichnung für kommende Preisträger wahren, erklärte der Kuratoriumsvorsitzende Roland Berger am 19. Oktober in München. Die Preisverleihung soll demnach auf das nächste Jahr verschoben werden. Berger will zuvor das Ergebnis einer Untersuchung der NS-Verbindungen seines Vaters veröffentlichen.
Am 19. Oktober hatten der polnische Bürgerrechtler Adam Bodnar und die Initiative "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" den Preis der Stiftung abgelehnt. Hintergrund ist eine Veröffentlichung des "Handelsblatts", wonach der Vater von Roland Berger, Georg Berger, nicht Opfer, sondern Profiteur des NS-Regimes gewesen sein soll. Roland Berger wurde vorgeworfen, in der Vergangenheit ein unkritisches und unvollständiges Bild von seinem Vater gezeichnet zu haben.
Die von der Zeitung "initiierte Berichterstattung" über ein Thema, das mit dem Preis nichts zu tun habe, habe die Preisträger offenbar verunsichert, erklärte die Stiftung. Mit Traurigkeit und Enttäuschung habe er die Ablehnungen zur Kenntnis genommen, erklärte Berger.
"Geschichtsklitterung nehmen wir nicht hin, denn sie widerspricht einem couragierten Einsatz für die Menschenwürde", erklärte die Vorsitzende des Vereins "Aktion Courage", Sanem Kleff, am Samstag in Berlin. Die Vereinsinitiative "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" sollte den mit 30.000 Euro dotierten Preis bei der Festveranstaltung am Montag in Berlin entgegen nehmen. Zuvor hatte bereits der polnische Bürgerrechtler Adam Bodnar nach Angaben einer Stiftungssprecherin den Preis abgelehnt.
Roland Berger wies den Vorwurf zurück, seinen Vater zu unkritisch gezeichnet zu haben. Er sei aber bereit das Bild seines Vaters zu revidieren, sollten die historischen Untersuchungen ergeben, dass Georg Berger ein Profiteur des NS-Regimes gewesen sei, heißt es in der Erklärung der Stiftung. Mit der Untersuchung sind den Angaben zufolge die Historiker Michael Wolffsohn und Sönke Neitzel beauftragt worden.
Bei der Preisverleihung am 21. Oktober in Berlin sollte als dritter Preisträger die Initiative "#ichbinhier" gegen Hass und Hetze im Internet ausgezeichnet werden. Sie wollte den Preis entgegennehmen. "Da die Verleihung des Preises für Menschenwürde von der Roland Berger Stiftung explizit nicht in Verbindung zu der Person Georg Bergers steht, sehen wir auch keinen Grund dafür, diesen Preis abzulehnen", erklärte das Projekt auf seiner Homepage.
Die Stiftung will nach eigenen Angaben mit den Preisträgern im Gespräch darüber bleiben, ob weiteres Interesse an der Auszeichnung besteht oder ob für das nächste Jahr neue Preisträger ausgewählt werden müssen. Der Bericht der Historiker soll Ende des Jahres vorliegen und dann veröffentlicht werden.
Weimar (epd). Nach drei Wochen hat der Bagger den Steinbruch von Buchenwald wieder verlassen. Das hier noch einmal geschürft werde, sei höchst unwahrscheinlich, gab Karin Sczech vom Thüringer Landesamt für Archäologie und Denkmalschutz (TLAD) am 17. Oktober in Weimar zu Protokoll. Die Chancen, in einem der schrecklichsten Leidensorte des Konzentrationslagers doch noch etwas von Wert zu finden, gehe gegen Null, erklärte die Expertin.
Insgesamt wurden drei unvollendete Luftschutzbunker entdeckt, hieß es weiter. Aller Wahrscheinlichkeit nach seien diese von Häftlingen für die SS-Wachmannschaften angelegt worden, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge. Er zeigte sich erleichtert darüber, dass der Mythos von unentdecktem Nazi-Gold in Buchenwald nicht länger zu halten sei. Die Gedenkstätte könne sich nun wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmen, erklärte Knigge.
Er erinnere sich nur ungern an das Jahr 1994, als er seine Tätigkeit in der Gedenkstätte begann: Immer wieder wurde "bis in Qualitätszeitungen hinein" von sagenhaften Schätzen schwadroniert, sagte Knigge. Selbst das legendäre, von den Nazis aus Russland gestohlene Bernsteinzimmer, sollte auf dem Ettersberg versteckt worden sein. Die Berichte lockten in der Vergangenheit immer wieder Schatzgräber an.
Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges seien im Steinbruch in den vergangenen drei Wochen wieder sehr lebendig geworden, hieß es weiter. Die Bunker zeigten, wie die Häftlinge bis zuletzt für den Egoismus der Täter, leiden mussten, erklärte Knigge. Die SS sei nach den sehr präzisen alliierten Luftangriffen vom August 1944 auf das Lager und seine Rüstungsbetriebe allarmiert gewesen.
Nach der Befreiung des Lagers und der Ankunft von US-Truppen am 11. April 1945 führten Häftlinge die Amerikaner in den Steinbruch und zu zwei Stollen, die mit Raubgut, auch aus Auschwitz, gefüllt waren. Schon Ende April wurde der Hort von Buchenwald fortgeschafft und, wenn möglich, den alten Besitzern zurückerstattet. Der Rest kam in einen Entschädigungsfonds für die Opfer. So sei die Aktenlage, heißt es von der Gedenkstätte. Er sehe keinen Grund, warum die Befreiten die Schätze ihren Befreiern hätten vorenthalten sollen, sagte Knigge.
Er lobte auch das Team von MDR Thüringen, dass nach zweieinhalbjährigen Recherchen die Grabungen angeregt hatte. Landesfunkhauschef Boris Lochthofen sprach von einem großen publizistischen Erfolg. In nur drei Wochen haben man mehr Licht ins Dunkel bringen können, als in den drei Jahrzehnten davor. Er kündigte drei Filme an, die für Arte und den MDR über den Steinbruch von Buchenwald produziert würden.
Hamburg (epd). Mit der Verlesung der Anklageschrift hat am 17. Oktober der Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. vor dem Hamburger Landgericht begonnen. Der Angeklagte erschien im Rollstuhl und in Begleitung seiner Tochter und seines Verteidigers vor Gericht, machte zunächst jedoch keine persönliche Aussage. Sein Verteidiger kündigte an, dass D. in der kommenden Woche Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten werde.
Bruno D. hatte während der Ermittlungen in Befragungen durch Polizei und Staatanwaltschaft seine Tätigkeit als SS-Wachmann zugegeben. Sein Mandant stehe zu all diesen Angaben, sagte sein Verteidiger Stefan Waterkamp. Jedoch sehe er keine Schuld bei sich, weil er aktiv niemanden umgebracht habe, sagte der Anwalt in einer zu Beginn der Hauptverhandlung verlesenen Erklärung.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 93-Jährigen Beihilfe zum Mord in mehr als 5.230 Fällen vor. Bruno D. soll zwischen August 1944 und April 1945 im Konzentrationslager Stutthof (bei Danzig) die Tötung jüdischer Häftlinge "durch bewusste Herbeiführung und Aufrechterhaltung lebensfeindlicher Bedingungen wie Nahrungsentzug und Verweigerung medizinischer Versorgung" unterstützt haben. In dem Verfahren vertreten 14 Verteidiger insgesamt 28 Nebenkläger, darunter Nachfahren von ehemaligen Insassen des KZ Stutthof.
Zu den Aufgaben des zur Tatzeit 17- und 18-jährigen Angeschuldigten gehörte es laut Staatsanwaltschaft im Rahmen des Wachdienstes, die Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen zu verhindern. In Stutthof wurden schätzungsweise 65.000 Menschen umgebracht. Zu den Tötungsmethoden gehörten gezielter Genickschuss, Vergasung mit dem Gift "Zyklon B" und die Aufrechterhaltung lebensfeindlicher Bedingungen. Über all dies sei der Angeklagte ohne Zweifel informiert gewesen, heißt es in der Anklage.
D.s Verteidiger Waterkamp warf der Justiz eine "Verfahrensverzögerung von mindestens 60 Jahren" vor. Sein Mandant habe bereits 1975 in einem Sammelverfahren und 1982 in einer Vernehmung als Zeuge umfangreiche Aussagen zu seiner Tätigkeit im KZ Stutthof gemacht. Zu einem Ermittlungsverfahren sei es nicht gekommen.
Einziger Grund, dass D. nun vor Gericht stehe, sei eine Änderung der Rechtssprechung. Erst seit der Verurteilung des KZ-Helfers John Demjanjuk 2011 gerieten auch KZ-Helfer ins Visier der Justiz, denen keine individuellen Verbrechen nachgewiesen werden konnten. In Deutschland laufen nach Recherchen des "Norddeutschen Rundfunks" noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher.
"Helfer wie D. sorgten dafür, dass keiner aus der Hölle von Stutthof entkommen konnte", sagte Nebenkläger-Vertreter Cornelius Nestler. Seine Mandantin hoffe, dass D. zu einem Dialog über Verantwortung bereit sei. "Es ist eine Frage der Gerechtigkeit." Im Namen seiner Mandantin Judy Meisel beschrieb er, wie diese als Jugendliche ihrer Mutter zum letzten Mal vor der Gaskammer des KZ begegnete, bevor die Mutter hineingeführt wurde. Meisel überlebte Stutthof und lebt heute in den USA. Die 94-Jährige ist zu schwach, um zum Prozess anzureisen.
Im Gerichtssaal anwesend waren neben den Prozessbeteiligten nur akkreditierte Personen, darunter mehrere Journalisten. Da D. zur Tatzeit zwischen 17 und 18 Jahren alt war, findet das Verfahren vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts statt. Daher gelten auch besondere Prozessbedingungen.
Bis Weihnachten sind elf Verhandlungstermine angesetzt. Im Falle einer Verurteilung D.s müsste zunächst geprüft werden, ob er die Haft antreten kann.
Leipzig (epd). Die Unionsfraktion im Bundestag hat die Bedeutung der friedlichen Revolution in der DDR gewürdigt. Der Sieg der Ostdeutschen über die SED-Diktatur sei "ein herausragendes Ereignis der gesamtdeutschen Geschichte", erklärten die Abgeordneten von CDU und CSU am 14. Oktober in Leipzig. "Dafür können wir in Demut dankbar und selbstbewusst sein", heißt es in einem "Leipziger Aufruf", den die Fraktion auf einer außerordentlichen Sitzung in der sächsischen Messestadt verabschiedete.
Man gedenke der vielen Opfer in der DDR, "die für den Wunsch nach Freiheit und Demokratie mit ihrem Leben bezahlen mussten", erklärten die Abgeordneten in dem Aufruf. Die Unionsabgeordneten setzten sich dafür ein, "dass Erinnerung, Aufarbeitung und Wiedergutmachung auch nach 30 Jahren nicht an Bedeutung für unsere Gesellschaft verlieren." Eine Demonstration mit rund 70.000 Teilnehmern am 9. Oktober 1989 in Leipzig hatte der friedlichen Revolution in der DDR zum Durchbruch verholfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die wegen einer Veranstaltung zum 70. Geburtstag ihres Mannes nicht an der Sitzung teilnehmen konnte, würdigte den Mut der friedlichen Revolutionäre per Videobotschaft. Eine Lehre der Demonstrationen von 1989 sei, "dass man Undenkbares verändern kann", sagte Merkel und fügte hinzu: "Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir heute uns wieder daran erinnern, wie Menschen damals den Mund aufgemacht haben, in Respekt."
Mit Blick auf die Folgen der Wende und Probleme in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung sagte die in der DDR aufgewachsene Merkel: "Vielleicht haben wir nicht gewusst, dass Freiheit auch Mühe ist." Der Rechtsstaat erwarte von seinen Bürgern Mündigkeit und eine "Freiheit zur Verantwortung", erklärte die Bundeskanzlerin und ergänzte: "Wenn man das nicht gelernt hat, ist das oft gar nicht so einfach."
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, dass die friedliche Revolution gelungen sei, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, "ist nun wirklich das Wunder der deutschen Geschichte". Er persönlich habe immer an die Wiedervereinigung geglaubt, erklärte Schäuble, der 1990 Bundesinnenminister war.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der ebenfalls zu der Sitzung eingeladen war, sagte, das Wunder der friedlichen Revolution sei von Menschen ermöglicht worden, die sich nicht einschüchtern ließen und Werte und Haltung gehabt hätten. Die Menschen in der DDR hätten die deutsche Einheit gewollt, erklärte er: "Wir haben sie gemacht, Gott sei Dank ist es so gekommen." Kretschmer, Schäuble und weitere CDU-Politiker betonten zudem die Verdienste des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl um die Wiedervereinigung.
Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, der ebenfalls als Gast geladen war, drückte seine Freude darüber aus, dass der "Leipziger Aufruf" einen "klaren Akzent" setze. Am Ende gehe es immer um individuelle Verantwortung, betonte Jahn. Diese sei "die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart". Äußerungen von Rechtspopulisten, die Meinungsfreiheit sei heute wieder ähnlich eingeschränkt wie in der DDR, seien "wirklich ein Schlag ins Gesicht der Opfer der SED-Diktatur", sagte Jahn.
Potsdam, Schwerin (epd). Sein Interesse und seine Liebe gilt den kleinen Leuten, die Geschichte an der Peripherie erleben. Über sie, teils die Verlierer der Gesellschaft, erzählt Andreas Dresen in seinen Filmen. Wie zuletzt in "Gundermann", dem Film über den singenden Baggerfahrer Gerhard Gundermann aus dem Lausitzer Braunkohlerevier. Ein Film, den er habe machen wollen, "um ein differenzierteres Bild von der DDR zu zeichnen, als das in manchen Filmen bisher geschehen ist", sagte Dresen im vergangenen Jahr in seiner Heimatstadt Schwerin.
"Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck etwa sei ein guter Film. "Aber er hat mit der DDR so viel zu tun wie Hollywood mit Hoyerswerda", sagt Dresen. "Wir sollten in Filmen Geschichten erzählen, die von der Wirklichkeit eines Landes handeln", lautet sein Plädoyer. Begonnen hat der Sohn des Theaterregisseurs Adolf Dresen und der Schauspielerin Barbara Bachmann damit bereits in seiner Jugend. Sein Vater habe ihm im Alter von zwölf Jahren eine Schmalfilmkamera geschenkt, "da habe ich angefangen, Filme zu machen - kleine satirische Geschichten über das Leben in der DDR".
Nach dem Abitur arbeitete Dresen als Tontechniker am Schweriner Theater und absolvierte ein Volontariat im Defa-Studio für Spielfilme. Von 1986 bis 1991 studierte er Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg. Seit 1992 arbeitet er als freier Autor und Regisseur.
Sie hätten Glück gehabt mit ihren Biografien, sagte Dresens langjährige Drehbuchautorin Laila Stieler im vergangenen Jahr in einem gemeinsamen "Zeit"-Interview. Sie seien fertig ausgebildet gewesen und 1990/91 ins Berufsleben gekommen. "Ich bin historisch zwischen die Systeme geraten", formulierte es Dresen. "Deshalb habe ich eine Mischung in mir."
Mit diesen gemischten Gefühlen blickt er auch auf die Ereignisse vor 30 Jahren. Er sei "froh, dass die DDR weg ist. Ich habe da null ostalgische Gefühle." Dennoch habe er die Wiedervereinigung wie eine Kapitulation empfunden. "Das war nicht der Impetus, mit dem wir im Herbst 1989 angetreten sind." Diese Monate seien eine Chance gewesen, "die DDR vom Kopf auf die Füße zu stellen und endlich das zu verwirklichen, wovon wir immer geträumt hatten: eine sozial gerechtere, demokratische Konstruktion von Gesellschaft".
In Leipzig hatte Dresen damals gemeinsam mit anderen Filmstudenten eine Demo gegen die Wiedervereinigung organisiert. Mit rund dreißig Leuten zog er im November '89 durch die Innenstadt. "Uns kamen dann ungefähr hunderttausend Menschen entgegen, und die haben geschrien: 'Kauft euch doch 'ne Insel!'".
Dennoch habe er auch Verständnis gehabt für alle, die sagten: "Wir haben jetzt lange genug gewartet und wollen endlich all die schönen Dinge haben, die wir bisher immer nur durch das Bullauge des Westfernsehens gesehen haben." Eine Konföderation, die sich "langsam Schritt für Schritt in Richtung Wiedervereinigung entwickelt", sei seine Vorstellung gewesen. Die hohe Geschwindigkeit habe zu "Konstruktionsfehlern" der deutschen Einheit geführt.
Dresens Werke, mit Bundesfilmpreisen, Darstellerpreisen, Kritikerpreisen und Festivalpreisen ausgezeichnet, zählen zu den meistprämierten deutschen Filmen. Zu seinen bekannten Filmen gehören "Nachgestalten" (1999), "Halbe Treppe" (2002), "Sommer vorm Balkon" (2005) und "Halt auf freier Strecke" (2011). Sein Film "Gundermann" (2018) war ein Kritiker- und Kassenerfolg. Er gewann unter anderem sechs Lolas beim Deutschen Filmpreis 2019.
Dennoch sei es zunächst schwierig gewesen, für "Gundermann" eine Produktionsfirma zu finden. Für die einen habe Gundermann im Drehbuch für seine Stasi-Tätigkeiten nicht genug Reue gezeigt, andere wiederum hätten gefragt: Wer ist eigentlich Gundermann? "Manchmal hat man das Gefühl, wenn man Geschichten aus der eigenen, ostdeutschen Lebenserfahrung erzählen möchte, dass man noch mal extra eine eigene Begründung dafür abliefern muss."
Dresen, der in Potsdam lebt, ist als juristischer Laie Verfassungsrichter im Land Brandenburg, Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, der Deutschen und der Europäischen Filmakademie. Seit dem Sommersemester 2018 hat er die neu eingerichtete Professur für Filmschauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Rostock inne.
Schwerin/Waren (epd). Mit einem Festakt hat das Land Mecklenburg-Vorpommern am 16. Oktober in Waren (Müritz) "30 Jahre friedliche Revolution" gefeiert. Die Kleinstadt war ausgewählt worden, weil dort am 16. Oktober 1989 unter dem Motto "Eine Hoffnung lernt laufen" die erste Demonstration mit damals 400 Teilnehmern im Nordosten erfolgte.
Sie habe allergrößten Respekt vor allen, die im Herbst 1989 und in den Jahren zuvor für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Reisefreiheit, Demonstrationsfreiheit und freie Wahlen eintraten, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in ihrem vorab verbreiteten Grußwort in der Marienkirche. Sie hätten Freiheit und Demokratie erkämpft. "Wir haben allen Grund, den Bürgerinnen und Bürgern zu danken, die damals auf die Straße gegangen sind und mutig Veränderungen eingefordert haben."
Den Festvortrag hielt der Theologe und SPD-Politiker Markus Meckel. Die friedliche Revolution sei eine mitteleuropäische Revolution gewesen, sagte Meckel laut Redemanuskript. Man könne an sie nicht angemessen erinnern, ohne den Zusammenhang mit Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion anzusprechen. Deshalb gehörten diese europäischen Nachbarn eigentlich zu jeder Feier des Mauerfalls als Gäste dazu.
Vor dem Festakt gab es einen ökumenischen Gottesdienst in der Georgenkirche mit anschließender Kerzen-Demonstration zum Markt. Die Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, sagte in ihrer Predigt, heute müssten Freiheit und Menschenrechte in der Demokratie vor ihren Gegnern geschützt werden.
Dresden (epd). Mehrere Tausend Menschen haben sich am 20. Oktober an Demonstrationen gegen die "Pegida"-Bewegung in Dresden versammelt. Die fremdenfeindliche Bewegung, die regelmäßig montags zu Veranstaltungen gegen Flüchtlinge und den Islam mobil macht, veranstaltete eine Kundgebung zu ihrem fünfjährigen Bestehen auf dem Neumarkt. Insgesamt vier Protestzüge richteten sich gegen die Veranstaltung. Nach Angaben eines Sprechers der Initiative "Herz statt Hetze" versammelten sich rund 8.000 Menschen hinter der Forderung nach Toleranz und Weltoffenheit. Die Polizei machte keine genauen Angaben zur Zahl der Teilnehmer auf beiden Seiten.
Der Sprecher von "Herz statt Hetze" wertete die Proteste gegen "Pegida" als Erfolg. Es sei friedlich bis zum Nachmittag geblieben. Auch ein Polizeisprecher sprach von einem insgesamt ruhigen Verlauf angesichts Tausender Teilnehmer. Aufseiten der "Pegida"-Veranstaltung kam es aber auch zu strafrechtlich relevanten Zwischenfällen. So teilte die Polizei auf Twitter mit, dass ein 62-Jähriger den Hitlergruß gezeigt habe. Von zwei weiteren Teilnehmern der "Pegida"-Demo wurden die Personalien wegen der Vorwurfs der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole aufgenommen.
Zudem wurde nach Polizeiangaben aus der "Pegida"-Versammlung heraus eine übelriechende Substanz auf die Gegendemonstranten geworfen. Dabei sei aber niemand verletzt worden, sagte der Polizeisprecher.
Unterstützung für die Gegendemonstranten hatten auch Bündnisse aus Leipzig und Chemnitz angekündigt. Es dürfe nicht unwidersprochen bleiben, dass das "Pegida"-Bündnis seinen fünften Jahrestag feiern wolle, erklärten sie zuvor. Bei der Kundgebung von "Herz statt Hetze" sprachen nach Angaben des Sprechers Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und der Leiter der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie, Michael Hurshell, als Vertreter der Jüdischen Gemeinde.
"Pegida" versammelt sich seit Oktober 2014 in der Regel montags zu Demonstrationen in Dresden. Die Bewegung lehnt unter anderem die Flüchtlingspolitik ab. Regelmäßig sind dort auch AfD-Politiker zu Gast, etwa der thüringische Parteichef und Anführer des völkischen "Flügels" der Partei, Björn Höcke. Zuletzt war auch der jüngst zum Vizepräsidenten des sächsischen Landtags gewählte AfD-Politiker André Wendt bei "Pegida" gesehen worden. Bei der "Pegida"-Kundgebung am Sonntag bekundeten Redner den Schulterschluss mit der AfD.
Scharf angegriffen wurden unter anderem die evangelische Kirche und die Medien, speziell der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Wiederholt skandierten Teilnehmer wie bereits in der Vergangenheit den Ruf "Lügenpresse".
Berlin (epd). Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, hat sich besorgt über die Zustimmung von Gewerkschaftsmitgliedern zur AfD geäußert. "Dass leicht überproportional viele Gewerkschaftsmitglieder AfD wählen besorgt mich natürlich", sagte Hoffmann den Zeitungen der "Funke Mediengruppe" (19. Oktober). Das Erstarken des Rechtsradikalismus sei eine echte Herausforderung für die Gewerkschaften. Die übergroße Mehrheit der Arbeitnehmer traue der AfD jedoch "gar nichts zu", unterstrich der DGB-Vorsitzende.
Nach Ansicht Hoffmanns sind für die Popularität der AfD unter anderem fehlende Tarifverträge verantwortlich: "Dort, wo Menschen Sicherheit verspüren, ist die Zustimmung zu Rechtsnationalisten deutlich geringer." Das sei in Betrieben der Fall, für die Tarifverträge gelten und in denen es Betriebs- oder Personalräte gibt. "Soziale Sicherheit macht weniger anfällig für rechtes Gedankengut", unterstrich der DGB-Vorsitzende.
Einer Auswertung des DGB zufolge haben bei den jüngsten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen viele Gewerkschaftsmitglieder die AfD gewählt. In Sachsen gab demnach ein Drittel der männlichen Gewerkschaftsmitglieder ihre Stimme der AfD, in Brandenburg war es mehr als ein Viertel.
Hamburg (epd). Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sieht eine zunehmende Radikalisierung des rechten "Flügels" der AfD. Rund neun Monate nachdem die völkische Parteiströmung vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall erklärt wurde, sagte Haldenwang dem "Spiegel": "Wir sehen nichts, was uns von dieser Einschätzung abbringen würde, im Gegenteil: Der 'Flügel' wird immer extremistischer."
Über den "Flügel"-Vertreter Andreas Kalbitz, der Verbindungen zur rechtsextremen Szene hatte, sagte Haldenwang: "Für mich ist nicht erkennbar, dass er sich von seiner Vergangenheit distanziert hat." Der Brandenburger AfD-Vorsitzende Kalbitz zähle wie der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu den führenden Köpfen des "Flügels". Zu Höcke selbst wollte sich Haldenwang angesichts der bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen "aus rechtlichen Gründen" nicht äußern. In Thüringen wird am 27. Oktober gewählt.
Der Verfassungsschutzchef kündigte an, die sogenannte Neue Rechte stärker ins Visier zu nehmen. Vordergründig distanziere sich diese politische Strömung von Gewalt, "aber sie befördert die Verschwörungstheorie der 'Umvolkung' und vermittelt das Gefühl, dass etwas geschehen muss, um solche vermeintlichen Entwicklungen zu stoppen". Das sei der "geistige Nährboden" für Taten wie den antisemitischen Anschlag von Halle, bei dem am 9. Oktober zwei Menschen erschossen wurden.
"Es gibt viele Organisationen, die wir uns intensiv ansehen", fügte Haldenwang hinzu. Für die "Reconquista Germanica" zum Beispiel, ein Projekt rechter Netzaktivisten, stehe seit einigen Wochen fest: "Das sind eindeutig Rechtsextremisten. Bei solchen Beobachtungsobjekten können wir nachrichtendienstliche Mittel einsetzen."
Frankfurt a.M. (epd). Wenn Erhard Eppler sprach, ruhig und eindringlich, spürte man trotz seines hohen Alters stets seine Vitalität, die Kraft seiner Worte und einen wachen Geist. Der SPD-Politiker und Pionier der Entwicklungspolitik mischte sich auch hochbetagt weiter ein: Er hielt Reden und Vorträge, gab Interviews und veröffentlichte Artikel in Zeitungen. Am 19. Oktober ist Eppler im Alter von 92 Jahren in seiner Wahlheimat Schwäbisch Hall gestorben.
Eppler bediente sich traditioneller Methoden: "Wenn ich schreibe, ist mir die Schreibmaschine und das Handschriftliche lieber als der Computer", bekannte er auf seiner Homepage. Mit dem Medium Internet habe er nur "am Rande" zu tun. Dafür äußerte er sich in dort abgelegten Texten noch bis 2016 zu aktuellen Themen.
Eppler blickte auf ein langes, politisches Leben und großen Erfahrungsschatz zurück: Schon als Elfjähriger sei er politisch "erwacht", schrieb er in seiner Biografie "Links leben - Erinnerungen eines Wertkonservativen". Damals hatte er, gab er später zu, die Bewunderung für Hitler geteilt, "die damals üblich war". Der erklärte nach dem Münchner Abkommen und dem Einmarsch der Wehrmacht im Sudetenland, das Deutsche Reich habe keine territorialen Ansprüche mehr - und ließ später seine Truppen in Prag einmarschieren. "Da hat er gelogen", war dem Jungen damals sofort klar.
Nach dem Krieg engagierte sich Eppler zunächst mit Gustav Heinemann in der Gesamtdeutschen Volkspartei und trat 1956 in die SPD ein. Er arbeitete als Gymnasiallehrer, bevor er 1961 als Abgeordneter für die Sozialdemokraten in den Deutschen Bundestag einzog. 1968 berief ihn Kanzler Willy Brandt, den er sehr bewunderte, zum Entwicklungsminister - ein Politikfeld, das für Eppler neu war, in dem er aber rasch Maßstäbe setzte. Schon damals warnte er, dass Europa in wenigen Jahrzehnten einem hohen Einwanderungsdruck ausgesetzt sein würde, wenn nicht mehr für die Entwicklung Afrikas getan werde.
Seine entwicklungspolitische Pionierarbeit wird heute gelobt, doch damals ließ Bundeskanzler Helmut Schmidt seinen Etat kürzen. Eppler gab sein Amt 1974 entnervt auf. Die beiden blieben Gegenspieler: Eppler engagierte sich in den 1970ern für Umweltschutz; "Ende oder Wende" war der Titel eines Buches, in dem er eine ökologische Politik und Grenzen des Wachstums beschrieb. Schmidt hielt davon nichts. Und während der Kanzler für die Nachrüstung mit Atomraketen warb, engagierte sich Eppler in der Friedensbewegung.
Auch ohne ein weiteres Amt in der Regierung hatte Eppler großen Einfluss auf das Programm der SPD, deren Grundwertekommission er von 1973 bis 1992 leitete. Im Bundesvorstand der Partei war er von 1970 bis 1991. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass die SPD 1986 den Atomausstieg beschloss.
Als überzeugter Christ engagierte sich der scharfe Analytiker immer auch in der Kirche. Von 1968 bis 1984 gehörte er der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an, 1981 bis 1983 und 1989 bis 1991 war er Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages.
Über sein Privatleben verriet Eppler auf seiner Homepage nichts. Dabei war er ein Familienmensch. Mit seiner Frau lebte er auf dem Friedensberg in Schwäbisch Hall. In einem Radiointerview erklärter er einst, dass er sie bereits in jungen Jahren geküsst habe. "Das war, als ich acht war und sie sechs. Da haben wir als Kinder Hochzeit gespielt."
Seine Lieblingsbeschäftigung im Alter war das Gärtnern: Eppler pflanzte Kartoffeln, Tomaten, Äpfel und Salat an. Glück bedeutete für ihn, "wenn eines meiner sechs Urenkel auf mich zu krabbelt". Als Christ, offenbarte Eppler in einem Interview mit der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", glaube er, "dass es geistige Kräfte gibt, zu denen wir keinen direkten Zugang haben". Aber wie das aussehe, wisse er nicht. Eppler: "Vom Himmel habe ich keine Vision. Ich bin neugierig."
Potsdam (epd). Brandenburgs Aufnahmeprogramm für Überlebende des IS-Völkermordes an den Jesiden steht kurz vor dem Abschluss. Von den 72 besonders schutzbedürftigen Angehörigen der religiösen Minderheit, die aufgenommen werden sollen, seien inzwischen 32 in einer Gemeinschaftsunterkunft im Land untergebracht, sagte Staatskanzleichef Martin Gorholt (SPD) am 18. Oktober in Potsdam. Weitere 26 Menschen hätten ihre Einreisevisa bereits, bei 14 weiteren Jesidinnen und Jesiden laufe das Visaverfahren noch.
Insgesamt sollen 28 Frauen, 34 Kinder und Jugendliche sowie zehn Ehemänner und Brüder der Frauen aufgenommen werden, sagte Gorholt. Die Menschen hätten seit dem IS-Überfall auf die Jesiden im Irak 2014 sehr gelitten und seien vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ausgewählt worden. Zwei der Frauen seien erst Ende 2018 aus der IS-Gefangenschaft geflohen oder freigekommen.
Bei dem Überfall auf die Jesiden ermordete der IS zahlreiche Männer, viele Frauen wurden vergewaltigt und teils jahrelang versklavt. Rund 350.000 Jesiden flüchteten in die kurdische Region im Nordirak. Die Täter müssten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt werden, forderte die Vorsitzende des Hilfsvereins Hawar, die Fernsehjournalistin Düzen Tekkal.
Die Aufnahme der Jesiden in Brandenburg wurde bereits seit 2016 geplant. Die Verhandlungen mit dem Bund hätten sich jedoch bis zum Januar 2019 hingezogen, sagte Gorholt. Die aufwendigen Visaverfahren liefen seit Mai. Das Land stellt in diesem Jahr 500.000 Euro für das Programm zur Verfügung, weitere rund 500.000 Euro gehen an ein Hilfsprojekt vor Ort.
Berlin (epd). Zivilgesellschaftliche Organisationen haben ihre Kritik an der Bundesregierung und ihrem Demokratieförderprogramm erneuert. Rund 120 Organisationen sowie weitere Unterstützer forderten in einem am 18. Oktober in Berlin veröffentlichten Brief Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) auf, mehr Geld für "Demokratie leben!" bereitzustellen. In seiner jetzigen Form spalte das Bundesförderprogramm die Zivilgesellschaft in Konkurrenten um die wenigen Projektgelder, kritisierten die Unterzeichner.
Das Familienministerium will nach eigenen Angaben im kommenden Jahr gut 115 Millionen Euro für die Demokratieförderung über ihr Programm "Demokratie leben!" zur Verfügung stellen. In der vergangenen Woche hatte Giffey nach massiver Kritik mitgeteilt, dass eine geplante Kürzung des Programms um acht Millionen Euro nicht erfolgen werde. Die Organisationen fordern 200 Millionen Euro jährlich.
Seit 2014 habe "Demokratie leben!" etwa 400 Modellprojekte gefördert, hieß es. "Nun sollen nur noch rund 100 dieser innovativen Projekte gefördert werden", heißt es in dem offenen Brief. Eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Träger könne nun keine Förderung beantragen. Einige von ihnen arbeiten bereits seit Mitte der 2000er Jahre in ihrem Feld. Der Wegfall der Gelder sei für viele existenzbedrohend.
Betroffen von den Kürzungen war unter anderem das bundesweite Neonazi-Aussteigerprogramm "Exit". Nach heftiger Kritik und einem Treffen mit "Exit"-Vertretern soll das Programm nun laut Familienministerium mit einem neuen strategischen Ansatz auch über 2020 hinaus gefördert werden.
Magdeburg (epd). Die Landespressekonferenz in Sachsen-Anhalt (LPK) hat die Öffentlichkeitsarbeit der sachsen-anhaltischen Landesregierung kritisiert. "Mit großem Befremden haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Landesregierung am Dienstag, 15. Oktober 2019, erneut die Teilnahme an der Kabinettspressekonferenz abgesagt hat", heißt es in einem am 17. Oktober in Magdeburg veröffentlichten, offenen Brief an den Regierungssprecher. Die Absage sei angesichts der Bedeutung der im Kabinett behandelten Themen inakzeptabel. "Nach dem Anschlag in Halle hat die Welt auf Sachsen-Anhalt geschaut. Gerade in dieser Situation haben wir eine Positionierung der Landesregierung in der Landespressekonferenz erwartet", heißt es in dem Schreiben.
In den vergangenen Monaten habe die Landesregierung immer wieder die Einladungen der LPK ausgeschlagen, begründete das Gremium sein Schreiben. Die als Verein organisierte LPK wies darauf hin, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf Unterrichtung habe. Eine regelmäßige Teilnahme von Vertretern der Landesregierung an den wöchentlichen Kabinettspressekonferenzen werde deshalb erwartet.
Die LPK ist ein Zusammenschluss der vor allem landespolitisch tätigen Journalisten im Land und vertritt deren Interessen gegenüber Landesregierung, Landtagsfraktionen und Parteien. Sie organisiert regelmäßig Pressekonferenzen. Dazu gehören auch die wöchentlichen Kabinettspressekonferenzen, auf denen Minister oder Staatssekretäre über Regierungsbeschlüsse oder Gesetzesvorhaben informieren. Aktuell gehören der Landespressekonferenz insgesamt 57 Mitglieder an.
Berlin (epd). Nach rund zweieinhalbjähriger Vorbereitung hat das neu gegründete Institut für Islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität (HU) zum Wintersemester 2019/2020 den Lehrbetrieb aufgenommen. Insgesamt 55 Studierende haben zum Wochenbeginn ein Theologiestudium begonnen, das sowohl sunnitische als auch schiitische Lehren vergleichend würdigt, wie die Universität am 15. Oktober in Berlin mitteilte. Sie sollen als Religionslehrer sowie für Tätigkeiten in Moscheegemeinden, Zivilgesellschaft und Wohlfahrtspflege qualifiziert werden.
Eine Ausbildung von Imamen findet laut Institut nicht statt. Das Studium steht auch Nicht-Muslimen offen. Zudem soll eng mit den christlichen Theologien kooperiert werden. Die Einrichtung ist das sechste Islam-Institut bundesweit. Weitere gibt es unter anderem in Münster und Tübingen.
Von den geplanten Berufungen auf die sechs vorgesehenen Lehrstühle sind laut Universität bislang fünf vom Instituts-Beirat bestätigt worden. Der Lehrbetrieb werde wo nötig durch Gastprofessuren und Gastdozenten sichergestellt, solange die Berufungsprozesse nicht abgeschlossen sind.
An der Zusammensetzung des Instituts-Beirats gab es wiederholt Kritik. Ihm gehören neben zwei Islamwissenschaftlern, dem Berliner Altbischof Wolfgang Huber und HU-Vizepräsidentin Eva Inés Obergfell je ein Vertreter des Zentralrats der Muslime, der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) und der Islamischen Föderation an. Liberale Muslime kritisieren, dass in dem Gremium ausschließlich konservative Islamverbände vertreten sind.
Magdeburg (epd). Die Verlegerin Friede Springer und der Unternehmer Rudolf-August Oetker sind am 19. Oktober mit den Landesverdienstorden von Sachsen Anhalt geehrt worden. Das Land würdigt damit ihre Verdienste um Gesellschaft und Kultur im Land, wie die Staatskanzlei mitteilte. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) überreichte die Orden in der Wittenberger Schlosskirche.
Das Schlosskirchenensemble habe dank der Initiative Oetkers restauriert werden können, hieß es zur Begründung für die Auszeichnung des Unternehmers. Friede Springer wurde geehrt für ihre Förderung des Koordinierungszentrums ConAct in Wittenberg, das sich dem deutsch-israelischen Jugendaustausch widmet. Sie habe darüber hinaus das Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik durch die Errichtung einer Stiftungsprofessur unterstützt und sich als stellvertretende Vorsitzende des "Freundeskreises Luther" engagiert.
"Ihr Engagement hat maßgeblich Spuren im Kulturleben und im Denkmalschutz unseres Landes hinterlassen", erklärte Haseloff an Springer gerichtet. Auch der frühere Vorsitzende der Geschäftsführung der Oetker-Gruppe habe aktiv im Verein "Freundeskreis Luther" mitgearbeitet.
Der 2006 als höchste Auszeichnung des Landes gestiftete Orden darf von höchstens 300 lebenden Männern und Frauen gleichzeitig getragen werden. Aktuell zählen zu ihnen etwa Altbischof Axel Noack, der Theologe Friedrich Schorlemmer und der Leipziger Maler Neo Rauch.
Berlin (epd). Der Klimawandel verschärft nach Angaben der Deutschen Welthungerhilfe den weltweiten Hunger und gefährdet die globale Hungerbekämpfung. Die erzielten Fortschritte seit dem Jahr 2000 seien nicht nur stark gefährdet, es gebe sogar Rückschritte in einigen Regionen, erklärte Präsidentin Marlehn Thieme am 15. Oktober in Berlin bei der Vorstellung des jährlichen Welthunger-Index (WHI). Die seit drei Jahren steigende Zahl der Hungernden weltweit auf derzeit 822 Millionen Menschen bezeichnete sie als "einen herben Rückschlag".
Der Welthunger-Index berechnet die Ernährungslage in weltweit 117 Ländern. Davon weisen laut Welthungerhilfe 43 der Länder "ernste" Hungerwerte auf. Als "sehr ernst" gilt die Lage im Tschad, in Madagaskar, im Jemen und in Sambia. Im Jemen, Libanon, der Zentralafrikanischen Republik und Venezuela seien die WHI-Werte heute höher als im Jahr 2000. Erfreulich sei dagegen die Entwicklung in Myanmar und Senegal, die sich von "sehr ernst" im Jahr 2000 auf "mäßig" verbesserten. Fortschritte gebe es auch in Angola, Äthiopien und Ruanda.
Der Bericht zeige, dass der Klimawandel die Ernährungslage in jenen Ländern verschlechtere, die ohnehin von Hunger und Armut betroffen sind, sagte Thieme. Wegen schwerer Dürren in weiten Teilen der Welt zwischen 2011 und 2016 seien 124 Millionen Menschen in 51 Ländern in eine krisenhafte Ernährungslage geraten.
Der Klimawandel wirke sich zunehmend auch auf die Qualität der Nahrungsmittel aus und könne zu Mangel- und Fehlernährung insbesondere bei armen Menschen führen. Ferner seien konfliktbelastete Regionen deutlich anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels. "In der Folge werden sich die Hungerzahlen weiter erhöhen", befürchtet Thieme. Frauen und Kinder seien die größten Leidtragenden.
Insgesamt sind den Angaben zufolge die Index-Werte zur Hungersituation weltweit seit 2000 um 31 Prozent gefallen. Diese Fortschritte seien aber zu langsam, sagte Thieme. Bei gleichem Tempo würden 45 Länder den Hunger nicht bis zum Jahr 2030 besiegen können. 2018 hat die Welthungerhilfe rund 10,5 Millionen Menschen in 37 Ländern unterstützt.
Grüne und FDP im Bundestag forderten von der Bundesregierung, den Kampf gegen die Hungersnöte zu verstärken. Deutschland müsse entschiedener und schneller gegen die Klimakrise vorgehen und sich mehr um "vergessenen Krisen" zu kümmern, sagte die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen, Margarete Bause, der Funke Mediengruppe (Dienstag). Der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Hoffmann, erklärte, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, müsse im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die Landwirtschaft auch mit Hilfe neuer Biotechnologie intensiviert werden.
Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" und die Menschenrechtsorganisation Fian erklärten, bei der Überwindung von Hunger und Ernährungssicherheit käme Frauen eine Schlüsselrolle zu. Sie würden bei Anbau, Ernte und Zubereitung von Nahrungsmitteln zentrale Aufgaben übernehmen. Trotzdem seien immer noch die Mehrheit der Menschen, die Hunger leiden, Frauen und Mädchen. Beide Organisationen sind Mitherausgeber des "Jahrbuchs zum Recht auf Nahrung", das zum Welternährungstag (16. Oktober) erscheint.
Frankfurt a.M. (epd). Die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, hat vor den Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern gewarnt: "Der Klimawandel zerstört die Lebensgrundlagen im globalen Süden", sagte sie am 18. Oktober bei der Vorstellung ihres Buches "Klima geht uns alle an" auf der Frankfurter Buchmesse. Ohne Gegensteuern werde die weltweite Armut extrem zunehmen.
Der Klimawandel sei eine Gerechtigkeitsfrage, betonte die Chefin des evangelischen Hilfswerks. Er sei vor allem von Industrieländern verursacht, gleichzeitig hätten arme Länder viel weniger Ressourcen, um sich daran anzupassen. Hoffnung mache ihr, dass nicht nur in Europa, sondern auch in afrikanischen Ländern junge Menschen auf die Straßen gingen, um für eine nachhaltigere Klimapolitik zu demonstrieren.
Der in dem Buch interviewte Meteorologe und Fernsehmoderator Sven Plöger lobte ebenfalls die Klimabewegung "Fridays for Future". Die Schülerinnen und Schüler seien die "einzige Kraft, die das Thema Klima in die Politik getragen hat". Zugleich kritisierte Plöger die Klimapolitik der Bundesregierung als unzureichend: Das im Oktober beschlossene Klimapaket sei höchstens ein "Paketchen", sagte er. "Da gibt es Nachholbedarf."
Menschen, die den Klimawandel leugnen, bezeichnete der aus ARD-Wettersendungen bekannte Meteorologe als Populisten. "Was die Klimaforschung vor 30 Jahren vorhergesagt hat, ist heute eingetreten", sagte Plöger. Es gebe mehr Dürren, stärkere Stürme und es sei heißer geworden.
Das von Füllkrug-Weitzel herausgegebene Buch enthält Interviews und Reportagen zum Klimawandel. Interviewt wurden unter anderem der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und die Klimaaktivistin Luisa Neubauer.
Tunis (epd). Der parteilose Jurist Kais Saïed ist zum Sieger der Stichwahl um das Präsidentenamt in Tunesien erklärt worden. Dies gab die Wahlbehörde am 14. Oktober in Tunis bekannt. Demnach erhielt Saïed 72,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sein Gegenkandidat Nabil Karoui kam lediglich auf 27,3 Prozent.
Die Wahlbeteiligung lag bei 55 Prozent der gut sieben Millionen registrierten Wähler. Wie im ersten Wahlgang, in dem Saïed 18,4 Prozent der Stimmen geholt hatte, stimmten vor allem junge Wähler für ihn. Ersten Umfragen eines privaten Umfrageinstituts zu Folge entschieden sich 90 Prozent der 18- bis 25-jährigen Wähler für ihn.
Gegenkandidat Karoui hatte bereits am Vorabend die Tatsache, dass er keinen Wahlkampf führen konnte, für seine Niederlage verantwortlich gemacht. Er hatte seit Ende August wegen Vorwürfen der Geldwäsche und Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft gesessen und war kurz vor der Wahl freigekommen. Karoui gratulierte Saïed zu dessen Sieg. Ob er das Ergebnis anfechten wird, ist noch offen.
Saïed hatte ohne Partei im Hintergrund und mit einfachsten Mitteln Wahlkampf geführt. Am 13. Oktober sagte er, die Tunesier hätten "der ganzen Welt eine Lektion erteilt. Es ist eine Revolution im Rahmen einer demokratischen Verfassung und in völliger Legalität". Saïed, der gesellschaftlich konservative Positionen vertritt, plant nach eigenen Angaben die Einführung eines dezentralen, basisdemokratischen Regierungssystems.
Berlin, São Paulo (epd). Rund neun Monate nach dem verheerenden Dammbruch in einer Eisenerzmine in Brasilien haben fünf Angehörige von Todesopfern Anzeige gegen TÜV Süd gestellt. Sie werfen dem deutschen Zertifizierungsunternehmen fahrlässige Tötung, Privatbestechung, fahrlässiges Herbeiführen einer Überschwemmung sowie Verletzung der Aufsichtspflichten vor, wie die Menschenrechtsorganisation ECCHR (Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) und das katholische Hilfswerk Misereor am 17. Oktober in Berlin mitteilten.
Bei dem Bruch eines Rückhaltebeckens in der Ortschaft Brumadinho im südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais starben am 25. Januar mindestens 249 Menschen. 21 Menschen gelten noch als vermisst. TÜV Süd hatte noch im September 2018 in einem Gutachten die Stabilität des Damms attestiert.
TÜV Süd versicherte sein "großes Interesse an der Aufklärung der Unglücksursache". Ein Vertreter des Konzerns habe sich am 17. Oktober spontan mit Angehörigen der Opfer getroffen, sagte Uta Apel von der Kommunikationsagentur Brunswick im Auftrag von TÜV Süd dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weitere Auskünfte sowie einen Kommentar zur Strafanzeige wollte das Unternehmen wegen des laufenden Verfahrens aber nicht gegeben.
Vor dem Firmensitz von TÜV Süd in München protestierten derweil schlammverschmierte Aktivistinnen und Aktivisten. "Der Fall ist schockierend - und er reiht sich ein in eine traurige Liste", erklärte Johannes Heeg von der "Initiative Lieferkettengesetz", die von der Bundesregierung einen gesetzlichen Rahmen fordert, um deutsche Unternehmen künftig zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards auch im Ausland zu verpflichten. "Immer wieder tragen deutsche Firmen weltweit zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung bei. Das muss aufhören", forderte Heeg. Die schlammbeschmierten Menschen mit der Aufschrift "TÜV-Süd-zertifiziert" symbolisierten die Opfer des Dammbruchs. Der Initiative gehören 74 zivilgesellschaftliche Organisationen an, darunter auch Misereor und BUND.
Im Juli hatte ein Gericht den Konzern Vale, der die Mine betreibt, verurteilt, für alle Schäden der Katastrophe aufzukommen. Die Konten von Vale in Höhe von mehr als 2,5 Milliarden Euro sind wegen etwaiger Schadensersatzzahlungen blockiert. Nach einer Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft muss Vale neben Entschädigungen auch Pensionen für Angehörige bis zum 75. Lebensjahr zahlen. Außerdem wurde der Konzern zur Zahlung einer "kollektiven Wiedergutmachung" von etwa 90 Millionen Euro verpflichtet. Das Geld soll für die Beseitigung der Umweltschäden und zum Wiederaufbau verwendet werden.
"Der Dammbruch war kein Unfall - er war ein Verbrechen", erklärte Marcela Nayara Rodrigues, deren Vater bei dem Dammbruch umkam und die die Anzeige mit vier weiteren Angehörigen erstattete. "TÜV Süd wusste, dass der Damm ein Sicherheitsrisiko barg, trotzdem wurde die Stabilitätserklärung ausgestellt." Das Verfahren in Deutschland solle Vale nicht aus der Verantwortung entlassen, erklärte Claudia Müller-Hoff vom ECCHR. "Der Fall zeigt: Das System der Zertifizierungen sorgt nicht für Sicherheit, sondern vor allem für eine Verschleierung von Verantwortlichkeiten."
TÜV Süd hatte ein Gutachten ausgestellt, das Grundlage für den Weiterbetrieb der Mine war, obwohl deren Ingenieure zuvor auf die mangelnde Stabilität des 85 Meter hohen Damms hingewiesen hatten. Demnach gab es Probleme mit dem Drainagesystem. Die Ingenieure hatten darauf hingewiesen, dass zu viel Wasser im Damm und deshalb die Stabilität gefährdet gewesen sei, wie brasilianische Medien unter Berufung auf polizeiliche Vernehmungsprotokolle berichteten.
Berlin (epd). Prominente Schauspieler, Models, Musiker und Internetstars werben in einer am 17. Oktober in Berlin gestarteten Social-Media-Kampagne unter dem Motto "Entwicklung wirkt" für Entwicklungszusammenarbeit. In kurzen Videos erzählen sie anhand von konkreten Beispielen, wie Hilfsprojekte funktionieren und was sie in Orten und Regionen des globalen Südens verbessern. Mit dabei sind unter anderem die Schauspieler Til Schweiger und Jan Josef Liefers, Topmodel Stefanie Giesinger, Sänger Max Mutzke, Musiker Peter Maffay, die Youtube-Stars Gronkh und Julia Beautx und der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen.
Initiiert wurde die Kampagne von den Hilfsorganisationen Brot für die Welt, Christoffel-Blindenmission, German Doctors, Kindernothilfe und dem katholischen Hilfswerk Misereor. "Wir wollen zeigen, das unser internationales Engagement etwas bringt und unsere Arbeit besser erklären", sagte Kampagnenkoordinator Harald Kischlat von Germandoctors. In den vergangenen Jahren habe sich ein großes Misstrauen gegenüber der Wirkung von Entwicklungshilfeprojekten aufgebaut. Dabei seien "enorme Fortschritte" im Großen und im Kleinen erzielt worden. "Jeder Euro an Spenden und Steuergeldern ist gut investiert", betonte Kischlat.
Die Kampagne werde hauptsächlich über die Social-Media-Kanäle Instagram, Youtube, Facebook und Twitter ausgespielt, um besonders auch junge Menschen zu erreichen und sie zu motivieren, sich zu engagieren, sagte Kischlat. Über die Follower der beteiligten Prominenten, die die Kampagne unentgeltlich unterstützt haben, hoffe man ein Millionenpublikum zu erreichen.
Schauspieler Til Schweiger sagte, Entwicklungszusammenarbeit wie die der Germandoctors sei "selbstlos und großartig". "Das muss man unterstützen, wenn Ärzte in ihrem Urlaub unentgeltlich in Hilfsprojekten arbeiten", sagte Schweiger. Der Schauspieler erzählt in seinem Videobeitrag von dem Baraka Medical Center der German Doctors in einem Slum in Nairobi (Kenia).
Finanziert wurde die Kampagne vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. "Entwicklung wirkt und ist wichtig", betonte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Auf diesem Planeten gebe es Himmel und Hölle. In Europa lebe man "auf der Sonnenseite der Erde", sagte Müller. Jeden Tag würden weltweit 15.000 Kinder an Unterernährung und Krankheiten sterben. "Wir, die Reichen, müssen mehr tun, damit das aufhört", sagte der Minister: "Der Starke muss dem Schwachen helfen."
Es dürfe nicht nachgelassen werden in der Unterstützung und Ausstattung von Fonds, Programmen und lokalen Initiativen, die sich etwa für bessere Gesundheit, Beendigung von Hunger und Armut, Klimaschutz, faire Löhne, Gleichberechtigung und Schutz vor Verfolgung einsetzen, appellierten auch die Hilfsorganisationen. Dabei sei schon viel erreicht worden. So gehe weltweit die Kindersterblichkeit zurück und die Zahl der Hungernden hat stark abgenommen.
Berlin, Genf (epd). Amnesty International hat der türkischen Armee und verbündeten Milizen das Verüben schwerer Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in Syrien vorgeworfen. Bei Angriffen auf Wohngebiete im Nordosten des Bürgerkriegslandes seien Zivilisten verwundet und getötet worden, teilte Amnesty International am 18. Oktober in Berlin mit.
Die türkische Militäroffensive gegen kurdische Milizen habe verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Die Menschen würden gezwungen, aus ihren Häusern zu fliehen und lebten in ständiger Angst vor wahllosen Bombardements, Entführungen und Tötungen, erklärte Kumi Naidoo, internationaler Generalsekretär von Amnesty International.
Die Türkei hatte am Donnerstag auf Drängen der USA einer Feuerpause zugestimmt, die laut Medienberichten jedoch sehr brüchig ist. Gemäß Schätzungen der UN sind rund 166.000 Menschen vor den Kämpfen geflohen. Sie suchten Schutz in Lagern, öffentlichen Gebäuden oder bei Freunden und Verwandten, teilte ein Sprecher des Flüchtlingshilfswerks UNHCR mit. Zudem seien Hunderte Bewohner des umkämpften Gebiets in den vergangenen vier Tagen in den benachbarten Irak geflohen, sagte Sprecher Andrej Mahecic.
Die Türkei startete die Invasion am Mittwoch voriger Woche, nachdem die USA den Abzug ihrer Truppen aus der Region angekündigt hatten. Die US-Streitkräfte und kurdische Einheiten waren gemeinsam gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vorgegangen. Die Türkei betrachtet die kurdischen Kräfte im Nordosten Syriens als Terroristen, die bekämpft werden müssen.
Berlin (epd). Ärzte- und Hilfsorganisationen haben vor zunehmenden humanitären Katastrophen infolge des Klimawandels gewarnt. In einem am 16. Oktober in Berlin veröffentlichten gemeinsamen Aufruf werden die Bundesregierung und die Industriestaaten aufgefordert, mit weitreichenden Maßnahmen eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad Celsius zu verhindern.
"Als humanitäre Organisationen erleben wir täglich, wie Umweltfaktoren humanitäre Notsituationen verschlimmern", heißt es in dem Aufruf von Ärzte der Welt, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), Ärzte ohne Grenzen, der Ärztekammer Berlin und Greenpeace. Demnach ist die Klimakrise nicht nur eine ökologische, sondern auch eine humanitäre Katastrophe, deren Folgen bereits heute spürbar seien.
François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt Deutschland, unterstrich, Dürren und Überschwemmungen infolge der Klimakrise zerstörten die Lebensgrundlagen vieler Menschen und förderten so die Landflucht. Lokale Maßnahmen reichten da nicht mehr aus.
Klimawandel und Umweltzerstörung entschieden entgegenzutreten, sei deshalb "nicht nur ein Akt der Solidarität, sondern unsere gemeinsame Verantwortung", heißt es in dem Appell. Die Bundesrepublik müsse ihre eigenen Emissionen viel stärker als geplant reduzieren und zugleich ärmere Länder dabei unterstützen, sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen und ihre Wirtschaft klimafreundlich weiterzuentwickeln.
Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, sagte mit Blick auf steigende Meeresspiegel, "die Aussichten sind düster". Die Industriestaaten hätten nicht nur die historische Verantwortung, auf den Klimawandel zu reagieren, sondern auch die technischen und finanziellen Möglichkeiten.
Es seien vor allem "die reichen Länder des Globalen Nordens, die das Klimaproblem mit ihrem enorm hohen CO2-Ausstoß der vergangenen Jahrzehnte" maßgeblich verursacht hätten, heißt es entsprechend im Aufruf. Die Industriestaaten würden jedoch die von der Erderwärmung besonders betroffenen Menschen häufig im Stich lassen, kritisieren die Ärzte- und Hilfsorganisationen.
Alexandra Rüth, beim DRK verantwortlich für die "humanitäre Anpassung an den Klimawandel", erklärte, durch Wetterextreme ausgelöste Notsituationen wie Dürren und Überschwemmungen machten inzwischen mehr als die Hälfte der humanitären Hilfe des DRK aus. Die Organisationen veröffentlichten ihren Aufruf anlässlich eines am Donnerstag beginnenden Kongresses zu Theorie und Praxis der humanitären Hilfe. Er steht unter dem Motto "A Perfect Storm - Humanitarian Impacts of Climate Change".
Als Beispiele für die zerstörerischen Auswirkungen der Erderwärmung führen die Organisationen unter anderem die Wirbelstürme an, die Mosambik zu Beginn des Jahres verwüstet haben. Für viele Menschen weltweit bedeuteten die Klimaveränderungen Wassermangel und Hunger, wie etwa die Region um den Tschadsee in der Sahelzone, einst einer der größten Seen Afrikas, zeige. Durch steigende Temperaturen und häufigere Überschwemmungen sei in vielen Ländern auch das Risiko gewachsen, sich mit durch Wasser übertragene Krankheiten wie Cholera und durch Insekten übertragene Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber zu infizieren.
Berlin (epd). Knapp einen Monat nach Vorstellung des Klimapakets hat das Bundeskabinett einige der dazugehörigen Steuermaßnahmen auf den Weg gebracht. Die Ministerrunde beschloss am 16. Oktober in Berlin unter anderem Gesetzentwürfe, die Bundesbürger zu einem klimafreundlicheren Leben bewegen sollen. Demnach werden Bahnfahrten billiger und Flüge teurer. Mehr kosten wird künftig auch das Heizen und das Tanken. An anderer Stelle wird wiederum entlastet: So ist eine höhere Pendlerpauschale vorgesehen, eine "Mobilitätsprämie" für Geringverdiener sowie die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung.
In der vergangenen Woche hat das Kabinett bereits ein Klimaschutzgesetz beschlossen, das sicherstellen soll, dass die deutschen Klimaziele für 2030 verbindlich erreicht werden. Die einzelnen Ministerien werden dafür in die Pflicht genommen. Deutschland will mit dem Maßnahmenpaket bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 senken und bis 2050 treibhausgasneutral sein.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, bewertete die nun beschlossenen Maßnahmen als "Klein-Klein im Klimaschutz". Einzelne sinnvolle Schritte wie günstigere Bahntickets könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Koalition beim Abbau umweltschädlicher Subventionen, beim Ausbau der Erneuerbaren oder der CO2-Bepreisung der Mut zum wirksamen Handeln fehle. Der vielfach beschworene nationale Klimakonsens entpuppe sich zudem "als reines PR-Manöver", kritisierte Hofreiter. Gespräche etwa mit den Grünen habe es bislang nicht gegeben.
Konkret soll ab 1. Januar 2020 das Bahnfahren auf Fernstrecken um zehn Prozent günstiger werden, indem die Mehrwertsteuer für Fernverkehrstickets von 19 auf sieben Prozent gesenkt wird. Flugtickets sollen wiederum über die Luftverkehrssteuer ab 1. April 2020 teurer werden. Dabei steigt der Steuersatz für kürzere Flüge stärker, um Reisende dazu zu bringen, vom Flugzeug auf die Bahn umzusteigen. So werde er bei einer Flugdistanz bis zu 2.500 Kilometern um 74 Prozent auf 13,03 Euro erhöht, bei Flügen zwischen 2.500 Kilometern und 6.000 Kilometern um 41 Prozent auf 33,01 Euro und bei einer Distanz von über 6.000 Kilometern um ebenfalls 41 Prozent auf 59,43 Euro.
Beschlossen wurden auch Eckpunkte zur CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe wie Öl und Gas: Wer Treibhausgase in die Umwelt bläst, braucht dafür ab 2021 also Verschmutzungszertifikate, die immer teurer werden. Der nationale CO2-Preis soll die Bereiche Verkehr, Gebäude und Teile der Industrie umfassen, die nicht durch den bestehenden europäischen Emissionshandel abgedeckt sind. Die Kohle soll aus organisatorischen Gründen erst in einem zweiten Schritt mit einbezogen werden.
Die Pendlerpauschale wird 2021 befristet bis Ende 2026 ab dem 21. Kilometer um fünf Cent auf 35 Cent pro Kilometer erhöht, um diejenigen nicht zu benachteiligen, die weiter auf das Auto angewiesen sind. Die neue "Mobilitätsprämie" soll mehr als 200.000 Menschen zugutekommen, die zu wenig verdienen, um von der Pendlerpauschale zu profitieren.
Sozialverbände kritisierten das Klimapaket als sozial ungerecht. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands erklärte: "Was hier im Bereich der Mobilität verabschiedet wurde, nimmt nicht alle mit." Auch bei der vorgesehenen Absenkung der Fernverkehrspreise, würden sich viele kein Ticket leisten können. Von den Maßnahmen profitiere insbesondere der Personenkreis von der Mittelschicht aufwärts. Der Schwerpunkt müsse dagegen auf der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und leistbarer Mobilität für alle liegen.
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, sagte, Rentner und chronisch Kranke dürften nicht aus dem Blick geraten. "Sie müssen häufig weite Strecken zu Ärzten fahren", betonte sie. "Man kann sie nicht dafür bestrafen, dafür das Auto zu benutzen, wenn es keine Alternativen gibt."
Berlin (epd). Das Klimapaket der Bundesregierung benachteiligt aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Haushalte mit niedrigem Einkommen. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass diese durch den geplanten CO2-Preis stärker belastet werden als Haushalte mit höherem Verdienst, wie das ARD-Hauptstadtstudio am 17. Oktober berichtete.
Die Wissenschaftler hätten berechnet, dass auf Haushalte mit niedrigerem Einkommen zum Teil eine Belastung in Höhe von mehr als einem Prozent ihres Nettoeinkommens zukommt. Das oberste Zehntel der Haushalte habe hingegen nur eine Mehrbelastung von durchschnittlich 0,4 Prozent zu erwarten. In ihrem Szenario legen die DIW-Forscher dem Bericht zufolge das Jahr 2026 zugrunde und gehen von einem Preis von 60 Euro pro Tonne CO2 aus. "Das jetzige Klimapaket ist aus verteilungspolitischer Sicht sozial ungerecht, und es erfüllt die Klimaziele nicht", sagte DIW-Umweltökonomin Claudia Kemfert.
Neben den Belastungen durch die Bepreisung habe die DIW-Studie auch die von der Bundesregierung geplanten Entlastungen bei den Strompreisen und durch die Pendlerpauschale berücksichtigt. Während von niedrigeren Strompreisen gerade auch Geringverdiener profitierten, helfe die Pendlerpauschale vor allem höheren Einkommensgruppen.
Nicht berücksichtigt haben die Forscher dem ARD-Bericht zufolge weitere Maßnahmen wie die geplante Mobilitätsprämie für Geringverdiener und die Erhöhung des Wohngeldes. Aufgrund des geringen Personenkreises, der von diesen Maßnahmen betroffen sei, gingen die Ökonomen statistisch von keinem großen Effekt aus.
Osthausen (epd). In einem Waldstück in der Nähe des mittelthüringischen Osthausens hat sich am 15. Oktober fast das gesamte Thüringer Kabinett an einer Baumpflanzaktion beteiligt. Insgesamt 800 Setzlinge - Weißtanne, Vogelkirche, Traubeneiche und Douglasie - standen für Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und seine Ministerriege zur Verfügung. "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", begründet er die Initiative.
Außergewöhnlich ließe sich leicht durch katastrophal ersetzen, wie die Zahlen aus dem Waldzustandsbericht 2019 belegen, die Infrastrukturministerin Birgit Keller (Linke) zur Aktion mitgebracht hatte. Vor allem Dürresommer und der Befall mit Schädlingen wie dem Borkenkäfer hätten den Bäumen stark zugesetzt, erklärte Keller. Nach ihren Angaben können nur 23 Prozent der Fichten, jeweils sieben Prozent der Kiefern und Eichen und sogar nur noch vier Prozent der Buchen im Land als gesund gelten.
Das seien die schlechtesten Werte seit 1991, als die Wälder mit den Folgen der hohen Luftverschmutzung zu kämpfen hatten, sagte die Ministerin. Bei mehr als der Hälfte aller Bäume - 53 Prozent - hätte die Begutachtung im Juli 2019 starke Vitalitätsverluste ergeben. Die Gesamtschadfläche: 40.000 Hektar.
ThüringenForst steuerte weitere besorgniserregende Zahlen bei. Nach Aussage von Vorstand Volker Gebhardt fehlt dem Wald in Thüringen derzeit ein Drittel seiner Blattmasse. Eine schnelle Besserung der Lage sei für ihn nicht in Sicht. "Wahrscheinlich gibt es nächstes Jahr noch einmal schlechtere Zahlen", befürchtete er.
Ein Teil davon konnten die Minister in Osthausen besichtigen. Dort, wo sie ihre Setzlinge pflanzten, stand vor wenigen Monaten noch ein Fichtenwald. Auf der kahlen Fläche sind nur noch vier, fünf einsame Bäume verblieben. Der Rest hätte gefällt werden müssen, weil sich der Borkenkäfer im Bestand ausbreitete, erklärte Markus Kirchheim. Er ist Mitglied der Waldgenossenschaft Osthausen und ihr Kassierer.
Seit 1435 bewirtschaftet das Dorf den Wald, heute hat die Genossenschaft nach seinen Angaben 59 Mitglieder. 2018 hätten die noch Geld aus der gemeinsamen Unternehmung gesehen. Aber nur, weil wegen des Borkenkäfers mehr Holz eingeschlagen und verkauft worden sei, erläuterte er. Dieses Jahr werde schwer genug, eine schwarze Null zu erreichen.
Jede Hilfe sei daher willkommen. Rot-Rot-Grün hat sie versprochen. Mit dem Aktionsplan Wald sollen bis 2030 insgesamt 500 Millionen Euro zur Verfügung stellt werden, bekräftigte der Ministerpräsident einen Beschluss seines Kabinetts. Das sei man nicht zuletzt den kommenden Generationen schuldig, fügte er hinzu.
Er sah die Pflanzaktion zwei Wochen vor der Landtagswahl als einen Aufruf an die Thüringer, es ihrer Landesregierung nachzutun. "Wir hoffen, dass viele Menschen unserem Beispiel folgen", warb Ramelow Nachahmer. Er rechne mit nicht weniger als 200 Millionen Pflanzen, die in den kommenden zehn Jahren in die Walderde gebracht werden müssten.
Eine ganze Menge Holz: Experten schätzen den aktuellen Baumbestand in Thüringen auf etwa 330 Millionen. Die nächsten Pflanz-Termine würden zeitnah auf der Internetseite von ThüringenForst veröffentlicht, versprach eine Regierungssprecherin.
Torfhaus (epd). Der Klimawandel wirkt sich auch auf den Brockengarten auf dem höchsten Harzgipfel aus. In den beiden vergangenen trockenen Sommern seien dort sehr viele Pflanzenarten abgestorben, erklärte der Sprecher des Nationalparks Harz, Friedhart Knolle, am 17. Oktober in Torfhaus bei Goslar (Niedersachsen). Fielen früher im Durchschnitt rund 75 Arten pro Jahr aus, seien es im vergangenen Jahr 127 und in diesem Jahr 166 Arten gewesen. Der Aufwand, der betrieben werden muss, um den Level von 1.500 Arten zu halten, werde immer größer.
Die hohen Temperaturen hatten auch Auswirkungen auf den Blühbeginn der Pflanzen im Brockengarten. Die meisten kultivierten Hochgebirgspflanzenarten hätten 2018 und 2019 ihre Blüten zwei bis drei Wochen früher als gewöhnlich gezeigt.
Das raue Klima auf dem 1.141 Meter hohen Brocken entspricht nach Angaben von Wissenschaftlern dem auf einem 3.000 Meter hohen Gipfel in den Alpen. Deshalb wachsen im Brockengarten auch Hochgebirgspflanzen wie das Edelweiß, Alpenglöckchen, Felsenblümchen und Mannsschild-Arten. Der Garten besteht aus einem wissenschaftlichen und einem für das Publikum geöffneten Teil.
Göttinger Botaniker legten den Brockengarten 1890 an. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zerstört, ab 1950 wieder aufgebaut. In den 1960er Jahren erklärte die DDR den Brocken zum militärischen Sperrgebiet und baute dort Abhör-Einrichtungen und Unterkünfte für Soldaten. Nach der Wende begannen die Universitäten Göttingen und Halle mit dem Wiederaufbau des Brockengartens. Der Garten ist ab Freitag bis zum kommenden Mai für Besucher geschlossen. In dieser Saison wurden 5.230 Gäste gezählt.
Berlin (epd). Das Berliner Verwaltungsgericht verhandelt am 31. Oktober eine Klage von Ökobauern und der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen die Bundesregierung wegen Nichterfüllung der für 2020 festgelegten Klimaziele. Wie das Gericht am 17. Oktober in Berlin mitteilte, machen die Kläger unter anderem eine Verletzung ihrer Grundrechte geltend. Demnach habe die Bundesregierung es unterlassen, ein verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an Klimaschutz zu gewährleisten.
Zudem vertreten die Kläger den Standpunkt, dass entsprechende Kabinettsbeschlüsse zum Klimaschutz keine bloßen politischen Willensbekundungen sind, sondern juristisch verbindliche Rechtsakte, auf die sie sich berufen könnten. Entsprechende Verpflichtungen der Bundesregierung ergäben sich auch aus der sogenannten Lastenteilungsentscheidung der Europäischen Union. Darin wurden unter anderem die jährlichen Ziele für die Treibhausgasemissionen aller Mitgliedstaaten festgelegt.
Kläger sind den Angaben zufolge drei Familien von Öko-Bauern, unterstützt von Greenpeace. Das Klimaziel, die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2020 gegenüber dem Jahre 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, wird Deutschland voraussichtlich verfehlen, hieß es vom Gericht weiter. Mit der Ende 2018 eingereichten Klage auf wirksamen Klimaschutz soll laut Greenpeace erreicht werden, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 doch noch schafft.
Frankfurt a.M. (epd). Zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse ist der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado (75) am 20. Oktober in der Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. "Seine Bilder entwaffnen, sie stiften Verbindung, Nähe und Empathie", sagte Regisseur Wim Wenders in seiner Laudatio über Salgados Fotografien. Sie seien ein "Werk des Friedens". Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert.
Die fünftägige Frankfurter Buchmesse ging am 20. Oktober mit einem deutlichen Besucherplus zu Ende. Rund 302.000 Menschen kamen auf das Messegelände. Das entspricht einem Plus von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie die Veranstalter mitteilten. Die Zahl der Fachbesucher lag bei rund 145.000, die Zahl der Privatbesucher an den Publikumstagen am Wochenende bei etwa 158.000.
Auf der weltweit größten Fachmesse für Literatur zeigten 7.450 Aussteller aus 104 Ländern fünf Tage lang ihre Bücher und Publikationen.
In seiner Lobrede zum Friedenspreis kritisierte Regisseur Wenders, dass der Frieden noch immer "hoch auf der Liste der Neujahrswünsche" stehe, aber im Alltag und in der Politik meist "zur Worthülse verkommen" sei. Andere Probleme hätten sich in den Vordergrund geschoben. Der Regisseur nannte dabei "die Klimakatastrophe, die jegliche Zukunft auf dem Planeten verdunkelt," ebenso wie Völkerwanderungen und Fluchtbewegungen, aber auch Ungerechtigkeit, Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit. Diese Themen seien jedoch zugleich "Grundbedingungen für Frieden".
Saldago habe sich mit seinem fotografischen Werk eben diesen Themen gewidmet. Wenders erwähnte namentlich Salgados Fotoband "Arbeiter" und hob zudem seine Fotos zum Thema Migration hervor. "Er fotografiert Menschen auf der ganzen Welt, die durch Hunger, Krieg oder Unterdrückung gezwungen sind, die Heimat zu verlassen und sich auf eine Reise ins Ungewisse zu machen." Damit erweise sich der brasilianische Fotograf als ein "Seher, dessen Kamera uns prophetisch den Verlust weiterer Friedensgrundlagen vor Augen führt".
Salgado forderte in seiner Dankesrede dazu auf, "nicht zu verleugnen, was wir einander anzutun fähig sind, weil der Mensch immer des Menschen Wolf ist". Doch die Zukunft liege allein in den Händen der Menschen. "Um eine andere Zukunft zu errichten, müssen wir die Gegenwart verstehen." Seine Fotos zeigten diese Gegenwart: "Und so schmerzhaft der Anblick ist, wir dürfen den Blick nicht abwenden", sagte Salgado.
Sein Werk bezeichnete Salgado als "fotografischen Essay", den er vor 50 Jahren begonnen habe und bis heute weiterschreibe. Seinen Preis wolle er mit all den Menschen teilen, die er ins Zentrum dieses Essays gestellt habe. Sich selbst bezeichnete er als "Sozialfotograf". Es sei seine "Mission, Licht auf Ungerechtigkeit zu werfen". Zugleich räumte er ein, dass seine Fotografien auch "eine ästhetische Dimension" hätten.
Salgado arbeite seit mehr als 40 Jahren zu Themen, die die Menschheit bewegten, fasste der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, die Gründe für die erstmalige Wahl eines Fotografen zum Preisträger zusammen: Klima, Naturzerstörung, Migration, Arbeitsbedingungen. Er rufe dazu auf, die Schönheit der Welt zu bewahren. Seine Sichtweise sei "eher mit der eines Literaten als mit der eines Berichterstatters vergleichbar.
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird alljährlich zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen. Frühere Preisträger waren unter anderen Aleida und Jan Assmann (2018) sowie Margaret Atwood, Carolin Encke oder Navid Kermani.
Frankfurt a.M. (epd). Mit Regenschirmen für die Meinungsfreiheit: Menschenrechtler haben sich auf der Frankfurter Buchmesse mit der Protestbewegung in Hongkong und inhaftierten Autoren solidarisiert. "Die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist immer das erste Anzeichen eines Unrechtsstaats", sagte der Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, am 17. Oktober während einer Mahnwache auf dem Messegelände.
Zugleich kritisierte er die Bundesregierung und deutsche Unternehmen scharf: Aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehungen würden Menschenrechtsverletzungen in China oft unter den Tisch gekehrt, sagte Skipis. Er forderte: "Deutschland muss in dieser entscheidenden Frage Haltung zeigen."
Viele der rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mahnwache trugen in Anlehnung an das Symbol der Hongkonger Protestbewegung aufgespannte Regenschirme. Zu der Kundgebung hatten neben dem Börsenverein weitere Initiativen wie die Schriftstellervereinigung PEN International aufgerufen. Der Hongkonger Buchhändler Lam Wing Kee sagte, er freue sich über die Unterstützung und Solidarität der Teilnehmer. Auch er forderte die Bundesregierung dazu auf, China zur Wahrung der Menschenrechte zu drängen.
Die Teilnehmenden erinnerten auch an den von China verschleppten schwedischen Verleger Gui Minhai. "Wir wissen nicht wo er ist, wir wissen nicht, wie es ihm geht", sagte Skipis. "Die Menschenrechte werden von China mit Füßen getreten." Der in China geborene Verleger Gui wurde 2015 in Thailand von den chinesischen Behörden verschleppt und inhaftiert. Als Miteigentümer des Hongkonger Verlags "Mighty Current" hatte der 55-Jährige Enthüllungsbücher über das Privatleben chinesischer Politiker veröffentlicht.
Der im deutschen Exil lebende chinesische Schriftsteller und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Liao Yiwu, sagte: "Wir müssen alles dafür tun, die Meinungsfreiheit und Demokratie in Hongkong zu erhalten." Auch die US-amerikanische Schriftstellerin und Präsidentin von PEN International, Jennifer Clement, solidarisierte sich mit der Hongkonger Demokratiebewegung: "Wir stehen an der Seite der Demonstrierenden."
Der Botschafter Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, äußerte sich während der Kundgebung ebenfalls zur Situation in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Sein Land werde nach Möglichkeiten Flüchtlinge aus Hongkong aufnehmen, sollte es eine Fluchtbewegung geben. Doch auch Europa und die USA müssten dann helfen, forderte Shieh.
Frankfurt a.M. (epd). In Eritrea sind nach Angaben der Schriftstellervereinigung PEN mehrere Publizisten seit Jahren in Geheimgefängnissen ohne Anklage und Urteil eingesperrt. So befinde sich der eritreisch-schwedische Autor und Journalist Dawid Isaak (54) seit 2001 in Isolationshaft, sagte der Writers-in-Prison-Beauftragte des österreichischen PEN, Wolfgang Martin Roth, am 20. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse. Die eritreische Diktatur verweigere sämtliche Informationen dazu: "Da beißen wir auf Granit." Für die Familie bedeute dies "Folter durch Ungewissheit".
Nach Angaben der Tochter des Autors, Betlehem Isaak, gab es seit 2005, als ihr Vater wenige Tage in Freiheit war, kein Lebenszeichen mehr von ihm. "Ich glaube immer noch, dass er lebt, aber ich weiß überhaupt nichts", sagte sie. Dawit Isaak hatte in Schweden gelebt. Als Eritrea 1993 unabhängig wurde, kehrte er in sein Land zurück und gründete die erste unabhängige Zeitung "Selit". Im Jahr 2001 wurde er verhaftet, wie viele andere.
Die in München lebende eritreische Autorin Yirgalem Fisseha Mebrahtu, die selbst von 2009 bis 2015 inhaftiert war, berichtete von Folter, ständigen Verhören und großer Angst. "Wie kann man als Mensch in einem zwei mal zwei Meter großen Raum überleben?" fragte sie. "Eritrea ist ein abgeschottetes Land, wir wissen nicht, was vor sich geht", fügte sie hinzu. Niemand wisse, was erlaubt sei und was nicht.
Der schwedische Journalist und Menschenrechtler Björn Thunbäck beklagte einen politischen Stillstand in Eritrea unter dem Regime von Präsident Isaias Afewerki. Auch mehr als ein Jahr nach dem Friedensabkommen mit Äthiopien "ändert sich in Eritrea nichts". Anders als in Äthiopien seien keine Gefangenen freigelassen und keine unabhängigen Medien zugelassen worden. Eritrea liegt derzeit in der Rangliste der Pressefreiheit von 180 Ländern auf Platz 178.
Thunbäck appellierte an die EU, sich stärker für die Freilassung Isaaks und die Menschenrechte in Eritrea einzusetzen. Bislang habe die schwedische Regierung Ermittlungen in Schweden gegen eritreische Offizielle abgelehnt, obwohl UN-Gremien Verbrechen gegen die Menschlichkeit beklagten, die international verfolgt werden können. Aber man werde weiter mit den schwedischen Stellen sprechen. Auch Roth plädierte dafür, trotz der hoffnungslos scheinenden Situation nicht aufzugeben.
Frankfurt a.M. (epd). Der Schriftsteller Sasa Stanisic ist am 14. Oktober in Frankfurt am Main mit dem Deutschen Buchpreis 2019 ausgezeichnet worden. Stanisic erhalte den mit 25.000 Euro dotierten Preis für seinen im Luchterhand-Verlag erschienenen Roman "Herkunft", sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, bei der Preisverleihung. Insgesamt hatte die Jury 203 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2018 und dem September 2019 erschienen sind.
In "Herkunft" erkundet der 1978 in Visegrad (Bosnien) geborene und 1992 nach Deutschland geflüchtete Stanisic das Familienalbum, erinnert sich an die Kindheit in Bosnien, an seine Schulzeit, den Zerfall Jugoslawiens, an die Flucht und die schwierige Ankunft in Deutschland zu einer Zeit, als Asylbewerberheime brannten.
"Sasa Stanisic ist ein so guter Erzähler, dass er sogar dem Erzählen misstraut. Unter jedem Satz dieses Romans wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist", heißt es in dem Urteil der Jury. Der Autor adele die Leser mit seiner großen Fantasie und entlasse sie aus den Konventionen der Chronologie, des Realismus und der formalen Eindeutigkeit.
Auf verschlungenen Wegen führe "Herkunft" nach Visegrad, in das Dorf der Großeltern und nach Heidelberg, wo der Halbwüchsige als Kriegsflüchtling landete, führt die Jury weiter aus. "Verschmitzt und behände bleibt der Erzähler stets auf der Hut vor sich selber, mit Klugheit, Humor und Sprachwitz, ohne Zugehörigkeitskitsch und Opferpathos. Sein berückendes Vergnügen am Erzählen macht die bleischweren Themen federleicht - Wundbehandlung mit den Mitteln der Literatur."
Der Autor äußerte sich hocherfreut über die Auszeichnung, kritisierte aber die Verleihung des diesjährigen Literatur-Nobelpreises an Peter Handke. Der österreichische Autor hatte während der Balkankriege in den 90er Jahren für die serbischen Nationalisten Partei genommen und das Milosevic-Regime unterstützt.
Stanisic debütierte mit dem Roman "Wie der Soldat das Grammofon repariert", der in 31 Sprachen übersetzt wurde. Mit "Vor dem Fest" gelang ihm erneut ein großer Wurf. Der Roman wurde 2014 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Für den Erzählungsband "Fallensteller" erhielt er 2016 den Rheingau-Literatur-Preis sowie den Schubart-Literaturpreis (2017). Der Autor lebt und arbeitet in Hamburg.
In die Endauswahl der sogenannten Shortlist hatte die Jury auch folgende Romane aufgenommen: "Das flüssige Land" von Raphaela Edelbauer (Klett-Cotta, August 2019), "Kintsugi" von Miku Sophie Kühmel (S. Fischer, August 2019), "Nicht wie ihr" von Tonio Schachinger (Kremayr & Scheriau, August 2019), "Winterbienen" von Norbert Scheuer (C.H.Beck, Juli 2019) und "Brüder" von Jackie Thomae (Hanser, August 2019). Die fünf Finalisten wurden mit jeweils 2.500 Euro bedacht.
Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins ausgelobt. Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autoren, das Lesen und das Medium Buch. In diesem Jahr gehörten der Jury an der freie Literaturkritiker Jörg Magenau als Sprecher sowie Petra Hartlieb (Hartliebs Bücher, Wien), Hauke Hückstädt (Literaturhaus Frankfurt), Björn Lauer (Hugendubel Frankfurt), Alf Mentzer (Hessischer Rundfunk), Daniela Strigl (Literaturwissenschaftlerin) und Margarete von Schwarzkopf (Autorin und Literaturkritikerin).
Die Preisverleihung findet jeweils zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Erst dann erfahren die sechs nominierten Autorinnen und Autoren, an wen von ihnen der Hauptpreis geht. Im vergangenen Jahr wurde der Roman "Archipel" von Inger-Maria Mahlke ausgezeichnet.
Frankfurt a.M. (epd). Die tunesische Journalistin Hanène Zbiss ist am 16. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Raif-Badawi-Preis für mutigen Journalismus ausgezeichnet worden. Die Jury würdigte die Courage der 39-Jährigen, sich für die Stärkung der Demokratie in Tunesien einzusetzen und ihr Land nachhaltig zu verändern. Sie gebe jenen eine Stimme, die sonst nicht gehört würden. Mit dem seit fünf Jahren vergebenen "Raif Badawi Award" zeichnet die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung Journalistinnen und Journalisten aus dem Nahen Osten und Nordafrika aus.
Zbiss, die bereits unter dem Regime des 2011 gestürzten Autokraten Zine El Abidine Ben Ali als Kulturjournalistin tätig war, arbeitet als freie Investigativreporterin in Tunis. Acht Jahre nach dem "Arabischen Frühling" gebe es immer noch große soziale und wirtschaftliche Probleme in Tunesien, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich will enthüllen, wer dafür verantwortlich ist, dass wir die Früchte unserer Revolution noch nicht geerntet haben."
Für tunesische Medienschaffende habe sich die Situation seit 2011 insgesamt verbessert. Allerdings sieht Zbiss den unabhängigen Journalismus in ihrem Land erneut in Gefahr, weil viele Medien von Unternehmern oder Politikern gekauft worden seien. "Die Inhaber wollen, dass die Journalistinnen und Journalisten ihren persönlichen Interessen dienen", sagte die Preisträgerin.
Der undotierte Journalistenpreis ist nach dem inhaftierten saudischen Blogger Raif Badawi benannt, der wegen seiner Texte 2012 verhaftet wurde. 2014 wurde er zu 1.000 Peitschenhieben und zehn Jahren Haft verurteilt. Im vergangenen Jahr wurde das unabhängige Journalistennetzwerk "Arab Reporters for Investigative Journalism" aus Jordanien geehrt.
Frankfurt a.M. (epd). Der evangelische Medienbischof Volker Jung pflegt ein eigenes Leseritual. "Morgens Sachbuch, abends Roman", schilderte der hessen-nassauische Kirchenpräsident am 16. Oktober bei einem Besuch der Frankfurter Buchmesse seine liebste Lesegewohnheit an arbeitsfreien Tagen. "Urlaubszeit ist Lesezeit", sagte der 59 Jahre alte Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Jung, der im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Medienthemen zuständig ist, schilderte, dass er sich ein Leben ohne Lesen nicht vorstellen könne. "Ich bin ein sehr intensiver Bücherleser", sagte er. So weit es seine Zeit erlaube, verfolge er die wissenschaftlichen Publikationen im Bereich der Theologie. Aber auch Belletristik komme nicht zu kurz.
In seinem jüngsten Urlaub habe er als Sachbuch "Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts" von Jürgen Osterhammel gelesen. Die abendliche Romanlektüre widmete Jung "Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam" von Vea Kaiser.
Jung besuchte auf Einladung des evangelischen Medienverbands in Deutschland (EMVD) mehrer Verlagsstände auf der Buchmesse. Schwerpunkte bildeten bei dem Rundgang Wissenschaftsverlage und die Anbieter von Publikationen zu Religionen und Christentum.
Der EMVD ist ein Zusammenschluss von Verlagen, Medien- und Presseverbänden, Buchhandlungen, Büchereien und kirchlichen Trägern publizistischer Organe. Die EMVD-Geschäftsführung liegt im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main. Das GEP trägt unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd), das Monatsmagazin "chrismon" und das Internetportal "evangelisch.de".
Berlin (epd). Eine zentrale Anlaufstelle soll künftig die Rückgabe von Objekten aus der Kolonialzeit vereinfachen. Auf die Einrichtung der "Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten" einigten sich die kulturpolitischen Spitzenvertreter von Bund, Ländern und Kommunen in Berlin, wie das Auswärtige Amt am 16. Oktober mitteilte. Die Anlaufstelle soll im ersten Quartal kommenden Jahres die Arbeit aufnehmen und organisatorisch bei der Kulturstiftung der Länder angesiedelt sein. Sie wird je zur Hälfte von den Ländern und vom Bund finanziert.
Die Kontaktstelle richte sich insbesondere an Personen und Institutionen aus den Herkunftsstaaten und -gesellschaften, hieß es weiter. Diese können sich dort über Bestände von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland informieren, wie es auch aus der Wissenschaft vielfach gefordert wurde. Zahlreiche deutsche Museen und andere Institutionen arbeiten der Mitteilung zufolge bereits an einer Inventarisierung und Digitalisierung ihrer Bestände und stellen Daten zur Verfügung, die in die Arbeit der Kontaktstelle einfließen können.
Der Hamburger Kultursenator und Vorsitzende der Kulturministerkonferenz, Carsten Brosda (SPD), sagte, die neue Einrichtung werde als erste Anlaufstelle für Rückgabeersuchen dazu beitragen, Restitutionen zu erleichtern. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte, eine zentrale Aufgabe werde es sein, Transparenz herzustellen. Die Einrichtung der Kontaktstelle geht auf Eckpunkte zum Umgang mit kolonialem Erbe zurück, auf die sich die neu geschaffene Kultur-Ministerkonferenz auf ihrer ersten Sitzung im März verständigt hatte.
Leipzig (epd). Die Geschichte des traditionsreichen Leipziger Musikverlages Breitkopf & Härtel ist in einer neuen Chronik nachzulesen. Das am 18. Oktober erschienene Buch mit mehr als 500 Seiten dokumentiere unter anderem die Entstehung der gesamten Musikverlagsbranche sowie die Entwicklung Leipzigs zur Musikstadt, teilte das Unternehmen Breitkopf & Härtel am 18. Oktober in Leipzig mit. Der Verlag feiert in diesem Jahr sein 300-jähriges Bestehen.
Das Buch wurde von Autor und Musikwissenschaftler Thomas Frenzel herausgegeben. Es präsentiert historische Bild- und Textdokumente, Aufsätze zur thematischen Vertiefung sowie Anekdoten. Damit zeichne es ein abwechslungsreiches Bild des Traditionsverlages nach, der die erste wissenschaftliche Gesamtausgabe der Werke von Johann Sebastian Bach publizierte sowie Gesamtausgaben etwa von Felix Mendelssohn Bartholdy und Hanns Eisler.
Breitkopf & Härtel verfügte nach eigenen Angaben zeitweise über den größten verlagseigenen Druckereibetrieb weltweit und bildete zahlreiche Verleger aus. Eng verbunden ist der Verlag seit etwa 200 Jahren dem Leipziger Gewandhausorchester.
Bereits seit 15. Oktober erinnert in Leipzig eine Gedenktafel an die Geschichte des Musikverlags. Kulturamtsleiterin Susanne Kucharski-Huniat und Verlagsgeschäftsführer Nick Pfefferkorn enthüllten sie nach Angaben der Stadtverwaltung in der Universitätsstraße 18 im Stadtzentrum. Der dortige erste Sitz des Verlags sei 1943 bei einem Bombenangriff zerstört worden, hieß es.
Der Verlag wurde den Angaben zufolge 1719 in Leipzig von Bernhard Christoph Breitkopf gegründet und etablierte sich schnell zu einem Fachverlag für schöngeistige und wissenschaftliche Literatur. Heute gilt als der älteste Musikverlag der Welt. Der von Johann Gottlob Immanuel Breitkopf 1755 entwickelte Notentypendruck mit beweglichen Lettern revolutionierte die Notendrucktechnik und legte den Grundstein für den inzwischen weltbekannten Musikverlag. Nach eigenen Angaben verfügt der Verlag über eine Liste von rund 25.000 lieferbaren Titeln.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der damalige Eigentümer den Hauptsitz des Verlags nach Wiesbaden verlegt. Eine in Leipzig erhaltene Zweigstelle wurde zu DDR-Zeiten enteignet und als VEB Breitkopf & Härtel geführt. Aktuell betreibt der Verlag eigenen Angaben zufolge Außenstellen in Taunusstein, Paris und London sowie im Leipziger Stadtteil Stötteritz. Die Anbringung der Gedenktafel gehe auf einen Stadtratsbeschluss vom Dezember 2018 zurück, hieß es.
Dessau-Roßlau (epd). Das Kurt Weill Fest stellt vom 28. Februar bis zum 15. März 2020 die Frage "Was sind Grenzen?" in den Mittelpunkt seines Programms. Insgesamt 53 Veranstaltungen wird es in Theatern, Kirchen, historischen Stätten, Museen und ungewöhnlichen Orten in Dessau-Roßlau, Magdeburg, Halle und Wörlitz geben, wie die Veranstalter am 17. Oktober in Dessau-Roßlau mitteilten. Zu den Mitwirkenden gehören 650 Künstler, die in 21 Spielstätten auftreten werden.
Zu den Künstlern gehören unter anderen Rolando Villazón, Thomas Quasthoff, Martina Gedeck, Julia Engelmann, Tim Fischer oder das Moka Efti Orchestra, die Bigband aus der bekannten TV-Serie "Babylon Berlin". Als Artist-in-Residence konnte der Sänger und Schauspieler Vladimir Korneev gewonnen werden, so die Organisatoren. Mit dem Motto "Was sind Grenzen?" seien Künstler und Zuschauer eingeladen, sich mit dem Begriff der Grenze auseinanderzusetzen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Schließlich habe Kurt Weill selbst wiederholt künstlerische, geographische und politische Grenzen überschritten, hieß es.
Neben den großen Konzerten stehen auch Führungen und Konzerte von Nachwuchskünstlern auf dem Programm. Festspiel-Intendant Jan Henric Bogen sagte, die Frage "Was sind Grenzen?" könnte einerseits kaum aktueller sein und sei andererseits sehr relevant für das Werk Weills: "Sie lädt zum angeregten Nachdenken und Diskutieren ein."
Die 27. Auflage des Kurt Weill Festes knackte in diesem Jahr mit rund 22.000 Gästen einen Besucherrekord. Der deutsch-amerikanische Komponist Weill wurde am 2. März 1900 in Dessau geboren, er starb am 3. April 1950 in New York.
Cottbus/Potsdam (epd). Das 29. Filmfestival Cottbus präsentiert 210 Filme aus 45 Ländern. Auf dem Programm stehen vom 5. bis 10. November sieben Weltpremieren, eine Europapremiere und 61 Deutschlandpremieren, wie die Staatskanzlei am 17. Oktober in Potsdam mitteilte. Das Filmfest zeige die kulturelle Vielfalt Ost- und Mitteleuropas, hinterfrage einseitige Geschichtsbilder und mache neugierig auf andere Sichtweisen, betonte Medienstaatssekretär Thomas Kralinski (SPD).
Bei dem Festival werden den Angaben zufolge 18 Preise vergeben, die mit insgesamt mehr als 75.000 Euro dotiert sind. Erstmals seien auch Filme aus Griechenland, Finnland und der Türkei vertreten, hieß es. Der kürzeste Film dauere nur 55 Sekunden, der längste 130 Minuten.
Die Besucher könnten Fremdes verstehen lernen, aber auch "unser Land, unsere Heimat Brandenburg neu entdecken", betonte Kralinski. Zahlreiche Beiträge stammten aus der Region und beschäftigten sich unter anderem mit der Zeit nach dem Mauerfall vor 30 Jahren.
Das Filmfestival Cottbus sei "einer der bedeutendsten kulturellen Leuchttürme in Brandenburg", betonte Geschäftsführer Andreas Stein: "Im Herzen der Lausitz gegründet und beheimatet, befördert das Festival seit 1991 die kulturelle Vielfalt, fokussiert insbesondere mit seinen Sonderreihen auf gesellschaftliche und politische Umbrüche, Entwicklungen und Trends." Das Festival präsentiere nicht nur Vielfalt, sondern stehe auch für ein buntes und weltoffenes Cottbus. Das Land Brandenburg beteiligt sich den Angaben zufolge über das Medienboard, das mehr als 245.000 Euro für das Festival Cottbus bereitstellt.
Frankfurt an der Oder (epd). Die 29. Kleist-Festtage in Frankfurt an der Oder laden unter dem Motto "Stürmische Zeiten - Fontane, Kleist und andere Helden" zu einem umfangreichen Kulturprogramm ein. Zur Eröffnung des Festivals wurde am 17. Oktober der Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker vergeben, teilte das Kleist-Museum mit. Die mit 7.500 Euro dotierte Auszeichnung ging an den Autor und Dramaturgen Peter Thiers, der für sein Stück "Warten auf Sturm" geehrt wurde. Die Kleist-Festtage laufen bis zum 27. Oktober.
Das "monumentale Debüt" von Thiers sei eine "überzeugende Parabel des modernen Arbeitslebens" und gehe "weit über die bloße Beschreibung einer Klassengesellschaft hinaus", hieß es zur Begründung der Jury. Der gebürtige Geraer arbeitet seit 2017 als Regieassistent am Thalia Theater Hamburg.
Im Mittelpunkt des Festivals steht im Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane (1819-1898) nach Veranstalterangaben die Sicht des märkischen Schriftstellers auf Kleist. Fontane sei ein scharfer Kritiker Kleists gewesen, der sich zugleich der herausragenden literarischen Qualität des Dramatikers bewusst gewesen sei, hieß es. Auf dem Programm stehen neben Theater auch eine Jazz-HipHop-Kurzoperette und ein Poetry Slam.
Die jährlichen Kleist-Festtage ehren den Angaben zufolge seit 1991 den in Frankfurt an der Oder geborenen Dichter Heinrich von Kleist (1777-1811). Das Theater- und Literaturfest wird von der Stadt, dem Kleist Forum und dem Kleist-Museum veranstaltet. Der Kleist-Förderpreis wird seit 1996 für noch nicht uraufgeführte Theaterwerke an Autoren vergeben, die nicht älter als 35 Jahre sind.
Halle (epd). Die Stiftung Händel-Haus in Halle hat eine wertvolle Handschrift von Georg Friedrich Händels (1685-1759) "Messiah" aus dem 18. Jahrhundert angekauft. Bei der als verschollen geglaubten Partitur-Handschrift des Händel-Oratoriums handele sich um ein bedeutendes Dokument der Rezeptionsgeschichte Händel’scher Musik, wie die Stiftung Händel-Haus in Halle mitteilte. Sie entstand als italienische Übersetzung und Bearbeitung "Il Messia" für Aufführungen des Oratoriums in Florenz zwischen 1768 und 1772.
Die Partitur-Handschrift umfasst den Angaben zufolge 102 Blätter. Das Büttenpapier und der marmorierte Einband stammten offensichtlich aus der Entstehungszeit. Die Partitur könne nun wissenschaftlich ausgewertet und erschlossen werden, hieß es. Die Stiftung Händel-Haus ist derzeit nach eigenen Angaben auch in Gesprächen mit verschiedenen Institutionen, um eine zukünftige Aufführung zu realisieren.
Die Stiftung habe "eine der umfassendsten und äußerst bedeutendsten Noten-Sammlungen, in der sich die Rezeptionsgeschichte der Händel’schen Musik widerspiegelt", sagte der Direktor der Stiftung Händel-Haus, Clemens Birnbaum. Die nun neu erworbene Partitur-Handschrift sei dabei eines der wertvollsten Objekte dieser Sammlung.
Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra (CDU) bezeichnete die Partitur-Handschrift als schützenswertes Kulturgut. Das Dokument wurde am Donnerstag der Öffentlichkeit präsentiert.
Frankfurt a.M. (epd). "Wir befinden uns im Jahre 50 v.Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein!" Wer diese Sätze liest, weiß, was nun folgt: Zaubertrank, Römer austricksen und am Ende ein Festmahl mit Wildschweinbraten und ohne Troubadix-Musik. Seit 60 Jahren beginnen die Abenteuer von Asterix und Obelix mit der inzwischen legendären Einleitung. Langweilig geworden sind die Geschichten um den kleinen Gallier Asterix mit dem geflügelten Helm und seinen dicken, Hinkelstein schleppenden Freund Obelix dennoch nie.
Der 38. Band der Erfolgsserie hat - ganz im Geist der Zeit - ein junges Mädchen als Titelheldin: "Die Tochter des Vercingetorix". Er erscheint am 24. Oktober, fast punktgenau zum 60. Geburtstag: Am 29. Oktober 1959 veröffentlichten der mittlerweile 92-jährige Zeichner Albert Uderzo und der Texter René Goscinny (1926-1977) die erste Episode des Comics. Heute sind Asterix-Bände nach Verlagsangaben in 111 Sprachen und Dialekten erschienen.
Dabei hatten Uderzo und Goscinny die Geschichte um die beiden Gallier unter ziemlichem Zeitdruck entwickelt. Ihre Aufgabe war es, für den Start der Jugend-Zeitschrift "Pilote" einen französischen Helden zu erfinden, der sich von US-Comics abgrenzen sollte. Zunächst dachten sie über eine mittelalterliche Szenerie nach. Als dann die Idee aufkam, die Geschichte in die Antike zu verlegen, ging plötzlich alles ganz schnell. "In einer Viertelstunde entwickelten wir fast alle Charaktere", erzählte Uderzo später.
Während Goscinny die Geschichten und Texte entwarf, zeichnete Uderzo die Figuren mit den charakteristischen Knollennasen. Im Mittelpunkt stehen der kleine, pfiffige Asterix und der bärenstarke, aber naive Obelix, die ihr kleines Dorf durch List und Tücke sowie mit Hilfe eines geheimen Zaubertranks des Druiden Miraculix gegen die römischen Besatzer verteidigen. Meist müssen sie dazu ein Abenteuer bestehen, das sie in ein anderes Land führt.
Auch wenn Uderzo und Goscinny von dem enormen Erfolg der Serie überrascht wurden, so sei er doch kein Zufall gewesen, sagt der Comic-Experte Markus Engelns von der Universität Duisburg-Essen. Goscinny und Uderzo waren bereits erfahrene Profis, als sie Asterix entwickelten. Zusammen hatten sie zuvor schon einen beliebten Comic-Helden erfunden, den Indianer "Oumpah-Pah".
Doch wie konnte ausgerechnet die französischste ihrer Figuren ein Weltstar werden? Die Asterix-Geschichten griffen allgemeingültige Motive auf, erklärt Engelns: "Es ist eine Art David-gegen-Goliath-Geschichte." Ein kleines Dorf wehrt sich gegen das mächtige römische Reich.
Auch die Charaktere der beiden Helden entsprechen länderübergreifenden Klischees: Asterix ist ein kleiner, aber sehr gewitzter Mann, während Obelix stark, aber manchmal ein wenig schwer von Begriff ist. Die Dorfgemeinschaft mit ihren Rivalitäten ist ein ebenso allgemeingültiges Zerrbild. "Hinzu kommen Slapstick und spektakuläre Zeichnungen", sagt Engelns.
Ein Erfolgsfaktor der Serie sei auch, dass die beiden Helden sich auf Reisen in andere Länder begeben, ergänzt der Aachener Asterix-Experte und Althistoriker Jörg Fündling: "Asterix war immer eine europäische Angelegenheit." In Geschichten wie "Asterix bei den Briten" und "Asterix in Spanien" erkunden die beiden Gallier fremde Nationen. Dabei werden gängige Klischees und Eigenheiten der jeweiligen Länder auf freundliche Weise persifliert.
Dass Asterix gerade in Deutschland besonders gut ankommt, hängt möglicherweise auch mit dem noch relativ verbreiteten Latein-Unterricht an Gymnasien zusammen: "Die manchmal als qualvolle Schulroutine gesehene lateinische Sprache wird vom Sockel geholt. Man kann darüber lachen, dass die Römer verzweifelt lateinische Zitate klopfen, wenn sie mal wieder den Kürzeren gezogen haben", erklärt Fündling.
Ein Erfolgsrezept von "Asterix" sei aber auch, dass die Geschichten auf unterschiedlichen Ebenen gelesen werden könnten, glaubt Engelns. Die Serie sei gespickt mit Anspielungen auf historische Figuren und Ereignisse, auf Prominente und auf die französische Politik. Aber man müsse diese Hinweise nicht verstehen, um Spaß an den Comics zu haben.
Mit seinen subtilen historischen Bezügen sei "Asterix" der erste Comic gewesen, der auch in Teilen des Bildungs-Bürgertums beliebt gewesen sei. Denn bis dahin galten Comics als Schund-Literatur. Engelns: "Asterix und Obelix haben weltweit die Akzeptanz von Comics verbessert."
Eine Zäsur erlebte die Serie 1977, als Goscinny plötzlich und unerwartet an einem Herzinfarkt starb. Uderzo setzte die Arbeit nach anfänglichem Zögern alleine fort. Kritiker bemängelten jedoch, dass die Geschichten danach wesentlich plumper geworden seien.
2012 übergab Uderzo die Produktion der Reihe aus Altersgründen an den Texter Jean-Yves Ferri und den Zeichner Didier Conrad. Die drei bislang von ihnen herausgegebenen Bände wurden von der Kritik unterschiedlich aufgenommen. Engelns hält sie für "dem Mainstream angepasst", während Fündling sie als "qualitativ sehr gut" beurteilt.
Feststeht: Der Erfolg der Serie ist ungebrochen. Und das von unbeugsamen Galliern bewohnte Dorf hört nicht auf, den römischen Eindringlingen Widerstand zu leisten.
Leipzig (epd). Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig ist seit 18. Oktober eine Ausstellung zu den Ängsten der Deutschen zu sehen. Präsentiert werden mehr als 300 Exponate, teilte das Forum anlässlich der Eröffnung mit. Die Ausstellung beschäftigt sich unter anderem mit der Entstehung und Verbreitung von Angstgefühlen im jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Kontext in Ost- wie Westdeutschland. Auch die Rolle der Medien dabei werde diskutiert. Die Schau trägt den Titel "Angst. Eine deutsche Gefühlslage?" und ist bis 10. Mai 2020 zu sehen.
Die Ausstellung beschäftigt sich den Angaben nach mit den vier Themengebieten Zuwanderung, Atomkrieg, Umweltzerstörung und Datenschutz. Im Bereich Zuwanderung setze sie die Flüchtlingsbewegung ab 2015 mit derjenigen zu Beginn der 90er Jahre aus Jugoslawien in Beziehung und zeige, dass beide Ereignisse vergleichbare Empfindungen hervorgerufen haben. Dazu zählten unter anderem kollektive Ängste vor sogenannter Überfremdung oder steigender Kriminalität.
Unter dem Schlagwort Atomkrieg analysiert die Ausstellung die Diskussionen um Nach- und Abrüstung zu Zeiten das Kalten Krieges in den 70er und 80er Jahren. Umweltzerstörung werde insbesondere am Beispiel des Waldsterbens zu Beginn der 80er Jahre und der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 behandelt.
Das Thema Datenschutz beschäftige sich mit Blick auf Ostdeutschland mit der flächendeckenden Überwachung der Bevölkerung durch die Stasi in der DDR. Im Westen habe schon die Volkszählung 1983 mit computergestützter Datenerfassung Sorgen vor einem Überwachungsstaat befeuert, hieß es weiter.
Frankfurt a.M. (epd). Die Nürnberger Pfarrerin Simone Hahn wird neue evangelische Sendebeauftragte für ZDF-Gottesdienste. Die 45-Jährige tritt das Amt im Team des Medienbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Markus Bräuer, zum 1. Januar 2020 an. Sie wird Nachfolgerin von Pfarrerin Elke Rudloff, die in der Evangelischen Kirche von Westfalen die Prädikantenausbildung übernimmt, wie der EKD-Medienbeaufragte am Montag mitteilte.
Als ZDF-Senderbeauftragte trägt die Theologin künftig - zusammen mit ihrem Kollegen Pfarrer Stephan Fritz - die inhaltliche Verantwortung für jährlich 28 evangelische ZDF-Fernsehgottesdienste. Ihre Tätigkeit reicht von der Auswahl der Übertragungsorte über die Begleitung des Vorbereitungsprozesses in den Gemeinden bis zu den Proben für den Auftritt vor der Kamera. Seit 1986 überträgt das ZDF an jedem Sonntagmorgen um 9.30 Uhr einen Gottesdienst. Dabei wechseln sich katholische und evangelische Gemeinden ab.
"Gottesdienste im Fernsehen haben auf den ersten Blick eine Distanz zwischen der Gemeinde im Wohnzimmer und der Gemeinde im Fernsehen. Die einen sind Zuschauer und die anderen Feiernde", erklärte Hahn. "Auf den zweiten Blick aber wollen die Menschen in der Kirche und vor dem Fernseher das Gleiche. Vom Wort berührt werden, Segen erfahren und Kraft tanken."
Die Theologin erhielt im Juni für ihre Zivilcourage das Karl-Steinbauer-Zeichen. Während "Pegida"-Kundgebungen vor ihrer Kirche hatte sie zu Friedensgebeten in ihrer Kirche St. Jakob eingeladen. Seit 2007 ist sie 1. Pfarrerin an der Kirche in der Nürnberger Innenstadt. Hahn ist seit mehreren Jahren auch Sprecherin von Radioandachten im Privatradio.
Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in Frankfurt am Main (GEP), das die Rundfunkarbeit der EKD organisiert, ist das zentrale Mediendienstleistungsunternehmen der EKD, der evangelischen Landeskirchen, der Diakonie sowie der Vereinigung evangelischer Freikirchen. Es trägt ebenso die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd), das Onlineportal "evangelisch.de", das Monatsmagazin "chrismon" und die Fastenaktion "7 Wochen Ohne".
Leipzig (epd). Das soziokulturelle Zentrum Frauenkultur wird mit dem diesjährigen Louise-Otto-Peters-Preis der Stadt Leipzig geehrt. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) werde die Auszeichnung bei einer Festveranstaltung am 22. Oktober überreichen, teilte die Stadtverwaltung am 16. Oktober mit. Der Preis wird seit 2015 jährlich vergeben und ist mit 5.000 Euro dotiert.
Zur Begründung hieß es, der Verein Frauenkultur sei seit den 90er Jahren geprägt von Beteiligungsorientierung und generationenübergreifenden Kulturprojekten. Im Wirken für Geschlechtergerechtigkeit und interkulturelle Verständigung starte er Projekte, fördere Bildung und Begegnung und organisiere Ausstellungen, Konzerte, Vorträge und Aktionen.
Louise Otto-Peters (1819-1895) wurde im sächsischen Meißen geboren, war Schriftstellerin und Journalistin und gilt als Pionierin der Frauenbewegung. 1849 gründete sie die "Frauen-Zeitung", der sie bis zum ihrem Tod im Alter von 75 Jahren als Herausgeberin erhalten blieb. Später wurde Otto-Peters die erste Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF), den gut 120 Frauen im Oktober 1865 in Leipzig gründeten. Otto-Peters sei es zu verdanken, "dass Leipzig als Wiege der Frauenbewegung in die Geschichte einging", erklärte die Stadtverwaltung.
Dresden (epd). Der österreichische Autor und bildende Künstler Franzobel wird neuer Stadtschreiber in Dresden. Er trete sein Amt am 1. Juni 2020 an, teilte die Stadtverwaltung am 17. Oktober in Dresden mit. Die Jury lobte seinen Erfindungsreichtum und Sprachwitz. Ihre Entscheidung begründete sie zudem damit, dass Franzobel einen historischen Roman mit einen Protagonisten plane, der zu DDR-Zeiten ein familiäres Doppelleben führte.
Der Roman wolle erforschen, wie es möglich sei, dass "eine auf idealistischen Werten begründete Gesellschaft plötzlich Zäune und Mauern bauen muss, sich schließlich selbst bespitzelt und immer unmenschlicher und brutaler wird", hieß es. Die Jury sei überzeugt davon, dass "der entfernte und doch verwandte Blick eines Österreichers auf solch ein Thema auch das Publikum in Dresden bewegt und bereichert".
Franzobel ist der 25. Dresdner Stadtschreiber. Die Jury habe ihn aus einer zweistelligen Anzahl von Bewerbungen ausgewählt, hieß es. Er ist bereits der zweite Österreicher in diesem Amt. Für ein halbes Jahr erhält er ein Stipendium und eine mietfreie Wohnung in der Stadt. Das Stipendium wird von der Landeshauptstadt Dresden in Kooperation mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden vergeben.
Der in Wien beheimatete Franzobel arbeitet seit 1991 als Autor von Romanen, Dramen und Kinderbüchern. Er wurde 1967 in Vöcklabrück als Franz Zobl geboren und war zunächst als bildender Künstler tätig. Franzobel erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter 1995 den Ingeborg-Bachmann-Preis und 1998 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor.
Neuauflage und Animationsfilm des bekannten Stoffs um die liebenswürdige Familie, die ein von Horrorelementen umgebenes Leben führt: Im Mittelpunkt der Story steht nun das Erwachsenwerden der beiden Kinder Wednesday und Pugsley: Während Sohn Pugsley sich auf das Ritual vorbereitet, das seine Mannwerdung zelebriert, entdeckt seine Schwester Wednesday die Freuden der Biederkeit und ihr schwarzes Outfit eines Tages mit pinken Accessoires aufpeppt – sehr zum Missfallen ihrer Mutter. Der Film erweist sich als Plädoyer für Toleranz gegenüber anderen, mögen sie auch noch so schräg sein.
Die Addams Family (USA 2019). R: Conrad Vernon, Greg Tiernan. B: Matt Lieberman, Pamela Pettler. Stimmen (OV): Charlize Theron, Finn Wolfhard, Chloë Grace Moretz, Mikey Madison, Pom Klementieff, Catherine O'Hara, Oscar Isaac, Aimee Garcia, Allison Janney. 105 Min.
Brittany Forgler ist amüsant, kontaktfreudig und immer bereit, Spaß zu haben. Mit 27 holen sie ihr exzessives Nachtleben, ihr chronischer Mangel an bezahlter Arbeit und ihre ungesunden Beziehungen ein. Als sie einen Arzt aufsucht, um sich Ritalin zu beschaffen, bekommt sie eine Therapie verordnet, nach der sie nicht gefragt hatte: Werde gesund. Weil sie aber kein Geld fürs Fitnessstudio hat, überredet ihre Nachbarin sie dazu, einmal um den Block zu rennen. Am nächsten Tag schafft sie schon zwei und damit ist ihr Ziel geboren: beim New York City Marathon mitrennen.
Brittany Runs a Marathon (USA 2019). R u. B: Paul Downs Colaizzo. Da: Jillian Bell, Jennifer Dundas, Patch Darragh, Alice Lee, Erica Hernandez, Max Pava, Michaela Watkins, Adam Sietz. 104 Min.
Kommissarin Yvonne lebt an der französischen Riviera und ist trotz ihres jungen Alters bereits Witwe. Ihr Mann Santi war der örtliche Polizeichef und bei der Bevölkerung hoch angesehen, weil er als Inbegriff von Recht und Ordnung galt. Doch nach seinem Tod stellt sich alles als große, scheinheilige Lüge heraus: Obwohl sein monumentales Denkmal in der Stadt etwas anderes suggeriert, steckte Santi mit der südfranzösischen Unterwelt unter einer Decke und schickte einst sogar den unschuldigen Antoine für acht Jahre ins Gefängnis. Keine übliche französische Komödie, sondern mehr eine Neubelebung der Screwballkomödien.
Lieber Antoine als gar keinen Ärger (Frankreich 2018). R: Pierre Salvadori. B: Pierre Salvadori, Benoît Graffin, Benjamin Charbit. Da: Adèle Haenel, Pio Marmaï, Audrey Tautou, Damien Bonnard, Vincent Elbaz. 109 Min.
Animationsfilm à la „Coco“: Salma lebt als Waisenkind bei Nana, einer alten, kompakten Dame. Seit klein auf hat sie dem Mädchen verboten, am „Tag der Toten“ einen Altar für seine Eltern zu bauen, die es niemals kennengelernt hat. Außerdem leben Pedro und Jorge bei Nana, zwei Brüder, ebenfalls verwaist. Ihre Eltern allerdings haben sie noch in Erinnerung und dürfen ihrer gedenken. Mit 16 widersetzt sich Salma dem Verbot. Sie will endlich dem Geheimnis ihrer Eltern auf die Spur kommen und macht sich am 2. November gemeinsam mit Jorge und Pedro auf den Weg ins Reich der Toten.
Salmas Geheimnis (Mexiko 2019). R u. B: Carlos Gutiérrez Medrano Sansón. Stimmen: Fernanda Castillo, Connor Andrade, Dino Andrade. 88 Min.
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