Sein Interesse und seine Liebe gilt den kleinen Leuten, die Geschichte an der Peripherie erleben. Über sie, teils die Verlierer der Gesellschaft, erzählt Andreas Dresen in seinen Filmen. Wie zuletzt in "Gundermann", dem Film über den singenden Baggerfahrer Gerhard Gundermann aus dem Lausitzer Braunkohlerevier. Ein Film, den er habe machen wollen, "um ein differenzierteres Bild von der DDR zu zeichnen, als das in manchen Filmen bisher geschehen ist", sagte Dresen im vergangenen Jahr in seiner Heimatstadt Schwerin.

"Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck etwa sei ein guter Film. "Aber er hat mit der DDR so viel zu tun wie Hollywood mit Hoyerswerda", sagt Dresen. "Wir sollten in Filmen Geschichten erzählen, die von der Wirklichkeit eines Landes handeln", lautet sein Plädoyer. Begonnen hat der Sohn des Theaterregisseurs Adolf Dresen und der Schauspielerin Barbara Bachmann damit bereits in seiner Jugend. Sein Vater habe ihm im Alter von zwölf Jahren eine Schmalfilmkamera geschenkt, "da habe ich angefangen, Filme zu machen - kleine satirische Geschichten über das Leben in der DDR".

Nach dem Abitur arbeitete Dresen als Tontechniker am Schweriner Theater und absolvierte ein Volontariat im Defa-Studio für Spielfilme. Von 1986 bis 1991 studierte er Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg. Seit 1992 arbeitet er als freier Autor und Regisseur.

Sie hätten Glück gehabt mit ihren Biografien, sagte Dresens langjährige Drehbuchautorin Laila Stieler im vergangenen Jahr in einem gemeinsamen "Zeit"-Interview. Sie seien fertig ausgebildet gewesen und 1990/91 ins Berufsleben gekommen. "Ich bin historisch zwischen die Systeme geraten", formulierte es Dresen. "Deshalb habe ich eine Mischung in mir."

Mit diesen gemischten Gefühlen blickt er auch auf die Ereignisse vor 30 Jahren. Er sei "froh, dass die DDR weg ist. Ich habe da null ostalgische Gefühle." Dennoch habe er die Wiedervereinigung wie eine Kapitulation empfunden. "Das war nicht der Impetus, mit dem wir im Herbst 1989 angetreten sind." Diese Monate seien eine Chance gewesen, "die DDR vom Kopf auf die Füße zu stellen und endlich das zu verwirklichen, wovon wir immer geträumt hatten: eine sozial gerechtere, demokratische Konstruktion von Gesellschaft".

In Leipzig hatte Dresen damals gemeinsam mit anderen Filmstudenten eine Demo gegen die Wiedervereinigung organisiert. Mit rund dreißig Leuten zog er im November '89 durch die Innenstadt. "Uns kamen dann ungefähr hunderttausend Menschen entgegen, und die haben geschrien: 'Kauft euch doch 'ne Insel!'".

Dennoch habe er auch Verständnis gehabt für alle, die sagten: "Wir haben jetzt lange genug gewartet und wollen endlich all die schönen Dinge haben, die wir bisher immer nur durch das Bullauge des Westfernsehens gesehen haben." Eine Konföderation, die sich "langsam Schritt für Schritt in Richtung Wiedervereinigung entwickelt", sei seine Vorstellung gewesen. Die hohe Geschwindigkeit habe zu "Konstruktionsfehlern" der deutschen Einheit geführt.

Dresens Werke, mit Bundesfilmpreisen, Darstellerpreisen, Kritikerpreisen und Festivalpreisen ausgezeichnet, zählen zu den meistprämierten deutschen Filmen. Zu seinen bekannten Filmen gehören "Nachgestalten" (1999), "Halbe Treppe" (2002), "Sommer vorm Balkon" (2005) und "Halt auf freier Strecke" (2011). Sein Film "Gundermann" (2018) war ein Kritiker- und Kassenerfolg. Er gewann unter anderem sechs Lolas beim Deutschen Filmpreis 2019.

Dennoch sei es zunächst schwierig gewesen, für "Gundermann" eine Produktionsfirma zu finden. Für die einen habe Gundermann im Drehbuch für seine Stasi-Tätigkeiten nicht genug Reue gezeigt, andere wiederum hätten gefragt: Wer ist eigentlich Gundermann? "Manchmal hat man das Gefühl, wenn man Geschichten aus der eigenen, ostdeutschen Lebenserfahrung erzählen möchte, dass man noch mal extra eine eigene Begründung dafür abliefern muss."

Dresen, der in Potsdam lebt, ist als juristischer Laie Verfassungsrichter im Land Brandenburg, Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, der Deutschen und der Europäischen Filmakademie. Seit dem Sommersemester 2018 hat er die neu eingerichtete Professur für Filmschauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Rostock inne.