Hamburg (epd). Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sieht eine zunehmende Radikalisierung des rechten "Flügels" der AfD. Rund neun Monate nachdem die völkische Parteiströmung vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall erklärt wurde, sagte Haldenwang dem "Spiegel": "Wir sehen nichts, was uns von dieser Einschätzung abbringen würde, im Gegenteil: Der 'Flügel' wird immer extremistischer."
Über den "Flügel"-Vertreter Andreas Kalbitz, der Verbindungen zur rechtsextremen Szene hatte, sagte Haldenwang: "Für mich ist nicht erkennbar, dass er sich von seiner Vergangenheit distanziert hat." Der Brandenburger AfD-Vorsitzende Kalbitz zähle wie der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu den führenden Köpfen des "Flügels". Zu Höcke selbst wollte sich Haldenwang angesichts der bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen "aus rechtlichen Gründen" nicht äußern. In Thüringen wird am 27. Oktober gewählt.
Der Verfassungsschutzchef kündigte an, die sogenannte Neue Rechte stärker ins Visier zu nehmen. Vordergründig distanziere sich diese politische Strömung von Gewalt, "aber sie befördert die Verschwörungstheorie der 'Umvolkung' und vermittelt das Gefühl, dass etwas geschehen muss, um solche vermeintlichen Entwicklungen zu stoppen". Das sei der "geistige Nährboden" für Taten wie den antisemitischen Anschlag von Halle, bei dem am 9. Oktober zwei Menschen erschossen wurden.
"Es gibt viele Organisationen, die wir uns intensiv ansehen", fügte Haldenwang hinzu. Für die "Reconquista Germanica" zum Beispiel, ein Projekt rechter Netzaktivisten, stehe seit einigen Wochen fest: "Das sind eindeutig Rechtsextremisten. Bei solchen Beobachtungsobjekten können wir nachrichtendienstliche Mittel einsetzen."