Thüringens Jüdische Landesgemeinde bekommt in zwei Jahren eine neu Tora-Rolle. Diese Abschrift der ersten fünf Bücher der hebräischen Bibel, der Tora, sei ein Geschenk der beiden großen Kirchen im Land, kündigten die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und das Bistum Erfurt am 14. Oktober in einer gemeinsamen Erklärung an. Zur festlichen Zeremonie zum Beginn der Abschrift würden am 23. Oktober in der Neuen Synagoge der Landeshauptstadt neben dem Vorsitzenden der Landesgemeinde, Reinhard Schramm, auch Landesbischof Friedrich Kramer (EKM) und sein katholischer Amtsbruder Ulrich Neymeyr erwartet, hieß es.

Bei der Zeremonie wird der Berliner Rabbiner Reuven Yaacobov, der als ausgebildeter "Sofer" die Berechtigung zum Schreiben der Tora-Rolle hat, mit einem Federkiel den ersten Buchstaben auf das Pergament setzen. Es handele sich um ein B(eth), mit dem das hebräische Wort "Bereschit" (deutsch: im Anfang) beginne, erklärte Bistumssprecher Peter Weidemann. Anschließend dauere es etwa noch 24 Monate, ehe alle 304.805 Buchstaben auf die Rolle übertragen sein werden. Anschließend werde die Rolle an die Landesgemeinde übergeben, wo sie im Gottesdienst zum Einsatz kommen soll.

Erhalte eine jüdische Gemeinde in Deutschland eine neue Tora-Rolle, stamme diese in der Regel aus Israel. "Dort wird sie unter Einhaltung vielfältiger ritueller Vorschriften von einem Sofer angefertigt", erläuterte Weidemann. Bei einer "Zeremonie des letzten Buchstaben" werde mit einem Fest in der Gemeinde, für die die neue Tora-Rolle bestimmt sei, die Abschrift beendet. In Deutschland sei das ein sehr seltenes Ereignis, so der Bistumssprecher.

Praktisch einmalig ist nach seiner Darstellung indes ein Fest, das dem Schreiben des ersten Buchstabens gewidmet ist. So könne sich selbst Thüringens Landesrabbiner Alexander Nachama nicht an eine einzige derartige Zeremonie in Deutschland erinnern, sagte Weidemann.

Sofer Yaacobov werde in den kommenden Monaten immer wieder nach Erfurt kommen, um öffentlich an der Tora-Rolle zu arbeiten, kündigte das Bistum an. Dazu seien bisher sechs Veranstaltungen geplant, bei der auch Gemeindemitglieder an der Arbeit beteiligt würden. Allerdings dürften sie nicht aktiv werden, sondern legten ihre Hand auf den schreibenden Arm des Sofers. Am 23. Oktober solle diese Ehre auch den beiden Bischöfen Kramer und Neymeyr zuteilwerden, so Weidemann.

Über die Kosten des Vorhabens wollte er sich nicht äußern. Bei der neuen Tora-Rolle handele es sich um ein Geschenk und da rede man nicht über den Preis, sagte Weidemann. Klar sei, "das wird nicht ganz billig".

Mit ihrem Geschenk wollten die beiden Kirchen die enge Verbundenheit von Juden und Christen unterstreichen, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Bistum und mitteldeutscher Kirche. Das Projekt sei zugleich Teil und ein Höhepunkt des Themenjahrs "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen", das mit dem jüdischen Neujahrsfest im Herbst 2020 starten soll. Das Themenjahr ist eine gemeinsame Idee von EKM, Bistum Erfurt und der Jüdischen Landesgemeinde und wird von der Landesregierung unterstützt.

"Sofer" (hebräisch: Schreiber) schreiben von Hand Tora-Rollen oder Dokumente wie Heiratsverträge. Sie werden eigens dafür ausgebildet.