Dresden (epd). Der von Carsten Rentzing angekündigte Rücktritt trifft die ohnehin zerrissene evangelische Landeskirche ins Mark - überraschend und schonungslos. Seit Jahren gibt es äußerst kontrovers geführte Diskussionen zwischen unterschiedlichen Glaubensströmungen, die auch regional festzumachen sind - auf der einen Seite die konservativen, bibel- und bekenntnisorientierten Christen im Erzgebirge und im Vogtland und im Gegensatz dazu die Liberalen in und um Leipzig und in weiteren großen Städten.
Gebraucht werden dort Führungspersönlichkeiten, die kontroverse Positionen moderieren und zusammenbringen. Rentzing wollte das, so erklärte er es jedenfalls. Bei seinem Amtsantritt sagte er, er wolle der Bischof aller Gemeindemitglieder sein. Auch in seiner Erklärung zum Rücktritt betonte er: Sein oberstes Ziel sei die Einheit der Kirche. Er habe die verschiedenen Positionen innerhalb der Landeskirche wieder einander näher bringen wollen. Am Ende räumte er sein Scheitern dabei ein: "Ich muss mit großem Bedauern feststellen, dass die aktuelle Diskussion um meine Person diesem Ziel schadet."
Der Rückzug des Bischofs vom Amt verschärft die Situation und könnte zugleich eine Chance für die Kirche sein. Denn falls die Kirchenleitung am Montag dem Rücktritt Rentzings zustimmt - was zu erwarten ist - beginnt die Suche nach einem Nachfolger. Die Landeskirche muss dann zeigen, welche Konsequenzen sie aus dem Fall zieht.
Der Weltanschauungsbeauftragte der sächsischen Landeskirche, Harald Lamprecht, schlägt vor, dass künftige Bischofsbewerber ihre Vereinsmitgliedschaften offenlegen. Von denjenigen, die sich für ein hohes Amt bewerben, sollten zumindest dem Wahlausschuss bestehende Engagements und eingegangene Verpflichtungen bekannt sein, sagte er dem epd. Rentzing hatte seine als Student eingegangene Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung bei seiner Wahl 2015 verschwiegen. Nach vier Jahren im Amt wurde kürzlich zudem öffentlich, dass er zwischen 1989 und 1992 Texte für die rechtskonservative Zeitschrift "Fragmente" verfasst hat.
Nachdem sich die sächsische Kirchenleitung von Rentzing aufgrund der von ihr als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" eingestuften Texten distanziert hatte, wurde die Spaltung der Kirche in Sachsen offensichtlich. Im Internet tauchte eine anonym verfasste Petition auf, die sich für den Verbleib des Bischofs im Amt einsetzt und von einer "Schmutzkampagne" gegen ihn spricht. Eingestellt ist der Text auf einer in Spanien gegründeten umstrittenen Plattform.
Lamprecht bezeichnete die Petition als "ein Manöver der Neuen Rechten", die vorhandene persönliche Sympathien für Bischof Rentzing und seine konservative Grundhaltung missbrauche. Dabei betonte er: Grund des angekündigten Rücktritts sei nicht, das der Bischof ein Konservativer ist, sondern dass er die Kirche über seine Biografie getäuscht habe. Das führe auch zu der Frage, inwieweit diese Details wirklich Vergangenheit für Rentzing seien.
Was die verschiedenen Positionen der Kirchenmitglieder angeht, unterscheide sich Sachsen nicht grundsätzlich von anderen Landeskirchen, sagte Lamprecht. Dieselbe Bandbreite an Meinungen sei auch an anderen Orten zu finden, etwa in Baden-Württemberg. Dort gebe es schon länger "fest organisierte Parteien innerhalb der Landeskirche, sogenannte Gesprächskreise".
Auch in Sachsen zeichne sich zunehmend eine solche Parteienbildung ab. Die Gründung der "Sächsischen Bekenntnis-Initiative" habe diese Entwicklung forciert. Solche Initiativen verstellten aber "den Blick auf die Vielfalt der Wirklichkeit und der möglichen Positionen", sagte Lamprecht.
Mit dem erwarteten Rücktritt besteht jetzt - wie schon während der jahrelangen Diskussion um die Homo-Ehe - die Gefahr, dass sich eine größere Zahl von konservativen Christen von der Landeskirche abwendet. Wer die Bibel ernst nimmt, "wird sich nicht leichtfertig von der Gemeinschaft der Christen lösen, sondern gemeinsam um die angemessene Gestalt der Kirche ringen", appellierte der Weltanschauungsbeauftragte. Dies brauche die Bereitschaft, aufeinander zu hören.
Für die Landeskirche stellen sich nun existenzielle Fragen: Wie weiter? Falls Rentzing entbunden wird, welche Nachfolgerin oder welcher Nachfolger hilft der Kirche weiter? Was muss möglicherweise auch die Landessynode als gewähltes Organ leisten? Darüber wird nicht zuletzt auf der bevorstehenden Synodentagung im November in Dresden zu beraten sein.