Osthausen (epd). In einem Waldstück in der Nähe des mittelthüringischen Osthausens hat sich am 15. Oktober fast das gesamte Thüringer Kabinett an einer Baumpflanzaktion beteiligt. Insgesamt 800 Setzlinge - Weißtanne, Vogelkirche, Traubeneiche und Douglasie - standen für Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und seine Ministerriege zur Verfügung. "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", begründet er die Initiative.
Außergewöhnlich ließe sich leicht durch katastrophal ersetzen, wie die Zahlen aus dem Waldzustandsbericht 2019 belegen, die Infrastrukturministerin Birgit Keller (Linke) zur Aktion mitgebracht hatte. Vor allem Dürresommer und der Befall mit Schädlingen wie dem Borkenkäfer hätten den Bäumen stark zugesetzt, erklärte Keller. Nach ihren Angaben können nur 23 Prozent der Fichten, jeweils sieben Prozent der Kiefern und Eichen und sogar nur noch vier Prozent der Buchen im Land als gesund gelten.
Das seien die schlechtesten Werte seit 1991, als die Wälder mit den Folgen der hohen Luftverschmutzung zu kämpfen hatten, sagte die Ministerin. Bei mehr als der Hälfte aller Bäume - 53 Prozent - hätte die Begutachtung im Juli 2019 starke Vitalitätsverluste ergeben. Die Gesamtschadfläche: 40.000 Hektar.
ThüringenForst steuerte weitere besorgniserregende Zahlen bei. Nach Aussage von Vorstand Volker Gebhardt fehlt dem Wald in Thüringen derzeit ein Drittel seiner Blattmasse. Eine schnelle Besserung der Lage sei für ihn nicht in Sicht. "Wahrscheinlich gibt es nächstes Jahr noch einmal schlechtere Zahlen", befürchtete er.
Ein Teil davon konnten die Minister in Osthausen besichtigen. Dort, wo sie ihre Setzlinge pflanzten, stand vor wenigen Monaten noch ein Fichtenwald. Auf der kahlen Fläche sind nur noch vier, fünf einsame Bäume verblieben. Der Rest hätte gefällt werden müssen, weil sich der Borkenkäfer im Bestand ausbreitete, erklärte Markus Kirchheim. Er ist Mitglied der Waldgenossenschaft Osthausen und ihr Kassierer.
Seit 1435 bewirtschaftet das Dorf den Wald, heute hat die Genossenschaft nach seinen Angaben 59 Mitglieder. 2018 hätten die noch Geld aus der gemeinsamen Unternehmung gesehen. Aber nur, weil wegen des Borkenkäfers mehr Holz eingeschlagen und verkauft worden sei, erläuterte er. Dieses Jahr werde schwer genug, eine schwarze Null zu erreichen.
Jede Hilfe sei daher willkommen. Rot-Rot-Grün hat sie versprochen. Mit dem Aktionsplan Wald sollen bis 2030 insgesamt 500 Millionen Euro zur Verfügung stellt werden, bekräftigte der Ministerpräsident einen Beschluss seines Kabinetts. Das sei man nicht zuletzt den kommenden Generationen schuldig, fügte er hinzu.
Er sah die Pflanzaktion zwei Wochen vor der Landtagswahl als einen Aufruf an die Thüringer, es ihrer Landesregierung nachzutun. "Wir hoffen, dass viele Menschen unserem Beispiel folgen", warb Ramelow Nachahmer. Er rechne mit nicht weniger als 200 Millionen Pflanzen, die in den kommenden zehn Jahren in die Walderde gebracht werden müssten.
Eine ganze Menge Holz: Experten schätzen den aktuellen Baumbestand in Thüringen auf etwa 330 Millionen. Die nächsten Pflanz-Termine würden zeitnah auf der Internetseite von ThüringenForst veröffentlicht, versprach eine Regierungssprecherin.