Kirchen

Hilfswerke eröffnen Spendenaktionen zur Weihnachtszeit


Gottesdienst in der Christkirche in Rendsburg mit dem Schleswiger Bischof Magaard und "Brot-für-die-Welt"-Präsidentin Füllkrug-Weitzel.
epd-bild/Thomas Eisenkrätzer
"Das Brot dieser Welt ist wirklich Brot für die Welt", sagt der Schleswiger Bischof. Die 61. Aktion des evangelischen Hilfswerks hat das Motto "Hunger nach Gerechtigkeit". Die katholische Adveniat-Kampagne will der Jugend in Lateinamerika helfen.

Mit Festgottesdiensten haben die beiden großen Kirchen am 1. Dezember ihre diesjährigen Spendenkampagnen zur Weihnachtszeit eröffnet. Die evangelische Hilfsorganisation "Brot für die Welt" startete ihre 61. bundesweite Aktion unter dem Motto "Hunger nach Gerechtigkeit" in Rendsburg. Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat eröffnete mit einem Gottesdienst in Freiburg seine Weihnachtskampagne "Friede! Mit Dir!", die jungen Menschen in Lateinamerika gewidmet ist.

Der Schleswiger Bischof Gothart Magaard sagte in seiner Predigt in der Rendsburger Christkirche: "Gott sucht Mitmenschen, die ein Gespür dafür haben, dass das Brot dieser Welt wirklich Brot für die Welt ist - nicht für die Gier weniger, sondern für den Hunger aller bestimmt." Er verwies auf Hilfe zur Selbsthilfe, Kooperationen mit Projektpartnern vor Ort, Bildung für Mädchen, sauberes Trinkwasser und nachhaltiges Wachstum. Sein Dank gelte allen, die dies in den vergangenen 60 Jahren seit Bestehen der Aktion möglich gemacht hätten, sagte Magaard in dem live in der ARD übertragenen Gottesdienst.

"Humanitäre Erfolgsgeschichte"

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nannte "Brot für die Welt" in seinem Grußwort "eine der berührendsten Weihnachtsgeschichten unserer Zeit". Eine "humanitäre Erfolgsgeschichte" sei es obendrein: "Wir sehen, wie ein kleiner Anfang die Welt verändern kann." Es gebe vieles, das wütend und traurig mache - brutalste Kinderarbeit, die Ausbeutung der Ärmsten, die Zerstörung der Natur, sagte Günther: "'Brot für die Welt' engagiert sich, wo das Elend und unsere Verzweiflung darüber am größten sind."

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin des Hilfswerks, erinnerte an den Start von "Brot für die Welt" am 12. Dezember 1959 in der Berliner Deutschlandhalle. Damals hatten evangelische Landes- und Freikirchen zu Spenden für die weltweit Hungernden aufgerufen. Die erste Sammlung erbrachte 19 Millionen Mark aus Ost- und Westdeutschland und war der Gründungsakt des evangelischen Hilfswerks. Seitdem wird jedes Jahr am 1. Advent die neue Spendenaktion eröffnet - bundesweit und mit vielen regionalen und lokalen Gottesdiensten. 2018 wurden in ganz Deutschland 63,6 Millionen Euro Spenden gesammelt.

Schwerpunkte der Arbeit von "Brot für die Welt" sind die Überwindung von Hunger und Armut, die Stärkung von Bildung und Gesundheit sowie der Einsatz für Menschenrechte und Klimagerechtigkeit. Weltweit hungert jeder neunte Mensch, und 2,1 Milliarden Menschen haben keinen direkten Zugang zu Trinkwasser.

"Brauchen Frieden mehr denn je"

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger betonte zum Auftakt der Adveniat-Weihnachtsaktion im Freiburger Münster: "Frieden brauchen wir heute mehr denn je." Das 21. Jahrhundert sei eines, in dem sich die Menschen wieder mehr und mehr in Konflikte verstrickten. Umso wichtiger sei der Einsatz für den Frieden. Burger verwies auf die Bandenkriege in Mexiko, den Hunger in Venezuela und die Zerstörung des Amazonasgebietes. Die Spendenaktion des katholischen Hilfswerks nimmt junge Menschen in von Armut und Gewalt beherrschten Regionen Lateinamerikas in den Fokus.

In allen katholischen Kirchen Deutschlands gehen die Weihnachtskollekten vom 24. und 25. Dezember an von Adveniat unterstützte Projekte. Die Hilfsorganisation mit Sitz Essen setzt sich für Frieden, Bildung, Gerechtigkeit und Umweltschutz in Lateinamerika und der Karibik ein. Jährlich kämen rund 36 Millionen Euro zusammen, mit denen etwa 2.000 Projekte in Südamerika unterstützt werden, hieß es. Rund die Hälfte des Geldes werde an Weihnachten gespendet.



Präses Kurschus mahnt nachhaltiges Bewusstsein an


Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" besteht seit 60 Jahren.
epd-bild / Jörg Sarbach

Die westfälische Präses Annette Kurschus ruft dazu auf, das Leben nachhaltiger zu gestalten. "Wir müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, was wir haben, wie wir leben", sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen am 29. November in Münster. Die Not anderer in Entwicklungsländern sollte ihrer Ansicht nach niemanden kalt lassen.

Feier zum 60. Geburtstag von "Brot für die Welt" in Münster

Mit einer Festveranstaltung wurde in der Münsteraner Erlöserkirche das 60-jährige Bestehen des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" begangen. Unter den 200 Gästen war unter anderem auch der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD). Der Abend war zugleich Auftakt der 61. Spendenaktion für "Brot für die Welt" in der Region Westfalen. Das Motto lautet in diesem Jahr "Hunger nach Gerechtigkeit".

Der Begriff Hunger umfasse mehr als das Bedürfnis nach Nahrung, erklärte Kurschus. Er beziehe auch Bildung oder faire Handelsbeziehungen mit ein, sagte die Präses, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland ist (EKD). Der Direktor des Pole Hilfsinstituts in Goma im Kongo, Nene Morisho, verwies in diesem Zusammenhang auf die ungerechten Arbeitsbedingungen in seinem Heimatland. Für die Herstellung von Batteriezellen und Akkus würden Tausende Minenarbeiter im Kongo unter erbärmlichsten Umständen nach wertvollen Rohstoffen wie Kobalt und Coltan schürfen, erhielten dafür aber nur einen Hungerlohn, kritisierte er.

Christoph Strässer sprach sich dafür aus, deutsche Unternehmen bei der Einhaltung von Menschenrechten im Ausland mehr in die Pflicht zu nehmen. Freiwillige Unternehmensinitiativen wie im Nationalen Aktionsplan "Wirtschaft und Menschenrechte" reichen seiner Meinung nach nicht aus, um faire Arbeitsbedingungen zu sichern. Am Ende des überarbeiteten Aktionsplans müsse im Jahr 2021 ein Lieferkettengesetz stehen, das die Unternehmen auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichte, forderte Strässer. Menschenrechtsorganisationen wie terre des hommes setzen sich seit langem für so ein Gesetz ein.

"Brot für die Welt" ist das Hilfswerk der evangelischen Landes- und Freikirchen. Im vergangenen Jahr unterstützte das Hilfswerk nach eigenen Angaben mehr als 1.500 Projekte in 90 Ländern. "Brot für die Welt" fördert unter anderem Projekte zur Ernährung und ländlichen Entwicklung.



Rekowski: Adventszeit spiegelt christliche Zuversicht


Manfred Rekowski

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, hat zum Beginn der Adventszeit an die Hoffnungsbotschaft des christlichen Glaubens erinnert. Die adventliche Grundhaltung sei geprägt von dem Glauben an die Zukunft Jesu Christi, sagte der Theologe am 30. November in einer ökumenischen Adventsvesper in der Kölner Basilika St. Aposteln. "Das Zukünftige, woran wir glauben und worauf wir hoffen, bestimmt schon unsere Gegenwart." Deshalb sollten Christen sich seiner Ansicht nach nicht mit Unfrieden und ungerechten Verhältnissen abfinden. "Wir hoffen auf mehr: auf Gottes Eingreifen und auf seine neue Welt", erklärte der Präses.

Die Kirchen heute bräuchten Stärkung und Ermutigung in Zeiten der Verunsicherung und des Umbruchs. "Sexualisierte Gewalt und Missbrauch in der Kirche hat das Leben von Menschen zerstört und das Vertrauen in die Kirchen erschüttert", sagte Rekowski laut Predigttext. Aufgrund der demografischen Entwicklung und Säkularisierung der Gesellschaft stünden die Kirchengemeinden vor tiefgreifenden Veränderungen. "Das löst Sorgen und Ängste, manchmal auch Wut und Zorn aus. Die Bindung der Menschen an die Kirchen lässt nach." Hier darf laut Rekowski nicht Kleinmut das Handeln bestimmen, sondern die christliche Zuversicht, die geprägt ist durch Glaube, Liebe und Hoffnung.

Rekowski gestaltete die Adventsvesper zusammen mit dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Die rheinische Landeskirche und das Erzbistum Köln setzten damit die seit Jahren bestehende Tradition fort, jeweils zu Beginn der Advents- und der Fastenzeit in Köln beziehungsweise Düsseldorf ökumenische Gottesdienste zu feiern.



Landessuperintendent: Kirche muss "Gesicht zeigen"

Am letzten Tag der Lippische Landessynode standen die Verabschiedung des Haushalts sowie Gemeindefusionen auf der Tagesordnung. Das Kirchenparlament befasste sich außerdem mit Rechtsextremismus und sexuellen Missbrauch.

Zum Abschluss der Lippischen Landessynode hat das Kirchenparlament den Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Die Landeskirche kann im kommenden Jahr mit insgesamt rund 47,5 Millionen Euro wirtschaften, wie die Synode am 26. November in Detmold beschloss. Der Haushalt für 2020 liegt rund 200.000 Euro über dem des laufenden Jahres. An Kirchensteuern werden im kommenden Jahr rund 35 Millionen Euro erwartet, das entspricht der Höhe der ursprünglichen Schätzungen für das laufende Jahr. Die Synode befasste sich auch mit Rechtsextremismus und Missbrauch.

Lippische Synode verabschiedet Haushalt

Der Juristische Kirchenrat Arno Schilberg mahnte zu einem umsichtigen Wirtschaften. Bei den Kirchensteuereinnahmen profitierten die Kirchen derzeit noch von einer guten Konjunktur. "Mittel- und langfristig müssen wir uns auf ein Sinken der Mitgliederzahlen und damit auch der Einnahmen einstellen", mahnte Schilberg. Nach Prognosen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) könnte die Zahl der Mitglieder bis 2030 um ein Drittel zurückgehen.

Kirche muss nach Worten des Lippischen Landessuperintendenten, Dietmar Arends, klar gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus "Gesicht zeigen". Anliegen der Kirche sei es, auch mit anderen Positionen im Gespräch zu bleiben, sagte Arends am Dienstag. Zugleich müssten jedoch auch Grenzen aufgezeigt werden: "Bei rassistischen oder antisemitischen Positionen müssen wir deutlich widersprechen", betonte Arends.

Prävention gegen sexualisierte Gewalt

Die Lippische Landeskirche will die Prävention gegen sexualisierte Gewalt verstärken. An dem Thema arbeite eine Lenkungsgruppe, erklärte Arends. Erwogen werde auch eine gesetzliche Regelung in Anlehnung an die Gewaltschutzrichtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Hier sei ein gemeinsames Vorgehen von evangelischen Kirchen und Diakonie in Nordrhein-Westfalen sinnvoll.

In der Lippischen Landeskirche würden bereits Präventionskonzepte eingesetzt, vor allem zum Thema sexuelle Gewalt gegenüber Kindern, sagte Arends weiter. Zudem gebe es eine Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung, die gemeinsam von Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, der westfälischen Kirche und der Lippischen Landeskirche getragen wird. Die Fachstelle unterstützt Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen beim Umgang mit Verdachtsfällen. Zudem gibt es in der Lippischen Landeskirche weitere Ansprechpartner für Missbrauchsopfer.

Das Kirchenparlament beschloss auch die Fusionen von sechs der insgesamt 18 Kirchengemeinden in der Klasse (Kirchenbezirk) Ost, die sich zu drei Gemeinden zusammenschließen. Die Gemeinden hätten schon lange zusammengearbeitet und sich so aufeinanderzubewegt, dass sie nun einen Schritt weiter zu einem Zusammenschluss gehen wollten, erklärte Arends. Die evangelisch-reformierten Gemeinden schließen sich zu den Kirchengemeinden Hillentrup-Spork, Elbrinxen-Falkenhagen und Cappel-Istrup zusammen.

Ein Beschluss zu einem Positionspapier über Auslandseinsätze der Bundeswehr wurde vertagt. Nach einer Überarbeitung soll es der Synode erneut vorgelegt werden. Laut dem Papier sollten gewaltfreie Konfliktlösungen und zivile Konfliktbearbeitung im Umgang mit Krisen im Ausland Vorrang haben. Falls Gewalt als äußerstes Mittel zum Einsatz komme, dürfe es nur um rechtserhaltende Gewalt in ganz engen Grenzen gehen.

Vertreter der Reformierten Kirche in Rumänien und der Reformierten Kirche in Ungarn würdigten die vor 20 Jahre unterzeichneten Partnerschaftsverträge mit der Lippischen Landeskirche.



Huber hofft auf Frauenordination bei Katholiken

Der evangelische Theologe Wolfgang Huber hält weitere Schritte zum Priestertum für Frauen für unumkehrbar. Er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass es einen ökumenischen Weg geben könnte, "bei dem wir diesen Schritt wieder rückgängig machen würden", sagte der frühere Berliner Bischof am 26. November in Leipzig.

In Deutschland hofften evangelische Christen daher, "dass die Teilhabe von Frauen im katholischen Bereich auch wächst und nicht zurückgeht", betonte Huber. Jedoch sei der Unterschied "im Moment ganz offenkundig und eklatant".

Keine Absage an Ökumene

Dies sei jedoch keine Absage an die Ökumene, sagte Huber. Vielmehr könnten diese Unterschiede "auch ein Ansporn sein, dass unsere Kirchen mit diesen Herausforderungen in einer für sie geeigneten Weise umgehen", sagte er und richtete den Blick zugleich selbstkritisch nach Lettland. Dort hatte die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche 2016 Frauen vom Priesteramt ausgeschlossen.

Zugleich würdigte Huber, der von 2003 bis 2009 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war, den "synodalen Weg" in der katholischen Kirche als Chance für die Ökumene. Der Prozess sei "eine beeindruckende Diskussion über mögliche Veränderungen", sagte er. Evangelische Christen nähmen diese in allen Schattierungen und mit großer Aufmerksamkeit wahr.

Machtstrukturen, Sexualmoral und das Zölibat

Der Prozess sei damit "in sich selbst ein wichtiger Beitrag zum ökumenischen Weg", erklärte Huber. Manche der Überlegungen würfen auch die Frage auf, ob die Aufgaben Lehre, Liturgie und Leiten in der katholischen Kirche "notwendigerweise in einer Hand vereinigt sein müssen". "Mit Bewegungen dieser Art würde auch die ökumenische Situation beeinflusst", erklärte Huber.

Die deutschen katholischen Bischöfe hatten im März Reformvorstellungen formuliert. In einem zweijährigen Beratungsprozess des "synodalen Wegs" mit der Laienorganisation "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" und außerkirchlichen Experten soll es um Machtstrukturen, Sexualmoral und das Zölibat der Priester gehen.

"Kein Verlustgeschäft"

Huber debattierte in Leipzig mit dem früheren vatikanischen "Ökumene-Minister", Kardinal Walter Kasper (86), zum Thema "Die Zukunft der Ökumene im 21. Jahrhundert". Eingeladen hatten die Evangelische Akademie Meißen, die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Leipziger Universitätsprediger.

Kasper sagte, die Ökumene habe in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Besuche des Papstes beim Lutherischen Weltbund oder der EKD-Spitze im Vatikan seien noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen und "keine Symboldiplomatie, sondern tiefe, christliche und menschliche Begegnungen", betonte Kasper, der bis 2010 Präsident des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen war. Ökumene sei "kein Verlustgeschäft, sondern ein Gewinn und eine Freude für beide".



Katholische Kirche eröffnet "synodalen Weg"


Kardinal Marx (l) und ZdK-Vizepräsidentin Kortmann entzündeten eine Synodalkerze.
epd-bild/Matthias Balk
Synodalkerzen brennen in katholischen Kirchen, sollen Aufbruchstimmung vermitteln. Im Reformprozess "synodaler Weg" solle offen über Zölibat, Frauen in Weihe-Ämtern und Mitbestimmung geredet werden, betonen deutsche Bischöfe gegenüber Skeptikern.

Mit Gottesdiensten in den Domkirchen hat die katholische Kirche in Deutschland am 1. Dezember ihren zweijährigen Reformprozess begonnen, den sogenannten synodalen Weg. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Karin Kortmann, entzündeten im Münchner Liebfrauendom gemeinsam eine Synodalkerze. Marx betonte in seiner Predigt, beim "synodalen Weg" gehe es darum, aufeinander zu hören, auch wenn es unterschiedliche Meinungen gebe.

Der "synodale Weg" ist ein Beratungsprozess, an dem sowohl die deutschen Bischöfe als auch katholische Laien beteiligt sind. Er soll Reformen in Gang setzen, die die Kirche aus der Krise nach dem Missbrauchsskandal herausführen. Er soll ein "Weg der Umkehr und der Erneuerung" sein, wie es in der Satzung heißt.

"Sorge vor Scheitern ist groß"

Kortmann sagte, das ZdK gehe mit großem Respekt und Verantwortung an die Aufgabe, gemeinsam mit der Bischofskonferenz den "synodalen Weg" zu gestalten. "Die Erwartungen der Gläubigen an substantielle Ergebnisse sind hoch, aber auch die Sorge vor einem Scheitern ist groß", erklärte sie.

Marx sagte in einer gemeinsamen Videobotschaft mit dem ZdK-Präsidenten Thomas Sternberg, die Kirche wolle durch ihre "selbstkritische Arbeit" Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Sie müsse lernfähig sein und bereit, neue Wege zu gehen. Auch Sternberg betonte die Notwendigkeit, wieder Vertrauen aufzubauen. "Glaubwürdig kann man über Gott nur dann sprechen, wenn man auch den eigenen Hof in Ordnung bringt", sagte er. Beide luden Gläubige ein, sich an dem Prozess zu beteiligen, besonders in sozialen Netzwerken.

Paderborner Erbischof wünscht sich unverkrampft Diskussionen

Im Erzbistum Paderborn wurde schon am 30. November eine Synodalkerze im Dom zu Paderborn entzündet. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker betonte in seiner Predigt: "Es gibt für mich keine Alternative." Es gelte, neue Wege im Miteinander zu gehen. Er wünsche sich im Reformprozess unverkrampfte Diskussionen. "Bleiben wir wach! Hören wir einander zu! Lernen wir Alten dabei von der Vitalität und Ungeduld der Jungen, und lernen die Jungen von unserer Erfahrung und Gelassenheit", ermutigte der leitende Theologe von knapp 1,5 Millionen katholischen Christen.

Auch der Aachener Bischof Helmut Dieser forderte einen offenen Austausch, der nicht zu einer "Art Wahlkampf und einem Kampf um Mehrheiten" werden dürfte. Ziel des Weges sei es, "das wir von Gott erbitten: nicht dass die einen sich gegen die anderen durchsetzen, sondern dass alle wieder die gemeinsame Freude am Kirchesein spüren", heißt es in einer am 1. Dezember in Aachen veröffentlichten Erklärung Diesers zum "synodalen Weg".

Ende Januar erste Synodalversammlung

Beim "synodalen Weg" stehen bislang vier Themenbereiche fest, die zunächst in Synodalforen diskutiert werden: die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche und klerikaler Machtmissbrauch, die priesterliche Lebensform, die katholischen Sexualmoral sowie die Beteiligung von Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche. Ende Januar findet im Frankfurter Bartholomäus-Dom die erste Synodalversammlung statt.

Kritiker sind skeptisch, was die Wirkung des "synodalen Weges" angeht. Sie kritisieren, dass die Bischöfe am Ende der Beratungen selbst entscheiden können, ob sie gefasste Beschlüsse in ihren Diözesen umsetzen. Sie sehen daher die Wirkung der Reformen gefährdet, zumal Änderungen beim Zölibat oder eine Öffnung des Priesteramts für Frauen im Vatikan entschieden werden müssten.



Papst ernennt neuen Präsidenten der Finanzaufsicht

Papst Franziskus hat Korruption in der eigenen Verwaltung beklagt. "Das ist ein Skandal, sie haben Sachen gemacht, die nicht sauber zu sein scheinen", sagte er zum jüngsten Finanzskandal im Vatikan um den verlustreichen Kauf einer Immobilie in London nach Angaben von "Vaticannews" während des Rückflugs von Japan.

Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Japan ernannte der Papst den Italiener Carmelo Barbagallo zum neuen Präsidenten der vatikanischen Finanzaufsicht (AIF). Der 63-Jährige folgt auf den Schweizer René Brülhart, dessen Mandat Franziskus überraschend nicht verlängerte.

Im vorliegenden Fall sei Kapital "schlecht und mit Korruption" verwaltet worden, erklärte der Papst in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu dem Skandal um Gelder aus dem sogenannten Peterspfennig. Dieser besteht aus Spenden von Gläubigen aus aller Welt, mit denen der Papst Arme unterstützt. Grundsätzlich befürwortete das Kirchenoberhaupt Investitionen aus Mitteln des Peterspfennigs. Doch sie müssten abgesichert sein.

Franziskus riet zur Anzeige

Die vatikanische Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall gegen fünf teilweise hochrangige Mitarbeiter des Staatssekretariats und der Finanzaufsicht. Franziskus hatte nach eigenen Angaben selbst dazu geraten, bei der vatikanischen Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten, nach dem der interne Wirtschaftsprüfer mit dem Verdacht zu ihm gekommen sei. Im Zuge daraufhin aufgenommenen Ermittlungen wurde auch der Direktor der vatikanischen Finanzaufsicht (AAIF), Tommaso Di Ruzza, suspendiert. In der Folge traten zwei von vier AIF-Verwaltungsratsmitgliedern zurück.

Der neue AIF-Präsident Barbagallo war seit 2014 Leiter der Abteilung Bankenaufsicht der italienischen Zentralbank, für die er bis zu seiner Pensionierung knapp vierzig Jahre lang tätig war. Im vergangenen Juli wurde er zum Berater der zentralen europäischen Bankenaufsicht (SSM) ernannt.

Barbagallo betonte nach Angaben der offiziellen Internetseite Vaticannews, er werde sich bemühen, seine Erfahrungen bei der italienischen Zentralbank als Leiter der Aufsicht über das italienische Bank- und Finanzsystem sowie bei der europäischen Bankenaufsicht einzubringen.



US-Rapper Kanye West und Jesus

Kanye West betont zurzeit bei jeder Gelegenheit, dass er zu Gott gefunden hat. Sein jüngstes Album heißt "Jesus Is King". Der so umstrittene wie erfolgreiche Rapper passt in die Welt des "Wohlstandsevangeliums", das Konjunktur hat in den USA.

Rapper, Musikproduzent, Modedesigner, Fan von Donald Trump: Kanye West ist ein Superstar - größenwahnsinnig und mit seiner Musik großartig zugleich, so beschreiben ihn Kritiker. Gegenwärtig ist der 42-Jährige da, wo er wohl am liebsten ist: in den Schlagzeilen. Das religiöse Amerika muss damit zurechtkommen.

Denn im Rampenlicht steht West wegen seines öffentlichkeitswirksamen Bekenntnisses zum neu gefundenen christlichen Glauben. Zuletzt präsentierte er am Wochenende seine religiöse Oper "Nebuchadnezzar" auf der Freilichtbühne des Hollywood Bowl von Los Angeles, dazu postete er auf Twitter Bibelzitate. "Seltsam", "kühn" und "durcheinander", so beschrieb das Magazin "Rolling Stone" die Vorstellung.

Mitte November ließ er sich in einer der größten Kirchengemeinden der USA bejubeln, der Lakewood-Kirche des Wohlstandspredigers Joel Osteen im texanischen Houston. Das in den USA verbreitete "Wohlstandsevangelium" vermittelt, dass Gott Gläubigen schon im Hier und Jetzt ein glückliches und materiell gut ausgestattetes Leben schenken will - und dass man genau daran Gottes Segen erkennen könne. West bezeichnete sich in der Lakewood-Kirche als den "größten Künstler, den Gott je geschaffen hat". Und dieser Künstler arbeite jetzt für Gott.

"Jesus hat mich errettet"

Im Oktober erschien sein jüngstes Album mit dem Titel: "Jesus Is King". Es singt ein mächtiger Gospel-Chor. "Jesus hat mich errettet", heißt es in einem der Lieder. Ein Song verkündet: "Jesus is Lord". Ein anderes lobt die Restaurantkette "Chick-fil-A": Die habe sonntags geschlossen. Aus religiösen Gründen, sagen die Eigentümer. Das kann als Kampfansage im Kulturkrieg in den USA gedeutet werden: LGBTQ-Gruppen boykottieren "Chic-fil-A", weil die Firma Organisationen gegen gleichgeschlechtliche Ehe bezuschusst haben soll.

Bereits im Januar 2019 hatte Kanye West begonnen, Sonntagsgottesdienste abzuhalten, anfangs im kleinen Rahmen für Hollywood-Promis. Inzwischen kommen Tausende. Die Reaktionen darauf sind gemischt.

Der Autor eines Kommentars im evangelikalen Magazin "Christianity Today" war nach eigenem Bekunden zunächst skeptisch in Bezug auf Wests Gottesdienste. Er habe gedacht, es ginge West nur um Profit und Selbstvermarktung, schrieb dort Curtis Yee. Doch nach einem Besuch zeigte er sich beeindruckt von dessen Aufrichtigkeit.

Auf der Webseite "premierchristianity.com" hingegen macht sich eine Autorin andere Gedanken: Kanye West habe einen Chor angestellt, "der nicht nur seine Lieder singt, sondern auch seine Modemarke trägt". Ob Christus wirklich im Mittelpunkt stehe?

Die Religionshistorikerin Kate Bowler sagte in der "Washington Post", West habe mit seinem felsenfesten Glauben, er sei der beste Künstler auf dem Planeten, ein passendes theologisches Zuhause gefunden bei Joel Osteen, Unternehmer und Fernsehprediger. Beide seien überzeugt, Gott zeige sich durch Gesundheit, Wohlstand, Glück und Erfolg - und führten gerne ihre eigenen Erfolge als Beweis an.

"Spirituelle Beraterin" im Weißen Haus

Das Wohlstandevangelium hat Konjunktur in den USA. Trumps "spirituelle Beraterin", die Fernsehpredigerin Paula White, gilt als führende Vertreterin. Man müsse positiv denken, verkündet sie. Und spenden. Ihr spenden. Das Wochenmagazin "Newsweek" zitierte aus einer kürzlichen Mail von White, eine Gabe von 229 Dollar werde "alle Ketten brechen". Wer zahlt, kriegt auch eine "Flasche Salböl" von ihr, das man über sich selbst gießen solle, über Familienmitglieder "und sogar über Ihr Scheckbuch".

Evangelikale Christen sind eine bedeutende Wählergruppe für die Republikaner. Präsident Trump lobte Wests neues Album als "Inbegriff furchtloser Kreativität" und den Künstler als "Pionier". "Ich liebe diesen Mann", hatte West bei einem Besuch im Oval Office im Herbst 2018 über Trump gesagt.

Religiöse Themen sind eigentlich nichts vollkommen Neues bei Kanye West. Bereits auf seinem Album "College Dropout" 2004 rappte er über Glauben: "Ich will mit Gott reden, doch ich habe Angst, weil wir so lange nicht gesprochen haben", heißt es in einem Lied. Der Kontext bei "College Dropout" ist freilich ein anderer als bei "Jesus is King": Es geht auch um Rassismus und Polizisten, die Schwarze drangsalieren und verhaften ("askin' us questions, harass and arrest us").

Fans machen sich unterdessen Sorgen um Kanye Wests Gesundheitszustand. Im Online-Dienst Netflix wurde der Musiker vor wenigen Monaten auf seine bipolare Störung angesprochen. Er verspüre eine "verstärkte Verbindung zum Universum", wenn die Symptome aufträten, sagte er.

West ist mit Reality-Star Kim Kardashian verheiratet. Auch Kardashian scheint eine Art Bekehrung durchzumachen, gegenwärtig setzt sie sich für Strafgefangene ein. Kanye West und Kardashian haben vier Kinder. Sie heißen North, Chicago, Saint (Heilig) und Psalm. 2024 will Kanye West US-Präsident werden.

Von Konrad Ege (epd)


Riesiger Adventskranz leuchtet vom Lüneburger Wasserturm


Adventskranz am Wasserturm
epd-bild/Hans-Jürgen Wege
Spender können den Kranz per Handy-Kurzmitteilung oder Anruf zum Leuchten bringen.

Ein riesiger Adventskranz wirbt erneut in Lüneburg aus luftiger Höhe um Spenden für Kinder. Ein Kran hievte den anderthalb Tonnen schweren Aluminium-Ring mit elektronischen Kerzen am 25. November auf den historischen Wasserturm. Seit dem ersten Advent am erstrahlt das Lichtobjekt in 56 Metern Höhe über der Hansestadt, wie der evangelische Kirchenkreis Lüneburg mitteilte. Spender können den Kranz per Handy-Kurzmitteilung oder Anruf zum Leuchten bringen.

Der Kranz bleibt nach Angaben von Projektleiter Michael Elsner bis zum 6. Januar täglich in den Morgenstunden und von 16 Uhr bis Mitternacht illuminiert. Jeden Tag wird eine neue Kerze angezündet. Der Kirchenkreis, die Diakonie und der Trägerverein Wasserturm unterstützen mit den Spenden das Kinderschutzzentrum Nord-Ost Niedersachsen.

Erhellen per SMS-Spende

Spender können den Lichterkranz per SMS mit dem Wort "LICHT" an die Nummer 32222 für jeweils einige Sekunden zusätzlich erhellen. Jede SMS bringt 1,27 Euro an Spenden ein. Auch per Telefon unter der Nummer 09003/9424376 kann der Ring erleuchtet werden, dann liegt der Spendenanteil je nach Anbieter noch höher. SMS oder Anrufe aus dem Festnetz kosten den Angaben zufolge 1,99 Euro.

Der Adventskranz wird zum zwölften Mal oberhalb der Zinnen des Wasserturms von 1907 installiert. Die Aktion erinnert an den Erfinder des Adventskranzes, den Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern (1808-1881). Wichern ließ 1839 in dem von ihm gegründeten "Rauhen Haus", einem Heim für verwahrloste Jugendliche, erstmals einen großen hölzernen Adventskranz aufhängen.



Schlosskirche Wittenberg: Touristen müssen künftig zahlen


Schlosskirche in Wittenberg
epd-bild/Steffen Schellhorn
Zwei Euro soll der Besuch der Wittenberger Schlosskirche, dem Ort des Thesenanschlags von Martin Luther, kosten. Auch andere evangelische Kirchen in Deutschland verlangen Eintritt. Der katholischen Kirche in Deutschland sind Eintrittsgelder fremd.

Der Besuch der Schlosskirche in Wittenberg kostet künftig zwei Euro Eintritt. Sie gehört zu den prominentesten evangelischen Kirchengebäuden Deutschlands. Martin Luther (1483-1546) schlug 1517 seine 95 Thesen gegen die Kirche und den Papst an die Tür der Schlosskirche und löste damit die Reformation aus. Vom 1. Dezember an müssen Touristen nun Eintritt zahlen, wenn sie das Schlosskirchenensemble aus Besucherzentrum und Schlosskirche im Residenzschloss Wittenberg sehen wollen, teilte Kustos und Geschäftsführer des Verwaltungsrates des Schlosskirchenensembles, Jörg Bielig, am 26. November in der Lutherstadt mit.

Der Beitrag werde von allen Besuchern erhoben, die nicht mit einer gebuchten Führung die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Schlosskirche besichtigen. Gottesdienste, kulturelle und kirchliche Veranstaltungen sind von der neuen Regelung ebenfalls ausgenommen. Grund für das Eintrittsgeld sind die laufenden Kosten für die Unterhaltung des Schlosskirchenensembles, die seit vergangenem Jahr im defizitären Bereich liegen.

Einnahmen reichen nicht

Auch in diesem Jahr wird laut Bielig ein Minus erwartet. Der Eintritt in die Schlosskirche erfolgt außerhalb von Gottesdiensten und Veranstaltungen über das Besucherzentrum im ersten Obergeschoss des Schlosses. Bielig sagte: "Unsere bisherigen Einnahmequellen, Spenden, Führungen und Souvenirverkauf, reichen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken, die wir für den ganzjährigen touristischen Betrieb einsetzen müssen."

Wer allerdings zum Gebet in die Schlosskirche kommen möchte, soll auch künftig keinen Eintritt bezahlen sollen. In Deutschland ist es bislang eher unüblich, Eintritt für Kirchengebäude zu verlangen. Der katholischen Kirche sind solche Eintrittsgelder fremd, wie eine Sprecherin der katholischen Deutschen Bischofskonferenz dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag sagte. Im katholischen Kirchenrecht gibt es die Vorgabe, dass Kirchen täglich wenigstens einige Stunden zum Gebet offenzuhalten sind.

Es gibt jedoch einige evangelische Kirchen, in denen Eintritt bezahlt werden muss. Im Berliner Dom zahlen Erwachsene sieben Euro, auch der Dom zu Meißen kostet Eintritt (4,50 Euro pro Person). Auch die Nikolaikirche in Stralsund und die Lübecker Marienkirche nehmen eine Erhaltungsgebühr.

Frauenkirche frei zugänglich

Die Dresdner Frauenkirche hingegen ist frei zugänglich. "Der freie Eintritt ist der Stiftung Frauenkirche Dresden wichtig, weil die Frauenkirche als offener Begegnungsort erlebbar sein soll", sagte Frauenkirchenpfarrer und Geschäftsführer der Stiftung, Sebastian Feydt, am Dienstag dem epd. Doch die Stiftung sei auf Spenden angewiesen für den Unterhalt. Die Spendenbereitschaft der Menschen habe die Stiftung bislang in die Lage versetzt, den kostenfreien Zugang nicht infrage zu stellen.

Die Schlosskirche befindet sich seit 2016 im Eigentum der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). In der Schlosskirche befindet sich auch Luthers Grabstätte und das Grab des Reformators Philipp Melanchthon (1497-1560). Im Besucherzentrum ist unter anderem das rote Antependium, ein Altarbehang, zu sehen, das die dänische Königin Margrethe II. selbst gefertigt und zur Wiedereröffnung der Schlosskirche im Jahr 2016 überreicht hatte.



EKD-Kulturbeauftragter: Geringes Eintrittsgeld für Kirchen in Ordnung


Johann Hinrich Claussen
epd-bild/Norbert Neetz

Der Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hält eine moderate Erhaltungsgebühr für Kirchengebäude für vertretbar. "Im internationalen Vergleich haben wir das große Glück, dass Eintrittsgelder in Kirchen relativ selten vorkommen, und wenn dann sind sie vergleichsweise günstig", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Wer die Schlosskirche Wittenberg und das angrenzende Besucherzentrum als Tourist besuchen möchte, muss vom 1. Dezember an zwei Euro Eintritt bezahlen. Auch in anderen evangelischen Kirchengebäuden in Deutschland wie etwa dem Berliner Dom müssen Besucher für den Eintritt zahlen. Das stößt auch auf Kritik.

Unterstützung zur Bauerhaltung

"Ich kann die Empörung verstehen, andererseits zeigt der internationale Vergleich: Nirgendwo auf der ganzen Welt gibt es ein solches Netz an wertvollen und gut sanierten Kirchen, die dann auch noch von einer Gemeinde genutzt werden", sagte Claussen. Die Kirchen würden sich außerdem nicht darauf beschränken, Eintrittsgelder zu erheben, sondern auch ein spirituelles und kulturelles Programm anbieten. Man könne diese Kirchen im Rahmen eines Gottesdienstes kostenfrei besuchen.

Bei der Schlosskirche wolle er um Verständnis werben, sagte der EKD-Kulturbeauftragte. Es gehe um eine Unterstützung zur Bauerhaltung. Zwei Euro seien sehr maßvoll angesetzt. Außerdem betreffe es eine Kirche, die unter der Woche mit erheblichem Aufwand für viele Touristen offen gehalten wird.

Museum und Gebetshaus

Die Entwicklung, dass Kirchen von vielen eher als Museum denn als Gebetshaus wahrgenommen würden, müsse nicht schlimm sein. "Kirchen sind immer mehreres. Gerade die großen Kirchen sind einerseits Orte der Gemeinde für Gottesdienst und Gebet und andererseits Anziehungspunkte für Touristen und für kunsthistorisch Interessierte. Das muss sich nicht widersprechen", sagte Claussen. Augenblicklich komme es an einigen Orten zum Phänomen des "Overtourismus". Gerade große Gruppen müssten ihren Beitrag leisten zum Erhalt von Kirchengebäuden.

EKD und Landeskirchen seien auf Unterstützung bei der Erhaltung von Kirchen angewiesen. "Eindeutig ist, dass wir als Kirche den Erhalt der Kirchen nicht allein bewältigen können", sagte Claussen. Einer der wesentlichen Gründe für die Kirchensteuer bestehe darin, einen Betrag dafür zu leisten, Kirchen zu erhalten und mit geistlichem Leben zu füllen. Die Landeskirchen erhielten auch viel Geld aus öffentlicher Hand, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland und die vielen Kirchbauvereine kümmerten sich um den Erhalt.

epd-Gespräch: Franziska Hein (epd)


Kinderrechte: Katholische Kirche fürchtet Verlust von Elternrechten

Die katholische Kirche hat sich kritisch zu den vorgelegten Plänen von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz geäußert. "Das bisher wohl austarierte Verhältnis zwischen Elternrecht und staatlichem Wächteramt sollte nicht verschoben werden", erklärte der Berliner Erzbischof Heiner Koch am 28. November. Der Vorsitzende der Kommission für Ehe und Familie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz äußerte darin die Befürchtung, dass die vom Lambrecht geplante Änderung zulasten der Elternverantwortung gehen könnte.

Lambrecht hatte in dieser Woche ihren Referentenentwurf vorgestellt, der nun zunächst innerhalb der Bundesregierung beraten wird. Sie will in der Verfassung ausdrücklich festschreiben, dass Kinder ein Recht auf "Achtung, Schutz und Förderung" ihrer Grundrechte haben, das Kindeswohl bei staatlichem Handeln zu berücksichtigen ist und Kinder Anspruch auf rechtliches Gehör haben, wenn ihre Rechte betroffen sind.

"Das natürliche Recht der Eltern"

Lambrecht will dazu im Grundgesetzartikel 6 einen neuen Absatz 1a schaffen. In Absatz 1 heißt es bislang: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Aus der Union kam dazu bereits Kritik. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, forderte eine Ergänzung von Absatz 2, in dem es um die Rechte der Eltern geht.

Konkret lautet er: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Die katholische Kirche schließt sich der Forderung aus der Unionsfraktion an. Die Aufnahme ausdrücklicher Kinderrechte oder Kindeswohlverpflichtungen in Absatz 2 sei sachgerecht, "damit die Rangfolge von Elternrechten und Wächteramt des Staates gewahrt bleibt", erklärte Koch. Elternrecht impliziere selbstverständlich auch Elternpflichten. "Werden diese zum Schaden des Kindes vernachlässigt, greift das Wächteramt des Staates", sagte er.

Die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz wurde zwischen Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart und ist vor allem ein Wunsch der SPD. Koch sagte zum Gesamtvorhaben: "In der Diskussion um die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung ergibt sich die Frage, ob die Verfassung eine Lücke hinsichtlich des Schutzes von Kindern und Jugendlichen aufweist, die eine Änderung von Artikel 6 des Grundgesetzes notwendig macht." Er forderte, auch zu prüfen, ob die bestehenden einfachen Gesetze zur Förderung und Unterstützung Minderjähriger ausreichen.



Ökumenische Friedensdekade 2020 zum Thema "Umkehr zum Frieden"

Die bundesweite Ökumenische Friedensdekade vom 8. bis 18. November 2020 soll unter dem Motto "Umkehr zum Frieden" stehen. Sie findet 2020 zum vierzigsten Mal statt. Die Trägerorganisationen wollen anlässlich des Jubiläums verschiedene Friedensthemen aufgreifen, die in den vergangenen Jahrzehnten im Mittelpunkt der zehntägigen Friedensdekaden standen, teilte die Evangelischen Friedensarbeit in Bonn mit. Als Friedensdekade werden die zehn Tage im November vom drittletzten Sonntag des Kirchenjahres bis zum Buß- und Bettag bezeichnet.

"Was wir dringend benötigen, ist ein Umdenken weg von einer reinen Sicherheitspolitik hin zu einer zivilen Friedenspolitik", sagte Jan Gildemeister, Vorsitzender der Ökumenischen Friedensdekade. Er kritisierte unter anderem die Erhöhungen des Militärhaushaltes durch die Bundesregierung. In Friedensgebeten und Gottesdiensten greifen die Veranstalter den Angaben zufolge etwa die Forderung nach der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages, die verschärfte Abschottungspolitik Europas und den zunehmenden Nationalismus und Rassismus auf.

Trägerorganisationen der Ökumenischen Friedensdekade sind die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) in Bonn und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Außerdem arbeiten an der Planung Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche sowie von pax christi, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej), Pro Asyl, der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste und des Internationalen Versöhnungsbundes mit.



Ausländerpfarrer Pick mit Landesverdienstorden ausgezeichnet

Der Bad Kreuznacher Ausländerpfarrer Siegfried Pick hat den Landesverdienstorden von Rheinland-Pfalz erhalten. Der Leiter des Pfarramts für Ausländerarbeit war einer von 14 Persönlichkeiten, die für außergewöhnliche und überdurchschnittliche Leistungen ausgezeichnet wurden, wie der Evangelische Kirchenkreis An Nahe und Glan mitteilte. "Seit 30 Jahren arbeitet Pfarrer Pick aus seinem christlichen Glauben heraus und erhebt, wenn es nötig ist, laut und deutlich seine Stimme", sagte Superintendentin Astrid Peekhaus. "Ich freue mich ganz besonders über die Ehrung seiner Arbeit."

Das Ausländerpfarramt der Evangelischen Kirche im Rheinland ist Anlaufpunkt für Ausländer, Asylsuchende und Flüchtlinge, die im Landkreis Kreuznach leben. Pfarrer Siegfried Pick engagiert sich seit 1986 in der Flüchtlingsarbeit, seit Juni 1988 ist er im Ausländerpfarramt. Das Ausländerpfarramt wurde im gleichen Jahr in Bad Kreuznach eingerichtet. Das Team aus hauptamtlichen Mitarbeitern, Honorarkräften und ehrenamtlichen Mitarbeitenden bietet etwa Beratung, Sprachkurse und interkulturelle Begegnungen.

"Das Ausländerpfarramt ist ein Team mit 15 hauptamtlichen Mitarbeitenden, die sich gemeinsam mit mir über diese Ehrung freuen", sagte Pick. "Sie verpflichtet uns, weiterhin für das uneingeschränkte Menschenrecht auf Asyl zu streiten und gemeinsam mit Vielen hier im Landkreis für eine offene Gesellschaft und gegen den Rassismus einzutreten."



Evangelische Hochschule in Bochum lädt zum "Tag der Menschenrechte"

Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte lädt die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum am 10. Dezember von 10 bis 14 Uhr zu Veranstaltungen ein. Auf dem Programm stehen Vorträge sowie eine Lesung und eine Ausstellung. Den wissenschaftlichen Teil bestreiten Professoren und Wissenschaftler der Hochschule sowie eine Wissenschaftlerin aus Simbabwe, die eine außereuropäische Perspektive auf das Thema einnehmen soll.

Hinzu kommt eine Lesung mit Autoren der Zeitschrift "Neu in Deutschland", bei der Geflüchtete ihre eigenen Texte zum Thema vortragen. Zudem wird an dem Tag auch die Wanderausstellung "Menschen und Rechte sind unteilbar - Informationen zum Thema Menschenrechte in Europa" von "Pro Asyl" eröffnet.

Die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe ist die größte evangelische Hochschule in Deutschland. Träger sind die Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe. Derzeit hat die Hochschule rund 2.500 Studenten. Schwerpunkte der Forschung sind Inklusion, Versorgungsstrukturen im Sozial- und Gesundheitswesen sowie ethische Grundlagen des Sozialstaats.

www.evh-bochum.de



Eiskalte Wette zur Kirchenwahl

Eiskalte "Challange" für sechs badische Pfarrer: Sie wollen in den Rheinnebenfluss Wiese springen, wenn ihre Gemeinden bei der Kirchenwahl nicht die höchste Wahlbeteiligung erzielen. Mit der Ankündigung wollten die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Lörrach die Menschen zur Teilnahme an der Wahl der Kirchenältesten motivieren, sagte Pfarrer Markus Schulz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Kirchenwahlen endeten am 1. Dezember.

Die Verlierer wollen sich in die Fluten stürzen. Einzig der Gewinner mit der höchsten Wahlbeteiligung dürfe warm eingepackt zusehen. "Ich hoffe, dass er den Verlierern einen heißen Tee kocht", sagte Schulz. Auch in Karlsruhe haben zwei Pfarrer gewettet. Der Pastor, dessen Gemeinde die niedrigere Wahlbeteiligung hat, muss mit blaugefärbten Haaren in der anderen Gemeinde predigen und danach dort Kaffee servieren.

Bis zum 1. Dezember konnten rund eine Million evangelische Christen in der badischen Landeskirche per Briefwahl rund 4.500 Kirchenälteste wählen. Bei der letzten Kirchenwahl 2013 lag die Wahlbeteiligung bei etwa 20 Prozent.




Kirchenkreise

Superintendenten-Wahl in vier westfälischen Kirchenkreisen


Wahlurne in einer Kirchengemeinde
epd-bild/Frank Drechsler
Vier Kirchenkreise im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen suchen einen neuen Superintendenten oder eine neue Superintendentin.

Für die anstehende Superintendenten-Wahl im Kirchenkreis Soest-Arnsberg am 18. Januar stehen drei Kandidaten fest, wie Christoph Peters, Vorsitzender des Nominierungsausschussesauf der Kreissynode mitteilte. Die promovierten Pfarrer Christian Klein aus Wickede, Albrecht Philipps aus Ochtrup und Manuel Schilling aus Minden stellen sich am 10. Januar 2020 ab 18 Uhr in der Soester Johanneskirche vor.

Drei Bewerber kandidieren in Unna

Der Kirchenkreis Unna wählt auf einer Sondersynode Anfang Februar einen neuen Superintendenten oder eine Superintendentin. Bewerber sind Pfarrerin Dorothea Goudefroy aus Menden, Pfarrer Karsten Schneider aus Dortmund und Pfarrer Andreas Müller aus Unna, wie der Kirchenkreis am 25. November bei der in Kamen tagenden Kreissynode mitteilte. Die Kandidaten werden sich demnach am 1. Februar im Lutherzentrum Kamen-Heeren öffentlich vorstellen, die Wahlsynode ist am 5. Februar im Gemeindehaus Schwesterngang in Kamen.

Bei der Wahl geht es um die Nachfolge des derzeitigen Superintendenten Hans-Martin Böcker, der im Frühjahr 2020 im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand geht. Böcker wird den Angaben zufolge am 30. April aus seinem Dienst verabschiedet. Am gleichen Tag erfolgt in der Evangelischen Stadtkirche Unna die Amtseinführung seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin.

Kirchenkreis Münster wählt Nachfolge von Ulf Schlien

Die Kreissynode Münster tagte in der vergangenen Woche erstmals wieder seit dem Tod von Superintendent Ulf Schlien, der im Oktober im Alter von 57 Jahren plötzlich gestorben war. In einer Schweigeminute gedachten die rund 100 Kreissynodalen des Superintendenten, wie der Kirchenkreis Münster am 29. November mitteilte. Der stellvertretende Assessor des Kirchenkreises, Pfarrer Thomas Groll, würdigte die Arbeit Schliens, der seine letzte Synode im Sommer mit einer "Mischung aus gelöster Menschenfreundlichkeit und klarer Leitungskompetenz" geleitet habe.

Der Kreissynodalvorstand hat demnach mit der westfälischen Kirche beschlossen, die Superintendentenstelle zügig im Rahmen eines geregelten Wahlverfahrens neu zu besetzen. Die bundesweite Ausschreibung ziele auf eine kooperative Persönlichkeit, die das gut funktionierende System der Fachbereiche und Ausschüsse und die im Kirchenkreis vorhandenen Kompetenzen durch Delegation und Zusammenarbeit nutze, erklärte Groll. Am 28. Februar 2020 ist eine Sondersynode mit Wahl geplant, wie es hieß.

Wahl auch in Hamm

Einen Tag davor steht eine Wahl in Hamm an. Die Kreissynode des Kirchenkreises Hamm bestimmt am 27. Februar die Nachfolge für Superintendent Frank Millrath, der im Juni im Alter von 55 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben war. Dem Nominierungsausschuss lägen zwei Bewerbungen vor, davon eine aus dem Kirchenkreis Hamm, teilte Ausschussmitglied Pfarrer Ulrich Brodowski am 29. November auf der Kreissynode in Bockum-Hövel mit. Im Januar sind demnach Bewerbungsgespräche geplant, danach entscheidet der Nominierungsausschuss über das weitere Verfahren. Die kommissarische Leitung des Kirchenkreises hat derzeit Pfarrer Tilman Walther-Sollich.



Kirchenkreis verurteilt Diskrimierung homosexueller Menschen

Der Evangelische Kirchenkreis Siegen hat die Diskriminierung und Versuche der Therapierung von homosexuellen Menschen verurteilt. "Wir stellen uns gegen jegliche Form der Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt gegenüber gleichgeschlechtlich liebenden und lebenden Menschen", heißt es in einer Stellungnahme, die die Kreissynode als oberstes Leitungsorgan des Kirchenkreises am 27. November auf ihrer Tagung in Wilgersdorf mehrheitlich beschloss.

"Wir verurteilen entwürdigende, manipulative Praktiken wie die 'Konversionstherapie', die unter dem Deckmantel der 'Seelsorge' homosexuellen Menschen unendlich viel Leid zugefügt hat und noch zufügt", heißt es weiter. Homosexualität sei integraler Bestandteil der Persönlichkeit, nicht Symptom eines tieferliegenden, therapierbaren und heilbaren Konflikts. "Gott liebt bedingungslos jeden Menschen, so wie er ist", betonen die Synodalen in der Stellungnahme.

Konservatives Netzwerk "Bibel und Bekenntnis"

Anlass für die Erklärung war den Angaben nach ein Pressebericht über eine Veranstaltung des Netzwerks "Bibel und Bekenntnis" Mitte November in Siegen, auf dem sich Redner dem Bericht zufolge unter anderem für eine Therapie von homosexuellen Menschen ausgesprochen hatten. Der Kirchenkreis verwies in seiner Stellungnahme auf einen Beschluss der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 20. November, die die evangelische Trauung für gleichgeschlechtliche Ehepaare kirchenrechtlich ermöglicht hat. Dafür hatte die Siegener Kreissynode bereits im Juni mehrheitlich gestimmt, wie es hieß.

Superintendent Peter-Thomas Stuberg stellte sich in seinem Bericht vor der Kreissynode ausdrücklich an die Seite von Menschen, "die in gegenseitiger Verantwortung, Liebe und Treue in homosexuellen Partnerschaften leben". "In unserem Kirchenkreis haben wir dank vieler zuhörender Gespräche gelernt, dass unsere Glaubensgeschwister ihren Glauben an Jesus Christus und ihre homosexuelle Liebe ehrlich miteinander vereinbaren wollen und dieses auch können", sagte Stuberg vor den mehr als 100 anwesenden Kreissynodalen.

Dagegen verwies Pfarrer Christian Schwark aus Trupbach-Seelbach darauf, es gebe unterschiedliche Meinungen im Siegerland zur kirchlichen Trauung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. "Aber wir sind uns einig, dass homosexuell empfindende und lebende Menschen genauso Respekt und Liebe verdienen, wie alle anderen auch." Das sei auf der Veranstaltung des Netzwerks "Bibel und Bekenntnis" auch deutlich gesagt worden, erklärte Schwark.

Haushalt verabschiedet

Auf der Kreissynode wurde zudem der Haushaltsplan 2020 verabschiedet. Der Kirchenkreis verfügt im kommenden Jahr voraussichtlich über Kirchensteuermittel in Höhe von 16,9 Millionen Euro, wie es hieß. 78 Prozent davon gibt er an die Gemeinden weiter. Zehn Prozent fließen in die kreiskirchlichen Dienste, darunter Kreissynodalkasse, Telefonseelsorge und Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Zwölf Prozent erhält die Superintendentur einschließlich der Leitungsorgane des Kirchenkreises, der Synode, Verwaltung und Rechnungsprüfung. Hinzu kommen noch Mehreinnahmen von rund 330.000 Euro, die der Kirchenkreis von der Landeskirche aus Kirchensteuer-Mehreinnahmen erhält.

Darüber hinaus gab Superintendent Stuberg einen Zwischenstand zu den Beratungen der beiden Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein über eine mögliche Vereinigung. "Es läuft alles fahrplanmäßig", sagte er. Im Juni hatten die Siegener und die Wittgensteiner Kreissynoden beschlossen, die Optionen zur Gründung eines neuen Kirchenkreises in einer Machbarkeitsstudie auszuloten. Zwischenzeitlich haben dazu mehrere Projektgruppen und eine Steuerungsgruppe ihre Arbeit aufgenommen. Die fertige Machbarkeitsstudie soll auf der Sommersynode 2020 vorgestellt und anschließend in den Kirchengemeinden erörtert werden.



Kurt Beck: Kirche ist Richtschnur


Kurt Beck (Archivbild)
epd-bild / Hanno Gutmann

Der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung, Kurt Beck, hat die gesellschaftliche Rolle der Kirche gewürdigt. Die Kirchensteuern seien auch wegen der subsidiären Verantwortlichkeit der Kirchen notwendig, sagte der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz am 30. November in Duisburg. "Wenn nur der Staat zuständig ist, haben wir kein Maßstäbe mehr. Wir brauchen dieses Stück Richtschnur."

Laut seinen Worten müssen jedoch die Aufgaben, die die Kirche vom Staat übernimmt, mit den Leistungen besser in Einklang gebracht werden. Der SPD-Politiker sprach sich hier für "vernünftige Finanzierungsgrundlagen" für die Kirchen aus. Anders seien die Aufgaben am Menschen von der Kindertagesstätte bis zur Pflege nicht zu erfüllen, erklärte der zeitweilige SPD-Bundesvorsitzende.

Beck sprach vor mehreren hundert Menschen beim Neujahrsempfang des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg. In seiner Rede in der Salvatorkirche mahnte der 70-Jährige den "Zusammenhalt der Gesellschaft" an. Politik und Kirchen müssten alles dafür tun, dass "die Kräfte, die uns in der Gesellschaft beisammen halten, stärker bleiben als die, die uns auseinanderbringen", forderte er. Um die heutigen und die zukünftigen Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen zu können, müsse man bei Steuern und Abgaben berücksichtigen, dass die, die viel haben, auch stärker zur Aufgabenerfüllung beitragen müssen, erklärte Beck.



Kirchenkreis Soest-Arnsberg setzt auf Klimaschutz


Kirchenkampagne zum Klimaschutz
epd-bild /Jörg Farys/westfälische Kirche

Unter dem Motto "Wir sorgen für gutes Klima!" will sich der Evangelische Kirchenkreis Soest-Arnsberg in Zukunft verstärkt um Klimaverbesserungen bemühen. Das wurde auf der jüngsten Herbstsynode in Wickede beschlossen, wie der Kirchenkreis mitteilte. Bis zur Sommersynode im Juni 2020 sollen Vorschläge, Ideen und Konzepte gesammelt und erarbeitet werden, die in ein konkretes Programm mit Handlungsaufgaben fließen sollen.

Superintendent Dieter Tometten regte zudem an, in allen Presbyterien Umwelt und Klimabeauftragte zu berufen. Auch im Kirchenkreis soll eine entsprechende hauptamtliche Fachkraft eingesetzt werden. "Damit zeigt sich unser Kirchenkreis entschlossen, an der gesellschaftlichen Debatte über das Klima teilzunehmen, die Klimaverantwortung auch innerhalb der Kirche auf den aktuell erforderlichen Stand zu bringen und hoffentlich mit guten Beispielen den Klimaschutz zu fördern", erklärte Tometten den Angaben nach.

Auf der Kreissynode wurde zudem den Haushalt für 2020 geplant. Bernd Göbert, Leiter des Kreiskirchenamtes Sauerland-Hellweg, rechnet für das laufende Jahr mit 14,7 Millionen Euro und für das kommende Jahr mit 15,4 Millionen Euro Kirchensteuerzuweisung. Zugleich mahnte er zu sparsamen Haushalten: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass das in Zukunft deutlich weniger werden wird. Trotz der Mehreinnahmen können wir uns viel weniger leisten als zum Beispiel 1992."

Auch das Thema Asyl stand auf der Tagesordnung: Die evangelische Kirchengemeinde Weslarn im westfälischen Bad Sassendorf gewährt einer Frau aus dem Iran seit September Kirchenasyl. Mittlerweile sei ein weiterer von Abschiebung bedrohter Mann hinzubekommen, berichtete der Gemeindepfarrer Ralph Frieling auf der Kreissynode. Der Theologe forderte von der westfälischen Kirche und dem Kirchenkreis Soest-Arnsberg, in dessen Bereich Bad Sassendorf liegt, mehr finanzielle Unterstützung für diesen Bereich. Auch bat er Kirchengemeinden im Kirchenkreis, die kein Kirchenasyl gewähren können oder wollen, um Solidarität und Unterstützung. "Ich wünsche mir, dass wir in dieser Beziehung in Zukunft noch stärker an einem Strang ziehen", sagte Frieling.

14 Kirchenasyle im Kirchenkreis in diesem Jahr

Kirchenasyl sei ein hohes Gut, um im Einzelfall Schutz zu gewähren, betonte der Pfarrer. "Das ist eine gemeinsame Aufgabe für uns alle und nicht die Privatsache einzelner Kirchengemeinden, Presbyterien oder Pfarrer."

Nach Angaben des Kirchenkreises Soest-Arnsberg wurde über 30 Frauen, Männern und Kindern in den vergangenen vier Jahren Schutz in verschiedenen evangelischen Kirchengemeinden in der Region Schutz gewährt. In fast allen Fällen habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Verfahren wieder neu aufgenommen, die drohende Abschiebung sei verhindert worden, hieß es. Allein in diesem Jahr hat es demnach in Marsberg, Geseke, Werl, Brilon oder Weslarn 14 Kirchenasyle gegeben. Viele von ihnen laufen aktuell noch, wie eben in Weslarn.



Tecklenburg trifft Vorsorge für neuen Verwaltungsverband

Der Evangelische Kirchenkreis Tecklenburg hat auf seiner jüngsten Kreissynode in Lengerich erstmals einen Verbandshaushalt für die künftige gemeinsame Verwaltung mit den Nachbarkirchenkreise Münster und Steinfurt-Coesfeld-Borken beschlossen. Auf Empfehlung von Verwaltungsleiterin Jutta Runden stimmten die 90 anwesenden Synodalen mehrheitlich für eine Investitionsrücklage des Verbandes, wie der Kirchenkreis am 26. November mitteilte. Jährlich solle dafür ein Drittel des Betrags, der den Abschreibungen für Abnutzungen im Verband der drei Kirchenkreise entspricht, bereitgestellt werden. Der Betrag beträgt den Angaben nach pro Jahr etwa 78.900 Euro pro Kirchenkreis. Die Rücklage tritt 2020 in Kraft und gilt zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren.

Die gemeinsame Verwaltung der Kirchenkreise nimmt ihre Arbeit in der neuen Struktur am 1. Januar auf, wie es hieß. Nach Fertigstellung des neuen Gebäudes am Standort Münster ist im September 2020 der Umzug aller drei Verwaltungen dorthin geplant. Zur Vorbereitung der Fusion fanden laut Jutta Runden bereits zahlreiche Teamaufbau-Prozesse für die Mitarbeitenden statt. "Wir sind mit dem neuen Kirchlichen Finanzmanagements (NKF) gut unterwegs", zeigte sie sich optimistisch.

Kirchensteuermittel mit Plus

Auf der Kreissynode wurde zudem der Haushalt 2020 des Kirchenkreises genehmigt. Nach dem von Verwaltungsleiterin Marlies Beckemeyer eingebrachten Etat stehen dem Kirchenkreis mit seinen 17 Kirchengemeinden im kommenden Jahr Kirchensteuermittel in Höhe von rund 10,8 Millionen Euro zur Verfügung. Dies sei eine Steigerung von 4,10 Prozent gegenüber dem Haushalt 2018 (10,4 Millionen Euro). Neben den Gehältern der Pfarrerinnen und Pfarrer im Kirchenkreis Tecklenburg, der zentralen Verwaltung und der Superintendentur finanziert der Kirchenkreis mit Hilfe der Kirchensteuermittel beispielsweise das Diakonische Werk, die Arbeit der 28 Kindertagesstätten im Kindergartenverbund, das Schulreferat oder die kreiskirchliche Jugendarbeit.

Darüber hinaus einigten sich die Synodalen darauf, dass für die Umsetzung des neuen Schutzkonzeptes gegen sexualisierte Gewalt eine halbe Stelle eingerichtet wird, wie es weiter hieß. Jugendreferentin und Sozialpädagogin Ingrid Klammann werde entsprechende Schulungen zur Sensibilisierung für Mitarbeitende in den Gemeinden anbieten. Gemeinsam mit der AG "Sexualisierte Gewalt" unter Leitung von Pfarrerin Britta Jüngst solle ein passgenaues Präventionskonzept entwickelt werden.



Kirchenkreis Lübbecke richtet Perspektivausschuss ein

Der Evangelische Kirchenkreis Lübbecke steht vor Veränderungen. Auf der Herbstsynode in Preußisch Oldendorf stellte Superintendent Uwe Gryczan einen Perspektivausschuss vor, wie der Kirchenkreis mitteilte. Das Gremium habe die Aufgabe, künftige Entscheidungen zur Umsetzung der Kirchenkreiskonzeption zu bündeln und Synoden vorzubereiten. Entsprechend der sechs Handlungsfelder soll der Ausschuss besetzt werden.

Weitere Notwendigkeiten sieht Gryczan in der Bildung verschiedener Ausschüsse, etwa für die Seelsorge, die Diakonie und die evangelischen Kindertagesstätten in der Region, wie es hieß. Die Altenheim- und Hospizarbeit solle eine Beauftragung erhalten. Es sei von großer Bedeutung, dass Entscheidungen für die Zukunft in allen Bereichen diskutiert werden, erklärte der Superintendent. Veränderungen seien notwendig.

Ungleichbehandlung von Kita-Trägern beklagt

Beschlossen wurden demnach neue Haushaltsrichtlinien des Kirchenkreises. Dabei gehe es um die Finanzierung gemeinsamer Aufgaben, die Bereitstellung der Haushaltsmittel zur Deckung des Pfarrbesoldungsbedarfs, Kirchensteuerzuteilungen an den Kirchenkreis und die Gemeinden sowie Verwendung der Mittel im Haushalt des Kirchenkreises, die Grundlagen zur Behandlung des Jahresergebnisses und um die Substanzrücklage. Auf dieser Grundlage wurden auch der Haushaltsplan für 2020 erstellt: Der Gesamtbetrag beläuft sich den Angaben nach auf rund 11,5 Millionen Euro. Dem stünden Aufwendungen in Höhe von rund 11,9 Millionen Euro gegenüber. Der erwartete Fehlbetrag werden durch eine Entnahme aus den Rücknahmen ausgeglichen. Der Haushaltsplan des Kirchenkreises wurde bei einer Gegenstimme angenommen.

Eine Beschlussvorlage äußerte sich kritisch zur Kita-Finanzierung. "Die Kreissynode bringt zum Ausdruck, die Ungleichbehandlung der Träger bei der Finanzierung der Betriebskosten nicht länger akzeptieren zu wollen", heißt es da. Mit dem Kreis Minden-Lübbecke sollen nun Gespräche darüber geführt werden. Dabei soll der Kreis gebeten werden, zum kirchlichen Trägeranteil der Betriebskosten der Kindertagesstätten einen Beitrag zu leisten, hieß es.



Recklinghauser Synode stimmt Gründung eines Kirchenverbandes zu

Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen hat für die Gründung eines Kirchenverbandes mit dem benachbarten Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten gestimmt. Die Delegierten sprachen sich zudem für ein Stellungnahmeverfahren aus, wie der Kirchenkreis mitteilte. Damit könnten sich Presbyterien, verschiedene kirchliche Dienste und Referate an der Ausgestaltung der Satzung und der Finanzierungsstruktur beteiligen.

Die Abgeordneten des Kirchenparlaments verabschiedeten außerdem den Haushalt für 2020 in Höhe von rund 14,8 Millionen Euro und den Haushaltsplan des Verbundes der Kindertagesstätten mit rund 13 Millionen Euro. Zudem präsentierte Diakoniepfarrer Dietmar Kehlbreier den von Diakonie und Kirchenkreis neu initiierten "Diakoniepreis 2020" zur Förderung diakonischer Ideen und Initiativen. Die mit 2.000 Euro dotierte Auszeichnung wird aus kreiskirchlichen Kollekten gespeist, wie es hieß.

Superintendentin Katrin Göckenjan-Wessel führte zudem in einem Gottesdienst in der Christuskirche ihre Stellvertreterin Pfarrerin Kirsten Winzbeck aus Marl in ihr Amt als Assessorin ein. Göckenjan-Wessel wechselt zum 1. April 2020 ins Landeskirchenamt: Die westfälische Landessynode wählte sie zur theologische Oberkirchenrätin und Personaldezernentin der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die Kreissynode beschäftigte sich den Angaben zufolge auch mit weiteren Themen der Landestagung, unter anderem mit dem Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch und dem Klimaschutz.



Kirchenkreis Dortmund sucht Ideen für innovative Zukunftsprojekte

Der Kirchenkreis Dortmund stellt eine halbe Million Euro für innovative Zukunftsprojekte zur Verfügung. Das Programm "Kreative Innovation" solle Ideen für eine Kirche von morgen fördern, erklärte Superintendentin Heike Proske nach Angaben des Kirchenkreises auf der Synode im Dortmunder Reinoldinum. Alle könnten und sollten sich daran beteiligen.

Zuvor hatte Verwaltungsleiterin Lisa Prang die Haushalts- und Wirtschaftsplanungen vorgestellt. Für dieses und das nächste Jahr gehe die Prognose für die kirchlichen Finanzen noch von einem "Allzeithoch" aus, ab 2021 sei mit einem Rückgang zu rechnen. "Reformprozesse müssen begonnen werden", forderte Prang den Angaben zufolge.

www.ev-kirche-dortmund.de



Duisburger Kirche soll Begegnungszentrum werden

Die Evangelische Kirchengemeinde Ruhrort-Beeck in Duisburg hat ihre Kirche im Stadtteil Laar an einen Privatmann verkauft. Thomas Ophardt, Chef eines Bootsbauunternehmens, will das mehr als hundert Jahre alte Gotteshaus zum christlichen Begegnungszentrum umbauen, wie der evangelische Kirchenkreis am 26. November ankündigte. Das Kirchenschiff soll zu einem multifunktionalen Raum für Vorträge, Konzerte, Seminare, aber auch Gottesdienste werden. Auch kleine Wohnungen und ein Restaurant seien geplant, hieß es.

Die evangelische Kirche in Laar wurde den Angaben zufolge 1908 eingeweiht, als die Gemeinde durch den Zustrom von Arbeitskräften im Zuge der Industrialisierung stark wuchs. 2014 beschloss die Gemeindeleitung, wegen sinkender Mitgliederzahlen und geringerer finanzieller Mittel, die Gemeindearbeit nur noch auf einen Standort zu konzentrieren. Dabei fiel die Wahl auf die Kirche im Stadtteil Beeck. Die Kirche in Laar wurde seither nicht mehr genutzt.



Kirchenkreis Herne bekommt rund 9,32 Millionen Euro aus Kirchensteuer

Der Kirchenkreis Herne erhält im kommenden Jahr rund 9,32 Millionen Euro an Kirchensteuermitteln. An die Gemeinden gehen davon 28,50 Euro pro Mitglied, teilte der Kirchenkreis am 26. November nach der Kreissynode mit. Das seien 3,50 Euro pro Kopf mehr als 2019. Die derzeit gute gesamtwirtschaftliche Lage wirke sich positiv auf die Kirchensteuerentwicklung aus.

Verwaltungsleiter Burkhard Feige empfahl den Presbyterien, das zusätzliche Geld in der Substanzerhaltungsrücklage anzusparen. Den Angaben zufolge ist die Zahl der Kirchenmitglieder 2019 erneut auf 62.000 gesunken. 2017 waren es noch rund 4.000 Mitglieder mehr. Der Kirchenkreis rechnet damit, dass die Gemeinden in den kommenden Jahren vor allem wegen der demografischen Entwicklung mit weniger Geld auskommen zu müssen.

Superintendent würdigt Engagement gegen rechts

In seinem Bericht dankte Superintendent Reiner Rimkus unter anderem der Kreuzkirchengemeinde für ihr Engagement gegen sogenannte besorgte Bürger, Neonazis und Hooligans, die in Herne im Spätsommer und Herbst gegen Flüchtlinge demonstrierten. Dass der Kirchenkreis Herne hier deutlich Stellung bezieht, zeige sich an den dienstags stattfindenden Ökumenischen Gottesdiensten vor der Kreuzkirche.

Der juristische Landeskirchenrat Henning Juhl rief bei der Kreissynode zur Bildung überparteilicher Bündnisse auf, um im Kommunalwahlkampf eine demokratische Streitkultur zu etablieren. Gemeinden und Einrichtungen der Kirche sollen sich im Lokalwahlkampf für Fairness, Respekt und Toleranz einsetzen und mit dazu beitragen, dass ausgrenzende und herabwürdigende Sprache im Wahlkampf nicht vorkommen.

Hans Zabel vom Jugendreferat des Kirchenkreises wurde zudem von den Synodalen beauftragt, die Verantwortung für die Notfallseelsorge zu übernehmen.



Kirchenkreis Bielefeld beschließt Haushalt 2020

Der Evangelische Kirchenkreis Bielefeld steht im kommenden Jahr ein Haushalt in Höhe von rund 13,6 Millionen Euro zur Verfügung. Das hat die Kreissynode am 28. November in Bielefeld beschlossen, wie der Kirchenkreis mitteilte. Im Vergleich zum laufenden Haushalt seien das 300.000 Euro mehr. Der Großteil des Etats 2020 fließt den Angaben nach in den Pfarrdienst (rund 4,8 Millionen Euro). Die direkten Zuweisungen für die Gemeinden mit insgesamt rund 92.500 Gemeindegliedern betragen 1,9 Millionen Euro, für die evangelischen Kitas etwa 1,2 Millionen Euro, wie es hieß.

Ein Teil der Kirchensteuereinnahmen geht zudem in die Rücklagen. "Wir haben hier auch für schlechtere Zeiten eine Verantwortung für die rund 1.000 Beschäftigten bei der evangelischen Kirche in Bielefeld", erklärte Verwaltungsleiter Uwe Gießelmann.

Auf der Kreissynode stellte sich der neue Umweltbeauftragte des Kirchenkreises, Andreas Thoeren, vor. Er brachte demnach den Antrag ein, dass künftig in allen Gemeinden mindestens eine Person benannt wird, die speziell für Fragen der Schöpfungsverantwortung ansprechbar ist und als Multiplikator wirken kann. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen wie die Bitte, dass den künftigen Synodenberichten zur Kreissynode ein neuer Punkt mit dem Thema "Schöpfungsverantwortung und nachhaltiges Handeln" hinzugefügt wird, wie der Kirchenkreis mitteilte.

epd-West kat



Kirchenkreis Halle freut sich über stabile finanzielle Situation

Die Kreissynodalen des Evangelischen Kirchenkreises Halle haben auf der Herbstsynode am 29. November in Harsewinkel die Haushalts- und Stellenpläne für 2020 beschlossen. Mit eigenen Einnahmen verfügt der Kirchenkreis Halle im kommenden Jahr über rund 7,6 Millionen Euro, wie der Kirchenkreis mitteilte. Rund 6,5 Millionen Euro kommen als Zuweisung von der westfälischen Kirche. Von dem Etat des Kirchenkreis fließen knapp 3,4 Millionen Euro direkt in die Gemeindearbeit, wie es hieß. Das sind rund 75 Euro pro Gemeindeglied im Jahr. Für die Zuteilung hat die Landeskirche 44.652 Gemeindeglieder zugrunde gelegt.

"Unser Haushalt befindet sich in einer stabilen Lage", sagte der Vorsitzende des kreiskirchlichen Finanzausschusses, Heinrich Schengbier, bei Einbringug des Haushaltes. Noch immer zeige sich die gute wirtschaftliche Lage in einem Kirchensteuer-Plus, das zum größten Teil in die acht evangelischen Gemeinden in der Region fließe. Dank der Mehreinnahmen könne nicht nur die gewohnte Arbeit fortgesetzt werden, sondern es können auch Rücklagen - zum Beispiel für die Erhaltung der historischen Kirchgebäude - gebildet werden, erklärte Superintendent Walter Hempelmann. Er dankte allen Aktiven in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen für ihren Einsatz.



Kirchenverband Köln startet Seelsorge-Ausbildung für Ehrenamtliche

Eine Seelsorge-Ausbildung für Ehrenamtliche startet Anfang 2020 beim Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Unter dem Motto "Lebenswege begleiten" sollen damit Menschen angesprochen werden, die in der Seelsorge etwa in Krankenhäusern, Altenheimen, in Gemeinden oder Gefängnissen arbeiten wollen, teilte der Kirchenkreis am 26. November mit.

Den Angaben zufolge handelt es sich um ein zweistufiges Angebot mit einem 50-stündigen Basiskurs und einem Aufbaukurs, der weitere 100 Unterrichtsstunden umfasst. Dabei sollen kommunikative, ethische und geistliche Kompetenzen geschult und erweitert werden. Der Basiskurs beginnt im Februar, der Aufbaukurs ende Juni 2020. Interessierte können sich bis zum 20. Januar bewerben.



Kirchenkreise in Bonn und Region bieten Instagram-Adventskalender

Die evangelische Kirchenkreise in Bonn und der Region bieten erstmals und gemeinsam mit der Frauenhilfe im Rheinland einen Adventskalender bei Instagram an. Jeden Tag öffnet sich digital ein Türchen in ein spirituelles Lebensfeld, wie der Kirchenkreis Bonn mitteilte. Das Thema "Warten" ist dabei der rote Faden des Online-Adventskalenders, der als täglicher Begleiter durch die vier Adventswochen führt und jeden Tag "einen kleinen Input" geben soll. Menschen erzählen, was sie erwarten oder worauf sie warten: auf ihr erstes Baby, auf eine zündende Idee für ein Weihnachtsgeschenk, auf weiße Weihnachten. Andere erzählen, warum Warten in manchen Lebenssituationen quälend ist.

Der Instagram-Adventskalender ist eine Koproduktion der Evangelischen Kirchenkreise An Sieg und Rhein, Bonn und Bad Godesberg-Voreifel sowie der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland. Über ihre Instagram-Kanäle wollen sie vor allem jüngere, eher kirchenferne Menschen ansprechen und auf dem Kanal begleiten. Internet: www.instagram.com/bonn_evangelisch/




Umwelt

Hunderttausende Demonstranten fordern mehr Klimaschutz


"Fridays for Future" mobilisierte bundesweit.
epd-bild/Christian Ditsch
Zu Beginn der Weltklimakonferenz sind wieder Kinder, Jugendliche und Erwachsene für den Klimaschutz auf die Straße gegangen. In NRW haben sich am 29. November mehrere Zehntausend Menschen an den Protesten beteiligt.

Am weltweiten Aktionstag der Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future" haben sich am 29. November in Deutschland Hunderttausende Menschen beteiligt. Großdemonstrationen gab es unter anderem in Berlin, Hamburg, Köln und München. Nach Angaben der Veranstalter nahmen deutschlandweit rund 630.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene teil. Anlass der Proteste war die ab Montag in Madrid tagende Weltklimakonferenz.

Insgesamt gab es beim vierten globalen Klimastreik in Deutschland Aktionen in mehr als 500 Städten. In Nordrhein-Westfalen wurde an mehr als 70 Orten protestiert. Beim dritten globalen Klimastreik am 20. September waren nach Angaben der Bewegung etwa 1,4 Millionen Menschen zusammengekommen.

Bei den Protesten am 29. November forderten die Aktivisten in zahlreichen Wortbeiträgen und auf Transparenten einen "Neustart" der Klimapolitik in Deutschland. Die geplanten Maßnahmen reichten nicht aus, um das globale Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Weniger Zulauf in Köln

In Köln kamen nach Schätzungen der Organisatoren rund 20.000 Teilnehmer zusammen, um durch die Innenstadt zu ziehen. Das waren deutlich weniger als Ende September, als sich in der Domstadt beim letzten großen Klimastreik 70.000 Menschen einfanden. "Fridays for Future"-Sprecherin Maira Kellers vermutete als Grund für diesen Rückgang die "Frustration", die aufgrund der zu zögerlichen Maßnahmen der Bundesregierung bei den potenziellen Unterstützern der Bewegung eingetreten sei. Das von der Bundesregierung verabschiedete Klimapaket bezeichnete sie als "lachhaft".

Einige Teilnehmer der Kölner Demonstrationen begaben sich auch vor das Institut der deutschen Wirtschaft Köln - offenbar um den Eingang zum Gebäude zu blockieren. Nach Angaben der Polizei verlief die Aktion allerdings friedlich, zudem sei es auch nicht zu einer Blockade gekommen: Die Personen hätten sich lediglich auf die Stufen vor das Institut gesetzt.

In Düsseldorf fand der Aufruf zum Klimastreik rund 5.000 Unterstützer. Auf Transparenten der Demonstranten hieß es unter anderem "Make Love, not CO-2", "Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft" oder in Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte der Bibel: "Und Gott sah, dass die Klima-Demonstration sehr gut war!" Der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf, Heinrich Fucks, sagte am Rande der Demonstration, man gehe als Kirche vor allem "für Klimagerechtigkeit und für das Recht auf Zukunft" auf die Straße.

Bedford-Strohm demonstriert in München

In Münster versammelten sich laut Polizei etwa 7.500 Menschen. Sie zogen vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt bis zum Schlossplatz. Auch in Essen verliefen die Proteste ruhig. Dort fanden sich mehr als 3.000 Menschen zu einem Demonstrationszug durch die Innenstadt ein. Weitere 1.000 Menschen beteiligten sich in Bonn an einem Demonstrationszug, der vom Marktplatz durch die Innenstadt bis zum Poppelsdorfer Schloss führte. In Bielefeld gab es zudem auch einen Fahrradkorso. Dort hatten sich am Kesselbrink rund 3.000 Menschen zu einer Kundgebung getroffen - etwa 350 davon starteten mit ihren Rädern dann zu der Demo.

An der Kundgebung in München nahm auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, teil. Etwa 17.000 Klimaschützer versammelten sich dort. Die Veranstalter sprachen von mehr als 30.000 Teilnehmern. "Ich werbe überall dafür, den notwendigen starken Impuls der Zivilgesellschaft, allen voran der Schülerinnen und Schüler, nun wirklich in die manchmal mühsamen und mit vielen Dilemma-Situationen verbundenen politischen Prozesse umzusetzen", schrieb der bayerische Landesbischof anschließend auf Twitter.

Sprung in die Spree

Zum Auftakt des Aktionstages waren in Berlin am Vormittag rund 20 Umweltschützer in die Spree gesprungen. Ziel war die symbolische Rettung eines im Wasser treibenden Klimapakets mit neuen Forderungen an die Politik. Im Anschluss sollte es an eingeladene Politiker übergeben werden. Fabian Gacon von der BUND-Jugend erklärte zur Aktion: "Echter Klimaschutz kann und darf nicht auf Freiwilligkeit der Kohlekonzerne beruhen." Er warf der Bundesregierung vor, ihrer internationalen Rolle im Klimaschutz nicht gerecht werden zu wollen.

In Berlin zählt die "Fridays for Future"-Bewegung rund 60.000 Menschen, die Polizei sprach von mehreren zehntausend Teilnehmern. Die Berliner Demonstration führte vom Brandenburger Tor durch das Regierungsviertel und zurück. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, sprach sich dort für einen raschen und grundlegenden sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft aus. Die Arbeitnehmer wüssten, "dass es nur auf einem gesunden Planeten dauerhaft gute Arbeit geben wird", sagte Hoffmann.

In Hamburg gingen laut Polizei etwa 30.000 Aktivisten auf die Straße. In Hamburg waren die Zufahrtstraßen zur Innenstadt komplett gesperrt. Autofahrer mussten erhebliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen. Auch in anderen Städten kam es zu Verkehrsbehinderungen. In Frankfurt am Main, wo nach Veranstalterangaben rund 8.000 Menschen protestierten, blockierten Aktivisten zeitweise die Einkaufsmeile Zeil.



Die Welt schaut nach Madrid


Kohlekraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß (Archivbild)
epd-bild / Steffen Schellhorn
Ob von der zweiwöchigen Klimakonferenz in der spanischen Hauptstadt starke Impulse zur Drosselung des CO2-Ausstoßes ausgehen werden, ist unsicher. Die Hoffnungen ruhen vor allem auf der EU.

Der Frust war dem Generalsekretär der Weltwetterorganisation anzumerken. "Es gibt kein Zeichen einer Verlangsamung, geschweige denn eines Rückgangs", sagte Petteri Taalas. Die Stimme des sonst so ruhigen Finnen wurde energisch, fast laut, als er Anfang der Woche die Verschmutzung der Atmosphäre anprangerte: Niemals zu Lebzeiten des Menschen wies die Konzentration von Kohlenstoffdioxid und anderen Klimakillern einen so hohen Wert auf wie 2018 - und in den kommenden Jahren könnte es noch schlimmer werden.

Kurz vor dem Start der zweiwöchigen Weltklimakonferenz in Madrid am 2. Dezember appellierte der Chefmeteorologe der UN an die Staaten: Geht konsequenter gegen die Erderwärmung vor. Oder die Klimakrise mit Hitzewellen, Dürren, Stürmen und Überschwemmungen eskaliert noch mehr.

Druck der Straße

"Die Welt wird nach Spanien schauen und von der Staatengemeinschaft Ergebnisse erwarten, die eine erfolgreiche Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen möglich machen", drängt auch die Klimaallianz Deutschland, ein Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen. Die Vorgaben des Paris-Abkommens von 2015, das eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad vorsieht, müssten endlich ernst genommen werden.

Die in Madrid versammelten Politiker dürften auch den Druck der Straße spüren. In diesem Jahr demonstrierten weltweit Millionen Menschen für einen pfleglichen Umgang mit Mutter Erde. Auch rund um die Klimakonferenz sind Massenproteste geplant. Und die Schwedin Greta Thunberg, die zornige Ikone der Protestbewegung, will in Madrid ein weiteres Mal für Furore sorgen.

Maas: EU muss "führen"

Doch ob von der zweiwöchigen Konferenz in der spanischen Hauptstadt starke Impulse zum Klimaschutz ausgehen werden, ist unsicher. Denn zum einen brauchen die Staaten und Blöcke bei dem Treffen unter dem Motto "Zeit zum Handeln" noch keine verbesserten Klimapläne vorzulegen. Die neuen Konzepte müssen laut Pariser Klimaabkommen erst 2020 auf den Tisch.

Zum anderen scheint derzeit nur ein einziger der ganz großen Akteure den Klimaschutz voranbringen zu wollen: Die Europäische Union. "Die EU war bei den vorangegangenen Klimakonferenzen immer ein konstruktiver Spieler", erklärt Jan Kowalzig, Klima-Referent bei Oxfam Deutschland. "Daran sollten die Europäer in Madrid anknüpfen." Nach den Worten von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) muss die EU schon deshalb "führen", um andere große Verschmutzer wie Indien und China zu mehr Klimaschutz zu bewegen.

Erhöhung des europäischen Klimaziels vorgeschlagen

Immerhin schlug die kommende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Erhöhung des europäischen Klimaziels vor: Nach ihren Plänen soll die europäische Vorgabe zur Kohlendioxod-Minderung bis 2030 von 40 auf 50 Prozent oder sogar auf 55 Prozent nach oben revidiert werden.

Zwar hat der Europäische Rat - also das Gremium der Staats- und Regierungschefs - dem Von-der-Leyen-Vorhaben noch nicht zugestimmt. Das könnte sich aber noch während der Konferenz in Madrid ändern: Denn der Rat wird am 12. und 13. Dezember zusammenkommen und "seine Vorgaben für die langfristige Klimaschutzstrategie der EU fertigstellen", heißt es aus Brüssel.

"Schwierige Verhandlungspartner"

Von anderen Schwergewichten wie Indien und China erwarten Klimaexperten auf der Madrid-Konferenz nicht viel. "Indien und China sind schwierige Verhandlungspartner", sagt Oxfam-Fachmann Kowalzig. Indien habe zwar sehr ambitionierte Schutzbemühungen für das Klima aufgelegt, poche aber sehr stark darauf, finanzielle Hilfen von den Reichen zu erhalten. "Und für China, den größten Emittent von Treibhausgasen, steht die eigene wirtschaftliche Entwicklung klar im Vordergrund", sagt Kowalzig. Allerdings gewinne Klimaschutz auch hier an Bedeutung. Nirgendwo würden so viel erneuerbare Energien installiert wie derzeit in China.

Und was machen die USA? Nachdem Präsident Donald Trump den Kündigungsbrief für das Pariser Klimaabkommen abgeschickt hat, wird die Regierungs-Delegation aus Washington in Madrid wohl auf Tauchstation gehen. Doch während die Trump-Administration vom Klimaschutz nichts hält, setzen viele Bundesstaaten wie Kalifornien sowie Städte und Unternehmen in den USA auf erneuerbare Energien. Diese Klimafreunde aus dem Land mit der global größten Volkswirtschaft werden ebenfalls nach Madrid reisen - sie wollen das andere Amerika vertreten.

Jan Dirk Herbermann (epd)


UN warnen vor Temperaturanstieg um mehr als drei Grad Celsius


Dürre in Deutschland (Bild von 2018)
epd-bild/Anke Bingel
Kurz vor Beginn der Weltklimakonferenz schlagen UN und Bundesregierung Alarm. Die Erderwärmung könne katastrophale Folgen für den Menschen haben.

Der Welt könnte dem Umweltprogramm der UN zufolge ein Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen um 3,2 Grad Celsius drohen. Dieses Szenario werde eintreffen, wenn die Staaten ihre derzeitigen Klimaschutzpläne nicht drastisch verbessern und umsetzen, erklärte die Exekutiv-Direktorin des Unep, Ringer Andersen, am 26. November in Genf.

Ein derart hoher Anstieg der Temperaturen werde katastrophale Folgen für die menschliche Umwelt haben, betonte Andersen. Der globale Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase müsse zwischen 2020 und 2030 jedes Jahr um 7,6 Prozent sinken, forderte Andersen kurz vor Beginn der Weltklimakonferenz in Madrid. Nur wenn eine derartige Reduktion erreicht werde, könne die Erwärmung noch auf die vorgesehenen 1,5 Grad Celsius begrenzt werden.

"Es wird rasant wärmer"

Infolge des Klimawandels ist einem aktuellen Bericht zufolge die durchschnittliche Temperatur in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren bereits um 0,3 Grad Celsius gestiegen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) legte in Berlin den zweiten Monitoringbericht der Bundesregierung vor, wonach sich die mittlere Lufttemperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erhöht hat. Dadurch kommt es demnach zu Hitzewellen, niedrigen Grundwasserständen und massiven Ernteausfällen. Der Befund sei "sehr eindeutig", sagte Schulze. "Der Klimawandel verändert das Wetter immer spürbarer."

Der Leiter der Abteilung Klima und Umweltberatung des Deutschen Wetterdienstes, Tobias Fuchs, erinnerte daran, dass 2018 in Deutschland bisher das wärmste Jahr seit 1881 gewesen sei. Es gebe eine beunruhigende Beschleunigung des Temperaturanstiegs. Durch natürliche Ursachen sei diese nicht erklärbar. "Es wird rasant wärmer, mehr Hitzewellen bedrohen unsere Gesundheit, jeder muss mit Schäden durch heftigeren Starkregen rechnen", sagte Fuchs. Bei einem "weiter-wie-bisher"-Szenario droht nach seinen Worten ein Temperaturanstieg bis Ende dieses Jahrhunderts um 3,1 bis 4,7 Grad.

Verantwortung der Industriestaaten

Unep-Chefin Andersen hielt unterdessen fest, dass die Technologien zur Reduktion der Treibhausgase vorhanden seien. Der Einsatz dieser Technologien müsse aber sofort beginnen. Andersen hielt die besondere Verantwortung der großen Wirtschaftsmächte der G20 fest. Die G20 seien für nahezu 80 Prozent der globalen Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich.

Bei der Weltklimakonferenz vom 2. bis 13. Dezember wollen Vertreter von mehr als 190 Staaten über weitere Schritte zur Umsetzung des Klimaabkommens von Paris beraten. Der Vertrag von 2015 setzt das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Beim letzten Gipfel im polnischen Kattowitz beschlossen die Staaten ein Regelbuch, das die Vorgaben des Pariser Abkommens konkretisiert.



EU-Parlament ruft Klima-Notstand aus

Das europäische Parlament hat den Klima-Notstand ausgerufen. Das Plenum beschloss am 28. November in Straßburg mit großer Mehrheit dazu eine Resolution, wie das Parlament mitteilte. Demnach votierten 429 Abgeordnete dafür, 225 dagegen und 19 enthielten sich. Das EU-Parlament will damit ein Zeichen für die in der kommenden Woche beginnende UN-Klimakonferenz in Madrid setzen. Klimaschützer hoffen, dass die EU dort eine Vorreiterrolle übernimmt und ambitioniertere Klimaziele verkündet.

Bislang hat sich die EU für 2030 das Ziel gesetzt, 40 Prozent Treibhausgase gegenüber 1990 einzusparen. Jetzt sprach sich das Parlament in einer weiteren Resolution mehrheitlich dafür aus, die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein. Die EU-Kommission wurde zudem aufgefordert, alle ihre gesetzlichen und Haushaltsvorschläge so zu formulieren, dass sie mit dem Ziel in Einklang stehen, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Mit der Ausrufung des Klimanotstands wird dem Kampf gegen den Klimawandel oberste Priorität eingeräumt. Rechtliche Konsequenzen ergeben sich dadurch aber nicht.



Umfrage: Europäer wünschen sich mehr Umweltschutz

Umweltschutz gehört laut einer Umfrage zu den wichtigsten politischen Themen der Europäer. 40 Prozent der Befragten gaben an, dieses Thema solle in den kommenden Jahren besonders berücksichtigt werden, wie die Bertelsmann Stiftung am 27. November in Gütersloh bei der Vorstellung einer europaweiten repräsentativen Umfrage mitteilte. Weitere Prioritäten waren demnach Jobs (34 Prozent) und soziale Sicherheit (23 Prozent).

Innerhalb der sechs größten EU-Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Spanien und Polen bewerteten die Europäer verschiedene Themen als wichtig. Während jeder zweite Deutsche (49 Prozent) sich für Umweltschutz als Top-Priorität aussprach, waren es nur etwa jeder dritte Spanier (32 Prozent), Pole (35 Prozent) oder Niederländer (35 Prozent).

Der Schutz ihrer Arbeitsplätze war vor allem den Italienern (60 Prozent) sowie den Spaniern und Franzosen (jeweils 40 Prozent) wichtig. In Deutschland plädierten hingegen nur 17 Prozent der Befragten dafür, dass sich die neue EU-Kommission um Jobs kümmern solle. Den Bundesbürgern war vielmehr die soziale (34 Prozent) und öffentliche Sicherheit (23 Prozent) wichtig.

Persönlich beschäftigten jeden zweiten Europäer (51 Prozent) die steigenden Lebenshaltungskosten. Gesundheitsprobleme (28 Prozent) und Arbeitsplatzunsicherheit (25 Prozent) machten ihnen ebenfalls große Sorgen. Die Deutschen zeigten sich vor allem angesichts der wachsenden Unkosten (44 Prozent) und des politischen Radikalismus (28 Prozent) besorgt. Auf ihre Gesundheit (20 Prozent) und ihren Arbeitsplatz (12 Prozent) blickten sie optimistischer als der EU-Durchschnitt.

Für die repräsentative Umfrage befragte das europäische Meinungsforschungsinstitut der Bertelsmann Stiftung "eupinions" im Juni mehr als 12.100 Menschen.



Über 8.600 Traktoren fahren aus Protest nach Berlin


Protest mit Traktoren auf der Straße des 17. Juni in Berlin.
epd-bild/Rolf Zöllner

Mit einer Traktoren-Demo haben Landwirte aus ganz Deutschland am 26. November in Berlin gegen die Agrar- und Umweltpolitik der Bundesregierung protestiert. Nach Schätzungen der Polizei rollten rund 8.600 Traktoren zum Brandenburger Tor, wie ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Das seien deutlich mehr gewesen als die zuvor 5.000 erwarteten Trecker. Die Zahl der Demonstrationsteilnehmer lag laut Polizei "im mittleren vierstelligen Bereich".

Durch die Demonstration war am Dienstag auf einigen Berliner Straßen der Verkehr zeitweise lahmgelegt. Zudem sei es zu einem Verstoß gegen das Waffengesetz und zu drei Verkehrsunfällen gekommen, erklärte der Sprecher. Bei einem Unfall sei eine Polizistin leicht verletzt worden. In mehreren Berliner Stadtbezirken würden zudem Schäden an Grünflächen geprüft, auf denen Traktoren spontan geparkt wurden.

Agrarpaket soll ausgesetzt werden

Aufgerufen zu der Protestfahrt hatte die Initiative "Land schafft Verbindung - Wir bitten zu Tisch". Sie fordert unter anderem das Aussetzen des Agarpakets und eine neutrale Erforschung des Insektenrückgangs. Kritik übt die Initiative an aktuellen Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen. Vielmehr müsse der "Erhalt der regionalen Lebensmittelproduktion in den Vordergrund" stehen und gestärkt werden.

Weiter forderte die Initiative, "dass gesellschaftliche Wünsche wie zum Beispiel Tierwohl, extensivere Bewirtschaftung (und damit geringerer Ertrag und Gewinn), die Ausbreitung der Wölfe und Umweltschutzmaßnahmen finanziell von der Gesellschaft getragen werden". Bürokratie und Dokumentationspflichten müssten zudem vereinfacht werden.

Der Hallenser Agrarökonom Alfons Balmann sieht wenig Chancen auf Erfolg für die Protestbewegung der Landwirte. Die Forderungen der Bewegung klängen "eher nach Ablenkung von tatsächlichen Problemen als nach Zukunftsperspektiven", sagte Balmann der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er ist Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Halle und Mitglied des Agrarbeirats der Bundesregierung.

Wissenschaftliche Neubewertung des Insektensterbens

Es gehe bei den Forderungen etwa nach einer wissenschaftlichen Neubewertung der Ursachen für das Insektensterben allem Anschein nach eher darum, Veränderung zu verhindern. Es fehle an Aufbruchstimmung, sagte Balmann: "Ich bin skeptisch, ob es am Ende so etwas wie einen Erfolg geben wird."

Nach Ansicht des Professors sind die Proteste grundsätzlich aber nachvollziehbar. Die Regierung habe die Bauern beim sogenannten Agrarpaket kaum beteiligt. Zum Teil seien die politisch beschlossenen Maßnahmen für mehr Insekten- und Umweltschutz populistisch. Das treffe die Landwirte in einer Situation, in der viele, auch größere Betriebe nach zwei Dürrejahren und mageren Fleisch- und Milchpreisen finanziell mit dem Rücken an der Wand stünden. "Da musste der Frust raus."



Nur noch jeder fünfte Baum in NRW gesund


Der mitteleuropäische Mischwald leidet.
epd-bild/Steffen Schellhorn
Hitze, Stürme, Trockenheit, Käfer- und Pilzbefall. "Unser Wald ist krank", sagt NRW-Umweltministerin Heinen-Esser. Nur noch jeder fünfte Baum ist laut Waldzustandserhebung gesund. Umweltorganisationen fordern weitreichende Schutzkonzepte.

Nach zwei überdurchschnittlich trockenen Jahren in Folge geht es dem Wald in Nordrhein-Westfalen so schlecht wie noch nie. Laut der am 25. November in Düsseldorf vorgestellten Waldzustandserhebung 2019 ist nur noch jeder fünfte Baum gesund. Dagegen litten jetzt 42 (Vorjahr: 39) Prozent der Bäume unter einer deutlichen Ausdünnung ihrer Kronen. Es sind demnach die schlechtesten Werte seit Beginn der Erhebungen vor 35 Jahren.

"Die Waldschäden sind besorgniserregend. Unser Wald ist krank", bilanzierte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). "Uns muss dringend eine Trendumkehr gelingen." Hitze, Stürme und die außergewöhnliche Trockenheit haben dem Bericht zufolge deutliche Spuren in den Wäldern hinterlassen. Betroffen seien vor allem Fichten und Eichen, die mit 30 Prozent und 17 Prozent großen Anteil am Wald hätten. Die Grünen, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW und der Landesverband des Naturschutzbunds (NABU) forderten weitreichende Schutzmaßnahmen für die Wälder.

Hitze und Dürre setzen den Beständen stärker zu

Heinen-Esser sagte, noch immer seien die Waldböden in den tieferen Schichten trotz der jüngsten größeren Regenfälle zu trocken. Und auch die Schäden durch Borkenkäfer hätten ihren Höhepunkt voraussichtlich noch nicht erreicht. Bei den Fichten wurden 2019 und 2018 knapp 19 Millionen Kubikmeter Schadholz aus den Beständen geholt.

Der NABU kritisierte einen zunehmenden Einsatz von Insektengiften. Diese würden nicht nur den Borkenkäfer töten, sondern auch andere Insekten absterben lassen. Darunter seien allerdings auch viele Nützlinge, die eigentlich zur Bestäubung und Gesundheit der Wälder beitrügen.

BUND fordert Informationen über Zustand der Wald-Ökosysteme

Der BUND in NRW kritisierte den Bericht als "reinen Zustandsbericht", der keine Aussagen über den Zustand der Wald-Ökosysteme liefere. "Ein Wald besteht nicht nur aus Bäumen und Holzvorrat", sagte der Landesvorsitzende Holger Sticht.

Für die Schadenbewältigung hat das Land NRW den Waldbauern kurzfristig 8,6 Millionen Euro Hilfe bereitgestellt, von denen bereits 7,5 Millionen Euro bewilligt wurden. Für die weitere Entwicklung des Waldes hin zu einem klimastabileren Mischwald sind im Rahmen des NRW-Waldbaukonzepts für die kommenden zehn Jahre 100 Millionen Euro vorgesehen. Damit soll unter anderem die Neubepflanzung mit geeigneten Baumarten wie der Douglasie oder der Roteiche unterstützt werden.

Das Land NRW will sich zudem für die Einführung einer bundesweiten Baumprämie starkmachen. Sie soll mit Einnahmen aus CO2-Zertifikaten finanziert werden, über die Energieerzeuger und Industrie für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zur Kasse gebeten werden. Weil der Wald in großem Umfang CO2 speichere, müssten dort auch Erlöse aus den Zertifikaten ankommen, sagte die Ministerin.

Als weiteres, regionales Instrument zur Honorierung der Klimaschutzleistungen des Waldes schlägt Heinen-Esser die Einrichtung eines NRW-Waldfonds vor: "Damit könnten wir ein regionales Angebot zur CO2-Kompensation schaffen, mit dem öffentliche Mittel und freiwillige Ausgleichsbeiträge von Unternehmen und Privatpersonen gebündelt werden." Das Ministerium prüfe derzeit die rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen für diese Idee. Die Grünen forderten einen Waldfonds in Höhe von 400 Millionen Euro. Wenn Eigentümer ihre Waldflächen verkaufen wollen, solle der Landesbetrieb Wald und Holz diese kaufen und "naturnah und in Form von Genossenschaften bewirtschaften", betonte der Sprecher der Grünen Fraktion im Landtag NRW für Umwelt- und Naturschutz, Norwich Rüße.



Erneuerbare Energien: NRW weit hinten

Baden-Württemberg und Schleswig Holstein sind laut einem Bundesländervergleich führend im Bereich erneuerbare Energien. Der Südwesten zeichne sich durch umfassende Klimaschutz- und Ausbauziele sowie ambitionierte Maßnahmen zur Steigerung des Erneuerbaren-Anteils im Wärmebereich aus, teilten die Studienleiter am 27. November mit. Schleswig-Holstein punktet den Angaben zufolge durch die Windkraft. Schlusslicht ist das Saarland, NRW schafft es nur auf den vierletzten Platz.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) führten das Ranking in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) zum sechsten Mal durch. Die Analyse bewertet 61 Indikatoren wie Bioenergie, Förderung der Elektromobilität, Unternehmen oder Patente.

Dabei zeige sich, dass in allen Bundesländern noch große Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. "Die international vereinbarten Klimaschutzziele erfordern, dass die Energieversorgung schnell auf Erneuerbare Energien umgestellt wird", erklärte Claudia Kemfert vom DIW Berlin. Hierfür müssten Bund und Länder noch mehr tun, sowohl im Stromsektor als auch im Wärmebereich und im Verkehr. Auch die Anstrengungen zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel sollten weiter intensiviert werden.



Aktivisten besetzen Kohlebagger im Tagebau Garzweiler

Einen Tag vor den weltweiten Klimaprotesten der "Fridays for Future"-Bewegung sorgte Greenpeace mit einer Aktion im Tagebau Garzweiler für Aufmerksamkeit. Aktivisten der Umweltorganisation besetzten für mehrere Stunden einen Schaufelradbagger.

Mit der mehrstündigen Besetzung eines Schaufelradbaggers haben am 28. November rund 50 Aktivisten von Greenpeace im Braunkohle-Tagebau Garzweiler für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung protestiert. Nach Polizeiangaben drangen dabei 37 Menschen auf das Gelände des Tagesbaus vor, 17 von ihnen besetzten den fast 100 Meter hohen Schaufelradbagger, der seine Arbeit einstellen musste. Laut einer Sprecherin der Polizei Aachen suchte man zunächst den Kontakt mit den Protestierenden, um zu klären, wie lange die Aktion andauern sollte.

Greenpeace fordert zügigeren Ausstieg aus der Kohleverstromung

Die Aktivisten entrollten in dem Tagbau zwei Banner, auf denen sie einen zügigeren Ausstieg aus der Kohleverstromung forderten. Im Laufe des Tages kamen die meisten der Protestierenden freiwillig wieder vom Bagger, einige Teilnehmer der Besetzung hatten sich jedoch an dem Bagger fixiert und mussten von der Polizei mit Werkzeugen befreit werden. Am frühen Abend dauerten die Aktionen der Polizei noch an. Die Beamten führten die Beteiligten vom Gelände und nahmen deren Personalien auf. Zwischenfälle gab es nach Polizeiangaben dabei nicht.

Greenpeace kritisierte in einem Statement zu der Aktion, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auch über zehn Monate nach Vorlage des von Greenpeace mitgetragenen Kohlekompromisses keine Fortschritte in den Verhandlungen mit den Kohlekonzernen erreicht habe. "Wirtschaftsminister Altmaier liefert nicht beim Kohleausstieg", sagte Greenpeace-Klimaexperte Bastian Neuwirth. Der Minister verstricke "sich im Milliardenpoker mit Kohlekonzernen wie RWE, ohne beim Klimaschutz voranzukommen".

Ein Sprecher des Essener Energie-Unternehmens RWE verurteilte die Aktion der Umweltaktivisten und verwies darauf, dass der von Greenpeace mitgetragene Kohlekompromiss bereits umgesetzt werde. Mit dem Eindringen auf das Gelände des Tagesbaus Garzweiler brächten sich die Protestierenden zudem selbst in Gefahr. Wegen der Aktion musste der Bagger seine Arbeit einstellen, weitere Auswirkungen auf den Betrieb des Tagesbaus gebe es aber nicht, erklärte der Sprecher.



Land legt Revision gegen Fahrverbote in Köln ein

Um die drohenden Diesel-Fahrverbote in Köln zu verhindern, hat das Land Nordrhein-Westfalen am 25. November Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster eingelegt. Das Gericht hatte im September einem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes dahingehend zugestimmt, dass die Stadt nicht an Fahrverboten für Dieselfahrzeuge vorbeikomme, weil an verschiedenen Stellen der vorgeschriebene 40-Mikrogramm Grenzwert für Stickoxide deutlich überschritten worden sei.

Das OVG schrieb zwar anders als das Verwaltungsgericht keine konkreten Fahrverbotszonen fest, nannte aber Vorschläge für mögliche Streckenfahrverbote. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Debatte um die Luftreinhaltepläne hatte das Oberverwaltungsgericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Als Grund für die Revision führte das Land am 25. November an, derzeit würden neuen Prognosen zur Belastung mit Stickstoffdioxid erarbeitet, um die Luftreinhaltepläne fortzuschreiben. Nach neuen Zahlen habe sich die Belastung zudem 2019 an allen Messstellen in Großstädten mit kritischen Werten verringert. Das Land führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Erneuerung der Fahrzeugflotten hin zu abgasärmeren Wagen erste Wirkung zeige.

Beim OVG Münster sind noch zwölf weitere Klagen der Deutschen Umwelthilfe für mehr Luftqualität in den nordrhein-westfälischen Großstädten anhängig. In insgesamt fünf Fällen hat das Land Revision oder Berufung eingelegt: neben Köln noch Aachen (Revision) sowie jeweils Berufungen für die Fälle in Bonn, Essen und Gelsenkirchen. Ein erstes Vergleichsgespräch mit der Umwelthilfe zum Luftreinhalteplan Essen findet am Mittwoch nichtöffentlich vor dem Oberverwaltungsgericht Münster statt.




Gesellschaft

Mehr Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt


Protest gegen Gewalt an Frauen (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Es ist ein großes Tabu - passiert aber unentwegt: Jeden Tag werden Dutzende Frauen Opfer von Gewalt. Oft in der Partnerschaft. Familienministerin Giffey verspricht mehr Einsatz für den Ausbau von Frauenhäusern.

Mehr als einmal pro Stunde wird in Deutschland statistisch gesehen eine Frau durch ihren Partner gefährlich verletzt. Das geht aus der "Kriminalstatistischen Auswertung zu Partnerschaftsgewalt 2018" des Bundeskriminalamtes hervor, wie Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) zum "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" am 25. November in Berlin sagte. Demnach wurden im vergangenen Jahr insgesamt 140.755 Menschen Opfer versuchter und vollendeter Gewalt. Ein Jahr zuvor waren es noch 138.893 Fälle. Mehr als 81 Prozent der Betroffenen waren laut Statistik Frauen.

Erhoben wurden Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe, Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Die Ministerin nannte die Zahlen "sehr alarmierend" und verwies darauf, dass hier nur von einem "Hellfeld" gesprochen werde. Sie gehe davon aus, dass das Dunkelfeld weitaus größer sei. Denn nicht alle Taten würden zur Anzeige gebracht.

122 Frauen getötet

Insgesamt ist den Angaben zufolge jede dritte Frau mindestens einmal im Leben von Gewalt betroffen. 122 Frauen wurden 2018 laut Statistik durch Partnerschaftsgewalt getötet - damit an jedem dritten Tag eine. 2017 waren es 147.

Gewalt gegen Frauen komme in allen sozialen Schichten und Altersgruppen und in allen ethnischen Gruppen vor, betonte Giffey. Deshalb starte sie die bundesweite Initiative "Stärker als Gewalt" mit dem Ziel, betroffene Frauen und Männer zu ermutigen, sich Unterstützung zu holen, und die Hilfsangebote besser bekanntzumachen.

Mit dem Förderprogramm "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" will die Ministerin in den kommenden vier Jahren ab 2020 insgesamt 120 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern bereitstellen. Derzeit gebe es in Frauenhäusern knapp 7.000 Plätze, nötig seien 20.000. Zuständig sind aber die Länder und Kommunen.

Derweil mehren sich Forderungen nach einem Rechtsanspruch aller von Gewalt betroffenen Frauen auf Schutz. Die Grünen-Fraktion im Bundestag sprach sich für einen Anspruch auf "Geldleistung für den Zweck des Aufenthalts in einem Frauenhaus oder einer vergleichbaren Schutzeinrichtung" aus.

Auch die Frauenrechtskommission UN Women und Schauspielerin Carolin Kebekus mahnt mehr Einsatz für das Recht von Frauen und Kindern auf Schutz vor Gewalt an. Zum Start einer Online-Petition verlangten sie von der Bundesregierung, Frauen und Kindern per Bundesgesetz einen Anspruch auf einen Platz im Frauenhaus zu gewährleisten. "Sieben Frauen werden täglich von ihrem Partner vergewaltigt oder sexuell genötigt. Und zwar in Deutschland", sagte die Schauspielerin und Komikerin Kebekus. UN Women Deutschland kritisierte, Gewalt gegen Frauen sei nach wie vor ein Problem, obwohl die Bundesregierung mit der Istanbul-Konvention im Oktober 2017 ein rechtlich bindendes Instrument zum Schutz von Frauen vor Gewalt ratifiziert habe.

Bei "Catcalling" Solidarität signalisieren

Der Verein Frauenhauskoordinierung forderte darüber hinaus ein striktes Verbot des Umgangs gewalttätiger Väter mit ihren Kindern. Die Rechtsprechung bewerte das Umgangsrecht des Vaters meist noch immer höher als den Gewaltschutz der Mutter, beklagte die Organisation: "Das ist hochgefährlich für betroffene Frauen und für ihre Kinder."

Nach Ansicht von Frauenrechtlerinnen werden Frauen und Mädchen auch bei sexueller Belästigung auf der Straße zu oft alleingelassen. "Zeugen sollten bei Catcalling unbedingt Solidarität signalisieren, aber das passiert in der Regel nicht", sagte Gesa Birkmann von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes dem Evangelischen Pressedienst (epd). Unter den Begriff Catcalling (deutsch: Katzenrufe) fällt jegliche sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Dazu gehören unerwünschte Gesten, Kommentare oder Hinterherpfeifen.



Beauftragter Grübel: Kinder haben auch Recht auf Religionsfreiheit


Markus Grübel (Archivbild)
epd-bild/Jürgen Blume

Der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), hat das Recht auf freie Religionsausübung auch für Kinder betont. "Religionsfreiheit ist kein Menschenrecht zweiter Klasse", sagte Grübel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie dürfe auch in der notwendigen Abwägung gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht aufgegeben werden, sagte er im Hinblick etwa auf die rituelle Beschneidung von Jungen als Teil der muslimischen und jüdischen Religion. Sie gehöre zur religiösen Identität.

Grübel wandte sich gegen die Auffassung, Kinderrechte zielten darauf, Kinder und Jugendliche aus der Obhut von Eltern und sorgeberechtigten Erwachsenen herauszulösen. Das gelte für alle von der Religionsfreiheit geschützten Traditionen, "auch wenn sie uns fremd erscheinen", sagte er.

Kinder "nicht zu kleinen Erwachsenen machen"

Grübel betonte die Verbindung von Kinder- und Elternrechten. "Es ist wichtig, dass sich vor 30 Jahren die UN-Mitgliedsstaaten verpflichtet haben, Kindern mehr Rechte zu gewähren", sagte er. Doch man müsse auch dem Missverständnis entgegentreten, es ginge auch darum, Kinder vor der Einflussnahme Erwachsener zu schützen. "Die Stärkung der Kinderrechte darf nie bedeuten, Kinder zu kleinen Erwachsenen zu machen", sagte er. "Wer dies tut, schadet der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen."

Es sei gut, dass Kinder nach der UN-Konvention auch Beschränkungen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterliegen würden, die sich aus dem Erziehungsrecht und der Erziehungsverantwortung von Eltern und Sorgeberechtigten ergeben.

Durch die Trennung von Eltern und Kindern, wie bei einigen Familien der uigurischen Minderheit in China, wird laut Grübel in einigen Staaten versucht, den Eltern die religiöse Erziehung zu nehmen. "Solche staatlichen Bemühungen weichen das elterliche Erziehungsrecht auf. Das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte er. Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November von der UN-Vollversammlung angenommen.

epd-Gespräch: Franziska Hein (epd)


Keine Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger in NRW

Studierende aus Nicht-EU-Ländern müssen in Nordrhein-Westfalen künftig doch keine Studiengebühren zahlen. Stattdessen sollen Hochschulen ab 2021 pro Jahr 51 Millionen Euro mehr Landesmittel erhalten, wie das Wissenschaftsministerium am 27. November in Düsseldorf mitteilte. Statt 249 Millionen Euro sollen die Hochschulen dann 300 Millionen Euro aus dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre (ZSL) bekommen. Das Geld soll vor allem für mehr Lehrkräfte eingesetzt werden, um das Betreuungsverhältnis zu verbessern.

Die Gebühren für Studierende aus Drittstaaten waren ursprünglich im Koalitionsvertrag von CDU und FDP festgeschrieben. Eine solche Regelung hätte Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) zufolge allerdings mehr Bürokratieaufwand bedeutet. Eine genaue Kosten-Nutzen-Relation der geplanten Gebühren sei nicht zu beziffern. Das zeigt sich dem Ministerium zufolge an den Erfahrungen aus Baden-Württemberg, wo 2017 Gebühren für Studierende aus Drittstaaten in Höhe von 1.500 Euro eingeführt wurden. Die Einnahmen reduzierten sich dort zudem durch die spürbar gesunkene Zahl der Studierenden aus Nicht-EU-Ländern.

Der Zukunftsvertrag Studium und Lehre wird aus Landes- und Bundesmitteln finanziert. Der Vertrag ist der Nachfolger des Hochschulpaktes. Der Bund soll dafür von 2021 bis 2023 jährlich knapp 1,9 Milliarden Euro und ab 2024 jährlich mehr als zwei Milliarden Euro bereitstellen. Von den Ländern kommen Mittel in gleicher Höhe.



Land fehlen Lehrer für Unterricht in Flüchtlingsunterkünften

Der Staatssekretär Andreas Bothe vom NRW-Integrationsministerium hat Defizite bei der Beschulung von Flüchtlingskindern in Asylunterkünften eingeräumt. Das Ministerium suche derzeit 50 Lehrer für die Unterrichtung der Kinder in den landesweit Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE), sagte Bothe auf dem diesjährigen "Asylpolitischen Forum" in Schwerte. Wegen der dezentralen Lage der Unterkünfte erweise sich das in der Praxis oft schwieriger als erwartet.

Kirsten Eichler vom Flüchtlingsrat Münster hatte zuvor die Ausweitung der Unterbringungsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen kritisiert. Sie forderte, zu der vorherigen Praxis zurückzukehren, Asylbewerber möglichst schnell den Kommunen zuzuweisen. So könnten die Kinder möglichst schnell in eine Regelschule gehen und den Familien die Integration erleichtert werden.

"Umdenken zur Integration" angemahnt

Auch Bothe sprach sich für ein "Umdenken zur Integration" aus. Vor allem in den Ausländerämtern in den Landkreisen sollte ein Mentalitätswechsel stattfinden, sagte er. Vielfach verstünden sie ihre Aufgabe noch darin, Ausländer möglichst abzuweisen. Für gut integrierte Geflüchtete müsse es einen Rechtsstatus geben, der ihnen den weiteren gesicherten Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen erleichtere, forderte der FDP-Politiker. Allerdings erwiesen sich viele Landräte "als nicht sehr kooperativ".

Der Staatssekretär versicherte, dass das das NRW-Integrationsministerium auch weiterhin den Dialog mit den in der Asylarbeit tätigen Institutionen und Beratungsstellen suchen werde. Die Landesregierung stehe hier zu ihrer Entscheidung, keine Ankerzentren wie in Bayern, Sachsen und im Saarland einzurichten, sagte Bothe auf dem Asylpolitischen Forum. Die Evangelische Akademie Villigst im Institut für Kirche und Gesellschaft der westfälischen Kirche lädt jedes Jahr im Dezember dazu ein, um aktuelle Streitthemen im Flüchtlingsrecht zu behandeln.

Nein zur Ankerzentren

Deutlich distanzierte sich Bothe zudem von der Regelung im sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), das Abschiebe-Gefangene in den kommenden drei Jahren auch in regulären Haftanstalten untergebracht werden dürfen. Zudem verurteilte er den Ausschluss von Sozialleitungen bei in anderen EU-Staaten anerkannten Flüchtlingen, um die Menschen zur Ausreise zu zwingen. Bothe nannte die Kürzungen im Asylbewerberleistungsgesetz "verfassungswidrig". Sie würden einer gerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten, erklärte der Jurist.



Neustart für EU-Migrationspolitik gefordert

Zivilgesellschaftliche Organisationen aus sechs europäischen Ländern haben von der EU-Kommission einen Neustart der Asyl- und Migrationspolitik auf der Grundlage geltender Konventionen und Grundrechte gefordert. Nötig sei unter anderem ein EU-weiter Flüchtlingsstatus, das bedingungslose Recht auf faire Asylverfahren und eine gerechte Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten, heißt es im "Berliner Aktionsplan", der am 25. November unter anderem von der Diakonie Deutschland, der französischen Organisation France Terre d'Asile und der Heinrich-Böll-Stiftung präsentiert wurde.

EU-Institutionen und Regierungen sollten "in ein postpopulistisches Zeitalter eintreten und mit Gelassenheit und Augenmaß zu einer vernünftigen Sachpolitik zurückkehren", fordern die rund 30 Unterzeichner-Organisationen. "Wir brauchen eine auf Menschenrechten und Flüchtlinsschutz basierte Asyl- und Migrationspolitik, die von allen Mitgliedsstaaten getragen wird", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, betonte: "Migration ist keine Gefahr für Europa. Sie kann ein großer Gewinn sein, wenn es gelingt, diese in humanitäre und geordnete Bahnen zu lenken."

Thierry Le Roy, Präsident von France Terre d'Asile sagte, dass es bei einem Neustart der Asyl- und Migrationspolitik insbesondere auf das deutsch-französische Tandem ankomme. Der "Berliner Aktionsplan" wurde im Rahmen einer Konferenz von europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen verabschiedet. Am 01. Dezember nimmt die neue EU-Kommission voraussichtlich ihre Arbeit auf.



"Ärzte ohne Grenzen" prangert Leid in griechischen Lagern an

"Ärzte ohne Grenzen" prangert katastrophale Bedingungen und Leid in griechischen Flüchtlingslagern an. In einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU protestiert die Hilfsorganisation zudem gegen Pläne Griechenlands, Asylsuchende in geschlossenen Camps unterzubringen. "Stoppen Sie diesen Wahnsinn", heißt es in dem am 27. November veröffentlichten Schreiben des internationalen Präsidenten Christos Christou.

Nach einem Besuch auf den Inseln Lesbos und Samos stellte Christou bei einer Pressekonferenz in Brüssel seinen Protestbrief vor und berichtete von unfassbaren Zuständen. In dem Schreiben, das auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verschickt wurde, beschreibt der Arzt, wie Verzweiflung einen zwölfjährigen Jungen dazu getrieben habe, sich wiederholt mit einem Messer selbst am Kopf zu verletzen. Ein neunjähriges Mädchen aus Afghanistan habe nach mehreren Monaten auf Lesbos aufgehört zu reden und zu essen. "Diese Kinder haben Krieg und Verfolgung überlebt", erklärt Christou. "Aber viele Monate an einem unsicheren und erbärmlichen Ort wie Moria waren zu viel für viele unserer kleinen Patientinnen und Patienten und haben sie in Selbstverletzung und Suizidgedanken getrieben."

"Stoppen Sie den Wahnsinn"

Mit Blick auf das Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei aus dem Jahr 2016 schreibt Christou an die Staats- und Regierungschefs: "Anstatt das aufgrund Ihres Handelns verursachte Leid einzuräumen, fordern Sie eine immer nachdrücklichere Durchsetzung des EU-Türkei-Deals. Sie ziehen sogar noch brutalere Maßnahmen in Betracht, wie die jüngst von der griechischen Regierung angekündigten Pläne, die Hotspots in Internierungslager umzuwandeln und Abschiebungen zu beschleunigen. Stoppen Sie diesen Wahnsinn." Das EU-Türkei-Abkommen sieht vor, dass in Griechenland anlandende Bootsflüchtlinge wieder in die Türkei zurückgeschickt werden.

"Ärzte ohne Grenzen" leistet seit 2015 medizinische Hilfe für Asylsuchende auf den griechischen Inseln. Über die vergangenen Jahre habe sich die humanitäre Situation weiter verschlechtert, betont Christou. Eine Frau, ein Kind und ein neun Monate altes Baby seien allein in den vergangenen drei Monaten gestorben, wegen unsicherer und entsetzlicher Bedingungen und wegen des Fehlens grundlegender Unterstützung. "Sie suchten Sicherheit in Europa und fanden den Tod in einem europäischen Aufnahmelager."

Diese "himmelschreiende Missachtung der Menschenwürde" könne seine Organisation nicht akzeptieren, begründete Christou den Brief. "Es gibt wenig, was unsere Teams vor Ort tun können, um diesen Kreislauf des Leidens zu stoppen", erklärt er und appelliert an die EU-Staaten: "Es liegt in Ihren Händen. Sie müssen den politischen Willen haben, zu handeln, und zwar jetzt. Diese menschliche Tragödie muss aufhören."



Verfolgung der Uiguren in China: Maas fordert Konsequenzen


Peking lockt gezielt ethnische Chinesen und deren Firmen in die Provinz Xinjiang, wo die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren lebt. Hier ist das alte und das neue Kashgar zu sehen.
epd-bild / Ruth Fend
Berichte über die systematische Unterdrückung religiöser Minderheiten in China sorgen für Empörung. Außenminister Maas verlangt Transparenz und den Zugang für unabhängige Experten. Uiguren rufen Deutschland zu mehr Engagement auf.

Angesichts der Berichte über die systematische und massenhafte Verfolgung der uigurischen Minderheit in China dringt Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf Konsequenzen. "Wenn tatsächlich Hunderttausende Uiguren in Lagern festgehalten werden, dann kann die internationale Gemeinschaft davor nicht die Augen verschließen", sagte Maas der "Süddeutschen Zeitung" (26. November). Der Vizepräsident des Weltkongresses der Uiguren, Asgar Can, forderte mehr Engagement von Deutschland. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sprach sich für Reise- und Finanzsanktionen der EU gegen Verantwortliche in China aus.

Das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten hatte unter Beteiligung von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR Dokumente über ein Lagersystem in Xinjiang im Nordwesten von China veröffentlicht. Demnach werden dort etwa eine Million Uiguren gegen ihren Willen festgehalten. Die muslimische Minderheit solle ihrer Religion abschwören und sich der Ideologie der Kommunistischen Partei unterwerfen.

"Universell gültig"

Maas betonte, nötig seien nun Transparenz und "vor allem unabhängiger Zugang zu der Region", etwa für die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. "Menschenrechte sind nicht verhandelbar und universell gültig", sagte Minister.

Can sagte, in China solle ein ganzes Volk ausgelöscht beziehungsweise umerzogen werden. "Westliche Länder, vor allem Deutschland, müssen da wirklich ein Zeichen setzen und das nicht einfach so hinnehmen, erklärte der Vizepräsident des Weltkongresses der Uiguren am Dienstag im WDR5-"Morgenecho". Die Rechte der Uiguren und auch anderer Nationalitäten würden in China mit den Füßen getreten. Es gebe kaum eine uigurische Familie, die nicht Angehörige im Gefängnis oder in einem Straflager habe.

Can berichtete beispielhaft von Schilderungen eines Betroffenen, der acht Monate in einem Straflager verbracht hatte. Demzufolge müssten Gefangene dort ständig kommunistische Texte auswendig lernen und rezitieren, regimeverherrlichende Lieder singen und die chinesische Regierung und Herrschaft loben. Wer dies nicht tue, erhalte kein Essen beziehungsweise werde in Einzelzellen gefoltert, sagte Can. Grundsätzlich sei es sehr selten, dass Menschen aus diesen Lagern zurückkehrten. Wenn sie es täten, erhalte man kaum Kontakt zu ihnen. "Wir sind verzweifelt", betonte der Uiguren-Sprecher, der seit den 90er Jahren in Deutschland lebt.

Einreiseverbot gefordert

GfbV-Direktor Ulrich Delius sagte, wer Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehe, solle nicht in die Europäische Union einreisen dürfen. "Europa darf nicht zulassen, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen in China ungeahndet bleiben", erklärte er in Göttingen. So müssten der frühere Sicherheitschef der Region Xinjiang/Ostturkestan, Zhu Hailun, dessen Nachfolger Wang Junzheng und Xinjiangs Parteisekretär Chen Quanguo an der Einreise nach Europa gehindert werden. Die Berichte hätten deutlich gemacht, dass die drei Männer für die Verfolgung muslimischer Nationalitäten maßgeblich verantwortlich seien, sagte Delius.



Friedenspreis für einen Traumweber

Damals britisch, heute kenianisch: Der Schriftsteller Ngugi wa Thiong'o prangert Machtmissbrauch durch die herrschende Klasse schonungslos an. Für sein Werk erhält der 81-Jährige den Friedenspreis der Stadt Osnabrück.

Das Erbe der Kolonialzeit ist das Thema seines Lebens: Als James Ngugi wa Thiong'o jung war, schloss sich sein Bruder dem Mau-Mau-Aufstand gegen die britische Kolonialmacht an. Als er englische Literatur studierte, zogen die Briten ab. "Ich schrieb mich als kolonialer Untertan 1959 am Makerere ein und ging 1964 als Bürger des unabhängigen Kenia ab", schrieb Ngugi in seiner Autobiographie "Geburt eines Traumwebers" über seine bewegte Studienzeit an der renommierten Makerere-Universität im ugandischen Kampala. Was seit der Unabhängigkeit Kenias geschah, hält Ngugi in Texten fest.

Am 29. November wurde er dafür mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück ausgezeichnet. Da Ngugi krank ist, nahm den Preis sein Freund, der kenianische Dichter und Publizist Abdilatif Abdalla entgegen.

Kandidat für Nobelpreis

Ngugi, der am 5. Januar 1938 unweit des kenianischen Ortes Limuru geborene Bauernsohn, zählt zu den wichtigsten Autoren Afrikas und wird jährlich aufs Neue für den Literaturnobelpreis gehandelt. Als junger Mann veröffentlichte er sein erstes Buch "Weep not, child" (Deutsch: "Abschied von der Nacht") - der erste Roman eines Ostafrikaners überhaupt, wie es in der Sekundärliteratur heißt. Darin und in seinen folgenden Werken beschreibt er die herrschende Klasse als skrupellos - damals britisch, heute kenianisch. Daraus, dass er den aktuellen Präsidenten Uhuru Kenyatta dazu zählt, macht er keinen Hehl.

Vor dessen Wahl 2013 warnte der Autor vor den Risiken des anstehenden Generationenwechsels an der Staatsspitze. Während der aus dem Amt scheidende Mwai Kibaki die Folgen des totalitären Kolonialismus am eigenen Leib erfahren habe, sei dies bei der nun folgenden Politikergeneration nicht der Fall: "Dies kann sie leichtgläubig machen gegenüber den Machenschaften des von Wirtschaftsinteressen getriebenen Westens, zumal weil ihnen die nationale Vision fehlt." Nach der Wahl schrieb er, der eigentliche Gewinner sei Ex-Diktator Daniel arap Moi, dessen System aus Speichelleckerei und Korruption fortbestehe.

Uhurus Vater Jomo Kenyatta und sein Nachfolger Moi waren es, die Ngugi ins amerikanische Exil trieben. Davor wurde er verhaftet und gefoltert, weil er nach seiner Rückkehr von der Uni 1977 in seinem Heimatdorf ein selbst geschriebenes Theaterstück aufführte. "Ich heirate, wann ich es will" war eine schonungslose Abrechnung mit den ersten Jahren der Unabhängigkeit. "Man hätte denken sollen, dass die Regierung es begrüßt, wenn Intellektuelle und die Dorfbevölkerung in Kontakt treten", sagte Ngugi. "Stattdessen holten sie den Vorschlaghammer raus, zerstörten alles und warfen mich ins Gefängnis."

Schrieb auf Toilettenpapier

Dort schrieb Ngugi auf Toilettenpapier seinen autobiografischen Roman "Der gekreuzigte Teufel" - das erste Buch in seiner Geburtssprache Kikuyu, in der er bis heute schreibt, obwohl er seit mehr als 30 Jahren in den USA lebt und an der Universität von Irvine in Kalifornien lehrt. Dabei geht es Ngugi um mehr als nur um das Prinzip. "Meine Familie hat mich zur Universität geschickt, damit ich mit meinem Wissen die Gemeinschaft stärke", sagt er. Doch das Studium in Kolonialsprachen entferne die Intelligenz zwangsläufig vom Volk. "Der Botschafter wird zum Gefangenen, er kehrt nie zurück - er bleibt innerhalb der Sprache gefangen."

Ngugis Aufruf zu einer "Dekolonisierung des Denkens" ist bis heute aktuell. Seine gleichnamige Essay-Sammlung aus den 80er Jahren ist erst kürzlich ins Deutsche übersetzt worden. Dass ausgerechnet das kenianische Parlament ein Gesetz beschloss, das den Gebrauch afrikanischer Sprachen in offiziellen Stellen verbietet, sieht er als Symbol dafür, dass die regierende Elite die Kluft zum Volk pflegt. Seine Memoiren in drei Bänden zeichnen ein ähnliches Bild: Postkoloniale Politik und Ngugis Lebensweg sind darin eng verzahnt.

In seinem Spätwerk "Der Herr der Krähen" rechnet Ngugi in Form eines satirischen Märchens mit den Autokraten seiner Heimat ab. Während in dem Roman der "Herrscher" der fiktionalen Republik Aburiria sich einzig um globale Gelder sorgt, um ein "Superweltwunder" zu errichten, herrscht unter ihm eine Kaste aus machtgierigen Gefolgsleuten, die zu ihrem Vorteil den Rest der Bevölkerung unterdrücken und absurdeste Gesetze erlassen.

"Egal welche Mächte dich unterdrücken, bleib nicht unten", betont Ngugi, und für solch einen Satz könnte er in Kenia heute schon wieder Ärger bekommen. Den Politikern seines Heimatlandes wirft er offen vor, den Staat als Selbstbedienungsladen zu missbrauchen. Dass er 2004 während seines ersten Besuchs in Kenia nach 22 Jahren bei einem brutalen Überfall ausgeraubt und seine Frau vergewaltigt wurde, halten nicht wenige in Kenia für die Rache jener Kaste, die Ngugi kritisiert. Seine Stimme erhebt der Autor dennoch weiter.

Marc Engelhardt (epd)


Marion-Dönhoff-Preis für Donald Tusk und "Fridays for Future"

Donald Tusk wisse, dass Europa der beste Platz auf Erden sei, sagte Laudator Joachim Gauck. Für sein Engagement erhielt der bisherige EU-Ratspräsident den Marion-Dönhoff-Preis. Der Förderpreis ging an die Klimaaktivisten von "Fridays for Future".

Donald Tusk, bis zum 1. Dezember amtierender EU-Ratspräsident, ist am 1. Dezember in Hamburg mit dem Marion-Dönhoff-Preis für internationale Verständigung und Versöhnung ausgezeichnet worden. Den Förderpreis erhielt die Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future". Die Auszeichnungen sind mit jeweils 20.000 Euro dotiert. Laudatoren waren Alt-Bundespräsident Joachim Gauck und die Ökonomin Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen.

Gauck sagte in seiner Laudatio vor mehr als 1.100 geladenen Gästen im Deutschen Schauspielhaus, Donald Tusk wisse, dass Europa der beste Platz auf Erden sei. Er wisse aber auch, dass dieser Platz "Renovierungsarbeiten, neue Wege und Anlagen, neue Ideen und neue Transparenz" brauche. Europa benötige Planer, die energisch durchzugreifen vermögen, ohne in Extreme zu verfallen. "Ich bin glücklich, Sie auch in Zukunft an einer Stelle zu wissen, an der Sie auf diese Regierungsarbeit Einfluss nehmen können", sagte der Alt-Bundespräsident.

EU müsse solidarisch sein

Tusk betonte in seiner Dankesrede, dass die Europäische Union solidarisch sein müsse. Sie müsse "ihre kleineren und schwächeren Mitglieder verteidigen, opferbereit sein und sich an die Regel halten: einer für alle und alle für einen". Diese Solidarität gelte auch den kommenden Generationen, die sich für den Schutz der Umwelt und des Klimas einsetzen. Und sie gelte "denen außerhalb der Union, die Teil davon werden wollen und bereit sind, unsere Werte zu respektieren".

Göpel überreichte den Preis an "Fridays for Future". "Wir ehren sie dafür, dass sie uns helfen, die Verschwendung und Achtlosigkeit unserer Tage überhaupt ernsthaft anzuschauen", sagte sie. "Fridays for Future" habe es geschafft, global und solidarisch zu denken "in Zeiten, in denen der eigene Fuhrpark und das Schnitzel gar nicht groß und billig genug sein können".

Die Jury hatte sich nach eigenen Worten für Tusk entschieden, weil er als polnischer Ministerpräsident und Abgeordneter "einen bedeutenden Beitrag zum Aufbau eines demokratischen und freien Polens geleistet" habe. Als Präsident des Europäischen Rates habe er sich "in herausragender Weise" für die Integration Europas und die Annäherung von Ost- und Westeuropa eingesetzt, hieß es.

"Eine ganze Generation mobilisiert"

"Fridays for Future" habe durch die weltweiten Schüler-Proteste auf die dramatischen Folgen des Klimawandels aufmerksam gemacht, erklärte die Jury weiter. Die Bewegung habe länderübergreifend "eine ganze Generation mobilisiert, für unsere gemeinsame Zukunft zu kämpfen".

Gestiftet wird der zum 17. Mal vergebene Preis von der "Zeit", der "Zeit"-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Marion Dönhoff Stiftung. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) war "Zeit"-Chefredakteurin und Herausgeberin.



Landtag feiert 2020 "NRW-Verfassungsjahr"

Der nordrhein-westfälische Landtag feiert 2020 ein "NRW-Verfassungsjahr". Mit einer Festveranstaltung am 18. Juni, einem Parlamentsgespräch, einem Video- und einem Kunstwettbewerb und Aktionstagen soll das 70-jährige Bestehen der Landesverfassung begangen werden, teilte Landtagspräsident André Kuper (CDU) am 26. November in Düsseldorf mit.

Damit wolle man das zentrale Rechtsdokument des Landes stärker ins Bewusstsein rücken, sagte Kuper. Die NRW-Verfassung "benennt an einigen Stellen weitergehende Rechte als das Grundgesetz und ist die Grundlage der Demokratie in unserem Bundesland". Nach dem Beschluss der Landesregierung und der Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger am 18. Juni 1950 per Volksentscheid trat die NRW-Verfassung am 11. Juli 1950 in Kraft.

Bei dem Videowettbewerb können Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 sich filmisch mit der Bedeutung der Verfassung für das eigene Leben auseinandersetzen. Die Preise sind mit insgesamt 3.000 Euro dotiert. Bei dem Kunstwettbewerb sollen Studierende der NRW-Kunsthochschulen die Verfassung künstlerisch interpretieren. Die Ergebnisse will der Landtag mit einer Ausstellung im Frühjahr 2020 in der Wandelhalle zeigen. Kinder und Jugendliche, die im kommenden Jahr an einer Führung durch das Landesparlament teilnehmen, sollen zudem ein Mini-Exemplar der Landesverfassung bekommen.



Fünf Polizisten in NRW unter "Reichsbürger"-Verdacht

Die Polizei ist die Hüterin von Recht und Gesetz. Doch fünf Beamte aus NRW werden verdächtigt, zu den sogenannten Reichsbürger zu gehören. Die Szene zweifelt die Existenz Deutschlands an, manche von ihnen gelten als rechtsextremistisch.

Gegen fünf Polizisten in Nordrhein-Westfalen laufen derzeit Disziplinarverfahren wegen "reichsbürgerlicher Aktivitäten". Zwei von ihnen seien bereits im Ruhestand, zwei andere seien vom Dienst suspendiert, teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 29. November mit. In dem fünften Fall sei die Klage auf Entlassung des Beamten abgewiesen worden, das Disziplinarverfahren gehe aber weiter.

Die Kreispolizeibehörden in NRW sind zudem seit Monaten dabei, sogenannte Reichsbürger zu entwaffnen, wie das Bielefelder "Westfalen-Blatt" (Freitag) zuerst berichtet hatte. Bis Ende Juni sei 80 "Reichsbürgern" die Waffenerlaubnis entzogen worden. Zugleich hätten die Behörden Kenntnis von weiteren 82 Waffenscheinen in den Händen mutmaßlicher Angehöriger dieser Gruppe.

Schwerpunkte der Szene vor allem im ländlichen Raum

Rund 3.200 Menschen rechnet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz der Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter zu. 100 davon stuft die Behörde als rechtsextrem ein. Schwerpunkte seien ländliche Regionen, vor allem im Raum Ostwestfalen, Lippe, Soest, Hochsauerlandkreis und im Großraum Köln.

"Reichsbürger" leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat. Sie sind davon überzeugt, dass Deutschland noch immer in den Grenzen des Kaiserreiches oder in denen von 1937 fortbesteht. Sie weigern sich mit dieser Begründung unter anderem, Steuern und Bußgelder zu zahlen sowie Gerichtsbeschlüsse anzuerkennen. Einige der bundesweit rund 19.000 sogenannten Reichsbürger stuft der Verfassungsschutz als rechtsextremistisch ein.



Forscher: Ahnenstätte hat Verbindungen zu Rechtsextremismus


Ehemalige Totenkammer mit Deutschvolk-Adler über dem Eingang auf der "Ahnenstätte Seelenfeld"
epd-bild/Thomas Krueger

Die umstrittene "Ahnenstätte" in Seelenfeld im westfälischen Petershagen weist neuesten Forschungen zufolge offenbar Verbindungen zu der als rechtsextremistisch eingestuften Vereinigung "Artgemeinschaft" auf. Eine in diesem Jahr erschienene Zeitschrift der neuheidnisch ausgerichteten Gruppierung rate ihrer Klientel zu einer Bestattung auf dem Privatfriedhof, berichteten die Historiker Karsten Wilke und Thomas Lange am 25. November in Petershagen. Die Stadt hatte die Untersuchung zu Geschichte und Gegenwart der "Ahnenstätte" in Auftrag gegeben, die bald veröffentlicht werden soll.

Bürgermeister regt Informationstafel an Privatfriedhof

Petershagen grenze sich strikt von jeglichen rechtsextremen und völkischen Tendenzen ab, betonte Bürgermeister von Dieter Blume (CDU). Mit der wechselvollen Geschichte der Stadt pflege man einen offenen Umgang. Blume sprach sich für eine rasche Veröffentlichung des Forschungsberichts und ein Symposium zur weiteren Aufarbeitung aus. Die Hintergründe der sogenannten Ahnenstätte müssten zudem auf Informationstafeln an der Anlage "klargestellt" werden.

Bereits die Entstehungsgeschichte der sogenannten Ahnenstätte um 1930 sei klar von einem antisemitisch-rassistisch dominierten Weltbild ihrer Gründer geprägt gewesen, erklärten die Historiker Wilke und Lange. Sie sei kein bürgerschaftliches Projekt der früheren Dorfbewohner von Seelenfeld gewesen. Vielmehr sei damals die demokratiefeindliche Ideologie des Ex-Weltkriegsgenerals Erich Ludendorff und seiner Frau Mathilde "planvoll durchgesetzt" worden. Die Ahnenstätte stellte nach Einschätzung der Historiker damit eine "deutsch-völkische Gegenwelt" gegen das "christlich-protestantische Milieu" dar.

Schon während der NS-Zeit und ab den 1950er Jahren habe sich das Einzugsgebiet der Ahnenstätte weit über Ostwestfalen-Lippe hinaus ins gesamte Bundesgebiet ausgeweitet, hieß es. Die Verbindungen zum 1937 von Mathilde Ludendorff gegründeten, vorübergehend verbotenen und inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten "Bund für Gotterkenntnis" seien offensichtlich.

Netzwerk der Holocaust-Leugnerin Haverbeck

Auch gebe es eine Reihe von Akteuren, die sich in Vergangenheit und Gegenwart dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuordnen ließen. Namentlich nannten die Historiker den Landschaftsarchitekten Wolfram Schiedewitz aus Niedersachsen, der als Vorsitzender des geschichtsrevisionistischen Vereins "Gedächtnisstätte" fungiert, und den Trauerredner Gerd Rothe aus Bad Oeynhausen. Er gelte als Mitglied der "Artgemeinschaft" und verfüge wie Schiedewitz über enge Bindungen zum Netzwerk des früheren Schulungszentrums "Collegium Humanum" in Vlotho, das von der mehrfach verurteilten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck und ihrem Mann geleitet worden war. Die in den 60er Jahren gegründete rechtsextreme Vereinigung wurde 2008 verboten.

Das Forschungsprojekt habe gezeigt, dass die Ahnenstätte in Seelenfeld ebenso wie ihr Träger, der "Ahnenstättenverein Niedersachsen", keineswegs unpolitisch seien, sagten Lange und Wilke. Der Verein, dem seit 1937 die Anlage gehört, vermeide bewusst eine Thematisierung der eigenen Geschichte und eine Erklärung des Ortes. Nach Angaben der Historiker hatte der Ahnenstättenverein ihnen den Einblick in seine Akten verweigert.

Der nahe der Grenze von Westfalen zu Niedersachsen gelegene Privatfriedhof wurde von Anhängern der völkischen Ludendorff-Bewegung auf einem ehemaligen germanischen Hügelgräberfeld gegründet. Ein Journalist hatte im Juni 2017 auf einem Mitgliedertreffen des "Ahnenstättenverein Niedersachsen" den rechtsextremen Aktivisten Schiedewitz ausgemacht und die Debatte über die Ahnenstätte ausgelöst.



Neue Direktorin des Jüdischen Museums Berlin berufen

Nach dem unerwarteten Rücktritt des Direktors des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, Mitte des Jahres, ist eine Nachfolgerin gefunden. Jetzt hoffen viele, dass das Museum wieder in ruhigere Fahrwasser kommt.

Die Museumsmanagerin und langjährige Chefkuratorin des Jüdischen Kulturviertels in Amsterdam, Hetty Berg, wird neue Leiterin des Jüdischen Museums Berlin. Der Stiftungsrat des Museums berief die 58-Jährige am 26. November in Berlin einstimmig zur neuen Direktorin, wie die Vorsitzende des Stiftungsrates, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), mitteilte. Berg soll die Leitung des Hauses am 1. April 2020 übernehmen. Sie ist damit Nachfolgerin von Peter Schäfer, der nach harscher Kritik an Äußerungen seiner Pressestelle über die israelkritische BDS-Bewegung Mitte Juni von seinem Amt zurückgetreten war.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte die Entscheidung. Präsident Josef Schuster, der Mitglied der Findungskommission war, erklärte: "Mit Hetty Berg haben wir eine Person für die Leitung des Jüdischen Museums Berlin gefunden, die sowohl eine hohe Qualifikation als Museums-Managerin als auch als Kuratorin von Ausstellungen mitbringt." Er gehe davon aus, dass sie in ihrer neuen Position auch "Empathie für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland und Israel aufbringen wird". "Wir hoffen, dass das Haus mit ihr an der Spitze wieder in ruhigere Fahrwasser kommen wird", betonte Schuster.

Neue Impulse

Grütters erklärte, die Berufung von Hetty Berg werde dem Jüdischen Museum Berlin nach innen wie außen neue Impulse verleihen. "Mit Hetty Berg haben wir eine international erfahrene Museumsexpertin gewonnen." Sie widme sich seit Jahrzehnten der Vermittlung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion. "Als Chefkuratorin des Jüdischen Kulturviertels in Amsterdam hat sie ihre Führungsstärke in komplexen Organisationen erfolgreich unter Beweis gestellt", erklärte Grütters.

Hetty Berg wurde 1961 in Den Haag geboren, studierte Theaterwissenschaften in Amsterdam und Management in Utrecht. Von 1989 an war sie als Kuratorin und Kulturhistorikerin am Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam tätig. Seit 2002 arbeitete Berg den Angaben zufolge als Museumsmanagerin und Chefkuratorin des Jüdischen Kulturviertels in Amsterdam, zu dem neben dem Jüdischen Historischen Museum auch das Kindermuseum, die Portugiesische Synagoge, das Nationale Holocaust-Museum und die Gedenkstätte Hollandsche Schouwburg gehören.



Thomas Kreyes wird Geschäftsführer der Vogelsang IP

Thomas Kreyes wird Geschäftsführer des Tagungs- und Kulturzentrums Vogelsang IP in der Eifel. Die Gesellschafterversammlung habe den ehemaligen RTL-Generalsekretär einstimmig zum Nachfolger von Albert Moritz bestimmt, teilte der Kreis Euskirchen am 26. November mit. Der 54-Jährige folgt auf Albert Moritz, der die Position zum 6. April 2020 auf eigenen Wunsch abgibt. Moritz war elf Jahre Geschäftsführer des Bildungszentrums in der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang.

Mit seiner Erfahrung als Geschäftsleiter und seinen Kenntnissen in den Bereichen Medien, Kommunikation und Marketing bringe Kreyes "all das mit, was wir für diese Position erwarten", sagte Jürgen Rolle, der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung. Der 54-Jährige ist zudem Medienkoordinator beim Bistum Mainz. Kreyes wurde 1965 in Würzburg geboren und studierte Wirtschaftswissenschaften sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Mainz.

Vogelsang, die ehemalige Schulungsstätte für den Nachwuchs der NSDAP-Führung, steht heute teilweise unter Denkmalschutz. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände erst als britischer, dann als belgischer Truppenübungsplatz genutzt. Seit 2006 entwickelt sich ein neuer Ort: Die heutige Vogelsang IP versteht sich nach eigenen Angaben als internationaler Platz für Toleranz, Vielfalt und friedliches Miteinander. In einem Besucherzentrum wird neben einer Ausstellung über die Natur in der Eifel auch eine Dauerausstellung über die NS-Zeit gezeigt.

Die NS-Dokumentationsstätte wird von den Kommunen der Region und vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) getragen. Betreiber des Naturparks ist das Nationalparkforstamt Eifel, das zum Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen gehört.



Türkei: Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch für Steudtner

Im Prozess gegen Menschenrechtsaktivisten in der Türkei hat die Staatsanwaltschaft Freispruch für den Berliner Peter Steudtner beantragt. Das berichteten Menschenrechtsorganisationen, die den Prozess in Istanbul beobachten, am 27. November. Nach Angaben von Amnesty International droht mehreren Mitangeklagten jedoch weiterhin Haft. Zu ihnen gehört der Ehrenvorsitzende der Organisation in der Türkei, Taner Kilic.

Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, kritisierte die "haltlosen Terrorismus-Vorwürfe", für die es keinerlei Beweise gebe. Die Anträge auf Freispruch für Steudtner zeigten, das nur fortwährender internationaler Druck helfe. Deshalb müssten sich die Bundesregierung und andere Staaten umgehend für einen Freispruch von Kilic und den anderen von Haftstrafen bedrohten Angeklagten einsetzen. Der nächste Prozesstag ist für den 19. Februar 2020 anberaumt.

Steudtner, der als Trainer für Menschenrechtsorganisationen arbeitet, war am 5. Juli 2017 während eines Seminars in der Türkei zusammen mit anderen Teilnehmern verhaftet worden. Die zehnköpfige Gruppe wurde als "Istanbul 10" bekannt. Die Anklage der türkischen Justiz lautet Steudtner zufolge auf Unterstützung und Finanzierung von drei bewaffneten terroristischen Organisationen. Der Prozess findet in seiner Abwesenheit statt.




Soziales

Mehr Geld für NRW-Kitas: Landtag beschließt KiBiz-Reform


Kinder beim Experimentieren in einer evangelischen Kindertagesstätte in Espelkamp (Archivbild)
epd-bild/Uwe Lewandowski
Die einen feiern es als Meilenstein, die anderen sprechen von einer Enttäuschung: CDU und FDP haben das Kinderbildungsgesetz durch den Landtag gebracht. Die Reaktionen sind geteilt, die Opposition sagt neuen Reformbedarf voraus.

Nach langem und hartem Ringen hat der nordrhein-westfälische Landtag am 29. November die schwarz-gelbe Reform des Kinderbildungsgesetzes in dritter Lesung endgültig beschlossen. Während CDU und FDP die KiBiz-Novelle als großen Fortschritt für die kindliche Bildung feierten, kritisierte die Opposition die Änderungen als zu kleinteilig und prophezeite weitere Reformen. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus.

Das Gesetz sieht für die rund 10.000 Kindertagesstätten ab August jährlich 1,3 Milliarden Euro mehr Geld vor. Neben dem letzten Kita-Jahr wird auch das vorletzte beitragsfrei gestellt. Mit den zusätzlichen Geldern, die zu einem großen Teil aus dem "Gute-Kita-Gesetz" des Bundes kommen, soll auch die Finanzierung neuer Kita-Plätze sichergestellt werden. Neu ist auch eine Ausweitung der Öffnungszeiten zur Entlastung berufstätiger Eltern.

Minister Stamp spricht von "Meilenstein", SPD enttäuscht

NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) nannte das Gesetz einen Meilenstein für die frühkindliche Bildung, es gebe nun mehr Chancen für alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft. Auch die CDU erklärte, die Betreuungsqualität werde nun deutlich verbessert. Die Regierungsfraktionen warfen SPD und Grünen vor, sie seien durch ihre frühere Regierungspolitik für eine strukturelle Unterversorgung des Kita-Systems verantwortlich.

Die SPD nannte das Gesetz dagegen eine große Enttäuschung und forderte einen grundlegenden Systemwechsel: "Wir müssen weg von den Kindpauschalen hin zu einer sicheren Einrichtungsfinanzierung", sagte der familienpolitische Sprecher Dennis Maelzer. Eine Sockelfinanzierung von rund 500 Millionen Euro würde für mehr Qualität der Betreuung und Planungssicherheit bei Trägern und Beschäftigten sorgen.

Maelzer verlangte zudem, die Eigenanteile auch bei den freien Trägern deutlich zu senken und Kita-Gebühren abzuschaffen, "die Spielräume dafür sind da". Ein Änderungsantrag der SPD, die am Vortag die dritte Lesung beantragt hatte, wurde jedoch abgelehnt. Josefine Paul von den Grünen kritisierte ebenfalls, der Landesregierung seien "nicht alle Träger gleich heilig". Für eine grundlegende Reform anstelle des beschlossenen "Reförmchens" müssten zudem landesweit einheitliche Kita-Beiträge eingeführt werden.

Freie Träger warnen vor Schließungen

Freie Träger wie Kirchen und Wohlfahrtsverbände sowie Kita-Beschäftigte warnen seit längerem vor Schließungen von Einrichtungen, weil die Grundprobleme der Unterfinanzierung und der Arbeitsbelastung der Mitarbeiter bestehen blieben. "Die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher finden in diesem Gesetz keine ausreichende Berücksichtigung", erklärte der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Dortmund. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen derzeit rund 15.600 Vollzeit-Fachkräfte.

Land und Kommunen wollen für mehr Kita-Personal jährlich 750 Millionen Euro zusätzlich aufbringen. Außerdem sollen die Auszubildenden im Praxisjahr mehr Geld bekommen, um den Beruf attraktiver zu machen. Der Städtetag Nordrhein-Westfalen begrüßte die Änderungen, sprach aber auch von einem "erheblichen finanziellen Kraftakt" für die Kommunen. Die Städte würden nun "genau darauf achten, dass es keine weiteren finanziellen Belastungen geben wird", kündigte der Verband an.

Familienminister Stamp wiederholte in der abschließenden Landtagsdebatte seine Darstellung, das Aktionsbündnis "Mehr Große für die Kleinen" habe sich mit 12.000 Demonstranten und 80.000 Unterschriften gegen die Gesetzgebung der früheren rot-grünen Landesregierung gewandt und nicht gegen das Gesetz aus seinem Ministerium. Dem widersprach das Bündnis nach der Debatte entschieden. Es sei gegründet worden, um die aktuelle Revision des KiBiz kritisch zu begleiten und auf Defizite hinzuweisen.



Gutes tun mit der Weihnachtspost


Weihnachtsbriefmarke mit Chagall-Fenstern
epd-bild/Andrea Enderlein
Weihnachten auf 22 mal 39 Millimetern: Seit 50 Jahren kann man mit dem Kauf von Weihnachtsbriefmarken soziale Projekte unterstützen.

Der schlafende Josef, die segnende Maria, dazu das Jesuskind in der Krippe nebst Ochs und Esel: Im Jubiläumsjahr ist das Motiv der Weihnachtsmarke klassisch, ein Ausschnitt eines Fensters der Kathedrale Notre-Dame in Chartres. Die speziellen Wohlfahrtsmarken im Advent gibt es seit 50 Jahren. Zusätzlich zum regulären Portowert zahlt man für sie einen Zuschlag von derzeit 40 Cent, der sozialen Projekten zugutekommt.

Eine Zinnfigur Jesu in der Krippe vor ockergelbem Hintergrund zierte 1969 die erste Weihnachtsbriefmarke, damals herausgegeben von der Deutschen Bundespost. Ihr Wert betrug zehn Pfennige, plus fünf Pfennige Zuschlag. Das gespendete Geld geht an Projekte, die von den Mitgliedern der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege betrieben werden. Dazu gehören Diakonie, Caritas, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz und Paritätischer Gesamtverband.

Über die Jahre ist eine große Summe zustande gekommen: "4,3 Milliarden Wohlfahrts- und Weihnachtsmarken wurden seit 1949 verkauft und 690 Millionen Euro erlöst", sagt Anja Böhme von der Abteilung Wohlfahrtsmarken der Bundesarbeitsgemeinschaft in Köln.

Sammelprodukt

In Frankfurt konnten die Wichern-Pflegedienste von dem Geld einen barrierefreien Garten für Menschen mit Demenzerkrankung eröffnen, Bewohner des Johanniter-Stifts Wuppertal freuten sich über einen neuen Heimbus. Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland finanzierte Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche im Max-Willner-Heim im rheinland-pfälzischen Bad Sobernheim. Dass christliche Markenmotive letztlich auch die Arbeit jüdischer Gemeinden in Deutschland unterstützten, sei ein Stück christlich-jüdischer Dialog, erklärt eine Mitarbeiterin.

Die ersten Briefmarken mit Zuschlag für soziale Zwecke wurden bereits 1949 gedruckt. Hinter der Idee stand Kuno Joerger, damals Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands - und Philatelist. "Helft und schenkt Freude, kauft Wohlfahrtsbriefmarken", so werden die vier ersten bundesweiten Sondermarken an den Schaltern angepriesen. Sie zeigen "Helfer der Menschheit": Elisabeth von Thüringen, Paracelsus von Hohenheim, Friedrich Fröbel und Johann Hinrich Wichern. 1956 übernahm der Bundespräsident die Schirmherrschaft für die Wohlfahrtsmarken.

Allerdings werden heute längst nicht mehr so viele Briefe geschrieben wie in den 50er Jahren. Vor allem die Wohlfahrtsmarken seien ein reines Sammlerprodukt, erklärt Anja Böhme. Aber auch diese Gruppe werde immer kleiner, bemerkt Reinhard Küchler, Geschäftsführer des Bunds Deutscher Philatelisten in Bonn. Rund eine Million Sammler gebe es noch bundesweit.

Und noch etwas anderes kommt hinzu: Petra Rösiger von der Abteilung Wohlfahrtsmarken der Diakonie Deutschland sieht es mit "gemischten Gefühlen", dass die Deutsche Post AG seit 2013 auch eine Wintermarke ohne Zuschlag verkauft. Mitunter habe die Post das Motiv der Wohlfahrts-Weihnachtsmarke optisch mit ihrer Wintermarke später noch "getoppt", sagt sie.

Die Post sieht keine Konkurrenzsituation: Zum einen liege der Erstausgabetag der Weihnachtsmarke deutlich früher. Zum anderen unterschieden sich die Marken inhaltlich, erklärt Erwin Nier, Sprecher der Deutsche Post DHL Group: "Während die Wohlfahrtsmarke stets mit einem christlichen Motiv aufwartet, haben die anderen Briefmarken einen eher weltlichen Bezug und sind universal für alle Kunden einsetzbar."

"Weitestgehend ausverkauft"

Zu den Auflagenhöhen der Marken will die Post nichts sagen, nur so viel: "Im letzten Jahr war die Wohlfahrtsmarke weitestgehend ausverkauft", erklärt Nier.

Eine Besonderheit der Wohlfahrtsmarken ist, dass sie nicht nur an den normalen Postverkaufstellen, sondern auch von den Einrichtungen der Wohlfahrtspflege oder von Ehrenamtlichen in ihrem Umfeld verkauft werden können. Welches soziale Projekt mit den Erlösen gefördert werden soll, entscheiden diese dann selbst.

Einer der rund 200 bis 300 ehrenamtlichen Verkäufer ist Hans-Joachim Teichert. Er arbeitete in den 70er Jahren gegenüber einer Behindertenschule. "Denen könntest du doch etwas Gutes tun", habe er gedacht, erzählt der 75-Jährige aus dem oberpfälzischen Waffenbrunn. Im ersten Jahr habe er stolz 126 D-Mark Erlös herübergebracht zur Schule. Heute verkauft zusammen mit seiner Frau pro Jahr rund 3.000 Marken.

Statt Bargeld zu überreichen, kauft Teichert lieber seit 38 Jahren fränkische Bratwürste für das Grillfest eines Altenheims des Deutschen Roten Kreuzes. Einmal wurde ein spezielles Kettcar für die Behindertenschule finanziert. Und ein Schokoladenpäckchen für jedes Kind dort sei auch immer drin, sagt Teichert. Trotz einer Darmoperation und einem Herzinfarkt will er weitermachen. "Seit drei, vier Jahren will ich aufhören, aber dann guck' ich immer wieder in diese strahlenden Augen."

Florian Riesterer (epd)


SPD spendet Bethel Hunderttausende Briefe

Die am 29. November zu Ende gegangene Abstimmung über den SPD-Vorsitz beschert Menschen mit Behinderungen in Bielefeld-Bethel reichlich Arbeit. Die Briefmarkenstelle der v. Bodelschwinghschen Stiftungen erhält die per Post verschickten Umschläge des Mitglieder-Entscheids als Spende, wie Bethel in Bielefeld mitteilte. Dort sortieren die 125 behinderten Beschäftigten die abgestempelten Briefmarken und bereiten sie für den Verkauf an Sammler vor.

Erwartet werden aus den zwei bundesweiten Wahldurchgängen der SPD mindestens 250.000 Stück, wie es hieß. In den kommenden gehen die Umschläge mit abgestempelten Briefmarken per Lkw nach Bielefeld. Die Großspende wurde demnach von den beiden Bielefelder SPD-Politikerinnen Christina Kampmann und Wiebke Esdar initiiert.

Seit über 130 Jahren werden in Bethel Briefmarken gesammelt und wiederverkauft. Der Erlös fließt in die diakonische Arbeit der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.



Sozialkonferenz Ruhr sieht Region als Modell für Integration

Die Sozialkonferenz Ruhr mit Vertretern aus Wissenschaft und Politik sieht das Ruhrgebiet als zentrale Modellregion für die langfristige Aufgabe der Integration von Zugewanderten in die deutsche Gesellschaft. Das Ruhrgebiet gelte als eine Art Soziallabor für gesellschaftliche Probleme und Lösungsansätze; als Schmelztiegel vieler Nationen sei das auch beim Thema Integration der Fall, betonte Staatssekretär Markus Kerber (CDU) vom Bundesinnenministerium bei der zweiten Sozialkonferenz des Regionalverbandes Ruhr (RVR) am 27. November vor der Presse in Oberhausen. "Was im Ruhrgebiet funktioniert, funktioniert mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Rest der Republik."

Nach Angaben des RVR haben 30,6 Prozent der Bevölkerung in der Metropole Ruhr und damit fast jeder Dritte einen Migrationshintergrund. Bei Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen seien es über 40 Prozent. Integration sei eins der zentralen Themen und eine Daueraufgabe für die Kommunen im Ruhrgebiet, erklärte RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel (SPD). Das Anliegen der Konferenz seien ein Austausch und der Schulterschluss mit Bund und Land auch angesichts der finanziellen Belastungen in den Kommunen.

Güler wirbt für "Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030"

NRW-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) berichtete von der "Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030" der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die 2020 nach Abstimmung mit allen Ressorts vorgestellt werden soll. Dazu seien ab Juli nächsten Jahres zunächst 25 Millionen Euro vorgesehen, in den beiden Folgejahren dann 50 und 70 Millionen. Neben der Integration von Neuzugewanderten, und der Integration in die Regelsysteme gehe es dabei auch um gesellschaftliche Integration. "Das ist am schwierigsten", betonte Güler, die selbst aus einer türkischen Einwandererfamilie stammt.

Deshalb sei es wichtig, Integrationsangebote individuell auszurichten, etwa für Flüchtlinge, für Menschen aus Osteuropa oder solche Zwandererfamilien, die bereits in dritter Generation in Deutschland leben. "Integration darf kein Zufall sein", sagte Güler. Als jetzt schon gut funktionierendes Projekt nannte sie das 2015 gestartete NRW-Zentrum für Talentförderung in Gelsenkirchen. "Das Ruhrgebiet ist eine Talentschmiede", sagte Güler, die Förderung junger Talente sei ein Teil der Integrationsstrategie.

Die Sozialkonferenz des Regionalverbandes Ruhr (RVR) versteht sich als Fachforum für Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis zu aktuellen Fragen der Sozialpolitik im Ruhrgebiet. Bei der ersten Sozialkonferenz 2018 in Duisburg ging es um Strategien gegen Langzeitarbeitslosigkeit.



Mehr Job-Chancen für Menschen mit Behinderungen

Die Chancen für Schwerbehinderte auf dem ersten Arbeitsmarkt wachsen einer Untersuchung zufolge seit Jahren. Die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten und auch ihre Arbeitslosenquote sinke, teilte die Aktion Mensch am 29. November in Bonn einen positiven Trend aus ihrem jährlich veröffentlichten "Inklusionslagebarometer Arbeit" mit. Bundesweit mache die Arbeitslosenquote von Schwerbehinderten 11,2 Prozent aus und umfasse rund 156.600 Betroffene. Allerdings sinke die Arbeitslosenquote der Schwerbehinderten weniger stark als die allgemeine Arbeitslosenquote, die aktuell bei 7,6 Prozent liegt, "so dass die Schere wieder aufgeht".

Der grundsätzlich erfreuliche Trend für behinderte Arbeitnehmer erstrecke sich auf alle sechs untersuchten Regionen in Deutschland, erklärte die Aktion Mensch, die die Studie gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute (HRI) erstellt. Mit dem Inklusionsbarometer Arbeit nehmen Aktion Mensch und HRI seit 2013 die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie die Gesamtregion Ostdeutschland in den Blick und beziehen sich dabei auf die jeweils aktuell verfügbaren statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter.

Positive Entwicklung auch durch Digitalisierung

Neben der Konjunktur und der Demografie spielten auch Trends wie die fortschreitende Digitalisierung eine Rolle für die grundsätzlich positive Entwicklung, hieß es. Denn sie vergrößere das potenzielle Einsatzspektrum sowie die Beschäftigungschancen für Behinderte. Auch die noch immer stabile Konjunktur sowie ein zunehmender Renteneintritt von Behinderten trügen dazu bei. Allerdings zeige sich nach wie vor eine "große Kluft" zwischen der Situation von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung.

Die Entwicklung einer abnehmenden Dauer der Arbeitslosigkeit bei Schwerbehinderten beziehungsweise einer Annäherung an die Stellensuchdauer von Nichtbehinderten zeige sich nur in vier der untersuchten Regionen, hieß es. In Bayern und Hessen sei der Abstand zwischen Arbeitssuchenden mit und ohne Behinderung hinsichtlich der Suchdauer größer geworden und liege aktuell in Hessen bei 104 "Mehrtagen", in Bayern bei 119.

Während in der Region Ostdeutschland die arbeitslosen Schwerbehinderten im Vergleich zu nicht behinderten Arbeitslosen im Durchschnitt "nur" 85 Tage länger nach einer Stelle suchen mussten, lag der durchschnittliche Unterschied bei der Dauer der Stellensuche in Nordrhein-Westfalen bei 111 Tagen - und damit auch im bevölkerungsreichsten Bundesland über dem Gesamtdurchschnitt von 100 Tagen zusätzlicher Suchzeit.

Obwohl sich die Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderung der Studie zufolge auch in NRW verbessert hat, haben dennoch Menschen ohne eine Behinderung die deutlich besseren Chancen auf einen Job. Mit 12,7 Prozent ist die Arbeitslosenquote der Schwerbehinderten im Bundesland deutlich höher als die allgemeine Arbeitslosenquote mit 7,6 Prozent.



Behindertenbeauftragte fordert mehr Inklusion

Die Landesbehindertenbeauftragte Claudia Middendorf hat die Menschen in Nordrhein-Westfalen dazu aufgerufen, sich mehr für die Belange behinderter Menschen einzusetzen. Es gelte noch viele Barrieren auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft abzubauen, erklärte die Beauftragte anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember. "Dabei stehen uns nicht nur physische Barrieren im Weg, sondern leider auch noch immer die in den Köpfen vieler Menschen." Jeder sollte sich fragen, was er selbst zu einer inklusiveren Gesellschaft beitragen könne.

Ein wichtiger Baustein der Inklusion stelle die Partizipation dar, betonte Middendorf. Über dieses Thema wolle sie am Dienstag, dem Tag der Menschen mit Behinderung, mit dem Fachbeirat Partizipation des Landes NRW diskutieren. "Partizipation muss weiter gestärkt und ausgebaut werden", forderte die nordrhein-westfälische Behinderten- und Patientenbeauftragte. "Unser gemeinsames Ziel muss eine Verbesserung der Partizipation in allen gesellschaftlichen Bereichen sein."



Lambrecht und Giffey wollen Frauenquote für Vorstände

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (beide SPD) wollen eine Frauenquote auch für die Vorstände großer Unternehmen durchsetzen. Wie Sprecher beider Ministerien am 25. November in Berlin mitteilten, ist derzeit ein gemeinsamer Gesetzentwurf beider Häuser in Arbeit. Seit 2016 müssen in großen börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mindestens 30 Prozent der Plätze im Aufsichtsrat mit Frauen besetzt sein. Für Vorstände gibt es bislang keine gesetzliche Quote. Sie sollen freiwillige Zielgrößen definieren.

Freiwilligkeit habe nicht den gleichen Erfolg wie eine Quote, sagte Lambrecht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". 70 Prozent aller Unternehmen hätten die Zielgröße "null" benannt. "Diese Unternehmen wollen gar nicht, dass sich etwas verändert", sagte die Ministerin. "Deswegen muss man auch über eine Quote für die Vorstände nachdenken."

Nur 8,5 Prozent Frauen

Während die Quote in Aufsichtsräten laut "Managerinnen-Barometer" des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) inzwischen eingehalten wird, hat sich in den Vorständen nicht viel bewegt. 2018 sind demnach 8,5 Prozent der Vorstandsposten der Unternehmen, für die die Quote im Aufsichtsrat gilt, mit Frauen besetzt gewesen.

Zu Details zu den Gesetzesplänen, auch zur Höhe der angestrebten Quote, machten die Ministeriumssprecher keine Angaben. Vorstände hätten eine andere Struktur, der Vorschlag werde aber sicherlich in die Richtung der Quote für Aufsichtsräte gehen, sagte der Sprecher des Justizministeriums.

Andere Ministerien sind in die Überlegungen bislang nicht eingebunden. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Die Unzufriedenheit über die äußerst geringe Zahl weiblicher Vorstandsmitglieder eint uns alle in der Bundesregierung." Konkrete Vorschläge würden geprüft und besprochen, sobald sie vorlägen.



Rund 32.800 Prostituierte in Deutschland angemeldet


Protest gegen das neue Prostituiertenschutzgesetz 2016 vor dem Bundestag (Archivbild).
epd-bild/Rolf Zöllner
Seit dem 1. Juli 2017 müssen sich Prostituierte bei den Behörden anmelden. Nun hat das Statistische Bundesamt dazu erstmals Zahlen veröffentlicht. Offen bleibt, wie viele Prostituierte es bundesweit tatsächlich gibt.

Rund 32.800 Prostituierte waren Ende 2018 bei den Behörden in Deutschland angemeldet. Wie das Statistische Bundesamt am 26. November in Wiesbaden mitteilte, hatte knapp ein Fünftel der angemeldeten Prostituierten (6.200) die deutsche Staatsangehörigkeit. 35 Prozent aller angemeldeten Prostituierten (11.400) kamen aus Rumänien, zehn Prozent (3.200) aus Bulgarien und sieben Prozent (2.400) aus Ungarn. Der Stuttgarter Verein "Sisters - für den Ausstieg aus der Prostitution" wies darauf hin, dass diese Daten keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Zahl der Prostituierten zuließen.

Von den angemeldeten Prostituierten waren laut Statistikamt 25.000 (76 Prozent) 21 bis 44 Jahre alt. 5.700 (17 Prozent) waren 45 Jahre oder älter, 2.000 (sechs Prozent) waren zwischen 18 und 20 Jahren alt. Den Angaben zufolge hatten knapp 1.600 Prostitutionsgewerbe eine erteilte oder vorläufige Erlaubnis nach dem seit 1. Juli 2017 geltenden Prostituiertenschutzgesetz. Die Ergebnisse basierten teilweise auf noch im Aufbau befindlichen Verwaltungsstrukturen. Das schränke die Aussagekraft der Daten ein, hieß es.

"Zahlen gleichbleibend hoch"

Ende 2018 sei das Anmeldeverfahren, dass das Gesetz vorsieht, in vielen Kommunen noch nicht vollständig umgesetzt gewesen, betonte auch Sisters-Sprecherin Sabine Constabel. "Einige Kommunen mussten die dazu erforderlichen Verwaltungsstrukturen erst aufbauen", erläuterte sie auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Die tatsächliche Anzahl der Prostituierten in Deutschland sei nach wie vor unbekannt. "Das Prostituiertenschutzgesetz konnte kaum Licht in das bestehende Dunkelfeld bringen", sagte die Gründerin des Vereins.

Constabel geht davon aus, dass die Anzahl der Prostituierten insgesamt ziemlich konstant ist. "Es gab einen Anstieg nach 2002 und dann mit der Zuwanderung der Frauen aus Osteuropa, aber in den vergangenen zehn Jahren gab es wenig Bewegung." Weder hätten relevant viele Bordelle neu eröffnet, noch seien relevant viele geschlossen worden. "Die Zahlen dürften also gleichbleibend hoch sein", sagte die Expertin.

Zweifel an Angaben zur Nationalität

Auch die Angaben zu den Nationalitäten der gemeldeten Frauen sei mit Vorsicht zu betrachten: "Bis Ende 2018 haben sich diejenigen Frauen angemeldet, die von der Anmeldepflicht wussten. Und das waren zunächst die Deutschen", sagte Constabel. Sie glaube nicht, dass der Anteil der Deutschen tatsächlich bei 19 Prozent liege: "Höchstens zehn Prozent erscheint mir realistischer." Der Anteil der Rumäninnen sei zudem wesentlich höher als die in der Statistik genannten 35 Prozent: "Deren Anteil schätze ich auf 60 bis 70 Prozent."



HI-Virus: Zahl der Neuinfektionen geht zurück


HIV-Schnelltest
epd-bild/Jürgen Blume
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem HI-Virus geht in NRW weiter zurück. Laut aktueller Zahlen des Robert-Koch-Instituts infizierten sich im vergangenen Jahr rund 510 Menschen mit HIV, das bedeutet einen Rückgang um 40 Menschen gegenüber 2017.

Die Neuinfektionen mit dem HI-Virus sind im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen weiter zurückgegangen. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts infizierten sich im Jahr 2018 in NRW 510 Menschen mit dem die Immunschwäche Aids verursachenden Virus, wie das NRW-Gesundheitsministerium in Düsseldorf anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember mitteilte. Damit sank die Zahl der Neuinfektionen um 40 im Vergleich zum Jahr 2017. Auch die Zahl der Menschen, die an den Folgen der Infektion starben, ging zurück.

"Aids hat viel vom einstigen Schrecken verloren", sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). "Heutzutage haben Menschen mit HIV eine nahezu normale Lebenserwartung." Gleichwohl dürfe man im Kampf gegen das Virus nicht nachlassen, betonte der CDU-Politiker: "Denn Erfolge sind nur mit einer möglichst frühzeitigen Diagnose und Behandlung der HIV-Infektion möglich."

Vernetzung von Präventions- und Hilfeangeboten

Eine HIV-Behandlung schütze das Immunsystem und senke das Risiko, Aids oder andere schwere Krankheiten zu entwickeln, hieß es. Zugleich können Menschen bei erfolgreicher Therapie das Virus nicht übertragen. Deshalb fördere das Land NRW seit diesem Herbst fünf Netzwerke "Sexualität und Gesundheit", die der Verbesserung der Vernetzung von Präventions- und Hilfeangeboten dienen. Die Netzwerke finden sich in den Regionen Kreis Siegen-Wittgenstein, Bielefeld und Gütersloh, Essen und Wesel, Bochum und Münsterland sowie dem Rhein-Sieg-Kreis.

Zudem ging die Zahl der Menschen, die an den Folgen einer HIV-Erkrankung starben, um 16 Prozent zurück, wie das statistische Landesamt in Düsseldorf mitteilte. Für 2017 verzeichnet die Statistik 89 Tote, knapp drei Viertel von ihnen Männer. Das durchschnittliche Sterbealter lag bei 55,8 Jahren. Im Jahr 2008 hatte das durchschnittliche Sterbealter der Aids-Kranken noch bei 49,9 Jahren gelegen.

Bischofskonferenz ruft zu Solidarität auf

Im Landesmittel starben von jeweils einer Million Einwohnern damit fünf Menschen an den Folgen von Aids. Die Statistiker verwiesen darauf, dass es sich bei den Zahlen nur um die nachweisbare Untergrenze handelt, da eine HIV-Erkrankung bei der Ausstellung der Todesbescheinigung nicht immer bekannt ist und deshalb möglicherweise auch nicht erfasst wird.

Anlässlich des Welt-Aids-Tages rief auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz in Bonn zu Solidarität und Mitgefühl mit HIV-infizierten und Aids-kranken Menschen auf. Im Einsatz gegen die Krankheit müsse die Weltgemeinschaft noch stärker zusammenarbeiten, sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Der Kirche komme dabei eine wichtige Rolle zu. In vielen Ländern sei die Kirche eine tragende Säule des Gesundheitssystems mit ihren Krankhäusern und Gesundheitsstationen. Zudem sei es Aufgabe der Kirche, den betroffenen "Menschen und den Angehörigen auch spirituell, pastoral und sozial beizustehen", sagte Schick, der auch Vorsitzender der Kommission Weltkirche ist.



Sozialverbände fordern Reform der Pflegeversicherung

Die Gewerkschaft ver.di sowie die Verbände AWO und Diakonie haben eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung gefordert. Die Bundesregierung dürfe nicht länger ignorieren, "dass es extremen Handlungsdruck gibt", sagte ver.di-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler am 25. November in Berlin. Die Organisationen sprachen sich für eine Pflegebürgerversicherung aus, die den Großteil der Kosten abdecken und die finanzielle Belastung für die Betroffenen kalkulierbar machen soll. Dabei verwiesen sie unter anderem auf die stark gestiegenen Eigenanteile für Heimunterbringungen.

Die Kosten für die Pflegebedürftigen stiegen mit jeder Tariferhöhung, sagte Diakonie-Vorständin Maria Loheide. Die Leistungen der Pflegeversicherung seien aber gedeckelt. Dadurch müssten Erhöhungen vollständig von den zu Pflegenden, Angehörigen oder dem Sozialamt finanziert werden, erläuterte Loheide. Sie forderte zumindest ein Einfrieren der Eigenanteile auf dem heutigen Niveau, mittelfristig auch eine Reduzierung der Eigenanteile.

Eigenbeteiligung fast 2.000 Euro

Pflegebedürftige müssen für einen Heimplatz immer tiefer ins Portemonnaie greifen. Nach einer im September veröffentlichten Auswertung der "Pflegedatenbank" des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV) liegt die Eigenbeteiligung im Durchschnitt bei fast 1.930 Euro im Monat. Die Durchschnittsrente liegt nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbands mit 874 Euro (West) und 1.019 Euro (Ost) deutlich darunter.

Zu den Forderungen der Sozialverbände gehört auch die nach einer besseren Bezahlung von Fachkräften in der Pflege. "Es darf nicht sein, dass eine Arbeit an Maschinen bei gleicher Qualifikation höher angesehen ist und besser bezahlt wird als Arbeit an Menschen", sagte der AWO-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Stadler.



Nikolaus beantwortet wieder Kinderbriefe

Das Nikolauspostamt im saarländischen St. Nikolaus beantwortet vom 5. Dezember an wieder Kinderbriefe. An dem Tag wird der einstige Bischof von Mitra gegen 10.55 Uhr in einer Kutsche auf den Nikolausplatz vorfahren, um mit seinem goldenen Schlüssel die Amtspforte zu öffnen, wie der Verein Festausschuss St. Nikolaus in Großrosseln ankündigte. Dort warteten bereits Postsäcke mit Tausenden Kinderbriefen aus aller Welt. Der Nikolaus wird einige davon höchstpersönlich beantworten und mit dem Nikolaus-Sonderstempel versehen, wie es hieß.

Bis Heiligabend würden alle Einsendungen gelesen. "Ob nach Hawaii, Singapur oder Kaiserslautern, ob nach New York, Moskau oder Warschau, jedes Kind erhält eine Antwort!", versicherte der Festausschuss. Unterstützt wird die Kinderbriefaktion von Helferinnen und Helfern der Deutschen Post.

Das Weihnachtspostamt in St. Nikolaus besteht seit 1966. In diesem Jahr erwarten die ehrenamtlichen Helfer demnach 245.000 Briefe mit Wünschen, Bildern, Gedichten, Sorgen und Nöten.




Medien & Kultur

Die Rückkehr des Meisters


Dieter Falk
epd-bild/Heike Lyding
Als Produzent der Band "Pur" hat Dieter Falk Millionen CDs verkauft. Dann wurde es still um den Musiker. Inzwischen feiert er mit Pop-Oratorien wie "Luther" wieder Riesenerfolge. Am 5. Dezember wird Falk 60 Jahre alt.

Ein junger Mann spielt 1985 im ZDF-Vorabendprogramm einen Kirchenchoral auf dem E-Piano. Aber wie! Harmonien und Rhythmik haben nichts mehr mit den alten Meistern zu tun, stattdessen umklammern sich Jazz, Pop und Gospel zu einem wilden Tanz der Noten. Weite Hose, buntes Hawaiihemd und eine Riesenbrille auf der Nase, hämmert der Musikstudent wie von Sinnen in die Tasten.

Der Mann heißt Dieter Falk und ist heute mit mehr als 50 Goldenen Schallplatten einer der erfolgreichsten Musikproduzenten Deutschlands. Was er damals vor laufender Kamera aufführte, sollte die Kirchenmusik in Deutschland nachhaltig spalten und verändern.

Geboren und aufgewachsen im Siegerland, wo seine Mutter einen Kirchenchor leitete, entdeckte der Junge bei Klavierunterricht und Orgelspiel schnell seine eigentliche Berufung: die Verbindung der alten Meister mit dem Sound der Gegenwart. "Ich liebte Elton John", erinnert sich Falk, der heute als Musikprofessor in Düsseldorf, Witten und Regensburg unterrichtet. "Popmusik. Jazz. Soul. Den 70er-Jahre-Sound aus Los Angeles."

Eine Verbindung von klassischer Musik und Rock- und Popmusik hatten zwar schon Bands wie Ekseption oder Emerson, Lake and Palmer gezeigt, "aber mir war ja die Kirchenmusik vertraut." Und so machte der junge Freigeist auch vor den Liedern von Paul Gerhardt (1607-1676) und Martin Luther (1483-1546) nicht Halt.

"Darf man das?"

Die Reaktionen waren heftig. "Für die einen war es eine Offenbarung", erinnert sich Falk. Seine erste Solo-LP "On Time", auf der er Kirchenchoräle quasi komplett neu erfand, verkaufte sich 50.000 Mal, die spätere "A Tribute to Paul Gerhardt" 40.000 Mal. Andere reagierten verstört. Darf man das? Soll man das?

Bei einem Jugendtreffen einer pfingstlerisch-charismatischen Freikirche in Fulda tanzten und klatschten Anfang der 80er Jahre 3.000 Menschen zu einer Funky-Version des alten Kirchenliedes "Nun danket alle Gott" von Gerhardt - bis der Veranstalter den Strom abdrehte und das Konzert abbrach. "So hatte er sich ein Paul-Gerhardt-Konzert offenbar nicht vorgestellt", sagt Falk.

Für ihn ist die Grenze zwischen alter und junger, ernster und unterhaltender Musik künstlich. "Luther, Gerhardt, Mozart: Was die damals gemacht haben, war doch ebenfalls populäre Musik, also Pop", sagt er und ist sich sicher: Würden Bach und Beethoven heute leben, würden sie an Synthesizer, Schlagzeug und Computer komponieren.

Der neue Sound kommt an, die 70er und 80er Jahre stehen im Zeichen von Aufbruch, auch in der kirchlichen Jugendarbeit. Schnell wird Falk zum Guru der Christrock- und Pop-Szene. Ob Clemens Bittlinger, Inge Brück, Jan Vering, Arno und Andreas, Andrae Crouch, Edwin Hawkins, Cae Gaunt: Falk arrangiert, greift in die Tasten, mischt Tonspuren im Studio ab. Beim Plattenlabel "Pila Music" produziert er bis Anfang der 90er Jahre gut 100 Schallplatten aus der christlichen Szene.

Dann fordert der Stress seinen Tribut und Falk ist es satt, oft nur mittelprächtige musikalische Qualitäten aufzupeppen. 1990 verlässt er die christliche Musikszene, Warnungen von Freunden und Weggefährten zum Trotz. Und ist auch "da draußen" erfolgreich. Der Höhenflug beginnt, als sich Falk und die Band "Pur" treffen, ihre Zusammenarbeit wird zu einer der erfolgreichsten in der deutschen Musikgeschichte. Die zwischen 1990 und 1997 produzierten fünf Studioalben und zwei Live-Aufnahmen verkaufen sich millionenfach, der Titelsong "Abenteuerland" sprengt Verkaufsrekorde.

Falk jettet von London nach Los Angeles oder Nashville, produziert mit angesagten Studiomusikern. Die Trennung von "Pur" nach sieben Jahren "in aller Freundschaft" ist ein Einschnitt, die ganz großen Erfolge bleiben jetzt aus.

Comeback mit "10 Gebote"

Falk wohnt in Düsseldorf, produziert im heimischen Studio Sänger, die früher einmal Stars waren: Karel Gott, Daliah Lavi, Nino de Angelo. Daneben neue Entdeckungen wie Marshall & Alexander oder Detlef Jöcker.

Im Jahr 2009 erlebt der Musiker ein unverhofftes Comeback: Die Creative Kirche, eine Event-Organisation aus Witten mit Wurzeln in der evangelischen Kirche, will ein Pop-Oratorium auf die Beine stellen. Ihr Wunschpartner ist Dieter Falk, der begeistert auf die "gewaltige Herausforderung" reagiert. 2.500 Sänger, Symphonieorchester, Band und Solisten - das gab es noch nie. Falk komponiert die Musik und holt als Texter einen Bekannten an Bord: Michael Kunze.

Kunze hat noch mehr Goldene Schallplatten als Falk und ist als Hit-Lieferant für Peter Maffay, Udo Jürgens und die "Münchener Freiheit" eine Legende. Die Uraufführung der "10 Gebote" 2010 in der Dortmunder Westfalenhalle wird ein Riesenerfolg und Spektakel. 2017 folgt zum 500. Jubiläum der Reformation das noch erfolgreichere Pop-Oratorium "Luther".

Damit schließt sich für Falk ein Kreis: Er ist zur evangelischen Kirche zurückgekehrt und für sie ein musikalisches Aushängeschild geworden. Eine Win-win-Situation: Falk, der unermüdliche Schöpfer eingängiger Melodien, kann seiner Mission nachgehen, Kirche auf musikalische Art lebendiger zu gestalten. Und die Kirche hat jemanden, der ihre Botschaft mit Millionen-Hits weiterträgt.

Das neue Projekt von Falk und Kunze ist schon im Werden: Das Chormusical "Bethlehem" soll die biblische Weihnachtsgeschichte in ein modernes Licht rücken. Die Premiere im Düsseldorfer ISS Dome ist für den 5. Dezember 2020 geplant - Falks Geburtstag.

Gerd-Matthias Hoeffchen (epd)


Abrocken im Museum


Unter dem Titel "MUSIC! Hören, machen, fühlen" zeigt das LVR-Landesmuseum Bonn eine neue Mitmachausstellung.
epd-bild/Meike Böschemeyer
Singen im Museum und nicht unter der Dusche? Das Landesmuseum Bonn lädt Ausstellungsbesucher ausdrücklich dazu ein. Mit Blick auf das Beethoven-Jahr 2020 will "MUSIC!" zu musikalischer Kreativität anregen.

Die Sängerinnen Adele, Pink und auch Ed Sheeran haben es schon getan. Und nun können es die Besucher des LVR-Landesmuseums Bonn den Popmusikern gleichtun. Die Rede ist von Carpool Karaoke, einer Youtube-Serie, bei der der britische Schauspieler James Corden jeweils während einer Autofahrt mit verschiedenen Stars deren Songs trällert. In der Ausstellung "MUSIC! Hören, machen, fühlen" können Besucher zu zweit in einen Smart steigen und dort völlig enthemmt alles rauslassen, was die Stimme hergibt. Denn außerhalb des Fahrzeugs sind sie nicht zu hören.

Das Carpool Karaoke ist eine von 30 interaktiven Mitmachstationen der Ausstellung, die bis zum 13. September 2020 zu erleben ist. Zu sehen gibt es darüber hinaus historische Musikinstrumente aus aller Welt von der Keltenzeit bis in die Moderne. Eine Sammlung von Abspielgeräten - vom alten Grammophon über den sperrigen Weltempfänger bis zum iPod für die Hosentasche zeigt die enorme technische Entwicklung der vergangenen 130 Jahre.

Performen, Musizieren, Komponieren

Doch die Exponate sind eher Beiwerk in der Ausstellung, die eigentlich vielmehr ein Erlebnis-Parcours ist. Die Mitmachstationen laden Kinder und Erwachsene zum Hören, Singen, Tanzen, Performen, Musizieren und Komponieren ein. "Wir wollen Begeisterung für die Musik wecken", kündigt Kurator Lothar Altringer an. "Was macht diese wackelnden Moleküle aus, die ins Trommelfell und dann direkt ins Herz gehen?"

Eine beeindruckende Begegnung mit diesen "wackelnden Sound-Molekülen" liefert die 3-D-Tonaufnahme des Beethoven Orchesters Bonn. Erstmals weltweit wurde ein Orchester mit dieser Technik aufgenommen, die ein realistisches Klangerlebnis ermöglicht. Das Besondere: Die Besucher können das Orchester so erleben, wie es selbst bei einem Konzertbesuch unmöglich ist, nämlich vom Sitzplatz der Musiker aus. Sechs 3-D-Kopfmikrofone wurden bei der Aufnahme neben unterschiedlichen Orchesterinstrumenten positioniert. Die Besucher können nun über Kopfhörer wahlweise erleben, wie sich das Orchester etwa vom am Standort der Querflöte, der Posaune oder der ersten Geige anhört.

Pop-Fans entdecken Beethoven

Und das alles mit Blick auf Orchester-Chef Dirk Kaftan, der den zweiten Satz der neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens dirigiert. Ein Stück, "das auch jeden Pop-Fan begeistern wird", glaubt Altringer. Interesse für den in Bonn geborenen Komponisten zu wecken, ist sicher auch eines der Ziele der Ausstellung, die im Rahmen des Jubiläumsjahres anlässlich von Beethovens 250. Geburtstag gezeigt wird.

Doch auch die Pop-Musik kommt nicht zu kurz. Eine Station widmet sich zum Beispiel der Frage, wie das Rezept für einen erfolgreichen Popsong aussieht. Der Besucher lernt, dass die Stücke immer nach einem bestimmten Schema aufgebaut sind. Per Computer kann jeder in einer Art Baukastensystem einen eigenen Song komponieren, abspeichern und dann per E-Mail verschicken.

Abrocken wie Bon Jovi, Taylor Swift oder auch die Bee Gees lässt sich in einer Kabine mit "Greenscreen". Vor dem grünen Hintergrund können die Besucher ein eigenes Musikvideo zu einem Popsong aufnehmen. Dabei stehen Accessoires wie Luftgitarren sowie verschiedene Hintergründe und Bildeffekte zur Auswahl. Auch das Video kann man mit nach Hause nehmen, indem man es sich per E-Mail zuschickt.

Schnellkurs durch Geschichte des Tanzes

Gemeinsam musizieren lässt sich an fünf Tischen mit elektronischen Klanginstallationen, die aus dem MobilenMusikMuseum des Düsseldorfer Musikpädagogen Michael Bradke stammen. Hier können jeweils vier Teilnehmer gemeinsam trommeln oder mit Hilfe von Scratchpads DJ-Sound-Effekte entstehen lassen.

Bewegung verschafft ein Schnellkurs durch die Geschichte des Tanzes. Zwei Schülerinnen einer Bonner Tanzschule animieren per Video zum Mitmachen und führen durch die Tanzstile vom mittelalterlichen Saltarello bis zum Hip Hop. Rockig und zugleich still wird es in der "Silent Disco". Hier können die Besucher zu unterschiedlichen Musikstücken tanzen, die sie über Kopfhörer hören. Die Frage ist: Wer von den anderen Tänzern hört denselben Song? Herausfinden lässt sich das daran, ob sich andere im gleichen Rhythmus bewegen.

Dass Musik eine Sprache ist, die weltweit verbindet und verstanden wird, zeigt sich an einem großen Globus. Besucher können hier ihren Kopfhörer an verschiedenen Stellen der Erdkugel einstöpseln und bekommen ein typisches Volkslied aus dem jeweiligen Land vorgespielt.

Nicht zuletzt führt die Ausstellung auch an die Stelle, von der aus die Musik jeden Menschen erreicht: Ein großes Modell zeigt, wie das Trommelfell im menschlichen Ohr funktioniert. Und eine Computeranimation lässt erkennen, wo im Gehirn der Sinneseindruck des Tons verarbeitet wird. Warum die "wackelnden Moleküle" aber oft so zu Herzen gehen, kann wohl jeder Besucher nur für sich selbst beantworten.

Claudia Rometsch (epd)


Museen in NRW stimmen auf Weihnachten ein


Krippendarstellung
epd-bild/Heike Lyding
Es weihnachtet wieder - auch in den Museen. Ausstellungen und Adventswochenenden in NRW stimmen auf die Zeit bis Weihnachten ein. Nicht nur gucken, sondern auch anfassen, lautet an manchen Orten das Motto. Es wird gebastelt und gebacken.

Museen in Nordrhein-Westfalen stimmen wieder mit Ausstellungen zu adventlichen Themen, Winterbrauchtum und Krippenschauen auf die Weihnachtstage ein. Im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte ist die Ausstellung "Himmlischer Besuch aus dem Erzgebirge" zu sehen. Bis weit über die Weihnachtszeit hinaus, bis 1. März, sind die weltberühmten Grünhainichener Musikantenengel der Manufaktur Wendt & Kühn versammelt, die bis heute viele Liebhaber findet. Die Erkennungszeichen der bunt lackierten kleinen Holzfiguren sind elf weiße Punkte auf den grünen Flügeln und die kurzen weißen Kittel.

Zu sehen sind in der Dortmunder Ausstellung auch Entwürfe von Kleinmöbeln über Näh- und Rauchutensilien bis hin zu kindlichen Frühlingsfiguren sowie auch Brokat- oder Margeritenengel, die ab 1920 als dritte Frau in der Manufaktur Olga Sommer entworfen hat. Die Schau in der Reviermetropole würdigt mit mehr als 200 Exponaten das kunsthandwerkliche Schaffen dreier Künstlerinnen, die weit über das Erzgebirge hinaus Erfolge feierten. Außer zahlreichen kleinen Engeln gibt es unter anderem auch größere Lichterengel, Brokatengel, Spandosen oder auch Lampionkinder zu sehen.

Spezialitäten aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern

Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf veranstaltet am 8. Dezember einen Ostdeutschen Weihnachtsmarkt mit Kunsthandwerk, kulinarischen Spezialitäten aus Schlesien, West- und Ostpreußen, Pommern, Siebenbürgen Banat und Russland. Im Westfälischen Museum für religiöse Kultur (Religio) in Telgte ist bis zum 26. Januar nächsten Jahres die inzwischen 79. Krippenausstellung zu sehen. Gezeigt werden traditionelle Figurenkrippen, moderne Gestaltungen der Weihnachtsgeschichte und kritische Arbeiten, die das heutige Konsumweihnachten kommentieren.

Das Motto der Telgter Krippenschau lautet in diesem Jahr "Auf der Suche nach dem Licht der Welt". Zu sehen sind Krippen von rund 100 Künstlerinnen und Künstlern aus ganz Deutschland, von Profis und Hobby-Krippenbauern gleichermaßen. Unter den Exponaten gibt es auch eine Rauminszenierung mit Schwarzlicht, die sich auf das Lied "Maria durch ein' Dornwald ging" bezieht.

Krippe aus Perlmut in Bochum zu sehen

In Bochum zeigt das dortige Krippenmuseum bis zum 22. Dezember etwa 250 Darstellungen von der Geburt Jesu aus 55 Ländern. Der Krippenverein um Rosemarie und Manfred Lipienski präsentiert unter anderem eine Krippe aus Perlmut, die dem verstorbenen früheren Palästinenserführer Jassir Arafat gehörte und vom ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) aus Ramallah mitgebracht wurde.

Das nach dem Künstler Emil Schumacher benannte Museum in Hagen zeigt erneut die 1947 von Schumacher geschaffene Weihnachtskrippe. Nur zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte der junge Familienvater sie unter dem Einfluss der allgegenwärtigen Zerstörungen geschaffen. Bis heute beeindruckt die Roh- und Einfachheit des Schumacherschen Bildes von der Geburt Jesu.

Das Stadtmuseum Münster präsentiert bis zum Februar 2020 wieder die prachtvolle neapolitanische Krippe. Die über 250 Jahre alten Figuren sind aufwendig gekleidet und in mehreren Szenen aufgestellt. Diesmal sucht ein Elefant Anschluss. Aus Privatbesitz erhielt das Stadtmuseum einen etwa 45 cm hohen Elefanten aus bemaltem Gips, der um 1920 in der Gipsformerei Pietro (Peter) Mazzotti in Münster gefertigt wurde und als Begleiter der Heiligen Drei Könige nur noch in wenigen Figuren erhalten ist.

Das Museum am Dom Trier zeigt seit dem 29. November die Ausstellung "Krippen aus dem Grödnertal - 200 Jahre Schnitzkunst". Zu sehen sind bis zum 26. Januar nächsten Jahres Krippen aus dem Tal in Südtirol. Mit zahlreichen Leihgaben aus dem Museum Gerdeina in St. Ulrich und von privaten Sammlern gibt die Schau einen Einblick in die Geschichte der Krippen-Schnitzkunst der Region. Einen ersten Aufschwung erlebte die Krippenschnitzkunst dort nach dem Verbot der öffentlichen Krippen durch Kaiser Josef II. im Jahr 1782. So entstanden in der Zeit des Biedermeier erstmals Krippen in großer Zahl für private Haushalte. Seit 1969 garantiert eine Schutzmarke in der heute norditalienischen Region für ausschließlich von Hand gearbeitete Holzskulpturen.

Andreas Rehnolt (epd)


Gutenberg-Bibel für 840.000 Euro versteigert


Die Fust-Schöffer-Bibel
epd-bild/Julia Fischer

In Hamburg ist am 25. November eine mittelalterliche Bibel für 840.000 Euro versteigert worden. Damit lag der Verkaufspreis unter dem Schätzpreis von einer Million Euro. Geboten wurde per Telefon. Das erste Gebot lag bei 820.000 Euro. Die Bibel wurde im Jahre 1462 in der berühmten Gutenberg-Presse gedruckt. Versteigert wurde das wertvolle Buch in der Hamburger Niederlassung des Auktionshauses Ketterer Kunst.

Die Bibel besteht aus zwei Büchern und umfasst 481 Blätter, die aus Pergament gefertigt wurden. Die beiden Bücher sind jeweils 42 mal 31 Zentimeter groß und wiegen zusammen etwa 20 Kilogramm. Sie wurden in Mainz von Hand bedruckt - von Gutenbergs Nachfolgern Johannes Fust und Peter Schöffer.

Die Schriftart "Gotica-Antiqua" wurde damals extra für diese Bibel geschaffen und war zu jener Zeit eine moderne Type. Auf der letzten Seite der Fust-Schöffer-Bibel steht in Rot ein lateinischer Vermerk über Drucker und Datum. Nach Angaben des Auktionshauses ist es der erste Druckvermerk in einem gedruckten Buch überhaupt.

Familienbesitz

Nach dem Druck wurde die Bibel nach Italien gebracht und kunstvoll illustriert mit filigranen Schmuckinitialen in bunten Farben und Gold. Insgesamt wurden von Fust und Schöffer vermutlich 200 bis 250 Exemplare des Buches geschaffen, von denen heute noch etwa 90 existieren - der Großteil jedoch nur noch in Fragmenten. Lediglich drei davon sollen sich in privater Hand befinden. Die meisten anderen lagern in Bibliotheken und Archiven.

Zuvor befand sich die Bibel in Familienbesitz, die Eigentümer möchten anonym bleiben. Ketterer hatte für die Auktion einen eigenen Katalog für die Bibel drucken lassen.

Johannes Gutenberg (etwa 1400 bis 1468) hatte die Methode der Buchproduktion mit beweglichen Metall-Buchstaben revolutioniert. Seine berühmte Gutenberg-Bibel wurde um 1455 gedruckt. Eine originale Gutenberg-Bibel wäre heute deutlich teurer.



Medienexperte: Kirchen sollten sich digital besser aufstellen

Die Kirchen haben nach Worten des Düsseldorfer Medienwissenschaftlers Gerhard Vowe im Internet noch Nachholbedarf. Die Kirche als Verkünder des Wortes stehe durch die Digitalisierung in großer Konkurrenz, sagte Vowe am 30. November beim Jahresempfang des Neukirchener Erziehungsvereins. Im Internet könne jeder vom Hörer zum Sprecher werden: "Und viele wollen das auch." Wer also in der Zukunft noch wahrgenommen werden will, müsse die Digitalisierung für sich nutzen und sie beherrschen, stellte er klar.

Die digitale Kommunikation öffne vor allem Chancen für Außenseiter, erklärte der Professor für Kommunikation und Medienwissenschaft an der Universität Düsseldorf. Jeder könne heute zur Willensbildung beitragen. Zugleich verstärke sich die gesellschaftliche Polarisierung. Die gewachsene Konkurrenz um die Weltdeutung spürten auch die Kirchen sowie Print- und Rundfunkmedien.

"Erwartet wird eine Kommunikation, die auf den Nutzer zugeschnitten ist", sagte Vowe weiter. Das müssten auch die Kirchen für sich nutzen. Das sei wichtig in einer Zeit, in denen die Kommunikation unübersichtlich geworden sei, weil Parteien, politische Gruppen, staatliche Instanzen oder Einzelpersonen ohne Umweg über die Presse "ihre Botschaft verkünden". Der Direktor des Neukirchener Erziehungsvereins, Pfarrer Hans-Wilhelm Fricke-Hein, betonte, dass die Frage der Haltung angesichts der "Inflation von Worten" an Bedeutung gewonnen habe.

Der Neukirchener Erziehungsverein wurde 1845 von Pfarrer Andreas Bräm gegründet und gehört zu den größten deutschen Kinder- und Jugendhilfeträgern in Deutschland. In zehn Bundesländern betreut der Verein zusammen mit seiner Tochtergesellschaft Paul Gerhardt Werk rund 3.000 junge Menschen. Auch in der Alten- und Behindertenhilfe sowie in der Aus-, Fort- und Weiterbildung ist der Erziehungsverein mit seinen etwa 1.900 Mitarbeitern tätig. Im eigenen Verlag erscheint der Neukirchener Kalender, ein bundesweit bekannter Andachts- und Meditationskalender.



Verfassungsgericht: "Recht auf Vergessenwerden" auch bei Straftaten


Täter haben auch bei schweren Straftaten ein "Recht auf Vergessenwerden" im Internet, urteilte das Bundesverfassungsgericht. (Archivbild)
epd-bild/Jörg Donecker
Das Verfassungsgericht hat sich mit dem "Recht auf Vergessenwerden" befasst. Dabei ging es um Online-Beiträge und deren Auffindbarkeit über Suchmaschinen. Im Einzelfall muss zwischen der Pressefreiheit und dem Persönlichkeitsrecht abgewogen werden.

Täter können auch bei schweren Straftaten grundsätzlich ein" Recht auf Vergessenwerden" im Internet beanspruchen. Presseverlage können dazu verpflichtet sein, die zeitlich unbegrenzte Verbreitung von in Onlinearchiven gespeicherten Artikeln mitsamt der konkreten Namensnennung des Straftäters zu verhindern, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am 27. November veröffentlichten Beschluss zum sogenannten "Apollonia-Mord" entschied. Dafür müssen Betroffene aus Sicht des Gerichts allerdings ihre Schutzbedürftigkeit aktiv geltend machen. (AZ: 1 BvR 16/13)

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte 1982 und 1983 über den Mord an zwei Menschen auf der Jacht "Apollonia" berichtet. Der Täter wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. "Spiegel Online" stellte die Presseartikel in seinem jederzeit abrufbaren Onlinearchiv unter vollen Nennung des Täternamens bereit. Über Suchmaschinen war der Mann leicht identifizierbar.

Wiedereingliederung erschwert

Das verletze ihn in seinem allgemeinem Persönlichkeitsrecht, argumentierte der 2002 aus der Haft entlassene Mann. Nach mehr als 30 Jahren habe er ein Recht auf Vergessenwerden. Die volle Namensnennung in den Artikeln erschwere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Der Bundesgerichtshof urteilte dagegen im November 2012, dass der Kläger die Namensnennung hinnehmen müsse, da es sich bei dem Mord um ein Verbrechen von "besonderer zeitgeschichtlicher Bedeutung" handele.

Das Bundesverfassungsgericht hob dieses Urteil nun auf und verwies den Fall an den BGH zurück. Identifizierende Berichte über rechtskräftig verurteilte Straftäter seien im Rahmen der Pressefreiheit grundsätzlich zulässig. Je nach Wirkung und Gegenstand der identifizierenden Berichterstattung könne der Verlag aber nach einiger Zeit verpflichtet sein, auf die Anzeige des Betroffenen hin Schutzmaßnahmen gegen eine leichte Identifizierung im Internet zu veranlassen.

Dies gelte insbesondere für namensbezogene Suchabfragen mittels Suchmaschinen, hieß es. Anzustreben sei ein Ausgleich, der einen ungehinderten Zugriff auf die Originaltexte im Archiv möglichst weitgehend erhalte, diesen aber hinreichend begrenze, wenn Schutzbedarf bestehe.

Weitere Beschwerde ohne Erfolg

Eine weitere Verfassungsbeschwerde zum "Recht auf Vergessenwerden" hatte dagegen keinen Erfolg. Eine Frau wollte verhindern, dass sie in Zusammenhang mit einem Beitrag der NDR-Sendung "Panorama" aus dem Jahr 2010 mit dem Titel: "Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber" in den Google-Suchergebnissen namentlich genannt wird.

Ob Suchmaschinenbetreiber zur Löschung von Suchergebnissen zu Rundfunksendungen verpflichtet sind, hänge auch von der zu berücksichtigenden Meinungsfreiheit der Rundfunkanstalt ab, urteilten die Karlsruher Richter in einer weiteren Entscheidung vom Mittwoch. Ein Verbot der Anzeige der Suchergebnisse würde eine Einschränkung der Meinungsfreiheit der Rundfunkanstalt bedeuten, erklärte das Gericht. Dies wiege hier wegen des Informationsinteresses der Öffentlichkeit schwerer als das Persönlichkeitsrecht der Frau. (AZ: 1 BvR 276/17)

"Reporter ohne Grenzen" begrüßte die beiden Beschlüsse aus Karlsruhe. "Dass das Verfassungsgericht die Wirkung des problematischen Rechts auf Vergessenwerden relativiert, ist eine gute Nachricht für die Pressefreiheit", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer der deutschen Sektion der Journalistenorganisation. Es handle sich um eine längst überfällige Klarstellung, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht grundsätzlich schwerer wiege als das Grundrecht auf Pressefreiheit.



Neues Journalistenzentrum in Herne geplant

Die in Herne geplante Nachfolgeeinrichtung für das insolvente Journalistenzentrum Haus Busch in Hagen muss noch auf den offiziellen Startschuss warten: Der Trägerverein "Neue Gesellschaft für publizistische Bildungsarbeit" hat eine für den 3. Dezember angesetzte Pressekonferenz abgesagt. Das sei aus Termingründen geschehen, erklärten der Vereinsvorsitzende Frank Überall und die Stadt Herne auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). "Da wir weiterhin in einem konstruktiven Dialog mit dem Journalistenzentrum Herne stehen, betrachten wir die ursprünglich geplante Pressekonferenz nicht als aufgehoben, sondern als aufgeschoben", sagte der Pressesprecher der Stadt, Christoph Hüsken.

Die Stadt habe nach wie vor großes Interesse daran, dass die Einrichtung ihren Sitz im Herner Shamrockpark nehme, betonte Hüsken. Betrieben wird der Shamrockpark, das ehemalige Firmengelände der RAG-Aktiengesellschaft, von der Fakt Immobilien AG. Das neue Journalisten-Zentrum Herne plant, den Geschäftsbetrieb am 2. Januar 2020 aufzunehmen. Der Trägervereinsvorsitzende Überall ist auch Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV).

Haus Busch muss nach 45 Jahren Geschäftsbetrieb einstellen

In der vergangenen Woche war bekanntgeworden, dass das Hagener Journalistenzentrum Haus Busch Ende Dezember nach 45 Jahren seinen Geschäftsbetrieb einstellt. Der Trägerverein des ältesten Instituts der Aus- und Weiterbildung für Journalisten in Deutschland hat Insolvenz beantragt. Als Grund wurde eine hohe Rückforderung von Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen aus den Jahren 2010 bis 2017 genannt, die nicht geleistet werden könne, ohne dauerhaft in finanzielle Probleme zu geraten. Die Verbindlichkeiten summieren sich auf 500.000 Euro.

Der Leiter von Haus Busch, Thomas Müller, bezeichnete das Ende des Instituts auf epd-Anfrage als "traurige Geschichte". Mit diesem plötzlichen Ende habe er nicht gerechnet, auch wenn die Höhe der Verbindlichkeiten schon länger bekannt gewesen sei. Müller dankte der Stadt Hagen für die gute Unterstützung. Er habe einige Probleme schon mit der Übernahme der Institutsleitung im Jahr 2012 "geerbt", 2017 sei dann endgültig die Höhe der aufgelaufenen Verbindlichkeiten bekanntgeworden. Nach Angaben des Trägervereins waren bis zuletzt Gespräche mit der Bezirksregierung Arnsberg, der Staatskanzlei NRW und dem Ministerium für Schule und Bildung geführt worden, um das Zentrum zu retten.



Sachsen gibt Gebeine aus Kolonialzeit an Australien zurück


Rückgabezeremonie im Leipziger Grassi Museum für Völkerkunde
epd-bild/Jens Schlüter
Zum dritten Mal hat Sachsen zur Kolonialzeit eingeführte Gebeine von Ureinwohnern an Vertreter des Herkunftslandes zurückgegeben, zum zweiten Mal nach Australien. Die Rückgabe nach fast 150 Jahren in Leipzig fand in einem würdigen Rahmen statt.

"Es ist gut, hier zu sein", sagt Major Sumner. Die Gebeine seiner Vorfahren hätten eine lange Reise hinter sich. Der australische Ureinwohner vom Volk der Ngarrindjeri steht am 28. November barfuß, mit nackten Beinen und entblößtem Oberkörper im schneidenden Wind im Hof des Leipziger Grassi Museums für Völkerkunde. Körper und Gesicht sind mit roten und weißen Streifen bemalt.

Zuvor hat er Blätter in einer Schale angezündet und gesungen, um die Vorfahren aller Anwesenden einzuladen zu der Zeremonie. Immer wieder schlägt er zwei Bumerangs klappernd gegeneinander. Dann werden die Kisten mit den sterblichen Überresten ins Museumsinnere getragen.

Es ist das dritte Mal, dass der Freistaat Sachsen Gebeine von Ureinwohnern an Vertreter aus den Herkunftsländern zurückgibt. Am Donnerstag waren es die sterblichen Überreste von 45 australischen Ureinwohnern, die 1880 zur Kolonialzeit infolge von Grabplünderungen oder gewaltsamen Konflikten nach Sachsen gelangt waren. Im April waren schon einmal Gebeine nach Australien zurückgegeben worden, beim ersten Mal vor zwei Jahren nach Hawaii. 2020 sind weitere Restitutionen geplant. Man stehe auch in Kontakt mit Neuseeland und Namibia, hieß es.

"Überfälliger Schritt"

Die australische Botschafterin in Berlin, Lynette Wood, erklärte, die Rückführungen der menschlichen Überreste "zu ihren Familien und ihrem Herkunftsland ist für indigene Australier enorm wichtig". Die australische Regierung begrüße daher das Engagement und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zu denen das Leipziger Völkerkundemuseum gehört.

Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD), die sich wegen des Kunstdiebstahls in Dresden am Montag entschuldigen ließ, teilte mit, die Rückgabe sei "ein längst überfälliger Schritt". Der Freistaat Sachsen bekenne sich zu seiner "als Pflicht empfundenen Bereitschaft zur Rückgabe menschlicher Überreste", erklärte sie.

Die Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen, Léontine Meijer-van Mensch, sagte, sie wolle ihrer Verantwortung gerecht werden und sei dankbar, die Rückgabe begleiten zu dürfen. Es tue ihr leid, dass es so lange gedauert habe, erklärte sie in Richtung der Indigenen.

"Heilung für die Community"

Dann sprach noch einmal Major Sumner. Mit bewegenden Worten erinnerte er daran, was seinem Volk passiert sei. Vor gut 200 Jahren habe noch gar niemand gewusst, "dass wir da unten leben", seit Jahrtausenden, erklärt er und betont: "Unsere Ahnen nach Hause zu bringen, zurück zu ihrem Land, bringt Heilung für die gesamte Community und das Land."

In Deutschland wird seit einiger Zeit verstärkt über koloniales Unrecht und seine Auswirkungen diskutiert. Bundesweit sind Museen, Sammlungen und Universitäten angehalten, ihre Bestände auf Gebeine und Objekte aus Kolonialzeiten zu prüfen und den weiteren Umgang damit zu klären.

Johannes Süßmann (epd)


Weniger Schmuck aus Grünem Gewölbe gestohlen als befürchtet


Blick auf den Südflügel des Residenzschlosses Dresden, der Grünes Gewölbe, Rüstkammer und Kupferstichkabinett beherbergt (Archivbild von 2013).
epd-bild / Matthias Rietschel
Die Dresdner Kunstsammlungen haben eine Liste mit den gestohlenen Juwelen aus dem Grünen Gewölbe veröffentlicht. Derweil fürchten Experten die Zerschlagung der Schmuckensemble in Einzelteile.

Bei dem Juwelendiebstahl im Dresdner Schloss sind am 25. November zwölf wertvolle Schmuckteile sowie ein diamantbesetzter Degen und zehn Rockknöpfe erbeutet worden. Das gaben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) am 27. November bekannt. Insgesamt gehörten zu den drei vom Diebstahl betroffenen Schmuckgarnituren fast 100 Einzelstücke. Bereits zuvor war bekanntgeworden, das am Tatort noch mehr Schmuckstücke vorhanden waren als zuvor angenommen.

Die Kunstobjekte enthalten Diamanten in verschiedenen Schliffformen, die zum allergrößten Teil von August dem Starken und August III. erworben worden sind. Ihre Fassungen erhielten sie den SKD zufolge größtenteils zwischen 1782 und 1789.

Unter dem Diebesgut seien zwei Schuhschnallen und eine Epaulette (Schulterstück) sowie ein Bruststern des Polnischen Weißen Adler-Ordens und ein Hut-Schmuck aus der Brillantgarnitur, hieß es. Auch Teile des Brillant-Colliers der Königin Amalie Auguste, eine brillantbesetzte Brustschleife und ein ebensolcher Haarschmuck gehören den SKD zufolge zur Beute.

"Als Einzelstücke in die Unterwelt verkaufen"

Unbekannte hatten aus dem Grünen Gewölbe in Dresden Teile von drei Juwelengarnituren gestohlen. Zuvor waren sie durch ein vergittertes Fenster in das Museum im Erdgeschoss des Dresdner Schlosses eingestiegen und hatten die Ausstellungsvitrine mit einer Axt zerschlagen. Sicherheitskräfte sahen die Einbrecher im Video und alarmierten nach Angaben der SKD die Polizei.

Der Provenienzforscher und Raubkunst-Experte Willi Korte befürchtet, dass die gestohlenen Schmuckstücke zerteilt und Teile davon einzeln verkauft werden könnten. "Wir müssen in großer Sorge sein, dass die Diebe die Steine auseinanderbrechen und die Juwelen als Einzelstücke in der Unterwelt verkaufen", sagte der Experte dem Hörfunksender MDR Sachsen.

"Das waren ja keine Gelegenheitsdiebe. Die sind geplant vorgegangen", betonte Korte. Beim Verkauf werde dann mit dem Materialwert gehandelt. "Kunstexperten und Besucher sehen immer den kunsthistorischen Wert solcher Kronjuwelen. Kriminelle denken so nicht", sagte Korte, der bekannt wurde, weil er den Quedlinburger Domschatz in den USA fand und nach Sachsen-Anhalt zurückbrachte.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) lud nach dem Juwelenraub die Museumsvertreter in Deutschland zu einer Sicherheitskonferenz ein. "In unseren Museen lagern Kunstschätze, die die kulturelle Identität unseres Landes ausmachen und deren Wert in die Milliarden geht", sagte Grütters der "Rheinischen Post". Im Zentrum der Konferenz solle die Frage stehen, wie Museen ihre Objekte künftig schützen und gleichzeitig in gewohnter Weise für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben könnten.

Vier Täter

Die Polizei geht inzwischen von vier statt zwei Tätern aus, die am Einbruch beteiligt waren. Dies gehe aus der Auswertung von Videomaterial hervor, teilte die Polizeidirektion Dresden mit. Die Tatortarbeit gestalte sich sehr aufwendig. Grund dafür sei der Einsatz eines Pulverlöscher, den die Täter verwendet hätten, um Spuren zu verwischen.

Ein erster Hinweis führt einem Bericht der "Berliner Morgenpost " zufolge nach Berlin. Seit dem Einbruch stünden die Landeskriminalämter in Berlin und Sachsen in regem Austausch. Ein Grund dafür seien Art und Weise des Einbruchs ins Grüne Gewölbe, die an ähnliche Taten aus der Hauptstadt erinnerten, heißt es im Bericht.

Im Historischen Grünen Gewölbe, seit 2006 wieder im Residenzschloss beheimatet, sind nach dem Diebstahl noch sieben barocke Juwelengarnituren erhalten. Zum Teil zählen sie jeweils mehr als 100 Einzelteile. Das Museum bleibt vorerst geschlossen.



Die Dresdner Juwelengarnituren

Der sächsische Kurfürst und König von Polen-Litauen, August der Starke, ließ 1719 seinen Juwelenschatz in einem Inventar verzeichnen. Dort findet sich erstmals der aus dem Französischen stammende Begriff der "Garnitur". Darunter wurde ein Ensemble von materiell wie stilistisch zusammengehörenden Schmuckstücken verstanden, die bei Bedarf auf ein ausgewähltes Gewand aufgenäht oder mit diesem getragen werden konnten.

August der Starke (1670-1733) ließ zehn Juwelengarnituren anfertigen. Sein Sohn, August III. (1696-1763), erweiterte das Spektrum des offiziellen Staatsschmucks um weitere Juwelen. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts werden diese Arbeiten als "der Brillantschmuck und die Perlen der Königinnen" in einer eigenen Garnitur in den Inventaren zusammengefasst.

In den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) haben sich sieben Juwelengarnituren des 18. Jahrhunderts weitgehend vollständig erhalten. Die barocken Garnituren, die zum Teil aus mehr als 100 Einzelteilen bestehen, sind im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss zu sehen. Teile von drei weiteren Schmuckgarnituren wurden am 25. November 2019 gestohlen. Das Grüne Gewölbe wurde danach vorübergehend geschlossen.

Das Grüne Gewölbe nach dem Vorbild der barocken kurfürstlichen Schatzkammer war 2006 im Schloss wiedereröffnet worden. Das Museum zeigt mehr als 2.000 Exponate. Zudem zählt das Neue Grüne Gewölbe, ebenfalls im Schloss untergebracht, mehr als 1.000 herausragende Objekte, darunter der berühmte Kirschkern mit 185 geschnitzten Köpfen und der 41-karätige Grüne Diamant.



Neue Website versammelt kirchliche und religiöse Sendungen der ARD

Eine neue Internetseite bündelt ab sofort Informationen über kirchliche und religiöse Sendungen der ARD. Auf "Gottesdienste.ard.de" finden Zuschauer und Zuhörer Details zu den entsprechenden Angeboten in den Programmen des Senderverbunds, wie die ARD am 26. November in München mitteilte. Sie arbeitet dafür mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zusammen.

Auf der Seite sind demnach alle Sendetermine der Fernseh- und Hörfunkgottesdienste der ARD aufgelistet. Es gibt Informationen zur Kirche, aus der übertragen wird, sowie zu den Zelebranten und Liturgen, zur musikalischen Gestaltung oder auch zur thematischen Ausrichtung des Gottesdienstes.

Die Rubrik "Religionen" informiert den Angaben zufolge über die aktuellen journalistischen Angebote aus dem Bereich Religion, die im Ersten, bei 3sat, ARD-Alpha, Arte und in den neun Landesrundfunkanstalten laufen. Unter der Kategorie "Das Wort zum Sonntag" sind alle Sendetermine der Reihe einschließlich der Namen der Sprecherinnen und Sprecher erfasst. Alle auf der Seite aufgeführten Sendungen sind mit der ARD-Mediathek verlinkt. Dort sind sie in der Regel für ein Jahr abrufbar.



Podcast-Adventskalender "Lauschgoldengel" der westfälischen Kirche

Adventskalender zum Reinhören: Die Evangelische Kirche von Westfalen bietet in diesem Jahr erstmals einen Podcast in der Vorweihnachtszeit an. Beim "Lauschgoldengel" gibt's ab seit dem ersten Advent täglich "was auf die Ohren", wie die westfälische Kirche in Bielefeld mitteilte. In der Zeit vom 1. bis 24. Dezember erwartet die Hörerinnen und Hörer besinnliche und bunte Podcast-Episoden rund um das Weihnachtsfest. Sie sind dann im Internet abrufbar unter "https://lauschgoldengel.ekvw.de".

Die 24 Audio-Beiträge werden den Angaben nach von der Journalistin Nicole Schneidmüller-Gaiser, Öffentlichkeitsreferentin des Kirchenkreises Hattingen-Witten, und ihrem Kollegen Dietrich Schneider aus dem Kirchenkreis Unna eingesprochen. Online ist der "Lauschgeldengel" in den dreieinhalb Wochen bis Heiligabend auch auf Facebook im Einsatz, wie es hieß.



Die Bibel als Wimmelbuch für die Kleinsten

Die Deutsche Bibelgesellschaft hat eine neue Kinderbibel als sogenanntes Wimmelbuch auf den Markt gebracht. Die großformatige "Such-Bibel" mit Bildern von Marijke ten Cate und Texten von Tanja Jeschke sei für Kinder ab vier Jahren gedacht, wie die Deutsche Bibelgesellschaft am 27. November in Stuttgart mitteilte. Die "Such-Bibel" sei geeignet für das gemeinsame Anschauen in Familien, Kindergärten, in der kirchlichen Kinderarbeit und Kinderhorten. Darin werden in acht Kapiteln einzelne Personen des Alten und Neuen Testaments vorgestellt.

Auf je einer Doppelseite ist ein Wimmelbild zu sehen und zu erforschen. Dazu gebe es eine ausklappbare Seite mit Informationen zur jeweiligen biblischen Person, heißt es weiter. Auf einer weiteren Doppelseite werde die zugehörige zentrale Geschichte aus der Bibel nacherzählt. In den biblischen Geschichten geht es um Adam und Eva, Jakob, Josef, Mose, David, Ester, Jesus und Petrus.

Marijke ten Cate arbeitet für eine Vielzahl deutscher und niederländischer Verlage als Kinderbuch-Illustratorin und lebt im holländischen Zwolle. Tanja Jeschke hat Germanistik und Theologie studiert und lebt in Stuttgart. Ihre Bücher für Kinder und Erwachsene wurden etwa von der Stiftung Niedersachsen und der Kunststiftung Baden-Württemberg ausgezeichnet.



Neuer Leiter für das Wuppertaler Von der Heydt Museum

Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum erhält einen neuen Leiter. Ab dem 1. April werde Roland Mönig als neuer Direktor des Kunstmuseums leiten, wie die Stadt Wuppertal am 26. November ankündigte. Mönig übernehme die Nachfolge des bereits ausgeschiedenen Direktors Gerhard Finch, der das Haus 13 Jahre lang geleitet hatte. Wie Finckh werde auch Mönig in zwei Funktionen tätig sein und neben der Museumsleitung auch Geschäftsführer der Von der Heydt GmbH sein, in der zwei Stiftungen und ein Museumsverein vertreten sind.

Mönig, bislang Leiter des Saarlandmuseums, verlässt die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz und hat nach Angaben des saarländischen Kulturministeriums um eine vorzeitige Auflösung seines bis 2023 laufenden Vertrages gebeten, um das neue Amt in Wuppertal anzutreten. Mönig war seit Dezember 2013 kunst- und kulturwissenschaftlicher Vorstand der Stiftung und Leiter des Saarlandmuseums.

Mönig wurde 1965 in Bochum geboren, wo er Kunstgeschichte, Alt- und Neugermanistik studierte. In Rahmen seiner Promotion befasste er sich mit dem Maler Franz Marc und dem Schriftsteller Georg Trakl im Expressionismus.

Wuppertal sei für Mönig kein Neuland, hieß es. Von März 1995 bis Februar 1997 war er freier Mitarbeiter im Von der Heydt-Museum. Danach war er zunächst wissenschaftlicher Volontär, dann Kustos und stellvertretender Leiter, später dann kommissarischer Leiter des Museums Kurhaus Kleve - Ewald Mataré-Sammlung.



Vorverkauf für Bonner Beethovenfest startet Dienstag

Am 3. Dezember sind Karten für das Beethovenfest Bonn 2020 im Vorverkauf zu erhalten. Das Herbst-Festival trägt den Titel "Auferstehn, ja auferstehn" und findet vom 4. bis 27. September statt, wie die Veranstalter mitteilten. Im kommenden Jahr steht das Beethovenfest zudem im Zeichen des 250. Geburtstags des berühmten Komponisten. Deshalb gibt es bereits im Frühjahr - anlässlich des Todestages am 26. März - unter dem Motto "Seid umschlungen" einen ersten Festivalreigen mit Konzerten.

Das Motto des Herbst-Festivals des Beethovenfestes ist einem Gedicht von Friedrich Gottlieb Klopstock entnommen. Gustav Mahler vertonte es in seiner 2. Symphonie, seiner "Auferstehungssymphonie", die zum Abschluss des Beethovenfestes erklingt. Eröffnet wird das Festival mit Beethovens neunter Symphonie. Weitere Schwerpunkte des Programms sind die "Leonoren"-Opern aus der Zeit Beethovens, der vollständige Zyklus aller Beethoven-Symphonien in den Klaviertranskriptionen von Franz Liszt sowie die Inszenierungen von Romeo Castellucci oder dem Berliner Künstlerkollektiv Rimini Protokoll.




Entwicklung

Rettung auf dem Mittelmeer


"Ocean Viking" auf Rettungseinsatz im Mittelmeer
epd-bild/Phillipp Saure
Kurz zuvor hatte es in der Schiffskantine Abendessen gegeben. Vier Stunden später hat die "Ocean Viking" 60 neue Fahrgäste an Bord, geborgen aus einem treibenden Holzboot.

Ein Notruf ist eingegangen. Einsatzleiter Nicholas Romaniuk ruft die Rettungsmannschaft auf der "Ocean Viking" zusammen. Rund 20 Leute von SOS Méditerranée und "Ärzte ohne Grenzen" drängen sich im Aufenthaltsraum des Schiffs. Romaniuk, ein stämmiger Mann mit dunklem Vollbart, erklärt am Abend des 28. November in kurzen englischen Sätzen die Lage.

Ein Holzboot soll ohne Motorleistung auf dem Meer treiben. Es ist etwa 20 Seemeilen entfernt, geschätzte Ankunftszeit dort in anderthalb Stunden. Rund 50 Menschen seien an Bord, sagt Romaniuk. Das Rettungsschiff "Ocean Viking", das von den beiden Organisationen betrieben wird, um Migranten und Flüchtlingen im Mittelmeer zur Hilfe zu kommen, ändert den Kurs. Das Ziel liegt in der libyschen Such- und Rettungszone rund 100 Kilometer nördlich der Küste.

"Frische Augen"

Deckwachen mit Fernglas werden eingeteilt. "Frische Augen" will Romaniuk, daher muss der Ausguck jede halbe Stunde wechseln. Tanguy und Matthijs gehören zu denen, die drei Decks höher steigen. Vor der Brücke, dem Kommandostand der "Ocean Viking", kniet Tanguy und nutzt einen kleinen Aufbau als Stütze, weiter vorn hat sich Matthijs an der Reling platziert. Mit Ferngläsern starren sie in die Nacht, aber außer den Sternen ist kaum etwas zu sehen. Matthijs, ein 26 Jahre alter Belgier, ist es, der um 19.55 Uhr ein Licht voraus meldet.

20 Minuten später hebt ein Kran steuerbord "Easy 2" ins Wasser, ein orangefarbenes Rettungsboot mit rund 180 PS, backbord folgt "Easy 1". Mit drei und vier Rettern in Schwimmwesten und Helmen steuern Boote und Mutterschiff nun in breiter Linie das Ziel an. Aus dem kleinen Licht in der Dunkelheit wird schließlich ein Boot - die Retter sind da.

Es ist eine Holzkonstruktion mit blau-rotem Rumpf, geschätzt zehn Meter lang und die Bordwand wohl keinen Meter über dem Wasserspiegel. 60 Menschen drängen sich darin. Die meisten wirken ruhig, später hört man ein Baby schreien. Der wenige Monate alte Junge bekommt die erste der Rettungswesten, die die "Easy 2" in riesigen Plastiksäcken mitgebracht hat und nun austeilt.

"Kämpft nicht um Rettungswesten"

Bootsführer Tanguy und sein Kollege Dragos stehen dafür auf einer Plattform am Bug des Rettungsbootes. "Kämpft nicht um Rettungswesten" ruft Tanguy, der die Menschen in der kommenden Stunde immer wieder anherrschen wird. Er muss die Menge unter Kontrolle halten, sonst kann es noch zum Kentern kommen. "Nicht bewegen" ruft der 38-Jährige mit Dreadlocks unter dem Helm immer wieder, auf Englisch und Französisch.

"Dieser Kerl, du!", heißt es, als er einen der Männer zum Rüberkommen aufs Rettungsboot aussucht. Dabei packen Tanguy und Dragos die Bootsflüchtlinge an den Armen und ziehen sie zu sich auf ihre Plattform. Dann gehen oder stolpern die Menschen, fast alle sind Männer, hinunter ins Boot, wo Tomoko ihnen Plätze zuweist. Zum Rüberholen müssen die Boote sich einerseits nah sein. Doch die Wellen schaukeln beide hoch und hin und her, immer wieder stößt "Easy 1" fast mit dem Holzboot zusammen. Fahrer Antonin lässt dann den Motor röhren und setzt zurück. Dann beginnt das Manöver von vorn.

Mit rund 20 Menschen an Bord rast das Rettungsboot schließlich zum Mutterschiff, wo an einem bis zum Wasser reichenden Aufgang das Deckteam die Leute an Bord zieht. "Easy 1" macht die Fahrt zum Holzboot noch einmal und holt mit "Easy 2" zusammen die Übriggebliebenen.

Männercontainer

Für die Geretteten ändert sich auf der "Ocean Viking" nun der Ton. Waren eben noch klare Kommandos wichtig für ihr Überleben, werden sie nun willkommen geheißen. Die Helfer, vor allem von "Ärzte ohne Grenzen" sind nun am Zug, fragen sie nicht nur nach Alter und Herkunftsland und versorgen sie mit Essen und Kleidung. Sie schütteln ihnen auch die Hände oder legen kurz den Arm um die Schulter.

Hannah Wallace Bowman von "Ärzte ohne Grenzen" begrüßt einen Mann, der eine Kapuze aufhat, aber weder Schuhe noch Socken an den Füßen. Sie fasst ihn sanft am Arm und begleitet ihn einige Meter bis zum Männercontainer, einer spartanischen Unterkunft für die nächsten Tage. Dort lassen sich die Geretteten unter Heizstrahlern auf dem nackten Boden, Decken oder Matten nieder.

Als drei Männer von "Ärzte ohne Grenzen" sie auf Französisch, Englisch und Arabisch begrüßen und ihnen die Regeln für das Schiff erklären, haben sich einige schon ausgestreckt oder die Augen zugemacht, andere plaudern und scherzen. Auf der "Ocean Viking" hat die erste Zeit nach Registrierung und Einweisung, wenn der Stress der Reise und der Rettung von vielen Menschen abfällt und sie zur Ruhe kommen, einen eigenen Namen: die "goldene Stunde".

Phillipp Saure (epd)


Amnesty: Hauptgrund für Amazonas-Abholzung sind Rinderfarmen


Gerodeter Regenwald in Brasilien (Archivbild).
epd-bild / Anja Kessler
Die illegale Rinderhaltung sei nicht nur für die Rechte der traditionellen Gemeinschaften eine Gefahr, sondern für das gesamte Ökosystem der Erde, mahnt die Menschenrechtsorganisation.

Illegale Rinderfarmen sind laut Amnesty International der Hauptgrund für die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien. Die ungesetzlichen Landnahmen in Reservaten und Schutzgebieten für die Ureinwohner dienten zu einem Großteil der Viehzucht, erklärte die Organisation am 26. November in Berlin. Die illegale Rinderhaltung stelle eine äußerst reale Gefahr dar, nicht nur für die Rechte der traditionellen Gemeinschaften, sondern für das gesamte Ökosystem der Erde, erklärte der Amnesty-Umweltexperte Richard Pearshouse bei der Vorstellung eines entsprechenden Berichts. Deutschland gehört zu den wichtigen Importeuren von brasilianischem Rindfleisch.

Fünffache Größe Portugals

Etwa zwei Drittel der zwischen 1988 und 2014 abgeholzten Amazonas-Gebiete seien niedergebrannt und in Weideland umgewandelt worden, hieß es weiter. Diese Fläche erstrecke sich über annähernd 500.000 Quadratkilometer, fast die fünffache Größe Portugals. Recherchen in fünf Gebieten, die von indigenen Gruppen bewohnt würden, zeigten, dass der Landraub zunehme und zumeist mit Gewalt, Drohungen und Einschüchterungen einhergehe. Teilweise seien die ursprünglichen Bewohner des Landes komplett vertrieben worden. Einige Behörden in den betroffenen Bundesstaaten unterstützen laut Amnesty die Rinderhaltung in Schutzgebieten.

Seit dem Amtsantritt des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro hat in Brasilien die illegale Abholzung des Regenwaldes stark zugenommen. Von August 2018 bis Juli 2019 wurde so viel Wald gefällt wie seit zehn Jahren nicht mehr. Bolsonaro hat Behörden für den Umwelt- und Indigenenschutz massiv die Mittel gekürzt oder die Behörden zerschlagen und kritische Wissenschaftler entlassen. Bereits zu Beginn seiner Regierung kündigte er an, Schutzgebiete für die wirtschaftliche Ausbeutung freizugeben.



Bewaffnete verletzen und töten Ebola-Helfer im Kongo

Die Gewalt im Nord-Osten des Landes untergräbt die Kampagne gegen die hochansteckende Krankheit. Rund 2.200 Menschen starben bereits.

Bei zwei Angriffen im Kongo sind den UN zufolge Mitarbeiter der Gesundheitskampagne gegen die Ebola-Epidemie verletzt und getötet worden. Ein Impfexperte, zwei Fahrer und ein Polizist seien im Nordosten des Landes gewaltsam ums Leben gekommen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 28. November in Genf mitteilte. Die Helfer, von denen keiner bei der WHO angestellt war, seien gestorben während sie die Leben anderer Menschen retten wollten, erklärte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Fünf weitere Menschen wurden verletzt.

Die Angriffe auf Gesundheitspersonal führten dazu, dass die Ebola-Epidemie sich wieder ausbreite und mehr Menschen stürben, sagte Tedros. In der vergangenen Woche seien nur sieben neue Ebola-Fälle registriert worden, im April seien es pro Woche noch mehr als 120 Fälle gewesen. Unter den Verletzten sei ein Mitarbeiter der WHO, andere Verletzte hätten für das Gesundheitsministerium gearbeitet. Die Sicherheit der anderen Gesundheitsmitarbeiter müssten nun gewährleistet werden, forderte Tedros. Nach Angaben des kongolesischen Gesundheitsministeriums sind seit Beginn des Ausbruchs Mitte 2018 mehr als 3.300 Ebola-Fälle registriert worden, rund 2.200 Menschen starben.

Vorwürfe gegen Blauhelmmission

Die anhaltende Gewalt im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo behindert seit Monaten erheblich die Ebola-Bekämpfung. Bewaffnete Gruppen attackieren gezielt Gesundheitseinrichtungen, dabei werden immer wieder Menschen verletzt und getötet. In der Region bekämpfen sich Dutzende Milizen, Rebellengruppen, Banden und die Armee.

Die Vereinten Nationen ermitteln unterdessen nach dem Tod eines jungen Mannes, der bei Protesten in der ostkongolesischen Stadt Beni von einem Blauhelmsoldaten erschossen worden sein soll. Das Opfer habe zuvor einen Molotow-Cocktail auf die UN-Truppen werfen wollen, sagte UN-Sprecher Mathias Gillmann in der Hauptstadt Kinshasa. Im Namen der UN-Sonderbeauftragten für das zentralafrikanische Land, Leila Zerrougui, kondolierte er den Angehörigen des Mannes und der weiteren Opfer der Unruhen in den vergangenen Tage.

Die Bevölkerung in Beni wirft der kongolesischen Armee und der UN-Blauhelmmission Monusco vor, die Zivilbevölkerung nicht ausreichend vor solchen Angriffen zu schützen. Demonstranten hatten am Wochenende mehrere UN-Gebäude angegriffen und das Büro des Bürgermeisters angezündet, um gegen die wachsende Gewalt in der Region zu protestieren. Gillmann verurteilte die zunehmenden Angriffe der ADF-Miliz in der Region. Bei 14 Attacken seien mindestens 80 Zivilisten getötet worden. Der von den UN betriebene Sender Radio Okapi meldete am Donnerstag mindestens 15 weitere Tote bei einem Überfall der ADF auf die Ortschaft Meleki im Umland von Beni. Sie alle sollen Augenzeugen zufolge enthauptet worden sein.



"Brot für die Welt" fordert Hilfe für arme Länder bei Klimaschäden


Margot Käßmann
epd-bild/Uwe Lewandowski

Vor dem Weltklimagipfel in Spanien mahnt "Brot für die Welt" faire Unterstützung für arme Länder bei der Bewältigung des Klimawandels an. Finanzielle Hilfen bei klimabedingten Schäden und Verlusten stünden in Madrid erstmals weit oben auf der Verhandlungsagenda, erklärte das evangelische Hilfswerk am 28. November in Berlin. Für die ärmsten Staaten sei der Gipfel deshalb von größter Bedeutung. Die 25. Weltklimakonferenz findet vom 2. bis 13. Dezember statt.

"Die ärmsten Menschen, die den Klimawandel nicht verursacht haben, tragen seine gigantischen Kosten", betonte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von "Brot für die Welt". Diese könnten sie unmöglich aus eigener Kraft bewältigen. Zusätzliche internationale Finanzzusagen seien deshalb unbedingt erforderlich.

Neue Finanzquellen müssten erschlossen werden, forderte Füllkrug-Weitzel. "Wenn den ärmsten Staaten nur Kredite angeboten werden, um mit den Folgen des Klimawandels fertig zu werden, droht ihnen eine massive Verschuldung. Im schlimmsten Fall folgt daraus eine permanente humanitäre Krise." Mit Verweis darauf, dass die G20-Staaten für 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich seien, erklärte Füllkrug-Weitzel: "Klimagerechtigkeit würde bedeuten, dass die Staaten für die Schäden Verantwortung übernehmen, die sie verursachen."