Kirchen

Bedford-Strohm wirbt als Gastgeber des Weltkirchenrates


Bedford-Strohm warb in Genf für Karlsruhe (Archiv-Bild).
epd-bild/Friedrich Stark
Karlsruhe will 2021 die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen austragen. Die badische Stadt kann mit ihrer traditionellen religiösen Toleranz und Weltoffenheit punkten. Konkurrent ist Kapstadt.

Der Weltkirchenrat hat mit einem Gottesdienst seine Gründung vor 70 Jahren gefeiert. In der Kathedrale von Genf betonten der ökumenische Patriarch Bartholomäus und andere Vertreter des 348 Kirchen umfassenden globalen Verbandes am 17. Juni die Einheit der Christen.

Der Ökumenische Rat der Kirchen, der genau am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet wurde, steht auch für die Vielfalt der christlichen Konfessionen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warb am Wochenende für Karlsruhe als Ort der nächsten Vollversammlung des ÖRK. Er würdigte vor dem ÖRK-Zentralausschuss Karlsruhe als Stadt mit starker Tradition religiöser Toleranz und internationaler Ausrichtung.

Entscheidung soll am 20. Juni fallen

Neben Karlsruhe kandidiert nur Kapstadt in Südafrika als Austragungsort für das globale ökumenische Treffen mit Tausenden Teilnehmern im Jahr 2021. Der Zentralausschuss des Weltkirchenrates entscheidet sich voraussichtlich am 20. Juni zwischen den beiden Bewerbern.

Karlsruhe wäre die erste deutsche Stadt, die eine ÖRK-Vollversammlung ausrichtet. In Europa tagte die Vollversammlung letztmals 1968 im schwedischen Uppsala. Bedford-Strohm wies auf die "Atmosphäre religiösen Friedens" in Karlsruhe hin. Als "Residenz des Rechts" sei Karlsruhe bestens geeignet, sich mit den Themen Gerechtigkeit, verlässliche Rechtsinstitutionen, Menschenrechte und Religionsfreiheit zu beschäftigen. Diese hätten eine zunehmende Bedeutung in der ganzen Welt bekommen und seien zentral auch für die Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Bedford-Strohm hob zugleich die Lage Karlsruhes an der Grenze zu Frankreich hervor. Dieser Umstand sei mehr als nur Geografie. Vielmehr blicke man heute voller Dankbarkeit auf eine lange Geschichte der Versöhnung zwischen Deutschland, Frankreich und anderen Ländern Europas zurück.

Eine Vollversammlung des Weltkirchenrates könne in Karlsruhe europäische und globale Perspektiven verbinden, betonte Bedford-Strohm. Zugleich äußerte der Ratsvorsitzende die Hoffnung, dass die europäischen Kirchen von den Gästen aus der ganzen Welt geistliche Inspiration, Ermutigung und Glaubensfreude empfangen würden.

Der Weltkirchenrat repräsentiert heute 550 Millionen Christen aus protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen. Die Vollversammlung ist das oberste Entscheidungsorgan des Rates und stellt die Weichen für die Arbeit.

Sie findet etwa alle acht Jahre statt. 2013 wurde die Vollversammlung im südkoreanischen Busan ausgetragen, davor tagte das Gremium 2006 in Porto Alegre, Brasilien. Aus mehreren Bewerbungen hatte der Rat der EKD Karlsruhe als deutschen Kandidaten ausgewählt.



Kirchentag will kurzfristig über AfD-Einladung entscheiden


Julia Helmke ist seit einem Jahr Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags.
epd-bild/Hanno Gutmann

Der evangelische Kirchentag will kurzfristig entscheiden, ob zu Veranstaltungen des Christentreffens in einem Jahr in Dortmund AfD-Politiker eingeladen werden. Das Kirchentagspräsidium habe bereits 2016 beschlossen, keine Menschen einzuladen, die sich offen rassistisch oder menschenfeindlich äußern. "Dazu stehen wir weiterhin", sagte Kirchentagsgeneralsekretärin Julia Helmke dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aber wir beobachten, wie sich die Partei, die seit dem vergangenen Jahr auch im Bundestag sitzt, verändert", sagte sie: "Und wir überlegen: Was heißt das für den Kirchentag im nächsten Jahr in Dortmund?"

Helmke sagte, dem Kirchentag sei "sehr bewusst, dass in Dortmund Themen aufgegriffen werden sollten, die für viele Menschen eine Rolle spielen". "Wir halten uns offen, mit bestimmten Veranstaltungen auf aktuelle Fragestellungen zu reagieren", fügte Helmke hinzu, die vor einem Jahr das Amt der Generalsekretärin übernommen hat.

Der Umgang mit der AfD und ihren Mitgliedern ist in der Kirche und beim Kirchentag umstritten. Beim Kirchentag 2017 in Berlin hatte der evangelische Bischof Markus Dröge mit der damaligen Sprecherin der Vereinigung "Christen in der AfD", Anette Schultner, diskutiert. Schultner ist inzwischen aus der AfD ausgetreten. Beim Katholikentag im Mai in Münster gehörte auf einem Podium über die Religionspolitik der Bundestagsparteien auch der religionspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, zu den Teilnehmern.

Zum 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 19. bis 23. Juni in Dortmund, der unter dem Motto "Was für ein Vertrauen" steht, erwarten die Veranstalter bis zu 100.000 Dauerteilnehmer. Das Programm steht noch nicht fest.

Helmke wünscht sich für das Christentreffen in Dortmund kontroverse Auseinandersetzungen. "Wichtig ist, dass wir uns nicht nur in einer Blase bewegen, in der sich alle gegenseitig versichern, auf dem richtigen Weg zu sein", sagte sie.

epd-Gespräch: Julia Lauer und Karsten Frerichs


Bundesregierung würdigt Evangelische Frauenarbeit


Annette Kurschus
epd-bild/Friedrich Stark

Die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland hat am 15. Juni ihre Gründung vor 100 Jahren gefeiert. Die westfälische Präses Annette Kurschus rief dabei zum Engagement für Demokratie, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung auf. Es sei gut, "dass kluge Frauen die neurechten und ewiggestrigen Verunglimpfungen" von Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt "gezielt demaskieren", sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) laut Redemanuskript in ihrer Predigt.

Das Bundesfrauenministerium würdigte die Arbeit der Evangelischen Frauen als wichtigen Beitrag für Politik und Gesellschaft. "Wir brauchen die Zivilgesellschaft und damit auch die Kirchen, damit unsere Demokratie lebendig bleibt", sagte Staatssekretärin Caren Marks (SPD) laut Redemanuskript. Dass die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter vorankomme, sei nicht selbstverständlich. Dafür müsse immer wieder gekämpft werden. Ebenso müsse die Demokratie verteidigt und gestärkt werden. Bei der Umsetzung gesellschaftspolitischer Verbesserungen für Frauen und Familien in Deutschland sei die Unterstützung des Verbandes "willkommen und wichtig".

Kurschus beklagt "Allianz vom Machismo und Religion"

Kurschus sagte, die Vorkämpferinnen des vor 100 Jahren eingeführten Frauenwahlrechts hätten die Welt positiv verändert. Heute gefährde eine sich als typisch amerikanisch ausgebende "unheilige Allianz vom Machismo und Religion" die Welt, trampele "durch den Porzellanladen der Weltgesellschaft" und ramme dabei "ohne Rücksicht auf Verluste Ökologie, internationale Politik und Geschlechterbeziehungen".

Kluge Argumente zur Verteidigung der Frauenrechte würden "am Ende mehr bewirken und den längeren Atem behalten als manches laute und dumpfe und nur scheinbar mächtige Getön" gegen Geschlechtergerechtigkeit, betonte Kurschus laut Manuskript. Aktuell sei in der Debatte über Organtransplantationen zu befürchten, dass die menschliche Würde zugunsten von "allzu glatten und marktgängigen Definitionen" in den Hintergrund gerate, mahnte die Theologin. Die Evangelischen Frauen bezögen deshalb differenziert Stellung, um "Wissen und Gewissen beieinander" zu halten.

Die Jubiläen "100 Jahre Evangelische Frauenarbeit, zehn Jahre Evangelische Frauen in Deutschland, 100 Jahre Frauenwahlrecht" seien drei gute Gründe zum Feiern, betonte Kurschus. Zur Wahrheit gehöre jedoch auch, dass vieles gegen eine von Männern dominierte Gesellschaft und Kirche erreicht und erkämpft worden sei.



Jung warnt vor Instrumentalisierung der Fußball-WM


Volker Jung
epd-bild / Thomas Lohnes

Zur Fußball-WM in Russland hat der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung vor einer Vereinnahmung des Sports durch die Politik gewarnt. Sportliche Großveranstaltungen würden auch instrumentalisiert und zur nationalen Inszenierung genutzt, sagte der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei dem Besuch des für Sport zuständigen Bundesinnenministers in Russland sei wichtig, ob er schwierige politische und sportpolitische Fragen anspreche und Bilder vermeide, mit denen er vereinnahmt werde.

"Gleichzeitig finde ich es wichtig, bei aller berechtigten politischen Kritik nicht den Sport und die Sportler aus dem Blick zu verlieren", sagte der Kirchenpräsident. An die Sportler und die Funktionäre dürften keine "übertriebenen Erwartungen in aktuellen Fragen" gerichtet werden: "Sie können politische Versäumnisse nicht aufarbeiten."

"Kirchen keine Welt-Werteagentur"

Die Kirchen könnten bei der Fußball-WM auf Menschenrechtsverletzungen oder die aggressive Politik Russlands hinweisen. "Ich sehe das aber realistisch", sagte Jung. "Wir sind keine Welt-Werteagentur, die mit erhobenem Zeigefinger moralische Appelle von sich gibt, worauf sich alles ändert. Das schafft ja noch nicht einmal die UN."

Scharf sprach sich der EKD-Sportbeauftragte gegen Doping aus, das in den vergangenen Jahren bei vielen russischen Sportlern nachgewiesen wurde. "Doping ist ein klarer Verstoß gegen die Verpflichtung, Solidarität und Fair Play im Sport einzuhalten", sagte Jung. Es sei Betrug, der auch strafrechtlich verfolgt werden müsse. Die Anti-Doping-Gesetze seien unwirksam, wenn die Ermittlungen nicht auf diejenigen ausgeweitet würden, die den Sport organisieren. "Es braucht vermutlich auch konsequentere Ermittlungsarbeit gegen Funktionäre und Mediziner", sagte der Kirchenpräsident.

Mehr Transparenz

Bezüglich der Vergabe der Fußball-WM forderte Jung mehr Transparenz. "Bei der Bewertung einer Bewerbung sollte die politische Situation - vor allem hinsichtlich der Menschenrechte - intensiver diskutiert und bewertet werden", sagte er. Der Weltfußballverband Fifa werde dieser Verantwortung seit Jahren nicht mehr gerecht, kritisierte der EKD-Sportbeauftragte. Die nächste Fußball-WM 2022 findet im arabischen Golfstaat Katar statt.

epd-Gespräch: Jens Bayer-Gimm


Friedensbeauftragter: Nach Trump-Kim-Deal viele Fragen


Renke Brahms
epd-bild/Jürgen Blume

Der evangelische Friedensbeauftragte Renke Brahms bewertet die Ergebnisse des Treffens zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un zurückhaltend. "Das Treffen in Singapur war historisch, ohne Zweifel. Aber was ist die Vereinbarung zwischen Trump und Kim wert angesichts der Sprunghaftigkeit des US-Präsidenten?", sagte der leitende Bremer Theologe am 12. Juni dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Und was ist, wenn es hakt? Und es wird haken." Der Teufel stecke im Detail, sagte der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und gab ein Beispiel: Ein zentraler Begriff in der gemeinsamen Erklärung von Trump und Kim sei "eine vollständige Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel". "Aber ist das auch ein beidseitiger Prozess?", fragte Brahms. Es stelle sich die Frage, ob das auch die Militärbasen der USA betreffe. "Wir wissen nicht, was die Amerikaner alles in Südkorea stationiert haben."

Wenn es gut laufe, wäre das Treffen in Singapur der Beginn eines Friedensprozesses in der Region, fügte Brahms hinzu. "Das müsste Zug um Zug passieren - beispielsweise mit dem Ende von Militärmanövern und dem Abzug US-amerikanischer Truppen aus Südkorea." Zweifellos sei es gut, wenn sich die Vertragspartner verpflichtet hätten, die Bestimmungen ihrer gemeinsamen Erklärung vollständig und zügig umzusetzen. "Doch am Ende geht es immer wieder um die Frage: Bleibt Trump bei dieser Vereinbarung?"

epd-Gespräch: Dieter Sell


Claussen: Kirche muss sich mit NS-Kunst auseinandersetzen


Johann Hinrich Claussen
epd-bild/Norbert Neetz

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) muss sich nach Ansicht ihres Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen intensiver mit ihren Kunstgegenständen aus der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Die kontroversen Diskussionen rund um die mit Nazi-Symbolen versehenen Glocken etwa in Faßberg und Schweringen in Niedersachsen zeigten, dass es diesbezüglich einen Nachholbedarf gebe, sagte Claussen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit den Auswirkungen des Nationalsozialismus habe die Kirche sich zwar politisch, theologisch und ethisch auseinandergesetzt. Aber unter ästhetischen Gesichtspunkten sei das bislang nur im Einzelfall geschehen.

Neben den sogenannten Hakenkreuz-Glocken existierten zahlreiche weitere Objekte wie Gedenktafeln, Friedhöfe und ganze Kirchengebäude, sagte Claussen anlässlich einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg über "Kunst und protestantische Kirche während des Nationalsozialismus". Eine Kirche könne man aber nicht wie eine Glocke einfach weghängen und anderswo ausstellen. Bis zum 17. Juni wollten sich Kunstsachverständige, Historiker und weitere Experten drei Tage lang dieses Themas annehmen.

"Grenzen oft diffus"

Nicht alle betreffenden Bauwerke oder Gegenstände seien eindeutig nationalsozialistisch geprägt, sagte der Theologe Claussen: "Die Grenzen sind da oft diffus." Deshalb müssten klare Kriterien für den Umgang mit solchen Kunstobjekten entwickelt werden. "Einzelne Kirchengemeinden können und sollen das nicht allein entscheiden."

Claussen plädierte dafür, mit dem Denkmalschutz darüber zu diskutieren, ob wirklich alle Zeugnisse erhalten werden müssten. "Von manchem muss man sich auch mal trennen dürfen." Er frage sich beispielsweise, wie auf einem so deutlich nationalsozialistisch geprägten Friedhof wie dem städtischen in Bochum jemals noch eine christliche Trauerfeier gestalten werden könne. "Und man kann auch nicht aus allem ein Museum machen." Zumindest müssten solche Fragen offen und ehrlich erörtert werden.

Grundsätzlich sei es allerdings für jede betroffene Gemeinde wichtig, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, betonte der Experte. "Wir sind nicht fürs Wegflexen, sondern fürs Reflektieren." Claussen bezog sich damit auf die Glocke in Schweringen, deren Hakenkreuz von Unbekannten entfernt worden war. Dort wie auch in Faßberg hatte sich ein beträchtlicher Teil der Bürger dafür ausgesprochen, die Glocken weiter läuten zu lassen. Der Kulturbeauftragte betonte, er stimme mit den Kirchenleitungen überein, dass solche Glocken durch neue ersetzt und ausgestellt werden sollten.

epd-Gespräch: Martina Schwager


Bischof Hein: AfD verschärft politisches Klima


Martin Hein
epd-bild/Norbert Neetz

Das politische Klima in Deutschland ist nach Auffassung des kurhessischen Bischofs Martin Hein (Kassel) durch den Einzug der AfD in den Bundestag schärfer und undifferenzierter geworden. Dass Parolen wieder in die Politik Einzug hielten, könnten die Kirchen nicht begrüßen, sagte der evangelische Theologe der kirchlichen Medienagentur "medio". Allerdings sollte man sich nicht immer reflexartig empören, wenn die AfD einen Knochen hinhalte.

Mit Blick auf die Flüchtlingsfrage stellte Hein fest, dass dieses Thema vielen Menschen Sorgen bereite und sie verunsichere. Diese Sorgen müsse man einerseits ernst nehmen, andererseits müsse man aber dem Eindruck entgegenwirken, dass die Politik die eigene Bevölkerung vernachlässige. Aufgabe der Kirche sei es, für eine nüchterne Einschätzung der aktuellen Situation in Deutschland einzutreten und für diese Sicht zu werben. Deutschland gehe es verglichen mit anderen Teilen der Erde unvergleichlich gut.

Weg der Öffnung

Zur aktuellen Diskussion in der katholischen Kirche zur Frage der Teilnahme von evangelischen Christen an der Eucharistiefeier sprach sich Hein dafür aus, für den Weg der Öffnung weiter einzutreten. Dafür hatte sich auch die Mehrheit der katholischen Bischöfe in Deutschland ausgesprochen. Seiner Ansicht nach könne man theologisch begründet die gegenseitige Einladung zum Abendmahl jetzt schon aussprechen. Wahrscheinlich werde dies auch ein Thema des Ökumenischen Kirchentags 2021 in Frankfurt am Main werden.



Westfälische Kirche zieht positive Bilanz der Flüchtlingshilfe


Albert Henz
epd-bild/Norbert Neetz

Die westfälische Landeskirche und die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe haben eine positive Zwischenbilanz ihrer Flüchtlingshilfe gezogen. Der Theologische Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen, Albert Henz, nannte den Einsatz "eine Erfolgsgeschichte". "Schon 2015, dem Jahr des großen Flüchtlingszugangs, haben wir als Kirche unbürokratisch enorm effektive Arbeit geleistet", sagte Henz den Angaben nach auf einem Fachtag in der Evangelischen Akademie Villigst in Schwerte. Seit 2014 fördert die westfälische Landeskirche die Flüchtlingsarbeit mit zusätzlichen Sondermitteln, seit 2016 sind es jährlich 500.000 Euro.

Zwar sei die anfänglich positive Stimmung einem problematischen Klima gewichen, sagte Henz. Die Kirche werde aber weiter mit Beratungen gegen strittige Asylbescheiden vorgehen und sich für den Erhalt des Kirchenasyls einsetzen. Der Theologe sprach sich in dem Zusammenhang gegen die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geplanten Anker-Zentren zur zentralen Unterbringung von Flüchtlingen aus, in denen künftig das komplette Asylverfahren abgewickelt werden soll.

Staatssekretär: NRW beteiligt sich nicht an Anker-Zentren

Staatssekretär Andreas Bothe vom NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration plädierte für ein Aufenthaltsrecht für langjährig gut integrierte Geduldete. "Wir brauchen dringend eine Neuordnung der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik", sagte der FDP-Politiker in Schwerte. Es sei notwendig, ein Einwanderungsgesetz zu entwickeln. An dem Bundesprojekt Anker-Zentren wird sich Nordrhein-Westfalen seinen Worten nach nicht beteiligen.

Nach Ansicht des Flüchtlingsreferenten der Diakonie RWL, Dietrich Eckeberg, setzen Kirche und Diakonie in der Flüchtlingshilfe und Integrationsarbeit Impulse. Als Beispiel nannte der Experte etwa das kirchlich-diakonische Modellprojekt für eine psychosoziale Begleitung von Flüchtlingen in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) in Borgentreich im Kreis Höxter. Bisher aus Sondermitteln der evangelischen Kirche finanziert, soll es den Angaben nach nun zum Pilotprojekt des Landes werden, womöglich auch zum Modell für alle Landesunterbringungen.



Papst sieht Parallelen zwischen Abtreibung und NS-Euthanasie

Papst Franziskus zieht Parallelen zwischen der Abtreibung behinderter Embryos und der NS-Praxis zur Vernichtung sogenannten unwerten Lebens. "Im vergangenen Jahrhundert hat sich die ganze Welt über das aufgeregt, was die Nationalsozialisten machten, heute tun wir das mit weißen Handschuhen", sagte er am 16. Juni im Vatikan bei einem Treffen mit einem Forum italienischer Familienorganisationen.

Ärzte rieten heute offenbar Schwangeren, Embryos mit Behinderungen abzutreiben, sagte der Papst in seiner frei gehaltenen Ansprache. Um für ein "ruhiges Leben" zu sorgen, würden Leben ausgelöscht. Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, stellte Franziskus die rhetorische Frage, warum in der Öffentlichkeit keine kleinwüchsigen Menschen zu sehen seien. "Weil das Protokoll vieler Ärzte sagt, der wird nicht gut, schicken wir ihn weg."

Franziskus sorgte bereits mehrfach mit NS-Vergleichen für Aufsehen. So brachte er etwa im April vergangenen Jahres Flüchtlingslager mit KZs in Verbindung.



Neuer "Taufbegleiter" für Eltern und Paten


Der "Taufbegleiter" informiert.
epd-bild/evangelisch.de
Was passiert eigentlich bei der Taufe eines Kindes? Wer darf Pate werden? Warum taufen Christen überhaupt? - Auf diese und andere Fragen antwortet ein digitaler "Taufbegleiter".

Eine neue App zur Taufe soll Eltern und Paten bei der Gestaltung des wichtigen Familienfestes helfen: "Was passiert eigentlich bei der Taufe eines Kindes? Wer darf Pate oder Patin werden? Warum taufen Christen überhaupt? Wie findet man einen passenden Taufspruch?". Auf diese und andere Fragen antworte der evangelische "Taufbegleiter" neben der App auch in Form einer Webseite und eines Buches, teilte das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) am 13. Juni in Frankfurt mit. Die App für Android und iOS sei kostenlos.

Wer die App herunterlädt, werde zu Beginn gefragt, ob er sie als Elternteil oder als Pate nutzt und wann der Tauftermin sein soll, fügte Torsten Spille vom Gemeinschaftswerk hinzu: "Der Taufbegleiter meldet sich dann regelmäßig bis zum Tauftag und sogar darüber hinaus mit den jeweils zu diesem Zeitpunkt passenden Inhalten." So gebe ein professioneller Redenschreiber Tipps für die Tischrede bei der Tauffeier und eine Literaturpädagogin empfehle Kinderbibeln und Bilderbücher. Die App sei offline und ohne Registrierung nutzbar.

Gezielte Suche

Die Webseite "www.taufbegleiter.evangelisch.de" stelle die Beiträge online zur Verfügung, hieß es. Hier seien sie nach Themenbereichen sortiert, um auch ein gezieltes Suchen nach bestimmten Informationen und Inhalten zu ermöglichen. Online und in der App gebe es außer einer Reihe von Texten auch Audios, Videos und Bildergalerien.

Das Buch "Drei Hände voll Wasser und Gottes Segen" (edition chrismon) begleite vor allem Eltern, die ihr Kind taufen lassen möchten. Neben den Informationen und Anregungen rund um die Taufe bietet es auch Geschichten und Gedanken sowie Liedvorschläge mit Noten und praktische Kopiervorlagen. Zusammengestellt wurden die Informationen, Tipps und Hintergründe zur Taufe von der Redaktion von evangelisch.de, die auch hinter dem Portal "www.taufspruch.de" steht.

Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) ist die zentrale Medieneinrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen. Zum GEP gehört unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd).



Kurschus: Gottes Stimme erreicht junge Menschen auf neuen Wegen

Technischer Fortschritt und Digitalisierung verändern nach Ansicht der westfälischen Präses Annette Kurschus nicht nur die Art, wie Menschen leben, arbeiten und kommunizieren, sondern auch die Formen, in denen sie musizieren, beten und glauben. "Auf den klassischen Kanälen, an den etablierten Orten, in den überkommenen Formen und der traditionellen Weise wird 'des Herrn Wort' seltener", sagte die Theologin am 17. Juni beim CVJM-Bundesposaunenfest in Essen. Gott bleibe derselbe, doch die Menschen erführen ihn auf je ihre eigene Weise.

Deshalb könnten auch die Älteren sich darüber freuen und darauf vertrauen, "dass Gott schon längst und stets neu mit der jungen Generation im Gespräch ist", sagte Kurschus weiter. Sie könnten jungen Menschen helfen, Gottes Stimme selbstständig wahrzunehmen, "in den Stimmen der Tradition, in neuen Klängen, im Hier und Jetzt und im eigenen Herzen". Für viele Kinder und Jugendliche seien beispielsweise die Mitarbeiter des CVJM solche "Lehrer des Hörens - Menschen die nicht alles wissen, sondern die neugierig machen auf Gott".

Das Bundesposaunenfest des Christlichen Vereins junger Menschen (CVJM) stand unter dem Motto "Zwischentöne". In der Grugahalle wurden rund 1.500 Musiker sowie noch einmal so viele Besucher erwartet. Auf dem Programm standen unter anderem Auftritte des Bundesjugendposaunenchores des CVJM und der Big Band der Universität Siegen sowie ein Unterhaltungsprogramm für die Kinder und Jungscharen.

Der CVJM-Westbund ist nach eigenen Angaben der größte Landesverband des CVJM in Deutschland. Er betreut rund 580 Vereine mit 70.000 Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen, Hessen und dem Saarland sowie Teilen von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen.



Fußball-WM: Fast 600 Kirchen für Public Viewing angemeldet


Public Viewing im Gemeindesaal einer evangelischen Kirchengemeinde in Frankfurt am Main (Archivbild von 2010)
epd-bild / Thomas Rohnke

Deutschlandweit fast 600 Kirchengemeinden haben eine Gema-Lizenz zur Übertragung von Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft beantragt. Wie Gema-Fußballexpertin Gabi Schilcher am Donnerstag in München dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mitteilte, sind darunter 417 evangelische und 162 katholische Gemeinden. Schilcher fügte hinzu: "Erfahrungsgemäß verdoppeln sich die Anmeldungen noch im Laufe der WM, je nach dem, wie weit die deutsche Mannschaft kommt." Die gut vierwöchige Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland begann am 14. Juni mit dem Eröffnungsspiel des Gastgebers gegen Saudi-Arabien (5:0).

Kirchenrabatt

Weitere Anmeldungen von Lizenzen für Public Viewing sind nach Angaben der Gema während der gesamten Dauer der Fußball-WM möglich. Evangelische Kirchengemeinden, die WM-Spiele öffentlich zeigen wollen, erhalten den Angaben zufolge generell über einen bestehenden Gesamtvertrag mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einen Nachlass auf den Gema-Tarif von 20 Prozent.

Zum einen gibt es einen Sondertarif, mit dem alle Spiele angeschaut werden können. Dieser beträgt gut 85 Euro für die gesamte Fußball-WM in Veranstaltungsräumen bis zu 200 Quadratmetern. Bis 400 Quadratmeter Raumgröße sind es laut Gema gut 170 Euro inklusive Nachlass. Zum anderen gibt es den Tarif für ein Einzelspiel, dieser beträgt für bis zu 150 Zuschauer gut 27 Euro für die Gemeinden. Wenn das Public Viewing als Veranstaltung mit Rahmenprogramm und Einritt beworben wird, dann fällt dies unter den Veranstaltungstarif.



Landeskirche startet Chorwettbewerb zur Fußball-WM

Mit Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland hat die Evangelische Kirche im Rheinland einen Chorwettbewerb gestartet, bei dem Fußballhymnen und Fangesänge angestimmt werden sollen. Aufgerufen zur Teilnahme sind unter anderem Spontanchöre, Kantoreien, Konfirmandengruppen oder Seniorenkreise, wie die rheinische Landeskirche in Düsseldorf mitteilte. Als Preis winkt ein "Versorgungspaket" für das gemeinsame Chorerlebnis des WM-Finales am Fernseher oder beim Public Viewing, das von der Landeskirche gestiftet wird.

Einsendeschluss für den Wettbewerb ist der 9. Juli. Videos in Handyqualität sind ausreichend. Sie werden gesammelt über den Messenger-Dienst WhatsApp. Die Chöre sollten den Angaben zufolge einen kirchlichen Hintergrund haben. Für die Teilnehmer stehen fünf Fußballhymnen zur Auswahl: "Fußball ist unser Leben", "Schwarz und Weiß", "You'll never walk alone", "We are the champions" und die deutsche Nationalhymne.

Eine vierköpfige Jury um Präses Manfred Rekowski wird die Gewinner küren: "Zum ersten Mal wird meine musikalische Kompetenz an herausragender Stelle benötigt", sagte Rekowski. Er freue sich auf spannende Spiele und "viele originelle Fangesänge".



Hansetag 2019: Rheinische Kirche an Radkorso nach Russland beteiligt

Vom 21. bis 24. Juni findet der 38. Internationale Hansetag in Rostock statt, Gastgeber im kommenden Jahr ist die russische Stadt Pskow. Die Hanse-Flagge wird nach Abschluss der Veranstaltung in Rostock mit einem Fahrradkorso nach Pskow gebracht, wie die Evangelische Kirche im Rheinland am 15. Juni in Düsseldorf ankündigte. An der Fahrt über die estnische Hauptstadt Tallinn in die russische Hansestadt beteiligten sich auch Mitglieder der Initiative Pskow der rheinischen Kirche. Zum großen Stadtfest in Pskow am 30. Juni sollen die Radler dann mit der Fahne eintreffen.

Bei den Internationalen Hansetagen treffen sich Delegierte aus den 190 Hansestädten weltweit zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch, zum Feiern und Kennenlernen. Das Motto in Rostock lautet in diesem Jahr "Einfach handeln!", in Pskow steht die Veranstaltung vom 27. bis 30. Juni 2019 unter der Überschrift "Aufeinander zugehen!". Solche zivilgesellschaftlichen Kontakte böten die Chance zur Annäherung in Zeiten politischer Krisenstimmung, erklärte der Vorsitzende der Initiative Pskow, der frühere rheinische Oberkirchenrat Klaus Eberl.

Die Initiative Pskow in der Evangelischen Kirche im Rheinland unterstützt seit mehr als 25 Jahren soziale Projekte in der russischen Stadt. Der Schwerpunkt der deutsch-russischen Projekte liegt auf der Hilfe für geistig und mehrfach behinderte Menschen.



Lippischer Gemeindepreis würdigt beispielhafte Kirchenprojekte

In der Lippischen Landeskirche sind fünf evangelische Projekte mit dem Gemeindepreis 2018 ausgezeichnet worden. Der erste mit 1.000 Euro dotierte Preis ging an das interreligiöse Projekt "Gotteshäuser in unserer Stadt" des evangelischen Kindergartens in Horn, wie das Detmolder Landeskirchenamt am 12. Juni mitteilte. Dabei besuchten die Kita-Kinder mit ihren Eltern und Erzieherinnen Kirchen, Bethäuser und Moscheen. Das Projekt widme sich einem wichtigen gesellschaftlichen Thema, dem gemeinsamen Erleben unterschiedlicher Konfessionen und Religionen, sagte der lippische Landessuperintendent Dietmar Arends zur Preisvergabe. Vorbildhaft sei, dass es kindgerecht geschehe und die Eltern einbeziehe.

Den zweiten Preis in Höhe von 750 Euro erhielt die Gemeindepfarrerin der Dorfkirche in Augustdorf für ein offenes Meditationsangebot mit dem Titel "Stille Zeit". Der Kantor der Kirchengemeinde Falkenhagen, Christoph Burkhardt, bekam den dritten Preis im Wert von 500 Euro für sein selbst komponiertes Musical über die Geschichte des einstigen mittelalterlichen Frauenklosters Lilienthal bei Bremen.

Einen mit 1.000 dotierter Sonderpreis "Reformation" teilen sich in diesem Jahr die Jugendarbeit der Kirchengemeinden Sylbach und Schötmar, wie es hieß. Sie erhielten die Auszeichnung für ihr Spiel "Findet Luther!", bei dem eine Gruppe von vier bis acht Jugendlichen in sogennanten Escape Rooms innerhalb von 60 Minuten zehn Rätsel zu Leben und Werk Martin Luther lösen müssen. Das Projekt "Erzählbeutel" zu biblischen Geschichten des Lippischen Landesverbandes für Kindergottesdienst bekam einem weiteren Sonderpreis mit einem Preisgeld von 500 Euro.

Mit dem Gemeindepreis zeichnet die Evangelische Gemeindestiftung Lippe seit 2010 jährlich Projekte und Gruppen aus, die neue Akzente setzen und anderen Gemeinden als Beispiel dienen können, wie es hieß. In diesem Jahren hatten sich 20 Projekte am Wettbewerb beteiligt. Die Evangelische Gemeindestiftung Lippe unterstützt Kirchengemeinden in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit, Diakonie und Kirchenmusik.



Gottesdienstreihe "Profile" zu 100 Jahre Frauenwahlrecht

Die Lippische Landeskirche erinnert in ihrer Gottesdienstreihe "Profile" an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren in Deutschland. Am 22. Juni heißt es ab 17 Uhr im Sitzungssaal des Kreishauses in Detmold "Jede Stimme zählt", wie das Landeskirchenamt in Detmold am 13. Juni ankündigte. Die Predigt hält die Pfarrerin für Frauenarbeit der lippischen Kirche, Brigitte Fenner. Die Gleichstellungsbeauftragten des Kreises und der Stadt Detmold, Nicole Krüger und Regina Homeyer, wirken im Gottesdienst mit, wie es hieß. Danach ist eine Diskussion zum Thema auf dem bunten "Profil"-Sofa geplant.

Die Gottesdienst-Veranstaltung ist eine Kooperation der Evangelischen Frauen in Lippe (EFiL) mit den Gleichstellungsstellen des Kreises Lippe und der Stadt Detmold. Die EFiL begeht in diesem Jahr ihr 80-jähriges Bestehen. 1938 wurde sie als bewusstes Gegenüber zu den NS-Frauenschaften gegründet.

Die Lippische Landeskirche rief die "Profile"-Reihe zum 500. Reformationsjubiläum im vergangenen Jahr ins Leben. In den Gottesdiensten werden gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen.



Der frühere Landesbischof Johannes Friedrich wird 70


Johannes Friedrich war Bischof und ging als Pfarrer wieder aufs Dorf.
epd-bild / Peter Roggenthin
Seine letzte berufliche Station war eine kleine Landgemeinde. Damit hatte Johannes Friedrich viele überrascht. Nun wird der ehemalige bayerische Landesbischof 70 Jahre alt und pendelt weiter zwischen Dorf und weiter Welt.

Erika Budde war begeistert. Der ehemalige Bischof nahm die Einladung der Seniorenkreisleiterin ohne Zögern und mit freundlichem Lächeln an. Jetzt steht er hochgewachsen kerzengerade am Rednerpult im Büchenbacher Gemeindehaus (Landkreis Roth) und berichtet Ernstes von der Lage im Nahen Osten. Der frühere bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich sieht aus wie immer - vielleicht leuchtet das Haar heute etwas heller weiß. Am 20. Juni wird er 70.

Erst einige Tage zuvor ist Friedrich von einer politischen Studienreise aus Jerusalem zurückgekehrt. Die Lage dort hat ihn deprimiert, räumt er ein. Es fallen wieder Bomben im Nahen Osten. Sechs Jahre von 1985 bis 1991 war der Theologe in Jerusalem Propst der evangelischen Kirche in Jerusalem. Diese Zeit hat ihn stark geprägt. In Büchenbach erzählt er auch von der Angst vor irakischen Giftgasangriffen im ersten Golfkrieg. Seine Frau, ebenfalls Theologin, und die zwei kleinen Töchter waren damals zur Sicherheit nach Zypern geflogen.

Positionsbestimmungen in der Ökumene

Die Zeit als Propst in einer Stadt, in der die Christen in der Minderheit sind, hat Friedrich vor Augen geführt, wie wichtig Ökumene ist - und zwar nicht nur die von katholischer und evangelischer Kirche, sondern auch mit Orthodoxen und Anglikanern. Als Bischof konnte er wie sein Nachfolger, Heinrich Bedford-Strohm, gut mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx. Den Ökumenischen Kirchentag 2010 in München hat Friedrich einmal als den Höhepunkt seiner Karriere bezeichnet. Dass der bayerische Landesbischof 2001 als Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) den Papst als einen "ökumenisch akzeptierten Sprecher der Weltchristenheit" bezeichnete, kam allerdings bei Protestanten nicht überall gut an.

Friedrich ist als Sohn eines Theologieprofessors in Westfalen geboren und in Erlangen aufgewachsen. Vor seiner Zeit als Propst in Jerusalem war Friedrich Studentenpfarrer in Nürnberg, nach seiner Rückkehr machte man ihn zum Stadtdekan in Nürnberg. 1996 wurde er in die Landessynode gewählt und ergriff dort mit die Initiative für die Vereinbarung "Zur Begründung eines neuen Verhältnisses von Christen und Juden", die die Synode 1996 verabschiedete.

Lösungen für alle

1999 wurde Johannes Friedrich zum Landesbischof gewählt. Einer mit klarem Verstand und Übersicht, wie ihn Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler in einem Zeitungs-Gastbeitrag beschrieb. Sie war bereits zu seiner Zeit Ständige Vertretern des Bischofs. Breit-Keßler nennt Friedrich auch einen Mann, der Konflikte vermeidet und lieber nach Lösungen sucht, die allen etwas bringen.

Friedrich selbst betont in Interviews immer, wie sehr ihn Schwarz-Weiß-Denken ärgert. Die große Debatte in seiner Amtszeit um die Umbenennung von der nach Landesbischof Hans Meiser benannten Straßen war so eine Geschichte, bei der er sich mehr Differenzierung gewünscht hätte. Meiser war von 1933 bis 1955 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Hintergrund der Debatte waren antisemitische Äußerungen von Meiser.

Nicht medienscheu

Johannes Friedrich hat in seiner Amtszeit als Landesbischof die Kirche ins Gespräch gebracht. Er hat sich nicht nur zu Religionsfragen geäußert, sondern auch zu Ausländerpolitik oder zur embryonalen Stammzellenforschung seine Auffassung vertreten. Und medienscheu war Johannes Friedrich nie. Auch aktuell stellen ihm als Nahost-Experten Medienvertreter ihre Fragen.

Ebenfalls untrennbar mit seinem Namen ist das Thema Bibel verbunden. Früher Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft, heute Vorsitzender des Verwaltungsrats des Bayerischen Zentralbibelvereins. In dieser Eigenschaft hat er weiter ein Auge auf das Projekt Bibelmuseum in Nürnberg.

Fröhlich pfeifend

70 Jahre sind ja wahrlich kein Alter, um die Hände in den Schoß zu legen. Aber Johannes Friedrich blickt vor seinem Geburtstag auch gerne einmal zurück: "Ich bin zufrieden mit dem Leben, wie es gelaufen ist", sagt er. Wegbegleiter erinnern gerne daran, wie Friedrich als Landesbischof anstrengungslos und bisweilen fröhlich pfeifend Sitzungen und Dokumentenberge hinter sich brachte. Alle Erdteile habe er als Landesbischof besuchen können, sagt er, "das ist doch toll".

Provinzialität war und ist Friedrich fremd. Aber nach zwölf Jahren Dienstzeit als Bischof einer der größten evangelischen Landeskirchen wünschte er sich dennoch ein Leben als einfacher Dorfpfarrer Friedrich. Jeden Sonntag auf die gleich Kanzel zu steigen, Konfirmandenunterricht zu geben und Verstorbene zu beerdigen, das reizte ihn jetzt. "Das war eine ganz andere Beziehung zu jedem Gottesdienstbesucher", freut er sich im Nachhinein auch über diese richtige Entscheidung.

Jutta Olschewski (epd)



Kirchenkreise

Kölner Christen beklagen Schäden für Ökumene


Brot und Wein vor der Eucharistiefeier.
epd-bild/Annette Zoepf
Der Streit ums Abendmahl für evangelische Ehepartner in der katholischen Kirche belastet die Christen in Köln: In einer gemeinsamen Erklärung fordern der Evangelische Kirchenverband und der Katholikenausschuss, wieder Schritte aufeinander zuzugehen.

Katholiken und Protestanten in Köln haben angesichts des Abendmahlsstreits in der katholischen Kirche Sorge um die Ökumene vor Ort geäußert. Der Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses, Gregor Stiels, und der evangelische Stadtsuperintendent Rolf Domning kritisierten am 15. Juni in einer gemeinsamen Erklärung, die Debatte habe "Schäden, Verbitterung und Resignation" in der Kölner Ökumene angerichtet. Der öffentlich geführte Streit um die Öffnung des katholischen Abendmahls für evangelische Ehepartner schade zunehmend den ökumenischen Errungenschaften der vergangenen Jahre. Auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köln äußerte sich besorgt.

Sensibles Thema an Basis

Der Katholikenausschuss in der Stadt Köln besteht unter anderem aus dem Kölner Stadtdechanten, Priestern, Diakonen, katholischen Laien und Vertretern von katholischen Verbänden. Domning und Stiels kritisierten, in der Debatte sei immer wieder das Trennende betont worden, zudem seien nicht erreichbare Ziele ausgerufen worden. Das habe vielen "die so nötige Hoffnung für eine Versöhnung genommen".

"Bei dem Ringen um Positionen sollte man nicht vergessen, wie sensibel selbst kleinste Äußerungen wahrgenommen werden, vor allem bei denen, die sich mit viel Energie und Leidenschaft für die Ökumene einsetzen", betonten der Stadtsuperintendent und der Vorsitzende des Katholikenausschusses. Man sei "unermüdlich und fest entschlossen, weitere Schritte aufeinander zuzugehen".

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen äußert sich besorgt

Auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln äußerte sich besorgt über die Auseinandersetzung über die Öffnung des Abendmahls für evangelische Ehepartner. "Wir bitten, statt sich wieder voneinander zu entfernen, im Geist der Geschwisterlichkeit beieinanderzubleiben und weiter zu gehen", erklärte die ACK, zu der neben Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche in Köln unter anderem auch freikirchliche, alt-katholische und orthodoxe Christen gehören.

Die Arbeitsgemeinschaft betonte, die Feier der Eucharistie und des Abendmahls, so unterschiedlich sie auch begangen werde, sei ein kostbares Geschenk, in dem Christen Nahrung und Trost fänden und die Kirche neu versammelt und aufgebaut werde. Deshalb seien Kontroversen um dieses Sakrament so schmerzvoll.

In der katholischen Kirche in Deutschland war ein Streit um eine geplante pastorale Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz entbrannt. Demnach sollte ein gemeinsames Abendmahl von Ehepaaren unterschiedlicher Konfession im Einzelfall möglich sein. Sieben Bischöfe unter Führung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki zweifelten in einem Brief an den Vatikan die Rechtmäßigkeit der Handreichung an. Anfang Juni erklärte die vatikanische Glaubenskongregation in einem Brief, die deutsche Handreichung sei nach Ansicht des Papstes noch nicht reif zur Veröffentlichung.



Kreissynode Köln-Süd verteilt Überschuss

Der Evangelische Kirchenkreis Köln-Süd hat bei seiner Frühjahrssynode im Berufsförderungswerk Köln der Diakonie Michaelshoven einen Haushaltsüberschuss präsentiert. Die Jahresrechnung 2017 sei mit einer Bilanzsumme von 2,391 Millionen Euro geschlossen worden, erklärte der Evangelische Kirchenverband Köln. Der Überschuss habe 124.901 Euro betragen. Dazu komme noch der Vortrag von 165.000 Euro, der aus dem Haushaltsjahr 2016 in 2017 übernommen worden war.

45.519 Euro sollen den Plänen zufolge in die Instandhaltungsrücklage fließen. 10.000 Euro würden für die Rücklage Energiesparende Maßnahmen verwendet. Pro Gemeindemitglied werde ein Euro an die Gemeinden ausgeschüttet, insgesamt 65.802 Euro. Mit jeweils 4.000 Euro unterstütze der Kirchenkreis den Girlspace e.V., Flüchtlingsprojekte des Girlspace e.V., das Projekt Ekupholeni/Sofiatown in Johannesburg, den Förderverein "AusWege" der Evangelischen Beratungsstelle, den Karo e.V. und das Bildungsprojekt "Das neue Kreisau". 6.000 Euro seien für Projekte des Gustav-Adolf-Werkes vorgesehen. Die Restsumme in Höhe von 138.579 Euro werde als Vortrag in das neue Haushaltsjahr übernommen.

Mitglieder aus Kreissynodalvorstand verabschiedet

Neben Finanzen gab es auch personelle Veränderungen bei der Frühjahrssynode. Superintendent Bernhard Seiger verabschiedete zwei Mitglieder aus dem Kreissynodalvorstand: Pfarrer Hartmut Müggenburg, zweiter stellvertretender Skriba, und Heike Kümpel, stellvertretendes Mitglied des Kreissynodalvorstandes. Die Synode wählte den Raderthaler Pfarrer Klaus Eberhard zum zweiten stellvertretenden Skriba und den Kerpener Reinhard Pachaly zum stellvertretenden Mitglied des Kreissynodalvorstandes nach. Peter Pfannkuche ist Synodalbeauftragter für Presbyterfortbildung. Jürgen Eßer aus der Gemeinde Rondorf ist mit dem Bereich der Prädikanten beauftragt.



Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch diskutiert Jugendkonzept

Der Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch will bei Gottesdiensten und Andachten verstärkt Kinder und Jugendliche in den Blick nehmen. Auf der diesjährigen Frühjahrssynode in Bergisch Gladbach stellte die Vorsitzende des Synodalen Jugendausschusses, Gabriele Förderer, eine Konzeption für die Kinder- und Jugendarbeit vor, wie der Kirchenkreis mitteilte. Per Fragebogen hatten sich während eines Jahres alle Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die Hauptamtlichen in der Jugendarbeit dazu äußern können, welche Angebote des Jugendreferates angenommen werden und welche nicht. Die Rücklaufquote lag bei 80 Prozent. Die daraufhin erarbeitete Konzeption mit Leitgedanken zur Schärfung des evangelischen Profils in der Kinder- und Jugendarbeit soll nun in den Gemeinden vorgestellt werden.

Die Theologin Sung-Hee Lee-Linke, langjährige Studienleiterin der Evangelischen Akademie im Rheinland, geht im Oktober in den Ruhestand. Sie wird bereits am 7. Juli auf einem Festakt in St. Augustin aus dem kirchlichen Dienst verabschiedet. Otmar Baumberger, Pfarrer an der Dellbrücker Christuskirche, den viele Karnevalsbegeisterte über Köln hinaus auch aus den "Prot's"-Sitzungen kennen, geht ebenfalls im Oktober in den Ruhestand. Seine Pfarrstelle hatte er 37 Jahre inne.



Kirchenkreis An der Ruhr stärkt Ladenkirche

Der Kirchenkreis An der Ruhr stärkt die Arbeit der Ladenkirche in der Kaiserstraße in Mülheim an der Ruhr. Auf der Frühjahrstagung beschlossen die Synodalen die Mittelfreigabe für eine zusätzliche 50-Prozent-Stelle, wie der Kirchenkreis mitteilte. Zudem wurde eine neue Konzeption für die Arbeit der Ladenkirche beschlossen. Der Kreissynodalvorstand hatte zuvor eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung der Konzeption beauftragt, die die Arbeit der Einrichtung unter aktuellen Bedingungen nun als kirchlichen Ankerpunkt in der City, als Wiedereintrittstelle, Ort der Vernetzung und Begegnung sowie als Schaufenster der evangelischen Kirche beschreibt. Die Ladenkirche war vor 14 Jahren ins Leben gerufen worden, zunächst mit einem Kurzkonzept, das nun erstmals in einem synodalen Prozess ausformuliert wurde.

Diskussion über bezahlbaren Wohnraum

Mit sozialer Gerechtigkeit und bezahlbarem Wohnraum in der Stadt befassten sich Impulsreferate. Jan Orlt, Referent für Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe warb dafür, die Gründung gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften zu fördern. Schon jetzt seien Wohnungsbaugesellschaften, die an Menschen mit geringem Einkommen vermieten, von der Steuer befreit. "Das könnte noch verfeinert werden", sagte er. Der Experte schlug zudem vor, die Zweckbindung zu flexibilisieren und die Bindung auf eine Gruppe von Wohnungen auszuweiten. Werde eine Wohnung nicht mehr dem Zweck entsprechend vermietet, könne dafür eine andere Wohnung, die bislang nicht der Zweckbindung unterlag, diese ersetzen. Orlt ermunterte kirchliche Träger, selbst als Bauträger aktiv zu werden.

Die Kreissynode beauftragte die Regionalkonferenzen der Kirchengemeinden, sich in Kooperation mit den kreiskirchlichen Werken mit dem Thema soziale Gerechtigkeit zu befassen und der Synode Bericht zu erstatten.



Kirchenkreis Essen beschließt neues Personalmodell

Die Synode des Kirchenkreises Essen hat mit großer Mehrheit für die Bereiche Jugendarbeit, Küsterdienst und Kirchenmusik ein Modell zur Personalplanung beschlossen, das sowohl kreiskirchliche, regionale wie auch gemeindliche Anstellungsträgerschaften ermöglicht. Das entschieden die Delegierten des Kreissynode Essen am 8. und 9. Juni bei ihrer 21. ordentlichen Tagung. Die jeweilige Konkretisierung soll nun in den nächsten zwei Jahren erfolgen, wie es hieß. Die Personalrahmenkonzepte für die drei genannten Arbeitsfelder sollen dann auf der Herbstsynode 2020 verabschiedet werden.

"Taufpraxis bedarf Reform"

Mit der Bedeutung der Taufe in Kirche und Gesellschaft befasste sich der Münsteraner Theologe Christian Grethlein. Er plädierte in seinem Vortrag auf der Synode dafür, das aus seiner Sicht liturgisch und geistlich "marginalisierte" Sakrament der Taufe in einen lebenslangen Prozess zu verwandeln. In den ersten Jahrhunderten des Christentums habe die Taufe im Zentrum der christlichen Gemeinschaft gestanden, betonte der Professor für Praktische Theologie der Uni Münster. In der Regel sei ihr eine mehrjährige Vorbereitungszeit vorausgegangen und das Fest der Taufe selbst habe drei Tage lang gedauert.

"Demgegenüber erscheint die Taufpraxis in unseren heutigen Kirchengemeinden als sehr reduziert", betonte Grethlein. In den meisten Gemeinden sei die Taufe ein vergleichsweise kurzer und oft auch besonders formell erscheinender Teil des Gemeindegottesdienstes. Die Folge sei: "Sinn- und Feiergestalt der Taufe treten weit auseinander, was zu Unverständnis führt – aus einem selbstverständlichen Ritual wird ein optionaler Ritus, der nur noch für eine Minderheit interessant ist." Die Essener Zahlen geben dieser Einschätzung recht: 2016 waren in Essen nur noch 29 Prozent der noch nicht schulpflichtigen Kinder getauft, bei den Grundschülern waren es 44 Prozent.

"Unsere Taufpraxis bedarf einer Reform", erklärte der Theologe. Er forderte, sich auf das Taufverständnis des Apostels Paulus zu besinnen, der die Taufe in einen Zusammenhang mit dem gesamten Leben eines Menschen bis zur Hoffnung auf Auferstehung gestellt habe (siehe Römer 6,3-5). Wichtig sei es heute, die Taufe wiederkehrend in den Alltag von Familie, Religionsunterricht und Gottesdienst, in das Kirchenjahr sowie in die kirchlichen Feste und Feiern des Lebenslaufes insgesamt einzubetten. Zudem müssten geltende Rechtsbestimmungen – wie die Verbindung von Taufe und Kirchenmitgliedschaft und die Voraussetzung der Kirchenmitgliedschaft für die Übernahme eines Patenamtes – kritisch hinterfragt werden.



Kreissynode Iserlohn bestätigt Superintendentin Espelöer

Die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Iserlohn, Martina Espelöer, ist im Amt bestätigt worden. Bei der Sommer-Kreissynode in Iserlohn wurde die 56-jährige Theologin mit 86 von 104 Stimmen wiedergewählt, wie der Kirchenkreis am 11. Juni mitteilte. Die Wiederwahl gilt für die Zeit bis zur nächsten turnusmäßigen Wahl aller Leitungsämter und Ausschüsse im Kirchenkreis im Jahr 2020.

Eines des Hauptthemen der Synode war die finanziell weiterhin angespannte Situation der 35 Kindertageseinrichtungen, von denen 21 in Trägerschaft des Kirchenkreises sind, wie es hieß. Durch das Kinderbildungsgesetz - kurz Kibiz - seien die Einrichtungen nach wie vor unterfinanziert. Auch das Trägerrettungspaket des Landes NRW bringe nur eine geringe Erleichterung. Hinzu kämen Kostensteigerungen für das Personal durch die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst um mehr als sieben Prozent bis zum 1.3.2020. Hier müssten weitere Wege gesucht werden, um die frühkindliche Bildungsarbeit in evangelischer Trägerschaft fortführen zu können. Beispielsweise müssten Trägeranteile mit den Kommunen neu verhandelt werden, hieß es.

Mehr Ökumene gewünscht

Beschlossen wurde darüber hinaus, den Ökumene-Aufrufen der katholischen Bistümer in Nordrhein- Westfalen sowie der evangelischen Landeskirchen in Westfalen und in Lippe zu folgen und in die eigene Arbeit einzubringen. Als ökumenischer Gast war als aus dem Kongo der Kirchenpräsident der Jüngerkirche, Eliki Bonanga, bei der Kreissynode anwesend. Der Kirchenkreis Iserlohn pflegt den Angaben nach seit mehr als 30 Jahren eine Partnerschaft mit den Kirchenkreisen Boende und Lofoy im Kongo, die zur Jüngerkirche gehören. Zudem setze sich der Kirchenkreis dafür ein, einen ökumenischen Mitarbeiter aus dem Kongo über die Vereinte Evangelische Mission (VEM) und mit der Unterstützung der westfälischen Kirche für die Dauer von zwei Jahren zu erhalten.

Eine Finanzspritze gibt es für die 25 Kirchengemeinden des Kirchenkreises: Sie erhaltend rückwirkend für 2017 insgesamt 862.000 Euro an Kirchensteuermehreinnahmen. Die Mehreinnahmen dienen der Stärkung der zukünftigen Substanz der Kirchengemeinden, wie es hieß.



Kirchenkreis Paderborn setzt auf "multiprofessionelle Teams"

Der Kirchenkreis Paderborn will unter anderem mit "multiprofessionellen Teams" auf die enger werdende personelle Situation reagieren. Die Teams mit Vertretern aus unterschiedlichen Bereichen sollen im geistlichen und seelsorglichen Bereich sowie in anderen Arbeitsfeldern zum Einsatz kommen, wie der Paderborner Superintendent Volker Neuhoff unter Verweis auf die Konzeption des Kirchenkreises vor der Kreissynode in Beverungen-Amelunxen sagte. Für den Bereich Inklusion sprach sich Neuhoff für die Einrichtung einer halben Personalstelle und einem Aktionsplan aus.

Belastung und Überlastung der Mitarbeitenden

Er höre viel von Belastung und Überlastung der Mitarbeitenden, sagte Neuhoff in seinem Bericht. Das besorge ihn sehr. Von "Endzeitstimmung" wolle er aber nicht sprechen: "Die Botschaft unserer Kirche ist eine andere. Es ist jemand da, der für uns sorgt." Veränderung sei ein Wesensbestandteil der Kirche. Das heiße auch, aufzubrechen und Gewohntes zurückzulassen, unterstrich Neuhoff.

Das gesellschaftliche Thema Migration sei auch in den 17 Kirchengemeinden des Kirchenkreises zentral, erklärte der Stellvertreter des Superintendenten, Synodalassessor Gunnar Wirth, bei der Vorstellung der Gemeindeberichte. Die Gemeinden beschäftigten sich in unterschiedlichen Projekten damit. Migration habe die Gemeinden verändert und werde sie weiter verändern. Auch der Synodalassessor verwies darauf, dass die Belastung ehrenamtlich Mitarbeitender in Beruf und Familie zunehme und sie deshalb im kirchlichen Ehrenamt schneller an Belastungsgrenzen kämen.

Kita-Kirchentag 2020 geplant

Die Synode begrüßte das Vorhaben, im Jahr 2020 einen Kita-Kirchentag im Kirchenkreis zu veranstalten. Mit der Planung wurden die gemeinsamen Dienste im Kita-Bereich beauftragt. Als Synodalbeauftragter für den Deutschen Evangelischen Kirchentag wurde Jugendpfarrer Burkhardt Nolte gewählt. Die rund 90 Mitglieder der Synode aus 17 evangelischen Kirchengemeinden und den gemeinsamen Diensten vertreten rund 80.000 evangelische Christen in den Kreisen Höxter und Paderborn sowie in Lügde im Kreis Lippe.



Kirchenkreis Hattingen-Witten verlängert Stelle für Fundraiser

Der evangelische Kirchenkreis Hattingen-Witten verlängert die Stelle für das 2009 gegründete Fundraising-Referat. Für die kommenden drei Jahre, bis Ende 2021, stellte die Synode entsprechende Mittel aus der Ausgleichsrücklage in Höhe von 25.000 Euro pro Jahr zur Verfügung, wie der Kirchenkreis am 16. Juni mitteilte. An die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen appellierte der Kirchenkreis, die Flüchtlingsarbeit weiter zu unterstützen.

Seit 2016 hatte die Kirchenleitung den Kirchenkreisen pro Jahr jeweils eine Million Euro zum Aufbau der Flüchtlingsarbeit in den Gemeinden zur Verfügung gestellt. "Ohne Menschen, die die Zugewanderten in ihrem Alltag begleiten, Sprachunterricht erteilen, bei Behördengängen dabei sind, sich um Familien und Kinder kümmern, kann das Fußfasen nicht gelingen", betonte der Flüchtlingsbeauftragte Christian Uhlstein. Um diese ehrenamtliche Arbeit auch in Zukunft zu begleiten und um Schulungen und Supervision zu ermöglichen, sei weitere Unterstützung nötig.



Kirchenkreis An Nahe und Glan mit neuem Ruanda-Projekt für Frauen

Der evangelische Kirchenkreis An Nahe und Glan unterstützt mit einem neuen Projekt junge, alleinstehende Mütter in Ruanda, die wegen ihrer frühen Mutterschaft von der Familie verstoßen wurden. "Es zielt darauf ab, dass die jungen Mütter von ihren Familien wieder aufgenommen werden", teilte der Kirchenkreis am 12. Juni in Bad Kreuznach mit. Zuwendung und seelische Unterstützung sollten zudem dazu beitragen, dass die jungen Frauen lernten, ihre Kinder zu lieben. Das Projekt steht unter dem Motto "Keine Angst, das Leben geht weiter".

Der Synodale Fachausschuss Ruanda des Kirchenkreises ist der Träger der Partnerschaft mit der Presbytery Rubengera der "Eglise Presbytérienne au Rwanda" im Westen des afrikanischen Landes. Die Hilfe ist den Angaben zufolge spendenfinanziert. Das dortige Diakonie-Komitee hat bereits eine Krankenversicherung sowie Kurse zur richtigen Versorgung von Babys und Aufklärung zur Verhinderung weiterer ungewollter Schwangerschaften finanziert.



Ehemaliger Superintendent Tometten ist gestorben

Der ehemalige Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten, Wilhelm Tometten, ist tot. Er starb bereits am 6. Juni im Alter von 92 Jahren in der Klinik Bergmannsheil in Bochum, wie der Kirchenkreis mitteilte. Tometten war von 1980 bis 1988 der erste hauptamtliche Superintendent in dem Kirchenkreis. Er habe maßgeblich am Aufbau des Diakonischen Werkes und der Freizeitarbeit im Kirchenkreis mitgewirkt, hieß es.

Vor seiner Wahl zum Superintendenten war Tometten den Angaben nach Gemeindepfarrer in Schwelm (1952-1975) und in Hamm (1975-1980). Nach seiner Amtszeit im Kirchenkreis Hattingen-Witten unterstützte er als aktiver Ruheständler noch lange die Arbeit im Kirchenkreis Soest in der Petri-Pauli-Kirchengemeinde. Wilhelm Tormetten lebte bis zuletzt mit seiner Ehefrau Anneliese in Soest. Sein Sohn Dieter leitet heute als Superintendent den Kirchenkreis Soest.

epd-West bos kat




Gesellschaft

Tischgesellschaften werben für Offenheit und Demokratie


Tafel auf dem "Tempelhofer Feld" in Berlin
epd-bild/Rolf Zöllner
Rund 500 gastliche Tafeln unter freiem Himmel haben am 16. Juni bundesweit für Weltoffenheit und demokratische Werte geworben. Aufgerufen zu der Aktion "Tag der offenen Gesellschaft" hatten die Initiative "Die Offene Gesellschaft" und die Diakonie Deutschland vor dem 65. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes.

Der 17. Juni 1953 stehe für den Einsatz für Demokratie, Freiheit und Einheit, betonten die Initiatoren. Die Bürgergesellschaft müsse diese Werte verteidigen und dürfe das Feld nicht Rechtspopulisten und autoritären Strömungen überlassen.

Öffentlich getafelt wurde nach Veranstalterangaben unter anderem in Düsseldorf, Kandel (Rheinland-Pfalz), Rostock, Stuttgart, Kempten, Kiel und Dresden. In der NRW-Landeshauptstadt hatte die Diakonie Düsseldorf an eine Tafel im Hof vor der Bergerkirche in der Altstadt eingeladen. In Berlin nahmen etwa 100 Menschen an einer langen Tafel auf dem Tempelhofer Feld Platz, darunter Prominente wie die Schauspielerin Katja Riemann, die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) und Diakoniepräsident Ulrich Lilie.

Grußwort vom Altbundespräsidenten

In einem verlesenen Grußwort betonte Altbundespräsident Joachim Gauck, alle, die an einer der Tafeln Platz genommen hätten, leisteten mit ihrer Bereitschaft zum Austausch einen großen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wertschätzung sei unerlässlich für ein gutes Zusammenleben. In einer Gesellschaft der Verschiedenen sei ein gelingendes Miteinander nicht immer einfach, aber auch nicht immer schwierig.

Der Mitbegründer der Initiative "Offene Gesellschaft", der Soziologe Harald Welzer, erklärte, Demokratien gingen nicht an zu vielen Feinden, sondern an zu wenigen Freunden und Verteidigerinnen zugrunde. Hass und Hetze, Angriffe auf die Demokratie und Menschenfreundlichkeit würden immer stärker artikuliert. "Wenn man sich als Demokrat versteht, sollte man deshalb die Sache persönlich nehmen", sagte Welzer. Auch die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli betonte, es gehe darum, "Flagge für die Demokratie zu zeigen".

Schauspielerin Riemann bemängelte in der "tageszeitung" (16. Juni), sie vermisse eine stärkere Beteiligung von Künstlern bei der Verteidigung der offenen Gesellschaft gegen autoritäre Kräfte. "Ich finde, es sind viel zu wenig Künstler dabei, zu wenig meiner Kollegen", kritisierte Riemann. Sie habe "schon Fussel auf der Zunge, vom dauernden Erzählen".

Der erste "Tag der offenen Gesellschaft" fand nach Angaben der Initiatoren 2017 statt. Im vergangenen Jahr beteiligten sich bundesweit mehr als 20.000 Menschen an den Tischgesellschaften. Partner der Initiative "Die Offene Gesellschaft" sind unter anderem die Allianz Kulturstiftung, Pulse of Europe, die Open Society Foundation und die Bertelsmann-Stiftung (Gütersloh).



Bundestag beschließt Neuregelung für Familiennachzug

Flüchtlinge mit nachgeordnetem Schutzstatus können ab August in begrenzter Zahl wieder Angehörige nach Deutschland nachholen. Mit einer Mehrheit von 370 Stimmen beschloss der Bundestag am 15. Juni in Berlin die vieldiskutierte Neuregelung für Familienzusammenführungen, wonach pro Monat 1.000 Menschen kommen dürfen. Betroffen sind vor allem Syrer, die als Bürgerkriegsflüchtlinge oftmals nicht den vollen Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention zugesprochen bekommen.

Der Nachzug für Flüchtlinge mit dem sogenannten subsidiären Schutz ist seit Frühjahr 2016 ausgesetzt. Ein Rechtsanspruch auf das Nachholen enger Verwandter, wie ihn andere Flüchtlinge haben, wird mit der Kontingentregelung nicht wieder eingeführt. 279 Abgeordnete stimmten gegen das Gesetz der großen Koalition, drei enthielten sich.

1.000 Fälle pro Monat

Die 1.000 Fälle pro Monat sollen unter anderem nach bestimmten Härten wie Krankheiten ausgewählt werden. Auch die Dauer der Trennung soll eine Rolle spielen. Minderjährige sollen bevorzugt werden. Die Auswahl trifft dem Gesetzentwurf zufolge das Bundesverwaltungsamt. Die Botschaften im Ausland sind für die Anträge zuständig.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), nannte das Gesetz einen guten Kompromiss. Es füge sich ein in ein großes Regelwerk, mit dem illegale Migration geordnet, gesteuert und begrenzt werden soll. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Eva Högl sagte, das Gesetz kombiniere humanitäre Verantwortung mit geordneter Steuerung. Es kämen nur Flüchtlinge nach Deutschland, die nicht im Mittelmeer ertrunken oder auf der Balkan-Route gestrandet seien, oft nur eine Person aus einer Familie. "Und für sie ist dieses Gesetz", sagte sie.

Linke, Grüne und Flüchtlingsorganisationen kritisieren die Neuregelung. Sie argumentieren, das frühere Recht auf Familiennachzug werde damit zu einem Glücksspiel.

Ab dem 1. August drohe Chaos in den Behörden, sagte Benjamin Strasser (FDP) im Bundestag. Denn was sage man dem 1.001. Antragssteller?, fragte er. Gökay Akbuhut von der Linken sieht einen Verstoß gegen das Grundgesetz: "Jeder Mensch hat das Recht auf seine Familie und das muss auch für alle Flüchtlinge gelten." Die FDP forderte einen Nachzug für Härtefälle ohne eine zahlenmäßige Begrenzung. Die AfD lehnte jeglichen Familiennachzug ab.



Familiennachzug: Sachverständige fordern klare Kriterien

Beim Familiennachzug zu Flüchtlingen mit untergeordnetem, subsidiärem Schutz mahnen Rechtswissenschaftler und Migrationsexperten transparente und nachvollziehbare Kriterien an. Bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags am 11. Juni in Berlin plädierten die eingeladenen Sachverständigen dafür, dass allen Beteiligten klar sein müsse, wer aus welchem Grund zu den 1.000 Angehörigen gehört, die monatlich nach Deutschland kommen dürfen. Den drei eingeladenen Rechtswissenschaftlern der Universität Konstanz zufolge genügen die vorgelegten Entwürfe indes den verfassungs-, völker- und europarechtlichen Anforderungen.

Der am 15. Juni vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass der Familiennachzug zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz, der seit Frühjahr 2016 ausgesetzt ist, ab August wieder möglich wird: Pro Monat sollen 1.000 Angehörige kommen können. Mit diesem Kontingent wird aber nicht wieder der Rechtsanspruch auf Familienzusammenführungen eingeführt, der bis 2016 galt. Außerdem gibt es eine Härtefallregelung, wonach bei "dringenden" humanitären Gründen Angehörige in Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Bei diesen Angehörigen sollen laut Entwurf auch "Integrationsaspekte besonders" berücksichtigt werden.

Integrationsbemühungen als Anreiz

Nachzügler sollen demnach künftig vom Bundesverwaltungsamt ausgewählt werden. Ausgeschlossen sind Ehegatten, wenn die Ehe nicht schon vor der Flucht geschlossen wurde, Gefährder und Menschen, die schwerwiegende Straftaten begangen haben. Berechtigt zum Nachzug sind grundsätzlich nur Angehörige der sogenannten Kernfamilie, also Ehepartner, Kinder und bei Minderjährigen die Eltern.

Der Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Deutschland, Roland Bank, schlug vor, Familien mit minderjährigen Kindern vorzuziehen und die übrigen in der Reihenfolge der Asylantragstellung zu berücksichtigen. Der Konstanzer Rechtswissenschaftler Kay Hailbronner wiederum sagte, dass Integrationsanstrengungen nicht nur bei den humanitären, sondern bei allen Antragstellern als "Anreiz" gewürdigt werden sollten.

Die Leiterin des Willkommenszentrums des Berliner Senats, Nele Allenberg, lehnte dies ab: Ihrer Erfahrung nach löse die Sorge um die Familie eine Blockade bei den Menschen aus, was etwa den Spracherwerb oder den Beginn einer Ausbildung angehe. Zugleich plädierte auch sie für klare Kriterien: Je weniger nachvollziehbar diese seien, desto mehr Klagen werde es geben.

Warnung vor "Verwaltungschaos"

Die rechtspolitische Referentin von Pro Asyl, Bellinda Bartolucci, beklagte, dass die Entscheidungen teils "willkürlich" getroffen werden müssten. Ein Kontingent könne keinen Anspruch ersetzen, betonte sie. UNHCR-Mitarbeiter Bank gab zu bedenken, dass das Schutzbedürfnis von subsidiären Flüchtlingen und Asylberechtigten sich derzeit in Deutschland meist nicht grundlegend unterscheide.

Uwe Lübking vom Städte- und Gemeindebund hob hervor, dass die Kommunen nach wie vor vor großen Herausforderungen in Sachen Unterbringung und Integration von Flüchtlingen stünden. Der Leiter der Ausländerbehörde Berlin, Engelhard Mazanke, ermahnte die Abgeordneten mit Verweis auf notwendige Vorbereitungen, dass das Regelwerk rasch fertig werden müsse, "sonst haben wir Verwaltungschaos".

Hilfsorganisationen und Gewerkschaften riefen Bundestag und Bundesrat unterdessen dazu auf, den Gesetzentwurf abzulehnen. In einem gemeinsamen Brief mahnten die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Diakonie Deutschland, die Deutsche Liga für das Kind, der Verband Entwicklungspolitik sowie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dass die damit verbundene Trennung von Ehepaaren und Familien auf lange Dauer nicht hinnehmbar sei. Die Organisationen appellierten an die Politik, ein Signal zu senden, dass Deutschland ein starkes Land, eine offene Gesellschaft und eine handlungsfähige Demokratie sei, die dem Schutz der Familie gerecht werde.



Friedensforscher fordern weniger deutsche Waffenexporte


Demonstration gegen Rüstungsexporte in Berlin (Archivbild)
epd-bild / Rolf Zöllner

Die internationale Gemeinschaft ist Friedensforschern zufolge immer weniger in der Lage, weltweit für Frieden und Sicherheit zu sorgen. "Von einer stabilen und gerechten Friedensordnung ist die Welt gegenwärtig weit entfernt", heißt es in dem am 12. Juni in Berlin vorgestellten Friedensgutachten 2018 mit dem Titel "Kriege ohne Ende. Mehr Diplomatie, weniger Rüstungsexporte". Demnach ist zwischen 2012 und 2015 die Zahl der Bürgerkriege von 32 auf 51 gestiegen - auf das höchste Niveau seit 1945. Die Wissenschaftler fordern die Bundesregierung auf, Waffenexporte zu reduzieren und sich diplomatisch stärker einzubringen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Das Gutachten, das von führenden deutschen Instituten gemeinsam erstellt wird, zeichnet für 2018 ein düsteres Bild mit "neuen Konfliktlinien und -akteuren in Syrien und Afghanistan sowie neu aufflammenden Konflikten, unter anderem auf der Arabischen Halbinsel, in Myanmar, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik". Den Angaben zufolge gab es 2016 noch 47 Bürgerkriege. Rund 102.000 Menschen seien bei Kampfhandlungen getötet worden und mehr als zehn Millionen vor Kriegen geflohen.

66 Millionen Flüchtlinge

"Viele dieser Kriege sind durch Kriegsverbrechen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und Vertreibung gekennzeichnet", sagte Christopher Daase vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Die Gesamtzahl der Flüchtlinge weltweit sei inzwischen auf fast 66 Millionen gestiegen.

Obwohl die Wissenschaftler die "nennenswerte humanitäre Hilfe" der Bundesregierung "in vielen Krisenregionen" anerkennen, prangern sie friedenspolitisch eine teils "widersprüchliche Orientierungslosigkeit" an. Das Gutachten kritisiert dabei das "lange Schweigen" der Bundesregierung zur Invasion der Türkei in der nordsyrischen Kurdenregion Afrin und beklagt, dass "eine unmissverständliche Verurteilung gröbster Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und das Gewaltverbot des Völkerrechts" nicht in allen Fällen zu hören gewesen sei. Bei Menschenrechtsverletzungen dürfe zudem die deutsche Kritik an der Türkei "nicht mit der Freilassung einiger Staatsbürger verstummen".

Deutsche Rüstungsgüter spielten in aktuellen Kriegen eine wesentliche Rolle, heißt es weiter. "Saudi-Arabien setzt deutsche Waffen im Jemen ein, die Türkei beim Angriff auf Nordsyrien." Wenn Deutschland sich für eine langfristige Friedenspolitik einsetzen und als "ehrlicher Makler" vermitteln wolle, müsse Berlin "kurzsichtige Eigeninteressen" endlich einer Konfliktbeilegung unterordnen. In dem Zusammenhang plädieren die Friedensforscher für eine Unterbrechung von Rüstungsexporten an die Türkei, "solange die Türkei völkerrechtswidrig agiert".

Genehmigungen für Jemen widerrufen

Die Bundesregierung wird zugleich aufgefordert, "ein restriktives Rüstungsexportkontrollgesetz" vorzulegen. Genehmigungen für Exporte an Kriegsparteien im Jemen müssten widerrufen werden. Die Bundesregierung habe mit Lieferung an Staaten, die in dem arabischen Land Krieg führten, "in besonderem Maße" gegen Grundsätze einer restriktiven Politik verstoßen. EU-Kooperationen bei der Migrationspolitik mit Ägypten, Äthiopien, Libyen oder dem Tschad dürften darüber hinaus ebenfalls nicht zu Menschenrechtsverletzungen führen.

Das Friedensgutachten wird von Forschern des HSFK, des BICC (Bonn International Center for Conversion), des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) und des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) erstellt. Es wird seit 1987 als zentrales Medium für den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik veröffentlicht.



Erneut Protest gegen Atomwaffen in Büchel

Friedensorganisationen haben einen Beitritt der Bundesregierung zum Atomwaffenverbotsvertrag und den Abzug der US-Atomwaffen gefordert, die am Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel lagern sollen. Die Nato-Nuklearstrategie in Europa mit der Stationierung von US-Atomwaffen und der Bereitstellung von atomwaffenfähigen Trägersystemen stehe dem Atomwaffenverbotsvertrag entgegen, erklärte Willem Staes von Pax Christi Flandern am 17. Juni in Büchel. "Sie ist gefährlich, teuer und ihr fehlt die militärische Glaubwürdigkeit."

Zum Start einer Aktionswoche gegen Atomwaffen in Büchel veranstalteten die ärztliche Friedensinitiative IPPNW und die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN am Sonntag ein Internationales Symposium "Atomwaffen raus aus Europa" vor den Toren des Bundeswehr-Fliegerhorstes in Büchel im Landkreis Cochem-Zell.

"Die Bundesregierung hat jetzt zwei Jahre lang einen Sitz im UN-Sicherheitsrat und bekundete sich in dem Gremium weltweit für Frieden und Sicherheit einsetzen zu wollen", erklärte IPPNW-Vorstandsmitglied Inga Blum. "Wir fordern Außenminister Heiko Maas auf, den Worten Taten folgen zu lassen und den UN-Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen zu unterzeichnen."



NRW-Landtag will Antisemitismusbeauftragten einsetzen

Der nordrhein-westfälische Landtag hat in seiner Sitzung am 14. Juni einstimmig beschlossen, einen Antisemitismusbeauftragten zu berufen. "Es muss in diesem Land möglich sein, ohne Furcht eine Kippa zu tragen, genauso wie es möglich sein muss, ein Kreuz oder ein Kopftuch zu tragen", sagte Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) im Parlament. Die Landesregierung sei sehr dankbar dafür, dass sich mit einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen CDU, SPD, FDP und Grüne eine so große Mehrheit im Landtag verständigt habe, gemeinsam zu handeln. Alle Abgeordneten stimmten für den Antrag und beauftragten die Landesregierung damit, zeitnah einen Antisemitismusbeauftragten für Nordrhein-Westfalen zu berufen.

Zahl antisemitischer Gewalttaten gestiegen

Vor dem Hintergrund gestiegener antisemitischer Gewalttaten hatten neben der Bundesregierung auch Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern Beauftragte gegen Antisemitismus geschaffen. In NRW verzeichnete die Polizei 2017 insgesamt 324 antisemitische Straftaten, heißt es in dem fraktionsübergreifenden Antrag. Das sei eine Steigerung um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte soll laut Antrag präventive Maßnahmen koordinieren und Ansprechpartner für Opfer von antisemitischen Taten sein. Zudem ist geplant, dass er dem Land jährlich einen Bericht vorlegt und Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus empfiehlt.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Hagemeier (CDU) bezeichnete Antisemitismus als einen Angriff auf die demokratische, weltoffene Gesellschaft. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der Antisemitismus in unsere Gesellschaft einschleicht", sagte Hagemeier. Der Beauftragte soll nach seinen Worten die Antisemitismusarbeit koordinieren und Ansprechpartner für Prävention, etwa an Schulen, sein. Die Abgeordneten Elisabeth Müller-Witt (SPD) und Verena Schäffer (Grüne) forderten, der Antisemitismusbeauftragte müsse außerdem eine Dunkelfeldstudie veranlassen, um das Problem genauer zu erforschen. Dann könnten Maßnahmen entwickelt werden, um gezielter gegen Antisemitismus vorzugehen, sagte Schäffer.



Kippa und Kopftuch im Klassenraum erwünscht


Drei-Religionen-Grundschule
epd-bild / Detlef Heese
An einer Grundschule in Osnabrück lernen christliche, jüdische und muslimische Schüler gemeinsam und voneinander. Respekt füreinander ist das A und O.

Sebastian und Ali kennen sich aus mit Moscheen, Kirchenliedern und Gebetsmänteln. Die beiden Neunjährigen besuchen die Drei-Religionen-Schule in Osnabrück. Kippa und Kopftuch gehören für die Kinder dort zum Alltag. Sie wissen, dass "halal" und "koscher" Speisevorschriften bezeichnen. Sie kennen Feste wie Chanukka, Zuckerfest oder auch Christi Himmelfahrt. Hat es wegen der Religion schon mal Streit auf dem Pausenhof gegeben? Der Katholik Sebastian zuckt die Schultern: "Nö, ich glaub' nicht."

Klar hat Ali christliche Freunde. Und mit dem einzigen Juden in seiner Klasse versteht er sich "normal". Dann wechselt der junge Muslim das Thema: "Im Sommer komm ich aufs Gymnasium", erzählt er stolz. "Und im Ramadan faste ich - die ganze Zeit, obwohl ich noch gar nicht muss."

Feste gemeinsam feiern

Die Religion habe für Kinder, Eltern und Lehrer an dieser in Deutschland einmaligen Grundschule einen besonderen Stellenwert, erklärt die 43-jährige Schulleiterin Birgit Jöring. Es gibt getrennten Religionsunterricht für christliche, muslimische und jüdische Schüler. Ansonsten sind die Klassen gemischt. Alle Feste werden gemeinsam gefeiert. Es gibt Projektwochen zu religiösen Themen, Besuche in den Gebetshäusern, Diskussionen über Trennendes und Gemeinsames.

"Jeder lernt seine eigene Religion kennen, um sich dann mit den anderen über ihre auszutauschen", sagt Jöring. Nach ihrer Erfahrung schützt genau das vor Radikalisierung, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. "Wer seine eigene Religion wertschätzt, kann auch die andere achten." Die Resonanz der weiterführenden Schulen gibt ihr Recht. Von dort komme die Rückmeldung, die Schüler seien besonders tolerant und sozial engagiert. Auch Rabbiner Avraham Radbil, dessen Söhne ebenfalls die Schule besuchen, ist überzeugt von der Idee: "Die Kinder erfahren viel übereinander und lernen somit von klein auf, Unterschiede zu respektieren."

Gemeinsamer Sportunterricht

Die Mädchen und Jungen an ihrer Schule schätzten es, wenn manche Mitschüler religiös lebten, erklärt Jöring. "Kippa und Kopftuch sind hier ausdrücklich erwünscht." Sie würde es als Bereicherung empfinden, wenn auch eine katholische Nonne zum Kollegium dazustoßen würde. Es sei aber auch klar, dass im Schwimm- und Sportunterricht Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet würden und dass alle teilzunehmen hätten. "Und wer Weihnachtslieder nicht mitsingen will, muss das nicht. Aber wir erwarten, dass er respektvoll zuhört. Und das klappt auch."

Von den rund 170 Kindern sind knapp zwei Drittel christlichen und etwa ein Drittel muslimischen Glaubens. Nur neun jüdische Kinder sind derzeit an der Schule. Das ideale Verhältnis von je einem Drittel lasse sich derzeit nicht verwirklichen, weil die jüdische Gemeinde zu klein sei, sagt die Leiterin.

Natürlich gebe es auch Auseinandersetzungen und Hänseleien. "Es fallen auch verletzende Schimpfworte", räumt Jöring ein. "Aber wir thematisieren das direkt." Die Schule in Trägerschaft der Schulstiftung des katholischen Bistums Osnabrück kann sich dafür zusätzliches Personal leisten. Etwa 20 Kinder pro Klasse werden meist von zwei Lehrkräften oder einer Lehrkraft und einer pädagogischen Mitarbeiterin unterrichtet. Es gibt eine eigene Sonderpädagogin mit voller Stelle, ab dem neuen Schuljahr noch zusätzlich einen Sozialarbeiter.

Essen halal zubereitet

Doch entscheidend für den Erfolg sei in erster Linie das Konzept, das auch die Eltern einbeziehe und das die muslimischen Verbände und die Jüdische Gemeinde mit erarbeitet hätten, betont die Schulleiterin. "Aber natürlich entscheiden sich die Eltern bewusst für diese Schule und sind somit per se offen für ein Miteinander."

Alis Mutter Fidaa Zeitun sind der islamische Religionsunterricht in deutscher Sprache und das halal zubereitete Mittagessen wichtig. Dafür nimmt sie in Kauf, dass ihr Sohn aus einem anderen Stadtteil täglich mit dem Bus zur Schule fahren muss. Alexandra Laermann findet es gut, dass an dieser Schule entgegen dem Trend in der Gesellschaft die Religion hochgehalten wird und dass Juden, Christen und Muslime gleich behandelt und geachtet werden. Ihr Sohn Sebastian beneidet nur manchmal seine jüdischen und muslimischen Mitschüler - wegen der zusätzlichen Feiertage: "Die haben öfter schulfrei als wir."

Martina Schwager (epd)


Yitzhak-Rabin-Schule in Düsseldorf feiert 25-jähriges Bestehen

Die Yitzhak-Rabin-Schule der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf feiert ihr 25-jähriges Bestehen. Das Jubiläum wird am 20. Juni mit einem Festakt begangen. Am 24. Juni findet zudem ein großes Sommerfest an der Schule statt. Die nach dem 1995 ermordeten israelischen Ministerpräsidenten benannte Yitzhak-Rabin-Schule ist eine staatlich anerkannte Grundschule und zugleich eine jüdische Konfessionsschule.

Der Unterricht wird nach Angaben der Gemeinde auf der Grundlage der Richtlinien und Lehrpläne des Landes NRW erteilt. Die Erziehung orientiere sich an jüdischen Werten. Hebräisch- und Religionsunterricht bilden nach Angaben der Schule einen "wichtigen und integralen Bestandteil des Programms". Neben Hebräisch umfasst das Curriculum auch die Bereiche Feiertage und Symbole, Gebete, Jüdische Werte, Sitten und Bräuche und Biblische Geschichte.

Auch ein tägliches Gebet, Schabbatfeiern und Zeremonien zu den Feiertagen gehören nach eigenen Angaben zum Alltag in der jüdischen Schule. Die Kinder werden mit Bussen zur Schule befördert und nach Schulschluss auch wieder nach Hause gebracht. Mittags erhalten die Schülerinnen und Schüler koscheres Mittagessen in der schuleigenen Kantine. Da die Yitzhak-Rabin-Schule eine Ganztagsschule ist, werden sämtliche Hausaufgaben in der Schulzeit erledigt.

Die Schule bietet auch Arbeitsgemeinschaften für unterschiedliche Sportarten, Tanz, Theater und Kunst an. Einheitliche Schulkleidung soll die Identifikation der Kinder mit der Schule unterstützen. In allen Klassen gibt es zudem Förderunterricht für leistungsstärkere und -schwächere Kinder. Die Absolventen der Yitzhak-Rabin-Schule erhalten zu rund 90 Prozent eine Gymnasialempfehlung. Seit knapp zwei Jahren gibt es in der NRW-Landeshauptstadt auch ein jüdisches Gymnasium.



Mehr pädagogische Fachkräfte sollen Grundschulen entlasten

An Grundschulen in NRW sollen künftig deutlich mehr Sozialpädagogen Schüler mit Förderbedarf unterstützen. Lehrer sollten sie aber nicht ersetzen, hieß es. Die Gewerkschaft GEW fordert eine bessere Bezahlung der Fachkräfte.

Die Zahl der Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen soll sich im kommenden Schuljahr auf 1.193 verdoppeln. Nach den Sommerferien sollen weitere 600 Fachkräfte in den Klassen eins bis drei, der sogenannten Schuleingangsstufe, zum Einsatz kommen, erklärte das Schulministerium am 12. Juni in Düsseldorf. Damit werde den Grundschulen eine wichtige Unterstützung für die systematische, individuelle und präventive Förderung gegeben, erklärte Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP).

Schulministerin: Fachkräfte unterstützen Kinder individuell

Die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" (12. Juni) hatte zuerst unter Berufung auf einen Erlass des NRW-Schulministeriums von Ende Mai von den zusätzlichen Stellen berichtet. Ziel sei es, die Grundschullehrer zu unterstützen.

"Die Kinder kommen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen in die Schule", erklärte Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP). Manche hätten bereits erste Erfahrungen mit dem schulischen Lernen gemacht, während andere noch individuelle Unterstützung bräuchten. Wie das Ministerium weiter erklärte, ermitteln die Sozialpädagogen den Lernstand der Kinder und erstellen bei Bedarf individuelle Förderpläne, so dass die Kinder dem Unterricht besser folgen können. Laut "Rheinischer Post" sollen so die Motorik, Sprache, mathematische Bildung, sozialemotionale Kompetenz, Konzentration und Leistungsbereitschaft gestärkt werden. Einen Grundschullehrer könnten die Fachkräfte aber nicht ersetzen.

Die Lehrergewerkschaft GEW in NRW, die bereits für die Fachkräfte der Erzieher und Sozialpädagogen eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet hat, kritisierte, dass diese schlechter bezahlt würden als angestellte, nicht verbeamtete Lehrer. Zudem herrsche ein Mangel an Erziehern und Sozialpädagogen. Man sei daher skeptisch, ob diese neuen Stellen tatsächlich besetzt werden könnten, sagte die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer der "Rheinischen Post".



Ermordete Mainzer Schülerin beigesetzt

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist die Ende Mai ermordete Mainzer Schülerin Susanna F. am 12. Juni in ihrer Heimatstadt beigesetzt worden. Zu der Trauerfeier auf dem Jüdischen Friedhof in Mainz seien rund 100 Menschen gekommen, teilte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit.

Die Polizei hatte das Friedhofsgelände abgesperrt, damit Familie und Freunde unbehelligt von Presse und Neugierigen Abschied von dem Mädchen nehmen konnten. Am Vorabend hatten in der Mainzer Innenstadt bei Dauerregen rund 150 Menschen an einer Trauerkundgebung für die 14-jährige Schülerin teilgenommen.

Debatte über Flüchtlingspolitik

Nach dem bisherigen Ermittlungsstand war Susanna F. in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai in Wiesbaden vergewaltigt und anschließend getötet worden. Dringend tatverdächtig ist ein irakischer Flüchtling, der sich zwischenzeitlich mit seiner Familie in den Nordirak abgesetzt hatte. Dort wurde er aber von kurdischen Sicherheitskräften festgenommen und anschließend nach Deutschland zurückgebracht. Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt und die Debatte um die Flüchtlingspolitik zusätzlich aufgeheizt.



Bewährungsstrafe für Messerangriff auf Bürgermeister von Altena

Nach dem Messerangriff auf den Bürgermeister von Altena ist der Täter vom Landgericht Hagen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Kammer habe keinen Tötungsvorsatz des damals 56-Jährigen feststellen können und eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung verhängt, erläuterte die stellvertretende Pressesprecherin Inga Papajewski dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 12. Juni (AZ: 32 Ks 2/18). Dem Mann, der 150 Sozialstunden leisten müsse, sei ein Bewährungshelfer zugeteilt worden.

Ein mögliches fremdenfeindliches Motiv sei bereits in der Anklage kein Thema mehr gewesen, erläuterte die Gerichtssprecherin. Der Angeklagte habe sich vielmehr in einer schwierigen persönlichen Lage befunden und sei am Tatabend im vergangenen November seinem Opfer zufällig in einem Imbiss begegnet. Die Tat sei nicht geplant gewesen. Das Messer habe der Angeklagte dem Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) bis zu 60 Sekunden an den Hals gehalten, ohne ihn zu töten. Die Verletzung am Hals habe das Opfer aufgrund eines Handgemenges erlitten. Durch das Eingreifen des Imbissbudenbesitzers und seines Sohnes war der Angreifer überwältigt worden.

Psychische Probleme

Der Anschlag auf den Bürgermeister hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Der Angeklagte soll nach Angaben der Ermittler vor der Tat gesagt haben: "Ich steche Dich ab! Du lässt mich verdursten und holst 200 Ausländer in die Stadt!" Der arbeitslose Maurer mit psychischen Problemen lebte nach Angaben der Staatsanwaltschaft getrennt von seiner Ehefrau allein in seinem Haus in Altena, das aufgrund einer Insolvenz unter Zwangsversteigerung stand und dem bereits die Wasserversorgung abgestellt worden war.

Ein fremdenfeindliches Motiv für den Angriff auf Hollstein war zunächst nicht ausgeschlossen worden. Der 17.000-Einwohner-Ort Altena hatte im Jahr 2016 von sich reden gemacht, weil sich der Stadtrat entschieden hatte, freiwillig mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als nach dem Zuteilungsschlüssel des Landes Nordrhein-Westfalen nötig gewesen wäre. Dafür wurde Altena mit dem ersten Nationalen Integrationspreis der Bundesregierung ausgezeichnet.



Weitere Haftstrafe gegen Holocaust-Leugnerin Haverbeck rechtskräftig

Eine weitere Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung gegen die bereits inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck (89) aus Vlotho ist rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte mit einem am 11. Juni bekanntgegebenen Beschluss vom 30. Mai (AZ: 4 RVs 37/18) das Urteil des Landgerichts Detmold von November 2017, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Das Landgericht hatte Haverbeck wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu 14 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt (AZ: 25 Ns 44/17). Die von der Angeklagten gegen diese Entscheidung eingelegte Revision verwarf das Oberlandesgericht als unbegründet.

Oberlandesgericht Celle weist Revision zurück

Aufgrund einer weiteren Verurteilung sitzt Haverbeck bereits seit dem 7. Mai in Bielefeld im Gefängnis. Das Oberlandesgericht Celle hatte Ende Januar die Revision der Holocaust-Leugnerin gegen ein Urteil des Landgerichts Verden zurückgewiesen, das sie zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt hatte. Weil sie zum Antritt dieser Strafe Anfang Mai nicht erschienen war, hatte die Staatsanwaltschaft Verden Haftbefehl gegen Haverbeck entlassen, die daraufhin von der Polizei festgenommen wurde.

In dem jetzt durch das Oberlandesgericht Hamm abgeschlossenen Verfahren ging es um zwei erstinstanzliche Verurteilungen durch die Amtsgerichte Bad Oeynhausen und Detmold aus den Jahren 2016 und 2017 (AZ 85 Ds 197/16 und AZ: 2 Ds 1203/16). Haverbeck hatte 2014 unter anderem auf ihrer Internetseite behauptet, dass das Konzentrationslager Auschwitz kein Vernichtungslager, sondern nur ein Arbeitslager gewesen sei. Nach einer Gerichtsverhandlung im September 2016 hatte sie im Amtsgericht Detmold Schreiben an Pressevertreter und Zuhörer verteilt, in denen sie erneut den Holocaust leugnete und ein Vernichtungslager in Auschwitz in Abrede stellte.

Das Leugnen des Holocausts sowie der "unter der Herrschaft der Nationalsozialisten vorgenommenen Vernichtung von Juden" in Auschwitz seien strafbare Handlungen im Sinne des Straftatbestandes der Volksverhetzung, erklärte das Oberlandesgericht Hamm. Die Schriften der Angeklagten seien "geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören". Da es sich bei dem Unrecht der Massenvernichtung um eine geschichtlich erwiesene Tatsache handele, könne sich Haverbeck bei ihren Äußerungen nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen, erklärten die Richter. Zudem habe die Angeklagte vorsätzlich gehandelt.

Die Holocaust-Leugnerin stand bereits mehrmals wegen Volksverhetzung vor Gericht, neben Detmold und Verden auch in Hamburg und Berlin. Gegen die dort verhängten Haftstrafen legte sie ebenfalls Berufung ein. Die Angeklagte hatte zusammen mit ihrem inzwischen gestorbenen Mann das "Collegium Humanum" in Vlotho als Treffpunkt für Holocaust-Leugner und Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet geleitet. Die in den 1960er Jahren gegründete rechtsextreme Vereinigung und deren Teilorganisation "Bauernhilfe e.V." wurden 2008 verboten.



Erstmalig Forschung zu Opferzahlen der Pogromnacht vor 80 Jahren

Nordrhein-Westfalen ist bundesweit das erste Land, in dem die Gesamtzahl der Todesopfer der Pogromnacht der Nationalsozialisten vom 9. auf den 10. November 1938 ermittelt wird. Zusammen mit der Mahn- und Gedenkstätte in Düsseldorf lässt die NRW-Landeszentrale für politische Bildung nach Angaben vom 13. Juni derzeit in den rund 400 Städten und Gemeinden sowie den 31 Kreisen feststellen, wie viele Menschen in der Nacht umgebracht wurden, an den dabei erlittenen Verletzungen starben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Möglicherweise könnte das Projekt nach seinem Abschluss auch auf andere Bundesländer oder aber sogar auf ganz Deutschland ausgedehnt werden.

Bislang haben sich erst rund 50 Prozent der angeschriebenen Stadt-, Gemeinde- oder Kreisarchive zurückgemeldet, sagte der Leiter der federführenden Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Bastian Fleermann. "Fest steht aber schon jetzt, die Zahl der Mordopfer in der Pogromnacht auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes NRW ist deutlich größer als bislang angenommen", sagte die Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung, Maria Springenberg-Eich, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Alleine aus den bisher gemeldeten Städten und Gemeinden sowie den Unterlagen aus drei 1938 bestandenen Konzentrationslagern auf dem Gebiet des heutigen NRW geht laut Fleermann hervor, dass es 120 Tote gab. Die Zahl der damals reichsweit ermordeten jüdischen Menschen wird bislang auf etwa 400 geschätzt. "Diese Zahl ist viel zu untertrieben", sagte Fleermann. Er schätzt die Zahl der tatsächlichen Opfer der Pogromnacht, die lange auch als "Reichskristallnacht" bezeichnet wurde, auf 1.000 bis 1.500 Menschen, für das Gebiet des heuten Nordrhein-Westfalen auf mindestens 250.



Landtag gedenkt Opfer des Brandanschlags von Solingen

Der nordrhein-westfälische Landtag hat in seiner ersten Plenarsitzung nach dem 25. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen mit einer Schweigeminute der Opfer gedacht. Landtagspräsident André Kuper (CDU) betonte am 13. Juni in seiner Rede, dass der Anschlag ein Terroranschlag, eine politisch motivierte Straftat gewesen sei. "Er hat unser Land, er hat viele Menschen hier in Schrecken versetzt. Unschuldige Menschen wurden aus fremdenfeindlichem Hass zu Opfern."

Kuper dankte den Eheleuten Mevlüde und Durmus Genc und weiteren Angehörigen für ihr Kommen in den Düsseldorfer Plenarsaal. "Wir alle sind auch nach all den Jahren noch beschämt und erschüttert über das Geschehen, über das Leid und den Schmerz, der über so viele Menschen, der über ihre Familie gekommen ist." Der CDU-Politiker äußerte auch Dankbarkeit für die Weise, "wie Sie uns trotz alledem durch ihre Haltung auf einen Weg des Friedens und der Verständigung verpflichten und mitnehmen".

Am 29. Mai 1993 hatten vier rechtsextreme Jugendliche Brandsätze in das Haus der türkischen Familie Genc in Solingen geworfen. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben, 14 Familienmitglieder wurden zum Teil schwer verletzt und leiden noch heute an den Folgen. Mevlüde Genc und ihr Mann Durmus verloren bei dem Brandanschlag ihre beiden Töchter, zwei Enkelkinder und eine Nichte.

Am Jahrestag war bereits in Düsseldorf und Solingen der Opfer des Brandanschlags gedacht worden. Zu Gast waren Bundeskanzlerin Angela Merkel, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU), der stellvertretende Ministerpräsident und Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sowie Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu.



Städtetag NRW fordert Erhalt kommunaler Integrationsräte

In der Diskussion um die mögliche Abschaffung der kommunalen Integrationsräte in Nordrhein-Westfalen hat sich der Städtetag NRW für einen Erhalt der Gremien ausgesprochen. "Eine Wahlfreiheit zwischen Integrationsrat und Integrationsausschuss bringt keinen Fortschritt in der politischen Teilhabe für nichtdeutsche Einwohnerinnen und Einwohner", sagte der Vorsitzende des Städtetages NRW, Thomas Hunsteger-Petermann (CDU), am 15. Juni in Köln. Der Oberbürgermeister Hamms forderte, das bisher einheitliche System der Integrationsräte beizubehalten.

Die Landesregierung will laut Koalitionsvertrag die verpflichtende Einrichtung von Integrationsräten in den Kommunen abschaffen. Damit würde es den Städten und Gemeinden in NRW überlassen, freiwillig solche Gremien einzurichten. Das kann dann ein Integrationsrat oder auch ein Integrationsausschuss sein, der dem Stadt- oder Gemeinderat zugeordnet würde. Es soll aber auch die Option geben, überhaupt keine gewählte Vertretung der Migranten in den Kommunen mehr einzurichten.

Weniger Einflussmöglichkeiten von Zuwanderern

Mit den Plänen der schwarz-gelben Koalition wird nach Ansicht von Hunsteger-Petermann das bisherige System der Migrantenvertretung "ohne Not" infrage gestellt. "Die Integrationsräte ermöglichen, dass auch nichtdeutsche Einwohnerinnen und Einwohner bei kommunalen Entscheidungen eine Stimme haben und gehört werden", erklärte er. Die Einrichtung eines Integrationsausschusses würde die Einflussmöglichkeiten der Zuwanderer dagegen vermindern, da ein solcher Ausschuss zu mindestens 51 Prozent durch Ratsmitglieder besetzt werden müsste.

Bisher sind die Kommunen in NRW dazu verpflichtet, Integrationsräte einzurichten. Das betrifft Gemeinden, in denen mindestens 5.000 ausländische Einwohner ihre Hauptwohnung haben. In Gemeinden mit mindestens 2.000 ausländischen Einwohnern können 200 Wahlberechtigte einen Integrationsrat beantragen. Nach Ansicht der Städte hat sich die Arbeit der Integrationsräte bewährt.

Gegen die Pläne der Landesregierung hatten unter anderem auch der Landesintegrationsrat NRW und die Integrationsräte in den Städten und Gemeinden protestiert. Seit 1994 gehörten die Ausländerbeiräte, die Vorgänger der heutigen Integrationsräte, in NRW zu den kommunalen Pflichtgremien, hieß es. Sie seien Teil einer gewachsenen Struktur zur Förderung von Teilhabe und Integration im Land.



Khorchide hält Moschee-Steuer für Muslime denkbar


Mouhanad Khorchide
epd-bild/Friedrich Stark

Für einen aufgeklärten Islam wären nach Aussagen des Islamwissenschaftlers Mouhanad Khorchide Moschee-Steuern für Muslime denkbar. Dadurch könnten etwa Imame bezahlt werden, sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster am 14. Juni in der Evangelischen Akademie Frankfurt am Main. Wenn es in Deutschland entsprechende Kirchengesetze gibt, warum dann nicht auch für den Islam, stellte der Theologe bei der Veranstaltung "Der deutsche Islam im Aufbruch" zur Diskussion.

Es könne nicht sein, dass in deutschen Moscheen Imame predigen, die aus dem Ausland finanziert und gesteuert werden. "Der deutsche Staat unterstützt zurzeit unbewusst den politischen Islam", sagte der Vorsitzende des 2015 gegründeten und dem liberalen Islam zugerechneten Muslimischen Forums Deutschland.

Der deutsche Staat solle die Expertise der Zentren für islamische Theologie nutzen, die eine Art Kommission bilden könnten. Diese müsste zum Beispiel darüber beraten, welche Inhalte im Religionsunterricht von welcher Person gelehrt werden. Gerade an Schulen müsse dringend Aufklärungsarbeit geleistet werden, sagte der Reformtheologe. Junge Muslime hätten oftmals keine Ahnung davon, was im Koran steht.

Khorchide forderte zudem, dass Muslime und muslimische Verbände selbstkritischer sein müssten. Er schlug zum Beispiel vor, Studien über die Rolle der Frauen in muslimischen Gemeinden zu erheben und zu veröffentlichen. Selbstkritik brauche allerdings auch Selbstsicherheit, die vielen deutschen Muslimen fehle. Durch Fragen wie "Gehört der Islam zu Deutschland?" seien sie häufig verunsichert.



Boris Becker macht diplomatische Immunität geltend

Boris Becker beruft sich als Kulturattaché der Zentralafrikanischen Republik auf diplomatische Immunität, um vor Gericht Forderungen einer Privatbank zu entgehen. Das berichtete am 15. Juni der britische Rundfunksender BBC unter Berufung auf den Anwalt des ehemaligen Tennisprofis. Ein britisches Gericht hatte vor einem Jahr Beckers Insolvenz festgestellt, nachdem eine britische Bank auf Rückzahlung einer ihr zufolge "hohen Summe" geklagt hatte. Becker berufe sich jetzt auf seine diplomatische Immunität, um die Farce zu beenden, hieß es in einer auf Twitter veröffentlichten schriftlichen Erklärung.

Darin beklagt der 50-Jährige, dass das "ungerechtfertigte und unnötige" Gerichtsverfahren sowie die Insolvenzerklärung ihm beruflich und privat schweren Schaden zugefügt hätten. Dafür werde er Schadenersatz geltend machen.

Becker war im April 2018 von der Zentralafrikanischen Republik zum Attaché für Sport, humanitäre und kulturelle Fragen bei der EU ernannt worden. Er beruft sich auf das Wiener Abkommen von 1961, dass Diplomaten Freiheit von Strafverfahren zusichert, solange der entsendende Staat diesen nicht zustimmt.

Die Zentralafrikanische Republik ist trotz ihrer reichen Diamanten- und Mineralienvorkommen eines der ärmsten Länder der Welt. Nach mehreren Bürgerkriegen sind weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle der Regierung. Zivilisten und die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen sind immer wieder Ziel verschiedener Rebellengruppen. Ein Viertel der Bevölkerung ist auf der Flucht, gut die Hälfte der Bevölkerung - zwei Millionen Menschen - ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.



Kamerunischer Wissenschaftler Mbembe erhält Gerda Henkel Preis

Der kamerunische Historiker und Politikwissenschaftler Achille Mbembe wird mit dem Gerda Henkel Preis 2018 geehrt. Er werde die mit 100.000 Euro dotierte Auszeichnung am 8. Oktober in Düsseldorf entgegennehmen, teilte die Gerda Henkel Stiftung am 11. Juni in Düsseldorf mit. Insgesamt seien für den Preis 134 Nominierungen aus 36 Ländern eingegangen. "Dass die Wahl auf Achille Mbembe gefallen ist, zeigt, dass auf dem afrikanischen Kontinent exzellente wissenschaftliche Arbeit geleistet wird", erklärte der Stiftungsvorsitzende Michael Hanssler.

Mbembe lehrt am Wits Institute for Social and Economic Research der University of the Witwatersrand im südafrikanischen Johannesburg. In der Begründung der Jury hieß es, der 61-Jährige zähle zu den international führenden Vertretern der postkolonialen Theorie und gehöre zu den wenigen aus Afrika stammenden und auch in Afrika wirkenden Wissenschaftlern, die sich auf diesem hoch aktuellen Forschungsgebiet profiliert hätten. Als einer der "anregendsten Denker Afrikas" habe er sich ein weltweites Renommee verschafft.

Die Gerda Henkel Stiftung verleiht den Preis zum siebten Mal. Im vorigen Jahr hatte die britische Historikerin und Luther-Biografin Lyndal Roper die Auszeichnung erhalten.




Soziales

Diakonie-Chef: "Das ist ein Fake!"


Ulrich Lilie
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Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erwartet von der Bundesregierung deutlich mehr Engagement für die Pflege. Lilie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es gebe viele Beispiele dafür "wie verrückt das System ist".

Die Ausgaben, die auf Pflegebedürftige zukämen, die einen stationären Pflegeplatz brauchen, lägen in der Spitze inzwischen bei 2.400 Euro im Monat, im Durchschnitt bei 1.800 Euro monatlich. "Es ist ein echtes Risiko, pflegebedürftig zu sein", sagte Lilie, "und wir nennen das Sozialversicherung. Das ist ein Fake!"

Tatsächlich müsse bei jedem dritten Heimbewohner der Staat mit Sozialhilfe einspringen. Der Diakonie-Chef forderte die Politik auf, die Finanzierung der Pflege grundlegend zu überdenken: "Wir müssen über Geld reden - aber wir müssen auch über die Verteilung reden", sagte er.

"Unsägliche Arbeitsbedingungen"

Lilie schlug ein Mischmodell aus Steuerfinanzierung, Pflegeleistungen und Mitteln der Krankenversicherung vor, um zu "einer vernünftigen Absicherung bei Pflegebedürftigkeit zu kommen". Er erwarte von der Politik Antworten auf die Frage, "wie wir die Pflegeversicherung so weiterentwickeln, dass sie nicht eine Versicherung mit unkalkulierbaren Risiken für die zu Pflegenden und ihre Angehörigen wird."

Es gebe im Bereich der Pflege zu viele Dinge, die einfach hingenommen würden, kritisierte Lilie. Er nannte den Personalmangel, die teils "unsäglichen Arbeitsbedingungen" ausländischer Pflegekräfte, die in Privathaushalten arbeiten sowie den "ruinösen Wettbewerb" unter den Pflegeanbietern.

"Flickschusterei"

Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigte Sofortprogramm für mehr Pflegekräfte überzeugt den Diakonie-Präsidenten nicht. Lilie sagte, es sei vielmehr "eine Fortsetzung der Flickschusterei und politisch unseriös". Das Programm sieht für jedes Pflegeheim in Deutschland eine halbe bis zwei Stellen vor. Vor dem Hintergrund der großen Probleme in der Pflege seien 13.000 zusätzliche Stellen "für alle, die wissen, um was es geht, wirklich eine kleine Münze", sagte Lilie.

Die Bundesregierung müsse daran gemessen werden, was sich am Ende der Legislaturperiode für die Pflege verändert habe. Wenn sich ein reiches Land wie Deutschland den humanen Umgang mit Pflegebedürftigkeit und Hochaltrigkeit nicht etwas kosten lasse, dann würden irgendwann "immer mehr Menschen sagen: So möchte ich nicht alt werden", sagte Lilie: "Meine Befürchtung ist, dass wir dann die Debatte um den assistierten Suizid wieder zurückbekommen werden".

epd-Gespräch: Bettina Markmeyer und Corinna Buschow


Spahn will Beiträge zur Pflegeversicherung erhöhen


Jens Spahn
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Demenzkranke Pflegebedürftige bekommen seit dem vorigen Jahr mehr Leistungen, das ist gewollt. Aber die Pflegeversicherung rutscht stärker ins Defizit als vorausgesehen. Gesundheitsminister Spahn stellt die Bürger auf höhere Beiträge ein.

Die Bürger müssen bald wieder höhere Pflegebeiträge zahlen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte am 13. Juni in Berlin, die Beiträge müssten Anfang 2019 um mindestens 0,3 Prozentpunkte steigen, um die Pflegeversicherung zu stabilisieren. Der CDU-Politiker verband seine Ankündigung mit der Forderung, im Gegenzug den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker zu senken als geplant. Dazu ist die SPD bisher nicht bereit.

Der Beitrag zur Pflegeversicherung beträgt derzeit 2,55 Prozent und für kinderlose Versicherte 2,8 Prozent des Bruttoeinkommens.

Drei Milliarden Euro Defizit erwartet

Die Pflegeversicherung steuert nach Berechnungen des Spitzenverbandes der Kranken- und Pflegekassen sowie des Bundesgesundheitsministeriums auf ein höheres Defizit zu als vorausgesehen. Es wird Ende des Jahres bei mindestens drei Milliarden Euro liegen. Der Hauptgrund sind die Pflegereformen der vergangenen Jahre. Insbesondere in der ambulanten Pflege erhielten die Menschen und ihre pflegenden Angehörigen höhere Leistungen, sagte Spahn. Das sei auch so gewollt.

Ein Ausgabenplus von 1,1 Milliarden Euro pro Jahr ist den Berechnungen zufolge allein darauf zurückzuführen, dass seit der Reform mehr Menschen als vorhergesehen erstmals Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen und viele höher eingestuft wurden als erwartet - insgesamt 100.000.

Mit einer Beitragserhöhung von 0,3 Prozentpunkten könne die Pflegeversicherung bis 2022 stabil gehalten werden, sagte Spahn. Allerdings sei ein Teil der von der Koalition beschlossenen Reformen darin noch nicht eingepreist, unter anderem Lohnsteigerungen für Pflegekräfte.

Steigende Lohnkosten

Der SPD-Gesundheitsexperte und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach rechnet zudem mit spürbaren Mehrausgaben der Pflegeversicherung durch Lohnzuwächse für die Pflegekräfte. Er sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung": "Die Lohnkosten werden in den nächsten Jahren um 20 bis 30 Prozent steigen." Dadurch werde auch mit deutlich steigenden Pflegebeiträgen zu rechnen sein.

Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende, Hermann Gröhe (CDU), der als Bundesgesundheitsminister die jüngste Pflegereform umgesetzt hatte, sagte, an den Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag über Verbesserungen in der Pflege sollten keine Abstriche gemacht werden. Er machte sich wie Spahn dafür stark, angesichts der hohen Rücklagen bei der Bundesagentur für Arbeit den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker zu senken als geplant: "Wir haben dafür sehr gute Argumente", sagte er.

Union und SPD wollen den Arbeitslosenbeitrag eigentlich nur um 0,3 Prozentpunkte senken. Aus CSU und CDU gibt es aber Forderungen nach einer Senkung um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent des Einkommens. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat dies bisher stets abgelehnt.

Die Ausgaben der Pflegeversicherung lagen im vorigen Jahr bei 35,5 Milliarden Euro. Nach Jahren im Plus schloss die Versicherung erstmals wieder mit einem Defizit von 2,4 Milliarden Euro ab, wodurch die Rücklage von 9,3 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 6,9 Milliarden Euro im vorigen Jahr sank. Die Pflegebeiträge waren zuletzt Anfang 2017 erhöht worden.



Wohlfahrtspflege: Viele Betreuungsvereine vor dem Aus

Betreuungsvereine in Nordrhein-Westfalen leiden nach Angaben der Freien Wohlfahrtspflege unter massiver Finanznot. Immer mehr der rund 170 Vereine in NRW erwägten deshalb, ihr Angebot zur rechtlichen Betreuung von erkrankten und behinderten Menschen einzustellen, erklärte die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege am 12. Juni in Düsseldorf. Zehn Vereine der Mitgliedsorganisationen seien bereits aus finanziellen Gründen geschlossen worden.

Die hauptamtlichen Mitarbeiter von Betreuungsvereinen übernehmen die rechtliche Betreuung von demenzkranken, psychisch kranken oder behinderten Menschen. Sie kümmern sich etwa um die Finanzen der Betroffenen und regeln Heim- oder Klinikaufenthalte. Zudem schulen die Betreuungsvereine ehrenamtliche Betreuer und begleiten Angehörige, die eine Betreuung übernehmen.

Appell an NRW-Landesregierung

Die Freie Wohlfahrtspflege verwies darauf, dass der Bundestag bereits im Mai 2017 ein Gesetz beschlossen hatte, mit dem die Stundensätze für rechtliche Betreuer von 44 auf 52 Euro erhöht werden sollen. Jedoch habe der Bundesrat das Gesetz mit dem Argument blockiert, zunächst eine Studie zur Qualität der Betreuung abwarten zu wollen. Obwohl die Studienergebnisse seit Januar vorlägen und die Unterfinanzierung bestätigten, habe der Bundesrat das Gesetz noch immer nicht auf die Tagesordnung genommen, beklagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Christian Heine-Göttelmann. Als Grund vermutete er, dass die Justizkassen der Bundesländer die Erhöhung der Stundensätze tragen müssten.

Heine-Göttelmann appellierte an die NRW-Landesregierung, sich für die Umsetzung des Gesetzes starkzumachen. "Sonst wird es unsere Vereine bald nicht mehr geben." Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland seien auf eine rechtliche Betreuung angewiesen, der Bedarf wachse, betonte der Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Die schwierigsten Fälle landeten oft bei den Betreuungsvereinen, weil sie eine gute Kenntnis der Rechtslage und sozialpädagogische Kompetenz erforderten.

Zur Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW gehören unter anderem die Diakonie, die Caritas, der Paritätische und die Jüdischen Gemeinden.



Bank für Kirche und Diakonie präsentiert Wachstumszahlen

Die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) kann sich in einem schwieriger werdenden Umfeld behaupten. Für das zurückliegende Geschäftsjahr weist das genossenschaftliche Kreditinstitut gleich in mehreren Bereichen Wachstumszahlen aus.

Trotz Niedrigzinsphase und einer im Umbruch befindlichen Branche kann die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) auch für das zurückliegende Geschäftsjahr gleich in mehreren Bereichen Wachstumszahlen vorweisen. Die Bilanzsumme stieg um 7,3 Prozent auf knapp 5,7 Milliarden Euro, wie der Vorstandsvorsitzende der KD-Bank, Ekkehard Thiesler, am 13. Juni bei der Generalversammlung in Dortmund vor rund 200 Mitgliedern aus Kirche und Diakonie sagte. Die bilanziellen Einlagen nahmen um 7,9 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro zu. Das betreute Anlagevolumen, zu dem neben den Einlagen auch Kundenwertpapiere gehören, stieg um 7,8 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro.

Der Überschuss für das vergangene Geschäftsjahr liegt bei knapp 8,04 Millionen Euro. Daraus wird unter anderem eine Dividende von vier Prozent an die Mitglieder ausgeschüttet.

Die KD-Bank hat zudem im vergangenen Jahr insgesamt 1,7 Milliarden Euro an Krediten vergeben. Das waren fast fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Davon wurden 250 Millionen Euro im vergangenen Jahr neu ausgegeben. Die Kredite werden vor allem an soziale Einrichtungen von Kirche und Diakonie vergeben, darunter zum Beispiel an 149 Krankenhäuser, 868 soziale Einrichtungen und 406 Altenheim-Unternehmungen.

Genossenschaftliches Kreditinstitut sieht sich für Zukunft gut gerüstet

"Wir stehen in vielerlei Hinsicht für 'anderes Wirtschaften', das sich eben nicht auf das Prinzip der Gewinnmaximierung fokussiert", sagte der Vorstandsvorsitzende Thiesler. Natürlich dürfe man keine Verluste machen, aber: "Der eigene Erfolg darf nicht auf Kosten Dritter oder sogar unserer Kunden erwirtschaftet werden." Trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase sei es gelungen, sich den Herausforderungen eines immer komplexer werdenden Finanzmarktes zu stellen, erklärte Thiesler. Die Eigenkapitalquote der KD-Bank sei mit 17 Prozent gut.

Zugleich erinnerte Thiesler daran, dass in diesem Jahr der Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen seinen 200. Geburtstag gefeiert hätte. Raiffeisen sei ein Vorbild für den Geschäftsansatz der KD-Bank. Sein Motto habe gelautet: "Ohne Ethik geht es nicht." Dem evangelischen Christen sei es nie um die Frage gegangen, "ob der Umgang mit Geld verantwortbar ist, sondern vielmehr, wie der Umgang mit Geld ethisch verantwortet werden kann".

Ex-Fußballschiedsrichter Markus Merk zu Gast

Auf der Generalversammlung sprach zudem der frühere Fußballschiedsrichter Markus Merk über Regeln und Moral in Sport und Gesellschaft. Merk empfahl einen offensiven Umgang mit Fehlentscheidungen im Leben: "Immer richtig und gerecht zu entscheiden ist unmöglich, aber der Wille dazu muss in deinem Tun und Handeln jederzeit erkennbar sein."

Merk, der sich auch beim Bau von Kinderdörfern und einem Altenheim in Südindien engagiert, verwies darauf, dass er als Schiedsrichter permanent unter Beobachtung gestanden habe. Er wisse deshalb, was es bedeute, wenn Entscheidungen immer wieder kritisiert und angezweifelt würden. Man müsse bereit sein, mit Fehlentscheidungen zu leben. Gleichwohl sei es ein Privileg im Leben, entscheiden zu dürfen. Im Umgang mit anderen sei die Kommunikation, vor allem das Zuhören, das A und O, sagte der gelernte Zahnarzt.

Die KD-Bank ist eine Genossenschaftsbank und gehört der evangelischen Kirche und Diakonie. Mit rund 4.200 Mitgliedern und einer Bilanzsumme von über fünf Milliarden Euro zählt sie nach eigenen Angaben zu den größten Kirchenbanken Deutschlands. Repräsentanten aus Kirche und Diakonie wirken im Aufsichtsrat und Beirat mit. Die Aufsichtsratsvorsitzende Marlehn Thieme, die auch Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, wurde einstimmig in ihrem Amt bestätigt. Zu den Kunden der KD-Bank gehören die EKD mit ihren Landeskirchen, kirchliche Einrichtungen und Stiftungen sowie Freikirchen. Auch Krankenhäuser, Hospize, Pflegedienste, Behindertenwerkstätten oder Kindertagesstätten zählen dazu.



Streikverbot für Beamte gilt ohne Einschränkungen

Beamte sind gegenüber dem Staat zur Treue verpflichtet und dürfen daher nicht streiken. Das in Deutschland geltende generelle Streikverbot für Beamte verstoße weder gegen die Europäische Menschenrechtskonvention noch gegen die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit, entschied am 12. Juni das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (AZ: 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14 und 2 BvR 646/15)

Hintergrund des Rechtsstreits waren Streikaufrufe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. An den Streikmaßnahmen nahmen nicht nur angestellte, sondern auch beamtete Lehrer, darunter die vier Beschwerdeführer teil. Diese erhielten einen Verweis und mussten Geldbußen von bis zu 1.500 Euro bezahlen.

Nur bei hoheitlichen Aufgaben wie etwa bei der Polizei sei ein Streikverbot begründet, erklärten die Lehrer mit Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) aus den Jahren 2008 und 2009. Ein Streikverbot verstoße zudem gegen die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit, die auch ein Streikrecht beinhaltet.

Treue gegenüber dem Staat

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte das generelle Streikverbot für Beamte. Es stehe mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Grundgesetz im Einklang. Die Beamten seien damit nicht schutzlos gestellt. Denn der Staat sei verpflichtet, seine Staatsdiener und ihre Familien angemessen zu "alimentieren", sprich: zu vergüten.

Der Alimentationsgrundsatz schützt Beamte davor, nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt zu werden. Dies könne auch gerichtlich überprüft werden, so die Verfassungsrichter. Würde ein Streikrecht zuerkannt, ließe sich die Alimentation nicht mehr rechtfertigen.

Im Gegenzug seien die Beamten zur Treue gegenüber dem Staat verpflichtet, um die staatlichen Institutionen funktionsfähig zu halten. Diese Pflicht sei nicht nur auf Beamte mit hoheitlichen Aufgaben beschränkt, sondern gelte ebenso für beamtete Lehrer. Denn Lehrer müssten den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag gewährleisten, der verfassungsrechtlich einen hohen Stellenwert habe. Das Streikverbot verstoße nicht gegen die Menschenrechtskonvention.

"Schwarzer Tag für Demokratie"

Die GEW zeigte sich von dem Urteil enttäuscht. "Das ist ein Schwarzer Tag für Demokratie und Menschenrechte", sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Das Urteil sei ein "Rückschritt ins vergangene Jahrhundert".

Kai Rosenberger, Vorsitzender der BBW Beamtenbund Tarifunion sieht sich mit der Entscheidung bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht nur die Treuepflicht, sondern auch die ausreichende Alimentation der Beamten betont und so letztlich das Berufsbeamtentum gestärkt.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht in dem Urteil einen Erfolg zur Sicherstellung der Schulpflicht. "Will der Staat die Schulpflicht sichern, muss er sich auf die Pflichterfüllung der verbeamteten Lehrkräfte stützen können", sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Ein Streikrecht sei damit nicht vereinbar.



Wenig verurteilte Homosexuelle beantragen Entschädigung


Homosexuelles Paar
epd-bild/Andrea Enderlein
Gerade einmal knapp 100 verurteilte Homosexuelle haben eine finanzielle Wiedergutmachung beantragt, seit das Rehabilitierungsgesetz vor einem Jahr beschlossen wurde. Die Gründe sind vermutlich Traumatisierung, Scham und hohes Alter.

Die Entschädigung verurteilter Homosexueller läuft nur langsam an. Im ersten Jahr seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Rehabilitierung Homosexueller bemühten sich lediglich 99 Verurteilte beim Bundesamt für Justiz in Bonn um finanzielle Wiedergutmachung, wie die Behörde dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Die Bundesregierung war zum Zeitpunkt des Gesetzbeschlusses davon ausgegangen, dass bis zu 5.000 Homosexuelle, vor allem schwule Männer, von der Neuregelung profitieren.

Die meisten Anträge auf Entschädigung kamen mit jeweils 18 Fällen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern, es folgten Berlin mit 14 und Baden-Württemberg mit elf Gesuchen. Gezahlt wurden bislang insgesamt 333.000 Euro an Entschädigung, wie das Bundesamt mit Sitz in Bonn erklärte.

Mögliche Angst vor erneuter Diskriminierung

Insgesamt 74 Anträge wurden den Angaben zufolge bewilligt. Drei Gesuche wurden abgelehnt, unter anderem weil ein Antragsteller keine Haftstrafe verbüßt hatte, sondern in Untersuchungshaft saß. Bei den übrigen Anträgen steht in den meisten Fällen noch eine Rehabilitierungsbescheinigung aus. Diese müssen Betroffene, die keine Ausfertigung ihres Urteils mehr haben, bei der jeweils zuständigen Staatsanwalt beantragen.

Das Bundesamt für Justiz sieht darin eine mögliche Ursache für die relativ niedrige Zahl an Anträgen. "Nach meiner persönlichen Einschätzung sind viele Betroffene traumatisiert und wollen womöglich nicht an die Staatsanwaltschaft herantreten, die sie damals angeklagt hat", sagte Behördensprecher Thomas Ottersbach. Einige hätten, um sich vor Diskriminierung zu schützen, seinerzeit geheiratet und Kinder bekommen und wollten diese Identität wahren. Andere lebten in Pflegeheimen und hätten die Nachricht über das neue Gesetz vielleicht nicht mitbekommen oder seien gesundheitlich nicht mehr in der Lage, sich um eine Antragstellung zu kümmern, erklärte Ottersbach.

Das Gesetz zur Rehabilitierung Homosexueller war am 22. Juni 2017 im Bundestag verabschiedet worden und am 17. Juli 2017 in Kraft getreten. Homosexuelle, die nach 1945 wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verurteilt wurden, können seitdem rehabilitiert werden.

Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle wurden in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer wegen ihrer Sexualität verurteilt. Dann wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 komplett abgeschafft. Dem Rehabilitierungsgesetz zufolge erhalten Betroffene nun eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro, wenn das Urteil aufgehoben wird. Haftstrafen werden mit 1.500 Euro pro Jahr entschädigt.



Zahl der ärztlichen Hausbesuche stark rückläufig

Die Zahl der Hausbesuche von Ärzten in Deutschland geht zurück. Gab es im Jahr 2009 noch 30,3 Millionen Patientenbesuche, so waren es 2017 nur noch 24,6 Millionen, wie die Bundestagsfraktion der Linken am 13. Juni in Berlin mitteilte. Sie verwies auf Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei. Die wenigsten Hausbesuche machten demnach Ärzte in Westfalen-Lippe mit durchschnittlich 349 im Jahr. Die meisten Hausbesuche verzeichnete das Saarland mit 894 Visiten pro Jahr und Arzt.

Am meisten Hausbesuche im Saarland

Die sinkende Zahl an Hausbesuchen lege nahe, dass Ärzte auch aus Angst vor Rückzahlungsforderungen zunehmend vorsichtig mit Hausbesuchen umgehen, sagte Achim Kessler, der Sprecher der Linken für Gesundheitsökonomie. Er rief die Bundesregierung auf, die Ärzteversorgung der Patienten vor allem in den ländlichen Regionen zu verbessern. "Es sollte selbstverständlich sein, dass medizinisch notwendige Hausbesuche ohne Angst vor Rückzahlungsforderungen der Krankenkassen möglich sind."

Die Zahl und die Höhe der Rückzahlungsforderungen ist laut Kessler extrem unterschiedlich. Die Tendenz sei auch hier rückläufig, allerdings mit extrem großen Sprüngen. Dem Experten zufolge liegen jedoch nur Daten aus sieben Bundesländern vor und die Zahlen seien zudem kaum vergleichbar. Auch für die Summe der Honorarrückzahlungen liegen nicht aus allen Regionen Zahlen vor. Die durchschnittlichen Forderungen liegen den Angaben nach im mittleren vierstelligen Bereich. Kessler: "Existenzbedrohende Zahlungen sind die extreme Einzelfälle."



Hirnschädigung kann bei Alzheimer zu Blindengeldanspruch führen

Alzheimer-Patienten können wegen ihrer Hirnschädigung und einer damit einhergehenden fehlenden Verarbeitung von Seheindrücken Anspruch auf Blindengeld haben. Nur wenn klar ist, dass dem Patienten trotzdem keine blindheitsbedingten Aufwendungen entstehen, kann das Blindengeld versagt werden, urteilte am 14. Juni das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 9 BL 1/17 R). In solch einem Fall müsse aber das zuständige Versorgungsamt und nicht der Kranke das beweisen können.

Im konkreten Fall leidet die aus Niederbayern stammende Klägerin an einer schweren Alzheimer-Demenz. Wegen ihrer Erkrankung ist mit ihr eine Kommunikation nicht mehr möglich. Die Demenzerkrankung führt zudem dazu, dass sie weder optische Reize wahrnehmen noch verarbeiten kann. Hinweise dafür, dass die fehlende Wahrnehmung von optischen Reizen auf eine konkrete Schädigung des Sehapparates zurückzuführen sind, gibt es nicht.

Da die Frau wegen ihrer Demenz faktisch blind ist, beantragte sie beim Freistaat Bayern Blindengeld. Derzeit beträgt dieses monatlich bis zu 590 Euro, ab 1. Juli bis zu 610 Euro.

Das zuständige Versorgungsamt lehnte ab. Allein der Verlust der Hirn-Fähigkeit, Dinge zu erkennen und zu benennen, sei noch nicht als Blindheit anzusehen. Bei einer Verarbeitungsstörung von Sehreizen im Gehirn müsse zusätzlich zur Blindheit eine schwere Störung des Sehapparates kommen. Dies sei hier aber nicht belegt.

Das Bundessozialgericht urteilte, dass auch Alzheimer-Patienten wegen ihrer schweren Hirnschädigung und einer damit einhergehenden fehlenden Verarbeitung von Sehreizen Blindengeld beanspruchen können. Ist es bei dem Krankheitsbild aber ausgeschlossen, dass bei dem Patienten keine blindheitsbedingten Aufwendungen anfallen können, dann besteht kein Blindengeldanspruch. Nicht der Kranke, sondern die zuständigen Versorgungsämter müssten dies belegen.

Ob bei der Alzheimer-Patientin "blindheitsbedingte Aufwendungen" ausgeschlossen sind, muss nun das Bayerische Landessozialgericht noch einmal prüfen.



Kinderärzte kritisieren DFB wegen Werbung für Burger und Cola

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kritisiert Werbedeals des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit McDonald's und Coca-Cola. Es sei "ein unglaublicher Skandal", dass der DFB sich einerseits in seiner Satzung zur Förderung gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung bekenne und sich andererseits von solchen Firmen sponsern lasse und Werbespots mit ihnen drehe, sagte Verbandssprecher Hermann Josef Kahl am 12. Juni in Köln. Die Spots richteten sich eindeutig an Kinder und Jugendliche und förderten deren Zucker- und Fett-Konsum.

"Mit seinem Verhalten trägt der DFB mit dazu bei, dass immer mehr Kinder und Jugendliche Übergewicht entwickeln, denn ein entscheidender Faktor für Übergewicht ist neben Bewegungsmangel zu fette und zu süße Ernährung", erklärte Kahl. Übergewicht verursache schwere Folgeerkrankungen des Skeletts, Bluthochdruck und vor allem Diabetes.

Gerade Kinder und Jugendliche aus sozial prekären Verhältnissen seien durch die Werbung gefährdet. "In ihren Familien gibt es oft wenig Kompetenz bezüglich kontrolliertem und bewusstem Konsum von Fast Food", mahnte Kahl. Mit seiner Werbekampagne schade der DFB diesen Kindern und Jugendlichen und mache zunichte, "was engagierte Kinder- und Jugendärzte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrer und Lehrerinnen tagtäglich an Prävention leisten".



Elterngeld wird in NRW vor allem von Frauen bezogen

Beim Bezug von Elterngeld gibt es weiter eine klare Geschlechtertrennung in NRW. Im vergangenen Jahr erhielten mehr als 75 Prozent der jungen Mütter eine solche Unterstützung. Bei den Vätern war es ein knappes Viertel.

In Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr knapp jeder vierte Vater Elterngeld bezogen. Bei den jungen Müttern waren es dagegen mehr als drei Viertel, die diese Form der finanziellen Unterstützung erhielten, wie das Statistische Bundesamt am 14. Juni in Wiesbaden mitteilte. Über 368.200 Mütter und Väter hatten 2017 in NRW Elterngeld bekommen - davon waren rund 290.900 Frauen und 77.300 Männer.

Bundesweit hatten im vergangenen Jahr rund 1,76 Millionen Mütter und Väter Elterngeld bezogen. Insgesamt erhielten 1,35 Millionen Mütter und 410.000 Väter Elterngeld, das war eine Anstieg von etwa sieben Prozent gegenüber 2016. Bei den Frauen lag der Zuwachs bei sechs Prozent, bei den Männern sogar bei gut elf Prozent.

Das Elterngeld soll Eltern vor allem während des ersten Jahres nach der Geburt eines Kindes finanziell absichern. Die Höhe ist abhängig vom bisherigen Erwerbseinkommen des Empfängers. Sie liegt bei mindestens 300 Euro und höchstens 1.800 Euro monatlich.

Eltern, deren Kinder ab dem 1. Juli 2015 geboren wurden, können zudem zwischen dem bisherigen Elterngeld und dem Bezug des neuen Elterngelds Plus wählen oder beides kombinieren. Mit dem niedrigeren Elterngeld Plus kann die Leistung über einen längeren Zeitraum bezogen werden, während Vater oder Mutter in Teilzeit wieder in den Job einsteigen können.

Im vergangenen Jahr nutzten vor allem Frauen in NRW laut der aktuellen Statistik das Elterngeld Plus: 27 Prozent der berechtigten Mütter hatten diese Variante mit eingeplant, bei den Vätern waren es zwölf Prozent. Der bundesweit niedrigste Zuspruch beim Elterngeld Plus wurde aufseiten der Mütter in Gelsenkirchen vermeldet. Dort erhielten nur elf Prozent aller Bezugsberechtigten diese Form der Unterstützung.

Rund 10.000 Saarländer beziehen Leistung

Der Vergleich zum Saarland: Im ersten Quartal 2018 haben im flächenkleinsten Bundesland insgesamt 10.218 Mütter und Väter Elterngeld bezogen. Dabei nutzten deutlich mehr Frauen (9.253) als Männer (965) das Angebot, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Bundesweit waren es demnach insgesamt 976.118 Mütter und Väter.

Im Saarland hatten den Statistikern zufolge vor allem die männlichen Bezieher des Elterngelds (84,1 Prozent) ein zur Berechnung des Elterngelds relevantes Erwerbseinkommen vor der Geburt. Bei den Frauen seien es nur 62,8 Prozent gewesen. Die Mütter bezögen die Leistung mehrheitlich (64,5 Prozent) für zehn bis zwölf Monate, die Väter hauptsächlich (53,8 Prozent) für bis zu zwei Monate. Im Durchschnitt hätten die Saarländer einen Anspruch auf 669 Euro im Monat, wobei die Männer mit 1.050 Euro und die Frauen mit 629 Euro weit auseinander liegen. Der tatsächlich ausgezahlte monatliche Beitrag lag der Statistik zufolge im Durchschnitt bei 582 Euro, für Väter bei 1.046 Euro und für Mütter bei 533 Euro.

Im vergangenen Jahr haben im Saarland rund 17.500 Bürgerinnen und Bürger Elterngeld bekommen, davon fast 14.500 Mütter und rund 3.100 Väter.



Viele Hilfsarbeiter können schlecht lesen und rechnen

Die Zahl der ungelernten Hilfsarbeiter steigt. Laut einer neuen Studie mangelt es vielen von ihnen an Sprach- und Mathekenntnissen. Angesichts der Digitalisierung mahnen Forscher Weiterbildungen an.

Viele ungelernte Hilfsarbeiter haben einer Studie zufolge Sprach- und Leseprobleme sowie andere Lücken in der Grundbildung. Wie eine am 14. Juni veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln ergab, verfügen rund 39 Prozent der Erwerbstätigen in Helferberufen nur über sehr geringe Lesekompetenzen und können nur kurze Texte zu vertrauten Themen verstehen. 44 Prozent beherrschen demnach nur einfachste mathematische Vorgänge wie Zählen und Sortieren.

Für die Studie hat das Kölner Forschungsinstitut Daten einer OECD-Untersuchung zur Alltagsfertigkeit Erwachsener ausgewertet. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012. Demnach betrug der Anteil der Arbeitnehmer mit sehr geringen Lesekompetenzen im Durchschnitt aller Berufsgruppen in Deutschland 15,3 Prozent. 15 Prozent verfügten lediglich über alltagsmathematische Kenntnisse.

Sprachdefizite

Nach einer weiteren IW-Untersuchung, für die die Kölner Forscher Daten des Sozio-ökonomischen Panels aus dem Jahr 2015 auswerteten, haben viele ausländische Hilfsarbeiter Sprachdefizite. Knapp 16 Prozent der ausländischen Erwerbstätigen gaben demnach an, Defizite beim Sprechen, Lesen oder Schreiben zu haben. Von den Ausländern, die seit mindestens vier Jahren in Deutschland lebten, seien es immer noch gut 13 Prozent, heißt es in der Studie. Bei ausländischen Hilfsarbeitern hatten nach eigenen Angaben 28 Prozent Schwierigkeiten beim Sprechen, Lesen oder Schreiben.

Der Studienautor Wido Geis forderte mehr Qualifizierungsangebote von Unternehmen für ungelernte Arbeitskräfte. "Insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung, die auch an Geringqualifizierte neue Anforderungen stellt, müssen Unternehmen mit Unterstützung der Politik mehr für die Grundbildung der Beschäftigten tun", betonte der IW-Experte. Das betreffe besonders die Kommunikationsfähigkeit. "Auch im Helferbereich werden Sprachkompetenzen immer wichtiger." Zumal die Zahl der Hilfsarbeiter steige: Waren 2013 der Studie zufolge noch 4,11 Millionen Arbeitnehmer in Helferjobs sozialversicherungspflichtig angestellt, lag die Zahl im vergangenen Jahr bei fünf Millionen.



1.000 Sportler messen sich bei 22. "Bethel Athletics"

Zu den Sommerspielen der v. Bodelschwinghschen Stiftungen, den "Bethel Athletics", werden auch in diesem Jahr mehr als 1.000 sportbegeisterte Menschen mit und ohne Behinderungen erwartet. Am 23. Juni brennt wieder "Olympisches Feuer" in Bielefeld-Bethel, wie die Stiftungen am 14. Juni mitteilten. Bei dem nunmehr 22. inklusiven Sportfest treten Athleten aus Deutschland in zehn unterschiedlichen Sportarten von Judo bis Reiten an. Veranstaltungsorte sind der Sportpark und das Therapeutische Reiten Bethel im Stadtteil Gadderbaum sowie das nahe gelegene Schwimmbad Aquawede.

Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen mit Sitz in Bielefeld-Gadderbaum zählen zu den größten diakonischen Werken in Europa. Durch Bethel-Angebote werden jährlich rund 230.000 Menschen behandelt, betreut, gefördert, ausgebildet oder beraten.



Datenbank über Gesundheit von Geflüchteten und Migranten

Auf einer neuen Datenbank bündelt die Universität Bielefeld Informationen über die gesundheitliche Lage von Geflüchteten und Migranten in Deutschland. Forscher der Fakultät für Gesundheitswissenschaften haben das kostenlose Angebot erarbeitet, das am internationalen Weltflüchtlingstag (20. Juni) online geht, wie die Universität Bielefeld am 15. Juni mitteilte. Das Angebot richte sich an Studierende, Wissenschaftler, Politiker und Interessierte, die sich differenziert mit dem Thema auseinandersetzen wollen.

Die gesundheitliche Lage von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland werde zwar vielfach erforscht, hieß es weiter. Bisher fehle aber eine Plattform, die das Wissen zu den dahinterliegenden Informationsquellen bündele. Die Datenbank umfasst den Angaben nach derzeit 104 repräsentativen Studien und Statistiken. Das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft fördert das Projekt über 13 Monate.




Medien & Kultur

Wissenschaftler-Paar Assmann erhält Friedenspreis


Aleida und Jan Assmann
epd-bild/Corinna Assmann
Kein Schriftsteller erhält in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, sondern ein Wissenschaftler-Ehepaar. Aleida und Jan Assmann werden für ihre Forschungsbeiträge über die Bedingungen eines friedlichen Miteinanders geehrt.

Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann (71) und ihr Ehemann, der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann (79), erhalten den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2018. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ehre ein Forscherpaar, das sich seit Jahrzehnten wechselseitig inspiriere, sagte der Vorsteher Heinrich Riethmüller am 12. Juni bei der Eröffnung der Buchtage Berlin. Der Preis wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 14. Oktober in der Paulskirche verliehen und ist mit 25.000 Euro dotiert.

Die aus Bielefeld stammende Aleida Assmann greife die immer wieder neu virulenten Themen von Geschichtsvergessenheit und Erinnerungskultur auf, hieß es in der Begründung des Stiftungsrats. Sie leiste in hohem Maße Aufklärung zu Fragen eines kulturellen Gedächtnisses einer Nation. "Ihr Werk weist darauf hin, dass ein offener und ehrlicher Umgang mit der Vergangenheit grundlegende Bedingung für ein friedliches Miteinander ist."

Zur Genese von Intoleranz

Jan Assmann habe internationale Debatten zu den kulturellen und religiösen Konflikten der Zeit angestoßen, führte der Stiftungsrat aus. "Mit seinen Schriften zum Zusammenhang von Religion und Gewalt sowie zur Genese von Intoleranz und absolutem Wahrheitsanspruch leistet er einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit der Religionen in der Weltgesellschaft von heute."

Die in Bethel bei Bielefeld geborene Aleida Assmann wurde 1993 Professorin für Anglistik und allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz und nahm weltweit zahlreiche Gastprofessuren wahr. Sie veröffentlichte unter anderen die Bücher "Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik" (2006) und jüngst angesichts der aktuellen Flüchtlingsdebatte "Menschenrechte und Menschenpflichten" (2017).

Analyse des ägyptischen Totenkults

Der in Langelsheim im Harz geborene Jan Assmann war von 1976 bis 2003 Professor für Ägyptologie an der Universität Heidelberg und hatte zahlreiche Gastprofessuren inne. Über eine Analyse des ägyptischen Totenkults setzte er sich mit der Frage auseinander, welches Selbstverständnis eine Kultur späteren Generationen von sich vermitteln will. Er verfasste Bücher zur Entstehung des Monotheismus und leistete einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über das Gewaltpotenzial monotheistisch geprägter Gesellschaften, etwa in "Totale Religion. Ursprünge und Formen puritanischer Verschärfung" (2016). Aleida und Jan Assmann erhielten bereits zahlreiche Auszeichnungen. Das Ehepaar lebt in Konstanz.

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird seit 1950 vergeben. Zu den Trägern des Preises gehören der DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, der Schriftsteller Martin Walser, der Historiker Fritz Stern, der Philosoph Jürgen Habermas und die amerikanische Essayistin Susan Sontag. Im vergangenen Jahr erhielt die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood den Preis.



Ein "Richter" für Münster


Foucault'sches Pendel von Gerhard Richter
epd-bild/Friedrich Stark
Münster hat eine neue Sehenswürdigkeit. Der Künstler Gerhard Richter hat der Stadt eine Installation geschenkt. Am 17. Juni wurde das "Foucault'sche Pendel" in der Dominikanerkirche der Öffentlichkeit übergeben.

Die Kugel hat die Größe eines Fußballs, ist aber aus poliertem Metall. Sie hängt an einem Stahlseil, das weit oben in der Kirchenkuppel befestigt ist. Ruhig und beständig schwingt sie hin und her, wie für die Ewigkeit gemacht. Unter dem Pendel befindet sich eine runde Bodenplatte, die mit einer 360-Grad-Einteilung versehen ist. Pro Stunde wird sie sich um zwölf Winkelgrade drehen. Und mit ihr die Kirche, die Stadt und die Welt.

Wechselspiel von Farben und Formen

Am 17. Juni hat Gerhard Richter der Stadt Münster seine Installation "Zwei graue Doppelspiegel für ein Pendel" übergeben. Diese besteht aus einem Foucault'schen Pendel mit einer 48 Kilogramm schweren Metallkugel, die an einem knapp 29 Meter langen Stahlseil von der Kuppel der Dominikanerkirche hängt und auf einer Bodenplatte aus 380 Millionen Jahre altem Sedimentgestein die Erdrotation abbildet. Hinzu kommen vier rechteckige, sechs Meter hohe Glastafeln, die paarweise vor den Wänden der Kuppel angebracht sind. In ihnen spiegeln sich die Bewegungen des Pendels, der Kirchenraum und die Besucher, so dass ein Wechselspiel von Farben und Formen entsteht.

"Erwartungen sind bei weitem übertroffen"

Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) zeigte sich von dem Kunstwerk begeistert. "Meine Erwartungen sind bei weitem übertroffen", sagte er bei der Übergabe. Es entspreche dem Geist einer profanierten Kirche, sich mit Anfang, Grenzen und Beschaffenheit der Welt auseinanderzusetzen. Gail Kirkpatrick, Leiterin der Kunsthalle Münster, betonte die Wirkung der spiegelnden Glastafeln, die "zwischen Malerei, Skulptur, Architektur und Tableau Vivant oszillieren".

Die Installation ist ein Geschenk Richters an die Stadt Münster. Realisiert wurde sie in der Dominikanerkirche, die Anfang des 18. Jahrhundert erbaut und im November 2017 profaniert wurde. "Dass das jetzt wie geplant gelungen ist, ist ein Geschenk auch für mich", sagte der Künstler. Es ist nicht die erste Kirche, in der er sich künstlerisch betätigte. 2007 hatte er im Kölner Dom das aus über 11.000 farbigen Glasplatten bestehende "Richter-Fenster" geschaffen.

Richter gehört zu den renommiertesten zeitgenössischen Künstlern. Um seine Schenkung macht er wenig Aufhebens. Die Kosten für die Installation und die dafür nötigen Sanierungsarbeiten in der Kirche hat die Stadt übernommen. Sie betrugen 650.000 Euro, von denen 600.000 Euro durch Zuschüsse und Zahlungen von Stiftern abgedeckt wurden.

Richter rühmt schönes Bauwerk

Dass er sich für die westfälische Studentenstadt entschieden hat, verdankt sie Kaspar König, Leiter der alle zehn Jahre in Münster stattfindenden "Skulptur Projekte". Der ehemalige Chef des Museums Ludwig wusste, dass Richter ein Foucault'sches Pendel realisieren wollte und stellte 2016 den Kontakt her. Richter wurde zunächst ein stillgelegter Gasometer als Standort vorgeschlagen. Der entsprach aber nicht seinen Vorstellungen. Wesentlich besser gefiel ihm die Dominikanerkirche, die der Stadt Münster gehört. "Als ich dieses sehr schöne Bauwerk sah, war ich sofort begeistert und überzeugt, dass das der richtige Ort ist", sagte der 1932 in Dresden geborene und heute in Köln lebende Künstler.

Ausbau zum Kulturzentrum

Bei der Stadt kam das Projekt ebenfalls gut an, und der Rat winkte es im Oktober 2017 einstimmig durch. "Richter will den Kirchenraum durch sein Kunstwerk nicht musealisieren", erklärt die städtische Kulturdezernentin Cornelia Wilkens. Vielmehr soll die Installation im Zusammenspiel mit der neuen Nutzung des Raumes für alle erfahrbar sein. So will man in der ehemaligen Kirche künftig kleinere Konzerte, Vorträge, Lesungen und Empfänge veranstalten. Vor ihrer Profanierung wurde die zentral gelegene Dominikanerkirche von der katholischen Universitätsgemeinde genutzt.

An der Realisierung des Foucault'schen Pendels waren auch Physiker der Universität Münster beteiligt. Sie haben den Antrieb entwickelt, der das Pendel in Bewegung hält. Erzeugt wird der Impuls durch eine im Boden eingelassene Spule, deren Magnetfeld auf die Kugel wirkt. Ein Ring unter der Aufhängung sorgt dafür, dass sich keine Einflüsse von außen störend auf die Schwingungen des Pendels auswirken.

Mit der feierlichen Übergabe sind die Bauarbeiten in der Dominikanerkirche allerdings nur vorläufig beendet. Die Stadt plant für 2019/20 eine umfassende Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes. Dafür veranschlagt sie eine Summe von 3,7 Millionen Euro, von denen sie bis zu 60 Prozent mit Fördermitteln bestreiten will.

Helmut Jasny (epd)


Villa Hügel präsentiert Werkschau zu Josef Albers


Die Albers-Werke in der Essener Ausstellung haben den Titel "Hommage to the Sqare".
epd-bild / Stefan Arend
Der Maler Josef Albers ist vor allem für seine farbigen Quadrate bekannt. Das Josef Albers Museum in Bottrop heißt sogar "Quadrat". Die Villa Hügel in Essen zeigt jetzt in einer Werkschau auch andere Facetten des vielseitigen Künstlers und Lehrers.

Gelbe Quadrate, rote Quadrate, blaue Quadrate, ineinander gestaffelt, Ton in Ton oder kontrastierend, in kräftigen, leuchtenden Farben oder zarten Grautönen - "Homage to the Square" (Huldigung an das Quadrat) ist die größte Werkgruppe des Künstlers Josef Albers. Mehr als 2.000 Quadrat-Gemälde hat Albers (1888-1976) hinterlassen. Ein Teil davon ist jetzt in der Villa Hügel in Essen im Rahmen einer Werkschau zu sehen.

Dort widmet die Kulturstiftung Ruhr dem deutschen Maler und Kunstpädagogen bis zum 7. Oktober eine Retrospektive. Es sei die erste Gesamtschau zu Albers seit 30 Jahren, sagt der Direktor des Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, Heinz Liesbrock. Er hat die Schau "Josef Albers. Interaction" kuratiert, die rund 170 Werke des in Bottrop geborenen Künstlers gezeigt. Die Exponate stammen aus dem Bottroper Museum sowie als Leihgaben aus bedeutenden amerikanischen Sammlungen.

"Meister der kühlen und strengen Abstraktion"

Die farbigen Quadrate werden in der Gemäldegalerie des repräsentativen ehemaligen Wohnsitzes der Industriellenfamilie Krupp präsentiert. "Der Meister der kühlen und strengen Abstraktion entfaltet in diesen Räumen eine besondere Wirkung", findet Ursula Gather, Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, die die Ausstellung ermöglicht hat. "Kunst, die ergreift." Dabei ist es nicht die Form, sondern vor allem die Farbe, die auf den Betrachter wirkt.

Auch wenn die über mehr als 20 Jahre entstandenen Quadrate zu seinem Markenzeichen wurden - das erste malte Albers erst 1950 mit 62 Jahren. Als Künstler und Kunst-Lehrer war er aber bereits zuvor erfolgreich, auch das will die Ausstellung zeigen. "Wir wollen Albers befreien vom Nimbus des Quadrat-Malers", betont Museumsdirektor Liesbrock.

Fokus auf frühes Schaffen

So streift das erste Kapitel der Schau kurz Josef Albers' Jugend und Ausbildung. Der Sohn eines Malermeisters wurde zunächst Volksschullehrer, bevor er sich der Kunst zuwandte. Er studierte an der Essener Kunstgewerbeschule und an der Königlich Bayrischen Kunstakademie in München und kam schließlich an das Bauhaus in Weimar - mit über 30 Jahren "als ältester Schüler", betont Liesbrock. Später wurde er Meister und zeitweise sogar stellvertretender Direktor am Bauhaus.

Die Ausstellung präsentiert unter der Überschrift "Magisches Glas" frühe Glasarbeiten aus dieser Zeit. Sie zeigten bereits deutlich, "wie sehr Albers Farbe und Licht von Anfang an fasziniert haben", erläutert der Kurator. Außerdem sind Möbel, Gebrauchsgegenstände sowie Fotografien zu sehen.

Nach der durch die Nationalsozialisten erzwungenen Schließung des Bauhauses emigrierte Albers 1933 mit seiner Frau Anni, einer Textilkünstlerin, in die USA und nahm eine Lehrtätigkeit am Black Mountain College in North Carolina an. Später leitete er die Design-Abteilung an der Yale University in New Haven.

Inspiriert von Südamerika-Reisen

Auf Reisen nach Mexiko und in andere südamerikanische Länder besuchte das Ehepaar präkolumbische Stätten und begeisterte sich für die Volkskunst. Davon zeugen in der Ausstellung Fotografien und präkolumbische Skulpturen aus der Sammlung von Josef und Anni Albers. Auch als Maler griff Albers die Reiseerlebnisse auf, etwa in der "Adobe"-Serie, die die symmetrische Form von Lehmziegelhütten in verschiedensten Farbvarianten darstellt.

Einen eigenen Raum widmet die Schau dem "spirituellen Künstler" Albers, der praktizierender Katholik war. Die Gegenüberstellung religiöser Bildwerke wie einer Madonna aus dem 15. Jahrhundert oder einem Kruzifix mit ausgewählten Quadrat-Gemälden soll die geistig-spirituelle Dimension seiner Kunst verdeutlichen. Dort könnten die Besucher die "spirituelle Schwingung" bei Albers spüren, sagt Liesbrock. Ergänzt wird dies durch Fotomontagen von Albers mit Aufnahmen von Kirchen und Klöstern in Süddeutschland. Sie entstanden bei seinem ersten Besuch in Deutschland nach 20 Jahren Exil.

Einfluss auf US-amerikanische Kunst der 60er

Im letzten Kapitel thematisiert die Ausstellung schließlich die Wirkung des Malers und Kunst-Lehrers auf die amerikanische Kunst der 1960er-Jahre wie Minimal Art und Konzeptkunst. Zu sehen sind beispielhaft Arbeiten von Agnes Martin, Robert Ryman, Donald Judd und Piet Mondrian, die etwa die Quadrate und die klare Farbgestaltung aufgreifen.

Die Ausstellung wird von der Kulturstiftung Ruhr gemeinsam mit dem Josef Albers Museum Quadrat Bottrop präsentiert. Parallel ist in der Düsseldorfer Kunstsammlung eine Retrospektive zu Albers' Ehefrau, der Textilkünstlerin Anni Albers, zu sehen. Beide Ausstellungen werden von einer gemeinsamen Vortragsreihe begleitet.

Esther Soth (epd)


Deutsches Historisches Museum ganz maritim


Modell des letzten Bucintaro von 1728
epd-bild/Jürgen Blume
Erstmals betrachtet eine Sonderausstellung den europäischen Kontinent vom Wasser aus: Mit «Europa und das Meer» blickt das Deutsche Historische Museum auf 2.500 Jahre maritimer Kulturgeschichte und spannt einen Bogen entlang europäischer Hafenstädte.

Die beiden weißen Smartphones von Mohammed Ebrahimi (28) aus Afghanistan und seiner Freundin Sakineh Karimi (23) aus dem Iran haben es nicht nur im Schlauchboot über das Mittelmeer, sondern bis in eine Vitrine des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin geschafft. Konkret in die ab Mittwoch zu sehende Ausstellung "Europa und das Meer", die anhand von 400 Exponaten auf zwei Etagen ein länder- und epochenübergreifendes Panorama der Entwicklung des zweitkleinsten Kontinents zeigt. Die Schau blicke auf 2.500 Jahre maritimer Kulturgeschichte und zeige, wie grundlegend das Meer die Kultur und die Geschichte Europas geprägt habe, sagte DHM-Präsident Raphael Gross am 12. Juni.

Die historische Perspektive werde immer um einen Link zur Gegenwart ergänzt, erklärte Kuratorin Ursula Breymayer - etwa beim Thema Einwanderung: "Wir zeigen, dass Migration kein Ausnahmefall in der Geschichte ist, sondern fast ein Normalzustand." Während allein zwischen 1840 und 1880 rund 15 Millionen Europäer Richtung Übersee auswanderten, ist Europa längst zum Einwanderungskontinent geworden. Millionen von Menschen machen sich aktuell auf der Flucht vor Krieg, Terror und Armut auf den Weg über das Wasser. Filmstationen, an denen Flüchtlinge von ihrer angsterfüllten Schiffspassage über das Mittelmeer erzählen, machen die eindringlichsten Momente der Ausstellung aus.

Rucksack und Rosenkranz

Najlaa Malik (35) aus der syrischen Hauptstadt Damaskus schildert, wie sie die Überfahrt von Marmaris nach Kos ohne Essen und Trinken auf engstem Raum mit weinenden Kindern und ohne Schwimmweste überlebte. Mehdi Sawari (31) aus dem Iran wäre auf der Fahrt nach Europa fast ertrunken: "Alle hatten Angst. Alle konnten wir nicht schwimmen." Was den Bootsflüchtlingen an Habseligkeiten geblieben ist, wird nun im DHM präsentiert: Neben den Mobiltelefonen - Ebrahimi ortete mit seinem übrigens die Küste, als das Boot vom Kurs abgekommen war - sind dies ein Rucksack, eine Bauchtasche und ein Rosenkranz.

"Europa und das Meer" ist in vier Bereiche gegliedert, neben Migration sind dies Herrschaft und Handel, Nutzung und Ausbeutung sowie Tourismus. 13 Einzelthemen werden durch bedeutende Hafenstädte illustriert: Venedig als Prototyp der modernen Seemacht vom 12. bis 16. Jahrhundert, Danzig und die Entstehung der Hanse als Handelsbündnis ab dem 13. Jahrhundert, Sevilla und die überseeische Expansion im 15. und 16. Jahrhundert, Lissabon als Ausgangshafen für den Kulturaustausch mit Ostasien, Amsterdam als Zentrum der Entwicklung des europäischen Schiffbaus oder Nantes Reichtum durch den Sklavenhandel.

Plastikmüll

Die bis 6. Januar 2019 laufende Schau macht deutlich, wie die Beherrschung der Meere jahrhundertelang ein Kernelement europäischer Machtpolitik war - während dies für die Bewohner anderer Kontinente oft Ausbeutung, Gewalt und Unterdrückung bedeutete. Heute hat die exzessive Nutzung der Meeresressourcen Folgen für Umwelt und Klima. Breymayer zufolge landen zudem jedes Jahr acht Millionen Tonnen Plastik im Meer, Schätzungen zufolge werde es im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische im Wasser geben.

Gleichzeitig gilt das Meer seit dem 18. Jahrhundert als Sehnsuchts- und Erholungsort. In den neuen Seebadeanstalten, beginnend an der britischen Küste, traf sich zunächst der europäische Adel zur Kur und Kontaktpflege. Bald wurden indes überall an Nord- und Ostsee und später in Südeuropa Seebäder gegründet, in die nun auch das Bürgertum reiste. Künstler wie Carl Gustav Carus und Max Liebermann, von denen im DHM die Gemälde "Brandung bei Rügen" (1819) und "Badende Knaben" (1902) zu sehen sind, entdeckten die maritimen Landschaften als Motive. Noch heute werde das Meer vor allem als Urlaubsort wahrgenommen, sagte Projektleiterin und Kuratorin Dorlis Blume. Die Ausstellung solle daher bewusst machen, wie sehr es die europäische und sogar die Weltgeschichte geprägt habe.

Nadine Emmerich (epd)


"Reporter ohne Grenzen"-Protest vor russischer Botschaft


Demonstration vor der russischen Botschaft
epd-bild/Rolf Zöllner

Zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland hat "Reporter ohne Grenzen" (ROG) auf die fehlende Pressefreiheit in dem Land aufmerksam gemacht. Die russische Regierung habe sich als WM-Gastgeber dazu verpflichtet, die Pressefreiheit zu achten, jetzt müsse sie zeigen, dass dies nicht nur hohle Worte sind, forderte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr am 12. Juni in Berlin. "Fifa und DFB müssen ihren Einfluss auf die Regierung in Moskau nutzen, um die Arbeit von Journalisten während der WM sicherzustellen" fügte Mihr hinzu.

ROG stellte bei einer Protestaktion vor der russischen Botschaft in Berlin einen alternativen Fußball vor, der auf die fehlende Pressefreiheit im Land aufmerksam machen und einen Blick hinter die Fassade ermöglichen soll. Verpixelte Bilder auf dem "unofficial football" lassen sich den Angaben zufolge über einen integrierten Chip entpixeln. So würden Informationen über verfolgte Medien und inhaftierte Journalisten sichtbar. Zugleich gebe es Informationen über den Kampf der russischen Regierung gegen die freie Kommunikation im Internet, über Zensur und Überwachung sowie über eine Vielzahl von Gesetzen, mit denen der Kreml die Meinungsfreiheit einschränke.

Sieben Journalisten und Blogger in Haft

Nach Angaben der Organisation sitzen in Russland aktuell sieben Journalisten und Blogger im Gefängnis, fünf davon in WM-Austragungsorten. Seit 2000 seien mindestens 34 Reporter wegen ihrer Arbeit getötet worden. Auf der ROG-"Rangliste der Pressefreiheit" steht Russland auf Platz 148 von 180 Staaten.

"Reporter ohne Grenzen" hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Monaten den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel, mehrfach auf die schwierige Situation für Journalisten in Russland aufmerksam gemacht. DFB-Vertreter sollten während der WM Redaktionen unabhängiger Medien besuchen oder sich mit Menschenrechtsgruppen in Russland treffen, forderte ROG-Geschäftsführer Mihr. Dies wäre "ein echtes Zeichen der Unterstützung" und würde zeigen, dass sich der DFB für die Pressefreiheit einsetzt.



Regierungschefs einigen sich auf Online-Regeln für ARD und ZDF

Einzelne Sendungen sollen in Zukunft länger in den Online-Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender stehen dürfen. Dafür müssen ARD und ZDF sich nach der Einigung der Ministerpräsidenten über das Telemedienangebot beim Text einschränken.

Die Ministerpräsidenten wollen die Regeln für die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender ändern. Die Neufassung des Telemedienauftrags, auf die sich die Ministerpräsidenten geeinigt haben, sei "ein echter Kompromiss" im Hinblick auf die publizistischen Interessen und Bedürfnisse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf der einen Seite und die Interessen der Presse auf der anderen Seite, sagte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am 14. Juni nach Beratungen der Länderchefs in Berlin.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), sprach von einem "historischen Moment in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland". Während die Verweildauern von Sendungen in den Online-Mediatheken nun gelockert werden sollen, werden die Textinhalte der Öffentlich-Rechtlichen im Netz stärker eingeschränkt.

Im Gesetz soll den Sendern unter anderem vorgeschrieben werden, dass die Online-Angebote ihren Schwerpunkt in Bewegtbild und Ton haben sollen, "um sich von den Angeboten der Presseverlage zu unterscheiden". Wörtlich heißt es in dem von den Ministerpräsidenten beschlossenen Entwurf: "Die Telemedienangebote dürfen nicht presseähnlich sein." Die Formulierungen im Rundfunkstaatsvertrag waren zuvor mit den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender und dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) abgestimmt worden.

Presseähnlichkeit ist entscheidend

Der Intendant des Deutschlandradios, Stefan Raue, sagte, er fremdele zwar noch mit dem Begriff der Presseähnlichkeit, die Einigung zwischen den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender und den Verlegern sei jedoch "nahe an der journalistischen Praxis". Beide Seiten würden sich "die Möglichkeit einräumen, sich im Netz weiterzuentwickeln".

Zwischen Verlegern und öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es seit Jahren juristische Auseinandersetzungen über die Online-Angebote von ARD und ZDF. Im Januar legte der NDR Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln zur "Tagesschau"-App ein. Das Gericht hatte im September 2016 entschieden, dass die "Tagesschau"-App vom 15. Juni 2011 zu sehr von Texten und Bildern bestimmt und damit "presseähnlich" gewesen sei.

Ministerpräsident Haseloff sagte, die Bundesländer hätten Interesse daran, dass "möglichst viele Anbieter da sind". Er verwies darauf, dass manche "ausländische Anbieter" versuchten zu manipulieren, und betonte: "Es gibt manchmal Phasen in der Geschichte, da merkt man, dass der Gegner ganz woanders steht." Deutschland brauche eine Medienlandschaft mit hoher Qualität und Verantwortungsbewusstsein.

Schlichtungsstelle wird eingerichtet

Der neue Rundfunkstaatsvertrag sieht unter anderem vor, dass die Rundfunkanstalten und die Verlegerverbände eine Schlichtungsstelle einrichten sollen, die in Streitfällen prüft, ob die Online-Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio den Regeln entsprechen. BDZV-Präsident Mathias Döpfner und der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm kündigten an, dass sie sich persönlich in dieser Schlichtungsstelle engagieren wollen.

Er setze auf die "verhaltenssteuernde Wirkung der Schlichtungsstelle", sagte Döpfner. Er sei froh, dass im Rundfunkstaatsvertrag nun klar festgelegt sei, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender nicht presseähnlich sein dürfen. Dafür seien die Verleger bereit gewesen, auf Vorgaben zu Textmengen zu verzichten. Die "textdominierte Gestalt der öffentlich-rechtlichen Angebote" habe es den Verlegern schwergemacht, Bezahlinhalte im Netz durchzusetzen.

Die Sprecherin für Netzpolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag, Tabea Rößner, kritisierte die Vorhaben als "rückwärtsgewandt, wenn nicht sogar verfassungswidrig", da in den "Kernbereich der Programmautonomie" eingegriffen werde. Der Vize-Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Werneke, kritisierte, dass das Verbot der Presseähnlichkeit "sogar verschärft" worden sei. Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender von VAUNET - Verband Privater Medien und Geschäftsführer von n-tv, forderte für die weitere Gestaltung der dualen Medienordnung eine Strukturkommission unter Beteiligung aller Marktteilnehmer, auch der privaten Rundfunkanbieter.



Presserat: Netanjahu-Karikatur von Meinungsfreiheit gedeckt

Die umstrittene Netanjahu-Karikatur in der "Süddeutschen Zeitung" vom 15. Mai stellt nach Ansicht des Deutschen Presserates keinen Verstoß gegen den Pressekodex dar. Die Grenze zur Diskriminierung von Juden nach Ziffer 12 Pressekodex sei nicht überschritten, teilte der Presserat am 13. Juni in Berlin mit.

"Die Gesichtszüge des israelischen Premierministers sind zwar überzeichnet, im Rahmen der Meinungsfreiheit ist dies aber zulässig", entschied das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse mehrheitlich. Ziffer 12 Pressekodex lautet: "Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden."

Die Karikatur des Zeichners Dieter Hanitzsch zeigt den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Gestalt der israelischen Sängerin Netta, die den Eurovision Song Contest im Mai diesen Jahres gewonnen hatte. Netanjahu ist mit großer Nase und mit überdimensionierten Ohren abgebildet. In der Hand hält er eine Rakete, auf der ein Davidstern zu sehen ist, über seinem Kopf erscheint eine Sprechblase mit dem Satz: "Nächstes Jahr in Jerusalem!"

SZ kündigte Zusammenarbeit

Nach Kritik an der Zeichnung hat sich die Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung" für die Karikatur entschuldigt und die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Hanitzsch beendet. Der Zeichner sieht darin eine "Überreaktion" und hat den Vorwurf des Antisemitismus zurückgewiesen.

Die Karikatur sei im zuständigen Ausschuss gründlich erörtert worden, teilte der Presserat mit. Demnach kritisierten einige Mitglieder eine stereotype Bildsprache und hielten die Beschwerden für begründet. Acht Leser hätten sich beim Presserat beschwert. Unter anderem fühlten sie sich laut Presserat an Zeichnungen aus dem Wochenblatt "Der Stürmer" der Nationalsozialisten erinnert. Jede Person kann sich beim Presserat über journalistische Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und deren Online-Auftritte beschweren und presseethisch prüfen lassen.



Belästigungsvorwürfe: WDR kündigt Fernsehfilmchef Henke

Er war freigestellt wegen Belästigungsvorwürfen, nun wurde Gebhard Henke durch seinen Arbeitgeber WDR fristlos gekündigt. Der Journalist hat angekündigt, sich gegen die Entscheidung rechtlich zu wehren.

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat sich mit sofortiger Wirkung von seinem Fernsehfilmchef Gebhard Henke getrennt. Grund seien glaubhafte Vorwürfe sexueller Belästigung und des Machtmissbrauchs, teilte der WDR am 14. Juni in Köln mit. "Aus Sicht des WDR besteht kein Vertrauensverhältnis mehr", erklärte der Sender. Henke kündigte an über seinen Anwalt an, gegen die Entscheidung seines Arbeitsgebers rechtlich vorzugehen.

Der WDR erklärte, in den vergangenen Wochen hätten mehr als zehn Frauen dem Sender über sexuelle Belästigung und unangemessenes Verhalten durch den bisherigen Leiter des Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie berichtet, teils in Zusammenhang mit Machtmissbrauch. Das Unternehmen habe die entsprechenden Schilderungen sorgfältig geprüft und den Beschuldigten angehört. Henke habe die Vorwürfe erneut zurückgewiesen. "Im Ergebnis hielt der WDR die von den Frauen geschilderten Vorfälle für schwerwiegend und glaubhaft", hieß es. Henke, der in den vergangenen Wochen freigestellt war, war über seinen Anwalt selbst an die Öffentlichkeit gegangen und hatte von Anfang an die Vorwürfe bestritten.

Senderspitze unter Druck

Der Anwalt von Henke, Peter Raue, erklärte in Berlin, der WDR habe "keine zur fristlosen Kündigung berechtigenden Vorfälle genannt". Bekannte Vorwürfe seien wiederholt worden, diese habe Henke bestritten. Eine Reaktion auf diese Erwiderung sei vonseiten des WDR nicht erfolgt. "Die 'Antwort' ist lediglich die fristlose Kündigung", erklärte Raue.

Seit Anfang April hatten verschiedene Medien über mutmaßliche Fälle sexueller Belästigung durch verschiedene WDR-Mitarbeiter berichtet, die in manchen Fällen mehrere Jahrzehnte zurückliegen sollen. Der WDR untersucht derzeit die Vorwürfe gegen seine Mitarbeiter.

Dem Sender wird zudem vorgehalten, Führungskräfte hätten Hinweise auf mögliche Belästigungen in den vergangenen Jahren nicht ausreichend ernst genommen. Ende April hatte der öffentlich-rechtliche Sender die frühere EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies als externe Gutachterin eingeschaltet. Sie soll den Umgang der Senderspitze mit den Vorwürfen im Haus überprüfen.



Politischer Club: Qualitätsjournalismus stärken

Trotz Zeitungskrise, dem Vorwurf der Lügenpresse und Fake News beurteilen Medienpolitiker, Verleger und Chefredakteure die Zukunft des Qualitätsjournalismus verhalten optimistisch. Auf der Wochenend-Tagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema "Medien im Wandel - Medien in der Krise" wurden als Voraussetzung dafür eine Regulierung des Internets, insbesondere der großen Social-Media-Plattformen, und eine Rückbesinnung auf journalistische Standards genannt.

Bei einer Podiumsdiskussion am 17. Juni regte CSU-Generalsekretär Markus Blume eine umfassende und starke Medienordnung an, die auch für die großen Plattformen gelten müsse. Diese Plattformen, wie etwa Facebook, gestalteten "hochgradig die Öffentlichkeit mit und müssen es sich deshalb gefallen lassen", sagte er.

Nach Ansicht der rheinland-pfälzischen Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), die die Medienpolitik der Bundsländer koordiniert, muss eine gute Medienpolitik Zugang gewährleisten, für Vielfalt sorgen, Gefahr des Missbrauchs minimieren und die Unabhängigkeit der Medien wahren. Der nächste Rundfunkstaatsvertrag sei in Planung und solle auch die neuen Medien, insbesondere die Social-Media-Plattformen, berücksichtigen.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey erklärte, die Plattformen seien Monopole, "die weder dem Pluralismus dienen noch den Grundlagen eines wettbewerbs-orientierten Kapitalismus entsprechen". Der Journalismus müsse akzeptieren, dass er durch diese Plattformen seine ursprüngliche Rolle verloren habe, Informationen zu liefern und als eine Art "Torwächter" zu gewährleisten, dass keine menschenunwürdigen Inhalte und Darstellungen verbreitet werden. Es gebe momentan jedoch keine Alternative zu den sozialen Plattformen, weil nur diese einen Großteil der jüngeren Menschen erreichten.

Nach Überzeugung von Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, nimmt die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft zu. Angesichts der Informationsflut und vieler Falschmeldungen im Internet falle es dem Nutzer immer schwerer, relevante Inhalte herauszufiltern. Die Öffentlich-Rechtlichen böten hingegen mit ihrem ausgewogenen Qualitätsjournalismus die Grundlage für den öffentlichen Diskurs.

Mascolo empfiehlt Entschleunigung

An die Adresse seiner journalistischen Kollegen richtete Georg Mascolo den Appell, statt auf Hektik und Aufgeregtheit stärker auf Entschleunigung zu setzen. Der Journalismus sei keine Jagd, sondern müsse ein "Ort der Mäßigung und des zweiten Gedankens ein", sagte der Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Beschleunigung sei in vielen Teilen der Gesellschaft ein Fortschritt, die "Beschleunigung des Urteils" gehöre aber nicht dazu.

Auch in Zukunft ist die Regionalzeitung nach Überzeugung der Verlegerin der "Augsburger Allgemeinen", Alexandra Holland, kein Auslaufmodell. Sie sei für die Leser ein "Marktplatz", auf dem sie finden, was sie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft beschäftigt. Die Zeitung müsse deswegen noch näher ran an die Menschen und mit ihnen in partnerschaftlichen Dialog treten.

Die Herbsttagung im November soll sich mit dem Thema "Streit um Heimat" befassen, wie der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse als Leiter des Politischen Clubs ankündigte.



Die bessere Mannschaft bekommt die bessere Musik


Der Stummfilmpianst Stephan von Bothmer begleitet WM-Spiele live an der Kirchenorgel.
epd-bild/Kristina Schäfer
Wer das Spiel gewinnt, ist fast egal, wenn man die Partie bei Stephan von Bothmers WM-Konzert verfolgt hat. Der Stummfilmpianist spielt zu den WM-Begegnungen live an der Kirchenorgel und vermittelt Freude und Frust besser als jeder TV-Kommentator.

Es läuft die 88. Spielminute eines dramatischen WM-Spiels und in aller Herren Länder verfolgen Fußballfans das Geschehen im Stadion von Sotschi. Auch gut 200 Besucher in der Mainzer Altmünsterkirche blicken gebannt auf die Großleinwand im Altarraum. Dazu erfüllt ein sorgenvolles Tremolo der Orgel den Kirchenraum, während Cristiano Ronaldo sich auf den entscheidenden Freistoß vorbereitet. Augenblicke später gehen die kräftigen Akkorde mit Motiven aus der portugiesischen Nationalhymne im Jubel der Kirchgänger unter, als Portugals Superstar den Ball an der spanischen Abwehr vorbei zum 3:3-Endstand in die rechte obere Ecke des Tors platziert.

Dissonanzen schmerzen in den Ohren

Die Partie zwischen Portugal und Spanien bildet den Auftakt einer Serie von Fußball-Konzerten, bei denen der Berliner Stummfilmpianist Stephan von Bothmer die WM-Begegnungen live auf der Kirchenorgel begleitet. Gekonnt vertont er die Aufregung vor dem Anpfiff und den Zorn der fluchenden Trainer. Fiese Dissonanzen schmerzen in den Ohren der Zuhörer wie das Schienbein des zu Fall gebrachten Stürmers. Nach einem verpatzten Ballwechsel stolpert Bothmer förmlich aus der schnellen Melodie heraus, die er gerade begonnen hatte.

Und gibt es einmal eine Phase ohne sehenswerte Attacken und Konter, spielt er auch schon einmal den Strauss-Walzer "An der schönen blauen Donau" oder "Mein kleiner grüner Kaktus" im Drehorgel-Sound. "Große Gefühle, Verfolgungsjagden und Streit - Fußball ist eben ganz großes Kino", erklärt der 47-jährige Pianist, der an Kirchenorgeln seit Jahren auch Stummfilmklassiker wie "Nosferatu" oder Sergej Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin" begleitet. Der Schritt vom Stummfilm- zum Fußball-Pianisten sei gar kein so großer.

"Man darf in der Kirche auch mal jubeln"

In der Mainzer Altmünsterkirche gastiert Bothmer seit vielen Jahren, am Rhein hat er schon eine regelrechte Fangemeinde. Allen, die noch nie ein auf stumm geschaltetes Fußballspiel in einer so ungewohnten Umgebung gesehen haben, erklärt Gemeindepfarrer Hendrik Maskus zur Begrüßung, wie sich Fußballfans in einer Kirche zu benehmen haben: "Es gibt keine Vorgaben. Man darf in der Kirche auch mal jubeln. Oder mal ein Bier trinken." Kurze Zeit später ist schon das charakteristische Ploppen von Bügelverschlüssen zu hören.

Auf der Empore verfolgt der Musiker das Geschehen auf dem Fußballplatz über einen eigenen Fernseh-Bildschirm, den er links von der Orgel aufgestellt hat. Bei seinen Konzerten ist er ganz unparteiisch. Zumindest versucht er es. "Die bessere Mannschaft kriegt die bessere Musik", stellt er klar. Die Idee, den Nationalmannschaften jeweils für ihre Länder charakteristische Klangmuster und Melodien zuzuordnen, habe er schnell wieder beerdigen müssen, da sie sich als nicht umsetzbar erwies: "Eine Mannschaft hat den Ball, und die andere will den Ball. Wessen Klangwelt soll ich da spielen?"

Manchmal greift der Berliner "Stummfilm-Graf" bei seinen Konzerten zu außergewöhnlichen Mitteln. Bothmers Augen leuchten, wenn er von der EM-Begegnung zwischen Deutschland und Italien berichtet. "Die Deutschen spielten sehr langsam und schlecht", erinnert er sich. Während er noch überlegt habe, wie er das Geschehen an der Orgel vertonen sollte, sei sein Blick auf eine Mundharmonika gefallen. Kurzerhand aber er sich die gegriffen und "Spiel mir das Lied vom Tod" angestimmt. "Das Publikum hat getobt wie auf einem Rockkonzert, aber die Deutschen haben verloren."

Zuschauer kommen auf ihre Kosten

Auch in Mainz kommen die Besucher auf ihre Kosten, nicht zuletzt, weil die Partie Portugal gegen Spanien zum ersten echten Höhepunkt der Russland-WM wurde. Das WM-Konzert in der Kirche sei viel atmosphärischer gewesen als normales Public Viewing, findet der Mainzer Student Kevin: "Und es ist eine gute Abwechslung zu den Kommentatoren, die allen schon auf die Nerven gehen."

Bis zum 3. Juli sind von Bothmers Fußballkonzerte noch an acht Terminen in der Berliner Zwölf-Apostel-Kirche sowie am 23. Juni zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele zu hören. Außerdem spielt der Künstler am 27. Juni während der Begegnung Deutschland gegen Südkorea live für die Gefangenen der Berliner JVA Moabit.

Karsten Packeiser (epd)


Uraufführung einer Rhapsodie aus Bienengeräuschen

Mit einem Konzert der besonderen Art wollen Wissenschaftler und Naturfreunde in Oldenburg auf das Bienensterben aufmerksam machen. Gleichzeitig mit Menschen aus dem niederländischen Buitenpost und aus Emden planen sie zum Sommeranfang am 21. Juni die Welt-Uraufführung einer Komposition aus Bienengeräuschen. Die "Bumblebee Rhapsodie" sei von den australischen Klangkünstlern Jon Drummond und Nigel Helyer erdacht worden, sagte Andrea Lübben von der Geschäftsstelle des Botanischen Gartens der Universität in Oldenburg am 14. Juni.

Über Großbildschirme wird die Veranstaltung an die jeweils anderen Standorte live übertragen. "Drei Orchester führen das Stück simultan auf, zentral dirigiert aus Buitenpost", erläuterte Lübben.

Das Konzert ist Teil des deutsch-niederländischen Kooperationsprojektes "Silence of the bees", das sich grenzüberschreitend für den Schutz von Bienen einsetzt. Das Vorhaben startete Lübben zufolge im Sommer 2017 und wird bis Ende 2020 mit rund 850.000 Euro von der EU gefördert.



"Goldene Spatzen" beim Kindermedienfestival verliehen

Für ihre Titelrolle in dem Film "Die kleine Hexe" ist Karoline Herfurth beim Kindermedienfestival "Goldener Spatz" in Erfurt als beste Darstellerin ausgezeichnet worden. Die 26-köpfige Kinderjury wählte "Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft" zum besten Kino- oder Fernsehfilm. Der mit 4.000 Euro dotierte Urkunden-Preis der Jury des MDR-Rundfunkrates für das beste Drehbuch ging am 15. Juni an "Katzentage".

Festivalchefin Nicola Jones sagte, mit 22 ausverkauften der insgesamt 50 Filmvorführungen und rund 19.000 Besuchern habe das Festival neue Rekorde aufgestellt. Die siebentägige Veranstaltung endete am 16. Juni mit der Präsentation aller Siegerfilme.

Insgesamt wurden in sieben Kategorien Auszeichnungen verliehen. In der Sparte Kurzfilm sprach die Kinderjury "Chika, die Hündin im Ghetto" einen Spatzen zu. Außerdem zeichnete sie "Der kleine Vogel und die Raupe" (Kategorie Serie/Reihe Animation), "Der Krieg und ich: Anton" (Information/Dokumentation) und "Draußen schlafen - Der Bettkampf: Auf der Skipiste" (Unterhaltung) aus. Gewinner des zum ersten Mal vergebenen und mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreises für den besten im Programm gezeigten Jugendfilm wurde "Das schweigende Klassenzimmer".

Das jährlich in den beiden Thüringer Städten Gera und Erfurt stattfindende Festival ist das größte seiner Art in Deutschland. In der gleichnamigen Stiftung engagieren sich neben den Sendern MDR, ZDF und RTL auch die Thüringer Landesmedienanstalt und die Mitteldeutsche Medienförderung.




Entwicklung

Gemeinsames Beten verboten


Die Fußball-WM war schon 2016 Thema beim Karneval in Rio de Janeiro.
epd-bild/Florian Kopp
Die Spieler der Seleção dürfen bei der WM in Russland nicht gemeinsam auf dem Platz oder im Mannschaftshotel beten. Brasiliens Fußballverband will damit sicherstellen, dass keiner außen vor bleibt. Schon einmal kam es zum Eklat.

Ein Kreuzzeichen vor Spielbeginn oder vor dem Elfmeter reicht so manchem Star der Seleção längst nicht mehr: Vor allem Evangelikale in der brasilianischen Fußballnationalmannschaft stellen ihren Glauben gern augenfällig zur Schau. Bei der Weltmeisterschaft in Russland schiebt der brasilianische Fußballverband einen Riegel vor. Gemeinsame Gebete und religiöse Rituale außerhalb der Freizeit sind verboten - damit der Teamgeist nicht leidet.

Der Fußballverband CBF und Trainer Tite befürchten, dass die religiöse Praxis der Evangelikalen der Mannschaft nicht dienlich ist. "Wer nicht dazugehört, fühlt sich schnell ausgeschlossen. Solche Gruppenbildung kann Animositäten im Team zutage bringen", verlautet aus dem Verband.

Bibel im Spind

Ihre Religiosität zeigen die Fußballstars auf vielfältige Weise. Stammtorhüter Alisson hat stets eine Bibel in seinem Umkleideschrank und verbreitet in sozialen Netzwerken seine Überzeugung: "Gott ist treu". Der Stürmer Willian nutzt die wenigen freien Stunden während der WM-Vorbereitung, um sich mit seinem Pastor zu treffen oder einen Gottesdienst zu besuchen.

Auch Superstar Neymar ist mit dabei. Nach mehreren Monaten Verletzungspause feierte er sein Tor beim Freundschaftsspiel gegen Kroatien am 3. Juni in Netzwerken mit einem Loblied auf Gottes Hilfe. Schon nach dem Olympiasieg der brasilianischen Elf 2016 in Rio de Janeiro wurden Neymars religiöse Darstellung als übertrieben kritisiert. Er zeigte ein Spruchband mit der Aufschrift "100 Prozent Jesus". Auch die Siege mit seinem Mannschaftsklub Barcelona feiert er meist mit solchen Bekenntnissen.

Eklat 2015

Das Nein zu Gottesdiensten und Gebetsstunden im Trainingslager, das der CBF Anfang Juni aussprach, hat eine Vorgeschichte. Bereits unter Trainer Dunga kam es im Jahr 2015 zu einem Eklat. Zehn Spieler der Seleção nahmen damals an einem nicht abgesprochenen Gottesdienst im Mannschaftshotel teil, der Pastor veröffentlichte die Bilder der betenden Spieler im Internet. Viele sahen darin einen Missbrauch der Nationalmannschaft, um Werbung für bestimmte Kirchen oder religiöse Überzeugungen zu machen. Daraufhin verfügte Dunga erstmals ein entsprechendes Verbot, das bis zu seinem Abtritt 2016 andauerte.

"Wir respektieren alle Religionen, und in der Freizeit darf jeder tun und lassen, was er mag. Aber nicht mehr, wenn die Mannschaft beisammen ist", argumentierte Gilmar Rinaldi, der damalige Koordinator der Nationalmannschaft. Das Team müsse eine geschlossene Gruppe sein. "In ihrem Innern ist die Seleção laizistisch. Hier geht es nicht um Religion, sondern um hartes Arbeiten", erklärte Rinaldi in der Zeitung "O Globo".

"Athleten für Christus"

Seit den 1980er Jahren ist Religion ein immer wichtigeres Thema im brasilianischen Fußball. Damals gründete sich die Gruppe "Atletas de Cristo", Athleten für Christus. Der frühere Mittelfeldspieler und heutige Trainer Jorginho war einer der Initiatoren. Zugleich begann auch der Boom der unzähligen Pfingst- und Neopfingstkirchen, die sich in Brasilien immer mehr ausbreiten. Noch gilt der südamerikanische Flächenstaat als größtes katholisches Land weltweit. Doch mittlerweile bezeichnet sich rund ein Drittel der Bevölkerung als evangelikal, Tendenz steigend.

Während die katholische Kirche Anhänger verliert und als zu traditionell kritisiert wird, gewinnen evangelikale Gemeinden insbesondere in Armenvierteln immer mehr Gläubige hinzu. Sie gehen auf die Menschen zu, ihre Gottesdienste mit viel Musik und Emotion kommen gut an. Nicht nur im Sport, auch in der Politik spiegelt sich der zunehmende Einfluss wider. Über ein Drittel der Bundesabgeordneten zählt inzwischen zu der parteiübergreifenden evangelikalen Fraktion, die sich für konservative Familienwerte starkmacht. Rio de Janeiro, Austragungsort des letzten WM-Finales 2014, wird inzwischen von einem beurlaubten Bischof der Neopfingstkirche Igreja Universal regiert.

Andreas Behn (epd)


Stichwahl: Konservativer wird Präsident in Kolumbien

Nach der Wahl in Kolumbien steht die Zukunft des Friedensprozesses infrage. Der neue Präsident will das Abkommen mit der Farc-Guerilla ändern und lehnt die laufenden Verhandlungen mit den ELN-Rebellen ab.

Der streng konservative Politiker Iván Duque ist neuer kolumbianischer Präsident. Der Kandidat der Partei Demokratisches Zentrum erreichte bei der Stichwahl am 17. Juni 54 Prozent der Stimmen. Der Linkskandidat Gustavo Petro kam auf knapp 42 Prozent. Das Ergebnis ist ein herber Rückschlag für den scheidenden Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, da Duque das Abkommen mit der Guerilla überarbeiten will.

Der gelernte Rechtsanwalt Duque ist mit 41 Jahren der jüngste Präsident in der jüngeren Geschichte Kolumbiens. Erstmals wird eine Frau Vizepräsidentin: Marta Lucía Ramírez.

In einer Ansprache kündigte Duque an, in seiner Regierung werde es "keine Rache und keine Repressalien" geben. "Eine neue Generation ist an die Macht gekommen. Wir werden für und mit allen Kolumbianern regieren", sagte er. Er hob hervor, das der Kampf gegen Korruption und mehr Transparenz in Zukunft Priorität haben soll.

Petro kündigte eine harte Opposition gegen die Regierung Duque an, die er vom Senat aus anführen werde. "Die Niederlage ist zugleich ein deutlicher Zugewinn für die Linke, eine neue Kraft wurde geboren", erklärte Petro nach der Wahl. Noch nie habe ein Kandidat der Linken so viele Stimmen bekommen wie bei dieser Wahl.

Duque kritisiert Strafen für ehemalige Kämpfer als zu gering

Die Wahl war auch eine Abstimmung über die Zukunft des international gefeierten Friedensprozesses. Duque will den Friedensvertrag mit den linken Rebellen der Farc von 2016 verändern und lehnt die laufenden Verhandlungen mit der kleineren ELN-Guerilla ab. Das Abkommen mit der Farc kritisiert Duque wegen zu geringer Strafen für die ehemaligen Kämpfer.

Der neue Präsident gilt als politischer Zögling von Ex-Amtsinhaber Álvaro Uribe. Dieser ist Wortführer der Kritiker des Friedensprozesses und steht im Verdacht, Verbindungen zu den paramilitärischen Todesschwadronen zu haben, die im mehr als fünf Jahrzehnte andauernden blutigen Konflikt in Kolumbien brutale Verbrechen begangen haben.

Der scheidende Präsident Santos durfte nach zwei vierjährigen Amtszeiten nicht erneut antreten. Die inzwischen in eine politische Partei verwandelte Farc-Guerilla nahm an dieser Wahl nicht teil. Der ehemalige Kommandeur Rodrigo Londoño Echeverri verzichtete aus Gesundheitsgründen auf die geplante Kandidatur.



Chile: Ureinwohner wegen Brandanschlags verurteilt

Fünf Jahre nach einem Brandanschlag mit zwei Toten auf einer Farm im Süden Chiles sind drei Männer vom Volk der Mapuche verurteilt worden. Das Gericht wertete die Straftat als terroristischen Akt und verhängte lebenslange Haftstrafen gegen zwei Männer, wie der Radiosender BioBio am 11. Juni berichtete. Der dritte Verurteilte erhielt fünf Jahre Gefängnis auf Bewährung. Acht weitere Angeklagte waren bereits im Mai freigesprochen worden.  

Den verurteilten Mapuche wird vorgeworfen, im Januar 2013 einen Brandanschlag auf eine Farm in der Region Araucanía im Süden Chiles verübt zu haben. Ein Ehepaar wurde damals getötet.  

Politik der harten Hand

Präsident Sebastián Piñera begrüßte das Urteil. "Es ist ein wichtiger Schritt gegen Terrorismus und Straflosigkeit in der Region Araucanía. Wir werden den Terrorismus weiterhin bekämpfen", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Piñera hatte zum Amtsantritt im März eine harte Hand gegen Gewalt in der von Landkonflikten geprägten Region angekündigt.    

Das aktuelle Urteil markiert das Ende des zweiten Prozesses. In erster Instanz waren im Oktober 2017 insgesamt elf Angeklagte freigesprochen worden. Doch ein Berufungsgericht hob diesen Freispruch wenige Monate später wieder auf und ordnete ein neues Verfahren an.  

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass in Chile das umstrittene Anti-Terrorismus-Gesetz entgegen internationaler Rechtsprechung noch immer angewandt werde. Das Gesetz stammt aus der Zeit der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) und erlaubt deutlich höhere Strafen.  



EU will außenpolitisch handlungsfähiger werden


EU-Außenbeauftragte Mogherini (Archivbild)
epd-bild/Viktoria Kühne
Verlässlichkeit - vor dem Hintergrund der sprunghaften Politik der USA unter Präsident Trump stellt sich die EU gern als seriöser außenpolitischer Akteur dar. Das wurde auch bei den neuen Brüsseler Haushaltsplänen deutlich.

Die EU-Kommission will Europa außenpolitisch handlungsfähiger machen und plant dafür eine neue Finanzstruktur und höhere Ausgaben. In der Finanzperiode von 2021 bis 2027 sollten 123 Milliarden Euro für das auswärtige Handeln der Union zur Verfügung gestellt werden, forderte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am 14. Juni in Brüssel. Jetzt sind die EU-Regierungen und das Europaparlament am Zug, die über den Plan beraten - er ist Teil der Kommissionsvorschläge für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen.

"Mehr Ressourcen für mehr Handeln als ein verlässlicher, vorhersehbarer, kooperativer global Player - genau das, was unsere Bürger und unsere Partner in diesen unruhigen Zeiten erwarten", erklärte Mogherini. Die 123 Milliarden Euro bedeuten der Kommission zufolge eine Steigerung um 30 Prozent und inflationsbereinigt um 13 Prozent gegenüber dem aktuellen Finanzrahmen von 2014 bis 2020. Die Kommission hatte die Grundzüge für den neuen Finanzrahmen am 2. Mai vorgestellt, dessen Gesamtsumme soll 1,279 Billionen Euro betragen.

Milliarden für Subsahara

Allein knapp 90 Milliarden Euro sollen den Brüsseler Plänen zufolge in das geplante "Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und Internationale Zusammenarbeit" (NDICI) fließen. Das NDICI würde mehrere bisher separate Instrumente und Fonds vereinen, darunter die zwei großen Entwicklungshilfetöpfe. Auch die Instrumente für Demokratie und Menschenrechte sowie für Stabilität und Frieden sollen in ihm aufgehen. Die Länder in Afrika südlich der Sahara, die die EU nicht zuletzt wegen der von dorther kommenden Migranten und Flüchtlinge im Blick hat, sollen mit mindestens 32 Milliarden Euro den Löwenanteil aus dem NDICI erhalten.

Die Kommission setzt bei dem neuen Budget für das auswärtige Handeln auf eine Vereinfachung. "Künstliche Barrieren" zwischen verschiedenen Instrumenten mit je eigenen Regeln und finanzieller Ausstattung seien nicht zeitgemäß, argumentiert sie. Damit verbunden ist der Wunsch nach mehr Flexibilität. Mit dem neuen, auch "breites" Instrument genannten NDICI will man auf aufkommende Herausforderungen schneller reagieren können. Mehr als zehn Milliarden Euro des Instruments würden als "Kissen" für bislang unvorgesehene Entwicklungen zurückgestellt.

Kritik an Vermischung

Der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz kritisierte mit Blick auf das NDICI eine Vermischung von Geldern für Entwicklungszusammenarbeit und Konfliktprävention. Dies bedeute, "dass auf einmal Schulen aus Geldern gebaut würden, die für die Konfliktprävention bestimmt sind und Militär aus Mitteln finanziert würde, die normalerweise für Hungerbekämpfung und Gesundheit vorgesehen waren".

Auch Hilfswerke sehen das NDICI kritisch. Aus Sicht von "Brot für die Welt" könnte es unter dem neuen Instrument für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) schwieriger werden, an Förderung durch die EU zu gelangen. "Die Zusammenfassung in einer größeren, umfassenderen Budgetlinie würde NGOs auf jeden Fall den Zugang erschweren, weil die Mittelvergabe in noch größeren Tranchen erfolgen müsste, und weil sich ein solches Budget für die Ad-hoc-Unterstützung in Notsituationen kaum eignen würde", erklärte das evangelische Hilfswerk.

Oxfam forderte, dass die neue Flexibilität durch klare Regeln für Transparenz und Verwaltung ergänzt werden. Ansonsten könne es vorkommen, dass die EU Entwicklungshilfegelder ihren eigenen Interessen statt den Bedürftigsten zugute kommen lasse.



Experten: Situation in Textilfabriken hat sich verbessert


Über 2.500 Textilarbeiterinnen wurden bei dem Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes 2013 schwer verletzt. Mehr als 1.100 Näherinnen kamen damals ums Leben.
epd-bild / Gordon Welters / Medico International

Fünf Jahre nach dem verheerenden Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza hat sich die Situation in den Produktionsstätten in Bangladesch nach Ansicht von Experten verbessert. Die Gebäudesicherheit sei deutlich gestiegen, waren sich Vertreter von Industrie, der Nichtregierungsorganisation Südwind und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am 11. Juni bei einer Diskussionsveranstaltung in Bonn einig. "Allerdings mangelt es immer noch an sicheren Beschäftigungsverhältnissen und lebenssichernden Löhnen", kritisierte Sabine Ferenschild vom Südwind Institut.

Ansgar Lohmann vom Textil-Discounter KiK wies darauf hin, dass die Textilindustrie nach dem Unglück, bei dem im April 2013 insgesamt 1.135 Menschen ums Leben kamen, gehandelt habe. Unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit hatten sich rund 200 europäische Unternehmen zum Bangladesch Accord zusammengeschlossen, der für mehr Sicherheit in den Fabriken sorgen sollte. Seitdem seien 1.700 Textilfabriken kontrolliert und 85 Prozent der entdeckten Mängel beseitigt worden, sagte Lohmann.

Kritik an niedrigen Löhnen und Umweltbelastung in Bangladesch bleibt

"Nach wie vor können die Beschäftigten aber nicht von ihrem Einkommen leben", kritisierte Ferenschild. Der Mindestlohn für die Textilarbeiterinnen von umgerechnet monatlich rund 60 Euro sei seit fünf Jahren nicht gestiegen. Um überleben zu können, müssten die Näherinnen extrem viele Überstunden leisten. Auch die gewerkschaftliche Organisierung der Textilarbeiterinnen werde nach wie vor unterdrückt. "Die Auftraggeber müssen deshalb aktiv zu einem höheren Lohnniveau beitragen", forderte Ferenschild.

Sein Unternehmen sei grundsätzlich dazu bereit, höhere Löhne zu unterstützen, sagte Lohmann. Allerdings müsse zuerst gewährleistet werden, dass eine höhere Vergütung auch bei den Arbeiterinnen ankomme und nicht in den Taschen der Fabrikeigentümer lande. Denn schon jetzt sei es für die Unternehmen nicht leicht, sicherzustellen, dass die Textilhersteller auch tatsächlich die Mindestlöhne an die Fabrikangestellten zahlten. "Die einzigen, die das nachprüfen, sind die westlichen Auftraggeber", sagte Lohmann. Die Fabrikeigentümer und der Staat hätten kein Interesse an höheren Löhnen.

Jochen Weikert, Südasien-Experte bei der GIZ, wies darauf hin, dass die Textilindustrie durch den hohen Einsatz an Wasser und Chemikalien auch erhebliche Umweltprobleme in Bangladesch verursache. Auch hier seien die westlichen Textilunternehmen in der Verantwortung. Denn etwa Filteranlagen rechneten sich für die Fabrikbesitzer nur dann, wenn sie stabile Lieferbeziehungen hätten.

Die Verbraucher hätten nur wenig Möglichkeiten, Einfluss auf die Produktionsbedingungen von Textilien zu nehmen, stellte Ferenschild fest. Denn der Preis eines Kleidungsstückes sage nichts darüber aus, unter welchen Umständen es hergestellt worden sei. Auch die unübersichtliche Zahl von Produktlabeln sei nur bedingt hilfreich. "Denn sie decken alle nicht die gesamte Wertschöpfungskette ab", kritisierte Ferenschild. Das werde wohl auch für das vom Bundesentwicklungsministerium geplante Label "Grüner Knopf" gelten. Ferenschild appellierte an die Verbraucher, politisch aktiv zu werden und bei den Unternehmen Auskünfte über die Herstellungsbedingungen ihrer Produkte einzufordern.



Kinderarbeit in der Landwirtschaft nimmt zu


Eine Familie arbeitet mit ihren Kindern auf einem Feld in Ruanda.
epd-bild/Friedrich Stark

Die Kinderarbeit in der Landwirtschaft weltweit hat nach Angaben der Vereinten Nationen wieder zugenommen. Heute müssten etwa 108 Millionen Jungen und Mädchen auf Feldern oder in Gewächshäusern arbeiten, erklärte die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) am 12. Juni in Rom. Das seien zehn Millionen Kinder mehr als 2012. Gründe seien zunehmende kriegerische Konflikte, Fluchtbewegungen und Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel verursacht werden.

Hitze und Pestizide

Syrische Flüchtlingskinder im Libanon etwa verarbeiten den Angaben zufolge Knoblauch, helfen beim Anbau von Tomaten in Gewächshäusern und bei der Ernte von Bohnen, Feigen und Kartoffeln. Dabei müssten die Jungen und Mädchen oft lange und körperlich schwer arbeiten oder Pestizide und Hitze ertragen.

Die FAO spricht von einem besorgniserregenden Trend, der den Kampf gegen den Hunger erschwere. Gesundheit und Entwicklung der Kinder würden gefährdet. Aber weil die Jungen und Mädchen kaum oder gar nicht zur Schule gehen, schwinde auch die Chance armer Familien, dem Kreislauf der Armut zu entkommen. Weltweit sind fast drei Viertel der insgesamt 152 Millionen arbeitenden Kinder in der Landwirtschaft tätig, die meisten in Afrika.



Visaprobleme in Afghanistan erschweren Friedensdorf-Engagement


Genesene Kinder aus Krisenländern spielen im Friedensdorf Oberhausen.
epd-West / Aktion Friedensdorf e.V.

Das Friedensdorf International kann möglicherweise doch einen für August geplanten Hilfseinsatz für verletzte und kranke Kinder aus Afghanistan realisieren. Am 13. Juni habe das Auswärtige Amt Visa für zumindest 50 Kinder in Aussicht gestellt, teilte das Friedensdorf mit. Ob der Einsatz kurzfristig in der sonst üblichen Form erfolgen kann, werde derzeit geprüft. Logistische Faktoren wir die Buchung eines Charter- oder Linienfluges müssten berücksichtigt werden. Auch die Auswahl der Kinder, die nach Deutschland zur medizinischen Behandlung gebracht werden, benötige ein entsprechendes Zeitfenster für die deutschen Helfer vor Ort.

Auswärtiges Amt kündigt kurzfristig Unterstützung an

Am 11. Juni hatte das Friedensdorf mitgeteilt, eine weitere Hilfsaktion für verletzte und erkrankte Kinder aus Afghanistan absagen zu müssen, da erneut Visa für Deutschland nicht fristgerecht ausgestellt werden können. Nach dem Attentat auf die deutsche Botschaft in Kabul im Mai vergangenen Jahrs war die Visastelle geschlossen worden. Ein dadurch verhinderter Flug mit Verletzten und Kranken zur Behandlung in Deutschland habe erst im Februar dieses Jahres nachgeholt werden können.

Zeitliche Verschiebungen seien für die Hilfsorganisation, die die Transporte der Kinder und ihre Verteilung auf deutsche Krankenhäuser mit langen Vorlaufzeiten vorbereite, problematisch, hieß es. Kinder aus anderen Krisen- und Kriegsgebieten hätten für bestimmte Termine bereits Zusagen erhalten und die Kapazitäten des Friedensdorfes seien begrenzt.

Im Februar hatte das Friedensdorf 98 Kinder aus Afghanistan und weitere 29 aus anderen zentralasiatischen Ländern in die Bundesrepublik geholt. Schon im August vergangenen Jahres sei vielen Familien die erhoffte Hilfe versagt worden. Jetzt stehe man wieder vor dieser Situation. Seit 30 Jahren kümmere sich das Friedensdorf um Kinder aus Afghanistan, arbeite eng mit dem dortigen Roten Halbmond zusammen und gelte als verlässlicher Partner. Durch die Schwierigkeiten mit den Behörden gerate der gute Ruf des Friedensdorfes und auch die Kooperation selbst in Gefahr.

Das Friedensdorf wurde 1967 gegründet und nimmt pro Jahr rund 1.000 Kinder auf, um sie hier zu betreuen und medizinisch behandeln zu lassen. Anschließend kehren die Mädchen und Jungen wieder in ihre Heimat zurück. Bei ihrer Arbeit ist die Hilfsorganisation im Wesentlichen auf Spenden angewiesen.




Ausland

Den letzten Weg mit Sterbenden gehen


Im Hospiz St Christopher's in London
epd-bild/St.Christophers
Ihr Leben widmete sie sterbenden Menschen. Cicely Saunders, die vor 100 Jahren geboren wurde, war die Mutter der Hospizbewegung. Ihr ging es um Respekt und Lebensqualität bis zum Schluss.

Dass Patienten mit unheilbaren Erkrankungen in ein Hospiz gehen können, um würdevoll zu sterben oder von einem Hospizdienst zu Hause betreut werden - das war nicht immer selbstverständlich. Die Idee geht zurück auf die Britin Cicely Saunders (1918-2005). Die Krankenschwester, Sozialarbeiterin und Ärztin wollte Menschen an ihrem Lebensende möglichst schmerzfreie letzte Monate und ein angenehmes Umfeld bereiten. Vor 100 Jahren, am 22. Juni 1918, wurde die Mitbegründerin der modernen Hospizbewegung in London geboren.

Saunders beschrieb sich selbst in einem Interview mit der BBC 1994 als Eigenbrötlerin, die auf der Suche nach einem Sinn war - den sie in der Hospizarbeit fand. Entscheidend war die Bekanntschaft mit einem Polen, den sie im Krankenhaus kennenlernte und der im Sterben lag. "Ich war Sozialarbeiterin, als ich David kennenlernte", erinnerte sich Saunders. "Er war erst 40 Jahre alt und hatte das Gefühl, nichts aus seinem Leben gemacht zu haben." Die beiden diskutierten, was ihm helfen würde, mit seiner Situation auf einer sehr vollen Krankenhausstation am Lebensende besser zurechtzukommen.

Schmerztherapie

Ihr ganzes Leben hatte Saunders fortan in den Dienst von sterbenden Menschen gestellt. Dabei setzte sie vor allem darauf, zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Ein elementarer Bestandteil war die Schmerztherapie. Während einige Ärzte in den 60er Jahren selbst bei todkranken Menschen noch vor Abhängigkeit durch Schmerzmedikamente warnten, stand für Saunders vor allem der Mensch im Vordergrund - und damit die Schmerzlinderung.

Erst während des Zweiten Weltkrieges entschied sie sich dazu, eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen. "Der Moment, in dem ich anfing, als Krankenschwester zu arbeiten, vertrieb mein Unglücklichsein", sagte sie der BBC. Zuvor sei sie jahrelang sehr niedergeschlagen gewesen. "Aber mein Leben als Außenseiterin hat mich gelehrt, ein Gefühl für Menschen zu haben und sie zu verstehen."

Als sie merkte, dass man sie nicht ernst nahm, wenn es um eine adäquate Schmerzlinderung für die Patienten ging, wurde sie Ärztin. "Der Arzt, mit dem ich als Krankenschwester zusammenarbeitete, sagte zu mir, ich solle Medizin studieren", erinnerte sich Saunders im Rückblick. "Ich würde sonst nur frustriert, denn sie würden sonst nicht auf mich hören."

Hospiz mit Kunstatelier

Am 24. Juli 1967 eröffnete auf ihre Initiative hin das erste moderne Hospiz: St. Christopher's im Süden von London. Bis heute werden in dem hellen und freundlichen Haus Sterbende gepflegt. Es gibt einen großen Saal, in dem sich Bewohner mit Besuchern und Menschen aus der Nachbarschaft treffen, und ein Kunstatelier, in dem die Patienten kreativ sein können. Der schön angelegte Garten lädt zum Verweilen ein.

Jedes Jahr versorgen die Mitarbeiter Tausende Menschen am Ende ihres Lebens - nicht nur stationär, sondern vor allem in ihren eigenen vier Wänden. Das entspricht auch den Vorstellungen von Hospiz, die Saunders hatte: "Hospiz besteht nicht allein aus Ziegeln und Mörtel, sondern bedeutet vor allem Haltung und Kenntnisse."

Rund 1.200 Freiwillige unterstützen St. Christopher's bei seiner Arbeit. Menschen aus aller Welt werden auf dem Gelände in der Versorgung sterbender Menschen fortgebildet. Das Hospiz forschte auch über den Einsatz von Morphium in der Schmerztherapie und untersuchte neue Wege der Behandlung von Symptomen.

Zwei Mal im Leben verliebte Saunders sich in einen ihrer Patienten, wie sie erzählte. Aus den Gesprächen mit ihnen und vielen anderen Sterbenden zog sie wichtige Erkenntnisse für ihre Arbeit, sie flossen in ihre Aufsätze und Vorträge ein. Sie stützte sich bei ihren Studien zur Schmerzbehandlung auf die "einfache Methode des Zuhörens und Aufzeichnens auf Band", wie sie schrieb.

Täglich versorgte sie Sterbende auf einer Station mit 45 Betten. Für eine Studie dokumentierte sie 1.100 Fälle. "Alles war nur Schmerz, aber jetzt ist der weg und ich bin frei", zitierte Saunders einen schwer Kranken nach einer erfolgreichen Schmerztherapie. Oder: "Sie wollten, dass ich noch ein wenig durchhalte, ich habe geschwitzt mit Schmerzen, aber jetzt bin ich so ruhig." 2005 starb Saunders im Alter von 87 Jahren - in dem von ihr gegründeten Haus St. Christopher's.

Christiane Link (epd)


Studie: Junge Menschen in vielen Ländern weniger religiös

In vielen Ländern der Welt sind junge Menschen einer Studie zufolge weniger religiös als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern. Der Unterschied sei besonders ausgeprägt in mehrheitlich christlichen Ländern, heißt es in einem 13. Juni in Washington veröffentlichten Bericht des US-amerikanischen Forschungsinstituts Pew Research Center.

Die Autoren der Untersuchung über Alter, Religionszugehörigkeit und religiöse Praxis warnen allerdings vor der Schlussfolgerung, die Weltbevölkerung insgesamt werde weniger religiös. Glauben spiele eine wichtige Rolle in vielen Ländern mit hohem Bevölkerungswachstum. In Niger zum Beispiel werde mit der Vervierfachung der Bevölkerung bis zum Jahr 2060 gerechnet. 86 Prozent der Menschen dort gaben an, Religion sei ihnen "sehr wichtig". Laut Pew besteht eine Korrelation zwischen Lebenserwartung und Gottesdienstbesuch. Je höher die Lebenserwartung, um so weniger gingen die Menschen zum Gottesdienst.

Jeder Zehnte im Gottesdienst

Die Untersuchung stützte sich auf Befragungen in 106 Ländern im Laufe des vergangenen Jahrzehnts. In 46 der untersuchten Nationen erklärten mehr ältere als jüngere Menschen, Religion sei ihnen sehr wichtig. In 58 Ländern habe es bei dieser Frage keinen bedeutenden Generationenunterschied gegeben. In nur zwei Nationen, Georgien und Ghana, seien junge Menschen nach eigenen Angaben im Schnitt religiöser als ältere.

In den 35 in Europa untersuchten Ländern hätten im Schnitt zehn Prozent der Bewohner im Alter von 18 bis 39 Jahren angegeben, sie besuchten wöchentlich einen Gottesdienst. Bei Europäern im Alter von über 40 Jahren seien es 16 Prozent.

Bei der Frage nach der Identifikation mit einer Religion sei die Diskrepanz zwischen Älteren und Jüngeren mit 28 Prozentpunkten in Kanada am größten. Dort identifizierten sich 77 Prozent der Älteren und 49 Prozent der Jüngeren mit einer Religion. In den erfassten Ländern im Nahen Osten/Nordafrika erklärten fast alle Menschen ungeachtet des Alters, sie gehörten einer Religionsgruppe an, in Afrika südlich der Sahara waren es der Studie zufolge 98 Prozent.