Die beiden weißen Smartphones von Mohammed Ebrahimi (28) aus Afghanistan und seiner Freundin Sakineh Karimi (23) aus dem Iran haben es nicht nur im Schlauchboot über das Mittelmeer, sondern bis in eine Vitrine des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin geschafft. Konkret in die ab Mittwoch zu sehende Ausstellung "Europa und das Meer", die anhand von 400 Exponaten auf zwei Etagen ein länder- und epochenübergreifendes Panorama der Entwicklung des zweitkleinsten Kontinents zeigt. Die Schau blicke auf 2.500 Jahre maritimer Kulturgeschichte und zeige, wie grundlegend das Meer die Kultur und die Geschichte Europas geprägt habe, sagte DHM-Präsident Raphael Gross am 12. Juni.

Die historische Perspektive werde immer um einen Link zur Gegenwart ergänzt, erklärte Kuratorin Ursula Breymayer - etwa beim Thema Einwanderung: "Wir zeigen, dass Migration kein Ausnahmefall in der Geschichte ist, sondern fast ein Normalzustand." Während allein zwischen 1840 und 1880 rund 15 Millionen Europäer Richtung Übersee auswanderten, ist Europa längst zum Einwanderungskontinent geworden. Millionen von Menschen machen sich aktuell auf der Flucht vor Krieg, Terror und Armut auf den Weg über das Wasser. Filmstationen, an denen Flüchtlinge von ihrer angsterfüllten Schiffspassage über das Mittelmeer erzählen, machen die eindringlichsten Momente der Ausstellung aus.

Rucksack und Rosenkranz

Najlaa Malik (35) aus der syrischen Hauptstadt Damaskus schildert, wie sie die Überfahrt von Marmaris nach Kos ohne Essen und Trinken auf engstem Raum mit weinenden Kindern und ohne Schwimmweste überlebte. Mehdi Sawari (31) aus dem Iran wäre auf der Fahrt nach Europa fast ertrunken: "Alle hatten Angst. Alle konnten wir nicht schwimmen." Was den Bootsflüchtlingen an Habseligkeiten geblieben ist, wird nun im DHM präsentiert: Neben den Mobiltelefonen - Ebrahimi ortete mit seinem übrigens die Küste, als das Boot vom Kurs abgekommen war - sind dies ein Rucksack, eine Bauchtasche und ein Rosenkranz.

"Europa und das Meer" ist in vier Bereiche gegliedert, neben Migration sind dies Herrschaft und Handel, Nutzung und Ausbeutung sowie Tourismus. 13 Einzelthemen werden durch bedeutende Hafenstädte illustriert: Venedig als Prototyp der modernen Seemacht vom 12. bis 16. Jahrhundert, Danzig und die Entstehung der Hanse als Handelsbündnis ab dem 13. Jahrhundert, Sevilla und die überseeische Expansion im 15. und 16. Jahrhundert, Lissabon als Ausgangshafen für den Kulturaustausch mit Ostasien, Amsterdam als Zentrum der Entwicklung des europäischen Schiffbaus oder Nantes Reichtum durch den Sklavenhandel.

Plastikmüll

Die bis 6. Januar 2019 laufende Schau macht deutlich, wie die Beherrschung der Meere jahrhundertelang ein Kernelement europäischer Machtpolitik war - während dies für die Bewohner anderer Kontinente oft Ausbeutung, Gewalt und Unterdrückung bedeutete. Heute hat die exzessive Nutzung der Meeresressourcen Folgen für Umwelt und Klima. Breymayer zufolge landen zudem jedes Jahr acht Millionen Tonnen Plastik im Meer, Schätzungen zufolge werde es im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische im Wasser geben.

Gleichzeitig gilt das Meer seit dem 18. Jahrhundert als Sehnsuchts- und Erholungsort. In den neuen Seebadeanstalten, beginnend an der britischen Küste, traf sich zunächst der europäische Adel zur Kur und Kontaktpflege. Bald wurden indes überall an Nord- und Ostsee und später in Südeuropa Seebäder gegründet, in die nun auch das Bürgertum reiste. Künstler wie Carl Gustav Carus und Max Liebermann, von denen im DHM die Gemälde "Brandung bei Rügen" (1819) und "Badende Knaben" (1902) zu sehen sind, entdeckten die maritimen Landschaften als Motive. Noch heute werde das Meer vor allem als Urlaubsort wahrgenommen, sagte Projektleiterin und Kuratorin Dorlis Blume. Die Ausstellung solle daher bewusst machen, wie sehr es die europäische und sogar die Weltgeschichte geprägt habe.