Kirchen

Bischöfe gedenken toter Flüchtlinge


Ökumenischer Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom: der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm, Kardinal Marx und der griechisch-orthodoxe Bischof Vasilios von Aristi.
epd-bild/Theo Klein
Die beiden großen Kirchen wollen in ihrem Einsatz für Flüchtlinge nicht lockerlassen. Das machten die Bischöfe Bedford-Strohm und Marx bei einem berührenden ökumenischen Trauergottesdienst für ertrunkene Flüchtlinge deutlich.

Mit einem ökumenischen Trauergottesdienst im Münchner Liebfrauendom haben die beiden großen Kirchen am 14. Dezember der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge gedacht. Vor der Kirche postierten sich die zivilen Seenotrettungsorganisationen zu einer Mahnwache: Vor einem Flüchtlings-Schlauchboot hielt eine Menschenkette ein schwarzes Band, auf dem die Namen der auf der Flucht ertrunkenen Menschen aufgeführt waren. "36.570 tote Flüchtlinge, es werden täglich mehr", stand auf einem Banner.

Im Dom bekräftigen der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und der katholische Kardinal Reinhard Marx in einem engen ökumenischen Schulterschluss die Bereitschaft ihrer Kirchen, in ihrem Einsatz für Flüchtlinge nicht nachzulassen. Denn diese Hilfe sei geradezu ein "humanitäre Verpflichtung", sagte Bischof Bedford-Strohm, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Die Flüchtlinge würden durch Verzweiflung auf die lebensgefährlichen Boote getrieben, weil sie Gewalt und Hunger erlebt hätten, Willkür und Missbrauch ausgesetzt gewesen seien und in ihren Heimatländern keine Perspektive hätten.

Dank an Helfer

Bedford-Strohm dankte ausdrücklich den Menschen, die sich in der Seenotrettung und Unterstützung von Flüchtlingen engagieren. Ohne große Worte oder steile Bekenntnisformeln retteten sie Flüchtlinge auf den Booten im Mittelmeer oder stünden diesen Menschen in den Asylunterkünften zur Seite, sagte der Bischof. Durch ihre tätige Nächstenliebe stünden diese Helfer in der Nachfolge Jesu Christi. "Sie haben genau darin Christus die Ehre gegeben, dass sie den geringsten seiner Schwestern und Brüder gedient haben", sagte Bedford-Strohm.

Kardinal Marx betonte in seiner Predigt, sei es die Pflicht der Christen, der Politik deutlich zu machen, wie die Realität aussieht, wo "gestorben und gelitten wird". Es sei ein Skandal, dass an der Außengrenze Europas Menschen zu Tode kommen. Unter dem Beifall der Gottesdienstbesucher mahnte der Kardinal bei der Politik an, dass niemand an den Grenzen sterben dürfe, dass Flüchtlinge menschenwürdig behandelt werden und jeder ein faires Verfahren bekommt. Zudem dürfe niemand in ein Land zurückgeschickt werden, in dem Tod, Unglück oder Vergewaltigung drohe. Dies seien Prüfsteine für eine Gesellschaft, die sich nach christlichen Werten ausrichte.

Vor dem Trauergottesdienst, an dem auch der muslimische Imam Benjamin Idriz und der griechisch-orthodoxe Bischof Vasilios von Aristi mitwirkten, verlasen Flüchtlinge eine Stunde lang die Namen und das Alter von Menschen, die im Mittelmeer ertrunken sind - vor allem junge Männer, aber auch viele Frauen und Kinder.

Achim Schmid (epd)


Berliner Landeskirche unterstützt Seenotrettung im Mittelmeer

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) will sich künftig mit Spenden an der Seenotrettung im Mittelmeer beteiligen. Dazu trat die Landeskirche am 10. Dezember anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte dem Aktionsbündnis "United 4 Rescue - Gemeinsam Retten e.V." bei. "Unser Beitritt zum Bündnis ist ein Zeichen der Menschlichkeit und geschieht aus dem Auftrag christlicher Nächstenliebe", erklärte Bischof Christian Stäblein laut Mitteilung.

Der Verein wurde im November gegründet, um auf kirchliche Initiative hin ein Seenotrettungsschiff zu kaufen. Seit dem 3. Dezember läuft die Spendenkampagne #WirschickeneinSchiff.

Spendenzusagen

Mehrere Landeskirchen haben bislang Unterstützung durch Spenden zugesagt. Die Evangelische Kirche im Rheinland hatte vergangene Woche bekanntgegeben, dass die Kirchenleitung dem Bündnis beitritt. Die rheinische Landeskirche sagte zudem 100.000 Euro als Spende zu. Auch die oldenburgische Kirche und die Evangelisch-reformierte Kirche unterstützen das geplante Rettungsschiff mit 20.000 und 15.000 Euro.

Die Landessynode der EKBO hatte bereits vor Wochen ihre Unterstützung für ein Rettungsschiff erklärt. Kirchensteuermittel würden für die Hilfsaktion nicht verwendet, hieß es. Vielmehr solle die finanzielle Unterstützung ausschließlich aus Kollekten und Spenden gespeist werden.



Frauenhilfe tritt Bündnis "United 4 Rescue" bei

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen ist dem Bündnis "United 4 Rescue" beigetreten, das Spenden für ein neues Seenotrettungsschiff im Mittelmeer sammelt. "Wir wollen dieses Bündnis mit unserem Gebet, unseren Kollekten und unserem Netzwerk unterstützen", teilte die Frauenhilfe am 13. Dezember in Soest mit. Hilfe und Rettung gehörten zum Selbstverständnis des Frauenverbandes.

Mit Beteiligung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte "United 4 Rescue" die Spendensammlung Anfang Dezember gestartet. "United 4 Rescue - Gemeinsam Retten!" ist ein Bündnis von rund 40 Partnern aus Kirchen, Kommunen, Vereinen und Initiativen. Es kritisiert die Kriminalisierung der Seenotrettung und fordert faire Asylverfahren. Der Trägerverein wurde Mitte November gegründet. Das Projekt ist nach Angaben des Vereins auf mindestens drei Jahre angelegt.

"Evangelische Frauen sind seit langem in der Flüchtlingsarbeit aktiv, reden nicht lange, sondern packen an", heißt es auch seitens der Evangelischen Frauen in Deutschland. Der Dachverband ist Bündnispartner und ruft auf, der Kampagne beizutreten oder auf sie aufmerksam zu machen.



Hannover: Charbonnier wird Geistlicher Vizepräsident

Ralph Charbonnier (57) wird neuer Geistlicher Vizepräsident im Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Er tritt voraussichtlich im November 2020 die Nachfolge von Arend de Vries an, der dann in den Ruhestand gehen wird, wie die Landeskirche am 9. Dezember in Hannover mitteilte. Charbonnier ist derzeit Leiter des Referats für Sozial- und gesellschaftspolitische Fragen im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover.

Das Amt des Geistlichen Vizepräsidenten ist eines der höchsten theologischen Ämter in der hannoverschen Landeskirche, zu der rund 2,5 Millionen Mitglieder in 1.235 Gemeinden zwischen Hann. Münden und der Nordsee gehören. Inhaltlich ist er zuständig für theologische Grundsatzfragen, für Grundfragen kirchlichen Handelns und für die Koordinierung theologischer Themen. Er vertritt die Landeskirche in Gremien der Ökumene, der EKD und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Zudem ist er unter anderem zuständig für die Evangelische Akademie Loccum bei Nienburg und die Evangelische Medienarbeit.

Ingenieur und Theologe

Ralph Charbonnier studierte zunächst Maschinenbau in Braunschweig mit einem Abschluss als Diplom-Ingenieur und danach Evangelische Theologie und Philosophie in Marburg. Nach seinem Vikariat in Hildesheim promovierte er über "Technik und Theologie". Er war Pastor in Harkenbleck bei Hannover, Theologischer Studienleiter am Zentrum für Gesundheitsethik der Akademie Loccum und Superintendent im Kirchenkreis Burgdorf bei Hannover. Daneben nahm er Lehraufträge wahr, leitete Weiterbildungskurse und beriet Einrichtungen.



ÖRK-Generalsekretär: Gesellschaftliche Spaltung bekämpfen


Olav Fykse Tveit
epd-bild/Uli Deck/ARTIS

Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der Norweger Olav Fykse Tveit, hat sich besorgt über Spaltungen in Gesellschaften und in der Weltgemeinschaft geäußert. Aufgabe von Christen sei es, sich für Einheit und Versöhnung einzusetzen, sagte Tveit am 10. Dezember in Stuttgart. Deshalb sei das Motto der nächsten ÖRK-Vollversammlung 2021 in Karlsruhe von besonderer Aktualität: "Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt."

Die Vollversammlung ist das höchste Beschlussgremium des christlichen Dachverbandes. Sie findet etwa alle sieben Jahre statt, zuletzt trafen die Teilnehmer 2006 im brasilianischen Porto Alegre und 2013 im südkoreanischen Busan zusammen. Zu dem Treffen in Karlsruhe vom 8. bis 16. September 2021 werden Tausende Teilnehmer von Kirchen in aller Welt erwartet.

Tveit sprach als Gast der Württembergischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission, einer rund 50 Mitglieder umfassenden Gruppe aus Missions- und Ökumeneorganisationen. Im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) sind 350 christliche Kirchen mit mehr als 500 Millionen Mitgliedern zusammengeschlossen. Die katholische Kirche ist kein Mitglied, arbeitet aber mit dem Weltkirchenrat zusammen.



Kirchenbund: Weihnachten erinnert an Kraft des Evangeliums


Panti Filibus Musa
epd-bild/Thomas Lohnes

Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), der nigerianische Erzbischof Panti Filibus Musa, hat vor dem Weihnachtsfest an die Hoffnungsbotschaft des Evangeliums erinnert. "Jesus ist das Licht der Welt", sagte Musa in seiner Weihnachtsbotschaft, die am 13. Dezember in Genf veröffentlicht wurde. "In Mitten von Leid und Traurigkeit verheißt uns das Evangelium die Hoffnung auf das 'Licht der Finsternis'." Christen feiern an Weihnachten die Geburt von Jesus Christus.

Menschen würden sich überall auf der Welt "fröhliche Weihnachten" wünschen. "Gleichzeitig wissen wir, dass das Leben für viele Familien, in vielen Gemeinschaften und in vielen Ländern auf der Welt in keiner Weise fröhlich ist", sagte Musa. Für viele Menschen sei diese Zeit geprägt von Hass, Wut und Misstrauen. Für andere sei das Leben geprägt von Enttäuschung, Trauer und Einsamkeit.

148 Mitgliedskirchen

Kräfte, die das Leben ersticken wie Diskriminierung, Populismus und Rassismus, brächten Dunkelheit in die Welt von heute, sagte Musa. Aber inmitten dieser Spannungen erinnere das Weihnachtsfest daran, dass Gott voller Liebe zu den Menschen gekommen sei.

Der LWB ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegründet, zählt er inzwischen 148 Mitgliedskirchen, denen rund 75,5 Millionen Christinnen und Christen in 99 Ländern weltweit angehören.



Studie: Religiöse Identität weiter wichtig

Trotz fortschreitender Säkularisierung ist Religion für eine Mehrheit der Menschen in Deutschland und der Schweiz weiter wichtiger Bestandteil ihrer Identität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universitäten Leipzig und Luzern, die am 11. Dezember veröffentlicht wurde.

Demnach bewerten 57 Prozent der repräsentativ befragten Bundesbürger ihre Religionszugehörigkeit als äußerst wichtig, wichtig oder eher wichtig. In der Schweiz waren es 50 Prozent. Für die Studie wurden jeweils mehr als 3.000 über 16 Jahre alte Anhänger verschiedener Religionen befragt.

Besonders hohe Zustimmung ermittelten die Forscher in Deutschland mit 75 und 78 Prozent demnach unter Muslimen und Anhängern evangelischer Freikirchen. Diese beiden Gruppen waren zugleich diejenigen unter den Befragten, die am häufigsten von Diskriminierungserfahrungen berichteten. Unter den Protestanten bewerteten 64 Prozent ihre Religionszugehörigkeit als eher bis äußerst wichtig, unter den Katholiken waren es 58 Prozent.

"Brückenbildend"

Weiter stellten die Forscher fest, dass sich Religiosität und Engagement gegenseitig bedingen. "Wer in Deutschland seine religiöse Identität als äußerst wichtig ansieht, ist wesentlich häufiger gesellschaftlich engagiert (59 Prozent) als jemand, dem diese soziale Identität völlig unwichtig ist (48 Prozent)", heißt es in der Studie.

Der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel resümierte, eine starke religiöse Identität könne einerseits zu Konflikten und Abgrenzungsprozessen führen. Auf der anderen Seite "wirkt sie brückenbildend und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt", erklärte Pickel.



Gericht weist Klage gegen Kirchensteuernachzahlung ab


Die Kirchensteuer beschäftigte das Berliner Verwaltungsgericht.
epd-bild / Norbert Neetz
Muss eine Frau, die als Kleinkind getauft wurde, den Rest ihres Lebens aber nichts mit der Kirche zutun hatte, Kirchensteuer zahlen? In Berlin hatte das Verwaltungsgericht darüber zu entscheiden.

Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Klage eines ehemaligen Kirchenmitglieds gegen den Einzug der Kirchensteuer abgewiesen. Die von der 66-jährigen Berlinerin angefochtenen Steuerbescheide seien rechtmäßig gewesen, sagte der Vorsitzende Richter der Kammer, Uwe Amelsberg, am 12. Dezember. (AZ: VG 27 K 292.15)

Die Klägerin war als Kleinkind in der DDR evangelisch getauft worden, hatte aber nach eigener Aussage nie etwas mit der Kirche zutun. Ihre Eltern waren bereits in den 50er Jahren ausgetreten.

Der Klägerin waren für 2012 und 2013 insgesamt knapp 1.900 Euro an Kirchensteuern berechnet und eingezogen worden. Vorausgegangen waren 2011 Ermittlungen der Kirchensteuerstelle am Finanzamt Prenzlauer Berg bei der einstigen Kirchengemeinde der Klägerin in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt, die die Taufe bestätigte, den Kirchenaustritt aber nicht.

Mit ihrer Klage gegen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) wollte die Frau den Steuereinzug für rechtswidrig erklären lassen. Zugleich forderte sie die Rückzahlung des Betrages.

Halbierung angeboten

Die Landeskirche begrüßte das Urteil. Sie sehe sich in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, erklärte Konsistorialpräsident Jörg Antoine als Leiter der landeskirchlichen Verwaltung. Zugleich bedauerte er, dass es mit der Klägerin vorab zu keiner Verständigung gekommen sei. Die EKBO hatte angeboten, auf die Hälfte des Betrages zu verzichten.

Richter Amelsberg betonte, die Klägerin sei mit der Kindstaufe Mitglied der evangelischen Kirche geworden und erst 2014 tatsächlich aktiv ausgetreten. Die durch eine Säuglingstaufe erworbene Mitgliedschaft verstoße dabei nicht gegen die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit und die darin angelegte Freiwilligkeit der Religionszugehörigkeit.

Auch eine missbräuchliche Verwendung von Steuerdaten durch die Zusammenarbeit von EKBO und Finanzamt sah das Gericht nicht. Der Rechtsanwalt der Klägerin, die selbst nicht vor Gericht erschienen war, Eberhard Reinecke, hatte der Kirche eine "Rasterfahndung" nach Mitgliedern vorgeworfen. Reinecke sitzt im Beirat des Institutes für Weltanschauungsfragen der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung.

Die Klägerin hatte unter anderem argumentiert, dass ihre Eltern den Kirchenaustritt der Tochter miterklärt hätten. Das ist gesetzlich möglich, da ein Kind erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres religionsmündig wird. Einen Nachweis über den Austritt habe es aber nicht gegeben, erklärte die Klägerin. Zudem sei sie atheistisch erzogen worden und habe an der DDR-Jugendweihe teilgenommen.

Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung

Auch sei sie über Jahre nicht zur Kirchensteuer herangezogen worden. Selbst die Kirche in Berlin, wo sie seit den 70er Jahren lebt, sei wohl davon ausgegangen, dass sie kein Mitglied ist. Warum die Kirchensteuerstelle sich erst 2011 nach der Kirchenmitgliedschaft der späteren Klägerin erkundigte, blieb in der Verhandlung offen.

Die EKBO begründete ihr Vorgehen damit, dass sie gehalten sei, die Kirchensteuer nach dem Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung zu erheben. Die Klägerin habe von der Möglichkeit, getauft worden zu sein, ausgehen können, da die Eltern ihr gegenüber den Kirchenaustritt erwähnt hätten, erklärte die EKBO.



Ufos im Heiligen Land, Reporter vor dem Stall


Christvesper mit Krippenspiel (Archivbild)
epd-bild/Jens Schulze
Hirten mit zerlumpten Umhängen, Könige mit Fernrohren und glitzernden Kronen wuseln schon bald wieder durch unzählige deutsche Kirchen. Und viele kleine Engel in weißen Hemden mit angehefteten Flügeln rühren Eltern und Großeltern zu Tränen.

Nicht überall wird das Krippenspiel mit so viel Aufwand einstudiert wie in der evangelischen Kirchengemeinde in Frankfurt-Bockenheim. Dort machen über 70 Kinder und Jugendliche vom Kindergarten- bis zum Konfirmandenalter mit. Angeleitet werden sie von einer ausgebildeten Regisseurin. "Es gibt echte Schafe und einen Esel", berichtet Gemeindepfarrerin Pia Baumann. Auch bei bescheidenerem Aufwand gilt: Alle Jahre wieder sind voll besetzte Kirchenbänke garantiert, wenn Kinder die Weihnachtsgeschichte nachspielen: Die Krippenspiel-Gottesdienste an Heiligabend zählen zu den am besten besuchten kirchlichen Veranstaltungen überhaupt.

Das dürfte vorerst auch so bleiben, denn die Tradition ist so populär wie eh und je. An interessierten Mitspielern herrscht kein Mangel. In Frankfurt-Bockenheim ist es sogar eher umgekehrt - die Verantwortlichen müssten regelmäßig neue Rollen für die Weihnachtsgeschichte dazuerfinden, um alle jungen Darsteller zu versorgen. "Wir haben inzwischen aufgehört, Werbung zu machen", sagt Baumann. Wegen des riesigen Andrangs findet das Krippenspiel seit einigen Jahren auch gar nicht mehr in der Kirche, sondern auf dem Platz davor statt. Ein benachbartes Café schenkt dann Glühwein an die Besucher aus.

Früher Volkstheater auf Marktplätzen

Was auf den ersten Blick ungewöhnlich wirkt, ist ziemlich nah am historischen Ursprung. "Lange Zeit waren Krippenspiele reines Volkstheater und wurden meistens auf den Marktplätzen aufgeführt", sagt Uwe Hausy, hauptamtlicher Referent für Spiel und Theater bei der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN). Mit der Kirche hätten sie anfangs gar nichts zu tun gehabt.

Hausy berät Kirchengemeinden - und er schreibt jährlich selbst neue Stücke. In jüngster Zeit erlebt er, dass häufiger Krippenspiele für kleinere Gruppen nachgefragt werden. Die Zeiten, in denen sich immer und überall 25 oder mehr Mitwirkende finden, sind dann doch vielerorts vorbei. "Wo es schwierig wird, mache ich Mut, Erwachsene mit einzubeziehen", sagt der EKHN-Krippenspiel-Experte.

Die Weihnachtsgeschichte, in der ein Ufo auftaucht, eine Sondersendung mit Live-Schalte zur glücklichen Maria in den Stall, Weihnachten aus der Sicht der Ratten und Spatzen von Berlin - das alles hat es schon gegeben. Wenn der Stoff Bezug auf die Weihnachtsgeschichte nehme und eine Botschaft vermittele, sei es zweitrangig, ob es sich um eine klassische Aufführung oder eine moderne Bearbeitung des Themas handelt, findet Hausy: "Ochs und Esel stehen auch in keinem Bibeltext. Aber er sagt auch: "Wenn es nur süß ist, reicht mir das nicht."

Die wohl größte Sammlung verschiedenster Krippenspiele bundesweit - mit inzwischen über 1.300 Vorlagen - bietet die Sächsische Landeskirche über das Internetportal "www.spieltexte.de" an. Der zuständige Referent im Landesjugendpfarramt, Lars Gustav Schwenzer, hat die Erfahrung gemacht, dass manche Gemeindegruppen ein wenig traurig sind, wenn sie ihre einstudierten Stücke nur einmal aufführen können. Deshalb gibt es in Sachsen mittlerweile seit 13 Jahren das "Krippival"-Festival, bei dem Gemeinden sich Anfang Januar noch einmal zur "Lange Nacht der Krippenspiele" treffen.

Rückkehr zu traditioneller Version

2020 findet die Veranstaltung in der in Krippenspiel-Angelegenheiten besonders aktiven Versöhnungskirche in Dresden statt. "Die machen ein Jahresprojekt daraus", erzählt Schwenzer. "Die Vorbereitungen für die Weihnachts-Aufführung haben dort Anfang Januar angefangen."

Uwe Hausy beobachtet, dass sich zurzeit viele Gemeinden auf eine eher traditionelle Version des Krippenspiels besinnen - nicht ohne Grund: "Man kann nicht mehr voraussetzen, dass die Leute die Weihnachtsgeschichte kennen." Dabei sei es noch gar nicht lange her, das auch hochpolitische Anliegen wie die der Anti-Atomkraft- oder Friedensbewegung ganz selbstverständlich in die Heiligabend-Aufführungen eingebaut wurden. Heute gebe es mehr Vorbehalte, ob so etwas wohl gut ankomme.

Tatsächlich ist das mit Politik und Weihnachten so eine Sache. Legendär wurde der Schildbürgerstreich der Stadtverwaltung von Worms, die 2014 ein Krippenspiel über die Flucht von Jesus, Maria und Josef nach Ägypten auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt verbieten ließ. Die Bürger der rheinland-pfälzischen Stadt sollten ungestört ihren vorweihnachtlichen Bummel durch die Fußgängerzone unternehmen können, ohne durch die Probleme von Flüchtlingen belästigt zu werden.

Karsten Packeiser (epd)


Evangelische Christvesper aus dem Saarland im DLF

Die evangelische Christvesper aus der Christuskirche im saarländischen Neunkirchen wird am Heiligen Abend im Deutschlandfunk übertragen. Die Übernahme vom Saarländischen Rundfunk ist ab 17.05 Uhr zu hören, wie der evangelische Senderbeauftragte für Deutschlandradio am 10. Dezember mitteilte. Im Mittelpunkt des Gottesdienst steht den Angaben zufolge die Frage nach Heimat und Geborgenheit. Die Predigt hält Pfarrerin Britt Goedeking. Sie gestaltet außerdem die Liturgie, gemeinsam mit Wolfgang Struß und der Evangelischen Kantorei Neunkirchen.



Zwei Kandidaten für Superintendenten-Amt im Sauerland

Für das Amt des Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg kandidieren zwei Pfarrer aus dem Kirchenkreis. Kandidaten sind die Theologen Christof Grote aus Attendorn und Martin Pogorzelski aus Halver, wie der Kirchenkreis am 16. Dezember in Lüdenscheid ankündigte. Die Wahl findet auf der Kreissynode am 20. Juni in Valbert statt. Der derzeitige Superintendent Klaus Majoress (62) wird am 31. August nach mehr als 20 Jahren als Superintendent in einem Festgottesdienst in den Ruhestand verabschiedet. In dem Gottesdienst wird dann auch sein Nachfolger von der westfälischen Präses Annette Kurschus in sein neues Amt eingeführt.

Der in Bielefeld geborene Grote ist seit 1997 Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Attendorn. Er habe sich in besonderer Weise für den Kindergarten, die Attendorner Tafel und das neue Begegnungs- und Sozialzentrum "lebensfroh. Kirche im Laden" eingesetzt, hieß es. Grote ist zudem stellvertretender Assessor im Kreissynodalvorstand und Diakoniepfarrer für die heimische Region. Der 55-jährige Theologe ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Pogorzelski, in Gladbeck geboren, ist seit 2012 Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Halver. Zuvor war er Pfarrer in Castroper Kirchengemeinden. Außerdem war er Diakoniepfarrer des Kirchenkreises Herne für den Stadtbereich Castrop-Rauxel. Im Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg arbeitet Pogorzelski im "Theologischen Ausschuss" und übt im Kreissynodalvorstand das Amt des Scriba aus. Der 58-jährige Theologe ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Majoress stand von 1996 bis 2000 an der Spitze des Kirchenkreises Plettenberg. Bei der Vereinigung der Kirchenkreise Lüdenscheid und Plettenberg im Jahr 2000 wurde er zum Superintendent des neuen Kirchenkreises gewählt.



Finanzsynode des Kirchenkreises Herford tagte

Der Evangelische Kirchenkreis Herford hat auf seiner jüngsten Herbstsynode in Herford traditionell dem Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Der Etat für 2020 beträgt rund 29 Millionen Euro an Ein- und Ausgaben, wie der Kirchenkreis mitteilte. Dabei rechne der Kirchenkreis mit einer 3,9 Prozent höheren Kirchensteuerzuweisung als 2019. Gleichzeitig erhöhten sich auch die Ausgabe. Als Bespiel nannte der Kirchenkreis den geplanten Ausbau der evangelischen Kindertageseinrichtungen. Für zusätzliche Personalstunden in den Kitas stehen den Angaben nach 2020 insgesamt 480.000 Euro mehr zur Verfügung.

Außerdem wird der Zuschuss des Kirchenkreises für das Diakonische Werk in den kommenden fünf Jahren jährlich um 2,5 Prozent erhöht, wie es weiter hieß. "Die Arbeit dort ist sehr wertvoll", betonte der Vorsitzende des Finanzausschusses, Pfarrer Olaf Reinmuth: "Denken Sie an die Arbeit mit Menschen, die in einer Sucht stecken, arbeitslos geworden sind, mit Geflüchteten oder im Bereich Schwangerschaft, Familie und Sexualität."

Superintendent Michael Krause sieht den Kirchenkreis in vielen Bereichen "gut aufgestellt". Mit Blick auf die sinkende Mitgliederzahl und perspektivisch auch sinkenden Einnahmen empfahl er eine vorsichtige Finanzplanung: "Auf diese Entwicklung müssen wir uns gut vorbereiten. In den nächsten Jahren haben wir die Chance, uns diesen Prozessen aktiv zu stellen und sie als Finanzgemeinschaft mitzugestalten", ermutigte er die anwesenden Kreissynodalen.

In den Herforder Kirchengemeinden und beim Kirchenkreis sind den Angaben zufolge rund 1.400 Mitarbeitende als Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, Küsterinnen und Küster, Jugendmitarbeiterinnen und Jugendmitarbeiter, Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter und in anderen Feldern der kirchlichen Arbeit beschäftigt. Davon sind etwa 800 vorwiegend Mitarbeiterinnen in den Kindertageseinrichtungen und rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Berufskolleg Elisabeth-von-der-Pfalz und in der Förderschule des Kirchenkreises Herford angestellt.



Studieren ohne Abi - Evangelische Hochschule informiert

Berufstätige ohne Fachabitur oder allgemeine Hochschulreife mit Interesse an einem Studium können sich an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (EvH RWL) über Studienmöglichkeiten informieren. Am 20. Dezember können Interessierte zwischen 10.30 und 12.30 Uhr ohne Voranmeldung in die offene Sprechstunde in Raum 186 kommen, wie die Hochschule in Bochum mitteilte. Der nächste Bewerbungszeitraum für Bewerber ohne formale Hochschulzugangsberechtigung beginnt am 1. Februar 2020.

Die EvH RWL in Bochum ist die größte evangelische Hochschule in Deutschland. Träger sind die Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe. Derzeit nehmen rund 2.500 Studierende die Studienangebote im Sozialwesen und der Gemeindepädagogik wahr. 71 hauptamtlich Lehrende und 28 wissenschaftliche Mitarbeitende sorgen für ein gefächertes Lehrangebot und eine Betreuung der Studierenden. Schwerpunkte der Forschung sind Inklusion, Versorgungsstrukturen im Sozial- und Gesundheitswesen sowie ethische Grundlagen des Sozialstaats.



Missbrauchsstudie: Historiker suchen Betroffene als Interviewpartner

Historiker suchen für eine Studie zu den Missbrauchsfällen im Bistum Münster Betroffene und Zeitzeugen als Interviewpartner. Mit Hilfe der Interviews wollten die Forscher Informationen sammeln, die sich in den kirchlichen Akten nur ansatzweise niedergeschlagen hätten, teilte die Universität Münster am 9. Dezember mit. Um Mitarbeit gebeten sind sowohl Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester und Diakone des Bistums Münster in den Jahren 1945 bis 2018 als auch Menschen, die von solchen Taten erfahren haben.

Bei der Untersuchung komme dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen die "höchste Priorität" zu, hieß es. Die Mitarbeiter des vom Bistum selbst in Auftrag gegebenen Forschungsprojekts seien zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auskünfte und Interviews werden demnach vertraulich behandelt und alle Informationen werden anonymisiert.

Geklärt werden soll den Angaben zufolge neben der Identität der Täter auch die Frage, welche Situationen und Strukturen die Taten begünstigten. Ebenso gehe es um die Reaktion der Kirchenleitungen, aber auch des Umfelds in den Kirchengemeinden auf die häufig nur angedeuteten Vorwürfe gegen einzelne Priester.

Mit der auf mehrere Jahre angelegten Untersuchung hat das Bistum ein fünfköpfiges Team unter Leitung des Professors für Neuere und Neueste Geschichte beauftragt, Thomas Großbölting. 1,3 Millionen Euro wurden zur Verfügung gestellt, damit die Wissenschaftler die zahlenmäßig noch nicht genau erfassten Missbrauchsfälle aufdecken, analysieren und die Ergebnisse in einer Studie aufbereiten und dokumentieren.

Bei der Vorstellung des Projekts im September hatte Großbölting betont, dass er uneingeschränkten Zugang zu den Personalakten des Bistums habe, genauso wie zur Kommunikation zwischen der Bistumsleitung und den Gemeinden. Ergänzt werden sollen die Forschungen durch Interviews mit den Betroffenen und - soweit es möglich ist - den Beschuldigten. Ergebnisse sollen demnach im Jahr 2022 vorliegen. Ähnliche Studien gebe es in den Diözesen Essen und Paderborn.




Umwelt

Hoffnung Europa


Ihre Forderungen blieben in Madrid unerhört: Greta Thunberg mit "Fridays for Future"-Aktivisten.
epd-bild / Patrick Piel
Die Appelle von Millionen demonstrierenden Menschen und der Wissenschaft nach mehr Klimaschutz wurden in Madrid allenfalls zu Kenntnis genommen: Von den Großen versprach nur die EU eine ökologische Wende.

Greta Thunbergs Gesicht zeigt keine Regung, ihre jugendliche Stimme verharrt auf derselben Tonlage und ihr Körper ist starr. Nur ihre Augen funkeln. An diesem Tag in Madrid, auf der 25. Weltklimakonferenz, hat die Ikone der globalen Protestbewegung eine Botschaft der Hoffnung auf den schmalen Lippen: "Wir können die Veränderung jetzt starten, wir, die Menschen", sagt sie.

Doch Gretas Worte, die Appelle von Millionen demonstrierender Menschen rund um den Planeten sowie die Mahnungen der Wissenschaft nach mehr Klimaschutz wurden in Madrid allenfalls zu Kenntnis genommen: Das Abschlussdokument der Mammutkonferenz, über das die mehr als 190 Delegationen bis zm 15. Dezember feilschten, birgt so gut wie keine greifbaren Resultate.

Australien, Brasilien, USA

Madrid wird nicht als entscheidende Wegmarke in Kampf für den Klimaschutz eingehen. Dabei stand die Veranstaltung in den riesigen Messehallen nahe des Madrider Flughafens unter dem Motto: "Zeit zum Handeln". Tragisch ist, dass die Konferenz der langen Verhandlungsnächte einen Ausstoß von rund 65.000 Tonnen des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids verursacht.

Das magere Ergebnis lag vor allem an den großen Verschmutzern, die sich einer ökologischen Wende verweigern: Australien, Brasilien, Indien, Saudi-Arabien und die USA. "Die Blockadehaltung einzelner Länder torpedierte in Madrid in dramatischer Weise den Konsens der internationalen Staatengemeinschaft für ambitionierten Klimaschutz", schimpfte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

"Fantastisches Signal"

Von den Großen demonstrierte allein die Europäische Union, dass sie eine lebenswerte Zukunft auf dem Planeten anstrebt. Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war die einzige Führungspersönlichkeit aus der Riege der Schwergewichte, die sich auf den Weg nach Madrid machte. Sie kam am ersten Tag der Konferenz, und am ersten Tag ihrer Amtszeit. Schon in Madrid skizziert sie ihren Europäischen "Grünen Deal" mit der Kernbotschaft: "Unser Ziel ist es, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein."

Die klare Ansage beeindruckte in Madrid sogar die sonst so notorisch skeptischen Nichtregierungsorganisationen: "Das ist ein fantastisches Signal", betonte Vanessa Perez Cirera vom WWF. Doch die EU musste sich auch kritische Fragen gefallen lassen: Kann die EU tatsächlich die versprochenen Milliarden Euro für den ökologischen Umbau mobilisieren?

Neben der EU zeigte eine Koalition von mehr als 70 meist kleineren Staaten, dass sie den Ernst der Lage erkennen. Sie verpflichteten sich, im nächsten Jahr verbesserte Klimaschutzpläne zu präsentieren. Nur wenn alle Staaten das tun, können die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 eingehalten werden: Danach soll die Welt die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß begrenzen. Anderenfalls droht der Menschheit unsägliches Leid durch Dürren, Stürme, Überschwemmungen und andere Folgen des Temperaturanstiegs.

Blick auf 2020

Die Vertreter der vielen kleinen und armen Staaten des Südens machten klar, dass die Zeit zum Handeln endgültig gekommen ist. So schilderte der Umweltminister des mittelamerikanischen Küstenstaates Belize, Omar Antonio Figueroa, wie Klimawandel mit "höllischen Stürmen" sein Land in tiefe Not stürzte. Und Marieme Elizabeth Bekaye, Umweltministerin aus Mauretanien, erinnerte an das tragische Schicksal Afrikas: Der ohnehin arme Kontinent ist nun auch noch derjenige, den der Klimawandel am brutalsten heimsucht.

Angesichts des überschaubaren Ertrages der Weltklimakonferenz 2019 richteten viele Politiker wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ihren Blick auf 2020. Es gebe bereits jetzt große "Erwartungen an Deutschland", sagte Schulze. Denn die Bundesrepublik übernimmt im zweiten Halbjahr 2020 die Ratspräsidentschaft der EU. Es wird die Zeit, in der die Europäer beginnen müssen, ihren "Grünen Deal" einzulösen. Und in dieser Zeit wird auch die nächste Weltklimakonferenz stattfinden. Dann wird Großbritannien den 26. Kongress in Glasgow ausrichten.

Jan Dirk Herbermann (epd)


UN-Klimagipfel: Greta prangert reiche Staaten an

Die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg hat auf dem Weltklimagipfel die Politik reicher Staaten angeprangert. Die Reichen würden den Kampf gegen den Klimawandel nicht anführen, sondern die Welt täuschen, warnte die 16-jährige Ikone der weltweiten Protestbewegung am 11. Dezember in Madrid.

Thunberg betonte auf der Weltklimakonferenz, dass etliche Versprechen der Reichen zur Reduktion der gefährlichen Treibhausgase irreführend seien. So rechneten die reichen Staaten in ihre Pläne etwa die Verschmutzung durch Flug- und Schiffsverkehr nicht ein oder lagerten den Ausstoß der Treibhausgase in andere Länder aus. Nichts sei geschehen außer "geschickter Buchhaltung und PR", sagte die beurlaubte Schülerin. Thunbergs Rede wurde immer wieder von Applaus begleitet.

"Können jetzt beginnen"

Die Jugendliche erinnerte an die Ungleichheiten im weltweiten Ausstoß der Treibhausgase. So sei die Gruppe der reichen Wirtschaftsblöcke G20 für rund 80 Prozent der Emissionen der Gase verantwortlich. "In der Tat haben wir Arbeit zu tun, aber einige mehr als andere", sagte sie. Thunberg verlangte auch eine entschlossene Hilfe für die armen Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.

Am Ende ihres Auftritts verbreitete die Schwedin Hoffnung: "Wir können jetzt mit den Veränderungen beginnen, wir die Menschen." Bei der Weltklimakonferenz sollen sich die Delegationen aus mehr als 190 Ländern auf ein Schlussdokument einigen, das dem Kampf gegen die Erderwärmung neuen Schub gibt.



Kritik an zu hohen CO2-Emissionen bei Dienstwagen


Die Deutsche Umwelthilfe wirft zahlreichen Politikern zu hohe CO2-Emissionen ihrer Dienstwagen vor. (Archivbild)
epd-bild/ Heike Lyding
Pünktlich zur Weltklimakonferenz in Madrid zeigt die Deutsche Umwelthilfe: Deutsche Spitzenpolitiker lassen sich weiter mit Limousinen chauffieren, die weit mehr Kohlendioxid in die Luft blasen als von der EU gefordert.

Die Kritik ist heftig und kommt am Ende eines Jahres, das ganz im Zeichen der Debatte um mehr Klimaschutz stand: Die Deutsche Umwelthilfe wirft zahlreichen Spitzenpolitikern in Bund und Ländern weiterhin zu hohe CO2-Emissionen ihrer Dienstwagen vor. Die Emissionen seien teilweise sogar gestiegen, heißt es in dem am 9. Dezember in Berlin vorgestellten 13. Dienstwagencheck der Umwelthilfe. Besonders kritisiert wird der in der Praxis hohe Spritverbrauch von vermeintlich umweltfreundlichen Plug-In-Hybriden, weil sie vorwiegend im ineffizienten Verbrennermodus gefahren würden.

Keine einzige Karosse der Regierungspolitiker halte den EU-Flottengrenzwert von aktuell noch 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer im Realbetrieb ein, sagte die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Dies sei eine ernüchternde Bilanz in einem Jahr, in dem Millionen Menschen für den Klimaschutz auf die Straße gegangen seien. Ab dem kommenden Jahr sinkt der EU-Flottengrenzwert für Autohersteller sogar auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer.

Schlusslicht Scheuer

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fahre dabei mit schlechtem Beispiel im Bundeskabinett voraus, sagte Metz. Sein Dienstwagen - ein Benzin/Elektro-getriebender BMW 745Le xDrive - habe mit 258 Gramm pro Kilometer den höchsten "realen CO2-Ausstoß". Der Normausstoß einschließlich Strommix wird laut Umwelthilfe mit 134 Gramm CO2 pro Kilometer angegeben. Vom Bundesverkehrsministerium gab es auf Anfrage zunächst keine Stellungnahme.

Die Angaben der Umwelthilfe beruhen den Angaben zufolge auf Abfragen bei den Ministerien und eigenen Berechnungen. Insgesamt wurden 245 Bundes- und Landespolitiker zu ihren 237 Dienstwagen befragt. Unter den Länderchefs landet Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister Berlins, wie im Vorjahr auf dem letzten Platz mit "real" 408 Gramm CO2 pro Kilometer. Sein Benzin-betriebener Mercedes-Benz S-Guard 600 Limousine hat laut Umwelthilfe einen offiziellen CO2-Normausstoß von 270 Gramm CO2.

NRW-Landesregierung schneidet ebenfalls schlecht ab

Schlechte Noten erhielt auch die NRW-Landesregierung: Im bundesweiten Vergleich der Dienstwagen auf Umweltfreundlichkeit ist die schwarz-gelbe Regierung eines der Schlusslichter. Nordrhein-Westfalen landete in diesem Jahr mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 241 Gramm pro Kilometer im Realbetrieb auf Platz 14. Noch schlechter schnitten nur Baden-Württemberg und Hessen ab.

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hingegen landete mit seinem Audi A8 im Ranking der Landesregierungschefs auf einem der besseren Plätze: Mit einem CO2-Ausstoß von 231 Gramm pro Kilometer erreichte er den fünften Platz - direkt hinter seinem baden-württembergischen Amtskollegen Winfried Kretschmann (Grüne). Wie im Vorjahr landete Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister Berlins, auf dem letzten Platz mit "real" 408 Gramm CO2 pro Kilometer.

Innerhalb der nordrhein-westfälischen Landesregierung führte Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) mit einem "realen" Ausstoß von 207 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer die Liste an. Auf dem letzten Platz der NRW-Regierung landete Innenminister Herbert Reul (CDU) mit seinem Benziner, der sogar 318 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt.

Umweltministerin Ursula Heinen-Essers (CDU) Dienstwagen, ein von der Umwelthilfe kritisierter Plug-In-Hybrid, verbraucht den Berechnungen zufolge in Wirklichkeit 243 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Der Normausstoß einschließlich Strommix wird laut Umwelthilfe mit 135 Gramm CO2 pro Kilometer angegeben.

Kritik an Pflug-In-Hybriden

Von den abgefragten Dienstwagen sind 143 Fahrzeuge mit reinem Dieselantrieb, 74 mit Plug-In-Hybridantrieb und 17 Pkw konventionelle Benziner. Erstmals gebe es drei Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb, hieß es weiter.

Metz betonte, Plug-In-Hybride seien als die Antriebsart mit den höchsten Abweichungen zwischen offiziellem und realem CO2-Ausstoß "enttarnt" worden. Die hohen Abweichungen begründet die Umwelthilfe mit der offiziellen Berechnung der Kohlendioxid- und Verbrauchswerte, die aber nicht den realen Bedingungen entspreche. Auch von "Täuschung" und "absurd hohem Spritverbrauch" dieser Modelle ist die Rede.

Deshalb fordert die Umwelthilfe eine andere Förderpolitik. Es könne nicht sein, dass etwa ein mehr als drei Tonnen schwerer "Monster-SUV" wie der BMW X5 mit spritschluckendem Sechszylinder-Benzinmotor und "Alibi-Hybridantrieb" wie ein reines Elektroauto steuerlich begünstigt werde, erklärte Metz.

Angesichts der seit 1990 praktisch unverändert hohen CO2-Emissionen im Verkehrssektor forderte die Umwelthilfe von der Bundesregierung einen radikalen Kurswechsel in der Automobilpolitik hin zu sparsamen Fahrzeugen mit niedrigen CO2-Emissionen und geringem Stromverbrauch bei Elektrofahrzeugen.



Umweltschützer kritisieren neuen "Waldpakt" in NRW

Die Umweltschutzorganisation BUND in Nordrhein-Westfalen kritisiert den sogenannten Waldpakt zwischen Landesregierung und dem Verband der Waldbesitzer. Die Vorschläge in der Vereinbarung von Land und Forstwirtschaft seien "teilweise kontraproduktiv für die biologische Vielfalt, den Klimaschutz und am Ende auch für die, die vom Wald leben", erklärte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht am 11. Dezember in Düsseldorf. Vor allem die Forderungen, Totholz zu räumen und flächig mit nicht standortheimischen Baumarten wiederaufzuforsten, stößt auf Kritik des Umweltverbandes.

Der BUND widerspricht zudem der Aussage, genutzte Bäume würden mehr Kohlendioxid speichern als im Wald belassene. Der BUND verwies stattdessen auf eigene Eckpunkte für einen "Masterplan Waldwende". Darin schlägt die Umweltorganisation unter anderem vor, mindestens zehn Prozent der Waldfläche von einer wirtschaftlichen Nutzung auszuschließen und mindestens 15 Bäume pro Hektar zu erhalten und einer Zerfallsphase zu überlassen. Auch spricht sich der BUND gegen Wiederaufforstung, sondern vielmehr für eine sogenannte Naturverjüngung durch das Zulassen natürlicher Aussaaten aus.

Fördergelder in Höhe von 100 Millionen Euro

Auf 100 Millionen Euro für neue Bäume und den Aufbau von Mischwäldern hatten sich die nordrhein-westfälische Landesregierung und Verbände von Waldbesitzern geeinigt. Am 10. Dezember hatten Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Verbände aus Forst- und Holzwirtschaft, Naturschutz und Berufsvertretung in Düsseldorf den Waldpakt "Klimaschutz für den Wald - unser Wald für den Klimaschutz" unterzeichnet. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen die Wälder fitmachen für den Klimawandel und helfen, Schäden durch Sturm, Dürre und Borkenkäfer zu bewältigen.

Für die Wiederbewaldung stellt das Land NRW in den nächsten zehn Jahren 100 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem können Waldbesitzer Soforthilfen beantragen, um Schäden zu beseitigen. Als gemeinsames Ziel einigten sich die Unterzeichner den Angaben zufolge auf klimastabile Mischwälder mit größerer Vielfalt und Naturnähe, angepasste Wildbestände und den Ausbau der Wald- und klimabezogenen Forschung.

Mehr als ein Viertel der Fläche Nordrhein-Westfalen besteht aus Wald - insgesamt über 935.000 Hektar. Nach zwei überdurchschnittlich trockenen Jahren in Folge geht es dem Wald sehr schlecht: Nur jeder fünfte Baum ist laut der Waldzustandserhebung 2019 gesund. 63 Prozent der Waldfläche sind in privater Hand - der bundesweit höchste Anteil.



Bundesamt: Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft zu hoch

Die Landwirtschaft in Deutschland muss nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (UBA) ihre Stickstoffeinträge verringern. Insgesamt liegt der durchschnittliche Stickstoffüberschuss der Flächenbilanz bei 77 Kilogramm pro Hektar und ist seit mehr als 20 Jahren praktisch unverändert, wie die Behörde mit Verweis auf eine Auswertung von Daten bis zum Jahr 2017 am 10. Dezember in Dessau-Roßlau mitteilte. Zuwächse habe es in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in den Kreisen mit intensiver Tierhaltung gegeben.

Die hohe Stickstoffzufuhr kommt laut Behörde durch klassische Dünger wie Mineraldünger und Gülle zustande. Zudem steige die Belastung durch Gärreste aus der Biogaswirtschaft, die mittlerweile rund 15 Prozent der in der Landwirtschaft verwendeten Stickstoffmenge verursachten.

UBA-Präsidentin Maria Krautzberger sagte: "Diese Situation hat Deutschland durch Untätigkeit selbst verschuldet. Wer so lange viel zu wenig tut, darf sich nicht wundern, wenn die EU-Kommission gerichtlich auf die Einhaltung der Regeln pocht." Deutschland wurde 2018 vom Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie verurteilt und zu Minderungsmaßnahmen verpflichtet. Die 2017 novellierte Düngegesetzgebung wurde von der EU-Kommission nicht als ausreichend erachtet und muss überarbeitet werden.

Die Landwirtschaft setzt Stickstoffdünger ein, um Erträge zu steigern. Im Übermaß ausgebrachter Stickstoff beeinträchtigt Gewässer, Klima, Luftqualität und Biodiversität.



Shropshire-Schafe als Unkrautvernichter


Bio-Tannen werden immer beliebter.
epd-bild/Thomas Rohnke
Das Angebot an ökologisch angebauten Weihnachtsbäumen steigt langsam, auch wenn der Marktanteil noch unter 0,5 Prozent liegt. Den Produzenten allerdings macht der Klimawandel zu schaffen.

Weihnachten unterm Christbaum: "Rund 28 Millionen Bäume werden insgesamt in diesem Jahr verkauft", schätzt Rudolf Fenner, Waldreferent des Umweltverbandes "Robin Wood". Das heißt: In fast zwei Drittel der 40 Millionen deutschen Haushalte steht über die Feiertage eine Tanne, Fichte oder Kiefer. Gut 90 Prozent kommen laut Fenner aus dem Inland aus eigens angelegten Plantagen. In ihnen wird kräftig gespritzt und gedüngt: Insektizide gegen Käfer und Läuse, Herbizide gegen Löwenzahn und Disteln sowie Mineraldünger für eine intensive Grün- oder Blaufärbung der Nadeln. Dagegen liegt der Anteil der Öko-Bäume unter 0,5 Prozent.

"Allerdings tut sich seit fünf, sechs Jahren was in Deutschland", sagt Fenner. Die Produzenten bauten mehr Bio-Bäume an und böten sie nach sieben oder acht Jahren Wachstum zum Selberschlagen oder direkt ab Hof an. Auch Baumärkte hätten immer häufiger Christbäume mit einem Siegel anerkannt ökologisch wirtschaftender Betriebe wie Naturland, Bioland oder Demeter im Sortiment. Die gleichen Qualitätsstandards erfüllten auch Bäume aus zertifizierten Forstbetrieben oder mit dem Bio-Siegel der Europäischen Union.

733 Öko-Verkaufsstellen

Nach einer Erhebung von Robin Wood ist die Zahl der Verkaufsstellen von Öko-Christbäumen in Deutschland seit 2010 von 55 auf 733 gestiegen. Auch die Zahl der Produzenten wächst: Zurzeit listet Robin Wood bundesweit 85 auf, im vergangenen Jahr waren es erst 75. Demnach sind Bayern und Nordrhein-Westfalen die Bundesländer mit dem größten Angebot.

Reinhard Rausch aus Grebenhain im Vogelsberg ist einer von zwei Hessen, die Öko-Christbäume kultivieren. Seine Nordmann-Tannen verkauft der Nebenerwerbs-Forstwirt auf seinem Hof im großen Freundes- und Bekanntenkreis, außerdem werden sie in einem örtlichen Bioladen angeboten.

Die Bedingungen auf seiner Plantage auf rund 500 Meter Höhe sind gut. "Jährlich fällt in der Region zwischen 1.100 und 1.200 Millimeter Niederschlag", sagt Rausch. "Außerdem trägt der Basaltverwitterungsboden dazu bei, dass meine Setzlinge, die in einer Darmstädter Baumschule biologisch gezogen wurden, gut gedeihen."

Auf Chemiecocktails verzichtet Rausch aus tiefster Überzeugung. Als Rasenmäher und Unkrautvernichter setzt er neben einer Sense vor allem seine zehn Shropshire-Schafe ein. Die mittelgroßen, kräftigen Tiere mit ihren Wollköpfen stammen aus der gleichnamigen englischen Grafschaft an der Grenze zu Wales. Sie eignen sich hervorragend für Christbaumkulturen, da sie die kleinen Bäumchen nicht verbeißen oder schälen und auch die jungen Knospen ungeschoren lassen.

Bio-Landwirt Lothar Kails aus Lützkampen in der Eifel arbeitet in diesem Jahr bei der Vermarktung seiner rund 1.000 Öko-Bäume mit einem Bio-Markt in Trier zusammen. Sie seien auf etwa 540 Meter Höhe gewachsen und wiesen so gut wie keine Schäden auf. Nur die Endtriebe seien wegen des Wassermangels kürzer geraten als in den Vorjahren. "Das Entscheidende beim Anbau sind die Lage und die Bodenbeschaffenheit", betont er.

Klimaprobleme

Wie Rausch im Vogelsberg überlässt auch Kails das Gedeihen der Bäume der Natur. Mit der Sense ist er höchstens zweimal im Jahr zwischen den Bäumen unterwegs. Außerdem schneidet er sie regelmäßig zurück, damit sie eine gleichmäßig dichte Pyramidenform entwickeln.

Alles eitel Sonnenschein, könnte man meinen. Wenn da nicht der Klimawandel wäre. "In diesem Jahr habe ich an meinen Bäumen einen Nadelpilz festgestellt", berichtet Rausch. Und die Hälfte der etwa 1.200 Setzlinge seien vertrocknet, der Schaden betrage mehr als 700 Euro, klagt er. Experte Fenner von Robin Wood sagt: "Wenn das mit der Klimaerwärmung so weiter geht, kann man sich ausrechnen, dass wir in sieben bis acht Jahren zu wenige Öko-Bäume haben werden."

Trockenheit und Hitze machen allen Weihnachtsbäumen zu schaffen. Fenner geht davon aus, dass wegen der beiden vergangenen Hitzesommer bundesweit mehr als 80 Prozent der Neupflanzen eingegangen sind.

Angst vor der Zukunft haben die beiden Bio-Weihnachtsbaumproduzenten aus Hessen und Rheinland-Pfalz aber nicht. Im Gegenteil: Im kommenden Jahr will Rausch eine weitere Fläche neu mit Bio-Setzlingen bepflanzen. Und auch Kails plant eine neue Plantage: "Ich bin seit 2008 im Geschäft, es macht einfach Spaß."

Dieter Schneberger (epd)


Klimafreundliches Verhalten führt Liste der guten Vorsätze an

Zwei Drittel der nordrhein-westfälischen Bürger wollen selbst zum Klimaschutz beitragen. Umwelt- und klimafreundlicheres Verhalten steht auf der Liste der guten Vorsätze für 2020 mit 64 Prozent Zustimmung an der Spitze, wie die Krankenkasse DAK-Gesundheit am 11. Dezember in Düsseldorf mitteilte. Auf Rang zwei der NRW-weiten repräsentativen Befragung landeten mit jeweils 60 Prozent die Vorhaben, Stress zu vermeiden und mehr Zeit für die Familie aufzubringen.

Dabei liege die Umwelt vor allem den jungen Menschen am Herzen, hieß es. 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen gaben demnach an, sie wollten mehr auf klimafreundliches Verhalten achten. Bei den Befragten über 60 Jahre waren es nur 57 Prozent.

Jeweils die Hälfte der Befragten wollen sich im kommenden Jahr mehr bewegen (56 Prozent), gesünder ernähren (52 Prozent) und mehr Zeit für sich selbst nehmen (48 Prozent). Rund ein Drittel (33 Prozent) hat den Vorsatz gefasst abzunehmen, etwa genauso viele wollen weniger Geld ausgeben (31 Prozent). Gut ein Viertel (27 Prozent) plant mehr Auszeiten bei der Handy- und Computernutzung.



Naturschutzbund lässt zum zehnten Mal die Wintervögel zählen


Eine Blaumeise knabbert an einem Meisenknödel.
epd-bild/ Steffen Schellhorn

Zum zehnten Mal ruft der Naturschutzbund (Nabu) in Nordrhein-Westfalen zum Mitmachen bei der "Stunde der Wintervögel" auf. Vogelfreunde sind eingeladen, zwischen dem 10. und 12. Januar eine Stunde lang Vögel zu beobachten, zu zählen und dem Nabu zu melden, wie eine Sprecherin in Düsseldorf mitteilte. Beobachtet werden könnten die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park. Gemeldet werden soll von jeder Vogelart die höchste Anzahl, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu sehen ist.

Die Ergebnisse können Teilnehmer unter www.stundederwintervoegel.de bis zum 20. Januar mitteilen. Telefonische Meldungen sind den Angaben zufolge am 11. und 12. Januar jeweils von 10 bis 18 Uhr unter der kostenlosen Rufnummer 0800/1157-115 möglich. Zur Vorbereitung stellt der Nabu unter anderem einen "Vogeltrainer" mit Informationen über die 15 häufigen Wintergäste online zur Verfügung. Schulklassen und Kindergruppen lädt die Naturschutzjugend (Naju) zudem vom 6. bis 10. Januar zu einer "Schulstunde der Wintervögel" an, deren Ergebnisse ebenfalls in die Auswertung des Nabu einfließen.

Nach dem zweiten Rekordsommer in Folge könne die Zählung darüber Aufschluss geben, wie sich anhaltende Dürre und Hitze auf die heimische Vogelwelt auswirkten, erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Nabu Nordrhein-Westfalen, Heinz Kowalski. In diesem Jahr hoffen die Vogelschützer zudem auf interessante Erkenntnisse über den Eichelhäher. Im Herbst habe es einen massiven Einflug dieser Art nach Deutschland gegeben, sagte Kowalski. Es seien zehnmal so viele Eichelhäher gekommen als sonst üblich.

An der letzten derartigen Zählung im Januar 2019 hätten sich in NRW mehr als 26.000 Menschen beteiligt, hieß es weiter. Den Spitzenplatz ergatterte dabei der Haussperling, gefolgt von Kohlmeise und Blaumeise.




Gesellschaft

Kabinett gibt Zustimmung für jüdische Militärseelsorge


Bundeswehrsoldaten
epd-bild/Rolf Zöllner
Neben Pfarrern sollen künftig auch Rabbiner Soldaten der Bundeswehr begleiten. Das Bundeskabinett gab grünes Licht für einen Staatsvertrag zur Verankerung jüdischer Militärseelsorge.

Für jüdische Bundeswehrsoldaten kann es voraussichtlich schon bald eigene Militärseelsorger geben. Das Bundeskabinett gab am 11. Dezember in Berlin seine Zustimmung zu einem Staatsvertrag für die Verankerung jüdischer Militärseelsorge. Erstmals seit 100 Jahren würde es damit wieder Militärrabbiner in der deutschen Armee geben. Das sei ein starkes Zeichen für jüdisches Leben in Deutschland, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach dem Kabinettsbeschluss in Berlin.

Seit Jahrzehnten gibt es evangelische und katholische Militärpfarrer in der Bundeswehr auf Grundlage entsprechender Verträge mit den Kirchen. Weil die Zahl christlicher Soldaten abnimmt und zugleich die Religionszugehörigkeiten pluraler werden, sollen die Pfarrer künftig nicht die einzigen Geistlichen in der Armee sein.

Den Staatsvertrag für die jüdische Militärseelsorge hatte noch die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf den Weg gebracht. Unterzeichnet werden soll er Ende kommender Woche von ihrer Amtsnachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und dem Zentralrat der Juden. Der Vertrag sieht zehn Militärrabbiner vor, die wie andere Militärseelsorger auch Soldaten im Inland und bei Auslandseinsätzen begleiten können.

Etwa 300 jüdische Soldaten

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, die Rabbiner würden auch über den lebenskundlichen Unterricht zur Gewissensbildung der Soldaten beitragen. Diesen Unterricht für Soldaten gestalten auch die Kirchen mit. "Die Militärrabbiner werden die Bundeswehr bereichern", sagte Schuster.

Die Zahl jüdischer Soldaten schätzt das Verteidigungsministerium auf rund 300. Eine genaue Erfassung der Religionszugehörigkeit gibt es nicht. Dem Staatsvertrag müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), begrüßte den Kabinettsbeschluss. "Der Vertrag ist ein Eckstein der Religionsfreiheit in Deutschland", sagte er. Alle Soldatinnen und Soldaten hätten Anspruch auf Seelsorge. Dieser Vertrag zeige zudem, "dass das jüdische Leben zu Deutschland gehört", sagte Grübel.

Muslimische Militärseelsorge geplant

Geplant und seit langem von Islam-Verbänden gefordert wird auch eine muslimische Militärseelsorge. Die Verankerung ist allerdings schwieriger, weil der Staat bei der muslimischen Gemeinschaft keinen verbindenden Dachverband als Gegenüber hat, der die Muslime mehrheitlich vertritt. Religiöse Soldaten, die keine eigenen Seelsorger in der Bundeswehr haben, können sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums an eine Ansprechstelle wenden, die Seelsorger vermittelt.

Rund 3.000 Muslime sind in der Bundeswehr, schätzt das Ministerium. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz sagte, die Bundesregierung sei gefragt, auch mit den muslimischen Verbänden einen Vertrag über die Seelsorge zu unterzeichnen. Sie warf dem Ministerium vor, das Thema zu verschleppen. Regierungssprecher Seibert sagte, die Gestaltung muslimischer Begleitung der Bundeswehr sei Gegenstand laufender Gespräche.



Hass-Meldepflicht und Strafverschärfungen

Nach dem antisemitisch motivierten Anschlag in Halle hat sich die Bundesregierung auf ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus verständigt. Ein Kernstück ist die Verfolgung und Ahndung von im Internet verbreiteten Hass. Am 13. Dezember hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ihren Referentenentwurf vorgestellt, der nun noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden muss. Fragen und Antworten zu den Plänen der Ministerin:

Wie soll dem Problem von Hass im Netz begegnet werden?

Lambrecht plant vor allem zwei Dinge: Sie will die Betreiber sozialer Netzwerke stärker in die Pflicht nehmen, um eine Verfolgung von Hass-Straftaten zu garantieren. Zudem plant sie Verschärfungen im Strafgesetzbuch. Sie sollen dafür Sorge tragen, dass Beleidigungen und Drohungen im Netz, die für viele sichtbar sind, schärfer geahndet werden. "Eine Beleidigung auf Twitter oder Facebook, die unzählige Nutzer sehen können, ist etwas anderes als eine Beleidigung in der Kneipe", heißt es in einem Papier des Ministeriums.

Was sollen Plattformen gegen Hass-Straftaten machen?

Geplant ist eine Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das Betreiber sozialer Netzwerke bislang dazu verpflichtet, strafrechtlich relevante Inhalte zu löschen. Künftig müssen die Betreiber bestimmte von Nutzern gemeldete Postings sowie IP-Adresse und Port-Nummer auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden. Kommen die Plattformen ihrer Pflicht nicht nach, drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro.

Welche Straftaten müssen gemeldet werden?

Die Meldepflicht umfasst Morddrohungen, Volksverhetzung, Gewaltdarstellungen, Verbreitung von Propaganda oder Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten, Bildung und Unterstützung terroristischer Vereinigungen, Verbreitung von Kinderpornografie sowie die Belohung und Billigung von Straftaten. Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung fallen nicht unter die Meldepflicht, weil es sogenannte Antragsdelikte sind. Die Nutzer sollen also selbst entscheiden, ob sie Strafanzeige stellen. Plattformbetreiber müssen beim Melden solcher Taten die User aber künftig darauf hinweisen, dass sie Anzeige stellen können.

Welche Strafgesetze werden verschärft?

Lambrecht plant eine höhere Strafe für Beleidigungen im Netz. Wer andere öffentlich im Netz beleidigt, soll künftig mit bis zu zwei statt einem Jahr Gefängnis bestraft werden können. Geplant ist auch, dass künftig Drohungen mit Körperverletzungen gegen eine Person und ihr nahestende Personen strafbar sind. Das gilt derzeit nur für Drohungen mit einem Verbrechen, etwa Mord. Strafbar soll auch werden, wenn die Drohung mit Straftaten gebilligt wird, um ein Klima der Angst zu schaffen. Beispiel wäre die Aussage, jemand solle "an die Wand gestellt" werden. Die Billigung von Straftaten ist bislang nur dann strafbar, wenn die Tat schon begangen wurde. Strafbar ist die Billigung vor allem dann, wenn sie eine große öffentliche Wirkung erzielt. Das kann durch sogenannte Likes oder ein verbales Unterstreichen der Fall sein, hängt aber jeweils vom Einzelfall ab.

Corinna Buschow (epd)


Synagogentür aus Halle wird zu Mahnmal


Die Tür der Synagoge in Halle am Tag nach dem Anschlag.
epd-bild/Georg Wittmann

Die Tür der Synagoge in Halle, die das Eindringen eines Attentäters am 9. Oktober verhindert hatte, wird zu einem Mahnmal gestaltet. Die durch Schüsse beschädigte Tür soll abgebaut, ausgetauscht und im Hof der Syngoge ausgestellt werden, teilte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, am 13. Dezember in Halle mit. Einen entsprechenden Beschluss habe die Repräsentantenversammlung am Mittwochabend getroffen. Vorgesehen sei, die Tür in einem "künstlerischen Projekt" zu verarbeiten.

Zuvor war auch ein Standort in der Stadt Halle vorgesehen gewesen. Man habe sich aber nun für den Hof entschieden. Zu Einzelheiten des Projekts und zum Zeitplan konnte Privorozki noch keine Angaben machen. Er verwies darauf, dass der Austausch der Tür auch vom Sicherheitskonzept für die Synagoge abhängig sei.

Zwei Menschen erschossen

Bei dem antisemitisch und rechtsextremistisch motivierten Anschlag Anfang Oktober in Halle waren eine 40-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann erschossen worden. Auf der Flucht verletzte der Täter zwei weitere Menschen schwer. Zuvor hatte der schwer bewaffnete Mann vergeblich versucht, in die Synagoge der Stadt einzudringen. Er scheiterte an der geschlossenen Tür. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort zu diesem Zeitpunkt insgesamt 51 Gläubige versammelt.



Antisemitismus: Straßenkarneval in Belgien kein Kulturerbe

Die Unesco hat den Karneval im belgischen Aalst von der Repräsentativen Liste des Immateriellen Kulturerbes gestrichen. Damit verurteile der Unesco-Ausschuss antisemitische Darstellungen beim Straßenkarneval in Belgien, erklärte die Deutsche Unesco-Kommission am 13. Dezember in Bonn. In den vergangenen Jahren hätten wiederholt Festwagen mit rassistischen und antisemitischen Darstellungen am Straßenkarneval in der belgischen Stadt teilgenommen. Der Unesco-Ausschuss strich nach eigenen Angaben erstmals eine Tradition von dieser Liste.

Vorgang bislang einmalig

Die Vorfälle in Aalst seien weder mit den Grundprinzipien des Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes noch mit den in ihrer Charta niedergelegten Werten vereinbar, erklärte die Unesco. Die Weltkulturorganisation stehe zu ihren Grundprinzipien der Würde, Gleichheit und des gegenseitigen Respekts. Verurteilt würden hingegen alle Formen von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Laut dem zweiten Artikel der Konvention würden für die Unesco-Listen nur Kulturformen infrage kommen, die den Anspruch gegenseitiger Achtung von Gruppen und Gemeinschaften anerkennen und mit den internationalen Menschenrechtsübereinkommen in Einklang stehen würden.

21 weitere Traditionen als Kulturerbe anerkannt

Der Unesco-Ausschuss nahm 21 weitere Formen von traditionellem Wissen und Können in die repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf. Dazu gehören das Spiel der irischen Harfe, das Kwagh-Hir-Theater aus Nigeria und die traditionelle Massagetechnik Nuad Thai aus Thailand.

Der Unesco-Ausschuss hat damit auf seiner Sitzung im kolumbianischen Bogotá insgesamt 35 Kulturformen auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt. Die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes verzeichnet fünf Neuaufnahmen, das Register guter Praxisbeispiele zum Erhalt Immateriellen Kulturerbes zwei - darunter die Erhaltung traditionellen Handwerks als Strategie der Friedenssicherung in Kolumbien.

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Seit 2003 unterstützt die UN-Kultur- und Bildungsorganisation Unesco den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Bis heute sind 178 Staaten dem Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Der Zwischenstaatliche Ausschuss setzt sich aus 24 Vertragsstaaten der Konvention zusammen. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen auf die Unesco-Listen.



Menschenrechtler: Christen im Nahen Osten stärker bedroht


Syrisch-orthodoxer Gottesdienst in Syrien (Archivbild)
epd-bild/Sebastian Backhaus

Im Nahen Osten wird die religiöse Vielfalt nach Angaben von Menschenrechtlern immer mehr bedroht. In den von Bürgerkriegen betroffenen Ländern Syrien und dem Irak fühlten sich die wenigen verbliebenen Christen immer unsicherer, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker am 12. Dezember in Göttingen. Hauptgefahren seien fehlende Staatsordnungen und islamistische Milizen. Auch andere nicht-muslimische Volksgruppen wie Jesiden, Mandäer oder Bahai stünden unter Druck.

Im Sommer dieses Jahres lebten der Menschenrechtsorganisation zufolge im Irak weniger als 150.000 Christen. Bevor die USA 2003 in das Land einmarschierten, seien es 1,5 Millionen gewesen. "Innerhalb von einer Generation schrumpfte die christliche Bevölkerung also um 90 Prozent", sagte der Nahostexperte der Gesellschaft, Kamal Sido. Das selbe Phänomen zeige sich in Syrien. Dort habe es Mitte des Jahres schätzungsweise rund 500.000 Christen gegeben - gegenüber 1,5 Millionen vor Beginn des Konflikts im Jahr 2011.

Schläferzellen des IS erwacht

Nach der Zerschlagung des "Islamischen Staates (IS)" im Norden und Osten Syriens durch die von Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) habe sich die Situation für religiöse Minderheiten in Teilen Syriens und Iraks zunächst verbessert, erläuterte Sido. Durch den völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Nordsyrien und die wiederholten Luftangriffe des Nato-Landes auf kurdische Stellungen im Irak seien nun viele Schläferzellen des IS aktiv geworden. Bombenanschläge mit vielen zivilen Opfern hätten wieder zugenommen.

Während die Türkei radikale sunnitische Milizen unterstütze und finanziere, erhielten schiitische Milizen Hilfe vom Iran. "Diese Gruppen sind zwar untereinander verfeindet", sagte Sido. "Einig sind sie sich jedoch bei der Verfolgung von Christen, Jesiden, Mandäern, Bahai und Juden." Durch die fortgesetzte Unterdrückung und Verfolgung, gezielte Entführung und Ermordung von Christen im Irak und in Syrien sei das christliche Leben in diesen Ländern stark bedroht.



"Streiter für europäische Werte und Demokratie"

Der rumänische Präsident Johannis setzt sich für europäische Werte und kulturelle Vielfalt ein. Als Brückenbauer zwischen west- und osteuropäischen Gesellschaften erhält er nun den internationalen Karlspreis 2020.

Der rumänische Präsident Klaus Johannis erhält den Internationalen Karlspreis zu Aachen 2020. Damit würdigt ihn das Karlspreis-Direktorium als einen herausragenden Streiter für die europäischen Werte, für Freiheit und Demokratie sowie für den Schutz von Minderheiten, wie der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) am 14. Dezember bekanntgab. Die Auszeichnung sei eine Ermutigung für Johannis, seinen europäischen Weg entschlossen weiterzugehen, heißt es in der Begründung. Der Festakt der Preisverleihung findet am 21. Mai im Krönungssaal des Aachener Rathauses statt.

Johannis habe ein Land, das eine brutale Diktatur überwinden konnte, Schritt für Schritt zum europäischsten in Südosteuropa gemacht, heißt es in der Begründung des Karlspreisdirektoriums. Die Europäische Union sei heute in vielen wesentlichen Fragen zerstritten und gespalten. Angesichts der großen globalen Herausforderungen brauche es aber Einigkeit, gegenseitige Anerkennung und Versöhnung. Der Karlspreisträger Johannis verkörpere im Osten den europäischen Wertekanon, die Stärkung der europäischen Rechtsgemeinschaft und die gemeinsame Idee von einer europäischen Zukunft.

Einsatz gegen Korruption

Während Andere nationalkonservative, sogar rechtspopulistische Haltungen gegenüber der Europäischen Union einnehmen würden, habe Johannis mit Rumänien mit großem Einsatz und Erfolg zu einer proeuropäischen, rechtsstaatlichen Politik geführt, hob Direktoriumssprecher Jürgen Linden hervor. Johannis stärke die Europäische Union, bekenne sich zu ihren Zielen und fördere die Zusammenarbeit. In einer ersten Reaktion habe der designierte Karlspreisträger bei einem Telefonat am Morgen gesagt, dass er sich geehrt fühle und sich sehr über diese hohe Auszeichnung freue.

Der 1959 in Sibiu/Hermannstadt geborene Johannis ist seit 2014 Präsident von Rumänien. Als Präsident habe er sich mit seinem Programm für ein rechtsstaatliches, transparentes und korruptionsfreies "Rumänien der gut gemachten Sache" eingesetzt, hieß es. Johannis gehöre der rumäniendeutschen Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen an, betrachtet sich selbst als "ethnisch Deutscher und rumänischer Staatsbürger". Bereits ab 1990 war Johannis Mitglied des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR).

Franziskus und Bill Clinton

Ab dem Jahr 2000 wurde Johannis mehrmals mit großer Mehrheit zum Bürgermeister seiner Heimatstadt gewählt. Im Juni 2014 wurde Johannis Vorsitzender der nationalliberalen Partei PNL, die ihn in einem Wahlbündnis für die Präsidentschaftswahlen im selben Jahr nominierte.

Der Aachener Karlspreis wird seit 1950 an Menschen und Institutionen verliehen wird, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern gehören der französische Präsident Emmanuel Macron, Papst Franziskus, der damalige Präsident des europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige US-Präsident Bill Clinton. In diesem Jahr erhielt UN-Generalsekretär António Guterres die Auszeichnung.



Weimarer Menschenrechtspreis für zwei Aktivistinnen

Der Weimarer Menschenrechtspreis ist am 10. Dezember in der Klassikerstadt zum 25. Mal vergeben worden. Er ging an Laila Fakhouri aus der Westsahara und Ihsan Fagiri aus dem Sudan. Vor dem Hintergrund des Jubiläums wurden zum erst zweiten Mal zwei Aktivisten ausgezeichnet und das Preisgeld auf 10.000 Euro aufgestockt. Der Stadtrat hatte beiden Frauen den Preis am 11. September zuerkannt.

Die 25-jährige Fakhouri war vom Kinderhilfswerk "terre des hommes" für die Auszeichnung vorgeschlagen worden. Sie kämpfe mit friedlichen und juristischen Mitteln für das Recht der Sahrauis auf Anerkennung durch Marokko. Trotz Drohungen und Repressalien engagiere sie sich als Prozessbeobachterin, Übersetzerin, Vermittlerin und Botschafterin für inhaftierte Landsleute, hieß es zur Begründung.

Widerstand gegen Al-Baschir

Fagiri gilt als zentrale Persönlichkeit des friedlichen Widerstandes gegen den sudanesischen Ex-Diktator Omar al-Baschir. Die Ärztin und Dozentin, von der Gesellschaft für bedrohte Völker für den Menschenrechtspreis vorgeschlagen, habe sich als Gründerin der Menschenrechtsorganisation "No to Women’s Oppression" seit langem für Frauenrechte eingesetzt. Dabei klage die 65-Jährige seit Jahren Menschenrechtsverletzungen auf Grund der Scharia oder Fälle von Völkermord an.

Der Menschenrechtspreis wird seit 1995 vergeben. Die Verleihung findet am Internationalen Tag der Menschenrechte statt. Zwei frühere Preisträger, die Iranerin Narges Mohammadi (2016) und der Uigure Ilham Tohti (2017), sind aktuell inhaftiert. Der Kubaner Guillermo Fariñas Hernandez (2006) steht unter Hausarrest.



Muslimische "Weihnacht": Wie der Islam Jesu Geburt versteht

Muslime feiern zwar nicht im christlichen Sinne Weihnachten, aber einige stellen in ihren Wohnzimmern trotzdem Weihnachtsbäume auf. Im Koran gibt es übrigens auch eine "Weihnachtsgeschichte" - hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

- Feiern Muslime Weihnachten?

Ein Weihnachtsfest im christlichen Sinne wird von Muslimen nicht begangen, aber zahlreiche Muslime vor allem in Europa mögen die Traditionen, die mit dem Weihnachtsfest verbunden sind: Sie schlendern über Weihnachtsmärkte, dekorieren das Haus und treffen sich im Familien- und Verwandtenkreis. In einigen Wohnzimmern steht auch ein geschmückter Baum. Ein Festessen und Geschenke für Kinder gibt es bei manchen Muslimen ebenfalls - wobei viele dafür nicht den Weihnachtstag, sondern Silvester wählen. "Weihnachten wird offenkundig von vielen inzwischen religions- und kulturübergreifend wahrgenommen", stellt die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor fest.

- Gibt es auch Muslime, die dagegen sind, solche weihnachtlichen Traditionen zu übernehmen?

Ja, denn viele argumentieren, dass das Fest daran erinnern soll, dass Gott Mensch wurde und in Jesus auf die Welt kam. Dass Jesus Gottes Sohn ist, lehnt der Islam allerdings eindeutig ab. Außerdem wird auf den heidnischen Ursprung des Festes hingewiesen, der ebenfalls kritisch gesehen wird: Der 25. Dezember war zur Zeit des Römischen Reichs ein Fest zur Ehren des Sonnengottes, auf das später das Geburtstagsfest Jesu gelegt wurde.

- Wie sieht es außerhalb Europas aus?

In der arabischen Welt, beispielsweise in Ägypten und Syrien, besuchen einige Muslime aus Respekt und freundschaftlicher Verbundenheit die Weihnachtsmessen der orientalischen Christen. Und selbst in Dubai und Indonesien stehen geschmückte Tannenbäume.

- Gibt es im Koran auch eine Weihnachtsgeschichte?

Im Koran stehen zwei Berichte über die Geburt Jesu: In der Sure 3 und Sure 19, der sogenannten Sure "Maryam". Das Jesuskind wird dort aber nicht in Bethlehem in einer Krippe, sondern an einem "fernen Ort" unter einer Palme geboren, wo Maria - auf arabisch "Maryam" - in völliger Einsamkeit und unter starken Schmerzen ihren Sohn auf die Welt bringt. Auf wunderbare Weise lässt Gott ihr zum Trost Datteln wachsen und eine Wasserquelle entspringen. Bis heute beten manche Musliminnen, wenn sie ein Kind auf die Welt bringen, die Sure "Maryam" und essen Datteln zur Stärkung.

- Welche Rolle spielt Jesus im Koran?

Jesus ist ein Prophet Gottes, der Verkünder des Evangeliums. Im Koran wird auch von Wundern berichtet, die er vollbrachte. Sein erstes Wunder war, dass er als neugeborenes Baby sprach und Maria verteidigte, als die unverheiratete junge Frau mit einem Kind auf dem Arm zu ihrer Familie zurückkehrte. Jesus ist im Islam zwar ein besonderer Mensch, aber nicht Gottes Sohn, der am Kreuz gestorben ist. Dies soll die "Weihnachtsgeschichte" im Koran auch deutlich machen: "Es steht Gott nicht an, sich irgendein Kind zuzulegen", heißt es am Ende der koranischen Geburtsgeschichte Jesu in Sure 19.

- Kennt der Islam auch die Jungfrauengeburt Marias?

"Geboren von der Jungfrau Maria" - das glauben auch Muslime. Laut Koran wird Maria durch Engel verkündigt, dass Gott sie auserwählt hat und sie ein Kind bekommen wird, das hoch angesehen sein wird und "einer von denen ist, die Gott nahestehen" (Sure 3, 42-46).

Maryam ist laut der islamischen Theologin Hamideh Mohagheghi auch heute noch ein beliebter islamischer Mädchenname, weil Maria als wahrhaft standhafte und gläubige Muslimin gilt. Maria ist die einzige Frau, die im Koran namentlich erwähnt wird. Ihr Name kommt im Koran 34 Mal vor - öfter als im Neuen Testament. Nach der islamischen Tradition wird Maria zusammen mit Mohammeds Frauen Aischa und Khadidscha sowie seiner Tochter Fatima als eine der vier besten Frauen angesehen, die je gelebt haben und die die höchste Stufe des Paradieses erlangen.

Judith Kubitscheck (epd)


Sehnsucht nach Ruhe


Einkaufsstraße zur Adventszeit
epd-bild / Peter Endig
Gerade im Trubel der Adventszeit wächst bei vielen Menschen die Sehnsucht nach Stille. Dabei kann es durchaus herausfordernd sein, zur Ruhe zu kommen.

Rummel in der Innenstadt: Auf dem Weihnachtsmarkt dreht sich das Karussell zu "Fröhliche Weihnacht überall" und "Oh Tannenbaum", auf den Straßen hupen hektische Autofahrer. Von "Stille Nacht" ist in den Tagen vor Weihnachten in der Regel nichts zu spüren. Rund die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland ist gestresst von dem vorweihnachtlichen Trubel in den Innenstädten, wie eine aktuelle Umfrage der KKH Kaufmännische Krankenkasse ergab. Dabei sehnen sich viele Menschen besonders in der Adventszeit nach Besinnlichkeit und Stille.

Die Realität sieht nicht nur in den Wochen vor Weihnachten meist anders aus. Lärm wird zunehmend zum Problem, wie Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat zeigen. Danach sind die Menschen in kaum einem europäischen Land so genervt von der Geräuschkulisse ihrer Umgebung wie in Deutschland. Knapp 28 Prozent der Bundesbürger ist es permanent zu laut. Im EU-Durchschnitt sind es nur 18 Prozent.

Doch wird es tatsächlich von Jahr zu Jahr lauter, wie viele Menschen meinen? Die Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA) findet dafür keine Anhaltspunkte. Zwar seien tatsächlich immer noch viel zu viele Menschen vor allem durch Verkehrslärm einem gesundheitsschädlichen Geräuschpegel ausgesetzt, sagt Michael Jäcker-Cüppers, Vorsitzender des Arbeitsrings Lärm der DEGA. Doch tendenziell sei es durch modernere Motoren, bessere Straßenbeläge und Lärmschutzmaßnahmen eher etwas leiser geworden.

Stressniveau steigt

"Aber wir stellen fest, dass die Menschen sich heute bei gleichem Pegel stärker belästigt fühlen als noch vor zehn Jahren." Grund sei wohl ein allgemein gestiegenes Stressniveau, dem die Menschen ausgesetzt seien, mutmaßt der Lärm-Experte.

Oft sei es die große innere Unruhe, die Menschen extrem empfindlich gegen Geräusche werden lasse, beobachtet auch Michael Seitlinger. "In unserem Inneren herrscht oft ein regelrechter Affenzirkus", sagt der Münchner katholische Theologe und Achtsamkeitstrainer. In seinen Seminaren kommt es vor, dass gestresste Teilnehmer sich gelegentlich sogar schon von Vogelgezwitscher in ihrer Ruhe gestört fühlen. Zugleich hätten viele Menschen aber regelrecht Angst vor der Stille, stellt Seitlinger fest.

Ähnliche Erfahrungen macht der Achtsamkeitstrainer und Pädagoge Rüdiger Standhardt aus Gießen. "Die Sehnsucht nach Ruhe ist sehr ambivalent." Einerseits wünschten sich viele Menschen nichts mehr als Stille, weiß Standhardt, der unter anderem Schweigeseminare leitet. "Wenn dann aber die Ruhe eintritt, dann sagen die gleichen Menschen innerhalb kürzester Zeit: 'Die Ruhe macht mich fertig.'" Grund sei, dass die Stille zunächst dazu führe, dass unbewältigte Konflikte oder Fragen ins Bewusstsein rückten. Manche Menschen hielten das nicht aus.

"Achtsamkeit und Ruhe sind keine Wellness-Produkte"

Seitlinger betont: "Achtsamkeit und Ruhe sind keine Wellness-Produkte." Zur Ruhe zu kommen, könne durchaus herausfordernd sein.

Doch es lohne sich, ein gewisses Unbehagen zunächst einmal hinzunehmen, erklärt Standhardt. "Es gibt keinen Umweg, um diese zunächst sehr ernüchternde Phase zu vermeiden." Dann bleibe es aber nicht bei diesem unangenehmen Zustand. Wer sich auf die Stille einlasse, könne zu erholsamer Ruhe finden und neue Tiefen in sich erkunden. Eine stärkere innere Ausgeglichenheit und Ruhe könne dann auch helfen, weniger unter Lärm aus der Umgebung zu leiden, ist auch Seitlinger überzeugt.

Doch wie lässt sich im Alltag zwischen Job, Einkäufen und Haushalt Ruhe finden? "Wichtig ist es, den Autopiloten auszuschalten", sagt Standhardt. Oft stehe man morgens auf und gehe automatisch den vielen Aufgaben nach, die der Tag bereithalte, ohne innezuhalten. Eine Möglichkeit, mehr Ruhe und Achtsamkeit in den Tag zu bringen, seien regelmäßige kurze Pausen. Das sei auch am Arbeitsplatz möglich.

Standhardt empfiehlt, dreimal am Tag jeweils drei Minuten achtsam innezuhalten. Zeitlich sei das durchaus machbar. "Trotzdem ist das für viele erst einmal eine riesengroße Herausforderung", stellt Standhardt fest, wenn er Arbeitnehmer berät.

Innere Einkehr will gelernt sein

Für den Einstieg in das Achtsamkeitstraining empfiehlt er, zunächst einmal mit 15 Minuten Stille am Morgen nach dem Aufstehen zu beginnen. "Wenn sie das zwei Monate durchhalten, merken viele Menschen, dass sie eine heilsame Distanz gewinnen, auch wenn um sie herum alles so verrückt ist wie immer." Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Apps, die zu Achtsamkeitsübungen oder Meditationen anleiten.

Entscheidend für den Erfolg sei es, regelmäßig zu üben, sagt Seitlinger. Das wäre dann ein Alternativprogramm zum Dauer-Weihnachtsrummel: Meditation am Morgen - oder ganz klassisch am Adventskranz eine Kerze anzünden und die Stille auf sich wirken lassen. Denn Advent bedeute schließlich "Ankunft", sagt der Theologe. Gemeint ist damit die Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu Christi. "Wer innehält und achtsam ist, kann aber auch bei sich selbst ankommen", sagt Seitlinger.

Claudia Rometsch (epd)


100 Jahre alt und ständig unterwegs


Vor dem Mauerfall 1989 gingen jedes Jahr bis Weihnachten 25 Millionen Päckchen und Pakete von West- nach Ostdeutschland.
epd-bild / Tilman Steffen
Millionenfach werden sie in der Vorweihnachtszeit ausgeliefert: Päckchen sind heute eine Selbstverständlichkeit. Doch die kleinen Warensendungen gibt es erst, seitdem sie sich im Ersten Weltkrieg als Feldpost bewährt hatten.

Der Duft von Zimt, Nelken und Kardamom stieg Ernst Emmerich in die Nase, als er am 1. Advent 1914 einen von der Deutschen Reichspost beförderten Feldpost-Brief öffnete. Die Eltern hatten dem jungen Soldaten "Studentenkäppchen" - ein traditionelles Weihnachtsgebäck - an die Front nach Russland geschickt. Möglich wurde das durch eine postalische Neuerfindung: Die Einführung des Feldpost-Päckchens bis 550 Gramm. Für den 24-Jährigen aus Suhl und seine Kameraden waren die kleinen Warensendungen ein Lichtblick inmitten der Tristesse auf dem Schlachtfeld. "Die paar kleinen Dingerchen hatten gar viel zu erzählen mit ihrem heimatlichen Weihnachtsgeschmack", bedankte sich Emmerich bei seinen Eltern für die Plätzchen. "Es war ein Traum aus einer besseren Welt."

Doch auch nach dem Krieg wollten die Deutschen nicht mehr auf die kleinen Päckchen verzichten. Der erste Reichspostminister der Weimarer Republik, Johannes Giesberts von der Zentrumspartei, ordnete deshalb am 21. Dezember 1919 ihre Einführung als Dienstleistung für die gesamte Bevölkerung an. Die Päckchen durften bis zu einem Kilogramm schwer sowie maximal 25 x 15 x 10 Zentimeter groß sein. Ab dem 1. Januar 1920 wurden die ersten kleinen Päckchen befördert. Größere Pakete hatte es schon vorher gegeben.

Dabei hatte die Deutsche Reichspost eigentlich gar nicht mit dem dauerhaften Erfolg der für die Feldpost ersonnenen Dienstleistung gerechnet. Zu Beginn des Krieges seien zunächst nur bestimmte "Päckchenwochen" eingeführt worden, sagt Veit Didczuneit vom Museum für Kommunikation in Berlin. "Versuchsweise hatte man ausprobieren wollen, wie viel Bedarf da ist und ob man das alles überhaupt schafft." Das Modellprojekt sei dann nach und nach ausgeweitet worden.

Propagandazwecke

"Man hatte das natürlich zu Propagandazwecken eingeführt und zur Aufrechterhaltung der Moral bei den Soldaten", sagt der Historiker Ralf Rossmeissl vom Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, der sich mit der Feldpost im Ersten Weltkrieg beschäftigt hat. Funktioniert habe das, weil die Post im Kaiserreich sehr fortschrittlich und gut organisiert gewesen sei. "Da kam der Kuchen von der Mutter tatsächlich noch an der vordersten Front an." Und so wurde das Päckchenpacken im Ersten Weltkrieg populär.

"Oft wurden die Päckchen-Sendungen an Soldaten auch von Privatinitiativen organisiert", berichtet Rossmeissl. So starteten etwa Feuerwehren, Bürgermeister oder auch Handwerksbetriebe Sammelaktionen, um die Soldaten mit sogenannten "Liebesgaben" zu unterstützen. Besonders beliebt seien Lebensmittel wie Wurst oder Gebäck gewesen. Häufig wurden auch warme Wollsocken, Handschuhe oder Tabakwaren an die Front geschickt.

Auch nach dem Krieg blieb das Päckchen beliebt. Denn es bot die Möglichkeit, kleinere Waren kostengünstiger zu verschicken. Pakete und Frachtgutsendungen hatte es bereits vor dem Krieg gegeben. "Doch da musste man mehr bezahlen für Dinge, die man in einer kleineren Form auch hätte günstiger verschicken können", sagt Post-Historiker Didczuneit.

Erste Päckchen hatten Porto von 60 Pfennigen

Bei seiner Einführung vor 100 Jahren kostete das Päckchen 60 Pfennig Porto. Ein Paket war mindestens doppelt so teuer, je nach Gewicht und Entfernung konnte der Preis auch noch deutlich höher werden. Für Geschäftskunden war es besonders praktisch, dass das Päckchen auch als Rolle von maximal 30 Zentimetern Länge und 15 Zentimetern Durchmesser verschickt werden durfte. Nun konnten etwa Akten oder Dokumente kostengünstig versendet werden.

Ein großer Vorteil gegenüber dem Paket war auch, dass die kleinen Päckchen schneller beim Adressaten ankamen. Denn sie wurden mit der Briefpost ausgetragen. "Damit das möglich war, hatte es eben diese kleinen Formate", erklärt Didczuneit.

Wie sich die Menge der neu eingeführten Päckchensendungen entwickelte, ist nicht lückenlos erforscht. Das Aufkommen sei in jedem Fall stark von der wirtschaftlichen Lage abhängig gewesen, sagt Didczuneit. Nach einem Tief während der Weltwirtschaftskrise seien die Zahlen in den 30er Jahren wieder nach oben gegangen. Damals seien rund 100 Millionen Päckchen pro Jahr versandt worden.

Modernste und effektive Logistik heute

Im Zweiten Weltkrieg stieg ihre Zahl wegen der vielen Feldpost-Sendungen sprunghaft an. Die Post geriet durch das hohe Aufkommen und die kriegsbedingte Personalknappheit in den Postämtern an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Gelöst wurde das Problem durch die Einführung von nummerierten "Päckchenleitgebieten" - den Vorgängern der heutigen Postleitzahlen.

Auch 100 Jahre nach seiner Einführung ist das Päckchen nicht aus der Mode gekommen. Moderner geworden ist aber die Logistik. In den 90er Jahren begann die Deutsche Post DHL mit dem Bau riesiger Paketzentren. In dem erst im November in Betrieb gegangenen neuesten DHL-Paketzentrum in Bochum werden pro Stunde bis zu 50.000 Päckchen und Pakete sortiert.

Das ist auch notwendig, denn durch den Aufschwung des Online-Handels hat sich die Zahl der Warensendungen enorm erhöht. Die Beförderung von Paketen und Päckchen insgesamt verdoppelte sich bei DHL innerhalb der vergangenen zehn Jahre annähernd auf rund 1,5 Milliarden. Wie viele davon Päckchen waren, ist nicht erfasst. Fest steht aber wohl, dass die Karriere des Päckchens auch nach 100 Jahren noch lange nicht vorbei sein dürfte.

Claudia Rometsch (epd)


100 Jahre Volksbund Kriegsgräberfürsorge

Der nordrhein-westfälische SPD-Politiker Thomas Kutschaty hat zum 100-jährigen Bestehen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge an das Friedensengagement des Vereins und auch an seine teils belastete Geschichte erinnert. "Heute ist der Volksbund sich der Tatsache bewusst, dass er einen schwierigen Spagat bewältigen muss", sagte Kutschaty am 10. Dezember auf dem Festakt im Düsseldorfer Landtag laut Redetext. Als Vorsitzender des Landesverbandes NRW unterstrich der Abgeordnete: "Ohne pauschale Schuldzuweisungen müssen wir erkennen, dass auf jedem deutschen Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg gekämpft und dabei sein Leben gelassen hat, der Schatten der NS-Diktatur lastet."

Landesvorsitzender Kutschaty würdigt Engagement für Frieden

Kutschaty erinnerte daran, dass der Volksbund, der am 16. Dezember 1919 in Berlin gegründet wurde, Akteur in der Weimarer Republik und im Dritten Reich war. Er sei nicht unschuldig an der Aushöhlung der Weimarer Demokratie gewesen. "Und durch den Bau monumentaler Kriegsgräberstätten war er ein willfähriges Werkzeug der Nationalsozialisten", sagte er. Angesichts der Schrecken, die im 20. Jahrhundert von Deutschland ausgegangen seien, müssten die Deutschen "sehr dankbar für die offenen Hände sein, die uns die Europäer und die Amerikaner nach diesem Krieg entgegenstreckten".

Der Volksbund, der mittlerweile 834 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten Europas und Nordafrikas angelegt habe und rund 2,8 Millionen Gräber pflege, trage dieser Verantwortung heute Rechung, betonte der Vorsitzende des NRW-Landesverbandes. Die Arbeit des Vereins stehe auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts, des Grundgesetzes und der europäischen Grundrechtecharta. "Die Erinnerung an Krieg und Gewaltherrschaft betrachten wir als Mittel der Verständigung, des Friedens, der Freiheit und der Demokratie; Kriegsgräberfürsorge verstehen wir als Beitrag zur europäischen Integration."

Dass der Volksbund auch in Zukunft gebraucht werde, zeigten die einschneidenden Erlebnisse der jüngsten Zeit, sagte Kutschaty. Die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und das Attentat auf die Synagoge in Halle versetzten auch die Mitglieder des Volksbundes in große Sorge. "Denn wer, wenn nicht wir, wissen um die Folgen von rechtsextremer Hetze, Diffamierung Andersdenkender und Ausgrenzung von allen, die anders sind." Die Folgen begegneten den Aktiven im Volksbund bei ihren Besuchen der Kriegsgräberstätten mit "erschreckender Deutlichkeit".

Der Volksbund setzte sich für den Frieden ein und bringe junge Menschen mit Kriegsgräbern in Kontakt. "Wir sind wachsam gegenüber Versuchen, das Kriegstotengedenken einseitig politisch zu vereinnahmen."



NRW: Nur knapp ein Drittel der Professuren mit Frauen besetzt

In höheren Gehaltsgruppen an NRW-Hochschulen sind noch immer deutlich weniger Frauen als Männer zu finden. Vor allem bei den Professuren ist die Ungleichheit mit einem Frauenanteil von lediglich 30 Prozent besonders groß, wie aus dem am 9. Dezember veröffentlichten Gender-Report 2019 der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW an der Universität Duisburg-Essen hervorgeht.

Zudem stehen Professorinnen den Angaben zufolge finanziell schlechter da als ihre Kollegen. "Im Durchschnitt und über alle Besoldungsgruppen und Hochschularten hinweg haben verbeamtete Professorinnen jeden Monat 521 Euro weniger im Portemonnaie als ihre männlichen Kollegen", sagte die Leiterin der Forschungsstelle, Beate Kortendiek. Professorinnen erhalten dem Bericht zufolge im Schnitt 6.255 Euro monatlich, bei Professoren sind es 6.777 Euro.

Gravierender Unterschied in der Medizin

Besonders gravierende Gehaltsunterschiede gibt es demnach in der Medizin. Die Gehaltsdifferenz zwischen Professorinnen und Professoren liegt hier den Angaben zufolge durchschnittlich bei fast 1.000 Euro. Über alle Forschungsbereiche hinweg liegt die Differenz an Universitäten im Schnitt bei knapp 750 Euro, an Kunsthochschulen sind es mehr als 220 Euro und an Fachhochschulen knapp 120 Euro.

Als Ursache für die Unterschiede wird vor allem die 2002 eingeführten W-Besoldung genannt, bei der individuelle Leistungszulagen ausgehandelt werden können. Die Regelung vergrößere die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern, hieß es.

Der Report erscheint alle drei Jahre. Er beruht auf einer Auswertungen der amtlichen Daten des Landes NRW, des statistischen Landesamts und des Landesamts für Besoldung und Versorgung.



Ministerium benennt 25 neue Talentschulen in NRW

Die Zahl der Talentschulen in Nordrhein-Westfalen wächst zum kommenden Schuljahr 2020/21 von bislang 35 auf 60. Bei den 25 neuen Talentschulen, die von einer Expertenjury ausgewählt wurden, handelt es sich um 16 allgemeinbildende und neun berufsbildende Schulen, wie das NRW-Schulministerium am 12. Dezember in Düsseldorf mitteilte.

Die Talentschulen erhalten zusätzliches Personal, ein zusätzliches Fortbildungsbudget sowie Unterstützung durch eine Schulentwicklungsberatung. Zudem setzen die Schulen innovative Unterrichtskonzepte im Rahmen ihrer fachlichen Orientierung um. Ziel des Projektes ist es, mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung zu ermöglichen und Schulen in einem schwierigem sozialen Umfeld zu stärken.

Für die zweite Runde des Schulversuchs hatten sich 98 Schulen aus NRW beworben. Zum Schuljahr 2019/2020 waren die ersten 35 Talentschulen gestartet. Mit der Auswahl der nun hinzugekommenen Talentschulen ist die Zahl der geförderten Einrichtungen komplett.

"Wir gehen den Weg weiter und kommen unserem Ziel näher, Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft mehr individuelle Chancen auf eine erfolgreiche Bildungskarriere zu ermöglichen", sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Zusätzliche Unterstützung benötigten Schulen mit besonderen Herausforderungen. Erfolgreiche Konzepte aus der Schul- und Unterrichtsentwicklung sollten allen Schulen mit ähnlichen Herausforderungen zugänglich gemacht werden.



Chanukka-Fest mit Berliner Jiddisch Swing Orchestra in Saarbrücken

Die Synagogengemeinde Saar lädt am 22. Dezember zum Chanukka-Fest nach Saarbrücken ein. Den Auftakt macht das Jiddisch Swing Orchestra aus Berlin, welches ab 17 Uhr in der Synagoge osteuropäischen Klezmer, Swing, Jiddisch-Cabaret, Oriental-Pop und Jazz präsentiert, wie die Synagogengemeinde am 9. Dezember mitteilte. Um 18 Uhr folge dann der Abendgottesdienst und im Anschluss daran das Entzünden der ersten Chanukka-Kerze auf dem Vorplatz der Synagoge.

Mit dem Lichterfest Chanukka feiern Juden den Sieg der Makkabäer über die syrischen Armeen im Jahr 164 vor Christus und die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels. Weil damals das ewige Licht im Tempel wie durch ein Wunder acht Tage lang gebrannt haben soll, wird an dem Leuchter jeden Tag eine weitere Kerze angezündet. Chanukka-Leuchter stehen traditionell auch vor dem Weißen Haus in Washington, nahe dem Big Ben in London und auf dem Roten Platz in Moskau.




Soziales

Paragraf 219a: Gericht verurteilt Ärtzin Hänel erneut


Ärztin Kristina Hänel mit ihrem Rechtsanwalt im Landgericht Gießen.
epd-bild / Salome Roessler
Die Ärztin Kristina Hänel ist vor Gericht mit ihrer Berufung gegen ein Urteil wegen verbotener Werbung für Abtreibungen gescheitert. Die Richter setzten die Strafe jedoch herab. Kritiker des Paragrafen 219a fordern seine endgültige Abschaffung.

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel ist wegen verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbrüche erneut schuldig gesprochen worden. Vor dem Landgericht Gießen scheiterte sie am 12. Dezember mit ihrer Berufung gegen ein Urteil aus dem Jahr 2017. Damals war sie zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie gegen den Strafrechts-Paragrafen 219a verstoßen hat. Das Landgericht setzte die Geldstrafe nun jedoch herab: Nach dem neuen Urteil muss die Ärztin 2.500 Euro zahlen.

Die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze äußerte in der Urteilsbegründung Bedenken an der Reform des Paragrafen 219a. Diese sei nicht gelungen. Sie sei im "Schnellstrickverfahren" entstanden und widersprüchlich.

Erneute Revision

Hänel kündigte an, erneut in Revision zu gehen. Bereits vor der Neuauflage des Prozesses hatte die 63-Jährige erklärt, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. 80 Unterstützer versammelten sich am Donnerstagmorgen vor dem Landgericht. Auch auf Twitter erhielt Hänel nach dem Urteil viel Zuspruch.

Die Allgemeinmedizinerin informiert auf der Internetseite ihrer Praxis darüber, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt und verlinkt auf ein Dokument, in dem die medikamentöse und die operative Methode beschrieben werden. "Ich habe nicht vor, die Informationen von meiner Homepage zu nehmen", sagte Hänel am Donnerstag vor Gericht.

"Grob anstößige Weise"

Paragraf 219a verbietet Werbung für Abtreibungen aus finanziellem Eigeninteresse oder "in grob anstößiger Weise". Seit der Neuregelung im Februar dürfen Praxen zwar informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Für weitere Informationen müssen sie aber auf offizielle Behörden verweisen. Die große Koalition hatte sich auf diesen Kompromiss geeinigt, nachdem die SPD ursprünglich für eine Abschaffung plädiert hatte.

Kritiker wollen den Paragrafen ganz aus dem Strafgesetzbuch streichen. Die Fraktionen der Linken und der FDP im Bundestag forderten am Donnerstag erneut die Abschaffung. Das Urteil belege deutlich, dass die Reform des Paragrafen 219a das Problem nicht gelöst habe, nach wie vor seien Ärzte, die lediglich sachlich informieren und so nur ihre Arbeit machen, von Strafen bedroht, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, in Berlin.

Mangelnde Rechtssicherheit

Auch die Grünen-Bundestagsfraktion kritisierte mangelnde Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte nach der Reform. "Steht nur ein Wort zu viel auf der Homepage, wird aus zulässiger Information eine strafbewehrte Werbung", erklärten die Sprecherinnen für Frauen- und Rechtspolitik, Ulle Schauws und Katja Keul.

Abtreibungen sind in Deutschland gesetzlich verboten, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Seit 1995 gilt die Beratungsregelung, nach der ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei bleibt, wenn die Schwangere eine Beratung in Anspruch genommen hat. Die Zahl der Abtreibungen ist seit einigen Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau. 2018 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamts knapp 101.000 Schwangerschaftsabbrüche bei rund 787.500 Geburten. Die meisten Abtreibungen werden nach der Beratungsregelung vorgenommen, 2018 waren das 97.151.



Armut geht leicht zurück - Deutschland viergeteilt


Warteschlange für die Essensausgabe an einer Tafel (Archivbild)
epd-bild/Thomas Berend
Der aktuelle Armutsbericht des Paritätischen stellt zum ersten Mal seit Jahren einen leichten Rückgang der Armut fest. Die Spaltung zwischen Regionen und Bundesländern vertieft sich aber weiter. Längst verläuft sie nicht mehr zwischen Ost und West.

Die Armut in Deutschland ist laut dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes leicht zurückgegangen. Der am 12. Dezember in Berlin veröffentlichte Report zeigt zugleich, dass sich das Land weiter aufspaltet. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, erklärte, die Kluft zwischen den Wohlstandsregionen und abgehängten Gebieten wachse weiter. Auch der Westen sei tief gespalten und weit entfernt von gleichwertigen Lebensbedingungen. Die Linke und die Grünen warfen der Bundesregierung Versagen bei der Armutsbekämpfung vor.

Die Armutsquote betrug dem Bericht zufolge 2018 im Bundesdurchschnitt 15,5 Prozent, das waren 0,3 Prozentpunkte weniger als 2017. Rechnerisch mussten damit 210.000 Menschen weniger als im Vorjahr unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Quote ging dem Bericht zufolge erstmals seit 2014 zurück, lag aber trotz der jahrelang guten Konjunktur fast einen Prozentpunkt höher als vor zehn Jahren.

Hohe Armutsquote im Ruhrgebiet

Die Armutsquoten teilten Deutschland in vier Regionen, heißt es in dem Bericht. Nach wie vor ist der Osten ärmer als der Westen, andererseits gehört das Ruhrgebiet zu den ärmsten Regionen im ganzen Land. Nordrhein-Westfalen ist deshalb die Region mit der höchsten Armutsquote (18,1 Prozent). Es folgen die ostdeutschen Länder mit 17,5 Prozent und ein Nord-West-Gürtel von Schleswig-Holstein bis zum Saarland mit 15,9 Prozent. Bayern und Baden-Württemberg stehen zusammen mit einer Armutsquote von 11,8 Prozent deutlich besser da als der Rest der Republik.

Der Paritätische stützt sich auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Bei der Berechnung der Armutsquoten zählt dem Bericht zufolge jede Person als einkommensarm, die mit ihrem Einkünften unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Eingerechnet wird das gesamte Nettoeinkommen des Haushalts inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag oder sonstiger Zuwendungen. Die Armutsschwelle für einen Single betrug 2018 beispielsweise 1.035 Euro, für einen Paarhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren 2.174 Euro (Alleinerziehende: 1.656 Euro).

Anders als andere Untersuchungen, die bei der 60-Prozent-Einkommensschwelle die Begriffe "Armutsgefährdung" oder "Armutsrisikoquote" verwenden, spricht der Paritätische Verband ausdrücklich von Armut: "Unterhalb der 60-Prozent-Schwelle herrscht aus Sicht des Paritätischen Armut", hieß es in dem Bericht. Die Bezeichnung "Armutsgefährdung" sei eine Beschönigung, "angesichts der Einkommen, um die es geht und der sich dahinter real verbergenden massiven Armutsprobleme".

Besserung im Osten

Hauptgrund für den bundesweiten Rückgang der Armut ist laut dem Bericht eine positive Entwicklung in den drei bevölkerungsreichen Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern. Auch in sieben weiteren Bundesländern sank die Armutsquote leicht, sie stieg dagegen in Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die niedrigste Armutsquote hat Bayern mit 11,7 Prozent, die höchste Bremen mit 22,7 Prozent.

Merklich verbessert hat sich die Situation in den vergangenen zehn Jahren im Osten der Republik. Besonders stark hat sich hingegen die Situation in Hessen verschlechtert. Das Land gehörte vor zehn Jahren noch zum wohlhabenden Süden. Heute liegt die Armutsquote mit 15,8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Das Ruhrgebiet bleibe mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent bei fast sechs Millionen Einwohnern die "Problemregion Nummer 1", stellt der Bericht fest.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, nannte es "erschreckend, wie stark die räumliche Polarisierung zugenommen hat". Die Regierung müsse die armen Regionen endlich stärker unterstützen, forderte sie. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, verwies darauf, dass Haushalte mit niedrigen Einkommen von der guten Konjunktur nicht profitiert hätten. Es sei unerträglich, dass viele Menschen trotz Arbeit in Armut leben müssten, kritisierte sie.



Armutsforscher kritisierte "Meinungsführerschaft des Neoliberalismus"


Christoph Butterwegge
epd-bild/Guido Schiefer

Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht durch eine ungerechte Verteilung den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht. Wenn ein stärkerer Einfluss mächtiger Interessengruppen auf die Regierungspolitik zu einer immer ungleicheren Verteilung des Bruttoinlandsprodukts führe, würden die Reichen reicher und die Armen zahlreicher, sagte Butterwegge dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Politikwissenschaftler kritisierte eine "Meinungsführerschaft des Neoliberalismus", der die Leistung am ökonomischen Erfolg messe. "Demnach leisten nicht die Erzieherin, die Krankenschwester oder der Altenpfleger viel, sondern der Spitzenmanager oder wer zum Beispiel an der Börse auf die richtigen Aktien gesetzt hat", beklagte Butterwegge.

Butterwegge forderte eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Dieser sollte zu einem "Lebenslohn" fortentwickelt werden, mit dem der expandierende Niedriglohnbereich wieder eingedämmt werden könne. Außerdem müsse es zu einer Umverteilung von oben nach unten kommen. Als Beispiel nannte der Wissenschaftler die Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Armutsbekämpfung sei eine sehr komplexe Angelegenheit, dafür müsse an ganz vielen Stellschrauben gedreht werden. Klar sei jedoch, "dass Reichtumsförderung keine Form der Armutsbekämpfung" sei, sagte Butterwegge, der am 18. Dezember in Bielefeld sein Buch "Die zerrissene Republik: Wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland" präsentiert.

"Mindestrente ist lediglich 'Trippelschritt'"

Die von der Großen Koalition geplante Mindestrente bewertete der Wissenschaftler lediglich als einen "Trippelschritt" bei der Bekämpfung von Armut. Zwar erkenne die Bundesregierung damit an, dass sich Arbeit auch für die Ruheständler lohnen müsse, deren Lohn für eine armutsfeste Rente selbst nach 35 Jahren der Beitragszahlung nicht ausreiche. Etwa bis zu 1,5 Millionen Kleinstrentner würden ab 2021 durchschnittlich 80 Euro mehr im Monat erhalten. Im Bundesdurchschnitt wären das Renten von 890 Euro pro Monat. "Damit ermöglicht man Senioren weder ein Leben in Würde, noch lässt sich Altersarmut so wirksam bekämpfen", kritisierte Butterwegge.

Die rechtspopulistische Partei AfD, die sich als "Partei der kleinen Leute" präsentiere, habe kein überzeugendes Konzept in der Sozial- und Rentenpolitik, warnte der Wissenschaftler. Die Partei sei nicht allein hinsichtlich der dunklen Finanzierungsquellen im Ausland und dubioser Spenden "eine Partei des großen Geldes". Rechtspopulisten lebten davon, dass sich die Gesellschaft spalte. Gerade in der Mittelschicht würden die Ängste vor dem sozialen Abstieg zunehmen, erläuterte Butterwegge: "Das, was 'Flüchtlingskrise' genannt wird, ist ja im Grunde ein Kampf derjenigen, die fürchten, arm zu werden, gegen diejenigen, die noch ärmer sind."

epd-Gespräch: Holger Spierig


Diakonie-Chef: Hartz-IV-Empfänger haben Recht auf Weihnachten


Ulrich Lilie (Archivbild)
epd-bild/Jürgen Blume

Der Präsident der Diakonie-Deutschland, Ulrich Lilie, hat die Bundesregierung aufgefordert, Hartz-IV-Empfängern ein Weihnachtsgeld von mindestens 30 Euro zu gewähren. Er erklärte am 11. Dezember in Berlin, Ausgaben für einen Weihnachtsbaum oder Geschenke seien seit 2005 gestrichen. "Weihnachten ist in Hartz IV nicht vorgesehen", kritisierte Lilie. Kosten für einen Weihnachtsbaum oder Geschenke gälten als nicht relevant für den monatlichen Regelsatz.

"Weihnachten kein unnötiger Luxus"

Gerade in der Weihnachtszeit müssten aber die Bedürfnisse der Schwächsten der Gesellschaft in den Mittelpunkt gerückt werden, erklärte Lilie. Weihnachten sei kein unnötiger Luxus. Die Feier der Geburt Jesu sei ein Fest der Zuversicht und der Hoffnung. "Die Menschen, die es ohnehin schwer haben im Leben, müssen daran ganz besonders teilhaben können", sagte Lilie.

Bis zum Jahr 2005 gab es in der Sozialhilfe eine Weihnachtsbeihilfe von gut 32 Euro. Sie wurde mit der Einführung der Hartz-IV-Regelleistungen ersatzlos gestrichen.



Land verdoppelt Kältehilfen für wohnungslose Menschen

Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Kältehilfen für wohnungslose Menschen auf 200.000 Euro verdoppelt. Mit den Mitteln wolle das Land obdachlosen Menschen unkompliziert helfen, damit sie nicht erfrieren, erklärte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) am 12. Dezember in Düsseldorf. Die freien Träger der Wohnungslosenhilfe können die Fördergelder in einem unbürokratischen Verfahren beantragen, um etwa Schlafsäcke und Isomatten zu beschaffen und an Menschen zu verteilen, die auf der Straße leben. Im vorigen Winter hatte das Ministerium erstmals dafür Mittel zur Verfügung gestellt.

Laumann betonte, in Deutschland müsse niemand unter freiem Himmel leben. Es sei Aufgabe der Kommunen und Kreise, wohnungslosen Menschen eine Unterkunft anzubieten. Viele von ihnen stellten im Winter zusätzliche Notschlafplätze zur Verfügung. "Jeder Mensch hat einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung", sagte der Minister. "Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass es Obdachlose gibt, die diese Angebote nicht annehmen."

Rund 50 freie Träger der Wohnungslosenhilfe haben den Angaben zufolge Mittel für Kältehilfen beantragt. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ruhrgebiet und entlang des Rheins, aber auch ländliche Regionen im Münsterland, Ostwestfalen-Lippe, Sauer- und Siegerland werden unterstützt. Mitte 2018 waren in NRW laut Wohnungslosenstatistik des Landes knapp 45.000 Menschen wohnungslos.



Bundestag beschließt Beitragsentlastungen für Betriebsrentner

Seit Jahren sorgen hohe Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten für Ärger und Enttäuschung bei den Beziehern. Die Abzüge drohen die Betriebsrenten unattraktiv zu machen. Die Koalition mildert die Regelungen nun ab, sogar die Linke stimmt zu.

Ab dem nächsten Jahr sollen die Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten sinken. Der Bundestag beschloss am 12. Dezember in Berlin mit den Stimmen der Regierungskoalition und der Linken einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), mit dem ein Freibetrag eingeführt wird. FDP, AfD und die Grünen enthielten sich der Stimme.

Spahn sagte, insgesamt würden 60 Prozent der Betriebsrentner entlastet. Für etwa ein Drittel halbierten sich die Krankenkassenbeiträge. Bezieher höherer Renten zahlten etwa 300 Euro im Jahr weniger. Auf kleine Betriebsrenten entfalle weiterhin kein Beitrag, sagte Spahn.

"Wut und Frust"

Die sogenannte Doppelverbeitragung sorgte seit Jahren für Unmut, weil die Betriebsrenten schlechter gestellt sind als die gesetzlichen Renten. Für die Altersrente fällt normalerweise nur der halbe Krankenkassenbeitrag an. Die andere Hälfte übernimmt die Rentenversicherung. Hinzu kommt, dass ein Teil der Betriebsrenten aus Einkommen angespart worden sind, auf die ebenfalls schon Beiträge für die Krankenversicherung gezahlt wurden.

Union und SPD hatten sich im Rahmen des Grundrenten-Kompromisses auf die nun beschlossenen Änderungen verständigt. Sie würden nun zügig umgesetzt, erklärte Spahn. Damit werde das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge wieder gestärkt. Die Doppelverbeitragung habe für "viel Wut, viel Frust und viel Vertrauensverlust" gesorgt, sagte Spahn. Das hätten alle Abgeordneten in ihren Wahlkreisen zu spüren bekommen.

Freibetrag von 159,25 Euro

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, erklärte, die Entlastung werde automatisch erfolgen. Es könne aber sein, dass es in den ersten Monaten zu Verzögerungen bei der Umsetzung komme. Zu viel gezahlte Beiträge würden rückerstattet, ohne dass dafür ein Antrag gestellt werden müsse, sagte Dittmar.

Von Januar 2020 an soll künftig für Betriebsrenten ein Freibetrag von 159,25 Euro gelten, bis zu dem gar keine Krankenkassenbeiträge fällig werden. Für den darüber hinausgehenden Rentenanteil wird der volle Krankenkassenbeitrag fällig. Im Bundesdurchschnitt sind das gegenwärtig 15,5 Prozent des Einkommens.

Bisher gilt nur eine Freigrenze von 155,75 Euro, bis zu der keine Beiträge anfallen. Darüber wird auf die gesamte Betriebsrente aber der volle Krankenkassenbeitrag fällig. Betriebsrentner mit mehr als 155,75 Euro und bis zu 320 Euro Rente im Monat profitieren daher von den Änderungen am stärksten.

Den Krankenkassen entgehen dem Gesetz zufolge etwa 1,2 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr, die anfangs teilweise und später vollständig von der Allgemeinheit der Beitragszahler aufgebracht werden müssen.

Nicht weit genug

Alle Fraktionen begrüßten die Entlastung der Betriebsrentner. Die Opposition kritisierte aber, sie erfolge nicht konsequent und gehe nicht weit genug. Dennoch stimmte die Linksfraktion dem Gesetz zu. Sie hatte selbst mehrfach Anträge zur Abschaffung der Doppelverbeitragung gestellt. Rund 25 Euro mehr im Monat für Betriebsrentner seien immerhin ein erster Schritt, erklärte der rentenpolitische Sprecher der Fraktion, Matthias W. Birkwald.

Die FDP kritisierte, es würden weiter diejenigen mit höheren Betriebsrenten benachteiligt. Die Grünen bemängelten, die Entlastung der Betriebsrentner schaffe neue Ungerechtigkeiten, weil sie auch von Arbeitnehmern mitfinanziert werden müsse, die selbst keine Betriebsrenten haben. Die AfD verlangte einen höheren Freibetrag, der auch für die Beiträge zur Pflegeversicherung gelten müsse.



Tarifverdienste voraussichtlich 3,1 Prozent höher als 2018

Die Tarifverdienste werden im Jahresdurchschnitt 2019 voraussichtlich um 3,1 Prozent höher liegen als im Vorjahr. Das wäre der höchste Anstieg seit dem Jahr 2014, wie das Statistische Bundesamt am 11. Dezember in Wiesbaden unter Berufung auf erste Berechnungen mitteilte. 2018 waren die Tarifverdienste um durchschnittlich 2,9 Prozent gegenüber 2017 gestiegen.

Berücksichtigt wurden monatliche tarifliche Grundvergütungen und tariflich festgelegte Sonderzahlungen wie Einmalzahlungen, Jahressonderzahlungen oder tarifliche Nachzahlungen. Ohne Sonderzahlungen werden die tariflichen Monatsverdienste den Angaben zufolge voraussichtlich um 2,7 Prozent über dem Jahresdurchschnitt 2018 liegen.

Preisanstieg 1,5 Prozent

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert in seinem aktuellen Jahresgutachten für das Jahr 2019 einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,5 Prozent, wie es weiter hieß. Damit würde die Verdienstentwicklung der Tarifbeschäftigten im Jahr 2019 deutlich über der Inflationsrate liegen. Die endgültigen Jahresergebnisse für 2019 werden Ende Februar 2020 veröffentlicht.



Bethel bittet um Briefmarken der Weihnachtspost

Zur Adventszeit bitten die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel wieder um abgestempelte Briefmarken der Weihnachtspost. Die an Bethel gespendeten Briefmarken sichern Arbeitsplätze für rund 125 Menschen mit Behinderungen, wie die diakonische Einrichtung am 13. Dezember in Bielefeld mitteilte. In der Briefmarkenstelle Bethel nehmen die Menschen die Sendungen entgegen, sortieren die Marken und bereiten sie für den Verkauf vor, hieß es weiter. Der Erlös aus dem Verkauf an Sammler fließe in die diakonische Arbeit in Bethel.

Seit mehr als 130 Jahren werden in Bethel Briefmarken gesammelt und wiederverkauft. Der langjährige Bethel-Leiter Friedrich von Bodelschwingh (1877-1946) hatte die Idee, mit dem Sammeln der entwerteten Briefmarken behinderten Menschen eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten, die ihren oft stark eingeschränkten Fertigkeiten entspricht. Den Angaben zufolge werden in der Briefmarkenstelle in Bielefeld-Bethel jährlich rund 130 Millionen Briefmarken gesammelt.



Bonner Bahnhofsmission arbeitet 2020 weiter


Mitarbeiter-Weste der Bahnhofsmission
epd-bild/Rolf Zöllner

Die Bonner Bahnhofsmission wird doch nicht geschlossen. In Abstimmung mit verschiedenen Partnern haben die Träger Diakonie und Caritas entschieden, die Arbeit 2020 ohne Unterbrechung fortzuführen, wie die Diakonie am 10. Dezember in Bonn mitteilte. Man freue sich über die Hilfe der Bahn und hoffe auf Zustimmung und Unterstützung aus der Stadtgesellschaft.

Die Bahnhofsmission hatte im September angekündigt, die Arbeit zum Jahreswechsel einzustellen. Bonn sei kein Verkehrsknotenpunkt wie Köln oder Frankfurt. Vielmehr entwickle sich der Bahnhof zu einem reinen Regional- und Pendlerbahnhof, der kein klassisches Einsatzgebiet für eine Bahnhofsmission darstelle. Nur noch wenige Menschen nutzten dort die Angebote der Bahnhofsmission.

Seit dem 1. Dezember hat das ehrenamtliche Team der Bahnhofsmission zudem ein neues Leitungsteam. Pfarrer Wolfgang Harnisch und Albert Schmitz haben die Rolle den Angaben zufolge von Gregor Bünnagel übernommen. Seit 15 Jahren ist die Bahnhofsmission in Bonn vor Ort. Aktuell arbeiten dort rund 30 Ehrenamtliche.



Sozialverband mahnt barrierefreien Ausbau von Bussen und Bahnen an

Der Sozialverband VdK in Nordrhein-Westfalen mahnt den weiteren Ausbau der Barrierefreiheit im Öffentlichen Personennahverkehr an. "Dieser Schritt ist angesichts der demografischen Entwicklung unverzichtbar", forderte der VdK-Landesvorsitzende Horst Vöge am 11. Dezember in Düsseldorf. "Schließlich lebten schon Ende 2018 rund zwei Millionen schwerbehinderte Menschen in NRW - Tendenz steigend."

Vöge erinnerte daran, dass das Personenbeförderungsgesetz bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit bei U-/Stadt- und Straßenbahnen, Schwebe- und H-Bahn sowie Linienbussen vorschreibt. Öffentliche Verkehrsmittel seien gerade für Menschen mit Bewegungseinschränkungen und Sinnesbehinderungen ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer Mobilität und damit für ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, betonte der VdK-Chef. Gut zugängliche und leicht benutzbare Busse und Bahnen nützten aber auch älteren Menschen und Fahrgästen mit großem Gepäck oder Kinderwagen.



Gesundheitswirtschaft hat starken Anteil an NRW-Wirtschaftskraft

In Nordrhein-Westfalen hat die Gesundheitswirtschaft im vergangenen Jahr zehn Prozent der Wirtschaftskraft erbracht. 1,3 Millionen Erwerbstätige in dieser Branche erwirtschafteten 63,2 Milliarden Euro, wie das statistische Landesamt am 11. Dezember in Düsseldorf mitteilte. Damit sei knapp ein Zehntel (9,9 Prozent) der Wirtschaftsleistung des Landes von der Gesundheitswirtschaft erbracht worden. Etwa jeder siebte Erwerbstätige (14,1 Prozent) arbeitete in NRW in diesem Bereich.

Die Bruttowertschöpfung, also der im Produktionsprozess geschaffene Mehrwert, der nordrhein-westfälischen Gesundheitswirtschaft sei innerhalb von zehn Jahren von 44,5 Milliarden Euro im Jahr 2008 um 13 Prozent auf 63,2 Milliarden Euro im Jahr 2018 gestiegen, hieß es. Damit habe sich ihr Anteil an der gesamten Wirtschaftskraft von 8,6 Prozent auf knapp 9,9 Prozent erhöht. Die Zahl der Erwerbstätigen sei im gleichen Zeitraum von 1,09 Millionen um 19,1 Prozent auf 1,3 Millionen gestiegen.



NRW-Gesundheitspreis: Schwerpunkt "Seelische Gesundheit im Alter"

Beim nordrhein-westfälischen Gesundheitspreis steht 2020 die seelische Gesundheit im Alter im Fokus. "In einer Gesellschaft des langen Lebens sind immer mehr Menschen von Demenz und psychischen Erkrankungen betroffen", sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bei der Veröffentlichung der Ausschreibung am 16. Dezember. Gesucht werden innovative Projekte, die zeigen, wie sich das Gesundheitswesen auf die Zunahme seelischer Krankheiten im Alter einstellen kann. Die besten Projekte werden im Herbst 2020 ausgezeichnet. Der Preis ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert.

Etwa zehn Prozent der über 65-Jährigen sind laut Ministerium an einer Demenz erkrankt und etwa 20 Prozent an einer weiteren psychischen Krankheit wie Depressionen, Angststörungen oder Suchtkrankheiten. Einige Beispiele, wie Menschen bis ins hohe Alter ihre seelische Gesundheit erhalten könnten, seien das Training der geistigen Leistungsfähigkeit, körperliche Betätigung und eine gesunde Ernährung, sagte Laumann: "Wichtig sind aber insbesondere auch der zwischenmenschliche Kontakt und die gesellschaftliche Teilhabe".



Statistisches Jahresbuch: Mehr Eheschließungen in NRW

Im vergangenen Jahr sind in Nordrhein-Westfalen 96.643 Ehen geschlossen worden. Darunter waren 88.422 Ehen zwischen Männern und Frauen sowie 8.221 zwischen Menschen gleichen Geschlechts, wie aus dem am 10. Dezember in Düsseldorf veröffentlichten statistischen Jahrbuchs 2019 für Nordrhein-Westfalen hervorgeht. Die Zahl der Ehen zwischen Männern und Frauen ist damit im Vergleich zu 2017 gestiegen (86.475).

Generell waren die Partner nur selten im gleichen Alter (9.873). Meistens war der Mann den Statistikern zufolge zwischen zwei und fünf Jahren (24.690) oder mehr als fünf Jahre älter (24.827) als die Frau. Die Partnerin ist bei Eheschließungen mit 35- bis 40-jährigen Männern am häufigsten (5.090) fünf oder mehr Jahre jünger. Die größte Zahl der gleichaltrigen Eheschließungen gibt es bei Partnern zwischen 25 und 30 Jahren (3.567).

Mehr verwitwete oder geschiedene Männer über 60 Jahre (4.183) haben sich der Statistik zufolge noch einmal entschieden zu heiraten als Frauen im gleichen Alter (2.372). Verwitwete oder geschiedene Frauen, die noch einmal heiraten, finden sich am häufigsten im Alter zwischen 50 und 55 Jahren (4.240).

Im vergangenen Jahr kam es zudem zu 34.602 Scheidungen. Das waren etwas weniger als ein Jahr zuvor (35.778), wie die Statistiker mitteilten.




Medien & Kultur

Beethoven zum Neuentdecken


Beethoven-Büste von Franz Klein aus dem Jahr 1812
epd-bild/Meike Böschemeyer
Ludwig van Beethoven ist einer der weltweit bekanntesten Komponisten. Das bundesweite Jubiläumsjahr zu seinem 250. Geburtstag startet nun mit zwei Ausstellungen in der Bundeskunsthalle und im Beethoven-Haus Bonn.

"Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich." Diese Worte soll Ludwig van Beethoven (1770-1827) seinem Gönner Karl von Lichnowsky wütend ins Gesicht gesagt haben. War der gebürtige Bonner, der in Wien als einer der ersten freiberuflichen Komponisten arbeitete, also ein Freigeist und Republikaner? Dazu will freilich gar nicht passen, dass sich Beethoven auch immer wieder von Adeligen aushalten ließ. Wer also war dieser Beethoven, der sozusagen unvergessliche Welthits schrieb, wie das Klavierstück "Für Elise" oder die 9. Sinfonie, deren "Ode an die Freude" zur Europahymne wurde?

Bundeskunsthalle und Beethoven-Haus wollen zum Auftakt des Jubiläumsjahres mit Klischees rund um den Komponisten aufräumen, den fast jeder zu kennen glaubt. Die Ausstellungen in Bonn geben einen Eindruck von den zahlreichen Facetten eines genialen und manchmal auch widersprüchlichen Menschen: Beethoven zum Neuentdecken.

Mit 14 Jahren Hofmusiker

Unter dem Titel "Beethoven. Welt.Bürger.Musik" zeichnet die Bundeskunsthalle in einer umfassenden Schau den Lebensweg des Menschen und Künstlers nach. Zeitgleich eröffnet das frisch renovierte Beethoven-Haus seine neu gestaltete Dauerausstellung sowie eine Sonderschau über die Geschichte des berühmtesten Beethoven-Porträts von Joseph Stieler. Die beiden Sonderausstellungen, die bis zum 26. April zu sehen sind, starten genau ein Jahr vor Beethovens 250. Geburtstag: am 16. Dezember 2019.

Beethoven, der in Bonn geboren wurde und im Alter von 22 Jahren nach Wien übersiedelte, ist bis heute einer der weltweit meist gespielten Komponisten. Die Bundeskunsthalle hat rund 250 Exponate zusammengetragen, um das Leben und Schaffen des berühmten Künstlers sichtbar zu machen, darunter Original-Partituren, Briefe, Erstausgaben und Gemälde. Überall in der Ausstellung gibt es Hörstationen, an denen Besucher Beethoven musikalisch näherkommen können.

Die Schau startet mit einem Blick auf Beethovens Bonner Zeit. Der Komponist wurde in eine Musikerfamilie hineingeboren und stand bereits mit 14 Jahren als Hofmusiker in den Diensten des in Bonn residierenden Kurfürsten Maximilian Franz. Rund 70 seiner Werke entstanden in Bonn. Schon als Jugendlicher verstand es Beethoven, freundschaftliche Kontakte zu knüpfen, die zugleich seine Karriere förderten, etwa zur Bonner Adels-Familie von Breuning.

Das Klischee vom misanthropischen Beethoven, der zurückgezogen in seiner Kammer komponiert, lasse sich nicht aufrechterhalten, sagt Kuratorin Agnieszka Lulinska. "Beethoven verfügte auch in Wien über ein hervorragendes Netzwerk an Freunden und Gönnern." Neben Charakterschwächen, die auch immer wieder zu Zerwürfnissen führten, habe er sich auch als liebenswerter und treuer Freund gezeigt.

"Ein Popstar"

Beethoven war zudem mitnichten ein verkannter Künstler. "Schon zu Lebzeiten war er ein Popstar", sagt Ko-Kuratorin Julia Ronge. In Wien hatte er schnell Karriere gemacht und verdiente auch gut am Verkauf seiner Werke an Verlage. Allerdings sei er praktisch permanent krank gewesen, sagt Lulinska. Ein besonders schwerer Schicksalsschlag war Beethovens zunehmende Ertaubung, die ihn 1802 in eine tiefe Depression stürzte. Die Ausstellung dokumentiert die teils haarsträubenden medizinischen Kuren, die Beethoven an sich vornehmen lässt, um geheilt zu werden.

Die "Schicksals-Sinfonie" Nr. 5 ist die musikalische Überwindung von Beethovens Lebenskrise. Danach komponiert er mehr als je zuvor. Die Ausstellung widmet sich nicht nur diesem Stück, sondern nimmt auch andere ausgewählte Schlüsselwerke unter die Lupe, darunter die 3. Sinfonie (Eroica) oder die "Missa Solemnis".

Die Bundeskunsthalle präsentiert auch das berühmte Beethoven-Porträt von Joseph Stieler. Die Geschichte dieses Bildes, das die Beethoven-Rezeption entscheidend geprägt hatte, thematisiert unterdessen die Ausstellung "In bester Gesellschaft. Joseph Stielers Beethoven-Porträt und seine Geschichte" im Beethoven-Haus. Dort ist das an die Bundeskunsthalle ausgeliehene Bild normalerweise zu Hause. Die Schau zeigt unter anderem original Konversationsbücher des ertaubten Beethoven, die die Entstehung des Bildes dokumentieren. Präsentiert werden weitere Porträts berühmter Persönlichkeiten, die sich von Stieler malen ließen - wie etwa Johann Wolfgang von Goethe oder der Bayern-König Ludwig I.

Das Museum in Beethovens-Geburtshaus, das weltweit über die größte Beethoven-Sammlung verfügt, wurde anlässlich des Jubiläumsjahres renoviert und erweitert. Es bietet nun unter anderem einen neuen Sonderausstellungsbereich sowie eine "Schatzkammer" im Kellergewölbe, die wertvolle Originalmanuskripte des Komponisten zeigt.

Claudia Rometsch (epd)


Dem Urtext auf der Spur


Original-Lutherbibel mit Widmung von 1546
Nach einem Umbau präsentiert sich das Bibelmuseum Münster nach modernsten Standards. Klimatisierte Vitrinen und eine "digitale Besucherführung" setzen die zum Teil jahrtausendealten Schriften optisch in Szene. Zur Sammlung gehören fast 1.500 Bibeln.

Ein Höhepunkt der Sammlung des Bibelmuseums in Münster ist nach wie vor eine Lutherbibel aus dem Jahr 1546 mit einer persönlichen Widmung des Reformators. Mit dieser Widmung habe Martin Luther in wenigen Zeilen seine Theologie zusammengefasst, sagt Museumsdirektor Holger Strutwolf. "Er entwirft darin ein Bild von Jesus Christus, das ihn nicht als strengen Richter, sondern als freundlichen Helfer und liebenden Heiland zeigt." Neben der Widmung, die Luther kurz vor seinem Tod schrieb, ist ein Buch mit seinen 95 Thesen aus dem Jahr 1517 ausgestellt.

Nach fünfeinhalbjährigen Umbauarbeiten wurde das Bibelmuseum an der Pferdegasse unweit des Münsteraner Domes am 13. Dezember feierlich wiedereröffnet. Zwar hat sich die Ausstellungsfläche mit insgesamt 160 Quadratmetern nicht verändert, dafür ist aber die Zahl der Exponate von rund 400 auf jetzt knapp 1.500 gestiegen. Möglich wurde das unter anderem durch 650 altsprachliche Bibeln aus der Sammlung von Walter Remy. Der Jurist und private Sammler aus dem rheinland-pfälzischen Betzdorf/Sieg hatte sie vor neun Jahren dem Museum überlassen. "Es handelt sich dabei um die frühesten Drucke, die es gibt, und um die europaweit größte Bibelsammlung aus Privatbesitz", erläutert Kustos Jan Graefe.

Sammlung "Remy" wird erstmals präsentiert

Ebenfalls neu sind zwei Vitrinen von je 13 Metern Länge, die einerseits der Konservierung, andererseits der besseren Präsentation dienen. Dem Aufbau der Vitrinen sei es geschuldet, dass Umbau und Wiedereröffnung sich so lange verzögert hätten. "Es gab immer wieder Probleme, in den Vitrinen eine gleichmäßig Luftfeuchtigkeit und Temperaturen ohne Luftverwirbelung zu erzeugen", erklärt Strutwolf. Auch habe es unvorhergesehene Schwierigkeiten bei der Renovierung des Gebäudes aus den 1960er Jahren gegeben. Die Beleuchtung im Ausstellungsraum ist ebenfalls an die konservatorischen Bedürfnisse der teilweise jahrtausendealten Schriften angepasst.

Den Schwerpunkt legt die Ausstellung auf das griechische Neue Testament und die deutsche Bibel. Zu den Exponaten zählen frühe Handschriften auf Papyrus, Pergament und Papier sowie repräsentative Buchdrucke. Zum Teil sind sie aufgeschlagen in den Vitrinen zu besichtigen, zum Teil stehen sie aufgereiht wie in einer Bibliothek. Auf diese Weise lässt sich die Geschichte der deutschen Bibel von frühen Übersetzungen über die Lutherbibel bis zu heutigen Übersetzungen in verschiedene Dialekte nachvollziehen.

Archiv beherbergt weitere 2.000 Objekte

Ebenfalls gezeigt werden Bibel-Illustrationen berühmter Maler wie Hans Holbein d. J. oder Marc Chagall. Sogar eine originalgetreu nachgebildete Gutenbergpresse ist zu sehen. Neben den 1.500 ausgestellten Exponaten gibt es noch rund 2.000 Objekte im Archiv, auf die das Museum zurückgreifen kann. "Dadurch haben wir die Möglichkeit, thematische Schwerpunkte zu setzen und das Museum an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern unterschiedlich zu bespielen", sagt Kustos Graefe.

Insgesamt acht Bibelmuseen gibt es in Deutschland. Das Bibelmuseum in Münster ist das einzige davon, das an eine Universität angeschlossen ist. Es ist Teil des Instituts für Neutestamentliche Textforschung (INTF) an der Westfälischen Wilhelms-Universität. Das Team dort arbeitet daran, den Urtext des griechischen Neuen Testaments zu rekonstruieren. Dies sei insofern wichtig, weil alle originalen Handschriften der 27 neutestamentlichen Bücher verloren gegangen sind und erhaltene Abschriften aus späteren Jahrhunderten zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen, erklärt Strutwolf, der auch Direktor des Instituts ist.

Mit 3D-Brille zum Bibelforscher werden

Neben der Sammlung Remy und der innovativen Vitrinentechnik gehört eine "digitale Besucherführung" zu den Neuerungen im Bibelmuseum. Diese beinhaltet die Möglichkeit, sich per Tablet über die Exponate zu informieren. Einzelne Objekte können zudem mit Hilfe einer 3D-Brille genauer betrachtet werden. "Damit wollen wir den Besuchern die Bibelforschung näherbringen und unsere Arbeit so darstellen, dass auch Laien sie verstehen können", sagt Strutwolf.

Mit dem Bibelmuseum wurde am 13. Dezember auch das benachbarte Archäologische Museum der Universität Münster wiedereröffnet, dessen Ausstellungsfläche sich mit nunmehr 510 Quadratmetern mehr als verdoppelt hat. Es ist nun auf zwei Etagen untergebracht und barrierefrei gestaltet.

Helmut Jasny (epd)


Raffaels Madonnen in Berliner Gemäldegalerie


"Maria mit dem segnenden Kind und den Heiligen Hieronymus und Franziskus"
epd-bild/Jürgen Blume
Er ist einer der Meilensteine der europäischen Kunstgeschichte: der Maler und Architekt Raffael. Im kommenden Jahr jährt sich sein 500. Todestag. Die Berliner Gemäldegalerie macht den Auftakt im weltweiten Ausstellungsreigen.

Vom Handwerksmeister zum Großunternehmer und prägenden Künstler der italienischen Hochrenaissance: In kurzer Zeit hat Raffaello Sanzio da Urbino (1483-1520), kurz Raffael genannt, einen kometenhaften Aufstieg hingelegt. Die Berliner Gemäldegalerie widmet sich seit dem 13. Dezember in einer kleinen Sonderausstellung der sogenannten Frühzeit. Zu sehen sind Madonnen-Bilder von Raffael aus den Jahren 1502 bis 1508.

Die Kabinettsausstellung "Raffael in Berlin. Die Madonnen der Gemäldegalerie" versammelt zehn Exponate, darunter sieben Werke Raffaels, die bislang nicht zusammen präsentiert wurden. Im Mittelpunkt steht die berühmte "Madonna Terranuova", ihr zur Seite hängt die nicht weniger berühmte "Madonna mit den Nelken". Dieses kleine Andachtsbild ist eine Leihgabe der National Gallery aus London und hat erstmals seit seinem Einkauf England verlassen, wie der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Michael Eissenhauer, am Mittwoch bei der Präsentation der Ausstellung betonte.

Neben fünf Madonnen-Bildern aus dem eigenen Bestand sind auch Werke aus dem Berliner Kupferstichkabinett zu sehen, darunter etwa ein Rundbild mit dem Kopf der "Madonna Terranuova" als Fragment auf Karton.

Auftakt des Jubiläumsjahres

Die Ausstellung ist der Auftakt zu weiteren Ausstellungen und Veranstaltungen in Berlin anlässlich des 500. Todestages des italienischen Ausnahmekünstlers im kommenden Jahr. Eissenhauer nannte das Jubiläum ein wichtiges kunsthistorisches Ereignis, das weltweit begangen werde.

Raffael wurde am Ende März/Anfang April 1483 im italienischen Urbino geboren und starb mit 37 Jahren am 6. April 1520 in Rom. Sein Weg führte ihn "von den frühen, scheinbar friedlich-frommen Madonnen und Andachtsbildern" zu den großen Altären und Freskenzyklen der römischen Jahre, wie der Kunsthistoriker Christof Thoenes in einer Monografie schrieb.

Hofmaler des Papstes

Raffaels künstlerische Laufbahn beginnt in Perugia, wo er als Schüler in der Werkstatt von Perugino arbeitet. 1504 folgt der Umzug nach Florenz. Hier begegnet er den Werken Leonardo da Vincis und Michelangelos. 1508 ruft Papst Julius II. ihn als Hofmaler und Architekt nach Rom. Neben päpstlichen Gemächern gestaltet er unter anderem die Sixtinische Kapelle.

In der Sammlungsgeschichte der Berliner Museen kommt Raffael bereits seit ihrer Gründungszeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine große Bedeutung zu. Raffael ist Kult in der Romantik, als die italienische Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts wiederentdeckt wird. Deshalb finden sich heute mehrere Werke des Künstlers in den Museumsdepots.

Neben den Madonnen aus der Gemäldegalerie präsentiert das Kupferstichkabinett deshalb von Januar bis April "Das Leben Raffaels" in zwölf Radierungen von Johannes Riepenhausen aus dem Jahr 1833. Fortgesetzt wird die Reihe im Februar mit einer Sonderausstellung im Kupferstichkabinett unter anderem mit Zeichnungen Raffaels, seines Lehrers Perugino und des Kupferstechers Marcantonio Raimondi.

Im Gobelinsaal des Bode-Museums wird am 6. April 2020 mit einem Festakt zum Todestag Raffaels an den Künstler erinnert. In diesem Saal hingen bis zum Zweiten Weltkrieg neun sogenannte Raffael-Tapisserien. Die Wandbehänge sind seit dem Krieg verschollen.

Von Lukas Philippi (epd)


Veranstalter ziehen positive Abschlussbilanz für Fontanejahr


Fontane-Denkmal in Neuruppin (Archivbild)
epd-bild/Rolf Zöllner
Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Effi Briest, Der Stechlin: Theodor Fontane ist mit seinen Werken bis heute als bedeutender Schriftsteller bekannt. Das Jubiläumsjahr zu seinem 200. Geburtstag am 30. Dezember steht kurz vor dem Abschluss.

Ausstellungen, Computerspiele, Theater und andere Kulturveranstaltungen: Das brandenburgische Fontanejahr 2019 war nach Einschätzung der Veranstalter ein großer Erfolg. Mit einer Vielfalt von Projekten zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Theodor Fontane (1819-1898) in den verschiedenen Regionen des Bundeslandes seien ganz unterschiedliche Zielgruppen erreicht worden, betonte die Geschäftsführerin der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte, Brigitte Faber-Schmidt, zur Abschlussbilanz am 12. Dezember in Potsdam. Bei den zahlreichen Veranstaltungen der Reihe "Kulturland Brandenburg" zum Themenjahr seien rund 350.000 Besucher gezählt worden.

Das Jubiläumsjahr "fontane.200" sei ein "dynamischer Impulsgeber für das gesamte Land Brandenburg, insbesondere für die Fontanestadt Neuruppin und das Ruppiner Land" geworden, betonte Faber-Schmidt. Das Jubiläum habe Fontanes Geburtsstadt Neuruppin "viele gute Schlagzeilen und Aufmerksamkeit als Kulturstadt gebracht", sagte der Neuruppiner Bürgermeister Jens-Peter Golde (Pro Ruppin) dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich glaube, dass es gelungen ist, ihn gegenwartsbezogen zu vermitteln."

"Kein verstaubter Klassiker"

Auf den Tourismus habe sich das Jubiläum positiv ausgewirkt, sagte Golde. Die Gästezahlen im Ruppiner Seenland seien um zehn Prozent auf rund 565.000 Besucher, die Zahl der Übernachtungen auf rund 1,6 Millionen gestiegen.

Die zentralen Ausstellungen in Potsdam und Neuruppin hätten gezeigt, dass der Schriftsteller "kein verstaubter Klassiker" sei, betonte Kurt Winkler, Geschäftsführer der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte. Fontane sei dort "als äußerst kreativer Schreiber und als Trendsetter der Brandenburg-Begeisterung" zu erleben gewesen. Das Jubiläumsjahr habe auch dazu angeregt, Fontane wieder neu zu lesen.

Die zentrale Website des Fontanejahres www.fontane-200.de sei seit dem Start mehr als 100.000 mal aufgerufen worden, hieß es. Die Ausstellung in Neuruppin habe bislang rund 30.000 Besucher gehabt, doppelt so viele wie erwartet. In der Potsdamer Begleitausstellung seien rund 7.000 Gäste gezählt worden. Die verbindende digitale Ausstellung "fontane.200/Online" werde nach 2019 für weitere fünf Jahre zu sehen sein.

"Sind überrannt worden"

Auch die Fontane-Festspiele in Neuruppin mit knapp 7.000 Gästen bei mehr als 80 Veranstaltungen seien ein Erfolg gewesen, hieß es. Sie sollen ab 2020 jährlich weitergeführt werden. Im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv habe sich die Zahl der Gäste bei Führungen auf rund 1.500 mehr als verdreifacht. Archivleiter Peer Trilcke zog eine positive Bilanz. Es seien "deutlich mehr Menschen aus den unterschiedlichen Bildungsschichten und Altersgruppen" erreicht worden als erträumt, sagte Trilcke dem epd: "Wir sind in diesem Jahr schlicht überrannt worden, es war unglaublich lebendig."

Das Fontanejahr war am 30. März von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Dietmar Woidke mit einem Festakt in Neuruppin eröffnet worden. Es endet an Fontanes 200. Geburtstag am 30. Dezember. Auf dem Programm stehen dann in Neuruppin "Geburtstagsgrüße am Fontane-Denkmal" und eine Geburtstagsfeier in der Kulturkirche mit anschließender Verleihung der Fontane-Kulturpreise.



Eva Kraus wird neue Intendantin der Bundeskunsthalle

Eva Kraus wird neue Intendantin der Bundeskunsthalle in Bonn. Derzeitige Direktorin des Staatlichen Museums für Kunst und Design in Nürnberg übernimmt ihre neue Stelle am 1. August 2020.

Die Bundeskunsthalle in Bonn wird künftig erstmals von einer Frau geführt. Die derzeitige Direktorin des Staatlichen Museums für Kunst und Design in Nürnberg, Eva Kraus, wird neue Intendantin der Ausstellungshalle, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am 13. Dezember mitteilte. "Ich bin eine Person, die für Interdisziplinarität steht", sagte Kraus bei ihrer Vorstellung. Sie könne sich mit dem Programm der Bundeskunsthalle identifizieren und wolle den von ihrem Vorgänger Rein Wolfs verfolgten Themenmix aus Kulturgeschichte, Technik und Kunst fortsetzen.

Die Besucher könnten sich auf ein "vitales, frisches Programm" freuen, versprach Kraus. "Ich stehe für Inszenierungen von Ausstellungen und für sinnliche Vermittlung von Ausstellungserlebnissen." Eva Kraus wird ihre Tätigkeit in der Bundeskunsthalle offiziell am 1. August 2020 beginnen. Sie sei an ihrer alten Wirkungsstätte noch vertraglich gebunden, werde allerdings schon vorher vor Ort für Beratungen zur Verfügung stehen, sagte die Kulturmanagerin.

Wechsel von Nürnberg nach Bonn

Kraus, die über Stationen in Wien, New York und München nach Nürnberg kam, war zuvor von der Gesellschafterversammlung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH aufgrund einer Empfehlung des Kuratoriums gewählt worden. "Mit Eva Kraus gewinnen wir eine hochqualifizierte Kulturmanagerin für die Leitung eines der großen Ausstellungshäuser unseres Landes, dessen Programm auch im europäischen und außereuropäischen Ausland sehr aufmerksam verfolgt wird. Ich bin überzeugt, dass die neue Intendantin die Strahlkraft und das Renommee des Hauses, das sich in einer breiten Palette hochaktueller zeitgenössischer, aber auch historischer, natur- und kulturwissenschaftlicher Themen und Fragestellungen spiegelt, sichern wird", sagte Kulturstaatsministerin Grütters. Zudem werde die Intendantin neue Akzente setzen.

Kraus löst den Niederländer Wolfs ab, der nach sieben Jahren die Bundeskunsthalle verlassen hat, um das Stedelijk Museum in Amsterdam zu leiten. Grütters lobte, Wolfs habe die Bundeskunsthalle exzellent geführt und dort ein breites und vielfältiges Ausstellungsprogramm geboten. "Mit vielen seiner unkonventionellen Ausstellungen hat er zentrale gesellschaftliche Themen aufgegriffen und sich mutig auf wichtige Debatten eingelassen. Damit hat er das Haus zu einem bundesweiten Besuchermagneten gemacht."

Nach Turbulenzen wieder auf Erfolgskurs

Wolfs hatte die Bundeskunsthalle nach Turbulenzen wieder auf Erfolgskurs gebracht. Das Haus war 2007 durch einen Finanzskandal in eine Krise gerutscht, die auch durch seine beiden Vorgänger nicht vollends überwunden werden konnte. Wolfs verhalf der Bundeskunsthalle mit einer Erweiterung des Themen-Spektrums zum Beispiel im Bereich Mode und Popkultur sowie künstlerischen Highlights wie etwa der Ausstellung von Marina Abramovic wieder zu Ansehen und Publikumserfolg.

Die Bundeskunsthalle wurde 1992 eröffnet. Veranstaltet werden Ausstellungen zur Kunst- und Kulturgeschichte, Archäologie, Wissenschaft und Technik. Die Einrichtung wird aus dem Etat der Kulturstaatsministerin mit jährlich rund 21,5 Millionen Euro gefördert.



Herkunftsnennung in Medien sorgt weiter für Diskussionen

Wann Medien die Herkunft eines Gewalttäters nennen, ist umstritten. Der Pressekodex formuliert dafür eine Richtlinie, seit 2017 ist diese aber weiter gefasst. Forschungsergebnisse zeigen: Die Nennung der Nationalität ist seitdem keine Ausnahme mehr.

In der Berichterstattung über Gewaltdelikte in deutschen Medien hat die Nennung der Herkunft eines Verdächtigen nach Angaben des Journalismus-Forschers Thomas Hestermann drastisch zugenommen. 2014 habe die Nationalität mutmaßlicher Täter kaum eine Rolle gespielt, sagte der Professor der Hochschule Macromedia am 10. Dezember bei einer Veranstaltung des "Mediendienstes Integration" in Berlin. In nur knapp fünf Prozent der Fernsehbeiträge sei sie genannt worden. Die Silvesternacht 2015/16 in Köln habe alles geändert, sagte Hestermann mit Verweis auf seine eigene Forschung: 2017 sei in jedem sechsten Fernsehbeitrag über Gewaltdelikte die Herkunft von Verdächtigen genannt worden, 2019 sogar in jedem dritten.

Hestermann, der gleiche Effekte auch bei einer Untersuchung überregionaler Zeitungen feststellte, sagte, genannt werde die Herkunft meist dann, wenn es Ausländer betreffe. Er warnte vor einem Zerrbild: 69 Prozent der Gewalttäter 2018 seien Deutsche gewesen, sagte er unter Berufung auf die Polizeistatistik. Das in Medien gezeichnete Bild sei damit nicht wahrheitsgetreu.

"Krasse Fehlentscheidung"

Die Änderung der betreffenden Richtlinie im Pressekodex bezeichnete Hestermann als "krasse Fehlentscheidung". Der Presserat als Selbstkontrollorgan der deutschen Presse hatte im Frühjahr 2017 entschieden, dass die Herkunft genannt werden kann, wenn ein "begründetes öffentliches Interesse" daran besteht. Vorher galt, dass die Herkunft nur dann genannt werden soll, wenn ein Zusammenhang zur Tat besteht, etwa wenn die Tat nur durch die Nennung der Nationalität erklärbar wird. Die Richtlinie soll vor Diskriminierung schützen.

Hestermann sagte zugleich, viele Journalisten hielten sich nach wie vor an die alte Richtlinie. Dazu riet auch die Geschäftsführerin des Vereins "Neue deutsche Medienmacher*innen", Konstantina Vassiliou-Enz. Die automatische Verknüpfung von Herkunft und Tat sei "unsachlich und unjournalistisch", sagte sie. Nur in Ausnahmen sei die Nennung der Herkunft notwendig, um die Geschichte um eine Tat zu verstehen. Sie plädierte dafür, in Fällen, in denen die Herkunft genannt wird, auch zu erklären, warum das relevant ist. Ihr Verein setzt sich für diskriminierungsfreie Berichterstattung ein.

Für Abwägung im Einzelfall

Der stellvertretende Chefredakteur der "Sächsischen Zeitung", Heinrich Maria Löbbers, verteidigte die 2016 von seiner Zeitung getroffene Entscheidung, die Herkunft eines Verdächtigen immer zu nennen. So wolle man dem Zerrbild entgegenwirken, weil auch bei deutschen Tätern die Nationalität genannt werde. Ausschlaggebend für die Berichterstattung sei aber die Relevanz des Deliktes, nicht die Herkunft. "Für unsere Region, glauben wir, ist es die richtige Entscheidung gewesen", sagte Löbbers mit Blick auf die Auseinandersetzungen rund um "Pegida" in Sachsen.

Der Pressesprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz, wandte sich gegen die Forderung pauschaler Vorgaben für Pressemitteilungen der Polizei. Die Nennung der Herkunft müsse immer individuell abgewogen werden, sagte er. Auch er plädierte für die Nennung, wenn es für das Verständnis des Geschehenen notwendig sei. Auch in anderen Fällen sei es sinnvoll, Details wie die Nationalität zu nennen, etwa um einem "Frame" entgegenzuwirken, sagte er.



RBB-Intendantin warnt vor weiteren Sparrunden


Patricia Schlesinger
epd-bild/Christian Ditsch

Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, sieht neue Sparrunden auf ihren Sender zukommen. Die angekündigte Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent, die deutlich unter den Bedarfsanmeldungen der öffentlich-rechtlichen Sender liegt, treffe die kleinen und mittleren Sender besonders, sagte Schlesinger dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der RBB sei bereits sehr schlank aufgestellt, er habe kein Polster: "Da bleibt wenig Speck auf der Rippe. Wir stecken das meiste Geld ins Programm."

Schlesinger kündigte an, dass ihr Sender künftig auch im Regionalen sparen müsse. Wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags so gering ausfalle, sei dies "ein Einschnitt in die Grundversorgung dieser Gesellschaft", kritisierte sie. Das halte sie für einen großen Fehler. Für den RBB bedeute die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, dass der Sender ab 2021 eine zweistellige Millionensumme pro Jahr einsparen müsse.

"Das kann uns nicht zufriedenstellen"

Die Intendantin hatte Ende August angekündigt, dass die Kulturwelle RBBKultur eine Million Euro einsparen muss, das entspricht zehn Prozent des Etats. Schlesinger sagte, in der neuen Kulturwelle werde es neue Formate geben. Sie wolle "einen modernen Sender, der auch jüngere Hörer anspricht". Derzeit seien die meisten Hörer des Kulturradios älter als 70. "Das kann uns nicht zufriedenstellen", sagte sie: "Wir müssen den Kulturbegriff etwas ausweiten und auch die Jüngeren gewinnen, wenn wir schon das Privileg haben, in dieser Stadt eine Kulturwelle anbieten zu können."

Der RBB arbeitet derzeit an einem Crossmedialen Newscenter für die regionalen Nachrichten. Dieses solle 2021 bezogen werden, kündigte Schlesinger an: "Wir werden unsere Arbeitsprozesse neu organisieren, um am Ende möglichst viel anzubieten." Die Mediennutzung verändere sich derzeit rasant, sagte Schlesinger. Das Fernsehen sei noch das wichtigste Medium, es werde aber bald nicht mehr so wichtig sein wie jetzt.

Patricia Schlesinger (58) steht seit Juli 2016 als Intendantin an der Spitze des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Der Sender, der 2003 aus der Fusion des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg mit dem Sender Freies Berlin entstand, gehört mit einem Etat von rund 500 Millionen Euro zu den kleineren ARD-Sendern. Schlesinger war zuvor beim NDR Moderatorin von "Panorama" und Auslandskorrespondentin in Singapur und Washington. Von 2007 bis 2016 leitete sie den Programmbereich Kultur und Dokumentation beim NDR Fernsehen.

epd-Gespräch: Diemut Roether


ARD-Wetterkompetenzzentrum startet zu Jahresbeginn


Die Wettermoderatoren Sven Plöger und Donald Bäcker im neuen Wetterkompetenzzentrum
epd-bild/Thomas Rohnke

Die ARD startet am 1. Januar 2020 ihr neues Wetterkompetenzzentrum. Die beim Hessischen Rundfunk (HR) in Frankfurt am Main angesiedelte Redaktion mit 75 Mitarbeitern werde künftig die gesamte Wetterberichterstattung im Ersten Deutschen Fernsehen übernehmen, sagte die HR-Fernsehdirektorin Gabriele Holzner am 11. Dezember. Darüber hinaus liefere das Zentrum die Wetterberichterstattung für die Dritten Fernsehprogramme des HR, des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Südwestrundfunks (SWR), Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Saarländischen Rundfunks (SR) und Norddeutschen Rundfunks (NDR) für Niedersachsen, außerdem für "tagesschau24", Radiowellen und Internetseiten. Es gebe Gespräche mit weiteren Rundfunkanstalten, sagte Holzner: "Das Zentrum hat noch Luft nach oben."

Im Wetterkompetenzzentrum arbeiten nach Aussage der Leiterin Silke Hansen Meteorologen, Redakteure und Grafiker in einem Großraumbüro zusammen. In 34 Schichten täglich erstellten sie rund 35 Fernseh-Wetterberichte mit rund 100 Sendeminuten, Radiobeiträge, Online- und Videotext-Seiten. Das Zentrum wolle in Zukunft insbesondere die Vorhersage für kritische und gefährliche Wetterlagen verbessern, sagte Hansen: "Wir wollen schnell und gut reagieren." Wenn ein Unwetter drohe, würden die Startseiten der Websites umgeschrieben, rasch Radiowarnungen ausgegeben und in Fernsehsendungen Warnschilder oder Videotext-Hinweise eingeblendet.

720.000 Euro Einsparung

Die ARD hatte im vergangenen Februar beschlossen, ihre Wetterberichterstattung beim HR zu bündeln. Dadurch würden jährlich rund 720.000 Euro gespart, außerdem würden künftig alle Wetterberichte aufgrund derselben Daten, Interpretationen und Aufbereitung "konsistent sein", erklärte Holzner. Die ARD-Wettermoderatoren Claudia Kleinert, Sven Plöger, Karsten Schwanke und Donald Bäcker seien dafür zum HR gewechselt. Die Redaktion sei um 18 neue Mitarbeiter, zumeist in Teilzeit, aufgestockt worden. Die Wetterdaten kämen vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach, von ausländischen Wetterdiensten und von einem privaten Messnetz.

Bisher teilten sich der HR und die von öffentlich-rechtlichen Sendern getragene Firma Cumulus mit Sitz in Grünwald bei München die ARD-Wetterberichte. Cumulus hatte den Auftrag 2012 von Jörg Kachelmanns früherem Unternehmen Meteomedia übernommen. Die Firma steuerte das Wetter für das ARD-Morgenmagazin, das "Wetter vor acht" vor der Tagesschau, die Tagesthemen und zahlreiche Dritte Programme bei. Diese Sendungen werden nun alle auch vom neuen Wetterkompetenzzentrum erstellt. "Mehrfachstrukturen sind nicht sinnvoll", kommentierte Holzner



Deutsches Filmmuseum präsentiert Maximilian Schell


Deutsches Filmmuseum präsentiert Maximilian Schell
epd-bild /Thomas Rohnke

Der Schauspieler und Regisseur Maximilian Schell (1930-2014) ist Thema einer neuen Sonderausstellung im Deutschen Filminstitut und Filmmuseums (DFF) in Frankfurt am Main. Die Schau illustriere Schells Seiten als Theaterschauspieler und Opernregisseur, als Verfasser von Bühnentexten und Filmskripten, als Künstler und Sammler sowie als Übersetzer von Shakespeare, sagte Museumsdirektorin Ellen Harrington. Die vom 10. Dezember bis 19. April 2020 geöffnete Ausstellung ist ein Ertrag der Untersuchung und Archivierung von Schells Nachlass, der 2016 an das DFF überging.

Die Ausstellung schildert acht Themenbereiche des in Wien geborenen und in Innsbruck gestorbenen Multikünstlers, der einer der international bekanntesten deutschsprachigen Schauspieler war. Seine Bedeutung illustriert die Oscar-Trophäe für den besten Hauptdarsteller, die er 1962 für seine Rolle in dem US-Film "Das Urteil von Nürnberg" aus dem Jahr 1961 erhielt. Dokumente, Fotos und Porträtzeichnungen geben Einblick in die verschiedenen Lebensabschnitte des Künstlers. Manuskripte und Kunstwerke, etwa ein Ölbild von Josef Albers, machen mit dem leidenschaftlichen Sammler bekannt.

Doku über Marlene Dietrich

Ein eigener Raum ist dem Entstehen des Dokumentarfilms "Marlene" (1982/83) gewidmet. Schell habe es geschafft, die ehemalige Filmdiva Marlene Dietrich sechs Tage lang zu interviewen, hieß es. "Die Dietrich war die ganze Zeit auf Konfrontationskurs", sagte Kuratorin Isabelle Bastian. In einer Vitrine sind Protokolle der Interviews zu sehen. Da die Diva Filmaufnahmen verbot, musste Schell die Szene hinterher nachstellen. Kurator Hans-Peter Reichmann erklärte, Dietrich habe den Film zunächst entschieden abgelehnt. Doch als er für den Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert wurde, "fand sie ihn grandios".



Heike Makatsch unterstützt Max-Ophüls-Preis

Seit mehr als vier Jahrzehnten gilt das Filmfestival Max-Ophüls-Preis als Sprungbrett für den deutschsprachigen Filmnachwuchs. Über 150 Filme stehen 2020 auf dem Programm - prominente Unterstützer sind Heike Makatsch und Rosa von Praunheim.

Beim Filmfestival Max-Ophüls-Preis (MOP) in Saarbrücken werden zahlreiche Prominente aus Film und Fernsehen ihre Nachwuchskollegen unterstützen. Ehrengast bei der 41. Ausgabe des traditionellen Filmfestivals vom 20. bis 26. Januar ist die Schauspielerin Heike Makatsch, wie die Veranstalter am 13. Dezember mitteilten. Neben Vorführungen von vier ihrer Filme steht ein Werkstattgespräch mit ihr auf dem Programm.

Insgesamt werden mehr als 150 Streifen in der Festivalwoche gezeigt, darunter 63 im Wettbewerb, wie Festivalleiterin und Geschäftsführerin Svenja Böttger sowie der künstlerische Leiter, Oliver Baumgarten, erklärten. Die Spiel-, Dokumentar-, Kurz- und mittellangen Filme konkurrieren um 16 Preise, die mit insgesamt 118.500 Euro dotiert sind.

Festival eröffnet mit jüngsten Film von Rosa von Praunheim

Eröffnet wird das Festival mit "Darkroom", dem jüngsten Werk des Regisseurs Rosa von Praunheim: In dem Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht, geht es um einen aus Saarbrücken stammenden Mann, der in der Berliner Schwulenszene Männer mit einer Überdosis K.O.-Tropfen vergiftet. Von Praunheim werde bei allen Vorführungen seiner Filme während des MOP Fragen beantworten, betonte Böttger. Zudem wolle der 77-Jährige seinen jungen Kollegen sein Buch "Wie wird man reich und berühmt?" zur Verfügung stellen.

Mit Makatsch werden vier Filme während des Festivals gezeigt, die die verschiedenen Facetten ihres Talents abdecken sollen. Mit "Männerpension" (1996) wurde sie bekannt. In "Hilde" (2009) geht es um die Schauspielerin Hildegard Knef. Zudem sind das Mutter-Tochter-Drama "Fremde Tochter" (2017) und die Verfilmung des Udo-Jürgens-Musicals "Ich war noch niemals in New York" (2019) zu sehen.

Über 150 Streifen sind zu sehen

In dem Langfilmwettbewerb, in dem unter anderem der mit 36.000 Euro dotierte Hauptpreis vergeben wird, laufen 16 Filme. Für die jeweils mit 3.000 Euro dotierten Preise „Bester Schauspielnachwuchs" sind drei Frauen und drei Männer nominiert. Die Spielfilme beschäftigen sich mit verschiedenen gesellschaftlichen Themen. In zwei Uraufführungen ("Ein bisschen bleiben wir noch" und "Jiyan") geht es um die Abschiebung von Flüchtlingen und die Schicksale der Betroffenen. Die Komödie "Irgendwann ist auch mal gut" beschäftigt sich mit dem selbstbestimmten Sterben und "Nothing more perfect" mit dem Einfluss sogenannter Sozialer Medien auf das Leben von jungen Menschen.

Der Max-Ophüls-Preis gilt als eines der bedeutendsten Filmfestivals für Nachwuchsfilmer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg. Benannt ist es nach dem in Saarbrücken geborenen Regisseur Max Ophüls (1902-1957).



Kulturgroschen für früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum

Der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum ist am 10. Dezember in Berlin mit dem diesjährigen Kulturgroschen des Deutschen Kulturrates geehrt worden. Damit würden Baums kulturpolitisches Wirken und sein Engagement für Meinungsfreiheit, Kunst und Kultur sowie für Menschen- und Bürgerrechte gewürdigt, teilte der Kulturrat in Berlin mit. Die undotierte Auszeichnung wird seit 1992 für kulturpolitische Lebensleistungen vergeben.

Für Gerhart Baum sei Kunst ein Stück Freiheit, erklärte der Kulturrat zur Begründung. Und Demokratie sei für ihn ohne Kunst nicht vorstellbar. Er warne vor einem "Kulturkampf von rechts", der durch vielfältige Aktionen in der ganzen Republik, etwa gegen die Theater, seine völkische Ideologie zum Maßstab der Kunstförderung machen wolle. Baum warne vor einer Klimaverschlechterung, einer schleichenden Anpassung und der Förderung einer immer vorhandenen Feindseligkeit gegen das Neue in der Kunst.

Mit dem Kulturgroschen wurden zuvor unter anderen der Filmemacher Edgar Reitz, der Dirigent Daniel Barenboim, der frühere Bundespräsident Johannes Rau und die früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Norbert Lammert (CDU) ausgezeichnet.



Prominente Unterstützung für jüdisches Museum "MiQua"

Das Jüdische Museum im Archäologischen Quartier erhält Unterstützung von der ehemaligen Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, dem früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) und dem Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer. Die drei Nordrhein-Westfalen sitzen im neu gegründeten Kuratorium der Fördergesellschaft LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier, den MiQua-Freunden, wie der Landschaftsverband Rheinland (LVR) am 10. Dezember mitteilte. Die Organisation wolle das "Museum im Quartier" (MiQua) nicht nur finanziell, sondern auch in der Öffentlichkeit sowie im beruflichen und privaten Umkreis der Kuratoriumsmitglieder unterstützen.

Zu den Mitgliedern des Kuratoriums zählen außerdem der emeritierte Generalvikar des Erzbistums Köln, Norbert Feldhoff, der ehemalige Banker Christopher von Oppenheim und Ulrich Soénius, Vorstand und Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln.

Bis zum Jahr 2021 soll vor dem Historischen Rathaus in Köln das MiQua mit archäologischen Denkmälern entstehen, darunter das Praetorium, der Palast des römischen Statthalters, das mittelalterliche jüdische Viertel und das christliche Goldschmiedeviertel. In einem rund 600 Meter langen Parcours auf und unter dem Rathausplatz in Köln sollen so über 2.000 Jahre Kölner Geschichte erlebbar gemacht. Im kommenden Jahr sollen die Hochbauarbeiten starten.



Bestes NRW-Pressefoto zeigt jüdischen Karneval in Köln

Das NRW-Pressefoto 2019 zeigt die Feier des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" in einer Synagoge in Köln. Der nordrhein-westfälische Landtag zeichnete am 9. Dezember den Reuters-Fotografen Thilo Schmülgen für die Aufnahme aus, die das Nebeneinander von Kippas und Karnevalskappen sichtbar macht. Bereits zum zweiten Mal würdigte der Landtag die besten Fotos aus dem Nachrichtenjahr mit Preisgeldern in Höhe von insgesamt 22.000 Euro. Die fünf Siegeraufnahmen und 33 weitere Bilder sind bis 16. Januar in der Bürgerhalle des Landtags zu sehen.

Den zweiten Platz erzielte eine Aufnahme von David Klammer, der Proteste des Bündnisses "Ende Gelände" im Tagebau Garzweiler verfolgte. Auf den dritten Platz wählte die Jury ein Foto von Christoph Reichwein, das eine Razzia der Polizei gegen die Mafia in Duisburg zeigt.

Mit einem Nachwuchspreis wurde Marcel Kusch ausgezeichnet, der dokumentierte, wie die Feuerwehr in Dortmund ein Schaf von einer nach Starkregen überfluteten Wiese rettete. Den erstmals ausgelobten Sonderpreis "Jugend und Demokratie" erhielt Kerstin Kokoska für ein Foto von einer "Fridays for Future"-Demonstration in Essen.

An dem Wettbewerb beteiligten sich den Angaben zufolge insgesamt 62 Fotografen mit 247 Beiträgen. Die Aufnahmen entstanden zwischen November 2018 und Oktober 2019. Landtagspräsident André Kuper (CDU) würdigte die Arbeit der Fotojournalisten, die gerade in Zeiten von Fake News immer wichtiger werde. "Mit ihrer Arbeit stärken sie Meinungsfreiheit und Demokratie", erklärte Kuper.



Städte suchen "CityARTists"

Verschiedene Städte aus Nordrhein-Westfalen haben zehn Stipendien in einer Gesamthöhe von 50.000 Euro für Künstler in ihrer Stadt ausgeschrieben. Als "CityARTists" bewerben können sich Künstler aus den Sparten Malerei, Skulptur, Installation, zeitbasierte Medien und Fotografie, wie das NRW Kultursekretariat am 10. Dezember in Wuppertal mitteilte. Sie müssen das 50. Lebensjahr vollendet und ihren Wohnsitz in einer der Mitgliedsstädte haben - also in Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Köln, Krefeld, Mönchengladbach, Moers, Mülheim an der Ruhr, Münster, Neuss, Oberhausen, Recklinghausen oder Wuppertal. Vergeben werden bis zu zehn Stipendien in Höhe von 5.000 Euro je Künstler und Mitgliedsstadt.




Entwicklung

Suu Kyi weist Völkermord-Vorwurf gegen Myanmar zurück


Aung San Suu Kyi (Archivbild)
epd-bild / Rolf Zöllner
2017 startete die myanmarische Armee eine Offensive gegen die Rohingya-Bevölkerung im Rakhine-Staat, 740.000 Menschen flohen ins benachbarte Bangladesch. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit hat deswegen eine Völkermord-Klage eingereicht.

Myanmars De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat den Völkermord-Vorwurf gegen ihr Land zurückgewiesen. In einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag sagte die Friedensnobelpreisträgerin am 11. Dezember, Gambia habe ein "unvollständiges und irreführendes Bild" der Lage im Bundesstaat Rakhine gezeichnet. Suu Kyi bezog sich auf die Klage, die das westafrikanische Land im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit vor dem höchsten UN-Gericht eingereicht hatte. Darin beschuldigt Gambia die myanmarischen Streitkräfte des Völkermordes an der muslimischen Rohingya-Minderheit.

Suu Kyi betonte, dass die Lage im westlichen Rakhine-Staat, wo die meisten Rohingya lebten, "komplex" und durch "interne Konflikte" gekennzeichnet sei. So sei die Armee dort gegen bewaffnete Rebellen vorgegangen, unter anderem gegen die Rohingya-Miliz Arsa. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Militär in manchen Fällen unangemessene Gewalt angewandt habe. Allerdings sei dies kein Beleg für einen beabsichtigten Völkermord, erklärte Suu Kyi.

740.000 Rohingya geflohen

Nachdem die Arsa-Miliz im Oktober 2016 und Ende August 2017 Grenzposten der Polizei und Armee überfallen hatte, begannen die Streitkräfte unter dem Namen des "Anti-Terror-Kampfes" eine Offensive gegen die Rohingya-Bevölkerung. Im bislang jüngsten Massenexodus flohen 2017 mehr als 740.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch. Die UN sowie Menschenrechtsorganisationen werfen Myanmars Militär Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die zivile Regierung unter Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi gilt als mitschuldig. Wiederholt hat sie das Vorgehen der Streitkräfte verteidigt.

Gambia fordert unter anderem, der Internationale Gerichtshof müsse Myanmar unverzüglich "einstweilige Anordnungen" auferlegen, um systematische Gräuel an den Rohingya zu unterbinden. "Genozid geschieht nicht aus einem Vakuum heraus", erklärte der gambische Generalstaatsanwalt und Justizminister Abubacarr Tambadou am Dienstag. Misstrauen und hetzerische Propaganda hätten dafür gesorgt, die Opfer zu entmenschlichen.

Die Klage des westafrikanischen Landes stützt sich wesentlich auf einen UN-Untersuchungsberichts von 2018. Erst kürzlich hatten die UN-Ermittler bekräftigt, dass die etwas mehr als 500.000 in Myanmar zurückgebliebenen Rohingya weiterhin der systematischen Verfolgung durch Armee und Grenzpolizei ausgesetzt und von Völkermord bedroht seien. Die Anhörungen sind bis Donnerstag angesetzt.



Krieg im Jemen verletzt und tötet monatlich rund 33 Kinder

Im Jemen werden nach Angaben der Organisation Save the Children trotz der vor einem Jahr vereinbarten Waffenruhe jeden Monat durchschnittlich 33 Kinder verletzt oder getötet. Die Hälfte aller Kinder, die in Folge der Kämpfe im Jemen starben, seien in den Städten Hodeidah und Taiz ums Leben gekommen, teilte die Hilfsorganisation am 9. Dezember in Berlin mit. Dort gebe es seit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen den Konfliktparteien in Stockholm am 13. Dezember 2018 immer wieder Gefechte. Die dramatische humanitäre Krise dauere weiter an, so Save the Children.

Zwar seien die Opferzahlen im Vergleich zu 2018 zurückgegangen. Aber zwischen Januar und Oktober 2019 seien allein in der Hafenstadt Hodeidah bei Kampfhandlungen 56 Kinder getötet und 170 weitere verletzt worden. In Taiz hätten sich die gewaltsamen Todesfälle von Kindern seit dem Abkommen mit 57 mehr als verdoppelt. Die Konfliktparteien hätten sich zwar verpflichtet, einen humanitären Korridor in Taiz für Hilfslieferungen zu öffnen. Das sei bisher aber nicht geschehen.

Brüchiger Waffenstillstand

Jemens Regierung und die Huthi-Rebellen hatten sich Ende vergangenen Jahres unter UN-Vermittlung in Schweden auf einen Waffenstillstand für die Provinz Hodeidah mit der strategisch wichtigen Hafenstadt verständigt. Über den Hafen wird ein Großteil der Lebensmittelimporte in den Jemen abgewickelt. Das Abkommen ist laut Diplomaten brüchig.

Im Jemen kämpfen die Regierung und eine Militärkoalition unter Führung von Saudi-Arabien gegen die Huthi-Rebellen, die vom Iran unterstützt werden. Seit März 2015 kamen rund 10.000 Menschen ums Leben, etwa 70.000 Menschen wurden verletzt.



Abiy Ahmed erhält Friedensnobelpreis in Oslo


Abiy (im Oktober 2018 in Frankfurt am Main)
epd-bild/Thomas Lohnes

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed hat in Oslo den Friedensnobelpreis entgegengenommen. Zu Beginn seiner Rede am 10. Dezember dankte er dem eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki. Dessen guter Wille, Vertrauen und Einsatz hätten den Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea erst ermöglicht. Die Verpflichtung beider Länder für den Frieden sei unerschütterlich, betonte Abiy. Zugleich räumte er ein, dass der Weg zu einem umfassenden Frieden noch weit sei. Auf Kritiker, die die wachsenden Unruhen zwischen Ethnien in Äthiopien und die stockende Öffnung des nach wie vor autoritär regierten Eritrea ins Feld führen, ging Abiy nicht ein.

Die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, hatte die Würdigung zuvor mit dem persönlichen Einsatz des 43-Jährigen für den Frieden mit Eritrea, die politische Öffnung Äthiopiens sowie Abiys Einsatz für Frieden in der Region begründet. Abiy repräsentiere eine neue Generation afrikanischer Politiker, die Konflikte mit friedlichen Mitteln beilegen wollten.

Pressekonferenz abgesagt

Das Horn von Afrika müsse zum friedlichen Füllhorn des ganzen Kontinents werden, forderte Abiy. Weder Terroristen noch Supermächte dürften die Region missbrauchen, um dort ihre Stützpunkte zu errichten. Abiy betonte die Bedeutung der jungen Bevölkerung für den Frieden. Sieben von zehn Afrikanern seien unter 30 Jahre alt. Ihre Generation fordere soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit sowie ein Ende der Korruption. "Die Jugend fordert gute Regierungsführung auf der Basis von Transparenz und Verantwortung", sagte Abiy. "Wenn wir unserer Jugend diese Gerechtigkeit verweigern, wird sie den Frieden verweigern."

Zuvor hatte Abiy die traditionelle Pressekonferenz und mehrere andere Termine, bei denen Fragen zugelassen gewesen wären, abgesagt. Gut 250 Eritreer im skandinavischen Exil demonstrierten in Oslo gegen die Verleihung an Abiy, weil wirkliche Erfolge seiner Friedenspolitik noch ausstünden. Die Verleihung umfasst mehrere Termine von Dienstag bis Donnerstag. Am Abend lädt das Nobelkomitee zu einem Bankett mit etwa 250 Gästen ein.



VEM warnt vor Bedrohung indigener Völker

Die Bedrohung des Regenwaldes und der indigenen Völker im indonesischen Westpapua sind das Thema der Menschenrechtsaktion 2020 der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Über der am 13. Dezember in Wuppertal gestarteten Aktion steht der Bibelvers Jeremia 46,23: "Sie hauen seinen Wald um, der unermesslich ist." Die Eröffnung steht in Zusammenhang mit dem am 10. Dezember begangenen Internationalen Tag der Menschenrechte.

In dem "Drohwort" des Propheten Jeremia gegen Ägypten seien Land, Wald und Leben untrennbar in einem Bild miteinander verbunden, erläuterte VEM-Vorstand Jochen Motte die Wahl des Verses: "Ohne Wald stirbt das Leben, stirbt der Mensch." Die indigenen Völker – ob stellvertretend in Westpapua, auf den Philippinen, im Kongo oder am Amazonas – verlören mit dem Land, von dem sie vertrieben werden, und dem Wald, der gefällt wird, ihre Wurzeln und ihre Lebensgrundlage.

Seit Jahren setzen sich die VEM-Mitgliedskirchen für die Rechte und den Schutz indigener Gemeinschaften ein. Im Juni wurde zusammen mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Evangelischen Missionswerk und Brot für die Welt bereits eine internationale Tagung zum Thema Nachhaltigkeit organisiert. Die Zerstörung und Ausbeutung durch Waldfällung und Rohstoffabbau nehme wegen des weltweiten Bevölkerungswachstums und dem zunehmenden Ressourcenverbrauch zu, warnte Motte. "Die Indigenen müssen um ihr Leben fürchten."

Mit der neuen Menschenrechtsaktion will die VEM das Thema nun ganzjährig in die Öffentlichkeit bringen: mit liturgischem Material für Gottesdienste, themenbezogenem Bildungsmaterial für Schulen und Gemeinden, Infoblättern und einem Plakat, das eine aus Wurzeln geformte Seitenansicht eines Gesichts zeigt. An den Ausläufern der Wurzeln verschwindet das Gesicht allmählich, doch es sprießen dort kleine Blätter – was die Designer als Zeichen der Hoffnung verstanden wissen wollen.

Auch die evangelische Theologin Fransina Yoteni aus Westpapua warnte bei Vorstellung der Aktion vor den Folgen des ungebremsten Raubbaus an der Natur. Zum einem verlören die indigenen Völker ihr Land, zum anderen sei von der Abholzung der Regenwälder die Lebensgrundlage der ganzen Menschheit betroffen: "Der Regenwald ist die Lunge der Erde", betonte sie. Deshalb müssten die Menschen sich fragen, welche Folgen der ungebremste Konsum für die Natur habe.

Die jährlichen Menschenrechtsaktionen sind fester Bestandteil der Arbeit der VEM. Im Jahr 2019 wurde das Thema Billigkleidung und Ausbeutung von Textilarbeitern in der Dritten Welt gesetzt, davor ging es um die Rechte von Frauen. Die VEM ist eine internationale Mission, bestehend aus 39 protestantischen Kirchen in Afrika, Asien und Deutschland. Sie ist hervorgegangen aus der Arbeit der Rheinischen Mission, der Bethel-Mission und der Zaire-Mission.



Gummizapfer, Urwaldretter, Mordopfer


Chico Mendes kämpfte für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes. Heute ist sein Erbe in größter Gefahr. (Archivbild)
epd-bild / Anja Kessler
Chico Mendes hat als einer der ersten für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes gekämpft. 1988 wurde er getötet, nun wäre er 75 Jahre alt geworden. Sein Erbe ist bedroht wie nie.

Chico Mendes ist ein Symbol: für den Kampf für den Amazonas-Regenwald - und für die Gefahr, die dieser Kampf bedeutet. Als einer der ersten prangerte der Kautschukzapfer die schonungslose Vernichtung des Amazonasgebietes und die Verdrängung der dort lebenden Menschen an. Doch je mehr das Engagement des Brasilianers international wahrgenommen wurde, desto häufiger erhielt er Morddrohungen.

"Wenn mein Tod unseren Kampf erleichtern würde, wäre er es mir sogar wert", sagte Mendes. "Doch Beerdigungen werden unseren Amazonas nicht retten. Ich will leben und weiterkämpfen." Am 22. Dezember 1988 wurde der inzwischen weltbekannte Aktivist und Gewerkschafter vor seinem Haus in Xapuri im Bundesstaat Acre von einem Großgrundbesitzer erschossen. Sein Mörder ist einer der wenigen, die verurteilt wurden. Am 15. Dezember wäre Brasiliens bekanntester Umweltschützer 75 Jahre alt geworden.

"Er war ein Visionär"

Chico Mendes erkannte bereits sehr früh, dass nur Nachhaltigkeit den Regenwald retten kann. Sein Kampf richtete sich gegen Großgrundbesitzer, Viehzüchter und Holzhändler. "Er war ein Visionär. Er war seiner Zeit weit voraus, ohne Zweifel", sagte Paulo de Souza Silva, sein Weggefährte und ehemaliger Kautschukzapfer. Er habe den Kampf um das Land der Gummizapfer in die Politik, zu den wichtigen Leuten gebracht, auch international.

Heute ist sein Erbe in größter Gefahr. Die Abholzung hat seit Amtsantritt des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro dramatisch zugenommen, und die Regierung will Schutzgebiete für den Bergbau freigeben. Allein im Bundesstaat Acre sei die illegale Abholzung 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 300 Prozent gestiegen, sagt Chico Mendes' Tochter Angela Maria Feitosa Mendes. Und die Schuld für die verheerenden Waldbrände der vergangenen Monate habe Bolsonaro stets den Umweltschützern gegeben. In dieser Kriminalisierung erkennt die Aktivistin ein altes Muster. "Das ist Teil von Bolsonaros Strategie, die Zivilgesellschaft zu schwächen."

Nachhaltiges Wirtschaften

Francisco Alves Filho alias Chico Mendes wurde am 15. Dezember 1944 in Xapuri geboren. Seine Familie war arm und ernährte sich vom Kautschukzapfen. Schon als Kind half er mit, die Bäume zu ritzen, um das flüssige Latex zu gewinnen. Die Gummizapfer wussten, wie sie mit und von dem Regenwald leben. Sie wirtschafteten nachhaltig und schützen den Lebenskreislauf der Natur. Erst mit 18 Jahren lernte Mendes lesen und schreiben, denn Schulen gab es in den Dörfern der Seringueiros, der Zapfer, nicht.

Gleichzeitig nahm die Zerstörung des Lebensraumes der Kautschukzapfer immer weiter zu. Denn Brasiliens Militärregierung (1964 bis 1985) wollte den Regenwald wirtschaftlich ausbeuten und stieß Großprojekte wie den Bau von Straßen an. Die Gummizapfer wurden mit brutaler Gewalt vertrieben oder mit leeren Versprechungen in die Städte gelockt.

Als junger Erwachsener sah Chico Mendes dieses Elend. Deshalb schloss er sich der Gewerkschaft der Landarbeiter an und organisierte 1975, inspiriert von der Theologie der Befreiung, friedlichen und passiven Widerstand gegen die Großprojekte. 1980 gehörte der Mann mit den dunklen Locken und dem dichten Schnurrbart zu den Gründern von Brasiliens linksgerichteter Arbeiterpartei PT und wurde Abgeordneter für den Bundesstaat Acre.

Allianz zum Erhalt des Regenwaldes

Zusammen mit den indigenen Völkern schuf er eine Allianz zum Erhalt des Regenwaldes und ging damit neue Wege. Denn Kautschukzapfer und Ureinwohner hatten ein angespanntes Verhältnis. "Am Anfang habe ich die Seringueros verteidigt, dann habe ich verstanden, dass ich die Natur verteidigen muss, und schließlich habe ich erkannt, dass ich die Menschheit verteidigen muss", sagte Mendes zu seinem Engagement.

Chico Mendes entwickelte aber auch Alternativen, um den Regenwald wirtschaftlich nutzen zu können, ohne ihn zu zerstören. Ein Jahr nach seinem Tod wurde das erste Schutzgebiet für Kautschuksammler im Grenzgebiet zu Peru und Bolivien gegründet, das seinen Namen trägt. Hier leben heute mehr als 1.000 Familien, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit den Früchten des Amazonas verdienen. 86 solcher Reservate, in denen rund 70.000 Familien leben, wurden bis heute gegründet - als Beispiel für die nachhaltige Nutzung des Regenwaldes.

Susann Kreutzmann (epd)


Menschenrechtler machen Konzerne für Klimawandel mitverantwortlich

Umweltschützer und Menschenrechtler in Südostasien haben eine Entscheidung der philippinischen Menschenrechtskommission begrüßt, wonach 47 multinationale Konzerne für den Klimawandel mitverantwortlich zu machen sind. Mitglieder der "Asean-Parlamentariergruppe für Menschenrechte" bezeichneten es am 10. Dezember als "historischen Schritt", dass die Unternehmen gesetzlich und moralisch für die Folgen der Erderwärmung haftbar gemacht werden könnten. Genannt wurden unter anderem die Mineralölkonzerne BP, Chevron, ExxonMobil, Shell und Total.

Grundlage war eine 2015 eingebrachte Petition von philippinischen Überlebenden des Taifuns "Haiyan" sowie Umweltschützern, Fischern und Menschenrechtlern. Ihren Beschluss hatte die Kommission am Rande der UN-Klimakonferenz in Madrid verkündet. Vertreter der Umweltorganisation Greenpeace lobten den Beschluss: "Große Umweltverschmutzer und andere Unternehmen haben eine Verantwortung, die Menschenrechte zu schützen, während wir uns dem Klimanotfall gegenüber sehen."

"Zeichen der Hoffnung"

Auch Amnesty International begrüßte den Schritt: "Die philippinische Menschenrechtskommission hat ein Zeichen der Hoffnung für die Opfer der Klimakrise gesetzt." Zum ersten Mal erkläre ein Menschenrechtsgremium, dass Produzenten fossiler Brennstoffe als rechtlich verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel eingestuft werden könnten. Zwar würden die betreffenden Unternehmen nicht unmittelbar sanktioniert. Dennoch schaffe der Beschluss einen wichtigen juristischen Präzedenzfall.

Wiederholt hatten Kritiker betont, dass Klimawandel eine Menschenrechtsfrage insbesondere für die Ärmsten sei. Dabei gehe es nicht allein um die Folgen der globalen Erwärmung für die Philippinen. Das Inselreich wird von etwa 20 Tropenstürmen jährlich heimgesucht und zählt damit weltweit zu den Ländern, die am meisten unter Wetterextremen leiden. Durch den Taifun "Haiyan", der die Zentralphilippinen im November 2013 traf, starben mindestens 6.300 Menschen, vier Millionen wurden obdachlos. "Haiyan" gilt als einer der stärksten Tropenstürme seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.



Evangelische Kirchen unterstützen Gewaltopfer im Ostkongo

Evangelische Kirchen helfen den Opfern von Angriffen im Ostkongo. Die Evangelische Kirche von Westfalen, die Evangelische Kirche im Rheinland und die Vereinte Evangelische Mission (VEM) stellen der kongelesischen Baptistenkirche im Zentrum Afrikas (CBCA) insgesamt 50.000 Euro zur Verfügung, wie die rheinische und westfälische Kirche sowie die VEM am 12. Dezember mitteilten. Im November seien bei mehreren Angriffen der Rebellenorganisation "Allied Democratic Forces" (ADF) auf die Zivilbevölkerung mindestens 110 Menschen getötet worden. Mindestens 24 Menschen seien verletzt, mindestens 35 würden noch vermisst.

Seit die Regierung die Rebellengruppen aktiv bekämpfe, komme es in den Städten und Dörfern immer wieder zu gewaltsamen Vergeltungsmaßnahmen an der Zivilbevölkerung durch die ADF-Rebellen, erklärten die Kirchen. Die Sicherheitslage, besondere für die vielen Binnenflüchtlinge, und die humanitäre Situation in vielen Städten sei äußerst besorgniserregend.

Die kongolesische Baptistenkirche übernehme in der aktuellen chaotischen Versorgungslage die Verteilung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Hygieneartikeln in der betroffenen Region, hieß es. Sie sorge außerdem für die medizinische Versorgung von Kindern, Schwangeren und Menschen mit Behinderung sowie für die psychologische Betreuung der traumatisierten Opfer von Gewalt. Um ein Wiederaufflammen der Ebola-Epidemie zu verhindern, würden Handwaschgeräte in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte aufgestellt. Zudem werde die Bevölkerung in Pfarrgemeinden, Schulen und Krankenstationen über die Ebola-Kontaminationskette aufgeklärt.