Myanmars De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat den Völkermord-Vorwurf gegen ihr Land zurückgewiesen. In einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag sagte die Friedensnobelpreisträgerin am 11. Dezember, Gambia habe ein "unvollständiges und irreführendes Bild" der Lage im Bundesstaat Rakhine gezeichnet. Suu Kyi bezog sich auf die Klage, die das westafrikanische Land im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit vor dem höchsten UN-Gericht eingereicht hatte. Darin beschuldigt Gambia die myanmarischen Streitkräfte des Völkermordes an der muslimischen Rohingya-Minderheit.

Suu Kyi betonte, dass die Lage im westlichen Rakhine-Staat, wo die meisten Rohingya lebten, "komplex" und durch "interne Konflikte" gekennzeichnet sei. So sei die Armee dort gegen bewaffnete Rebellen vorgegangen, unter anderem gegen die Rohingya-Miliz Arsa. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Militär in manchen Fällen unangemessene Gewalt angewandt habe. Allerdings sei dies kein Beleg für einen beabsichtigten Völkermord, erklärte Suu Kyi.

740.000 Rohingya geflohen

Nachdem die Arsa-Miliz im Oktober 2016 und Ende August 2017 Grenzposten der Polizei und Armee überfallen hatte, begannen die Streitkräfte unter dem Namen des "Anti-Terror-Kampfes" eine Offensive gegen die Rohingya-Bevölkerung. Im bislang jüngsten Massenexodus flohen 2017 mehr als 740.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch. Die UN sowie Menschenrechtsorganisationen werfen Myanmars Militär Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die zivile Regierung unter Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi gilt als mitschuldig. Wiederholt hat sie das Vorgehen der Streitkräfte verteidigt.

Gambia fordert unter anderem, der Internationale Gerichtshof müsse Myanmar unverzüglich "einstweilige Anordnungen" auferlegen, um systematische Gräuel an den Rohingya zu unterbinden. "Genozid geschieht nicht aus einem Vakuum heraus", erklärte der gambische Generalstaatsanwalt und Justizminister Abubacarr Tambadou am Dienstag. Misstrauen und hetzerische Propaganda hätten dafür gesorgt, die Opfer zu entmenschlichen.

Die Klage des westafrikanischen Landes stützt sich wesentlich auf einen UN-Untersuchungsberichts von 2018. Erst kürzlich hatten die UN-Ermittler bekräftigt, dass die etwas mehr als 500.000 in Myanmar zurückgebliebenen Rohingya weiterhin der systematischen Verfolgung durch Armee und Grenzpolizei ausgesetzt und von Völkermord bedroht seien. Die Anhörungen sind bis Donnerstag angesetzt.