Chico Mendes ist ein Symbol: für den Kampf für den Amazonas-Regenwald - und für die Gefahr, die dieser Kampf bedeutet. Als einer der ersten prangerte der Kautschukzapfer die schonungslose Vernichtung des Amazonasgebietes und die Verdrängung der dort lebenden Menschen an. Doch je mehr das Engagement des Brasilianers international wahrgenommen wurde, desto häufiger erhielt er Morddrohungen.

"Wenn mein Tod unseren Kampf erleichtern würde, wäre er es mir sogar wert", sagte Mendes. "Doch Beerdigungen werden unseren Amazonas nicht retten. Ich will leben und weiterkämpfen." Am 22. Dezember 1988 wurde der inzwischen weltbekannte Aktivist und Gewerkschafter vor seinem Haus in Xapuri im Bundesstaat Acre von einem Großgrundbesitzer erschossen. Sein Mörder ist einer der wenigen, die verurteilt wurden. Am 15. Dezember wäre Brasiliens bekanntester Umweltschützer 75 Jahre alt geworden.

"Er war ein Visionär"

Chico Mendes erkannte bereits sehr früh, dass nur Nachhaltigkeit den Regenwald retten kann. Sein Kampf richtete sich gegen Großgrundbesitzer, Viehzüchter und Holzhändler. "Er war ein Visionär. Er war seiner Zeit weit voraus, ohne Zweifel", sagte Paulo de Souza Silva, sein Weggefährte und ehemaliger Kautschukzapfer. Er habe den Kampf um das Land der Gummizapfer in die Politik, zu den wichtigen Leuten gebracht, auch international.

Heute ist sein Erbe in größter Gefahr. Die Abholzung hat seit Amtsantritt des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro dramatisch zugenommen, und die Regierung will Schutzgebiete für den Bergbau freigeben. Allein im Bundesstaat Acre sei die illegale Abholzung 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 300 Prozent gestiegen, sagt Chico Mendes' Tochter Angela Maria Feitosa Mendes. Und die Schuld für die verheerenden Waldbrände der vergangenen Monate habe Bolsonaro stets den Umweltschützern gegeben. In dieser Kriminalisierung erkennt die Aktivistin ein altes Muster. "Das ist Teil von Bolsonaros Strategie, die Zivilgesellschaft zu schwächen."

Nachhaltiges Wirtschaften

Francisco Alves Filho alias Chico Mendes wurde am 15. Dezember 1944 in Xapuri geboren. Seine Familie war arm und ernährte sich vom Kautschukzapfen. Schon als Kind half er mit, die Bäume zu ritzen, um das flüssige Latex zu gewinnen. Die Gummizapfer wussten, wie sie mit und von dem Regenwald leben. Sie wirtschafteten nachhaltig und schützen den Lebenskreislauf der Natur. Erst mit 18 Jahren lernte Mendes lesen und schreiben, denn Schulen gab es in den Dörfern der Seringueiros, der Zapfer, nicht.

Gleichzeitig nahm die Zerstörung des Lebensraumes der Kautschukzapfer immer weiter zu. Denn Brasiliens Militärregierung (1964 bis 1985) wollte den Regenwald wirtschaftlich ausbeuten und stieß Großprojekte wie den Bau von Straßen an. Die Gummizapfer wurden mit brutaler Gewalt vertrieben oder mit leeren Versprechungen in die Städte gelockt.

Als junger Erwachsener sah Chico Mendes dieses Elend. Deshalb schloss er sich der Gewerkschaft der Landarbeiter an und organisierte 1975, inspiriert von der Theologie der Befreiung, friedlichen und passiven Widerstand gegen die Großprojekte. 1980 gehörte der Mann mit den dunklen Locken und dem dichten Schnurrbart zu den Gründern von Brasiliens linksgerichteter Arbeiterpartei PT und wurde Abgeordneter für den Bundesstaat Acre.

Allianz zum Erhalt des Regenwaldes

Zusammen mit den indigenen Völkern schuf er eine Allianz zum Erhalt des Regenwaldes und ging damit neue Wege. Denn Kautschukzapfer und Ureinwohner hatten ein angespanntes Verhältnis. "Am Anfang habe ich die Seringueros verteidigt, dann habe ich verstanden, dass ich die Natur verteidigen muss, und schließlich habe ich erkannt, dass ich die Menschheit verteidigen muss", sagte Mendes zu seinem Engagement.

Chico Mendes entwickelte aber auch Alternativen, um den Regenwald wirtschaftlich nutzen zu können, ohne ihn zu zerstören. Ein Jahr nach seinem Tod wurde das erste Schutzgebiet für Kautschuksammler im Grenzgebiet zu Peru und Bolivien gegründet, das seinen Namen trägt. Hier leben heute mehr als 1.000 Familien, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit den Früchten des Amazonas verdienen. 86 solcher Reservate, in denen rund 70.000 Familien leben, wurden bis heute gegründet - als Beispiel für die nachhaltige Nutzung des Regenwaldes.